diff --git "a/MarxEngelsGesamtausgabe/(Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA)_ I.2) Karl Marx - Werke, Artikel, Entwu_rfe Ma_rz 1843 bis August 1844-Dietz Verlag (1982).txt" "b/MarxEngelsGesamtausgabe/(Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA)_ I.2) Karl Marx - Werke, Artikel, Entwu_rfe Ma_rz 1843 bis August 1844-Dietz Verlag (1982).txt" new file mode 100644--- /dev/null +++ "b/MarxEngelsGesamtausgabe/(Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA)_ I.2) Karl Marx - Werke, Artikel, Entwu_rfe Ma_rz 1843 bis August 1844-Dietz Verlag (1982).txt" @@ -0,0 +1,30242 @@ + KARL MARX +FRIEDRICH ENGELS +GESAMTAUSGABE + +ERSTE A B T E I L U NG + +WERKE · ARTIKEL · E N T W Ü R FE + +B A ND 2 + +Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus + +beim Zentralkomitee der + +Kommunistischen Partei der Sowjetunion + +und vom Institut für Marxismus-Leninismus + +beim Zentralkomitee der + +Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands + + KARL MARX +WERKE ARTIKEL +E N T W Ü R FE +MÄRZ 1843 +BIS AUGUST 1844 + +TEXT + +DIETZ VERLAG BERLIN + +1982 + + Redaktionskommission der Gesamtausgabe: +Günter Heyden und Anatoli Jegorow (Leiter), +Erich Kundel und Alexander Malysch (Sekretäre), +Rolf Dlubek, Heinrich Gemkow, Lew Golman, +Michail Mtschedlow, Richard Speri. + +Redaktionskommission der Ersten Abteilung: +Rolf Dlubek (Leiter), +Erich Kundel, Alexander Malysch, Richard Speri, Inge Taubert. + +Bearbeitung des Bandes: +Inge Taubert (Leiter), +Deana Bauer und Bernhard Dohm, +unter Mitarbeit von Johanna Dehnert, Christa Krause +und Rosemarie Lüdemann. +Gutachter: Rolf Dlubek, Georgi Bagaturija und Velta Pospelowa. + +Text und Apparat +Mit 45 Abbildungen +© Dietz Verlag Berlin 1982 +Lizenznummer 1 +LSV0O46 +Technische Redaktion: Friedrich Hackenberger, Heinz Ruschinski +und Waltraud Schulze +Korrektur: Hanna Behrendt, Jutta Knopp und Renate Kröhnert +Einband: Albert Kapr +Typografie: Albert Kapr/Horst Kinkel +Schrift: Times-Antiqua und Maxima +Printed in the German Democratic Republic +Gesamtherstellung: INTERDRUCK Graphischer Großbetrieb Leipzig +Papierherstellung: VEB Druck- und Spezialpapiere Golzern +Best.-Nr.: 7448048 +DDR 1 3 5 -M + + Inhalt + +Einleitung + +Editorische Hinweise + +Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen + +Zur publizistischen Arbeit + +Die Herausgabe der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" +Die Mitarbeit an der Redaktion d es „Vorwärts!" + +KARL MARX: WERKE · ARTIKEL · ENTWÜRFE +MÄRZ 1843 BIS AUGUST 1844 + +Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechtsphilosophie + +A. Das innere Staatsrecht + +I) Innere Verfassung für sich +a) Die fürstliche Gewalt +b) Die Regierungsgewalt +c) Die g e s e t z g e b e n de Gewalt + +Index zum Manuskript „Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechts +philosophie" + +Zur Judenfrage + +I. Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843 +II. Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu +w e r d e n. Von Bruno Bauer. (Einundzwanzig Bogen pag. + +56-71.) + +Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechtsphilosophie. Einleitung + +Text + +Apparat + +11* + +57* + +525 + +529 +529 +555 + +571 + +646 + +648 + +668 + +5* + +3 + +5 +19 +20 +44 +58 + +138 + +141 +141 + +163 + +170 + + Inhalt + +Text + +Apparat + +Annales Françaises et Allemandes. Programme + +Erklärung + +Ökonomisch-philosophische Manuskripte (Erste Wiedergabe) + +Heft I + +I +(I +III +IV +V +Heft II +Heft III + +I +II +III +IV +V +VI +VII +Vili Vorrede + +IX + +Ökonomisch-philosophische Manuskripte +gabe) + +(Zweite Wieder + +Vorrede (aus Heft III) +Heft I + +Arbeitslohn +Gewinn d es Kapitals +Grundrente +Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +Heft II (überlieferter Teil) + +Das Verhältnis d es Privateigentums + +Heft III + +Ergänzung zu Heft II, Seite XXXVI + +Privateigentum und Arbeit + +Ergänzungen zu Heft II, Seite XXXIX +Privateigentum und Kommunismus +Kritik der H e g e i s c h en Dialektik und Philosophie über +haupt +Privateigentum und Bedürfnisse + +Zusätze +Fragmente + +Teilung der Arbeit +Geld + +6* + +678 + +683 + +685 + +685 + +184 + +185 + +187 +189 + +189 +208 +216 +227 +234 +248 +257 + +257 +260 +261 +284 +286 +292 +306 +314 + +318 + +323 +325 +327 +327 +338 +351 +363 +376 +376 +383 +383 +383 +386 +386 + +399 +418 +424 +429 +429 +434 + + Inhalt + +Konspekt zu Georg Wilhelm Friedrich H e g e ls „Phänomeno +logie d es Geistes". Kapitel „Das absolute W i s s e n" + +Text + +Apparat + +439 + +918 + +Kritische Randglossen zu dem Artikel „ D er König von Preu + +ßen und die Sozialreform. Von einem Preußen" + +445 + +923 + +Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich +Wilhelms IV. + +464 + +934 + +BRIEFE AUS DEN „DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN +JAHRBÜCHERN" + +Ein Briefwechsel von 1843. Briefe von Karl Marx, Arnold Ruge, +Michail Alexandrowitsch Bakunin und Ludwig Feuerbach. + +Zusammengestellt und redigiert von Arnold Ruge + +M. an R. Auf der Treckschuit nach D. im März 1843 +R. an M. Berlin, im März 1843 +M. an R. Köln, im Mai 1843 +B. an R. Petersinsel im Bieler S e e, Mai 1843 + +R. an B. Dresden, im Juni 1843 +F. an R. Bruckberg, im Juni 1843 +R. an M. Paris, im August 1843 +M. an R. Kreuznach, im September 1843 + +ANHANG + +Von Marx unterzeichnete oder veranlaßte Erklärungen + +Zur Nachricht + +Déclaration + +Motive d es Untergangs der „Deutsch-Französischen Jahr +bücher" + +Von Marx redigierte oder mit seiner Hilfe verfaßte +Veröffentlichungen + +Aus dem Briefe einer deutschen Dame. Brief von Jenny Marx. + +939 + +471 +471 +472 +475 +480 + +482 +485 +485 +486 + +495 + +496 + +957 + +958 + +497 + +960 + +Redigiert von Karl Marx + +Georg W e b e r: Negersklaven und freie Sklaven + +Georg W e b e r: Offizielle preußische Wohltätigkeit + +501 + +502 + +506 + +963 + +965 + +969 + +7* + + Inhalt + +Georg W e b e r: Die Kolonie Ostwald im Elsaß + +Georg W e b e r: Das Geld + +Text + +Apparat + +510 + +512 + +974 + +976 + +REGISTER + +Literaturregister + +I. Arbeiten von Marx und Engels +II. Arbeiten anderer Autoren + +III. Periodica + +Namenregister + +Sachregister + +Verzeichnis der Abbildungen + +Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie +Bogen XII. Seite 45 +Bogen XXXIV. Seite [130] +Bogen XXIII. Seite 87 +Bogen XXIII. Seite [90] +Bogen XXIV. Seite [91] +Bogen XXIV. Seite [92] +Bogen XXIV. Seite [93] + +Deutsch-Französische Jahrbücher. 1 ./2. Lieferung. Paris 1844. Titel +blatt + +ökonomisch-philosophische Manuskripte +Heft II. Seite XLII (Original und obere linke Ecke des Negativs) +Heft III. Seite V +Heft III. Seite XIX +Heft III. Seite XXXIV +Heft III. Seite XXXIX +Heft III. Seite XL + +Beginn des Artikels „Kritische Randglossen zu dem Artikel ,Der +König von Preußen und die Sozialreform'". Vorwärts! Nr.63, +7. August 1844 + +Arnold Ruge an Zacharias Löwenthal, zwischen 29. Februar und +2. März 1844. Seite 1 + +ökonomisch-philosophische Manuskripte +Heft I. Erste Seite +Heft I. Dritte Seite +Heft I. Seite I + +8* + +983 +983 +983 + +990 + +992 + +1001 + +41 +42 +75 +81 +82 +83 +84 + +139 + +251 +265 +287 +307 +315 +316 + +447 + +679 + +711 +712 +713 + + Heft 1. Seite II +Heft 1. Seite III +Heft 1. Seite IV +Heft 1. Seite V +Heft 1. Seite VI +Heft 1. Seite VII +Heft 1. Seite VIII +Heft 1. Seite IX +Heft 1. Seite X +Heft 1. Seite XI +Heft 1. Seite XII +Heft 1. Seite XIII +Heft 1. Seite XIV +Heft 1. Seite XV +Heft 1. Seite XVI +Heft 1. Seite XVII +Heft 1. Seite XVIII +Heft 1. Seite XIX +Heft 1. Seite XX +Heft 1. Seite XXI +Heft 1. Seite XXII +Heft 1. Seite XXIII +Heft 1. Seite XXIV +Heft 1. Seite XXV +Heft 1. Seite XXVI +Heft 1. Seite XXVII + +Inhalt + +Text + +Apparat + +714 +715 +716 +717 +718 +719 +720 +721 +722 +723 +724 +725 +726 +727 +728 +729 +730 +731 +732 +733 +734 +735 +736 +737 +738 +739 + +9* + + Einleitung + +Der vorliegende Band enthält die überlieferten Manuskripte und Artikel, +die Marx zwischen Mitte März 1843, dem Zeitpunkt des Austritts aus der +Redaktion der „Rheinischen Zeitung", und gegen Ende August 1844, dem +Beginn der Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, verfaßte. Bestimmend +für den Inhalt des Bandes sind das Manuskript „Zur Kritik der Hegeischen +Rechtsphilosophie" und die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" +sowie jene Beiträge, die aus Marx' Mitarbeit an den „Deutsch-Französi +schen Jahrbüchern" und am Pariser „Vorwärts!" entsprangen. Zusammen +mit dem Briefwechsel aus dieser Zeit, der im Band 1 der Dritten Abteilung +veröffentlicht ist, sowie mit den Exzerptheften aus Kreuznach und Paris, +die im Band 2 der Vierten Abteilung aufgenommen sind, widerspiegelt +dieser Teil des literarischen Erbes von Marx einen Abschnitt in seiner poli +tischen und theoretischen Entwicklung, der von folgenreichen neuen Er +kenntnissen und wichtigen Erfahrungen geprägt ist. Mit der Entdeckung +der historischen Rolle der Arbeiterklasse und der leidenschaftlichen Par +teinahme für diese Klasse war der Übergang auf materialistische und +kommunistische Positionen endgültig vollzogen, und es begann der Prozeß +der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Kommunismus. + +Die politischen Erfahrungen, die Marx aus der publizistischen Tätigkeit +und aus dem Kampf gegen das Verbot der „Rheinischen Zeitung" gewonnen +hatte, veranlaßten ihn im März 1843, seine theoretischen Studien sowie +Inhalt und Form seiner politischen Wirksamkeit neu zu durchdenken. Die +ser Prozeß fiel in eine Zeit, in der sich die antifeudale Oppositionsbewegung +in Deutschland weiter formierte und zugleich differenzierte. Die Bour +geoisie verfocht immer nachdrücklicher ihren Anspruch auf Teilnahme an +der politischen Macht, grenzte sich aber auch zugleich von der demokrati +schen Strömung innerhalb der antifeudalen Oppositionsbewegung ab. Ihr + +11* + + Editorische Hinweise + +Rechtsphilosophie" und des Sachregisters). An der Vorbereitung des +Bandes wirkten weiter mit: Bernhard Dohm („Ökonomisch-philosophische +Manuskripte" und Artikel aus dem „Vorwärts!"), Johanna Dehnert („Zur +Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie"), Rosemarie Lüdemann (Artikel +aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" und Sachregister), Christa +Krause (Literatur- und Namenregister sowie Ausführung der wissenschaft +lich-technischen Arbeiten), Jelena Butter (wissenschaftlich-technische Ar +beiten) und Lotti Reiher (Entzifferung der Handschriften). + +Der Band wurde seitens der Redaktionskommission betreut und begut +achtet von Rolf Dlubek. Gutachter des IML beim ZK der KPdSU waren +Georgi Bagaturija und Velta Pospelowa. Teilgutachten zu einzelnen Arbeiten +erfolgten durch den Wissenschaftlichen Rat für die Marx-Engels-Forschung +der DDR, durch Joachim Höppner (Berlin), Wolf gang Jahn (Halle), Hermann +Klenner (Berlin), Hermann Lehmann (Berlin), Ingrid Pepperle (Berlin). + +Die Herausgeber danken allen wissenschaftlichen Einrichtungen, die bei +der Vorbereitung des Bandes Unterstützung gewährten. Die Einsichtnahme +in die Originale von Marx und Engels ermöglichte das Internationale Institut +für Sozialgeschichte in Amsterdam. Verschiedene Archivmaterialien stellten +darüber hinaus zur Verfügung: die Zentralbibliothek Zürich, das Zentral +archiv Zürich, das Zentrale Staatsarchiv Merseburg und die Sächsische +Landesbibliothek Dresden. Ferner ist zu danken der Staatsbibliothek Berlin, +der Universitätsbibliothek Berlin und dem Stadtarchiv Trier. + +64* + + KARL M A RX + +WERKE · ARTIKEL · E N T W Ü R FE + +M Ä RZ 1 8 43 + +BIS A U G U ST 1 8 44 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + + [Α. D as i n n e re S t a a t s r e c h t] + +5 + +10 + +15 + +20 + +[...] |ll.5| § 261. „Gegen die Sphären des Privatrechtes und Privatwohls, der +Familie und der bürgerlichen Gesellschaft, ist der Staat einerseits eine +äusserliche Nothwendigkeit und ihre höhere Macht, deren Natur ihre Ge- +setze, so wie ihre Interessen untergeordnet und davon abhängig sind; aber +anderer Seits ist er ihr immanenter Zweck und hat seine Stärke in der Einheit +seines allgemeinen Endzwecks und des besonderen Interesses der Indivi +duen, darin, daß sie insofern Pflichten gegen ihn haben, als sie zugleich +Rechte haben." + +Der vorige § belehrte uns dahin, daß die konkrete Freiheit in der Identität +(seinsollenden, zwieschlächtigen) des Systems des Sonderinteresses (der +Familie und der bürgerlichen Gesellschaft) mit dem System des allgemeinen +Interesses (des Staates) bestehe. Das Verhältniß dieser Sphären soll nun +näher bestimmt werden. + +Einerseits der Staat gegen die Sphäre der Familie und der bürgerlichen +Gesellschaft eine „äusserliche Nothwendigkeit", eine Macht, wovon ihm +„Gesetze" und „Interessen" „untergeordnet und abhängig" sind. Daß der +Staat gegen Familie und bürgerliche Gesellschaft eine „äusserliche +Nothwendigkeit" ist, lag schon theils in der Categorie des „Uebergangs", +theils in ihrem bewußten Verhältniß zum Staat. Die „Unterordnung" unter +den Staat entspricht noch vollständig diesem Verhältniß der „äusserlichen +Nothwendigkeit". Was Hegel aber unter der „Abhängigkeit" versteht, zeigt +folgender Satz der Anmerkung zu diesem §§: + +25 + +„Daß den Gedanken der Abhängigkeit insbesondre auch der privatrecht- +liehen Gesetze von dem bestimmten Charakter des Staats, und die philoso +phische Ansicht, den Theil nur in seiner Beziehung auf das Ganze zu be +trachten, vornehmlich Montesquieu in's Auge gefaßt etc." + +Hegel spricht also hier von der innern Abhängigkeit oder der wesentlichen +Bestimmung des Privatrechts etc. vom Staate; zugleich aber subsumirt er + +5 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +diese Abhängigkeit unter das Verhältniß der „äusser//cAen Nothwendigkeit" +und stellt sie der andern Beziehung, worin sich Familie und bürgerliche +Gesellschaft zum Staate als ihrem „immanenten Zwecke" verhalten als die +andere Seite entgegen. + +Unter der „äusserlichen Nothwendigkeit" kann nur verstanden werden, +daß „Gesetze" und „Interessen" der Familie und der Gesellschaft den +„Gesetzen" und „Interessen" des Staats im Collisionsfall weichen müssen; +ihm untergeordnet sind; ihre Existenz von der seinigen abhängig ist; oder +auch sein Wille und seine Gesetze ihrem „Willen" und ihren „Gesetzen" als +eine Nothwendigkeit erscheint. + +5 + +10 + +15 + +Allein Hegel spricht hier nicht von empirischen Collisionen; er spricht vom +Verhältniß der „Sphären des Privatrechts und Privatwohls, der Familie und +der bürgerlichen Gesellschaft" zum Staat; es handelt sich vom wesentlichen +Verhältniß dieser Sphären selbst. Nicht nur ihre „Interessen" auch ihre +„Gesetze", ihre wesentlichen Bestimmungen sind vom Staat „abhängig" und +ihm „untergeordnet". Er verhält sich als „höhere Macht' zu ihren Gesetzen +und Interessen. Ihr „Interesse" und „Gesetz" verhalten sich als sein +„Untergeordneter". Sie leben in der „Abhängigkeit" von ihm. Eben weil +„Unterordnung" und „Abhängigkeit" äussere, das selbstständige Wesen +einengende und ihm zu wider laufende Verhältnisse sind, ist das Verhältniß 20 +der „Familie" und der „bürgerlichen Gesellschaft" zum Staate das der +„äusserlichen Nothwendigkeit", einer Nothwendigkeit, die gegen das innere +Wesen der Sache angeht. Dieß selbst, daß „die privatrechtlichen Gesetze von +dem bestimmten Charakter des Staats" abhängen, nach ihm sich modif iciren +wird daher unter das Verhältniß der „äusserlichen Nothwendigkeit" sub- +sumirt, eben weil „bürgerliche Gesellschaft und Familie" in ihrer wahren, +d. i. in ihrer selbstständigen und vollständigen Entwicklung dem Staat als +besondere „Sphären" voraus gesezt sind. „Unterordnung" und „Abhängig +keit" sind die Ausdrücke für eine „äusserliche", erzwungene, scheinbare +Identität, als deren logischen Ausdruck Hegel richtig die „äusserliche 30 +Nothwendigkeit"gebraucht. In der „Unterordnung" und „Abhängigkeit" hat +Hegel die eine Seite der zwiespältigen Identität weiterentwickelt und zwar +die Seite der Entfremdung innerhalb der Einheit ||6| „aber anderer Seits +ist er ihr immanenter Zweck und hat seine Stärke in der Einheit seines +allgemeinen Endzwecks und des besonderen Interesses der Individuen, +darin, daß sie insofern Pflichten gegen ihn haben, als sie zugleich Rechte +haben". + +25 + +35 + +Hegel stellt hier eine ungelöste Antinomie auf. Einerseits äusserliche +Nothwendigkeit; andrerseits immanenter Zweck. Die Einheit des allgemei +nen Endzwecks des Staats und des besonderen Interesses der Individuen soll +darin bestehn, daß ihre Pflichten gegen den Staat und ihre Rechte an den- + +40 + +6 + + Α. Das innere Staatsrecht + +selben identisch sind. (Also ζ. B. die Pflicht, das Eigenthum zu respectiren +mit dem Recht auf Eigenthum zusammen fiele.) + +5 + +Diese Identität wird in der Anmerkung also exphcirt: +„Da die Pflicht zunächst das Verhalten gegen etwas für mich Substan- +tielles, an und für sich Allgemeines ist, das Recht dagegen das Dasein über +haupt dieses Substantiellen ist, damit die Seite seiner Besonderheit und +meiner besondern Freiheit ist, so erscheint beides auf den formellen Stufen +an verschiedene Seiten oder Personen vertheilt. Der Staat, als Sittliches, als +Durchdringung des Substantiellen und Besondern, enthält, daß meine Ver +io bindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Dasein meiner besondern +Freiheit d.i. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung +vereinigt sind." ||7¡| + +15 + +|8| § 262. „Die wirkliche Idee, der Geist, der sich selbst in die zwei ideellen +Sphären seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als in +seine Endlichkeit scheidet, um aus ihrer Idealität für sich unendlicher +wirklicher Geist zu sein, theilt somit diesen Sphären das Material dieser +seiner Wirklichkeit, die Individuen als die Menge zu, so daß diese Zutheilung +am Einzelnen durch die Umstände, die Willkühr und die eigene Wahl seiner +Bestimmung vermittelt erscheint." + +20 + +Uebersetzen wir diesen Satz in Prosa, so folgt: +Die Art und Weise, wie der Staat sich mit der Familie und der bürgerlichen +Gesellschaft vermittelt sind „die Umstände, die Willkühr und die eigne Wahl +der Bestimmung". Die Staatsvernunft hat also mit der Zertheilung des +Staatsmaterials an Familie und bürgerliche Gesellschaft nichts zu thun. Der +25 Staat geht auf eine unbewußte und willkührliche Weise aus ihnen hervor. +Familie und bürgerliche Gesellschaft erscheinen als der dunkle Natur +grund, woraus das Staatslicht sich entzündet. Unter dem Staatsmaterial +sind die Geschäfte des Staats, Familie und bürgerliche Gesellschaft ver +standen, insofern sie Theile des Staats bilden, am Staat als solchem Theil + +30 nehmen. + +35 + +In doppelter Hinsicht ist diese Entwicklung merkwürdig. +1) Familie und Bürgerliche Gesellschaft werden als Begriffssphären des +Staats gefaßt und zwar als die Sphären seiner Endlichkeit, als seine End +lichkeit. Der Staat ist es, der sich in sie scheidet, der sie voraussezt, und zwar +thut er dieses „um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist +zu sein". „Er scheidet sich, um". Er „theilt somit diesen Sphären das +Material seiner Wirklichkeit zu, so daß diese Zutheilung etc. vermittelt +erscheine. Die sogenannte „wirkliche Idee" (der Geist als unendlicher, +wirklicher) wird so dargestellt, als ob sie nach einem bestimmten Princip und +40 zu bestimmter Absicht handle. Sie scheidet sich in endliche Sphären, sie thut + +7 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +dieß „um in sich zurückzukehren, für sich zu sein" und sie thut dieß zwar +so daß das grade ist, wie es wirklich ist. + +An dieser Stelle erscheint der logische, pantheistische Mysticismus sehr + +klar. + +5 + +Das wirkliche Verhältniß ist: „daß die Zutheilung" des Staatsmaterials +„am Einzelnen durch die Umstände, die Willkühr und die eigne Wahl seiner +Bestimmung vermittelt ist". Diese Thatsache, dieß wkkliche Verhältnißwkd +von der Spekulation als Erscheinung, als Phänomen ausgesprochen. Diese +Umstände, diese Willkühr, diese Wahl der Bestimmung; diese wirkliche +Vermittlung sind blos die Erscheinung einer Vermittlung, welche die wirk- +liehe Idee mit sich selbst vornimmt, und welche hinter der Gardine vorgeht. +Die Wirklichkeit wird nicht als sie selbst, sondern als eine andere Wirklich +keit ausgesprochen. Die gewöhnliche Empirie hat nicht ihren eignen Geist, +sondern einen fremden zum Geist, wogegen die wirkliche Idee nicht eine aus +ihr selbst entwickelte Wirklichkeit, sondern die gewöhnliche Empirie zum 15 +Dasein hat. | + +10 + +|lll.9| Die Idee wird versubjektivirt und das wirkliche Verhältniß von +Familie und bürgerlicher Gesellschaft zum Staat wird als ihre innere ima +gínate Thätigkeit gefaßt. Familie und bürgerliche Gesellschaft sind die +Voraussetzungen des Staats; sie sind die eigentlich thätigen; aber in der 20 +Spekulation wird es umgekehrt. Wenn aber die Idee versubjektivirt wird, +werden hier die wirklichen Subjekte, bürgerliche Gesellschaft, Familie, +„Umstände, Willkühr etc." zu unwirklichen anderes bedeutenden, objekti +ven Momenten der Idee. + +Die Zutheilung des Staatsmaterials „am Einzelnen durch die Umstände, 25 + +die Willkühr und die eigne Wahl seiner Bestimmung" werden nicht als das +Wahrhafte, das Nothwendige, das An und für sich berechtigte schlechthin +ausgesprochen; sie werden nicht als solche für das Vernünftige ausgegeben; +aber sie werden es doch wieder andrerseits, nur so, daß sie für eine schein +bare Vermittelung ausgegeben, daß sie gelassen werden, wie sie sind, 30 +zugleich aber die Bedeutung einer Bestimmung der Idee erhalten, eines +Resultats, eines Produkts der Idee. Der Unterschied ruht nicht im Inhalt, +sondern in der Betrachtungsweise oder in der Sprechweise. Es ist eine +doppelte Geschichte, eine esoterische und eine exoterische. Der Inhalt liegt +im exoterischen Theil. Das Interesse des esoterischen ist immer das, 35 +die Geschichte des logischen Begriffs im Staat wiederzufinden. An der +exoterischen Seite aber ist es, daß die eigentliche Entwicklung vor sich +geht. + +Rationell hiessen die Sätze von Hegel nur: +Die Familie und die bürgerliche Gesellschaft sind Staatstheile. Das Staats- +material ist unter sie vertheilt „durch die Umstände, die Willkühr und die + +40 + +8 + + Α. Das innere Staatsrecht + +eigne Wahl der Bestimmung". Die Staatsbürger sind Familienglieder und +Glieder der bürgerlichen Gesellschaft. + +„Die wirkliche Idee, der Geist, der sich selbst in die zwei ideellen Sphären +seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als in seine +5 Endlichkeit scheidet" (also: Die Theilung des Staats in Familie und bürger +liche Gesellschaft ist ideell, d. h. nothwendig, gehört zum Wesen des Staats; +Familie und bürgerliche Gesellschaft sind wirkliche Staatstheile, wirkliche +geistige Existenzen des Willens; sie sind Daseinsweisen des Staates; Familie +und bürgerliche Gesellschaft machen sich selbst zum Staat. Sie sind das +10 Treibende. Nach Hegel sind sie dagegen gethan von der wirklichen Idee, es +ist nicht ihr eigner Lebenslauf, der sie zum Staat vereint; sondern es ist der +Lebenslauf der Idee, die sie von sich discernirt hat; und zwar sind sie +Endlichkeit dieser Idee; sie | | ΐ θ| verdanken ihr Dasein einem andern Geist, +als dem ihrigen; sie sind von einem Dritten gesezte Bestimmungen, keine +15 Selbstbestimmungen; deßwegen werden sie auch als „Endlichkeit", als die +eigne Endlichkeit der „wirklichen Idee" bestimmt. Der Zweck ihres Daseins +ist nicht dieß Dasein selbst, sondern die Idee scheidet diese Voraussetzungen +von sich ab „um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu +sein", d. h. der politische Staat kann nicht sein ohne die natürliche Basis der +20 Familie und die künstliche Basis der Bürgerlichen Gesellschaft; sie sind für +ihn eine Conditio sine qua non; die Bedingung wird aber als das Bedingte, +das Bestimmende wird als das Bestimmte, das Producirende wird als das +Product seines Products gesezt; die wirkliche Idee erniedrigt sich nur in die +„Endlichkeit" der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft, um durch ihre +25 Aufhebung seine Unendlichkeit zu gemessen und hervorzubringen;) „theilt +somit (um seinen Zweck zu erreichen) diesen Sphären das Material dieser +seiner endlichen Wirklichkeit, (dieser? welcher? diese Sphären sind ja „seine +endliche Wirklichkeit", sein „Material") die Individuen als die Menge zu" +(das Material des Staats sind hier „die Individuen, die Menge", „aus ihnen +30 besteht der Staat", dieses sein Bestehn wird hier als eine That der Idee, als +eine „Vertheilung", die sie mit ihrem eignen Material vornimmt, aus +gesprochen; das Faktum ist, daß der Staat aus der Menge, wie sie als Fa- +milienglieder und Glieder der bürgerlichen Gesellschaft existiré hervorgehe; +die Speculation spricht dieß Factum als That der Idee aus, nicht als die Idee +35 der Menge, sondern als That einer subjektiven von dem Factum selbst +unterschiednen Idee) „so daß diese Zutheilung am Einzelnen" (früher war +nur von der Zutheilung der Einzelnen an die Sphären der Familie und der +bürgerlichen Gesellschaft die Rede) „durch die Umstände, die Willkühr etc. +vermittelt erscheint." Es wird also die empirische Wirklichkeit aufgenom- +40 men, wie sie ist; sie wird auch als vernünftig ausgesprochen; aber sie ist nicht +vernünftig wegen ihrer eigenen Vernunft, sondern weil die empirische + +9 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Thatsache in ihrer empirischen Existenz eine andre Bedeutung hat, als sich +selbst. Die Thatsache, von der ausgegangen wird, wird nicht als solche, +sondern als mystisches Resultat gefaßt. | | l l| Das Wirkliche wird zum +Phänomen; aber die Idee hat keinen andern Inhalt als dieses Phänomen. Auch +hat die Idee keinen andern Zweck, als den logischen: „für sich unendlicher +wirklicher Geist zu sein". In diesem § ist das ganze Mysterium der Rechts +philosophie niedergelegt und der hegel'sehen Philosophie überhaupt. + +§ 263. „In diesen Sphären, in denen seine Momente, die Einzelnheit und +die Besonderheit, ihre unmittelbare und reflectirte Realität haben, ist der +Geist als ihre in sie scheinende objektive Allgemeinheit, als die Macht des +Vernünftigen in der Nothwendigkeit, nämlich als die im Vorherigen be +trachteten + +Institutionen." + +§ 264. „Die Individuen der Menge, da sie selbst geistige Naturen und damit +das gedoppelte Moment, nämlich das Extrem der für sich wissenden und +wollenden Einzelnheit und das Extrem der das Substantielle wissenden und +wollenden Allgemeinheit in sich enthalten, und daher zu dem Rechte dieser +beiden Seiten nur gelangen, insofern sie sowohl als Privat- wie als sub +stantielle Personen wirklich sind; — erreichen in jenen Sphären Theils un +mittelbar das Erstere, Theils das Andere so, daß sie in den Institutionen als +dem an sich seienden Allgemeinen ihrer besonderen Interessen ihr wesent- +liches Selbstbewußtsein haben, Theils daß sie in ihnen ein auf einen all +gemeinen Zweck gerichtetes Geschäft und Thätigkeit in der Korporation +errichten." + +5 + +10 + +15 + +20 + +§ 265. „Diese Institutionen machen die Verfassung, d. i. die entwickelte +und verwirklichte Vernünftigkeit, im Besondern aus, und sind darum die 25 +feste Basis des Staats, so wie des Zutrauens und der Gesinnung der In +dividuen für denselben, und die Grundsäulen der öffentlichen Freiheit, da +in ihnen die besondre Freiheit realisirt und vernünftig, damit in ihnen selbst +an sich die Vereinigung der Freiheit und Nothwendigkeit vorhanden +ist." I/12/ + +30 + +|rV.13| § 266. ,^Allein der Geist ist nicht nur als diese (welche?) Nothwendig +keit, sondern als die Idealität derselben und als ihr Inneres sich objektiv und +wirklich; so ist diese substantielle Allgemeinheit sich selbst Gegenstand und +Zweck und jene Nothwendigkeit hierdurch sich ebensosehr in der Gestalt +der Freiheit." + +35 + +Der Uebergang der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft in den +politischen Staat ist also der, daß der Geist jener Sphären, der an sich der +Staatsgeist ist, sich nun auch als solcher zu sich verhält und als ihr Inneres +sich wirklich ist. Der Uebergang wird also nicht aus dem besondern Wesen +der Familie etc. und dem besondern Wesen des Staats, sondern aus dem 40 + +10 + + Α. Das innere Staatsrecht + +allgemeinen Verhältniß von Nothwendigkeit und Freiheit hergeleitet. Es ist +ganz derselbe Uebergang, der in der Logik aus der Sphäre des Wesens in +die Sphäre des Begriffs bewerkstelligt wird. Derselbe Uebergang wird in der +Naturphilosophie aus der unorganischen Natur in das Leben gemacht. Es +sind immer dieselben Categorien, die bald die Seele für diese, bald für jene +Sphäre hergeben. Es kommt nur darauf an für die einzelnen, konkreten +Bestimmungen die entsprechenden abstrakten aufzufinden. + +5 + +§ 267. „Die Nothwendigkeit in der Idealität ist die Entwickelimg der Idee +innerhalb ihrer selbst; sie ist als subjektive Substantialität die politische +10 Gesinnung, als objektive in Unterscheidung von jener der Organismus des + +Staats, der eigentlich politische Staat und seine Verfassung." + +15 + +Subjekt ist hier die „Nothwendigkeit in der Idealität", die „Idee innerhalb +ihrer selbst", Prädicat die politische Gesinnung und die politische Verfas +sung. Heißt zu deutsch: Die politische Gesinnung ist die subjektive, die +politische Verfassung ist die objektive Substanz des Staats. Die logische +Entwicklung von Familie und bürgerlicher Gesellschaft zum Staat ist also +reiner Schein, denn es ist nicht entwickelt wie die Famihengesinnung, die +bürgerliche Gesinnung, die Institution der Familie und die socialen Institu +tionen als solche sich zur politischen Gesinnung und politischen Verfassung + +20 verhalten, und mit ihnen zusammenhängen. | + +114| Der Uebergang, daß der Geist „nicht nur als diese Nothwendigkeit und +als ein Reich der Erscheinung ist" sondern als „die Idealität derselben" als +die Seele dieses Reiches für sich wirklich ist und eine besondere Existenz +hat, ist gar kein Uebergang, denn die Seele der Familie existirt für sich als +25 Liebe etc. Die reine Idealität einer wirklichen Sphäre könnte aber nur als + +Wissenschaft existiren. + +Wichtig ist, daß Hegel überall die Idee zum Subjekt macht, und das +eigentliche, wirkliche Subjekt, wie die „politische Gesinnung" zum Prädicat. +Die Entwicklung geht aber immer auf Seite des Prädicats vor. + +30 + +§ 268 enthält eine schöne Exposition über die politische Gesinnung, den +Patriotismus; die mit der logischen Entwicklung nichts gemein hat, nur daß +Hegel sie „nur" als „Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als +in welchen die Vernünftigkeit wirklich vorhanden ist" bestimmt, während +umgekehrt diese Institutionen ebensosehr eine Vergegenständlichung der + +35 politischen Gesinnung sind. Cf. die Anmerkung zu diesem §. + +§ 269. „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den +verschiedenen Seiten des Organismus des Staats. Dieser Organismus ist die +Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiven +Wirklichkeit. Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Ge- +40 walten, und deren Geschäfte und Wirksamkeiten, wodurch das Allgemeine +sich fortwährend, und zwar, indem sie durch die Natur des Begriffes be- + +11 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +stimmt sind, auf nothwendige Weise hervorbringt, und indem es ebenso +seiner Production vorausgesezt ist, sich erhält; — dieser Organismus ist die +politische + +Verfassung." + +Die politische Verfassung ist der Organismus des Staats oder der Organis +mus des Staats ist die politische Verfassung. Daß die unterschiedenen Seiten +eines Organismus in einem nothwendigen, aus der Natur des Organismus +hervorgehenden Zusammenhang stehn, ist—reine Tautologie. Daß, wenn die +politische Verfassung als Organismus bestimmt ist, die verschiedenen Seiten +der Verfassung, die verschiedenen Gewalten, sich als organische Bestim +mungen verhalten und in einem vernünftigen Verhältniß zu einander stehn, +ist ebenfalls — Tautologie. Es ist ein grosser Fortschritt den politischen Staat +als Organismus, daher die Verschiedenheit der Gewalten ||l5| nicht mehr als +organische, sondern als lebendige und vernünftige Unterscheidung zu be +trachten. Wie stellt Hegel aber diesen Fund dar? + +5 + +10 + +15 + +„Dieser Organismus ist die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden +und zu deren objektiven Wirklichkeit." Es heißt nicht: Dieser Organismus +des Staats ist seine Entwicklung zu Unterschieden und zu deren objektiven +Wirklichkeit. Der eigentliche Gedanke ist: Die Entwicklung des Staats oder +der politischen Verfassung zu Unterschieden und deren Wirklichkeit ist eine +organische. Die Voraussetzung, das Subjekt sind die wirklichen Unter- 20 +schiede oder die verschiednen Seiten der politischen Verfassung. Das Prä- +dicat ist ihre Bestimmung als organisch. Statt dessen wird die Idee zum +Subjekt gemacht, die Unterschiede und deren Wirklichkeit als ihre Ent +wicklung, ihr Resultat gesezt, während umgekehrt aus den wirklichen Unter +schieden die Idee entwickelt werden muß. Das Organische ist grade die Idee 25 +der Unterschiede, ihre ideelle Bestimmung. Es wird hier aber von der Idee +als einem Subjekt gesprochen, die sich zu ihren Unterschieden entwickelt. +Ausser dieser Umkehrung von Subjekt und Prädicat wird der Schein her +vorgebracht, als sei hier von einer andern Idee als dem Organismus die Rede. +Es wird von der abstrakten Idee ausgegangen, deren Entwicklung im Staat 30 +politische Verfassung ist. Es handelt sich also nicht von der politischen Idee, +sondern von der abstrakten Idee im politischen Element. Dadurch daß ich +sage: „Dieser Organismus (sc. des Staats, die politische Verfassung) ist die +Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden etc." weiß ich noch gar nichts +von der spezifischen Idee der politischen Verfassung; derselbe Satz kann +mit derselben Wahrheit von dem thierischen Organismus, als von dem +politischen ausgesagt werden. Wodurch unterscheidet sich also der thieri +sche Organismus vom politischen! Aus dieser allgemeinen Bestimmung geht +es nicht hervor. Eine Erklärung, die aber nicht die differentia specifica giebt, +ist keine Erklärung. Das einzige Interesse ist „die Idee" schlechthin, die 40 +„logische Idee" in jedem Element, sei es des Staates, sei es der Natur + +35 + +12 + + Α. Das innere Staatsrecht + +wiederzufinden und die wirklichen Subjekte, wie ||l6| hier die „politische +Verfassung" werden zu ihren blosen Namen, so daß nur der Schein eines +wirklichen Erkennens vorhanden ist, denn es bleiben unbegriffne, weil nicht +in ihrem spezifischen Wesen begriffne Bestimmungen. + +„Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Gewalten, und +deren Geschäfte und Wirksamkeit." Durch das Wörtchen „so" wird der +Schein einer Consequenz, einer Ableitung und Entwicklung hereingebracht. +Man muß vielmehr fragen: „Wie so?" daß die „verschiedenen Seiten des +Organismus des Staats" die „verschiedenen Gewalten" sind und „deren +Geschäfte und Wirksamkeit" ist eine empirische Thatsache. Daß sie Glieder +eines „Organismus" sind, ist das philosophische „Prädicat". + +Wir machen hier auf eine stylistische Eigenthümlichkeit Hegels auf +merksam, die sich oft wiederholt und welche ein Product des Mysticismus +ist. Der ganze § lautet: + +„Ihren besonders bestimmten Inhalt +nimmt die Gesinnung aus den ver +schiedenen Seiten des Organismus +des Staats. Dieser Organismus ist die +Entwicklung der Idee zu ihren Un +terschieden und zu deren objektiven +Wirklichkeit. Diese unterschiedenen +Seiten sind so die verschiedenen +Gewalten, und deren Geschäfte und +Wirksamkeiten, wodurch das All +gemeine sich fortwährend, und zwar +indem sie durch die Natur des Be +griffes bestimmt sind, auf notwen +dige Weise hervorbringt, und indem +es ebenso seiner Production vor- +ausgesezt ist, sich erhält; — dieser +Organismus ist die politische Ver +fassung." + +1) „Ihren besonders bestimmten +Inhalt nimmt die Gesinnung aus den +verschiedenen Seiten des Organis +mus des Staats." „Diese unterschie +denen Seiten sind . .. die verschie +denen Gewalten und deren Ge +schäfte und Wirksamkeiten." + +2) „Ihren besonders bestimmten +Inhalt nimmt die Gesinnung aus den +verschiedenen Seiten des Organis +mus des Staats. Dieser Organismus +ist die Entwickelung der Idee zu +ihren Unterschieden und zu deren +objektiven Wirklichkeit. +. .. wo +durch das Allgemeine sich fort +während, und zwar indem sie durch +die Natur des Begriffs bestimmt +sind, auf nothwendige Weise her +vorbringt und indem es ebenso sei +ner Production vorausgesezt ist, sich +erhält; — dieser Organismus ist die +Verfassung." +politische + +Man sieht: Hegel knüpft an zwei Subjekte, an die „verschiedenen Seiten des +Organismus" und an den „Organismus" die weiteren Bestimmungen an. Im +dritten Satz werden die „unterschiednen Seiten" als die „verschiedenen + +13 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Gewalten" bestimmt. Durch das zwischengeschobene Wort „so" wird der +Schein hervorgebracht als seien diese „verschiedenen Gewalten" aus dem +Zwischensatz über den Organismus als die Entwicklung der Idee abgelei +tet. + +Es wird dann fortgesprochen über die „verschiedenen Gewalten". Die +Bestimmung, daß das Allgemeine sich fortwährend „hervorbringt" und sich +dadurch erhält ist nichts Neues, denn es liegt schon in ihrer Bestimmung als +„Seiten des Organismus", als „organische" Seiten. Oder vielmehr diese +Bestimmung der „verschiedenen Gewalten" ist nichts als eine Umschreibung +davon, daß der Organismus ist „die Entwicklung der Idee zu ihren Unter- 10 +schieden etc". | + +5 + +15 + +|V.17| Die Sätze: Dieser Organismus ist: „die Entwicklung der Idee zu +ihren Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit" oder zu Unter +schieden, wodurch: „das Allgemeine (das Allgemeine ist hier dasselbe, was +die Idee) sich fortwährend, und zwar indem sie durch die Natur des Begriffs +bestimmt sind, erhält, auf nothwendige Weise hervorbringt, und indem es +ebenso seiner Production vorausgesezt ist, sich erhält" sind identisch. Der +leztere ist blos eine nähere Explication über „die Entwicklung der Idee zu +ihren Unterschieden". Hegel ist dadurch noch keinen Schritt über den all +gemeinen Begriff „der Idee" und höchstens des „Organismus" überhaupt, 20 +(denn eigentlich handelt es sich nur von dieser bestimmten Idee) hinaus +gekommen. Wodurch wird er also zum Schlußsatz berechtigt: „Dieser +Organismus ist die politische Verfassung"? Warum nicht: „Dieser Organis +mus ist das Sonnensystem"! Weil er „die verschiedenen Seiten des Staats" +später als die „verschiedenen Gewalten" bestimmt hat. Der Satz, daß „die 25 +verschiedenen Seiten des Staats die verschiedenen Gewalten sind" ist eine +empirische Wahrheit und kann für keine philosophische Entdeckung aus +gegeben werden, ist auch auf keine Weise als Resultat einer früheren Ent +wicklung hervorgegangen. Dadurch daß aber der Organismus als die „Ent +wicklung der Idee" bestimmt, von den Unterschieden der Idee gesprochen, 30 +dann das Concretum der „verschiedenen Gewalten" eingeschoben wird, +kömmt der Schein herein, als sei ein bestimmter Inhalt entwickelt worden. +An den Satz: „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus +den verschiedenen Seiten des Organismus des Staats" durfte Hegel nicht +anknüpfen: „dieser Organismus", sondern „der Organismus ist die Entwick- +lung der Idee etc". Wenigstens gilt das, was er sagt, von jedem Organismus +und es ist kein Prädicat vorhanden, wodurch das Subjekt: „dieser" gerecht +fertigt würde. Das eigentliche Resultat, wo er hin will ist zur Bestimmung +des Organismus als der politischen Verfassung. Es ist aber keine Brücke +geschlagen, wodurch man aus der allgemeinen Idee des Organismus zu der +bestimmten + +Idee des Staatsorganismus oder der politischen Verfassung + +35 + +40 + +14 + + Α. Das innere Staatsrecht + +5 + +käme und es wird in Ewigkeit keine solche Brücke geschlagen werden | +können. In dem Anfangssatz wird gesprochen von „den verschiedenen +Seiten des Staatsorganismus", die später als „die verschiedenen Gewalten" +bestimmt werden. Es wird also blos gesagt: „Die verschiedenen Gewalten +des Staatsorganismus" oder der „Staatsorganismus der verschiedenen +Gewalten" ist — die „politische Verfassung" des Staats. Nicht aus dem +„Organismus", „der Idee", ihren „Unterschieden" etc. sondern aus dem +vorausgesezten Begriff „verschiedene Gewalten", „Siaaisorganismus" ist +die Brücke zur „politischen Verfassung" geschlagen. | + +10 + +|l8| Der Wahrheit nach hat Hegel nichts gethan, als die „politische Ver +fassung" in die allgemeine abstrakte Idee des „Organismus" aufgelöst, aber +dem Schein und seiner eignen Meinung nach hat er aus der „allgemeinen +Idee" das Bestimmte entwickelt. Er hat zu einem Product, einem Prädicat +der Idee gemacht, was ihr Subjekt ist. Er entwickelt sein Denken nicht aus +15 dem Gegenstand, sondern den Gegenstand nach einem mit sich fertig und +in der abstrakten Sphäre der Logik mit sich fertig gewordnen Denken. Es +handelt sich nicht darum, die bestimmte Idee der politischen Verfassung zu +entwickeln, sondern es handelt sich darum, der politischen Verfassung ein +Verhältniß zur abstrakten Idee zu geben, sie als ein Glied ihrer Lebens- + +20 geschichte (der Idee) zu rangiren; eine offenbare Mystification. + +Eine andre Bestimmung ist daß die „verschiedenen Gewalten" „durch die +Natur des Begriffes bestimmt sind" und darum das Allgemeine sie „auf +nothwendige Weise hervorbringt". Die verschiedenen Gewalten sind also +nicht durch ihre „eigne Natur" bestimmt, sondern durch eine fremde. Ebenso +ist die Nothwendigkeit nicht aus ihrem eignen Wesen geschöpft, noch +weniger kritisch bewiesen. Ihr Schicksal ist vielmehr prädestinirt durch die +„Natur des Begriffs", versiegelt in der Santa Casa (der Logik) heiligen +Registern. Die Seele der Gegenstände, hier des Staats, ist fertig, prädestinirt +vor ihrem Körper, der eigentlich nur Schein ist. Der „Begriff" ist der Sohn +in der „Idee", dem Gott Vater, das agens, das determinirende, unter +scheidende Princip. „Idee" und „Begriff" sind hier verselbstständigte Ab +straktionen. + +25 + +30 + +35 1) abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität; aber sie + +§ 270. „Daß der Zweck des Staats das allgemeine Interesse als solches und +darin als ihrer Substanz die Erhaltung der besonderen Interessen ist, ist seine +ist 2) seine +Noth wendigkeit, als sie sich in die Begriffs- Unterschiede seiner Wirksamkeit +dirimirt, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestim +mungen, Gewalten sind; 3) eben diese Substantialität ist aber der als durch +die Form der Bildung hindurch gegangne sich wissende und wollende Geist. +40 Der Staat weiß daher, was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als +Gedachtes; er wirkt und handelt deßwegen nach gewußten Zwecken, ge- + +15 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +kannten Grundsätzen, und nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern +für's Bewußtsein sind; und ebenso, insofern seine Handlungen sich auf +vorhandene Umstände und Verhältnisse beziehn, nach der bestimmten +Kenntniß derselben." (Die Anmerkung zu diesem § über das Verhältniß von +Staat und Kirche später.) | + +|l9| Die Anwendung dieser logischen Categorien verdient ein ganz spe + +zielles Eingehn. + +„Daß der Zweck des Staats das allgemeine frteresse als solches und darin +als ihrer Substanz die Erhaltung der besondern Interessen ist, ist seine +1) abstrakte Wtklichkeit oder Substantialität." + +Daß das allgemeine Interesse als solches und als Bestehn der besondern +Interessen, Staatszweck ist — ist seine Wirklichkeit, sein Bestehn, abstrakt +definirt. Der Staat ist nicht wirklich, ohne diesen Zweck. Es ist dieß das +wesentliche Objekt seines Wollens, aber zugleich nur eine ganz allgemeine +Bestimmung dieses Objekts. Dieser Zweck als Sein ist das Element des +Bestehns für den Staat. + +„Aber sie (die abstrakte Wirklichkeit, Substantialität) ist 2) seine +Nothwendigkeit, als sie sich in die Begriffs- Unterschiede seiner Wirksamkeit +dirimirt, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestim +mungen, Gewalten sind." + +Sie (die abstrakte Wirklichkeit, die Substantialität) ist seine (des Staats) +Nothwendigkeit, als seine Wirklichkeit sich in unterschiedene Wirksam +keiten theilt, deren Unterschied ein vernünftig bestimmter, die dabei feste +Bestimmungen sind. Die abstrakte Wirklichkeit des Staats, die Substantia +lität desselben ist Nothwendigkeit, insofern der eine Staatszweck und das +eine Bestehn des Ganzen nur in dem Bestehn der unterschiedenen Staats +gewalten realisirt ist. + +Versteht sich: Die erste Bestimmung seiner Wirklichkeit war abstrakt; der +Staat kann nicht als einfache Wirklichkeit, er muß als Wirksamkeit, als eine +unterschiedene Wirksamkeit betrachtet werden. + +„Seine abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität ist seine Nothwendig +keit, als sie sich in die Begriffs-Unterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt, +welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestimmungen, +Gewalten sind." + +Das Substantialitätsverhältniß ist Nothwendigkeitsverhältniß; d.h. die +Substanz erscheint getheilt in selbstständige, aber wesentlich bestimmte +Wirklichkeiten oder Wirksamkeiten. Diese Abstraktionen werde ich auf jede +Wirklichkeit anwenden können. Insofern ich den Staat zuerst unter dem +Schema der „abstrakten" werde ich ihn nachher unter dem Schema der +„konkreten Wirklichkeit", der „Nothwendigkeit", des erfüllten Unter +schieds betrachten müssen. + +16 + + Α. Das innere Staatsrecht + +3) „eben diese Substantialität ist aber der als durch die Form der Bildung +hindurch gegangene sich wissende und wollende Geist. Der Staat weiß daher, +was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als Gedachtes; er wirkt und +handelt deßwegen nach gewußten Zwecken, gekannten Grundsätzen und +5 nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern f ür's Bewußtsein sind ; und +ebenso insofern seine Handlungen sich auf vorhandene Umstände und +Verhältnisse beziehen, nach der bestimmten Kenntniß Derselben." | + +|20| Uebersetzen wir nun diesen ganzen § zu deutsch. Also: +1) Der sich wissende und wollende Geist ist die Substanz des Staates; (der +gebildete, selbstbewußte Geist ist das Subjekt und das Fundament, ist die +Selbstständigkeit des Staats.) + +10 + +2) Das allgemeine Interesse und in ihm die Erhaltung der besondern Inter +essen ist der allgemeine Zweck und Inhalt dieses Geistes, die seiende Sub +stanz des Staats; die Staatsnatur des sich wissenden und wollenden Gei- + +15 stes; + +3) Die Verwirklichung dieses abstrakten Inhaltes erreicht der sich wis +sende und wollende Geist, der selbstbewußte, gebildete Geist nur als eine +unterschiedene Wirksamkeit, als das Dasein verschiedener Gewalten, als +eine gegliederte Macht. + +20 + +Ueber die hegelsche Darstellung ist zu bemerken: +a) Zu Subjekten werden gemacht: die abstrakte Wirklichkeit, die +Nothwendigkeit (oder der substantielle Unterschied), die Substantialität; +also die abstrakt logischen Categorien. Zwar werden die „abstrakte Wirk +lichkeit" und „Nothwendigkeit" als „seine", des Staats, Wirklichkeit und +25 Nothwendigkeit bezeichnet, allein 1) ist „sie" „die abstrakte Wirklichkeit" +oder „Substantialität" seine „Nothwendigkeit". 2) Sie ist es „die sich in die +Begriffsunterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt". Die „Begriffs-Unter +schiede" sind „durch jene Substantialität ebenso wirkliche feste Bestim +mungen, Gewalten". 3) wird die „Substantialität" nicht mehr als eine ab- +strakte Bestimmung des Staats, als „seine" Substantialität genommen; sie +wird als solche zum Subjekt gemacht, denn es heißt schließlich: „eben diese +Substantialität ist aber der durch die Form der Bildung hindurch gegangene +sich wissende und wollende Geist". + +30 + +b) Es wird auch schließlich nicht gesagt: „der gebildete etc. Geist ist die +35 Substantialität" sondern umgekehrt: „die Substantialität ist der gebildete etc. + +Geist". Der Geist wird also zum Prädicat seines Prädicates. + +c) Die Substantialität, nachdem sie 1) als der allgemeine Staatszweck, dann +2) als die unterschiedenen Gewalten bestimmt war, wird 3) als der gebildete, +sich wissende und wollende, wirkliche Geist bestimmt. Der wahre Aus- +40 gangspunkt, der sich wissende und wollende Geist, ohne welchen der +„Staatszweck" und die „Staatsgewalten" haltungslose Einbildungen, Es- + +17 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +senzlose, sogar unmögliche Existenzen wären, erscheint nur als das lezte +Prädicat der Substantialität, die vorher schon als allgemeiner Zweck und als +die verschiedenen Staatsgewalten bestimmt war. Wäre von dem wirklichen +Geist ausgegangen worden, so war der „allgemeine Zweck" sein Inhalt, die +verschiednen Gewalten seine Weise, sich zu verwirklichen, sein reelles oder +materielles Dasein, deren Bestimmtheit eben aus der Natur seines Zweckes +zu entwickeln gewesen wäre. Weil aber von der „Idee" oder der „Substanz" +als dem Subjekt, dem wirklichen Wesen ausgegangen wird, so erscheint das +wirkliche Subjekt nur als leztes Prädicat des abstrakten Prädicates. | + +5 + +|VI.2l| Der „Staatszweck" und die „Staatsgewalten" werden mystificirt, 10 + +indem sie als „Daseinsweisen" der „Substanz" dargestellt und getrennt von +ihrem wirklichen Dasein, „dem sich wissenden und wollenden Geist, dem +gebildeten Geist" erscheinen. + +d) Der konkrete Inhalt, die wirkliche Bestimmung erscheint als formell; +die ganz abstrakte Formbestimmung erscheint als der konkrete Inhalt. Das 15 +Wesen der staatlichen Bestimmungen ist nicht, daß sie staatliche Bestim +mungen, sondern, daß sie in ihrer abstraktesten Gestalt als logisch-meta +physische Bestimmungen betrachtet werden können. Nicht die Rechtsphi +losophie, sondern die Logik ist das wahre Interesse. Nicht daß das Denken +sich in politischen Bestimmungen verkörpert, sondern daß die vorhandenen 20 +politischen Bestimmungen in abstrakte Gedanken verflüchtigt werden, ist +die philosophische Arbeit. Nicht die Logik der Sache, sondern die Sache der +Logik ist das philosophische Moment. Die Logik dient nicht zum Beweis des +Staats, sondern der Staat dient zum Beweis der Logik. + +1) Das allgemeine Interesse und darin die Erhaltung der besonderen Inter- 25 + +essen als Staatszweck, + +2) die verschiedenen Gewalten als Verwtklichungdieses Staatszwecks, +3) der gebildete, selbstbewußte, wollende und handelnde Geist als das + +Subjekt des Zwecks und seiner Verwirklichung, + +diese konkreten Bestimmungen sind äusserlich aufgenommen, hors 30 + +d'œuvres; ihr philosophischer Sinn ist, daß der Staat in ihnen den logischen +Sinn hat: + +1) als abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität; +2) daß das Substantialitätsverhältniß in das Verhältniß der Nothwendig + +keit, der substantiellen Wirklichkeit übergeht; + +35 + +3) daß die substantielle Wirklichkeit in Wahrheit Begriff, Subjectivität + +ist. + +Mit Auslassung der konkreten Bestimmungen, welche ebenso gut für eine +andere Sphäre, ζ. B. die Physik, mit andern konkreten Bestimmungen ver­ +tauscht werden können, also unwesentlich sind, haben wir ein Kapitel der 40 +Logik vor uns. + +18 + + I. Innere Verfassung für sich + +Die Substanz muß „sich in Begriffs-Unterschiede dirimiren, welche durch +jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestimmungen sind". Dieser +Satz, das Wesen, gehört der Logik und ist vor der Rechtsphilosophie fertig. +Daß diese Begriffsunterschiede hier Unterschiede „seiner (des Staats) +5 Wirksamkeit" und die „festen Bestimmungen" Staats „Gewalten" sind, +diese Parenthese gehört der Rechtsphilosophie, der politischen Empirie. So +ist die ganze Rechtsphilosophie nur Parenthese zur Logik. Die Parenthese +ist wie sich von selbst versteht nur hors d'oeuvre der eigentüchen Entwick +lung, + +ι + +10 + +15 + +20 + +|22| Cf. zum Beispiel p. 347. +„Die Nothwendigkeit besteht darin, daß das Ganze in die Begriffsun +terschiede dirimirt sei, und daß dieses DWmirte eine feste und aushaltende +Bestimmtheit abgebe, die nicht todtfest ist, sondern in der Auflösung sich +immer erzeugt." Cf. auch die Logik. + +§ 271. „Die politische Verfassung ist fit's Erste: die Organisation des +Staats und der Proceß seines organischen Lebens in Beziehung auf sich +selbst, in welcher er seine Momente innerhalb seiner selbst unterscheidet und +sie zum Bestehen entfaltet. + +Zweitens ist er als eine Individualität ausschliessendes Eins, welches sich +damit zu Andern verhält, seine Unterscheidung also nach Aussen kehrt und +nach dieser Bestimmung seine bestehenden Unterschiede innerhalb seiner +selbst in ihrer Idealität sezt." + +Zusatz. „Der innerliche Staat als solcher ist die Civilgewalt, die Richtung +nach Aussen die Militairgewalt, die aber im Staate eine bestimmte Seite in +ihm selbst ist." + +25 + +I) Innere Verfassung für sich. + +§ 272. „Die Verfassung ist vernünftig, insofern der Staat seine Wirksamkeit +nach der Natur des Begriffs in sich unterscheidet und bestimmt, und zwar +so, daß jede dieser Gewalten selbst in sich die Totalität dadurch ist, daß sie +30 die anderen Momente in sich wirksam hat und enthält, und daß sie, weil sie +den Unterschied des Begriffs ausdrücken, schlechthin in seiner Idealität +bleiben und nur Ein individuelles Ganzes ausmachen." + +Die Verfassung ist also vernünftig, insofern seine Momente in die abstrakt +logischen aufgelöst werden können. Der Staat hat seine Wirksamkeit nicht +35 nach seiner spezifischen Natur zu unterscheiden und zu bestimmen, sondern +nach der Natur des Begriffs, welcher das mystificirte Mobile des abstrakten +Gedankens ist. Die Vernunft der Verfassung ist also die abstrakte Logik und + +19 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +nicht der Staatsbegriff. Statt des Begriffs der Verfassung, erhalten wir die +Verfassung des Begriffs. Der Gedanke richtet sich nicht nach der Natur des +Staats, sondern der Staat nach einem fertigen Gedanken. + +§ 273. „Der politische Staat dirimirt sich somit (wie so?) in die substan + +tiellen Unterschiede + +a) die Gewalt, das Allgemeine zu bestimmen und festzusetzen, die ge + +setzgebende Gewalt; | + +|23| b) der Subsumtion der besondern Sphären und einzelnen Fälle unter + +das Allgemeine — die Regierungsgewalt; + +c) Der Subjectivität als der lezten Willensentscheidung, die fürstliche +Gewalt, — in der die unterschiedenen Gewalten zur individuellen Einheit +zusammengefaßt sind, die also die Spitze und der Anfang des Ganzen, — der +konstitutionellen Monarchie, + +ist." + +Wir werden auf diese Eintheilung zurückkommen, nachdem wir ihre + +Ausführung im Besondern geprüft. + +§ 274. „Da der Geist nur als das wirklich ist, als was er sich weiß, und der +Staat, als Geist eines Volkes zugleich das alle seine Verhältnisse durch +dringende Gesetz, die Sitte und das Bewußtsein seiner Individuen ist, so +hängt die Verfassung eines bestimmten Volkes überhaupt von der Weise und +Bildung des Selbstbewußtseins desselben ab; in diesem liegt seine subjektive +Freiheit, und damit die Wirklichkeit der Verfassung. +... Jedes Volk hat +deßwegen die Verfassung, die ihm angemessen ist und für dasselbe ge +hört." + +Aus Hegels Raisonnement folgt nur, daß der Staat, worin „Weise und + +5 + +10 + +15 + +20 + +Bildung des Selbstbewußtseins" und „Verfassung" sich widersprechen, kein 25 +wahrer Staat ist. Daß die Verfassung, welche das Product eines vergangnen +Bewußtseins war, zur drückenden Fessel für ein fortgeschrittnes werden +kann etc étc, sind wohl Trivialitäten. Es würde vielmehr nur die Forderung +einer Verfassung folgern, die in sich selbst die Bestimmung und das Princip +hat mit dem Bewußtseinfortzuschreiten; fortzuschreiten mit dem wirklichen +Menschen, was erst möglich ist, sobald der „Mensch" zum Princip der +Verfassung geworden ist. Hegel hier Sophist. + +30 + +a) Die fürstliche Gewalt. + +§ 275. „Die fürstliche Gewalt enthält selbst die 3 Momente der Totalität in +sich, die Allgemeinheit der Verfassung und der Gesetze, die Berathung als +Beziehung des Besondern auf das Allgemeine, und das Moment der lezten +Entscheidung, als der Selbstbestimmung, in welche alles Uebrige zurück +geht, und wovon es den Anfang der Wirklichkeit nimmt. Dieß absolute + +35 + +20 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +Selbstbestimmen macht das unterscheidende Princip der fürstlichen Gewalt +als solcher aus, welches zuerst zu entwickeln ist." + +5 + +Der Anfang dieses §§ heißt zunächst nichts, als: „Die Allgemeinheit der +Verfassung und der Gesetze" sind — die fürstliche Gewalt; die Berathung +oder die Beziehung des Besondern auf das Allgemeine ist — die fürstliche +Gewalt. Die fürstliche Gewalt steht nicht ausserhalb der Allgemeiriheit der +Verfassung und der Gesetze, sobald unter der fürstlichen Gewalt die des +Monarchen (constitutionellen) verstanden ist. | + +|24| Was Hegel aber eigentlich will ist nichts als daß: +die „Allgemeinheit der Verfassung und der Gesetze" — die fürstliche +Gewalt, die Souverainetät des Staats ist. Es ist dann unrecht, die fürstliche +Gewalt zum Subjekt zu machen und da unter fürstlicher Gewalt auch die +Gewalt des Fürsten verstanden werden kann, den Schein hervorzubringen, +als sei er Herr dieses Moments; das Subjekt desselben. Doch wenden wir +uns zunächst zu dem, was Hegel als „das unterscheidende Princip der fürst + +10 + +15 + +lichen Gewalt als solcher*' ausgiebt, so ist es: + +„das Moment der lezten Entscheidung, als der Selbstbestimmung, in +welche alles Uebrige zurückgeht und wovon es den Anfang der Wirklichkeit +nimmt", dieses: + +20 + +„absolute Selbstbestimmen". +Hegel sagt hier nichts, als: der wirkliche, d.h. individuelle Wille ist die + +fürstliche Gewalt. So heißt es § 12: + +„Daß der Wille s i c h . .. die Form der Einzelnheitgiebt, ist er beschliessend + +und nur als beschliessender Wille ist er wirklicher Wille." + +25 + +Insofern dieß Moment der „lezten Entscheidung" oder der „absoluten +Selbstbestimmung" getrennt ist von der „Allgemeinheit" des Inhalts und der +Besonderheit der Berathung, ist es der wirkliche Wille als Willkühr. Oder: + +„Die Willkühr ist die fürstliche Gewalt." oder „Die fürstliche Gewalt ist + +die Willkühr." + +30 + +§ 276. „Die Grundbestimmung des politischen Staats ist die substantielle + +Einheit als Idealität seiner Momente, in welcher: + +α) die besonderen Gewalten und Geschäfte desselben ebenso aufgelöst als +erhalten, und nur so erhalten sind, als sie keine unabhängige, sondern allein +eine solche und so weit gehende Berechtigung haben, als in der Idee des +35 Ganzen bestimmt ist, von seiner Macht ausgehen und flüssige Glieder des +selben, als ihres einfachen Selbsts sind." Zusatz. „Mit dieser Idealität der +Momente ist es, wie mit dem Leben im organischen Körper." + +Versteht sich: Hegel spricht nur von der Idee „der besondern Gewalten +und Geschäfte". Sie sollen nur eine „so weit gehende Berechtigung haben, +40 als in der Idee des Ganzen bestimmt ist", sie sollen nur „von seiner Macht +ausgehen". Daß dieß so sein soll liegt in der Idee des Organismus. Es wäre + +21 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +aber eben zu entwickeln gewesen, wie dieß zu bewerkstelligen ist. Denn im +Staat muß bewußte Vernunft herrschen; die substantielle blos innere und +darum blos äussere Nothwendigkeit, die zufällige Verschränkung der „Ge +walten und Geschäfte" kann ||VIL25| nicht für das vernünftige ausgegeben +werden. + +§ 277. ß) „Die besonderen Geschäfte und Wirksamkeiten des Staats sind +als die wesentlichen Momente desselben ihm eigen, und an die Individuen, +durch welche sie gehandhabt und bethätigt werden, nicht nach deren un +mittelbaren Persönlichkeit, sondern nur nach ihren allgemeinen und objek +tiven Qualitäten geknüpft und daher mit der besonderen Persönlichkeit als +solcher äusserlicher und zufälligerweise verbunden. Die Staatsgeschäfte und +Gewalten können daher nicht Privat-Eigenthum sein." + +5 + +10 + +Es versteht sich von selbst, daß wenn besondere Geschäfte und Wirk +samkeiten als Geschäfte und Wirksamkeit des Staats, als Staatsgeschäftxmd +Staatsgewalt bezeichnet werden, sie nicht Privat-Eigenthum, sondern Staats- +Eigenthum sind. Das ist eine Tautologie. + +15 + +Die Geschäfte und Wirksamkeiten des Staats sind an Individuen geknüpft +(der Staat ist nur wirksam durch Individuen) aber nicht an das Individuum +als physisches, sondern als staatliches, an die Staatsqualität des Individuums. +Es ist daher lächerlich, wenn Hegel sagt: sie seien „mit der besondern 20 +Persönlichkeit als solcher äusserlicher und zu fälliger weise verbunden". Sie +sind vielmehr durch ein vinculum substantiale, durch eine wesentliche +Qualität desselben mit ihm verbunden. Sie sind die natürliche Aktion seiner +wesentlichen Qualität. Es kömmt dieser Unsinn dadurch herein, daß Hegel +die Staatsgeschäfte und Wirksamkeiten abstrakt für sich und im Gegensatz +dazu die besondere Individualität faßt; aber er vergißt, daß die besondere +Individualität eine menschliche und die Staatsgeschäfte und Wirksamkeiten +menschliche Funktionen sind; er vergißt daß das Wesen der „besondern +Persönlichkeit" nicht ihr Bart, ihr Blut, ihre abstrakte Physis, sondern ihre +sociale Qualität ist und daß die Staatsgeschäfte etc. nichts als Daseins und +Wirkungsweisen der socialen Qualitäten des Menschen sind. Es versteht sich +also, daß die Individuen, insofern sie die Träger der Staatsgeschäfte und +Gewalten sind, ihrer socialen und nicht ihrer privaten Qualität nach be +trachtet werden. | + +25 + +30 + +|26| § 278. „Diese beiden Bestimmungen, daß die besonderen Geschäfte 35 + +und Gewalten des Staats weder für sich, noch in dem besondren Willen von +Individuen selbstständig und fest sind, sondern in der Einheit des Staats als +ihrem einfachen Selbst ihre lezte Wurzel haben, macht die Souverainetät des +Staats aus." + +„Der Despotismus bezeichnet überhaupt den Zustand der Gesetzeslosig- 40 + +keit, wo der besondere Wille als solcher, es sei nun eines Monarchen oder + +22 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +eines Volks, als Gesetz oder vielmehr statt des Gesetzes gilt, da hingegen die +Souverainetät gerade im gesetzlichen, konstitutionellen Zustande das Mo +ment der Idealität der besondern Sphären und Geschäfte ausmacht, daß +nämlich eine solche Sphäre nicht ein Unabhängiges, in ihren Zwecken und +5 Wirkungsweisen Selbstständiges und sich nur in sich Vertiefendes, sondern +in diesen Zwecken und Wirkungsweisen vom Zwecke des Ganzen (den man +im Allgemeinen mit einem unbestimmten Ausdrucke das Wohl des Staats +genannt hat) bestimmt und abhängig sei. Diese Idealität kommt auf die +gedoppelte Weise zur Erscheinung. — Im friedlichen Zustande gehn die +10 besondern Sphären und Geschäfte den Gang der Befriedigung ihrer be +sondern Geschäfte fort, und es ist Theils nur die Weise der bewußtlosen +Nothwendigkeit der Sache, nach welcher ihre Selbstsucht in den Beitrag zur +gegenseitigen Erhaltung und zur Erhaltung des Ganzen umschlägt, Theils +aber ist es die direkte Einwirkung von oben, wodurch sie sowohl zu dem +15 Zwecke des Ganzen fortdauernd zurückgeführt und darnach beschränkt als +angehalten werden, zu dieser Erhaltung direkte Leistungen zu machen; — +im Zustande der Noth aber, es sei innerer oder äusserlicher, ist es die +Souverainetät, in deren einfachen Begriff der dort in seinen Besonderheiten +bestehende Organismus zusammengeht, und welcher die Rettung des Staats +20 mit Aufopferung dieses sonst Berechtigten anvertraut ist, wo denn jener + +25 + +Idealismus zu seiner eigentümlichen Wirklichkeit kommt." + +Dieser Idealismus ist also nicht entwickelt zu einem gewußten, vernünf +tigen System. Er erscheint im friedlichen Zustande entweder nur als ein +äusserlicher Zwang, der der herrschenden Macht, dem Privatleben durch +„direkte Einwirkung von oben" angethan ||27| wird, oder als blindes un- +gewußtes Resultat der Selbstsucht. Seine „eigenthümliche Wirklichkeit" hat +dieser Idealismus nur im „Kriegs oder Nothzustand" des Staats, so daß sich +hier sein Wesen als „Kriegs und Nothzustand" des wirklichen bestehenden +Staats ausspricht, während sein „friedticher" Zustand eben der Krieg und + +30 die Noth der Selbstsucht ist. + +Die Souverainetät, der Idealismus des Staats existirt daher nur als innere +Nothwendigkeit: als Idee. Auch damit ist Hegel zufrieden, denn es handelt +sich nur um die Idee. Die Souverainetät existirt also einerseits nur als be +wußtlose, blinde Substanz. Wir werden sogleich ihre andere Wirklichkeit + +35 kennen lernen. + +§ 279. „Die Souverainetät, zunächst +nur der allgemeine Gedanke dieser +Idealität, existirt nur als die ihrer +selbstgewisse Subjectivität und als +40 die abstrakte, insofern grundlose + +1) „Die Souverainetät, zunächst nur +der allgemeine Gedanke dieser Idea- +lität, existirt nur als die ihrer selbst- +gewisse Subjectivität. Die Subjeeti- +vität aber ist in ihrer Wahrheit nur als + +23 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Selbstbestimmung des Willens, +in +welcher das Lezte der Entscheidung +liegt. Es ist dieß das Individuelle des +Staats als solches, der selbst darin +nur Einer ist. Die Subjectivität aber +ist in ihrer Wahrheit nur als Subject, +die Persönlichkeit nur als Person, +und in der zur reellen Vernünftigkeit +gediehenen Verfassung hat jedes der +drei Momente des Begriffs für sich +wirkliche ausgesonderte Gestaltung. +Dieß absolut entscheidende Moment +des Ganzen ist daher nicht die In +dividualität überhaupt, sondern Ein +Individuum, der Monarch." + +Subject, die Persönlichkeit nur als +Person . .. in der zur reellen Ver +nünftigkeit gediehenen Verfassung +hat jedes der drei Momente des +Begriffs für sich wirkliche ausge- +sonderte Gestaltung." + +5 + +2) Die Souverainetät „existirt nur +als die abstrakte, insofern grundlose +Selbstbestimmung des Willens, +in +welcher das Lezte der Entscheidung 1 o +liegt. Es ist dieß das Individuelle des +Staats als solches, der selbst darin +nur Einer ist +. .. (und in der zur +reellen Vernünftigkeit gediehenen +Verfassung hat jedes der drei Mo- 15 +mente des Begriffs seine für sich +wirkliche +ausgesonderte Gestal +tung.) Dieß absolut entscheidende +Moment des Ganzen ist daher nicht +die Individualität überhaupt, son- 20 +dern Ein +arch." + +Individuum, der Mon + +Der erste Satz heißt nichts, als daß der allgemeine Gedanke dieser Ideali +tät, dessen traurige Existenz wir eben gesehn haben, das selbstbewußte +Werk der Subjekte sein und als solches für sie und in ihnen existiren 25 +müßte. + +I + +|28| Wäre Hegel von den wirklichen Subjekten, als den Basen des Staats +ausgegangen, so hätte er nicht nöthig auf eine mystische Weise den Staat +sich versubjektiviren zu lassen. „Die Subjektivität", sagt Hegel „aber ist in +ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person." Auch dieß +ist eine Mystification. Die Subjektivität ist eine Bestimmung des Subjekts, +die Persönlichkeit eine Bestimmung der Person. Statt sie nun als Prädicate +ihrer Subjekte zu fassen, verselbstständigt Hegel die Prädicate und läßt sie +hinterher auf eine mystische Weise in ihre Subjekte sich verwandeln. + +30 + +Die Existenz der Prädicate ist das Subject: also das Subject die Existenz 35 + +der Subjectivität etc. Hegel verselbstständigt die Prädicate, die Objekte, aber +er verselbstständigt sie getrennt von ihrer wirklichen Selbstständigkeit, +ihrem Subjekt. Nachher erscheint dann das wirkliche Subjekt als Resultat, +während vom wirklichen Subjekt auszugehn und seine Objektivation zu +betrachten ist. Zum wirklichen Subject wird daher die mystische Substanz 40 + +24 + + ψ- + +I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +und das reelle Subjekt erscheint als ein andres, als ein Moment der my +stischen Substanz. Eben weil Hegel von den Prädicaten, der allgemeinen +Bestimmung statt von dem reellen Ens (ύποκείμενον, Subjekt) ausgeht und +doch ein Träger dieser Bestimmung da sein muß, wird die mystische Idee +5 dieser Träger. Es ist dieß der Dualismus, daß Hegel das Allgemeine nicht +als das wirkliche Wesen des Wirklich Endlichen, d. i. Existirenden, Bestimm +ten betrachtet oder das wirkliche Ens nicht als das wahre Subjekt des +Unendlichen. + +10 + +So wird hier die Souverainetät, das Wesen des Staats, zuerst als ein +selbstständiges Wesen betrachtet, vergegenständlicht. Dann versteht sich, +muß Dieß Objektive wieder Subjekt werden. Dieß Subjekt erscheint aber +dann als eine Selbstverkörperung der Souverainetät, während die Souverai +netät nichts anders ist, als der vergegenständlichte Geist der Staatssub +jekte. + +15 + +Abgesehn von diesem Grundmangel der Entwicklung, betrachten wir +diesen ersten Satz des §§, wie er da liegt, so heißt er nichts als die Sou +verainetät, der Idealismus des Staats als Person, als Subjekt existirt, versteht +sich als viele Personen, viele Subjekte, da keine einzelne Person die Sphäre +der Persönlichkeit, kein einzelnes Subjekt die Sphäre der Subjektivität in +sich absorbirt. Was sollte das auch für ein Staatsidealismus sein, der statt +als das wirkliche Selbstbewußtsein der Staatsbürger, als die gemeinsame +Seele des Staats, eine Person, ein Subjekt wäre. Mehr hat Hegel auch nicht +an diesem Satz entwickelt. Aber betrachten wir nun ||VIII.29| den mit diesem +Satz verschränkten zweiten Satz. Es ist Hegeln darum zu thun, den Mon- +25 archen als den wirklichen Gottmenschen, als die wirkliche Verkörperung der + +20 + +Idee darzustellen. + +30 + +„Die Souverainetät... existirt mir... als die abstrakte, insofern grundlose +Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung hegt. +Es ist dieß das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin Einer +i s t . .. in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der +drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestal +tung. Dieß absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die +Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch." + +Wir haben vorhin schon auf den Satz aufmerksam gemacht: Das Moment +35 des Beschhessens, der willkührlichen, weil bestimmten Entscheidung ist die +fürstliche Gewalt des Willens überhaupt. Die Idee der fürstlichen Gewalt, +wie sie Hegel entwickelt ist nichts anders als die Idee des Willkührlichen, +der Entscheidung des Willens. + +40 + +Während Hegel aber eben die Souverainetät als den Idealismus des Staats, +als die wirkliche Bestimmung der Theile durch die Idee des Ganzen auffaßte, +macht er sie jezt zur „abstrakten, insofern grundlosen Selbstbestimmung des + +25 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +5 + +Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung ist. Es ist dieß das In +dividuelle des Staats als solches." Vorhin war von der Subjektivität, jezt ist +von der Individualität die Rede. Der Staat als Souverainer muß Einer, Ein +Individuum sein, Individualität besitzen. Der Staat ist „nicht nur" darin, in +dieser Individualität Einer; die Individualität ist nur das natürliche Moment +seiner Einheit; die Naturbestimmung des Staats. „Dieß absolut ent +scheidende Moment ist daher nicht die Individualität überhaupt; sondern Ein +Individuum, der Monarch." Woher? Weil „jedes der drei Momente des +Begriffs in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung seine für +sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung" hat. Ein Moment des Begriffs ist +die „Einzelnheit"; allein dieß ist noch nicht Ein Individuum. Und was sollte +das auch für eine Verfassung sein, wo die Allgemeinheit, die Besonderheit, +die Einzelnheit, jede „seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung" +hätte? Da es sich überhaupt von keinem abstractum, sondern vom Staat, von +der Gesellschaft handelt, so kann man selbst die Classification Hegels an- 15 +nehmen. Was folgte daraus? Der Staatsbürger als das Allgemeine be +stimmend ist Gesetzgeber, als das Einzelne entscheidend, als wirklich +wollend, ist Fürst; was sollte das heissen: Die Individualität des Staatswillens +ist „ein Individuum", ein besonderes von allen anderen ||30| unterschiedenes +Individuum? Auch die Allgemeinheit, die Gesetzgebung hat eine „für sich +wirkliche ausgesonderte Gestaltung". Könnte man daher schliessen: „Die +Gesetzgebung sind diese besondern Individuen." + +10 + +20 + +Der gemeine Mann: +2) Der Monarch hat die souveraine + +Hegel: +2) Die Souverainetät des Staats ist + +Gewalt, die Souverainetät. + +der Monarch. + +25 + +3) Die Souverainetät thut, was sie + +will. + +3) Die Souverainetät ist „die ab +strakte, insofern grundlose Selbst +bestimmung des Willens, in welcher +das Lezte der Entscheidung liegt". + +Alle Attribute des constitutionellen Monarchen im jetzigen Europa macht 30 +Hegel zu absoluten Selbstbestimmungen des Willens. Er sagt nicht: Der Wille +des Monarchen ist die lezte Entscheidung, sondern die lezte Entscheidung +des Willens ist — der Monarch. Der erste Satz ist empirisch. Der zweite +verdreht die empirische Thatsache in ein metaphysisches Axiom. + +Hegel verschränkt die beiden Subjekte, die Souverainetät „als die ihrer 35 + +selbstgewisse Subjectivität" und die Souverainetät „als die grundlose Selbst +bestimmung des Willens", als den individuellen Willen durch einander, um +die „Idee" als „Ein Individuum" heraus zu construiren. + +Es versteht sich, daß die selbstgewisse Subjectivität auch wtklich wollen, + +26 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +auch als Einheit, als Individuum wollen muß. Wer hat aber auch je be +zweifelt, daß der Staat durch Individuen handelt? Wollte Hegel entwickeln: +Der Staat muß ein Individuum als Repräsentanten seiner individuellen Ein +heit haben, so brachte er den Monarchen nicht heraus. Wir halten als po- +sitives Resultat dieses § nur fest: + +5 + +Der Monarch ist im Staat das Moment des Individuellen Willens, der + +grundlosen Selbstbestimmung, der Willkühr. + +Die Anmerkung Hegels zu diesem § ist so merkwürdig, daß wir sie näher + +beleuchten müssen. + +10 + +„Die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres +ganzen Inhaltes aus dem einfachen Begriffe zeigt das EigenthümHche, daß +der eine und derselbe Begriff, hier der Wille, der Anfangs, weil es der Anfang +ist, abstrakt ist, sich erhält, aber seine Bestimmungen und zwar ebenso nur +durch sich selbst verdichtet und auf diese Weise einen konkreten Inhalt +15 gewinnt. So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte +abstrakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen +von Subjektivität fortgebildet hat, ||3l| und hier im absoluten Rechte, dem +Staate, der vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlich +keit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst — dieses Lezte, was alle +20 Besonderheiten in dem einfachen Selbst aufhebt, das Abwägen der Gründe +und Gegengründe, zwischen denen sich immer herüber und hinüber +schwanken läßt, abbricht, und sie durch das: Ich will, beschließt und alle +Handlung und Wirklichkeit anfängt." + +Zunächst ist es nicht die „Eigenthümlichkeit der Wissenschaft", daß der + +25 Fundamentalbegriff der Sache immer wiederkehrt. + +Dann hat aber auch kein Fortschritt stattgefunden. Die abstrakte Per +sönlichkeit war das Subjekt des abstrakten Rechts; sie hat sich nicht ver +ändert; sie ist wieder als abstrakte Persönlichkeit die Persönlichkeit des +Staats. Hegel hätte sich nicht darüber verwundern sollen, daß die wirkliche +30 Person — und die Personen machen den Staat — überall als sein Wesen +wiederkehrt. Er hätte sich über das Gegentheil wundern müssen, noch mehr +aber darüber, daß die Person als Staatsperson in derselben dürftigen Ab +straktion wiederkehrt, wie die Person des Privatrechts. + +Hegel def inirt hier den Monarchen als „die Persönlichkeit des Staats, seine +35 Gewißheit seiner selbst". Der Monarch ist die „personificirte Souveraine +tät", die „Menschgewordne Souverainetät", das leibliche Staatsbewußtsein, +wodurch also alle andern von dieser Souverainetät und von der Persönlich +keit und vom Staatsbewußtsein ausgeschlossen sind. Zugleich weiß aber +Hegel dieser «Souveraineté Personne" keinen andern Inhalt zu geben, als +40 das: „Ich will", das Moment der Willkühr im Willen. Die „Staatsvernunft" +und das „Staatsbewußtsein" ist eine „einzige" empirische Person mit Aus- + +27 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Schluß aller andern, aber diese personificirte Vernunft hat keinen andern +Inhalt, als die Abstraktion des: „Ich will." L'état c'est moi. + +„Die Persönlichkeit und die Subjectivität überhaupt hat aber ferner, als +unendliches sich auf sich Beziehendes, schlechthin nur Wahrheit und zwar +seine nächste unmittelbare Wahrheit als Person, für sich seiendes Subjekt, +und das für sich Seiende ist ebenso scMechthin nur Eins." Es versteht sich +von selbst, da Persönlichkeit und Subjectivität nur Prädicate der Person und +des Subjects sind, so existiren sie nur als Person und Subjekt, und zwar ist +die Person Eins. Aber mußte Hegel fortfahren, das Eins hat schlechthin nur +Wahrheit als viele Eins. Das Prädicat, das Wesen erschöpft die Sphäre seiner +Existenz nie in einem Eins, sondern in den vielen Eins. \ + +5 + +10 + +|32| Statt dessen schließt Hegel: +„Die Persönlichkeit des Staates ist nur als eine Person, der Monarch +wirklich." Also weil die Subjectivität nur als Subjekt, und das Subjekt nur +als Eins, ist die Persönlichkeit des Staats nur als eine Person wirklich. Ein 15 +schöner Schluß. Hegel konnte eben so gut schliessen: Weil der einzelne +Mensch ein Eins ist, ist die Menschengattung nur Ein einziger Mensch. + +„Persönlichkeit drückt den Begriff als solchen aus, die Person enthält +zugleich die Wirklichkeit desselben, und der Begriff ist nur mit dieser Be +stimmung Idee, Wahrheit." Die Persönlichkeit ist allerdings nur eine Ab- +straktion ohne die Person; aber die Person ist nur die wirkliche Idee der +Persönlichkeit in ihrem Gattungsdasein, als die Personen. + +20 + +„Eine sogenannte moralische Person, Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so +konkret sie in sich ist, hat die Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; +sie ist darin nicht zur Wahrheit ihrer Existenz gekommen, der Staat aber ist 25 +eben diese Totalität, in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit +nach ihrer eigenthümlichen Wahrheit gelangen." Es herrscht eine grosse +Confusion in diesem Satz. Die moralische Person, Gesellschaft etc. wird +abstrakt genannt, also eben die Gattungsgestaltungen, in welchen die wirk +liche Person ihren wirklichen Inhalt zum Dasein bringt, sich verobjektivirt +und die Abstraktion der „Person quand même" aufgiebt. Statt diese +Verwirklichung der Person als das Konkretste anzuerkennen, soll der Staat +den Vorzug haben, daß „das Moment des Begriffs", die „Einzelnheit" zu +einem mystischen „Dasein" gelangt. Das Vernünftige besteht nicht darin, +daß die Vernunft der wirklichen Person, sondern darin, daß die Momente 35 +des abstrakten Begriffs zur Wirklichkeit gelangen. + +30 + +„Der Begriff des Monarchen ist deswegen der schwerste Begriff für das +Raisonnement, d. h. für die reflektirende Verstandesbetrachtung, weil es in +den vereinzelten Bestimmungen stehen bleibt, und darum dann auch nur +Gründe, endliche Gesichtspunkte und das Ableiten aus Gründen kennt. So 40 +stellt es dann die Würde des Monarchen als etwas nicht nur der Form, + +28 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +5 + +10 + +15 + +sondern ihrer Bestimmung nach Abgeleitetes dar; vielmehr ist sein Begriff, +nicht ein Abgeleitetes, sondern das schlechthin aus sich Anfangende zu sein. +Am nächsten (freilich) trifft daher hiermit die Vorstellung zu, das Recht des +Monarchen als auf göttliche Autorität gegründet zu betrachten, denn darin +ist das Unbedingte desselben enthalten." + +„Schlechthin aus sich anfangend" ist in gewissem Sinn jedes Dasein; in +dieser Hinsicht die Laus des Monarchen so gut, als der Monarch. Hegel hätte +damit also nichts besondres über den Monarchen gesagt. Soll aber etwas von +allen Uebrigen Objekten der Wissenschaft und der Rechtsphilosophie +spezifisch verschiednes vom Monarchen gelten, so ist das eine wirkliche +Narrheit; blos in sofern richtig als die „eine Person-Idee" allerdings etwas +nur aus der Imagination und nicht aus dem Verstände Abzuleitendes ist. | + +¡IX.33J „Volks-Souverainetät kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein +Volk überhaupt nach Aussen ein Selbstständiges sei und einen eignen Staat +ausmache etc." Das ist eine Trivialität. Wenn der Fürst die „wirkliche +Staatssouverainetät" ist, so müßte auch nach Aussen „der Fürst" für einen +„selbstständigen Staat" gelten können; auch ohne das Volk. Ist er aber +souverain, insofern er die Volks Einheit repräsentirt, so ist er also selbst nur +Repräsentant, Symbol der Volkssouverainetät. Die Volkssouverainetät ist + +20 nicht durch ihn, sondern er durch sie. + +„Man kann so auch von der Souverainetät nach Innen sagen, daß sie im +Volke residiré, wenn man nur überhaupt vom Ganzen spricht, ganz so wie +vorhin (§ 277,278) gezeigt ist, daß dem Staate Souverainetät zukomme." Als +wäre nicht das Volk der wirkliche Staat. Der Staat ist ein Abstractum. Das +25 Volk allein ist das Concretum. Und es ist merkwürdig, daß Hegel, der ohne +Bedenken dem Abstractum, nur mit Bedenken und Klauseln dem Concretum +eine lebendige Qualität, wie die der Souverainetät beilegt. + +„Aber Volks-Souverainetät als im Gegensatz gegen die im Monarchen +existirende Souverainetät genommen, ist der gewöhnliche Sinn, in welchem +30 man in neueren Zeiten von Volks-Souverainetät zu sprechen angefangen hat, +— in diesem Gegensatze gehört die Volks-Souverainetät zu den verworrenen +Gedanken, denen die wüste Vorstellung des Volkes zu Grunde liegt." + +Die „verworrenen Gedanken" und die „wüste Vorstellung" befindet sich +hier allein auf der Seite Hegels. Allerdings: wenn die Souverainetät im +35 Monarchen existirt, so ist es eine Narrheit von einer gegensätzlichen +Souverainetät im Volke zu sprechen, denn es hegt im Begriff der Souverai +netät, daß sie keine doppelte und gar entgegengesezte Existenz haben kann. +Aber: + +40 + +1) ist grade die Frage: Ist die Souverainetät, die im Monarchen absorbirt +ist, nicht eine Illusion? Souverainetät des Monarchen oder des Volkes, das +ist die question; + +29 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +2) kann auch von einer Souverainetät des Volkes im Gegensatz gegen die +im Monarchen existirende Souverainetät gesprochen werden. Aber dann +handelt es sich nicht um eine und dieselbe Souverainetät, die auf zwei Seiten +entstanden, sondern es handelt sich um ||34| zwei ganz entgegengesezte +Begräfe der Souverainetät, von denen die eine eine solche ist, die in einem +Monarchen, die andre eine solche, die nur in einem Volke zur Existenz +kommen kann. Ebenso wie es sich fragt: Ist Gott der Souverain oder ist der +Mensch der Souverain. Eine von beiden ist eine Unwahrheit, wenn auch eine +existirende Unwahrheit. + +5 + +„Das Volk ohne seinen Monarchen und die eben damit nothwendig und +unmittelbar zusammenhängende Gegliederung des Ganzen genommen, ist +die formlose Masse, die kein Staat mehr ist, und der keine der Bestimmungen, +die nur in dem in sich geformten Ganzen vorhanden sind, — Souverainetät, +Regierung, Gerichte, Obrigkeit, Stände und was es sei, mehr zukommt. Damit +daß solche auf eine Organisation, das Staatsleben, sich beziehende Momente 15 +in einem Volke hervortreten, hört es auf, dieß unbestimmte Abstraktum zu +sein, das in der blos allgemeinen Vorstellung Volk heißt." + +10 + +Dieß Ganze eine Tautologie. Wenn ein Volk einen Monarchen und eine +mit ihm nothwendig und unmittelbar zusammenhängende Gliederung hat, +d. h. wenn es als Monarchie gegliedert ist, so ist es allerdings, aus dieser 20 +Gliederung herausgenommen, eine formlose Masse und blos allgemeine +Vorstellung. + +„Wird unter der Volks-Souverainetät die Form der Republik und zwar +bestimmter der Demokratie verstanden, so—kann gegen die entwickelte Idee +nicht mehr von solcher Vorstellung die Rede sein." + +25 + +Das ist allerdings richtig, wenn man nur eine „solche Vorstellung" und + +keine „entwickelte Idee" von der Demokratie hat. + +Die Demokratie ist die Wahrheit der Monarchie, die Monarchie ist nicht +die Wahrheit der Demokratie. Die Monarchie ist nothwendig Demokratie als +Inconsequenz gegen sich selbst, das monarchische Moment ist keine In- 30 +consequenz in der Demokratie. Die Monarchie kann nicht, die Demokratie +kann aus sich selbst begriffen werden. In der Demokratie erlangt keins der +Momente eine andere Bedeutung als ihm zukommt. Jedes ist wirklich nur +Moment des ganzen Demos. In der Monarchie bestimmt ein Theil den +Charakter des Ganzen. Die ganze Verfassung muß sich nach dem festen 35 +Punkt modificiren. Die Demokratie ist die Verfassungsgattung. Die Mon +archie ist eine Art und zwar eine schlechte Art. Die Demokratie ist Inhalt +und Form. Die Monarchie soll nur Form sein, aber sie verfälscht den In +halt, + +ι + +|35| In der Monarchie ist das Ganze, das Volk, unter eine seiner Daseins- 40 + +weisen, die politische Verfassung subsumirt; in der Demokratie erscheint die + +30 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +Verfassung selbst nur als eine Bestimmung und zwar Selbstbestimmung des +Volks. In der Monarchie haben wir das Volk der Verfassung; in der De +mokratie die Verfassung des Volks. Die Demokratie ist das aufgelöste +Räthsel aller Verfassungen. Hier ist die Verfassung nicht nur an sich, dem +5 Wesen nach, sondern der Existenz, der Wirklichkeit nach in ihren wirklichen +Grund, den wtklichen Menschen, das wirkliche Volk, stets zurückgeführt +und als sein eignes Werk gesezt. Die Verfassung erscheint als das, was sie +ist, freies Produkt des Menschen; man könnte sagen, daß dieß in gewisser +Beziehung auch von der konstitutionellen Monarchie gelte, allein der spe +lo zifische Unterschied der Demokratie ist, daß hier die Verfassung überhaupt +nur ein Daseinsmoment des Volkes, daß nicht die politische Verfassung für +sich den Staat bildet. + +Hegel geht vom Staat aus und macht den Menschen zum versubjektivirten +Staat; die Demokratie geht vom Menschen aus und macht den Staat zum +15 verobjektivirten Menschen. Wie die Religion nicht den Menschen, sondern +wie der Mensch die Religion schafft, so schafft nicht die Verfassung das +Volk, sondern das Volk die Verfassung. Die Demokratie verhält sich in +gewisser Hinsicht zu allen übrigen Staatsformen, wie das Christenthum sich +zu allen übrigen Religionen verhält. Das Christentum ist die Religion κατ' +20 εξοχήν, das Wesen der Religion, der deif icirte Mensch, als eine besondre +Religion. So ist die Demokratie das Wesen aller Staatsverfassung, der so- +cialisirte Mensch, als eine besondre Staatsverfassung; sie verhält sich zu den +übrigen Verfassungen, wie die Gattung sich zu ihren Arten verhält, nur daß +hier die Gattung selbst als Existenz, darum gegenüber den dem Wesen nicht +entsprechenden Existenzen selbst als eine besondre Art erscheint. Die +Demokratie verhält sich zu allen übrigen Staatsformen als ihrem alten +Testament. Der Mensch ist nicht des Gesetzes, sondern das Gesetz ist des +Menschen wegen da, es ist menschliches Dasein, während in den andern der +Mensch das gesetzliche Dasein ist. Das ist die Grunddifferenz der De- + +25 + +30 mokratie. | + +|36| Alle übrigen Staatsbildungen sind eine gewisse, bestimmte, besondere +Staats/orm. In der Demokratie ist das formelle Princip zugleich das ma +terielle Princip. Sie ist daher erst die wahre Einheit des Allgemeinen und +Besondern. In der Monarchie ζ. B., in der Republik als einer nur besondern +35 Staatsform, hat der politische Mensch sein besondres Dasein neben dem +unpolitischen, dem Privatmenschen. Das Eigenthum, der Vertrag, die Ehe, +die bürgerliche Gesellschaft erscheinen hier, (wie dieß Hegel für diese +abstrakten Staatsformen ganz richtig entwickelt, nur, daß er die Idee des +Staats zu entwickeln meint) als besondre Daseinsweisen neben dem poli +tischen Staat, als der Inhalt, zu dem sich der politische Staat als die or +ganistende Form verhält, eigentlich nur als der bestimmende, be- + +to + +31 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +schränkende, bald bejahende, bald verneinende, in sich selbst Inhaltslose +Verstand. In der Demokratie ist der politische Staat, so weit er sich neben +diesen Inhalt stellt und von ihm unterscheidet, selbst nur ein besondrer +Inhalt, wie eine besondre Daseinsform des Volkes. In der Monarchie z.B. +hat dieß Besondre, die politische Verfassung, die Bedeutung des alles Be- +sondere beherrschenden und bestimmenden Allgemeinen. In der Demokratie +ist der Staat als Besondres nur Besondres, als Allgemeines das wirkliche +Allgemeine, d. h. keine Bestimmtheit im Unterschied zu dem andern Inhalt. +Die neueren Franzosen haben dieß so aufgefaßt, daß in der wahren De +mokratie der politische Staat untergehe. Dieß ist in sofern richtig, als er qua +politischer Staat, als Verfassung, nicht mehr für das Ganze gilt. + +5 + +10 + +In allen von der Demokratie unterschiednen Staaten ist der Staat, das +Gesetz, die Verfassung das Herrschende, ohne daß er wirklich herrschte, +d. h. den Inhalt der übrigen nicht politischen Sphären materiell durchdringe. +In der Demokratie ist die Verfassung, das Gesetz, der Staat selbst nur eine 15 +Selbstbestimmung des Volks und ein bestimmter Inhalt desselben, so weit +er poütische Verfassung ist. + +Es versteht sich übrigens von selbst, daß alle Staatsformen zu ihrer +Wahrheit die Demokratie haben und daher eben so weit sie nicht die De +mokratie sind, unwahr sind. + +20 + +In den alten Staaten bildet der politische Staat den Staatsinhalt mit Aus +schliessung der andern Sphären; der moderne Staat ist eine Accommodation +zwischen dem politischen und dem unpolitischen Staat. | + +|X.37| + +In der Demokratie hat der abstrakte Staat aufgehört das + +Herrschende Moment zu sein. Der Streit zwischen Monarchie und Republik 25 +ist selbst noch ein Streit innerhalb des abstrakten Staats. Die politische +Republik ist die Demokratie innerhalb der abstrakten Staatsform. Die ab +strakte Staatsform der Demokratie ist daher die Republik; sie hört hier aber +auf die nur politische Verfassung zu sein. + +Das Eigenthum etc. kurz der ganze Inhalt des Rechts und des Staats ist 30 + +mit wenigen Modificationen in Nordamerika dasselbe, wie in Preussen. Dort +ist also die Republik eine blose Staats/oroi, wie hier die Monarchie. Der +Inhalt des Staats liegt ausserhalb dieser Verfassungen. Hegel hat daher +Recht, wenn er sagt: Der politische Staat ist die Verfassung; d. h. der ma +terielle Staat ist nicht politisch. Es findet hier nur eine äussere Identität, eine +Wechselbestimmung statt. Von den verschiedenen Momenten des Volks +lebens war es am schwersten, den politischen Staat, die Verfassung, her +auszubilden. Sie entwickelte sich als die allgemeine Vernunft gegenüber den +andern Sphären, als ein Jenseitiges derselben. Die geschichtliche Aufgabe +bestand dann in ihrer Revindication, aber die besondern Sphären haben dabei +nicht das Bewußtsein, daß ihr privates Wesen mit dem jenseitigen Wesen + +35 + +40 + +32 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +der Verfassung oder des politischen Staats fällt und daß sein jenseitiges +Dasein nichts andres als der Affirmativ ihrer eignen Entfremdung ist. Die +politische Verfassung war bisher die religiöse Sphäre, die Religion des +Volkslebens, der Himmel seiner Allgemeinheit gegenüber dem irdischen +5 Dasein seiner Wirklichkeit. Die politische Sphäre war die einzige Staats +sphäre im Staat, die einzige Sphäre worin der Inhalt, wie die Form Gattungs +inhalt, das wahrhaft Allgemeine war, aber zugleich so, daß weil diese Sphäre +den andern gegenüberstand, auch ihr Inhalt zu einem formellen und be +sondern wurde. Das politische Leben im modernen Sinn ist der Scholasticis- +10 mus des Volkslebens. Die Monarchie ist der vollendete Ausdruck dieser +Entfremdung. Die Republik ist die Negation derselben innerhalb ihrer eignen +Sphäre. Es versteht sich, daß da erst die politische Verfassung als solche +ausgebildet ist, wo die Privatsphären eine selbstständige Existenz erlangt +haben. Wo Handel und Grundeigenthum unfrei, noch nicht ver selbstständigt +sind, ist es auch noch nicht die politische Verfassung. Das Mittelalter war +die Demokratie der Unfreiheit. \ + +15 + +|38| Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, +weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört. Die +Abstraktion des politischen Staats ist ein modernes Produkt. + +Im Mittelalter gab es Leibeigene, Feudalgut, Gewerbe-Corporation, Ge- +lehrten-Corporation etc. ; d. h. im Mittelalter ist Eigenthum, Handel, Societät, +Mensch politisch; der materielle Inhalt des Staats ist durch seine Form +gesezt; jede Privatsphäre hat einen politischen Charakter oder ist eine +politische Sphäre; oder die Politik ist auch der Charakter der Privatsphären. +Im Mittelalter ist die politische Verfassung die Verfassung des Privat +eigenthums, aber nur, weil die Verfassung des Privateigenthums politische +Verfassung ist. Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der +Mensch ist das wirkliche Princip des Staats, aber der unfreie Mensch. Es +ist also die Demokratie der Unfreiheit, die durchgeführte Entfremdung. Der +abstrakte reflektirte Gegensatz gehört erst der modernen Welt. Das Mittel +alter ist der wirkliche, die moderne Zeit ist abstrakter Dualismus. + +20 + +25 + +30 + +„Auf der vorhin bemerkten Stufe, auf welcher die Eintheilung der Ver +fassungen in Demokratie, Aristokratie und Monarchie gemacht worden ist, +dem Standpunkte der noch in sich bleibenden substantiellen Einheit, die noch +35 nicht zu ihrer unendlichen Unterscheidung und Vertiefung in sich gekommen +ist, tritt das Moment der lezten sich selbst bestimmenden Willensentschei +dung nicht als immanentes organisches Moment des Staats für sich in eigen- +thümliche Wirklichkeit heraus." + +In der unmittelbaren Monarchie, Demokratie, Aristokratie giebt es noch +40 keine politische Verfassung im Unterschied zu dem wirklichen, materiellen +Staat oder dem übrigen Inhalt des Volkslebens. Der politische Staat erscheint + +33 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +noch nicht als die Form des materiellen Staats. Entweder ist, wie in Griechen +land, die respublica, die wirkliche Privatangelegenheit, der wirkliche Inhalt +der Bürger und der Privatmensch ist Sklave; der politische Staat als politi +scher ist der wahre einzige Inhalt ihres Lebens und Wollens; oder, wie in +der asiatischen Despotie, der politische Staat ist nichts als die Privatwülkühr +eines Einzelnen Individuums oder der politische Staat, wie der materielle ist +Sklave. Der Unterschied des modernen Staats ||39| von diesen Staaten der +substantiellen Einheit zwischen Volk und Staat, besteht nicht darin, daß die +verschiedenen Momente der Verfassung zu besonderer Wirklichkeit aus +gebildet sind, wie Hegel will, sondern darin, daß die Verfassung selbst zu 10 +einer besondern Wirklichkeit neben dem wirklichen Volksleben ausgebildet +ist, daß der politische Staat zur Verfassung des übrigen Staats geworden +ist. + +5 + +§ 280. „Dieses lezte Selbst des Staatswillens ist in dieser seiner Abstraktion +einfach und daher unmittelbare Einzelnheit; in seinem Begriffe selbst liegt +hiermit die Bestimmung der Natürlichkeit; der Monarch ist daher wesentlich +als dieses Individuum, abstrahirt von allem andern Inhalte, und dieses In +dividuum auf unmittelbare natürliche Weise, durch die natürliche Geburt, +zur Würde des Monarchen bestimmt." + +15 + +Wir haben schon gehört, daß die Subjektivität Subjekt und das Subjekt 20 + +nothwendig empirisches Individuum, Eins ist. Wir erfahren jezt, daß im +Begriff der unmittelbaren Einzelnheit die Bestimmung der Natürlichkeit, der +Leiblichkeit liegt. Hegel hat nichts bewiesen, als was von selbst spricht, daß +die Subjektivität nur als leibliches Individuum existirt und versteht sich zum +leiblichen Individuum gehört die natürliche Geburt. + +25 + +Hegel meint bewiesen zu haben, daß die Staatssubjektivität, die Sou +verainetät, der Monarch „wesentlich" ist „als dieses Individuum, abstrahirt +von allem andern Inhalte, und dieses Individuum auf unmittelbare natürliche +Weise, durch die natürliche Geburt, zur Würde des Monarchen bestimmt". +Die Souverainetät, die monarchische Würde würde also geboren. Der Leib 30 +des Monarchen bestimmte seine Würde. Auf der höchsten Spitze des Staats +entschiede also statt der Vernunft die blose Physis. Die Geburt bestimmte +die Qualität des Monarchen, wie sie die Qualität des Viehs bestimmt. Hegel +hat bewiesen, daß der Monarch geboren werden muß, woran niemand +zweifelt; aber er hat nicht bewiesen, daß die Geburt zum Monarchen 35 +macht. + +Die Geburt des Menschen zum Monarchen läßt sich ebenso wenig zu einer +metaphysischen Wahrheit machen, wie die unbefleckte Empfängniß der +Mutter Maria. So gut sich aber die leztere Vorstellung, dieß Faktum des +Bewußtseins, so gut läßt sich jenes Faktum der Empirie aus der menschli- +chen Illusion und den Verhältnissen begreifen. + +40 + +34 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +In der Anmerkung, die wir näher betrachten, überläßt sich Hegel dem +Vergnügen, das Unvernünftige als absolut vernünftig demonstrirt zu +haben. | + +s + +|40| „Dieser Uebergang vom Begriff der reinen Selbstbestimmung in die +5 Unmittelbarkeit des Seins und damit in die Natürlichkeit ist rein spekulativer +Natur; seine Erkenntniß gehört daher der logischen Philosophie an." + +Allerdings ist das rein spekulativ, nicht daß aus der reinen Selbstbestim +mung, einer Abstraktion, in die reine Natürlichkeit, (den Zufall der Geburt) +in das andere Extrem übergesprungen wird, car les extrêmes se touchent. +10 Das Spekulative besteht darin, daß dieß ein „Uebergang des Begriffs" ge +nannt und der vollkommne Widerspruch als Identität, die höchste Incon- +sequenz für Consequenz ausgegeben wird. + +Als positives Bekenntniß Hegels kann angesehn werden, daß mit dem +erblichen Monarchen an die Stelle der sich selbstbestimmenden Vernunft +15 die abstrakte Naturbestimmtheit, nicht als das, was sie ist, als Natur +bestimmtheit, sondern als höchste Bestimmung des Staats tritt, daß dieß der +positive Punkt ist, wo die Monarchie den Schein nicht mehr retten kann, die +Organisation des vernünftigen Willens zu sein. + +20 + +„Es ist übrigens im Ganzen derselbe (?) Uebergang, welcher als die Natur +des Willens überhaupt bekannt und der Prozeß ist, einen Inhalt aus der +Subjectivität (als vorgestellten Zweck) in das Dasein zu übersetzen. Aber +die eigenthümliche Form der Idee und des Ueberganges, der hier betrachtet +wird, +ist das unmittelbare Umschlagen der reinen Selbstbestimmung des +Willens (des einfachen Begriffes selbst) in ein Dieses und natürliches Dasein +25 ohne die Vermittelung durch einen besonderen Inhalt — (einen Zweck im + +Handeln)." + +Hegel sagt, daß das Umschlagen der Souverainetät des Staats (einer +Selbstbestimmung des Willens) in den Körper des gebornen Monarchen (in +das Dasein) im Ganzen der Uebergang des Inhalts überhaupt ist, den der +30 Wille macht, um einen gedachten Zweck zu verwirklichen, ins Dasein zu +übersetzen. Aber Hegel sagt im Ganzen. Der eigenthümliche Unterschied, +den er angiebt, ist so eigentümlich alle Analogie aufzuheben und die Magie +an die Stelle der „Natur des Willens überhaupt" zu setzen. + +35 + +Erstens ist das Umschlagen des vorgestellten Zwecks in das Dasein hier +unmittelbar, magisch. Zweitens ist hier das Subjekt: die reine Selbstbestim +mung des Willens, der einfache Begriff selbst; es ist das Wesen des Willens, +was als mystisches Subjekt bestimmt; es ist kein wirkliches, individuelles, +bewußtes Wollen; es ist die Abstraktion des Willens, die in ein natürliches +Dasein umschlägt, die reine Idee, die sich als ein Individuum verkör- +40 pert. ||XI.4l| Drittens, wie die Verwirklichung des Willens in natürliches +Dasein unmittelbar, d.h. ohne Mittel geschieht, die sonst der Wille bedarf, + +35 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +um sich zu vergegenständlichen, so fehlt sogar ein besonderer, d. i. bestimm +ter Zweck, es findet nicht statt „die Vermittelung durch einen besondern +Inhalt, einen Zweck im Handeln", versteht sich, denn es ist kein handelndes +Subjekt vorhanden und die Abstraktion, die reine Idee des Willens, um zu +handeln, muß sie mystisch handeln. Ein Zweck, der kein besonderer ist, ist +kein Zweck, wie ein Handeln ohne Zweck ein Zweckloses, sinnloses Handeln +ist. Die ganze Vergleichung mit dem teleologischen Akt des Willens gesteht +sich also zu guter Lezt selbst als eine Mystification ein. Ein Inhaltsloses +Handeln der Idee. + +5 + +Das Mittel ist der absolute Wille und das Wort des Philosophen; der 10 + +besondre Zweck ist wieder der Zweck des philosophirenden Subjekts, den +erblichen Monarchen aus der reinen Idee zu construiren. Die Verwirklichung +des Zwecks ist die einfache Versicherung Hegels. + +„Im sogenannten ontologischen Beweise vom Dasein Gottes ist es das +selbe Umschlagen des absoluten Begriffs in das Sein, (dieselbe Mystifica- +tion) was die Tiefe der Idee in der neueren Zeit ausgemacht hat, was aber +in der neuesten Zeit für das Unbegreifliche (mit Recht) ausgegeben worden +ist." + +„Aber indem die Vorstellung des Monarchen, als dem gewöhnlichen (sc. +dem verständigen) Bewußtsein ganz anheimfallend angesehn wird, so bleibt +hier um so mehr der Verstand bei seiner Trennung und den daraus flies +senden Ergebnissen seiner raisonnirenden Gescheutheit stehen, und läugnet +dann, daß das Moment der lezten Entscheidung im Staate an und für sich +(d.i. im Vernunftbegriff) mit der unmittelbaren Natürlichkeit verbunden +sei." Man läugnet, daß die 7ezie Entscheidung geboren werde, und Hegel +behauptet, daß der Monarch die geborne lezte Entscheidung sei; aber wer +hat je gezweifelt, daß die lezte Entscheidung im Staate an wirkliche leibliche +Individuen geknüpft sei, also „mit der unmittelbaren Natürlichkeit verbun +den sei"?| + +15 + +20 + +25 + +|42| § 281. „Beide Momente in ihrer ungetrennten Einheit, das lezte grund- 30 + +lose Selbst des Willens und die damit ebenso grundlose Existenz, als der +Natur anheimgestellte Bestimmung — diese Idee des von der Willkühr Un +bewegten macht die Majestät des Monarchen aus. In dieser Einheit liegt die +wirkliche Einheit des Staats, welche nur durch diese ihre innere und äussere +Unmittelbarkeit der Möglichkeit, in die Sphäre der Besonderheit, deren 35 +Willkühr, Zwecke und Ansichten herabgezogen zu werden, dem Kampf +der Faktionen gegen Faktionen um den Thron, und der Schwächung und +Zertrümmerung der Staatsgewalt, entnommen ist." + +Die beiden Momente sind: der Zufall des Willens, die Willkühr und der +Zufall der Natur, die Geburt, also Seine Majestät der Zufall. Der Zufall ist +also die wirkliche Einheit des Staats. + +40 + +36 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +In wiefern eine „innere und äussere Unmittelbarkeit" der Collision etc. +entnommen sein soll, ist von Hegel eine unbegreifliche Behauptung, da grade +sie das Preißgegebne ist. + +Was Hegel vom Wahlreich behauptet, gilt in noch höherem Grade vom + +5 + +erbüchen Monarchen: + +„Die Verfassung wird nämlich in einem Wahlreich durch die Natur des +Verhältnisses, daß in ihm der partikulare Wille zum lezten Entscheidenden +gemacht ist, zu einer Wahl-Kapitulation etc etc." „zu einer Ergebung der +Staatsgewalt auf die Diskretion des partikulairen Willens, woraus die Ver +io Wandlung der besonderen Staatsgewalten in Privateigenthum etc. hervor + +geht." + +§ 282. „Aus der Souverainetät des Monarchen fließt das Begnadigungs +recht der Verbrecher, denn ihr nur kommt die Verwirklichung der Macht des +Geistes zu, das Geschehene ungeschehn zu machen, und im Vergeben und + +15 Vergessen das Verbrechen zu vernichten." + +Das Begnadigungsrecht ist das Recht der Gnade. Die Gnade ist der höchste +Ausdruck der zufälligen Willkühr, die Hegel sinnvoll zum eigentlichen +Attribut des Monarchen macht. Hegel bestimmt im Zusatz selbst als ihren +Ursprung „die grundlose Entscheidung". \ + +20 + +|43| § 283. „Das zweite in der Fürstengewalt Enthaltene ist das Moment der +Besonderheit, oder des bestimmten Inhalts und der Subsumtion desselben +unter das Allgemeine. Insofern es eine besondere Existenz erhält, sind es +oberste berathende Stellen und Individuen, die den Inhalt der vorkommen +den Staatsangelegenheiten oder der aus vorhandnen Bedürfnissen nöthig +25 werdenden gesetzlichen Bestimmungen, mit ihren objektiven Seiten, den +Entscheidungsgründen, darauf sich beziehenden Gesetzen, Umständen +u. s. f. zur Entscheidung vor den Monarchen bringen. Die Erwählung der +Individuen zu diesem Geschäfte wie deren Entfernung fällt, da sie es mit der +unmittelbaren Person des Monarchen zu thun haben, in seine unbeschrankte + +30 Willkühr." + +§284. „Insofern das Objektive der Entscheidung, die Kenntniß des Inhalts +und der Umstände, die gesetzlichen und andere Bestimmungsgründe, allein +der Verantwortung, d. i. des Beweises der Objektivität fähig ist und daher +einer von dem persönlichen Willen des Monarchen als solchem unterschie- +35 denen Berathung zukommen kann, sind diese berathenden Stellen oder +Individuen allein der Verantwortung unterworfen, die eigenthümliche Ma +jestät des Monarchen, als die lezte entscheidende Subjectivität, ist aber über +alle Verantwortlichkeit für die Regierungshandlungen erhoben." + +40 + +Hegel beschreibt hier ganz empirisch die Ministergewalt, wie sie in con- +stitutionellen Staaten meistens bestimmt ist. Das einzige, was die Philo +sophie hinzuthut, ist, daß sie dieses „empirische Faktum" zur Existenz, + +37 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +zum Prädicat des „Momentes der Besonderheit in der fürstlichen Gewalt" +macht. + +(Die Minister repräsentiren die vernünftige objektive Seite des souverai- +nen Willens. Ihnen kommt daher auch die Ehre der Verantwortung zu; +während der Monarch mit der eigenthümlichen Imagination der „Majestät" +abgefunden wird.) Das spekulative Moment ist also sehr dürftig. Dagegen +beruht die Entwicklung im Besondern auf ganz empirischen und zwar sehr +abstrakten, sehr schlechten empirischen Gründen. + +So ist z.B. die Wahl der Minister in „die unbeschränkte Willkühr" des +Monarchen gestellt „da sie es mit der unmittelbaren Person des Monarchen +zu thun haben", d. h. da sie Minister sind. Ebenso kann die „unbeschränkte +Wahl" des Kammerdieners des Monarchen aus der absoluten Idee entwickelt +werden. + +Besser ist schon der Grund für die Verantwortlichkeit der Minister, „in +sofern das Objektive der Entscheidung, die Kenntniß des Inhalts und der +Umstände, die gesetzlichen und anderen Bestimmungsgründe allein der +Verantwortung, d. i. des Beweises der Objektivität fähig ist". Versteht sich +„die lezte entscheidende Subjectivität", die reine Subjectivität, die reine +Willkühr ist nicht objektiv, also auch keines Beweises der Objektivität, also +keiner Verantwortung +Individuum die geheiligte, +sanktionirte Existenz der Willkühr ist. Hegels Beweis ist schlagend, wenn +man von den constitutionellen Voraussetzungen aus||44|geht, aber Hegel hat +diese Voraussetzung damit nicht bewiesen, daß er sie in ihre Grundvor +stellung analysirt. In dieser Verwechslung liegt die ganze Unkritik der he- +gelschen Rechtsphilosophie. + +fähig, sobald ein + +§ 285. „Das dritte Moment der fürstlichen Gewalt betrifft das an und für +sich Allgemeine, welches in subjektiver Rücksicht in dem Gewissen des +Monarchen, in objektiver Rücksicht im Ganzen der Verfassung und in den +Gesetzen besteht; die fürstliche Gewalt sezt insofern die andern Momente +voraus, wie jedes von diesen sie voraussezt." + +§ 286. „Die objektive Garantie der fürstlichen Gewalt, der rechtlichen +Succession nach der Erblichkeit des Thrones u. s. f. liegt darin, daß wie diese +Sphäre ihre von den andern durch die Vernunft bestimmten Momente aus +geschiedene Wirklichkeit hat, ebenso die andern für sich, ihre eigenthüm +lichen Rechte und Pflichten ihrer Bestimmung haben; jedes Glied, indem es +sich für sich erhält, erhält im vernünftigen Organismus eben damit die andern +in ihrer Eigentümlichkeit." + +Hegel sieht nicht, daß er mit diesem dritten Moment, dem „an und für sich +Allgemeinen" die beiden ersten in die Luft sprengt oder umgekehrt. „Die +fürstliche Gewalt sezt insofern die andern Momente voraus, wie jedes von +diesen sie voraussezt." Wird dieses Setzen nicht mystisch, sondern realiter + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +38 + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +genommen, so ist die fürstliche Gewalt nicht durch die Geburt, sondern durch +die andern Momente gesezt, also nicht erblich, sondern fliessend, d. h. eine +Bestimmung des Staats, die abwechselnd an Staatsindividuen nach dem +Organismus der andern Momente vertheilt wird. In einem vernünftigen +5 Organismus kann nicht der Kopf von Eisen und der Körper von Fleisch sein. +Damit die Glieder sich erhalten, müssen sie ebenbürtig, von einem Fleisch +und Blut sein. Aber der erbliche Monarch ist nicht ebenbürtig, er ist aus +anderm Stoff. Der Prosa des rationalistischen Willens der andern Staats +glieder tritt hier die Magie der Natur gegenüber. Zudem, Glieder können sich +10 nur insofern wechselseitig erhalten, als der ganze Organismus flüssig und +jedes derselben in dieser Flüssigkeit aufgehoben, also keines, wie hier der +Staatskopf „unbewegt", „inalterabel" ist. Hegel hebt durch diese Bestim +mung also die „geborne Souverainetät" auf. + +Zweitens die Unverantwortlichkeit. Wenn der Fürst das „Ganze der +15 Verfassung", die „Gesetze" verlezt, hört seine Unverantwortlichkeit, weil +sein Verfassungsmäßiges Dasein auf; aber eben diese Gesetze, diese Ver +fassung machen ihn unverantwortlich. Sie widersprechen also sich selbst und +diese eine Klausel hebt Gesetz und Verfassung auf. ||XH.45| Die Verfassung +des constitutionellen Monarchen ist die Unverantwortlichkeit. + +20 + +Begnügt sich Hegel aber damit „daß, wie diese Sphäre ihre von den andern +durch die Vernunft bestimmten Momenten ausgeschiedene Wirklichkeit +[hat], ebenso die andern für sich die eigentümlichen Rechte und Pflichten +ihrer Bestimmung haben", so müßte er die Verfassung des Mittelalters eine +Organisation nennen; so hat er blos mehr eine Masse besonderer Sphären, +25 die in dem Zusammenhang einer äussern Nothwendigkeit zusammenstehn +und allerdings paßt auch nur hierhin ein leiblicher Monarch. In einem Staat, +worin jede Bestimmung für sich existirt, muß auch die Souverainetät des +Staats als ein besondres Individuum befestigt sein. + +Resumé über Hegels Entwicklung der fürstiichen Gewalt oder der Idee der + +30 + +Staatssouverainetät. + +§ 279 Anmerkung S.367 heißt es: + +„Volks-Souverainetät kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein Volk +überhaupt nach Aussen ein Selbstständiges sei und einen eigenen Staat +ausmache, wie das Volk von Großbrittannien, aber das Volk von England +35 oder Schottland, Irland, oder von Venedig, Genua, Ceylon u. s.f. kein +souveraines Volk mehr sei, seitdem sie aufgehört haben, eigene Fürsten oder +oberste Regierungen für sich zu haben." + +Des Volkes Souverainetät ist also hier die Nationalität; die Souverainetät +des Fürsten ist die Nationalität, oder das Princip des Fürstenthums ist die + +39 + + Bogen XII. Seite 45 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Nationalität, die für sich und ausschließlich die Souverainetät eines Volkes +bildet. Ein Volk, dessen Souverainetät nur in der Nationalität besteht, hat +einen Monarchen. Die verschiedne Nationalität der Völker kann sich nicht +besser befestigen und ausdrücken als durch verschiedne Monarchen. Die +Kluft, die zwischen einem absoluten Individuum und dem andern, ist +zwischen diesen Nationalitäten. + +Die Griechen (und Römer) waren national, weil und insofern sie das +souveräne Volk waren. Die Germanen sind souverain, weil und insofern sie +national sind. (vid. pag. XXXIV.) | + +|[130]| (ad. pag. XII.) +„Eine sogenannte moralische Person" heißt es ferner in derselben An +merkung „Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so konkret sie in sich ist, hat die +Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; sie ist darin nicht zur +Wahrheit ihrer Existenz gekommen, der Staat aber ist eben diese Totalität, +in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit nach ihrer eigenthüm- +liehen Wahrheit gelangen." + +Die moralische Person, Gesellschaft, Familie etc. hat die Persönlichkeit + +nur abstrakt in ihr; dagegen im Monarchen hat die Person den Staat in sich. + +5 + +10 + +15 + +In Wahrheit hat die abstrakte Person erst in der moralischen Person, +Gesellschaft, Familie etc. ihre Persönlichkeit zu einer wahren Existenz 20 +gebracht. Aber Hegel faßt Gesellschaft, Familie etc., überhaupt die mora +lische Person nicht als die Verwirklichung der wirklichen, empirischen +Person, sondern als v/irkliche Person, die aber das Moment der Persönlich +keit erst abstrakt in ihr hat. Daher kommt bei ihm auch nicht die wirkliche +Person zum Staat, sondern der Staat muß erst zur wirklichen Person 25 +kommen. Statt daß daher der Staat als die höchste Wirklichkeit der Person, +als die höchste sociale Wirklichkeit des Menschen, wird ein einzelner em +pirischer Mensch, wird die empirische Person als die höchste Wirklichkeit +des Staats hervorgebracht. Diese Verkehrung des Subjektiven in das +Objektive und des Objektiven in das Subjektive, (die daher rührt, daß Hegel 30 +die Lebensgeschichte der abstrakten Substanz, der Idee schreiben will, daß +also die menschliche Thätigkeit etc. als Thätigkeit und Resultat eines andern +erscheinen muß, daß Hegel das Wesen des Menschen für sich, als eine +imaginaire Einzelnheit, statt in seiner wirklichen, menschlichen Existenz +wirken lassen will) hat nothwendig das Resultat, daß unkritischer' W'eise eine 35 +empirische Existenz als die wirkliche Wahrheit der Idee genommen wird; +denn es handelt sich nicht davon, die empirische Existenz zu ihrer Wahrheit, +sondern die Wahrheit zu einer empirischen Existenz zu bringen und da wird +denn die zunächstliegende als ein reales Moment der Idee entwickelt. (Ueber +dieses nothwendige Umschlagen von Empirie in Speculation und von 40 +Speculation in Empirie später mehr.) | + +40 + + B o g en XXXIV. Seite [130] + + I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt + +5 + +|[131]| Auf diese Weise wird denn auch der Eindruck des Mystischen und +Tiefen hervorgebracht. Es ist sehr vulgär, daß der Mensch geboren werden +muß; und daß dieß durch die physische Geburt gesezte Dasein zum socialen +Menschen etc. wird bis zum Staatsbürger herauf; der Mensch wird durch +seine Geburt alles, was er wird. Aber es ist sehr tief, es ist frappant daß +die Staatsidee unmittelbar geboren wird, in der Geburt des Fürsten sich +selbst zum empirischen Dasein heraus geboren hat. Es ist auf diese +Weise kein Inhalt gewonnen, sondern nur die Form des alten Inhalts ver +ändert. Er hat eine philosophische Form erhalten, ein philosophisches + +10 Attest. + +Eine andere Consequenz dieser mystischen Speculation ist, daß ein be +sondres empirisches Dasein, ein einzelnes empirisches Dasein im Unter +schied von den andern als das Dasein der Idee gefaßt wird. Es macht wieder +einen tiefen, mystischen Eindruck, ein besondres empirisches Dasein von +der Idee gesezt zu sehn und so auf allen Stufen einer Menschwerdung Gottes +zu begegnen. + +15 + +20 + +Werden ζ. B. bei der Entwicklung von Familie, bürgerlicher Gesellschaft, +Staat etc., diese socialen Existentialweisen des Menschen als Verwirkli +chung, Verobjektivirung seines Wesens betrachtet, so erscheinen Familie +etc. als einem Subjekt inhärente Qualitäten. Der Mensch bleibt immer das +Wesen aller dieser Wesen, aber diese Wesen erscheinen auch als seine +wirkliche Allgemeinheit, daher auch als das Gemeinsame. Sind dagegen +Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat etc. Bestimmungen der Idee, die +Substanz als Subjekt, so müssen sie eine empirische Wirklichkeit erhalten +25 und die Menschenmasse, in der sich die Idee der bürgerlichen Gesellschaft +entwickelt ist Bürger, die andere Staatsbürger. Da es eigentlich nur um eine +Allegorie, nur darum zu thun ist, irgend einer empirischen Existenz die +Bedeutung der verwirklichten Idee beizulegen, so versteht es sich, daß diese +Gefässe ihre Bestimmung erfüllt haben, sobald sie zu einer bestimmten +Incorporation eines Lebensmomentes der Idee geworden sind. Das All +gemeine erscheint daher überall als ein Bestimmtes Besonderes, wie das +Einzelne nirgends zu seiner wahren Allgemeinheit kömmt. + +30 + +35 + +Am tiefsten, spekulativsten erscheint es daher nothwendig, wenn die +abstraktesten, noch durchaus zu keiner wahren socialen Verwirklichung +gereiften Bestimmungen, die Naturbasen des Staats, wie die Geburt (beim +Fürsten) oder das Privat||[132]|eigenthum (im Majorat) als die höchsten, +unmittelbar Menschgewordnen Ideen erscheinen. + +Und es versteht sich von selbst. Der wahre Weg wird auf den Kopf gestellt. +Das Einfachste ist das Verwickeltste und das Verwickeltste das Einfachste. +40 Was Ausgang sein sollte, wird zum mystischen Resultat, und was rationales + +Resultat sein sollte, wird zum mystischen Ausgangspunkt. + +43 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Wenn aber der Fürst die abstrakte Person ist, die den Staat in sich hat, +so heißt das überhaupt nichts, als daß das Wesen des Staats die abstrakte, +die Privatperson ist. Bios in seiner Blüthe spricht er sein Geheimniß aus. +Der Fürst ist die einzige Privatperson, in der sich das Verhältniß der Privat +person überhaupt zum Staat verwirklicht. / + +|46| Die Erblichkeit des Fürsten ergiebt sich aus seinem Begriff. Er soll +die specifisch von der ganzen Gattung, von allen andern Personen unter +schiedene Person sein. Welches ist nun der lezte feste Unterschied einer +Person von allen andern? Der Leib. Die höchste Funktion des Leibes ist die +Geschlechtsthätigkeit. Der höchste constitutionelle Akt des Königs ist daher +seine Geschlechtsthätigkeit, denn durch diese macht er einen König und sezt +seinen Leib fort. Der Leib seines Sohnes ist die Reproduction seines eigenen +Leibes, die Schöpfung eines königlichen Leibes. ||47|| |48|| + +5 + +10 + +|XIII.49¡ b) Die Regierungsgewalt. + +§ 287. „Von der Entscheidung ist die Ausführungxmd Anwendungder fürst- +liehen Entscheidungen, überhaupt das Fortführen und im Stande Erhalten +des bereits Entschiednen, der vorhandenen Gesetze, Einrichtungen, An +stalten für gemeinschaftliche Zwecke u. dergl. unterschieden. Dieß Geschäft +der Subsumtion begreift die Regierungsgewalt in sich, worunter ebenso die +richterlichen und polizeilichen Gewalten begriffen sind, welche unmittel- +barer auf das Besondere der bürgerlichen Gesellschaft Beziehung haben, und +das allgemeine Interesse in diesen Zwecken geltend machen." + +15 + +20 + +Die gewöhnliche Erklärung der Regierungsgewalt. Als Hegel eigenthüm- +lich kann nur angegeben werden, daß er Regierungsgewalt, polizeiliche +Gewalt und gerichtliche Gewalt coordinirt, während sonst administrative und +richterliche Gewalt als Gegensätze behandelt werden. + +25 + +§ 288. „Die gemeinschaftlichen besonderen Interessen, die in die bürger +liche Gesellschaft fallen, und ausser dem An und für sich seienden All +gemeinen des Staats selbst liegen (§ 256), haben ihre Verwaltung in den +Korporationen (§ 251) der Gemeinden und sonstiger Gewerbe und Stände, +und deren Obrigkeiten, Vorsteher, Verwalter und dergleichen. Insofern diese +Angelegenheiten, die sie besorgen, einerseits Privateigenthum und Interesse +dieser besonderen Sphären sind, und nach dieser Seite ihre Autorität mit auf +dem Vertrauen ihrer Standesgenossen und Bürgerschaften beruht, anderer +Seits diese Kreise den höheren Interessen des Staats untergeordnet sein 35 +müssen, wird sich für die Besetzung dieser Stellen im Allgemeinen eine +Mischung von gemeiner Wahl dieser Interessenten und von einer höheren +Bestätigung und Bestimmung ergeben." + +30 + +44 + + F + +I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +Einfache Beschreibung des empirischen Zustandes in einigen Ländern. +§ 289. „Die Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetz +lichen in diesen besonderen Rechten und die Zurückführung derselben auf +jenes erfordert eine Besorgung durch Abgeordnete der Regierungsgewalt, +die exekutiven Staatsbeamten und die höheren berathenden insofern kolle- +gialisch konstituirten Behörden, welche in den obersten, den Monarchen +berührenden Spitzen, zusammenlaufen." + +Hegel hat die Regierungsgewalt nicht entwickelt. Aber selbst dieß unter +stellt, so hat er nicht bewiesen, daß sie mehr als eine Funktion, eine Be +Stimmung des Staatsbürgers überhaupt ist, er hat sie als eine besondere +separine Gewalt nur dadurch deducirt, daß er die „besonderen Interessen +der bürgerlichen Gesellschaft" als solche betrachtet, die „ausser dem An und +für sich seienden Allgemeinen des Staats liegen". + +5 + +lo + +15 + +„Wie die bürgerliche Gesellschaft der Kampfplatz des + +individuellen +Privatinteresses Allergegen Alle ist, so hat hier der Conflikt desselben gegen +die gemeinschaftlichen besondern Angelegenheiten und dieser zusammen +mit jenem gegen die höheren Gesichtspunkte und Anordnungen des Staates +seinen Sitz. Der Korporationsgeist, der sich in der Berechtigung der be +sondern Sphären erzeugt, schlägt in sich selbst zugleich in den Geist des +20 Staates um, indem er an dem Staate das Mittel der Erhaltung der besonderen +Zwecke hat. Dieß ist das Geheimniß des Patriotismus der Bürger nach dieser +Seite, daß sie den Staat als ihre Substanz wissen, weil er ihre besonderen +Sphären, deren Berechtigung und Autorität wie deren Wohlfahrt, erhält. In +dem Korporationsgeist, da er die Einwurzelung des Besonderen in das +25 Allgemeine unmittelbar enthält, ist insofern die Tiefe und die Stärke des + +Staats, die er in der Gesinnung hat." + +Merkwürdig 1) wegen der Definition der bürgerlichen Gesellschaft als des + +bellum omnium contra omnes; | + +|50| 2) weil der Privategoismus als das „Geheimniß des Patriotismus der +30 Bürger" verrathen wird und als die „Tiefe und Stärke des Staats in der + +Gesinnung"; + +3) weil der „Bürger", der Mann des besonderen Interesses im Gegensatz +zum Allgemeinen, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft als „fixes +Individuum" betrachtet wird, wogegen ebenso der Staat in „fixen Indivi- + +35 duen" den „Bürgern" gegenübertritt. + +Hegel, sollte man meinen, mußte die „bürgerliche Gesellschaft" wie die +„Familie" als Bestimmung jedes Staatsindividuums, also auch die späteren +„Staatsqualitäten" ebenso als Bestimmung des Staatsindividuums überhaupt +bestimmen. Aber es ist nicht dasselbe Individuum, welches eine neue Be- +S t i m m u ng seines socialen Wesens entwickelt. Es ist das Wesen des Willens, +welches seine Bestimmungen angeblich aus sich selbst entwickelt. Die + +40 + +45 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +bestehenden verschiedenen und getrennten, empirischen Existenzen des +Staats werden als unmittelbare Verkörperungen einer dieser Bestimmungen +betrachtet. + +Wie das Allgemeine als solches verselbstständigt wird, wird es unmittelbar +mit der Empirischen Existenz conf undirt, wird das Beschränkte unkritischer 5 +Weise sofort für den Ausdruck der Idee genommen. + +Mit sich selbst geräth Hegel hier nur in sofern in Widerspruch, als er den +„Familienmenschen'' nicht gleichmässig wie den Bürger als eine fixe, von +den übrigen Qualitäten ausgeschloßne Race betrachtet. + +§ 290. „In dem Geschäfte der Regierung findet sich gleichfalls die Thei- +lung der Arbeit ein. Die Organisation der Behörden hat insofern die formelle, +aber schwierige Aufgabe, daß von unten, wo das bürgerliche Leben kon +kret ist, dasselbe auf konkrete Weise regiert werde, daß dieß Geschäft aber +in seine abstrakte Zweige getheilt sei, die von eigenthümlichen Behörden +als unterschiedenen Mittelpunkten behandelt werden, deren Wirksamkeit 15 +nach unten, so wie in der obersten Regierungsgewalt in eine konkrete Ueber- +sicht wieder zusammenläuft." + +10 + +Der Zusatz hierzu später zu betrachten. +§ 291. „Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich ihrer Substanz +nach bereits entschiedener Natur (§ 287) und durch Individuen zu vollführen . 20 +und zu verwirklichen. Zwischen beiden liegt keine unmittelbare natürliche +Verknüpfung; die Individuen sind daher nicht durch die natürliche Per +sönlichkeit und die Geburt dazu bestimmt. Für ihre Bestimmung zu +demselben ist das objektive Moment die Erkenntniß und der Erweis ihrer +Befähigung, — ein Erweis, der dem Staate sein Bedürfniß, und als die einzige 25 +Bedingung zugleich jedem Bürger die Möglichkeit, sich dem allgemeinen +Stande zu widmen, sichert." | + +|5l| § 292. „Die subjektive Seite, daß dieses Individuum aus Mehreren, +deren es, da hier das Objektive nicht (wie ζ. B. bei der Kunst) in Genialität +liegt, nothwendig unbestimmt Mehrere giebt, unter denen der Vorzug nichts +absolut Bestimmbares ist, zu einer Stelle gewählt und ernannt und zur +Führung des öffentlichen Geschäftes bevollmächtigt wird, diese Verknüp +fung des Individuums und des Amtes, als zweier für sich gegeneinander +immer zufälliger Seiten, kommt der fürstlichen als der entscheidenden und +souverainen Staatsgewalt zu." + +§ 293. „Die besonderen Staatsgeschäfte, welche die Monarchie den Be +hörden übergiebt, machen einen Theil der objektiven Seite der dem Mon +archen innewohnenden Souverainetät aus; ihr bestimmter Unterschied ist +ebenso durch die Natur der Sache gegeben; und wie die Thätigkeit der +Behörden eine Pflichterfüllung, so ist ihr Geschäft auch ein der Zufälligkeit +entnommenes Recht." + +30 + +35 + +40 + +46 + + F + +I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +Nur aufzumerken auf die „objektive Seite der dem Monarchen inne + +wohnenden Souverainetät". + +5 + +§ 294. „Das Individuum, das durch den Souverainen Akt (§ 292) einem +amtlichen Berufe verknüpft ist, ist auf seine Pflichterfüllung, das Sub- +stantielle seines Verhältnisses, als Bedingung dieser Verknüpfung angewie +sen, in welcher es als Folge dieses substantiellen Verhältnisses das Ver +mögen und die gesicherte Befriedigung seiner Besonderheit (§ 264) und +Befreiung seiner äussern Lage und Amtsthätigkeit von sonstiger subjektiver +Abhängigkeit und Einfluß findet." + +10 + +„Der Staatsdienst" heißt es in der Anmerkung „fordert die Aufopferung +selbstständiger und beliebiger Befriedigung subjektiver Zwecke, und giebt +damit eben das Recht, sie in der pflichtmässigen Leistung aber nur in ihr zu +finden. Hierin liegt nach dieser Seite die Verknüpfung des allgemeinen und +besonderen Interesses, welche den Begriff und die innere Festigkeit des +15 Staats ausmacht. (§ 260.)" „Durch die gesicherte Befriedigung des beson +deren Bedürfnisses ist die äussere Noth gehoben, welche, die Mittel dazu +auf Kosten der Amtsthätigkeit und Pflicht zu suchen, veranlassen kann. In +der allgemeinen Staatsgewalt finden die mit seinen Geschäften Beauftragten +Schutz gegen die andere subjektive Seite, gegen die Privatleidenschaften der +20 Regierten, deren Privatinteresse u. s. f. durch das Geltendmachen des All + +gemeinen dagegen beleidigt wird." + +§ 295. „Die Sicherung des Staats und der Regierten gegen den Mißbrauch +der Gewalt von Seiten der Behörden und ihrer Beamten liegt einer Seits +unmittelbar in ihrer Hierarchie und Verantwortlichkeit, anderer Seits in der +25 Berechtigung der Gemeinden, Corporationen, als wodurch die Einmischung +subjektiver Willkühr in die den Beamten anvertraute Gewalt für sich ge +hemmt und die in das einzelne Benehmen nicht reichende Kontrolle von +Oben, von Unten ergänzt wird." | + +|52| § 296. „Daß aber die Leidenschaftslosigkeit, Rechtlichkeit und Milde +30 des Benehmens Sitte werde, hängt Theils mit der direkten sittlichen und +Gedankenbildung zusammen, welche dem, was die Erlernung der sogenann +ten Wissenschaften der Gegenstände dieser Sphären, die erforderliche +Geschäftseinübung, die wirkliche Arbeit u. s.f. von Mechanismus und der +gleichen in sich hat, das geistige Gleichgewicht hält; Theils ist die Grösse +35 des Staats ein Hauptmoment, wodurch sowohl das Gewicht von Fami +lien und anderen Privatverbindungen geschwächt, als auch Rache, Haß +und andere solche Leidenschaften ohnmächtiger und damit stumpfer +werden; in der Beschäftigung mit [den in] dem grossen Staate vorhan +denen grossen Interessen gehen für sich diese subjektiven Seiten unter und +40 erzeugt sich die Gewohnheit allgemeiner Interessen, Ansichten und Ge + +schäfte." + +47 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +§ 297. „Die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten machen den +Haupttheil des Mittelstandes aus, in welchen die gebildete Intelligenz und +das rechtliche Bewußtsein der Masse des Volkes fällt. Daß er nicht die +isolirte Stellung einer Aristokratie nehme, und Bildung und Geschicklichkeit +nicht zu einem Mittel der Willkühr und einer Herrenschaft werde, wird durch +die Institutionen der Souveränetätvon Obenherab und die der Korporations +rechte von Unten herauf bewirkt." + +5 + +Zusatz. „In dem Mittelstande, zu dem die Staatsbeamten gehören, ist das +Bewußtsein des Staats und die hervorstechendste Bildung. Deßwegen macht +er auch die Grundsäule desselben in Beziehung auf Rechtlichkeit und In- 10 +telligenz aus." „Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse +des Staates, aber dieß kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir +gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer +Kreise, die relativ unabhängig sind, und durch eine Beamtenwelt, deren +Willkühr sich an solchen Berechtigten bricht. Das Handeln nach allgemeinem 15 +Rechte und die Gewohnheit dieses Handelns ist eine Folge des Gegensatzes, +den die für sich selbstständigen Kreise bilden." | + +|XIV.53| Was Hegel über die „Regierungsgewalt" sagt, verdient nicht den +Namen einer philosophischen Entwicklung. Die meisten §§ könnten wörtlich +im preussischen Landrecht stehn und doch ist die eigentliche Administration +der schwierigste Punkt der Entwicklung. + +20 + +Da Hegel die „polizeiliche" und die „richterliche" Gewalt schon der +Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft vindicirt hat, so ist die Regierungs +gewalt nichts anderes als die Administration, die er als Bureaucratie ent +wickelt. + +Der Bureaucratie sind zunächst voraus geseztdie „Selbstverwaltung" der +bürgerlichen Gesellschaft in „Korporationen". Die einzige Bestimmung, die +hinzukömmt, ist, daß die Wahl der Verwalter, Obrigkeiten derselben etc. eine +gemischte ist, ausgehend von den Bürgern, bestätigt von der eigentlichen +Regierungsgewalt; {„höhere Bestätigung", wie Hegel sagt). + +Ueber dieser Sphäre, zur „Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses +und des Gesetzlichen" stehn abgeordnete der Regierungsgewalt", die +„exekutiven Staatsbeamten" und die „kollegialischen Behörden" welche im +„Monarchen" zusammenlaufen. + +25 + +30 + +In dem „Geschäfte der Regierung" findet „Theilung der Arbeit" Statt. Die +Individuen müssen ihre Fähigkeit zu Regierungsgeschäften beweisen, d. h. +Examina ablegen. Die Wahl der bestimmten Individuen zu Staatsämtern +kommt der fürstlichen Staatsgewalt zu. Die Eintheilung dieser Geschäfte ist +„durch die Natur der Sache gegeben". Das Amtsgeschäft ist die Pflicht, der +Lebensberuf der Staatsbeamten. Sie müssen daher besoldet werden vom + +35 + +40 + +48 + + I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +Staat. Die Garantie gegen den Mißbrauch der Bureaucratie ist theils ihre +Hierarchie und Verantwortlichkeit, anderer Seits die Berechtigung der +Gemeinden, Corporationen; ihre Humanität hängt theils mit der „direkten +sittlichen und Gedankenbildung", theils mit der „Grösse des Staats" zusam- +5 men. Die Beamten bilden den „Haupttheil des Mittelstandes". Gegen ihn als +„Aristokratie und Herrenschaft" schützen theils die „Institutionen der +Souverainetät von oben herab", theils „die der Korporationsrechte von +unten herauf". Der „Mittelstand" ist der Stand der „Bildung". Voilà tout. +Hegel giebt uns eine empirische Beschreibung der Bureaucratie, theils +10 wie sie wirklich ist, theils der Meinung, die sie selbst von ihrem Sein +hat. Und damit ist das schwierige Kapitel von der „Regierungsgewalt" er +ledigt. + +Hegel geht von der Trennung des „Staats" und der „bürgerlichen" Ge +sellschaft, der „besondern Interessen" und dem „An und für sich seienden +15 Allgemeinen" aus und allerdings basirt die Bureaucratie auf dieser Trennung. +Hegel geht von der Voraussetzung der „Corporationen" aus und allerdings +sezt die Bureaucratie die „Corporationen" voraus, wenigstens den „Cor- +porationsgeist". Hegel entwickelt keinen Inhalt der Bureaucratie, sondern +nur einige allgemeine Bestimmungen ihrer „formellen" Organisation und +allerdings ist die Bureaucratie nur der „Formalismus" eines Inhalts, der +ausserhalb derselben liegt. + +20 + +Die Corporationen sind der Materialismus der Bureaucratie und die +Bureaucratie ist der Spirítualismus der Corporationen. Die Corporation ist +die Bureaucratie der bürgerlichen Ge||54¡sellschaft; die Bureaucratie ist die +25 Korporation des Staats. In der Wirklichkeit tritt sie daher als die „bürgerliche +Gesellschaft des Staats" dem „Staat der bürgerlichen Gesellschaft", den +Corporationen gegenüber. Wo die «Bureaucratie" neues Princip ist, wo das +allgemeine Staatsinteresse anfängt, für sich ein „apartes", damit ein „wirk +liches" Interesse zu werden, kämpft sie gegen die Corporationen, wie jede +30 Consequenz gegen die Existenz ihrer Voraussetzungen kämpft. Sobald +dagegen das wirkliche Staatsleben erwacht und die bürgerliche Gesellschaft +sich von den Corporationen aus eignem Vernunfttrieb befreit, sucht die +Bureaucratie sie zu restauriren, denn sobald der „Staat der bürgerlichen +Gesellschaft" fällt, fällt die „bürgerliche Gesellschaft des Staats". Der +35 Spiritualismus verschwindet mit dem ihm gegenüberstehenden Materialis +mus. Die Consequenz kämpft für die Existenz ihrer Voraussetzungen, sobald +ein neues Princip nicht gegen die Existenz, sondern gegen das Princip dieser +Existenz kämpft. Derselbe Geist, der in der Gesellschaft die Korporation +schafft im Staat die Büreaukratie. Sobald also der Korporationsgeist, wird +40 der Geist der Bureaucratie angegriffen und wenn sie früher die Existenz der +Korporationen bekämpfte, um ihrer eignen Existenz Raum zu schaffen, so + +49 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +sucht sie jezt gewaltsam die Existenz der Korporationen zu halten, um den +Korporationsgeist, ihren eignen Geist zu retten. + +5 + +Die «Bureaucratie" ist der „Staatsformalismus" der bürgerlichen Ge +sellschaft. Sie ist das „Staatsbewußtsein", der „Staatswille", die „Staats +macht" als eine Corporation, (Das „Allgemeine Interesse" kann sich dem +Besondern gegenüber nur als ein „Besonderes" halten, so lange sich das +Besondere dem Allgemeinen gegenüber als ein „Allgemeines" hält. Die +Bureaucratie muß also die imaginaire Allgemeinheit des Besondern Inter +esses, den Corporationsgeist beschützen, um die imaginaire Besonderheit +des allgemeinen Interesses, ihren eigenen Geist zu beschützen. Der Staat 10 +muß Corporation sein, so lang die Corporation Staat sein will.) als eine +besondere, geschlossene Gesellschaft im Staat. Die Bureaucratie will aber +die Korporation als eine imaginaire Macht. Allerdings hat auch die einzelne +Corporation diesen Willen für ihr besonderes Interèsse gegen die Bureau +cratie, aber sie will die Bureaucratie gegen die andere Corporation, gegen 15 +das andere besondere Interesse. Die Bureaucratie als die vollendete Cor +poration trägt daher den Sieg davon über die Corporation als die unvollendete +Bureaucratie. Sie sezt dieselbe zum Schein herab, und will sie zum Schein +herabsetzen, aber sie will daß dieser Schein existiré und an seine eigne +Existenz glaube. Die Korporation ist der Versuch der bürgerlichen Ge- 20 +S e i l s c h a ft Staat zu werden; aber die Bureaucratie ist der Staat, der sich +wirk||55|lich zur bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat. + +Der „Staatsformalismus" der die Bureaucratie ist, ist der „Staat als +Formalismus" und als solchen Formalismus hat sie Hegel beschrieben. Da +dieser „Staatsformalismus" sieh als wirkliche Macht constituirt und sich 25 +selbst zu einem eignen materiellen Inhalt wird, so versteht es sich von selbst, +daß die «Bureaucratie" ein Gewebe von praktischen Illusionen oder die +„Illusion des Staats" ist. Der büreaucratische Geist ist ein durch und durch +jesuitischer, theologischer Geist. Die Bureaucraten sind die Staatsjesuiten +und Staatstheologen. Die Bureaucratie ist la république prêtre. + +30 + +Da die Bureaucratie der „Staat als Formalismus" ihrem Wesen nach ist, +so ist sie es auch ihrem Zweck nach. Der wirkliche Staatszweck erscheint +also der Bureaucratie als ein Zweck wider den Staat. Der Geist der Bureau +cratie ist der „formelle Staatsgeist". Sie macht daher den „formellen Staats +geist" oder die wtkliche Geistlosigkeit des Staats zum kategorischen Im- +perativ. Die Bureaucratie gilt sich selbst als der lezte Endzweck des Staats. +Da die Bureaucratie ihre „formellen" Zwecke zu ihrem Inhalt macht, so +geräth sie überall in Conflict mit den „reellen" Zwecken. Sie ist daher ge- +nöthigt, das Formelle für .den Inhalt und den Inhalt für das Formelle aus +zugeben. Die Staatszwecke verwandeln sich in Bureauzwecke oder die 40 +Bureauzwecke in Staatszwecke. Die Bureaucratie ist ein Kreis, aus dem + +35 + +50 + + I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +Niemand herausspringen kann. Ihre Hierarchie ist eine Hierarchie des +Wissens. Die Spitze traut den untern Kreisen die Einsicht ins Einzelne zu, +wogegen die untern Kreise der Spitze die Einsicht in das Allgemeine zutrauen +und so täuschen sie sich wechselseitig. + +5 + +10 + +Die Bureaucratie ist der imaginaire Staat neben dem reellen Staat, der +Spiritualismus des Staats. Jedes Ding hat daher eine doppelte Bedeutung, +eine reelle und eine büreaucratische, wie das Wissen ein doppeltes ist, ein +reelles und ein büreaucratisches (so auch der Wille). Das reelle Wesen wird +aber behandelt nach seinem büreaukratischen Wesen, nach seinem jensei- +tigen, spirituellen Wesen. Die Bureaucratie hat das Staatswesen, das spi +rituelle Wesen der Gesellschaft in ihrem Besitz, es ist ihr Privateigenthum. + +15 + +20 + +Oer allgemeine Geist der Bureaucratie ist das Geheimniß, das Mysterium; +innerhalb ihrer selbst durch die Hierarchie, nach aussen als geschloßne +Corporation bewahrt. Der offenbare Staatsgeist, auch die Staatsgesinnung +erscheinen daher der Bureaucratie als ein Verrath an ihrem Mysterium. Die +Autorität ist daher das Princip ihres Wissens und die Vergötterung der +Autorität ist ihre Gesinnung. Innerhalb ihrer selbst aber wird der Spiritualis +mus zu einem krassen Materialismus, dem Materialismus des passiven +Gehorsams, des Autoritätsglaubens, des +||56| Mechanismus eines fixen +formellen Handlens, fixer Grundsätze, Anschauungen, Ueberlieferungen. +Was den einzelnen Bureaucraten betrifft, so wird der Staatszweck zu seinem +Privatzweck, zu einem Jagen nach höheren Posten, zu einem Machen von +Carriere. Erstens betrachtet er das wirkliche Leben als ein materielles, denn +der Geist dieses Lebens hat seine für sich abgesonderte Existenz in der + +25 Bureaucratie. Die Bureaucratie muß daher dahin gehn, das Leben so mate +riell wie möglich zu machen. Zweitens ist es für ihn selbst, d. h. so weit es +zum Gegenstand der büreaucratischen Behandlung wird, materiell, denn sein +Geist ist ihm vorgeschrieben, sein Zweck liegt ausser ihm, sein Dasein ist +das Dasein des Bureaus. Der Staat existirt nur mehr als verschiedene fixe +30 Bureaugeister, deren Zusammenhang die Subordination und der passive +Gehorsam ist. Die wirkliche Wissenschaft erscheint als Inhaltslos, wie das +wirkliche Leben als todt, denn dieß imaginaire Wissen und dieß imaginaire +Leben gelten für das Wesen. Der Bureaukrat muß daher jesuitisch mit dem +Wirklichen Staat verfahren, sei dieser Jesuitismus nun ein bewußter oder +35 bewußtloser. Es ist aber nothwendig, daß er, sobald sein Gegensatz Wissen +ist, ebenfalls zum Selbstbewußtsein gelangt und nun absichtlicher Jesuitis +mus wird. + +Während die Bureaucratie einerseits dieser krasse Materialismus ist, zeigt +sich ihr krasser Spiritualismus darin, daß sie Alles machen will, d. h. daß sie +40 den Wülen zur causa prima macht, weil sie blos thätiges Dasein ist und ihren +Inhalt von aussen empfängt, ihre Existenz also nur durch Formiren, Be- + +51 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +schränken dieses Inhalts beweisen kann. Der Bureaukrat hat in der Welt ein +bloses Objekt seiner Behandlung. + +Wenn Hegel die Regierungsgewalt die objektive Seite der dem Monarchen +innewohnenden Souverainetät nennt, so ist das richtig, in demselben Sinn, +wie die katholische Kirche das reelle Dasein der Souverainetät, des Inhalts +und Geistes der heiligen Dreieinigkeit war. In der Bureaucratie ist die +Identität des Staatsinteresses und des besondern Privatzwecks so gesezt, daß +das Staatsinteresse zu einem besondern Privatzweck gegenüber den andern +Privatzwecken wird. + +5 + +Die Aufhebung der Bureaucratie kann nur sein, daß das Allgemeine Inter- +esse wirklich und nicht wie bei Hegel blos im Gedanken, in der Abstraction +zum besondern Interesse wird, was nur dadurch möglich ist, daß das be +sondere Interesse wirklich zum Allgemeinen wird. Hegel geht ||XV.57| von +einem unwirklichen Gegensatz aus und bringt es daher nur zu einer ima- +ginairen, in Wahrheit selbst wieder gegensätzlichen Identität. Eine solche 15 +Identität ist die Bureaucratic + +10 + +Verfolgen wir nun im Einzelnen seine Entwicklung. +Die einzige philosophische Bestimmung, die Hegel über die Regierungs +gewalt gjebt, ist die der „Subsumtion" des Einzelnen und Besonderen unter +das Allgemeine etc. + +Hegel begnügt sich damit. Auf der einen Seite: Categorie „Subsumtion" +des Besondern etc. Die muß verwirklicht werden. Nun nimmt er irgend eine +der empirischen Existenzen des preussischen oder modernen Staats, (wie +sie ist mit Haut und Haar) welche unter anderm auch diese Categorie ver +wirklicht, obgleich mit derselben nicht ihr spezifisches Wesen ausgedrückt +ist. Die angewandte Mathematik ist auch Subsumtion etc. Hegel fragt nicht, +ist dieß die vernünftige, die adaequate Weise der Subsumtion? Er hält nur +die eine Categorie fest und begnügt sich damit, eine entsprechende Existenz +für sie zu finden. Hegel gjebt seiner Logik einen politischen Körper: er giebt +nicht die Logik des politischen Körpers. (§ 287.) + +Ueber das Verhältniß der Korporationen, Gemeinden zu der Regierung +erfahren wir zunächst, daß ihre Verwaltung, (die Besetzung ihrer Magistra +tur) „im Allgemeinen eine Mischung von gemeiner Wahl dieser Interessenten +und von einer höheren Bestätigung und Bestimmung" erheischt. Die ge +mischte Wahl der Gemeinde und Corporationsvorsteher wäre also das erste +Verhältniß zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat oder Regierungs +gewalt, ihre erste Identität. (§ 288.) Diese Identität ist nach Hegel selbst sehr +oberflächlich, ein Mixtum Compositum, eine „Mischung". So oberflächlich +diese Identität ist, so scharf ist der Gegensatz. „Insofern diese Angelegen +heiten (sc. der Corporation, Gemeinde etc.) einerseits Privateigenthum und +Interesse dieser besondern Sphären sind und nach dieser Seite ihre Autorität + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +52 + + I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +mit auf dem Vertrauen ihrer Standesgenossen und Bürgerschaften beruht, +anderer Seits diese Kreise dem höheren Interesse des Staats untergeordnet +sein müssen", ergiebt sich die bezeichnete „gemischte Wahl". +Die Verwaltung der Corporation hat also den Gegensatz: + +5 + +Privateigenthum und Interesse der besondern Sphären gegen das höhere + +Interesse des Staats: Gegensatz zwischen Privateigenthum und Staat. + +Es braucht nicht bemerkt zu werden, daß die Auflösung dieses Gegen +satzes in der gemischten Wahl eine blose Accommodation, ein Traktat, ein +Geständniß des unaufgelösten Dualismus, selbst ein Dualism us, „Mischung" +10 ist. 1158| Die besonderen Interessen der Corporationen und Gemeinden haben +innerhalb ihrer eignen Sphäre einen Dualismus, der ebenso sehr den Cha +rakter ihrer Verwaltung bildet. + +15 + +20 + +Der entschiedne Gegensatz tritt aber erst hervor in dem Verhältniß dieser +„gemeinschaftlichen besondern Interessen" etc., die „ausser dem An und +für sich seienden Allgemeinen des Staates selbst liegen" und diesem „An +und für sich seienden Allgemeinen des Staats". Zunächst wieder innerhalb +dieser Sphäre. + +„Die Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen +in diesen besonderen Rechten und die Zurückführung derselben auf jenes +erfordert eine Besorgung durch Abgeordnete der Regierungsgewalt, die +exekutiven Staatsbeamten und die höheren b e r a t e n d en insofern kollegia- +lisch konstituirten Behörden, welche in den obersten, den Monarchen be +rührenden Spitzen zusammenlaufen." (§ 289.) + +Beiläufig machen wir aufmerksam auf die Construction der Regierungs- +25 Collégien, die man z. B. in Frankreich nicht kennt. „Insofern" Hegel diese +Behörden als „berathende" anführt, „insofern" versteht sich es allerdings +von selbst, daß sie „kollegialisch konstituirt" sind. + +Hegel läßt den „Staat selbst", die „Regierungsgewalt" zur „Besorgung" +des „allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen etc." innerhalb der +30 bürgerlichen Gesellschaft per „Abgeordnete" hineintreten und nach ihm sind +eigentlich diese „Regierungsabgeordneten", die „exekutiven Staatsbeam +ten" die wahre „Staatsrepräsentation", nicht „der", sondern „gegen" die +„bürgerliche Gesellschaft". Der Gegensatz von Staat und bürgerlicher +Gesellschaft ist also fixirt; der Staat residirt nicht in, sondern ausserhalb der +bürgerlichen Gesellschaft; er berührt sie nur durch seine „Abgeordneten", +denen die „Besorgung des Staats" innerhalb dieser Sphären anvertraut ist. +Durch diese „Abgeordneten" ist der Gegensatz nicht aufgehoben, sondern +zu einem „gesetzlichen" „fixen" Gegensatz geworden. Der „Staat" wird als +ein dem Wesen der bürgerlichen Gesellschaft fremdes und jenseitiges von +40 Deputirten dieses Wesens gegen die bürgerliche Gesellschaft geltend ge +macht. Die „Polizei" und das „Gericht" und die „Administration" sind nicht + +35 + +53 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Deputirte der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die in ihnen und durch sie ihr +eignes allgemeines Interesse verwalten, sondern Abgeordnete des Staats, um +den Staat gegen die bürgerliche Gesellschaft zu verwalten. Hegel explicit! +diesen Gegensatz weiter ||59| in der mehr oben betrachteten, offenherzigen +Anmerkung. + +„Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich bereits entschiedner + +5 + +Natur." (§ 291.) + +Schließt Hegel daraus, daß sie deßwegen um so leichter keine „Hierarchie +des Wissens" erfordern, daß sie vollständig von der „bürgerlichen Gesell +schaft selbst" exekutirt werden können? Im Gegentheil. + +10 + +Er macht die tiefsinnige Anmerkung, daß sie durch „Individuen" zu +vollführen sind und daß „zwischen ihnen und diesen Individuen keine un +mittelbare natürliche Verknüpfung liegt". Anspielung auf die Fürstengewalt, +welche nichts anders ist, als die „natürliche Gewalt der Willkühr", also +„geboren" werden kann. Die „fürstliche Gewalt" ist nichts als der Reprä- 15 +sentant des Naturmoments im Willen, der „Herrschaft der physischen Natur +im Staat". + +Die „exekutiven Staatsbeamten" unterscheiden sich in der Erwerbung + +ihrer Aemter daher wesentlich vom „Fürsten". + +„Für ihre Bestimmung zu demselben (sc. dem Staatsgeschäft) ist das 20 + +objektive Moment die Erkenntniß (die subjektive Willkühr entbehrt dieses +Moments) und der Erweis ihrer Befähigung, — ein Erweis, der dem Staate +sein Bedürfniß, und als die einzige Bedingung zugleich jedem Bürger die +Möglichkeit, sich dem allgemeinen Stande zu widmen, sichert." Diese +Möglichkeit jedes Bürgers Staatsbeamter zu werden, ist also das zweite +affirmative Verhältniß zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat, die +zweite Identität. Sie ist von sehr oberflächlicher und dualistischer Natur. +Jeder Katholik hat die Möglichkeit Priester zu werden (d. h. sich von den +Laien, von der Welt zu trennen). Steht darum weniger das Pfaffenthum +dem Katholiken als eine jenseitige Macht gegenüber? Daß jeder die Mög- 30 +lichkeit hat, das Recht einer andern Sphäre zu erwerben, beweist nur daß +seine eigne Sphäre nicht die Wirklichkeit dieses Rechts ist. + +25 + +Im wahren Staat handelt es sich nicht um die Möglichkeit jedes Bürgers +sich dem allgemeinen als einem besondern Stand zu widmen, sondern um +die Fähigkeit des allgemeinen Standes wirklich allgemein, d. h. der Stand 35 +jedes Bürgers zu sein. Aber Hegel geht ||60| von der Voraussetzung des +pseudo-allgemeinen, des ülusorisch-allgemeinen Standes, der besonderen +ständigen Allgemeinheit aus. + +Die Identität, die er zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat con +struct hat, ist die Identität zweier feindlichen Heere, wo jeder Soldat die +„Möglichkeit" hat durch „Desertion" Mitglied des „feindlichen" Heeres + +40 + +54 + + I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +5 + +zu werden und allerdings beschreibt Hegel damit richtig den jetzigen em +pirischen Zustand. + +Ebenso verhält es sich mit seiner Construction der „Examina". In einem +vernünftigen Staat gehört eher ein Examen dazu, Schuster zu werden als +exekutiver Staatsbeamter; denn die Schusterei ist eine Fertigkeit, ohne die +man ein guter Staatsbürger, ein socialer Mensch sein kann; aber das nöthige +„Staatswissen" ist eine Bedingung, ohne die man im Staat ausser dem Staat +lebt, von sich selbst, von der Luft abgeschnitten ist. Das „Examen" ist nichts +als eine Freimaurerei-Formel, die gesetzliche Anerkennung des staatsbür- + +10 gerlichen Wissens als eines Privilegiums. + +Die „Verknüpfung" des „Staatsamts" und des „Individuums", dieses +objektive Band zwischen dem Wissen der bürgerlichen Gesellschaft und dem +Wissen des Staats, das Examen ist nichts anders als die büreaucratische +Taufe des Wissens, die offideile Anerkenntnis von der Transsubstantiation +15 des profanen Wissens in das heilige ; (es versteht sich bei jedem Examen von +selbst, daß der Examinator alles weiß). Man hört nicht, daß die griechischen +oder römischen Staatsleute Examina abgelegt. Aber allerdings, was ist auch +ein römischer Staatsmann contra einen preussischen Regierungsmann! + +Neben dem objektiven Band des Individuums mit dem Staatsamt, neben +20 dem Examen findet sich ein andres Band, die fürstliche Willkühr. „Die +subjektive Seite, daß dieses Individuum aus Mehreren, deren es, da hier +das Objektive nicht (wie z. B. bei der Kunst) in Genialität liegt, nothwendig +unbestimmt Mehrere giebt, unter denen der Vorzug nichts absolut Bestimm +bares ist, zu einer Stelle gewählt und ernannt und zur Führung des öffent- +liehen Geschäftes bevollmächtigt wird, diese Verknüpfung des Indivi +duums und des Amtes, als zweier sich gegeneinander immer zufälligen +Seiten, kommt der fürstlichen als der entscheidenden und souverainen +Staatsgewalt zu." Der Fürst ist überall der Repräsentant des Zufalls. +Ausser dem objektiven Moment des büreaucratischen Glaubensbekennt- +3o nisses (Examens) gehört noch das subjektive der fürstlichen Gnade hinzu, + +25 + +damit der Glaube Früchte trage. | + +|XVI.6l| „Die besonderen Staatsgeschäfte, welche die Monarchie den +Behörden übergiebt" (die Monarchie vertheilt, übergiebt die besonderen +Staatsthätigkeiten als Geschäfte an die Behörden, vertheilt den Staat unter +35 die Büreaucraten; sie übergiebt das, wie die heilige römische Kirche die +Weihen, die Monarchie ist ein System der Emanation; die Monarchie ver +pachtet die Staatsfunktionen) „machen einen Theil der objektiven Seite der +dem Monarchen innewohnenden Souverainetät aus." Hegel unterscheidet +hier zuerst die objektive Seite der dem Monarchen innewohnenden Sou- +40 verainetät von der subjektiven. Früher warf er beide zusammen. Die dem +Monarchen innewohnende Souverainetät wird hier förmlich mystisch ge- + +55 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +nommen, so wie die Theologen den persönlichen Gott in der Natur finden. +Hieß es noch, der Monarch ist die subjektive Seite der dem Staate inne +wohnenden Souverainetät. (§ 293.) + +5 + +Im § 294 entwickelt Hegel die Besoldung der Beamten aus der Idee. Hier +in der Besoldung des Beamten, oder daß der Staatsdienst zugleich die Si- +cherheit der empirischen Existenz garantirt, ist die wirkliche Identität der +bürgerüchen Gesellschaft und des Staats gesezt. Der Sold des Beamten ist +die höchste Identität, welche Hegel herausconstruirt. Die Verwandlung +der Staatsthätigkeiten in Aemter, die Trennung des Staats von der Gesell +schaft vorausgesezt. Wenn Hegel sagt: „Der Staatsdienst fordert die Auf- 10 +Opferung selbstständiger und beliebiger Befriedigung subjektiver Zwecke", +so erfordert das jeder Dienst „und giebt damit eben das Recht, sie in der +pflichtmässigen Leistung aber nur in ihr zu finden. Hierin liegt nach dieser +Seite die Verknüpfung des allgemeinen und besonderen Interesses, welche +den Begriff der inneren Festigkeit des Staats ausmacht", so gilt das 1) von 15 +jedem Bedienten, 2) ist es richtig, daß die Besoldung4er Beamten die innere +Festigkeit der tiefen modernen Monarchien ausmacht. Nur die Existenz der +Beamten ist garantirt, im Gegensatz zu dem Mitglied der bürgerlichen +Gesellschaft. + +Es kann Hegel nun nicht entgehn, daß er die Regierungsgewalt als einen 20 + +Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft und zwar als ein herrschendes +Extrem construirt hat. Wie stellt er nun ein identisches Verhältniß her? + +25 + +Nach § 295 liegt „die Sicherung des Staats und der Regierten gegen den +Mißbrauch der Gewalt von Seiten der Behörden und ihrer Beamten" theils +in ihrer „Hierarchie", (als wenn nicht die Hierarchie der Hauptmißbrauch +wäre und die paar persönlichen Sünden der Beamten gar nicht mit ihren +notwendigen hierarchischen Sünden zu vergleichen wären; die Hierarchie +straft den Beamten, insoweit er gegen die Hierarchie sündigt oder eine der +Hierarchie überflüssige Sünde begeht; aber sie nimmt ihn in Schutz, sobald +die Hierarchie in ihm sündigt; zudem überzeugt sich die Hierarchie schwer 30 +von den Sünden ihrer Glieder) ||62| und „in der Berechtigung der Gemeinden, +Corporationen, als wodurch die Einmischung subjektiver Wülkühr in die +den Beamten anvertraute Gewalt für sich gehemmt und die in das einzelne +Benehmen nicht reichende Controlle (als wenn diese Controlle nicht aus +dem Gesichtspunkt der Hierarchie\Bureaucratie geschähe) von Oben, 35 +von Unten ergänzt wird". + +Die zweite Garantie gegen die Willkühr der Bureaucratie sind also die + +Corporationsprivilegien. + +Fragen wir also Hegel, was ist der Schutz der bürgerlichen Gesellschaft +gegen die Bureaucratie, so antwortet er: 1) Die „Hierarchie" der Bureau- 40 +cratie. Der Mißbrauch selbst. Die Controlle. Dieß daß der Gegner selbst + +56 + + I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt + +an Händen und Füssen gebunden wird, und wenn er nach unten Hammer, +nach oben Amboß ist. Wo ist nun der Schutz gegen die „Hierarchie"? Das +kleinere Uebel wird durch das grössere allerdings insofern aufgehoben, als +es dagegen verschwindet. + +5 + +2) Der Conflict, der unaufgelöste Conflict zwischen Bureaucratie und +Korporation. Der Kampf, die Möglichkeit des Kampfes ist die Garantie +gegen das Unterliegen. Später (§ 297) fügt Hegel als Garantie noch die +„Institutionen der Souverainetät von Oben herab" hinzu, worunter wieder +die Hierarchie verstanden ist. + +10 + +Aber Hegel bringt noch zwei Momente bei. (§ 296.) +In dem Beamten selbst — und dieß soll ihn humanisiren, die „Leiden +schaftslosigkeit, Rechtlichkeit und Müde des Benehmens" zur „Sitte" +machen — sollen die „direkte sittliche und Gedankenbildung" dem Mechanis +mus seines Wissens und seiner „wirklichen Arbeit" „das geistige Gleich- +15 gewicht" halten. Als wenn nicht auch der „Mechanismus" seines „büreau- +cratischen" Wissens und seiner „wirklichen Arbeit" seiner „sittlichen und +Gedankenbildung" das „Gleichgewicht" hielte? Und wird nicht sein wirk +licher Geist und seine wirkliche Arbeit als Substanz über das Accidenz seiner +sonstigen Begabung siegen? Sein „Amt" ist ja sein „substantielles Verhält- +20 niß" und sein „Brod". Schön nur, daß Hegel die „direkte sittliche und Ge + +dankenbildung" dem „Mechanismus des büreaucratischen Wissens und +Arbeitens" entgegenstellt! Der Mensch im Beamten soll den Beamten gegen +sich selbst sichern. Aber welche Einheit! Geistiges Gleichgewicht. Welche +dualistische Categorie! + +25 + +Hegel führt noch die „Grösse des Staats" an, welche in Rußland nicht +gegen die Willkühr der „exekutiven Staatsbeamten" garantirt, jedenfalls ein +Umstand ist, der „ a u s s e r" dem „Wesen" der Bureaucratie liegt. | + +|63| Hegel hat die „Regierungsgewalt" als „Staatsbediententhum" ent + +wickelt. + +30 Hier in der Sphäre des „An und für sich Seienden Allgemeinen des Staates +selbst" finden wir nichts als unaufgelöste Conflicte. Examen und Brod der +Beamten sind die lezten Synthesen. + +Die Ohnmacht der Bureaucratie, ihren Conflict mit der Corporation führt + +Hegel als lezte Weihe derselben an. + +35 + +In § 297 wird eine Identität gesezt insofern „die Mitglieder der Regierung +und die Staatsbeamten den Haupttheü des Mittelstandes" ausmachen. +Diesen „Mittelstand" rühmt Hegel als die „Grundsäule" des Staats „in +Beziehung auf Rechtlichkeit und Intelligenz". (Zusatz zum citirten§§.) „Daß +dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber +40 dieß kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, +geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ + +57 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +unabhängig sind und durch eine Beamten welt, deren Willkühr sich an solchen +Berechtigten bricht." Allerdings kann nur in einer solchen Organisation das +Volk als ein Stand, der Mittelstand erscheinen, aber ist das eine Organisation, +die durch das Gleichgewicht der Privilegien sich in Gang hält? Die Regie +rungsgewalt ist am schwersten zu entwickeln. Sie gehört noch in viel hö- +herem Grad als die gesetzgebende dem ganzen Volk. + +Hegel spricht später § 308 Anmerkung den eigentlichen Geist der Bureau +cratie aus, wenn er ihn als „Geschäftsroutine" und den „Horizont einer +beschränkten Sphäre" bezeichnet. ||64|| + +5 + +|XVII.65| c) Die gesetzgebende Gewalt. + +10 + +§ 298. „Die gesetzgebende Gewalt betrifft die Gesetze als solche, insofern +sie weiterer Fortbestimmung bedürfen, und die ihrem Inhalt nach ganz all +gemeinen (sehr allgemeiner Ausdruck) inneren Angelegenheiten. Diese +Gewalt ist selbst ein Theil der Verfassung, welche ihr vorausgesezt ist +und insofern an und für sich ausser deren direkten Bestimmung liegt, aber 15 +in der Fortbildung der Gesetze und in dem fortschreitenden Charakter +der allgemeinen Regierungsangelegenheiten ihre weitere Entwickelung er +hält." . + +Zunächst fällt es auf, daß Hegel hervorhebt, wie „diese Gewalt selbst ein +Theil der Verfassung" ist „welche ihr vorausgesezt ist und an und für sich 20 +ausser deren direkten Bestimmung Hegt", da Hegel diese Bemerkung weder +bei der fürstlichen, noch der Regierungsgewalt, wo sie ebenso wahr ist, +angebracht hatte. Dann aber construirt Hegel erst das Ganze der Verfassung +und kann es insofern nicht voraussetzen; allein darin eben erkennen wir die +Tiefe bei ihm, daß er überall mit dem Gegensatz der Bestimmungen (wie sie +in unsren Staaten sind) beginnt und den Accent darauf legt. + +25 + +Die „gesetzgebende Gewalt ist selbst ein Theil der Verfassung, welche +„an und für sich ausser deren direkten Bestimmung liegt". Aber die Ver +fassung hat sich doch auch nicht von selbst gemacht, die Gesetze, die +„weiterer Fortbestimmung bedürfen" müssen doch formirt worden sein. Es 30 +muß eine gesetzgebende Gewalt vor der Verfassung und ausser der Ver +fassung bestehn oder bestanden haben; es muß eine gesetzgebende Gewalt +bestehn ausser der wirklichen, emptischen, gesezten gesetzgebenden Ge +walt. Aber wird Hegel antworten: Wir setzen einen bestehenden Staat +voraus! Allein Hegel ist Rechtsphilosoph und entwickelt die Staatsgattung. 35 +Er darf nicht die Idee am Bestehenden, er muß das Bestehende an der Idee +messen. + +Die Collision ist einfach. Die gesetzgebende Gewalt ist die Gewalt, das + +58 + + Ρ + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Allgemeine zu organisiren. Sie ist die Gewalt der Verfassung. Sie greift über +über die Verfassung. + +Allein andrerseits ist die gesetzgebende Gewalt eine Verfassungsmässige +Gewalt. Sie ist also unter die Verfassung subsumirt. Die Verfassung ist +5 Gesetz für die gesetzgebende Gewalt. Sie hat der Gesetzgebenden Gewalt +Gesetze gegeben und giebt sie ihr beständig. Die gesetzgebende Gewalt ist +nur gesetzgebende Gewalt innerhalb der Verfassung und die Verfassung +stände hors de loi, wenn sie ausserhalb der gesetzgebenden Gewalt stände. +Voilà la collision. Innerhalb der jüngsten französischen Geschichte ist + +10 mancherlei herum geknuspert worden. + +Wie löst Hegel diese Antinomie? | +|66| Zunächst heißt es: +Die Verfassung ist der gesetzgebenden Gewalt „vorausgesezt"; sie liegt + +„insofern an und für sich ausser deren direkten Bestimmung". + +15 + +„Aber" aber „in der Fortbildung der Gesetze" „und in dem fortschreiten +den Charakter der allgemeinen Regierungsangelegenheiten" „erhält" sie +„ihre weitere Entwickelung". + +D.h. also: Direkt liegt die Verfassung ausserhalb dem Bereich der ge +setzgebenden Gewalt; aber indirekt verändert die gesetzgebende Gewalt die +20 Verfassung. Sie thut auf einem Wege, was sie nicht auf gradem Wege thun +kann und darf. Sie zerpflückt sie en detail, weil sie dieselbe nicht en gros +verändern kann. Sie thut durch die Natur der Dinge und der Verhältnisse, +was sie nach der Natur der Verfassung nicht thun sollte. Sie thut materiell, +faktisch, was sie nicht formell, gesetzlich, verfassungsmässig thut. + +25 + +Hegel hat damit die Antinomie nicht gehoben; er hat sie in eine andre +Antinomie verwandelt; er hat das Wfrken der gesetzgebenden Gewalt, ihr +Verfassungsmässiges Wirken in Widerspruch gestellt mit ihrer Verfassungs +mässigen Bestimmung. Es bleibt der Gegensatz zwischen der Verfassung +und der gesetzgebenden Gewalt. Hegel hat das Faktische und das Legale +30 Thun der Gesetzgebenden Gewalt als Widerspruch definirt oder auch den +Widerspruch zwischen dem, was die Gesetzgebende Gewalt sein soll und +dem, was sie wirklich ist; zwischen dem, was sie zu thun meint und dem was +sie wirklich thut. Wie kann Hegel diesen Widerspruch für das Wahre aus +geben? „Der fortschreitende Charakter der allgemeinen Regierungsangele- +35 genheiten" erklärt ebenso wenig, denn eben dieser fortschreitende Charakter + +soll erklärt werden. + +In dem Zusatz trägt Hegel zwar nichts zur Lösung der Schwierigkeit bei. + +Wohl aber stellt er sie noch klarer heraus. + +„Die Verfassung muß an und für sich der feste geltende Boden sein, auf +40 dem die gesetzgebende Gewalt steht, und sie muß deßwegen nicht erst +gemacht werden." „Die Verfassung ist also, aber eben so wesentlich wird + +59 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +sie, das heißt, sie schreitet in der Bildung fort. Dieses Fortschreiten ist eine +Veränderung, die unscheinbar ist, und nicht die Form der Veränderung +hat." + +D. h. die Verfassung ist dem Gesetz (der Illusion) nach, aber sie wird der +Wirkhchkeit (der Wahrheit) nach. Sie ist ihrer Bestimmung nach unverän- +derlich, aber sie verändert sich wirklich, nur ist ||67| diese Veränderung +unbewußt, sie hat nicht die Form der Veränderung. Der Schein widerspricht +dem Wesen. Der Schein ist das bewußte Gesetz der Verfassung und das +Wesen ist ihr bewußtloses, dem ersten widersprechendes Gesetz. Es ist nicht +im Gesetz, was in der Natur der Sache ist. Es ist vielmehr das Gegentheil +im Gesetz. + +5 + +10 + +Ist das nun das Wahre, daß im Staat, nach Hegel dem höchsten Dasein +der Freiheit, dem Dasein der selbstbewußten Vernunft, nicht das Gesetz, das +Dasein der Freiheit, sondern die blinde Naturnothwendigkeit herrscht? Und +wenn nun das Gesetz der Sache als widersprechend der gesetzlichen De- +finition erkannt wird, warum nicht das Gesetz der Sache, der Vernunft auch +als das Staatsgesetz anerkennen, wie nun den Dualismus mit Bewußtsein +festhalten? Hegel will überall den Staat als die Verwirklichung des freien +Geistes darstellen, aber re vera löst er alle schwierigen Collisionen durch eine +Naturnothwendigkeit, die im Gegensatz zur Freiheit steht. So ist auch der 20 +Uebergang des Sonderinteresses in das Allgemeine kein bewußtes Staats +gesetz, sondern per Zufall vermittelt, wider das Bewußtsein sich vollziehend +und Hegel will überall im Staat die Realisation des freien Willens! (Hierin +zeigt sich der substantielle Standpunkt Hegels.) + +15 + +Die Beispiele, die Hegel über die allmählige Veränderung der Verfassung +anführt, sind unglücklich gewählt. So daß das Vermögen der deutschen +Fürsten und ihrer Familien aus Privatgut in Staatsdomänen, das Persönliche +Rechtsprechen der deutschen Kaiser in Rechtsprechen durch Abgeordnete +sich verwandelt hat. Der erste Uebergang hat sich nur so gemacht, daß alles +Staatseigenthum sich in fürstliches Privateigenthum umsezte. + +25 + +30 + +Dabei sind diese Veränderungen partikular. Ganze Staatsverfassungen +haben sich allerdings so verändert, daß nach und nach neue Bedürfnisse +entstanden, daß das Alte zerfiel etc.; aber zu der neuen Verfassung hat es +immer einer förmlichen Revolution bedurft. + +„So ist also die Fortbildung eines Zustandes" schließt Hegel „eine schein- +bar ruhige und unbemerkte. Nach langer Zeit kommt auf diese Weise eine +Verfassung zu einem ganz anderen Zustande als vorher." Die Categorie des +allmähligen Ueberganges ist erstens historisch falsch und zweitens erklärt +sie nichts. Damit der Verfassung nicht nur die Veränderung angethan wird, +damit also dieser illusorische Schein nicht zulezt gewaltsam zertrümmert +wird, damit der Mensch mit Bewußtsein thut, was er sonst ohne Bewußtsein + +35 + +40 + +60 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +durch die Natur der Sache gezwungen wird zu thun, ||68| ist es nothwendig, +daß die Bewegung der Verfassung, daß der Fortschritt zum Princip der +Verfassung gemacht wird, daß also der wirkliche Träger der Verfassung, das +Volk, zum Princip der Verfassung gemacht wird. Der Fortschritt selbst ist +dann die Verfassung. + +5 + +Soll also die „Verfassung" selbst in den Bereich der „gesetzgebenden +Gewalt" gehören? Diese Frage kann nur aufgeworfen werden 1) wenn der +politische Staat als bioser Formalismus des wirklichen Staats existirt, wenn +der politische Staat eine aparte Domaine ist, wenn der politische Staat als +10 „Verfassung" existirt; 2) wenn die gesetzgebende Gewalt anderen Ursprungs + +ist als die Regierungsgewalt etc. + +Die gesetzgebende Gewalt hat die französische Revolution gemacht; sie +hat überhaupt, wo sie in ihrer Besonderheit als das Herrschende auftrat, die +grossen, organischen allgemeinen Revolutionen gemacht; sie hat nicht die +15 Verfassung, sondern eine besondre, antiquirte Verfassung bekämpft, eben +weil die gesetzgebende Gewalt der Repräsentant des Volkes, des Gattungs +willens war. Die Regierungsgewalt dagegen hat die kleinen Revolutionen, die +retrograden Revolutionen, die Reactionen gemacht; sie hat nicht für eine +neue Verfassung gegen eine alte, sondern gegen die Verfassung revolutionirt; +20 eben weil die Regierungsgewalt der Repräsentant des besondern Willens, der + +subjektiven Willkühr, des magischen Theils des Willens war. + +Wird die Frage richtig gestellt, so heißt sie nur: Hat das Volk das Recht, +sich eine neue Verfassung zu geben? Was unbedingt bejaht werden muß, +indem die Verfassung, sobald sie aufgehört hat, wirklicher Ausdruck des + +25 Volkswillens zu sein, eine praktische Illusion geworden ist. + +30 + +Die Collision zwischen der Verfassung und der gesetzgebenden Gewalt +ist nichts als ein Conflict der Verfassung mit sich selbst, ein Widerspruch +im Begriff der Verfassung. + +Die Verfassung ist nichts als eine Accommodation zwischen dem poli- +tischen und unpolitischen Staat; sie ist daher nothwendig in sich selbst ein +Traktat wesentlich heterogener Gewalten. Hier ist es also dem Gesetz un +möglich auszusprechen, daß eine dieser Gewalten, ein Theil der Verfassung, +das Recht haben solle, die Verfassung selbst, das Ganze zu modificiren. + +Soll von der Verfassung als einem Besondern gesprochen werden, so muß + +35 + +sie vielmehr als ein Theil des Ganzen betrachtet werden. | + +|XVIII.69| Werden unter der Verfassung, den allgemeinen Bestimmungen, +die Fundamentalbestimmungen des vernünftigen Willens verstanden, so +versteht sich, daß jedes Volk (Staat) diese zu seiner Voraussetzung hat und +daß sie sein politisches Credo bilden müssen. Das ist eigentlich Sache des +40 Wissens und nicht des Willens. Der Wille eines Volkes kann eben so wenig +über die Gesetze der Vernunft hinaus, als der Wille eines Individuums. Bei + +61 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +einem unvernünftigen Volk kann überhaupt nicht von einer vernünftigen +Staatsorganisation die Rede sein. Hier in der Rechtsphilosophie ist überdem +der Gattungswille unser Gegenstand. + +Die gesetzgebende Gewalt macht das Gesetz nicht, sie entdeckt und + +formulirt es nur. + +5 + +Man hat diese Collision zu lösen gesucht durch die Unterscheidung + +zwischen assemblée constituante und assemblée constituée. [|7θ|| + +jXIX.7l| § 299. „Diese Gegenstände" (die Gegenstände der gesetzgebenden +Gewalt) „bestimmen sich in Beziehung auf die Individuen näher nach den +zwei Seiten: α) was durch den Staat ihnen zu Gute kommt, und sie zu ge- 10 +niessen und ß) was sie demselben zu leisten haben. Unter jenem sind die +privatrechtlichen Gesetze überhaupt, die Rechte der Gemeinden und Kor +porationen und ganz allgemeine Veranstaltungen und indirekt (§ 298) das +Ganze der Verfassung begriffen. Das zu Leistende aber kann nur, indem es +auf Geld, als den existirenden allgemeinen Werth der Dinge und der Lei- 15 +stungen, reducirt wird, auf eine gerechte Weise und zugleich auf eine Art +bestimmt werden, daß die besonderen Arbeiten und Dienste, die der Einzelne +leisten kann, durch seine Willkühr vermittelt werden." + +Ueber diese Bestimmung der Gegenstände der gesetzgebenden Gewalt + +bemerkt Hegel selbst in der Anmerkung zu diesem §: + +20 + +„Was Gegenstand der allgemeinen Gesetzgebung und was der Bestim +mung der Administrativ-Behörden und der Regulirung der Regierung über +haupt anheim zu stellen sei, läßt sich zwar im Allgemeinen so unterscheiden, +daß in jene nur das dem Inhalte nach ganz Allgemeine, die gesetzlichen +Bestimmungen, in diese aber das Besondere und die Art und Weise der +Exekution falle. Aber völlig bestimmt ist diese Unterscheidung schon da +durch nicht, daß das Gesetz, damit es Gesetz, und nicht ein blosses Gebot +überhaupt sei, (wie: „du sollst nicht tödten") in sich bestimmt sein muß; je +bestimmter es aber ist, desto mehr nähert sich sein Inhalt der Fähigkeit, so +wie es ist, ausgeführt zu werden. Zugleich aber würde die so weit gehende 30 +Bestimmung den Gesetzen eine empirische Seite geben, welche in der +wirklichen Ausführung Abänderungen unterworfen werden müßte, was dem +Charakter von Gesetzen Abbruch thäte. In der organischen Einheit der +Staatsgewalten hegt es selbst, daß es Ein Geist ist, der das Allgemeine fest- +sezt, und der es zu seiner bestimmten Wirklichkeit bringt und ausführt." + +35 + +25 + +Aber eben diese organische Einheit ist es, die Hegel nicht construirt hat. +Die verschiedenen Gewalten haben ein verschiedenes Princip. Sie sind dabei +feste Wirldichkeit. Von ihrem wirklichen Conflict an die imaginaire „orga +nische Einheit" sich flüchten, statt sie als Momente einer organischen Ein +heit entwickelt zu haben, ist daher eine leere mystische Ausflucht. + +40 + +62 + + w + +to + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Die erste ungelöste Collision war die zwischen der ganzen Verfassungund +der gesetzgebenden Gewalt. Die zweite ist die zwischen der gesetzgebenden +und der Regierungsgewalt, zwischen dem Gesetz und der Exekution. | + +|72| Die zweite Bestimmung des § ist, daß die einzige Leistung, die der Staat + +5 + +von den Individuen fordert, das Geld ist. + +Die Gründe, die Hegel dafür anführt, sind: +1) Das Geld ist der existirende allgemeine Werth der Dinge und der + +Leistungen; + +2) Das zu Leistende kann nur durch diese Reduktion auf eine gerechte Art + +10 bestimmt werden; + +15 + +3) Nur dadurch kann die Leistung auf eine solche Art bestimmt werden, +daß die besonderen Arbeiten und Dienste, die der Einzelne leisten kann, +durch seine Wülkühr vermittelt werden. +Hegel bemerkt in der Anmerkung: +ad 1. „Es kann im Staate zunächst auffallen, daß von den vielen Ge +schicklichkeiten, Besitzthümern, Thätigkeiten, Talenten, und darin liegen +den unendlich mannigfaltigen lebendigen Vermögen, die zugleich mit Ge +sinnung verbunden sind, der Staat keine direkte Leistung fordert, sondern +nur das eine Vermögen in Anspruch nimmt, das als Geld erscheint. — Die +20 Leistungen, die sich auf die Vertheidigung des Staats gegen Feinde beziehen, +gehören erst zu der Pflicht der folgenden Abtheilung. (Nicht der folgenden +Abtheüung, aber anderer Gründe wegen, werden wir erst später auf die +persönliche Pflicht zum Militairdienst kommen.) + +In der That ist das Geld aber nicht ein besonderes Vermögen neben den +25 übrigen, sondern es ist das Allgemeine derselben, insofern sie sich zu der +Aüsserlichkeit des Daseins produciren, in der sie als eine Sache gefaßt +werden können." „Bei u n s" heißt es weiter in dem Zusatz „kauftest Staat, +was er braucht." + +ad 2. „Nur an dieser äußerlichsten Spitze (sc. worin die Vermögen sich +30 zu der Aüsserlichkeit des Daseins produciren, in der sie als eine Sache gefaßt +werden können) ist die quantitative Bestimmtheit und damit die Gerechtig +keit und Gleichheit der Leistungen möglich." Im Zusatz heißt es: „Durch +Geld kann die Gerechtigkeit der Gleichheit weit besser durchgeführt wer +den." „Der Talentvolle würde sonst mehr besteuert sein als der Talentlose, + +35 wenn es auf die konkrete Fähigkeit ankäme." + +ad 3. „Plato läßt in seinem Staate die Individuen den besonderen Ständen +durch die Oberen zutheüen und ihnen ihre besonderen Leistungen auflegen; +in der Feudalmonarchie hatten Vasallen ebenso unbestimmte Dienste, aber +auch in ihrer Besonderheit ζ. B. das Richteramt u. s. f. zu leisten; die Lei- +40 stungen im Orient, Aegypten für die unermeßlichen Architekturen u. s. f. sind +ebenso von besonderer Qualität u. s. f. In diesen Verhältnissen mangelt das + +63 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Prinzip der subjektiven Freiheit, daß das substantielle Thun des Individu- ' +ums, das in solchen Leistungen ohnehin seinem Inhalte nach ein Besonderes +ist, durch seinen besonderen Willen vermittelt sei; — ein Recht, das allein +durch die Forderung der Leistungen in der Form des allgemeinen Werthes +möglich, und das der Grund ist, der diese Verwandelung herbeigeführt hat." +Im Zusatz heißt es: „Bei uns kauft der Staat, was er braucht und dieß kann +zunächst als abstrakt, todt und gemüthlos erscheinen und es kann auch +aussehen, als wenn der Staat 1|73| dadurch heruntergesunken wäre, daß er +sich mit abstrakten Leistungen befriedigt. Aber es liegt in dem Principe des +neueren Staates, daß Alles, was das Individuum thut, durch seinen Willen 10 +vermittelt s e i . " . .. „Nun aber wird eben dadurchi?especr vor der subjektiven +Freiheit an den Tag gelegt, daß man jemanden nur an dem ergreift, an +welchem er ergriffen werden kann." + +5 + +Thut, was ihr wollt. Bezahlt was ihr sollt. +Der Eingang des Zusatzes lautet: „Die zwei Seiten der Verfassung be- 15 + +ziehen sich auf die Rechte und Leistungen der Individuen. Was nun die +Leistungen betrifft, so reduciren sie sich jezt fast alle auf Geld. Die Militair- +pflicht ist jezt fast nur die einzige persönliche Leistung." ||74|| + +|XX.75| § 300. „In der gesetzgebenden Gewalt als Totalität sind zunächst die +zwei andern Momente wirksam, das monarchische, als dem die höchste 20 +Entscheidung zukommt, — die Regierungsgewalt als das, mit der konkreten +Kenntniß und Uebersicht des Ganzen in seinen vielfachen Seiten und den +darin festgewordnen wirklichen Grundsätzen, so wie mit der Kenntniß der +Bedürfnisse der Staatsgewalt insbesondere, berathende Moment, — endlich +das ständische Element." + +25 + +Die monarchische Gewalt und die Regierungsgewalt sind . .. gesetz +gebende Gewalt. Wenn aber die gesetzgebende Gewalt die Totalität ist, +müßten vielmehr monarchische Gewalt und Regierungsgewalt Momente der +gesetzgebenden Gewalt sein. Das hinzutretende ständische Element ist nur +gesetzgebende Gewalt oder die gesetzgebende Gewalt im Unterschiedzu der +monarchischen und Regierungsgewalt. + +§ 301. „Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine +Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich, d. i. daß das Moment +der subjektiven formellen Freiheit, das öffentliche Bewußtsein als empiri +sche Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen, darin zur +Existenz komme." + +Das ständische Element ist eine Deputation der bürgerlichen Gesellschaft +an den Staat, dem sie als die „Vielen" gegenüberstehn. Die Vielen sollen +einen Augenblick die allgemeinen Angelegenheiten mit Bewußtsein als ihre +eigenen behandeln, als Gegenstände des öffentlichen Bewußtseins, welches + +30 + +35 + +40 + +64 + + r + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +nach Hegel nichts ist als die „empirische Allgemeinheit der Ansichten und +Gedanken der Vielen"; (und in Wahrheit ist es in den modernen, auch den +konstitutionellen, Monarchien nichts Anders.) Es ist bezeichnend, daß +Hegel, der so grossen Respect vor dem Staatsgeist, dem sittlichen Geist, dem +5 Staatsbewußtsein hat, es da, wo es ihm in wirklicher empirischer Gestalt + +gegenübertritt, förmlich verachtet. + +Dieß ist das Räthsel des Mysticismus. Dieselbe phantastische Abstraktion, +die das Staatsbewußtsein in der unangemeßnen Form der Bureaucratie, einer +Hierarchie des Wissens wiederfindet und diese unangemeßne Existenz +10 unkritisch für die wirkliche Existenz hinnimmt als vollgültig, dieselbe my +stische Abstraction gesteht ebenso unbefangen, daß der wirkliche empirische +Staatsgeist, das öffentliche Bewußtsein ein bloses Potpourri von „Gedanken +und Ansichten der Vielen" sei. Wie sie der Bureaucratie ein fremdes Wesen +unterschiebt, so läßt sie dem wahren Wesen die unangemeßne Form der +15 Erscheinung. Hegel idealisirt die Bureaucratie und empirisirt das öffentliche +Bewußtsein. Hegel kann das wirkliche öffentliche Bewußtsein sehr à part +behandeln, eben weil er das à part Bewußtsein als das öffentliche behandelt +hat. Er braucht sich um so weniger um die wirkliche Existenz des Staats +geistes zu kümmern, als er schon in seinen soi-disant Existenzen ihn gehörig +realisirt zu haben meint. Solange der Staatsgeist mystisch im Vorhof spukte, +wurden ihm viel Reverenzen gemacht. Hier, wo wir ihn [i n] persona gehascht, +wird er kaum angesehn. | + +20 + +|76| „Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine +Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich darin zur Existenz +25 komme." Und zwar kömmt sie für sich zur Existenz als das „öffentliche +Bewußtsein", als „empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken +der Vielen". + +30 + +Das Subjektwerden der „allgemeinen Angelegenheit", die auf diese Weise +verselbstständigt wird, wird hier als ein Moment des Lebensprozesses der +„allgemeinen Angelegenheit" dargestellt. Statt, daß die Subjekte sich in der +„allgemeinen Angelegenheit" vergegenständlichten, läßt Hegel die „all +gemeine Angelegenheit" zum „Subjekt" kommen. Die Subjekte bedürfen +nicht der „allgemeinen Angelegenheit" als ihrer wahren Angelegenheit, +sondern die allgemeine Angelegenheit bedarf der Subjekte zu ihrer formellen +35 Existenz. Es ist eine Angelegenheit der „allgemeinen Angelegenheit", daß + +sie auch als Subjekt existiré. + +Es ist hier besonders der Unterschied zwischen dem „Ansichsein" und + +dem „Fürsichsein" der allgemeinen Angelegenheit ins Auge zu fassen. + +40 + +Die „allgemeine Angelegenheit" existirt schon „an sich"ais das Geschäft +der Regierung etc; sie existirt ohne wirklich die allgemeine Angelegenheit +zu sein; sie ist nichts weniger als dieß, denn sie ist nicht die Angelegenheit + +65 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +der „bürgerlichen Gesellschaft". Sie hat schon ihre wesentliche, an sich +seiende Existenz gefunden. Daß sie nun auch wirklich „öffentliches Be +wußtsein" „empirische Allgemeinheit" wird, ist rein formell und kömmt +gleichsam nur symbolisch zur Wirklichkeit. Die „formelle" Existenz oder +die „empirische" Existenz der allgemeinen Angelegenheit ist getrennt von +ihrer substantiellen Existenz. Die Wahrheit davon ist: Die an sich seiende +„allgemeine Angelegenheit" ist nicht wirklich allgemein; und die wirkliche +empirische allgemeine Angelegenheit ist nur formell. + +Hegel trennt Inhalt und Form, Ansichsein und Fürsichsein und läßt das + +leztere als ein formelles Moment äusserlich hinzutreten. Der Inhalt ist fertig +und existirt in vielen Formen, die nicht die Formen dieses Inhaltes sind; +wogegen es sich von selbst versteht, daß die Form, die nun für die wirkliche +Form des Inhalts gelten soll, nicht den wirklichen Inhalt zu ihrem Inhalt +hat. + +5 + +10 + +15 + +Die allgemeine Angelegenheit ist fertig, ohne daß sie wirkliche Angelegen- +heit des Volks wäre. Die wirkliche Volkssache ist ohne Thun des Volks zu +Stande gekommen. Das ständische Element ist die Illusorische Existenz der +Staatsangelegenheiten als einer Volkssache. Die Illusion daß die allgemeine +Angelegenheit allgemeine Angelegenheit, öffentliche Angelegenheit sei oder +die Illusion, daß die Sache des Volks allgemeine Angelegenheit sei. So weit 20 +ist es sowohl in unseren Staaten, als in der hegelschen Rechtsphilosophie +gekommen, daß der tautologische Satz: „Die allgemeine Angelegenheit ist +Illusion des praktischen +die allgemeine Angelegenheit" nur als eine +2?e||77| wußtseins erscheinen kann. Das ständische Element ist die politische +Illusion der bürgerlichen Gesellschaft. Die subjektive Freiheit erscheint bei +Hegel als formelle Freiheit, (Es ist allerdings wichtig, daß das Freie auch frei +gethan werde, daß die Freiheit nicht als bewußtloser Naturinstinkt der +Gesellschaft herrsche.) eben weil er die objektive Freiheit nicht als Ver +wirklichung, als Bethätigung der subjektiven hingestellt hat. Weil er dem +präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit einen mystischen Träger 30 +gegeben hat, so bekömmt das wirkliche Subjekt der Freiheit eine formelle +Bedeutung. + +25 + +Die Trennung des Ansichs und des Fürsichs, der Substanz und des Sub + +jektes ist abstrakter Mysticismus. + +Hegel sezt in der Anmerkung das „ständische Element" recht sehr als ein 35 + +„Formelles", „Illusorisches" auseinander. + +Sowohl das Wissen, als der Wille des „ständischen Elementes" sind theils +unbedeutend, theils verdächtig; d.h. das ständische Element ist kein In +haltsvolles Complement. + +1) „Die Vorstellung, die das gewöhnliche Bewußtsein über die 40 + +Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Konkurrenz von Ständen zunächst + +66 + + w + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +vor sich zu haben pflegt, ist vornehmlich etwa, daß die Abgeordneten aus +dem Volk oder gar das Volk es am Besten verstehn müsse, was zu seinem +Besten diene, und daß es den ungezweifelt besten Willen für dieses Beste +habe. Was das Erstere betrifft, so ist vielmehr der Fall, daß das Volk, insofern +5 mit diesem Worte ein besonderer Theil der Mitglieder eines Staates be +zeichnet ist, den Theü ausdrückt, der nicht weiß, was er will. Zu wissen, was +man will, und noch mehr, was der an und für sich seiende Wille, die Vernunft, +will, ist die Frucht tiefer Erkenntniß (die wohl in den Bureaus steckt) und +Einsicht, welche eben nicht die Sache des Volks ist." Mehr unten heißt es +in Bezug auf die Stände selbst: „Die höchsten Staatsbeamten haben +nothwendig tiefere und umfassendere Einsicht in die Natur der Einrichtun +gen und Bedürfnisse des Staats, so wie die grössere Gewohnheit und Ge +schicklichkeit dieser Geschäfte, und können ohne Stände das Beste thun, +wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das Beste +thun müssen." + +10 + +15 + +Und es versteht sich, daß bei der von Hegel beschriebnen Organisation + +dieß vollständig wahr ist. + +2) „Was aber den vorzüglich guten Willen der Stände für das allgemeine +Beste betrifft, so ist schon oben bemerkt worden, daß es zu der Ansicht des +20 Pöbels, dem Standpunkte des Negativen überhaupt gehört, bei der Regierung +einen bösen oder weniger guten Willen vorauszusetzen; — eine Vorausset +zung, die zunächst, wenn in gleicher Form geantwortet werden sollte, +die ||78| Rekrimination zur Folge hätte, daß die Stände, da sie von der +Einzelnheit, dem Privat-Standpunkte und den besonderen Interessen her- +25 kommen, für diese auf Kosten des allgemeinen Interesses ihre Wirksamkeit +zu gebrauchen geneigt seien, da hingegen die anderen Momente der Staats +gewalt, schon für sich auf den Standpunkt des Staats gestellt, und dem +allgemeinen Zwecke gewidmet sind." + +Also Wissen und Willen der Stände sind theils überflüssig, theils ver- +30 dächtig. Das Volk weiß nicht, was es will. Die Stände besitzen nicht die +Staatswissenschaft im Maasse der Beamten, deren Monopol sie ist. Die +Stände sind überflüssig zum Vollbringen der „allgemeinen Angelegen +heit". Die Beamten können sie ohne Stände vollbringen, ja sie müssen +trotz der Stände das Beste thun. Was also den Inhalt betrifft, so sind die +35 Stände reiner Luxus. Ihr Dasein ist daher im wörtlichsten Sinne eine blose: + +Form. + +Was ferner die Gesinnung, den Willen der Stände betrifft, so ist er ver +dächtig, denn sie kommen vom Privatstandpunkt und den Privatinteressen +her. In Wahrheit ist das Privatinteresse ihre allgemeine Angelegenheit und +40 nicht die allgemeine Angelegenheit ihr Privatinteresse. Aber welche Manier +der „allgemeinen Angelegenheit" Form zu gewinnen als allgemeine An- + +67 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +gelegenheit in einem Willen, der nicht weiß, was er will, wenigstens nicht +ein besondres Wissen des Allgemeinen besizt und in einem Willen, dessen +eigentlicher Inhalt ein entgegenstehendes Interesse ist! + +In den modernen Staaten, wie in Hegels Rechtsphilosophie ist die bewußte, + +die wahre Wirklichkeit der allgemeinen Angelegenheit nur formell oder nur +das Formelle ist wirkliche allgemeine Angelegenheit. + +5 + +Hegel ist nicht zu tadeln, weil er das Wesen des modernen Staats schildert, +wie es ist, sondern weil er das, was ist, für das Wiesen des Staats ausgiebt. +Daß das Vernünftige wirklich ist, beweist sich eben im Widerspruch der +unvernünftigen Wtklichkeit, die an allen Ecken das Gegentheil von dem ist, +was sie aussagt und das Gegentheil von dem aussagt, was sie ist. + +10 + +Statt daß Hegel zeigte, wie die „allgemeine Angelegenheit" für sich, +subjektiv, daher wirklich als solche existiré, daß sie auch die Form der +allgemeinen Angelegenheit hat, zeigt er nur, daß die Formlosigkeit ihre +Subjektivität ist und eine Form ohne Inhalt muß formlos sein. Die Form, 15 +welche die allgemeine Angelegenheit in einem Staat gewinnt, der nicht der +Staat der allgemeinen Angelegenheit ist, kann nur eine Unf orm, eine sich +selbst täuschende, eine sich selbst widersprechende Form sein, eine Schein +form, die sich als dieser Schein ausweisen wird. | + +|XXI.79| Hegel will den Luxus des ständischen Elements nur der Logik 20 + +zulieb. Das Fürsichsein der allgemeinen Angelegenheit als empirische All +gemeinheit soll ein Dasein haben. Hegel sucht nicht nach einer adaequaten +Verwirklichung des „Fürsichseins der allgemeinen Angelegenheit"; er be +gnügt sich, eine empirische Existenz zu finden, die in diese logische Cate +gorie aufgelöst werden kann; das ist dann das ständische Element; wobei 25 +er nicht verfehlt, selbst anzumerken, wie erbärmlich und widerspruchsvoll +diese Existenz ist. Und dann wirft er noch dem gewöhnlichen Bewußtsein +vor, daß es sich mit dieser logischen Satisfaktion .nicht begnügt, daß es nicht +die Wirklichkeit durch willkührliche Abstraktion in Logik aufgelöst, sondern +die Logik in wahre Gegenständlichkeit verwandelt sehn will. + +30 + +Ich sage: willkührliche Abstraktion. Denn da die Regierungsgewalt die +allgemeine Angelegenheit will, weiß, verwirklicht, aus dem Volk hervorgeht +und eine empirische Vielheit ist, (daß es sich nicht um Allheit handelt, belehrt +uns H. ja selbst) warum sollte die Regierungsgewalt nicht als das „Für +sichsein der allgemeinen Angelegenheit" bestimmt werden können? Oder 35 +warum nicht die „Stände" als ihr Ansichsein, da die Sache erst in der Re +gierung Licht und Bestimmtheit und Ausführung und Selbstständigkeit +gewinnt? + +Aber der wahre Gegensatz ist: „Die allgemeine Angelegenheit" muß doch +irgendwo im Staat als „wirkliche" also „empirische allgemeine Angelegen- 40 +heit" repräsentirt sein; sie muß irgendwo in der Krone und dem Talar des + +68 + + r + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Allgemeinen erscheinen; wodurch es von selbst zu einer Rolle, einer Illusion +wird. + +Es handelt sich hier um den Gegensatz. Das „Allgemeine" als „Form", + +in der „Form der Allgemeinheit" und das „Allgemeine als Inhalt". + +5 + +10 + +Ζ. Β. in der Wissenschaft kann ein „Einzelner" die allgemeine Angelegen­ +heit vollbringen und es sind immer Einzelne, die sie vollbringen. Aber +wirklich Allgemein wird sie erst, wenn sie nicht mehr die Sache des Ein­ +zelnen, sondern die der Gesellschaft ist. Das verändert nicht nur die Form, +sondern auch den Inhalt. Hier aber handelt es sich um den Staat, wo das Volk +selbst die allgemeine Angelegenheit ist; hier handelt es sich um den Willen, +der sein wahres Dasein als Gattungswille nur im selbstbewußten Willen des +Volkes hat. Und hier handelt es sich überdem von der Idee des Staats. + +Der moderne Staat, in dem die „allgemeine Angelegenheit" und die Be +schäftigung mit derselben ein Monopol ist, und dagegen die Monopole die +15 wirklichen allgemeinen Angelegenheiten sind, hat die sonderbare Erfindung +gemacht, die „allgemeine Angelegenheit" als eine Wose Form sich an +zueignen. (Das Wahre ist, daß nur die Form allgemeine Angelegenheit ist.) +Er hat damit ||8θ| die entsprechende Form für seinen Inhalt gefunden, der +nur scheinbar die wirkliche allgemeine Angelegenheit ist. + +20 + +25 + +30 + +Der constitutionelle Staat ist der Staat, in dem das Staatsinteresse als +wirkliches Interesse des Volkes nur formell, aber als eine bestimmte Form +neben dem wirklichen Staat vorhanden ist; das Staatsinteresse hat hier +formell wieder Wirklichkeit erhalten als Volksinteresse, aber es soll auch nur +diese formeile Wirklichkeit haben. Es ist zu einer Formalität, zu dem haut +goût des Volkslebens geworden, eine Cérémonie. Das ständische Element +ist die sanktiomrte, gesetzliche Lüge der constitutionellen Staaten, daß der +Staat das Interesse des Volks oder daß das Volk das Staatsinteresse ist. Im +Inhalt wird sich diese Lüge enthüllen. Als gesetzgebende Gewalt hat sie sich +etablirt, eben weil die gesetzgebende Gewalt das Allgemeine zu ihrem Inhalt +hat, mehr Sache des Wissens als des Willens, die metaphysische Staatsgewa/f +ist, während dieselbe Lüge als Regierurigsgewalt etc. entweder sich sofort +auflösen oder in eine Wahrheit verwandeln müßte. Die metaphysische +Staatsgewalt war der geeignetste Sitz der metaphysischen, allgemeinen +Staatsillusion. + +35 + +40 + +„Die Gewährleistung, die für das allgemeine Beste und die öffentliche +Freiheit in den Ständen hegt, findet sich bei einigem Nachdenken nicht in +der besonderen Einsicht derselben, sondern sie liegt Theils wohl in einer +Zuthat (!!) von Einsicht der Abgeordneten, vornehmlich in das Treiben der +den Augen der höheren Stellen ferner stehenden Beamten, und insbesondere +in dringendere und speziellere Bedürfnisse und Mängel, die [sie] in konkreter +Anschauung vor sich haben, Theils aber in derjenigen Wirkung, welche die + +69 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +zu erwartende Censur Vieler und zwar eine öffentliche Censur mit sich führt, +schon im Voraus die beste Einsicht auf die Geschäfte und vorzulegenden +Entwürfe zu verwenden und sie nur den reinsten Motiven gemäß ein +zurichten, — eine Nöthigung, die ebenso für die Mitglieder der Stände selbst +wirksam ist." + +„Was hiermit die Garantie überhaupt betrifft, welche besonders in den +Ständen liegen soll, so theilt auch jede andere der Staatsinstitutionen dieß +mit ihnen, eine Garantie des öffentlichen Wohls und der vernünftigen +Freiheit zu sein, und es giebt darunter Institutionen, wie die Souverainetät +des Monarchen, die Erblichkeit der Thronfolge, Gerichtsverfassung u. s. f., +in welchen diese Garantie noch in viel stärkerem Grade liegt. Die eigen +thümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deßhalb darin zu suchen, daß +in ihnen das subjektive Moment der allgemeinen Freiheit, die eigene Einsicht +und der eigene Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche +Gesellschaft genannt worden ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz +kommt. Daß dieß Moment eine Bestimmung der zur Totalität ||8l| entwik- +kelten Idee ist, diese innere Nothwendigkeit, welche nicht mit äusseren +Notwendigkeiten und Nützlichkeiten zu verwechseln ist, folgt, wie überall +aus dem philosophischen Gesichtspunkt." + +5 + +10 + +15 + +Die öffentliche, allgemeine Freiheit ist in den andern Staatsinstitutionen +angeblich garantirt; die Stände sind ihre angebliche Selbstgarantirung. Daß +das Volk in die Stände, in denen es selbst sich zu versichern glaubt, mehr +Gewicht legt, als auf die Institutionen, die ohne sein Thun die Assecuranzen +seiner Freiheit sein sollen, Bethätigungen seiner Freiheit ohne Bethätigungen +seiner Freiheit zu sein. Die Coordination, welche Hegel den Ständen neben 25 +den andern Institutionen anweist, widerspricht ihrem Wesen. + +20 + +Hegel löst das Räthsel, wenn er die „eigenthümliche Begriffsbestimmung +der Stände" darin findet, daß in ihnen „die eigene Einsicht und der eigene +Wille der bürgerlichen Gesellschaft in Beziehung auf den Staat zur Existenz +kommt". Es ist die Reflection der bürgerlichen Gesellschaft auf den Staat. +Wie die Bureaucraten Abgeordnete des Staats an die bürgerliche Gesell +schaft, so sind die Stände Abgeordnete der bürgerlichen Gesellschaft an den +Staat. Es sind also immer Transactionen zweier gegensätzlicher Willen. + +Im Zusatz zu diesem § heißt es: +„Die Stellung der Regierung zu den Ständen soll keine wesentlich feind- +liehe sein, und der Glaube an die Nothwendigkeit dieses feindseeligen +Verhältnisses ist ein trauriger Irrthum"; ist eine „traurige Wahrheit". +„Die Regierung ist keine Parthei, der eine andere gegenübersteht." Umge +kehrt. + +30 + +35 + +„Die Steuern, die die Stände bewilligen, sind ferner nicht wie ein Geschenk +anzusehen, das dem Staate gegeben wird, sondern sie werden zum Besten + +40 + +70 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +10 + +15 + +20 + +der Bewilligenden selbst bewilligt." Die Steuerbewilligung ist im consti- +tutionellen Staat der Meinung nach nothwendig ein Geschenk. + +„Was die eigentliche Bedeutung der Stände ausmacht, ist, daß der Staat +dadurch in das subjektive Bewußtsein des Volks +tritt, und daß es an +demselben Theil zu haben anfängt." Das leztere ist ganz richtig. Das Volk +in den Ständen fängt an Theil zu haben am Staat, ebenso tritt er als ein +jenseitiger in sein subjektives Bewußtsein. Wie kann Hegel diesen Anfang +aber für die volle Realität ausgeben? | + +|82| § 302. „Als vermittelndes Organ betrachtet, stehen die Stände zwi- +sehen der Regierung überhaupt einer Seits, und dem in die besondern +Sphären und Individuen aufgelösten Volk anderer Seits. Ihre Bestimmung +fordert an sie so sehr den Sinn und die Gesinnung des Staats und der Re +gierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen. +Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisirten Regie- +rungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung, daß weder die fürstliche +Gewalt als Extrem isolirt, und dadurch als blose Herrschergewalt und +Willkühr erscheine, noch daß die besonderen Interessen der Gemeinden, +Korporationen und der Individuen sich isoliren, oder noch mehr daß die +Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem +somit unorganischen Meinen und Wollen, und zur blos massenhaften Gewalt +gegen den organischen Staat kommen." + +Staat und Regierung werden immer als identisch auf die eine Seite; das +in die besondren Sphären und Individuen aufgelöste Volk auf die andere +Seite gesezt. Die Stände stehn als vermittelndes Organ zwischen beiden. Die + +25 Stände sind die Mitte, worin „Sinn und Gesinnung des Staats und der Re + +gierung" zusammentreffen, vereinigt sein sollen mit „Sinn und Gesinnung +der besonderen Kreise und der Einzelnen". Die Identität dieser beiden +„entgegen gesezten Sinne und Gesinnungen", in deren Identität eigentlich +der Staat liegen sollte, erhält eine symbolische Darstellung in den Ständen. +30 Die Transaction zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft erscheint als +eine besondre Sphäre. Die Stände sind die Synthese zwischen Staat und +bürgerlicher Gesellschaft. Wie die Stände es aber anfangen sollen, zwei +widersprechende Gesinnungen in sich zu vereinen, ist nicht angegeben. Die +Stände sind der gesezte Widerspruch des Staats und der bürgerlichen Ge- +Seilschaft im Staate. Zugleich sind sie die Forderung der Auflösung dieses + +35 + +Widerspruches. + +„Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisirten + +Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung etc." + +40 + +Die Stände vermitteln nicht nur Volk und Regierung. Sie verhindern die +„fürstliche Gewalt" als isolirtes „Extrem", die damit als „blose Herrscherge +walt und Willkühr" erscheinen würde; ebenso die „Isolirung" der „be- + +71 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +10 + +5 + +sondern" Interessen etc. ebenso die „Darstellung der Einzelnen als Menge +und Haufen". Diese Vermittelung ist den Ständen mit der organisirten +Regierungsgewalt gemeinschaftlich. In einem Staat, worin die „Stellung" der +„Stände" verhindert „daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge +oder eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, und +zur blos massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen" existirt +der „organische Staat" ausser der „Menge" und dem „Haufen", oder da +gehört die „Menge" und der „Haufen" zur Organisation des Staats; blos soll +sein „unorganisches Meinen und Wollen" nicht zum „Meinen und Wollen +gegen den Staat" kommen, durch welche bestimmte Richtung es „organi- +sches" Meinen und Wollen würde. Ebenso soll diese „massenhafte Gewalt" +nur „massenhaft" bleiben, so daß der Verstand ausser der Masse ist und sie +daher nicht sich selbst in Bewegung setzen, sondern nur von den Mono +polisten des „organischen Staates" in Bewegung gesezt werden kann und +als massenhafte Gewalt exploitirt ||XXII.83| werden kann. Wo nicht „die 15 +besondern Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Einzelnen" +sich gegen den Staat isoliren, sondern die „Einzelnen zur Darstellung einer +Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und +Wollen, und zur blos massenhaften Gewalt gegen den Staat kommen", da +zeigt es sich eben, daß kein „besonderes Interesse" dem Staat widerspricht, +sondern daß der „wirkliche organische allgemeine Gedanke der Menge und +des Haufens" nicht der „Gedanke des organischen Staats" ist der nicht in +ihm seine Realisation findet. Wodurch erscheinen nun die Stände als Ver +mittelung gegen dieß Extrem? Nur dadurch, „daß die besonderen Interessen +der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isoliren" oder da- +durch, daß ihre isolirten Interessen ihre Rechnung mit dem Staat durch die +Stände abschliessen; zugleich dadurch, daß das „unorganische Meinen und +Wollen der Menge und des Haufens" in der Schöpfung der Stände seinen +Willen (seine Thätigkeit) und in der Beurtheilung der Thätigkeit der Stände +sein „Meinen" beschäftigt und die Täuschung seiner Vergegenständlichung +genossen hat. Die „Stände" präserviren den Staat vor dem unorganischen +Haufen nur durch die Desorganisation dieses Haufens. + +25 + +20 + +30 + +Zugleich aber sollen die Stände dagegen vermitteln „daß die besonderen +Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich" nicht +„isoliren". Sie vermitteln dagegen 1) indem sie mit dem „Staatsinteresse" 35 +transigjren 2) indem sie selbst die „politische Isolirung" dieser besondern +Interessen sind; diese Isolirung als politischer Akt; indem durch sie diese +„isolirten Interessen" den Rang des „allgemeinen" erhalten. + +Endlich sollen die Stände gegen die „Isoltung" der fürstlichen Gewalt als +eines „Extrems" (die „dadurch als blose Herrschergewalt und Willkühr +erschiene") vermitteln. Dieß ist insofern richtig, als das Prinzip der fürst- + +40 + +72 + + F + +1 + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +liehen Gewalt (die Willkühr) durch sie begränzt ist, wenigstens nur in Fesseln +sich bewegen kann und als sie selbst Theilnehmer, Mitschuldige der fürst +lichen Gewalt werden. Die f ürstliche Gewalt hört entweder wirklich dadurch +auf das Extrem der fürstlichen Gewalt zu sein (und die fürstliche Gewalt +existirt nur als ein Extrem, als eine Einseitigkeit, weü sie kein organisches +Prinzip ist), sie wird zu einer Scheingewalt, einem Symbol oder sie verliert +nur den Schein der Willkühr und blosen Herrschergewalt. + +5 + +Sie vermitteln gegen die „Isolirung" der Sonderinteressen, indem sie diese +Isolirung als politischen Akt vorstellen. Sie vermitteln gegen die Isolirung +10 der fürsüichen Gewalt als eines Extrems, theils indem sie selbst zu einem +Theil der fürstlichen Gewalt werden, theils indem sie die Regierungsgewalt +zu einem Extrem machen. + +In den „Ständen" laufen alle Widersprüche der modernen Staatsorgani +sation zusammen. Sie sind die „Mittler" nach allen Seiten hin, weü sie nach + +15 allen Seiten hin „Mitteldinge" sind. + +Zu bemerken ist, daß Hegel weniger den Inhalt der ständischen Thätigkeit, +die gesetzgebende Gewalt, als die Stellungáer Stände, ihren politischen Rang +entwickelt. | + +20 + +]84| Zu bemerken ist noch, daß während nach Hegel zunächst die Stände +„zwischen der Regierung überhaupt einerseits, und dem in die besonderen +Sphären und Individuen aufgelösten Volk andrer Seits" stehn, ihre Stellung, +wie sie oben entwickelt „die Bedeutung einer mit der organisirten Regie +rungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung hat". + +Was die erste Stellung betrifft, so sind die Stände das Volk gegen die + +25 Regierung, aber das Volken miniature. Das ist ihre oppositionelle Stellung. + +30 + +35 + +Was die zweite betrifft, so sind sie die Regierung gegen das Volk, aber die +amplificirte Regierung. Das ist ihre conservative Stellung. Sie sind selbst ein +Theil der Regierungsgewalt gegen das Volk, aber so daß sie zugleich die +Bedeutung haben, das Volk gegen die Regierung zu sein. + +Hegel hat oben die „gesetzgebende Gewalt als Totalität" (§ 300) bezeich +net. Die Stände sind wirklich diese Totalität, der Staat im Staate, aber eben +in ihnen erscheint es, daß der Staat nicht die Totalität, sondern ein Dualismus +ist. Die Stände stellen den Staat in einer Gesellschaft vor, die kein Staat ist. +Der Staat ist eine blose Vorstellung. + +In der Anmerkung sagt H.: +„Es gehört zu den wichtigsten logischen Einsichten, daß ein bestimmtes +Moment, das als im Gegensatz stehend die Stellung eines Extrems hat, es +dadurch zu sein aufhört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte +ist." + +40 + +(So ist das ständische Element erstens das Extrem des Volkes gegen die +Regierung, aber 2) zugleich Mitte zwischen Volk und Regierung oder es ist + +73 + + Bogen XXIII. Seite 87 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +der Gegensatz im Volk selbst. Der Gegensatz von Regierung und Volk +vermittelt sich durch den Gegensatz zwischen Ständen und Volk. Die Stände +haben nach der Seite der Regierung hin die Stellung des Volks, aber nach +der Seite des Volks hin die Stellung der Regierung. Indem das Volk als +Vorstellung, als Phantasie, Illusion, Repräsentation zu Stande kommt — das +vorgestellte Volk oder die Stände, das sich als eine besondre Gewalt sogleich +in der Trennung vom wirklichen Volk befindet, hebt den wirklichen Gegen +satz zwischen Volk und Regierung auf. Das Volk ist hier schon so zubereitet, +wie es in dem betrachteten Organismus zubereitet sein muß, um keinen +entschiednen Charakter zu haben.) + +5 + +10 + +„Bei dem hier betrachteten Gegenstand ist es um so wichtiger, diese Seite +herauszuheben, weil es zu den häufigen, aber höchst gefährlichen Vor- +urtheilen gehört, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes +gegen die Regierung, als ob dieß ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen. +Organisch, d. i. in die Totalität aufgenommen, beweist sich das ständische 15 +Element nur durch die Funktion der Vermittelung. Damit ist der Gegensatz +selbst ||85¡ zu einem Schein herabgesezt. Wenn er, insofern er seine Er +scheinung hat, nicht blos die Oberfläche beträfe, sondern wirklich ein sub +stantieller Gegensatz würde, so wäre der Staat in seinem Untergang be +griffen. — Das Zeichen, daß der Widerstreit nicht dieser Art ist, ergiebt sich 20 +der Natur der Sache nach dadurch, wenn die Gegenstände desselben nicht +die wesentlichen Elemente des Staatsorganismus, sondern speziellere und +gleichgültigere Dinge betreffen, und die Leidenschaft, die sich doch an +diesen Inhalt knüpft, zur Partheisucht um ein blos subjektives Interesse, +etwa um die höheren Staatsstellen, wird." + +25 + +Im Zusatz heißt es: +„Die Verfassung ist wesentlich ein System der Verm/r£e/ung."||86|| + +|XXIII.(1) p.87| §303. „Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierungsich +widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung, das Allgemeine zum +Zwecke seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben; in dem ständischen Ele- +mente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer poli +tischen Bedeutung und Wirksamkeit. Derselbe kann nun dabei weder als +bloße ungeschiedene Masse, noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge +erscheinen, sondern als das, was er bereits ist, nämlich unterschieden in den +auf das substantielle Verhältniß und in den auf die besonderen Bedürfnisse +und die sie vermittelnde Arbeit sich gründenden Stand. Nur so knüpft sich +in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das +Allgemeine an." + +30 + +35 + +Hier haben wir die Lösung des Räthsels. „In dem ständischen Elemente +der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen + +40 + +74 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Bedeutimg." Versteht sich, daß der Privatstand nach dem, was er ist, nach +seiner Gliederung in der bürgerlichen Gesellschaft (den allgemeinen Stand +hat Hegel schon als den der Regierung sich widmenden bezeichnet; der +allgemeine Stand ist also durch die Regierungsgewalt in der gesetzgebenden + +5 Gewalt vertreten) zu dieser Bedeutung kommt. + +Das ständische Element ist: die politische Bedeutung des Privatstandes, +des unpolitischen Standes, eine contradictio in adjecto. Oder in dem von +Hegel beschriebenen Stand hat der Privatstand (weiter überhaupt der Unter +schied des Privatstandes) eine poütische Bedeutung. Der Privatstand gehört +zum Wesen, zur Politik dieses Staates. Er giebt ihm daher auch eine poli +tische Bedeutung, d. h. eine andre Bedeutung, als seine wirkliche Bedeu +tung. + +10 + +15 + +In der Anmerkung heißt es: +„Dieß gehet gegen eine andere gangbare Vorstellung, daß indem der +Privat-Stand zur Theilnahme an der allgemeinen Sache in der gesetzgeben +den Gewalt erhoben wird, er dabei in der Form der Einzelnen erscheinen +müsse, sei es, daß sie Stellvertreter für diese Funktion wählen, oder daß gar +selbst jeder eine Stimme dabei exerciren solle. Diese atomistische abstrakte +Ansicht verschwindet schon in der Familie, wie in der bürgerlichen Ge- +20 Seilschaft, wo der Einzelne nur als Mitglied eines Allgemeinen zur Erschei +nung kommt. Der Staat aber ist wesentlich eine Organisation von solchen +Gliedern, die für sich Kreise sind, und in ihm soll sich kein Moment als eine +unorganische Menge zeigen. Die Vielen als Einzelne, was man gerne unter +Volk versteht, sind wohl ein Zusammen, aber nur als die Menge, — eine +formlose Masse, deren Bewegung und Thun eben damit nur elementarisch, +vernunftlos, wild und fürchterlich wäre." | + +25 + +30 + +35 + +|[88]| „Die Vorstellung, welche die in jenen Kreisen schon vorhandenen +Gemeinwesen, wo sie in's Politische, d. i. in den Standpunkt der höchsten +konbeten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von Individuen +auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben von + +einander getrennt, und stellt dieses, so zu sagen, in die Luft, da seine Ba +sis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkühr und Meinung, somit das Zu +fällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage sein +würde." + +„Obgleich in der Vorstellung sogenannter Theorien die Stände der bürger +lichen Gesellschaft überhaupt und die Stände in politischer Bedeutung weit +auseinander liegen, so hat doch die Sprache noch diese Vereinigung erhalten, +die früher ohnehin vorhanden war." + +„Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende + +40 Stand." + +Hegel geht von der Voraussetzung aus, daß der allgemeine Stand im + +77 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +„Dienst der Regierung" steht. Er unterstellt die allgemeine Intelligenz als +„ständisch und ständig". + +„in dem ständischen Elemente etc". Die „politische Bedeutung und +Wirksamkeit" des Privatstandes ist eine besondere Bedeutung und Wirk +samkeit desselben. Der Privatstand verwandelt sich nicht in den politischen +Stand, sondern als Privatstand tritt er in seine politische Wirksamkeit und +Bedeutung. Er hat nicht politische Wirksamkeit und Bedeutung schlechthin. +Seine politische Wirksamkeit und Bedeutung ist die politische Wirksamkeit +und Bedeutung des Privatstandes als Privatstand. Der Privatstand kann also +nur nach dem Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft in die poli +tische Sphäre treten. Der Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft +wird zu einem politischen Unterschied. + +Schon die Sprache, sagt Hegel, drückt die Identität der Stände der bürger +lichen Gesellschaft und der Stände in politischer Bedeutung aus, eine „Ver +einigung", „die früher ohnehin vorhanden war" also sollte man schliessen, +jezt nicht mehr vorhanden ist. + +Hegel findet, daß „sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirk +liche Besondere an das Allgemeine an"knüpft. Die Trennung des „bürger +lichen und des politischen Lebens" soll auf diese Weise aufgehoben, und ihre +„Identität" gesezt + +sein. + +Hegel stüzt sich darauf: +„In jenen Kreisen" (Familie und bürgerliche Gesellschaft) „sind schon +Gemeinwesen vorhanden." Wie kann man diese da, „wo sie in's Politische, +d. i. +in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten" +„wieder in eine Menge von Individuen auflösen" wollen? | + +|[89]| Es ist wichtig, diese Entwicklung genau zu verfolgen. +Die Spitze der hegelschen Identität war, wie er selbst gesteht, das Mittel +alter. Hier waren die Stände der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt und +die Stände in politischer Bedeutung identisch. Man kann den Geist des +Mittelalters so aussprechen: Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft und +die Stände in politischer Bedeutung waren identisch, weil die bürgerliche +Gesellschaft die politische Gesellschaft war; weü das organische Princip der +bürgerlichen Gesellschaft das Princip des Staats war. + +Allein Hegel geht von der Trennung der „bürgerlichen Gesellschaft" und +des „politischen Staates" als zweier fester Gegensätze, zweier wirklich +verschiednen Sphären aus. Diese Trennung ist allerdings wkklich im mo +dernen Staat vorhanden. Die Identität der bürgerlichen und politischen +Stände war der Ausdruck der Identität der bürgerlichen und politischen +Gesellschaft. Diese Identität ist verschwunden. Hegel sezt sie als ver +schwunden voraus. Die Identität der bürgerlichen und politischen Stände, +wenn sie die Wahrheit ausdrückte, könnte also nur mehr ein Ausdruck der + +78 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Trennung der bürgerlichen und politischen Gesellschaft sein ! oder vielmehr : +nur die Trennung der bürgerlichen und politischen Stände drückt das wahre +Verhältniß der bürgerlichen und politischen modernen Gesellschaft aus. + +5 + +Zweitens: Hegel handelt hier von politischen Ständen in einem ganz +anderen Sinne, als jene politischen Stände des Mittelalters waren, von denen +die Identität mit den Ständen der bürgerlichen GeseZ/sc/iafr ausgesagt wird. + +10 + +Ihr ganzes Dasein war politisch; ihr Dasein war das Dasein des Staats. Ihre +gesetzgebende Thätigkeit, ihre Steuerbewilligung für das Reich war nur ein +besonderer Ausfluß +ihrer allgemeinen politischen Bedeutung und Wirk- +samkeit. Ihr Stand war ihr Staat. Das Verhältniß zum Reich war nur ein +Transactionsverhältniß dieser verschiedenen Staaten mit der Nationalität, +denn der politische Staat im Unterschied von der bürgerlichen Gesellschaft +war nichts andres als die Repräsentation der Nationalität. Die Nationalität +war der point d'honneur, der κατ' εξοχήν politische Sinn dieser verschie- +15 denen Korporationen etc. und nur auf sie bezogen sich die Steuern etc. Das +war das Verhältniß der gesetzgebenden Stände zum Reich. Aehnlich ver +hielten sich die Stände innerhalb der besondern Fürstenthümer. Das Für +stenthum, die Souverainetät war hier ein besonderer Stand, der gewisse +Privilegien hatte, aber eben so sehr von den Privilegien der andern Stände +genirt wurde. (Bei den Griechen war die bürgerliche Gesellschaft Sklave der +politischen.) Die allgemeine gesetzgebende Wirksamkeit der Stände der +bürgerlichen Gesellschaft war keineswegs ein Kommen des Privatstandes +zu einer politischen Bedeutung und Wirksamkeit, sondern vielmehr ein +bioser Ausfluß ihrer wirklichen und allgemeinen politischen Bedeutung und +25 Wirksamkeit; ihr Auftreten als gesetzgebende Macht war blos ein Comple +ment ihrer souverainen und regierenden (executiven) Macht; es war vielmehr +ihr Kommen zu der ganz allgemeinen Angelegenheit als einer Privatsache, +ihr Kommen zur Souverainetät als einem Privatstand. Die Stände der +bürgerlichen Gesellschaft waren im Mittelalter als solche Stände zugleich +30 gesetzgebend, weil sie keine Privatstände ||[90]| oder weil die Privatstände + +20 + +politische Stände waren. Die mittelaltrigen Stände kamen als politisch +ständisches Element zu keiner neuen Bestimmung. Sie wurden nicht poli- +öscn-ständisch, weil sie Theil an der Gesetzgebung hatten ; sondern sie hatten +Theil an der Gesetzgebung, weil und in so fern sie pol/ö'scA-ständisch waren. +35 Was hat das nun mit Hegels Privatstand gemein, der als gesetzgebendes +Element zu einer politischen Bravourarie, zu einem extatischen Zustand, zu +einer aparten, frappanten, ausnahmsweisen politischen Bedeutung und +Wirksamkeit kommt? + +In dieser Entwicklung findet man alle Widersprüche der hegelschen + +40 Darstellung zusammen. + +1) hat er die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen + +79 + + B +o +g +e +n +X +X +I +I +I +. + +S +e +i +t +e + +[ +9 +0 +] + +.. + +.... + +.. · ·-....• ·. + +' + +..•. ·.-• .. ·.··.•.· -.·· + +e + +{ + +· .. ·- ;J..·· + +... -.--. ·.··• ··i-··.· + +·. ·.· ... · t · + +.. · ..• :: +. :· ···. t · · + +' + +' + +, + +-. + +, . + +f' .-/' +' +> + +• · , ·i .... , • r , + +cC : ~•:> c. ••. ,, ;- ,,, • · · , · · •1 , · ' { .~ • J' ·' ~ +•. 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Er hat dem wirklichen handelnden Staat die Bureau +cratie zu seinem Leib gegeben und sie als den wissenden Geist dem Ma +terialismus der bürgerlichen Gesellschaft supraordinirt. Er hat das an und +für sich seiende Allgemeine des Staats den besondern Interessen und dem +Bedürfniß der bürgerlichen Gesellschaft gegenübergestellt. Mit einem Wort: +Er stellt überall den Conflict der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates +dar. + +2) Hegel stellt die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand dem politischen + +Staat gegenüber. + +3) Er bezeichnet das ständische Element der gesetzgebenden Gewalt als +den blosen politischen Formalismus der bürgerlichen Gesellschaft. Er be +zeichnet es als ein Reflectionsverhältniß der bürgerlichen Gesellschaft auf +den Staat und als ein Reflectionsverhältniß, was das Wesen des Staates nicht +alterirt. Ein Reflectionsverhältniß ist auch die höchste Identität zwischen +wesentlich Verschiedenen. +Andrerseits will Hegel: +1) die bürgerliche Gesellschaft bei ihrer Selbstconstituirung als gesetz +gebendes Element weder als blosse, ungeschiedene Masse, noch als eine in +ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen lassen. Er will keine Trennung des +bürgerlichen und politischen Lebens. + +2) Er vergißt, daß es sich um ein Reflectionsverhältniß handelt und macht +die bürgerlichen Stände als solche zu politischen Ständen, aber wieder nur +nach der Seite der gesetzgebenden Gewalt hin, so, daß ihre Wirksamkeit +selbst der Beweis der Trennung ist. + +Er macht das ständische Element zum Ausdruck der Trennung, aber +zugleich soll es der Repräsentant einer Identität sein, die nicht vorhanden +ist. Hegel weiß die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des poli +tischen Staats, aber er will, daß innerhalb des Staats die Einheit desselben +ausgedrückt sei und zwar soll dieß der Gestalt bewerkstelligt werden, daß +die Stände der bürgerlichen Gesellschaft zugleich als solche das ständische +Element der gesetzgebenden Gesellschaft bilden, (cf. XXIV.X.) ¡ + +|[93]|X. Das Tiefere bei Hegel liegt darin, daß er die Trennung der bürger +lichen Gesellschaft und der politischen als einen Widerspruch empfindet. +Aber das Falsche ist, daß er sich mit dem Schein dieser Auflösung begnügt +und ihn für die Sache selbst ausgiebt, wogegen die von ihm verachteten +„sogenannten Theorien", die „Trennung" der bürgerlichen und politischen +Stände fordern und mit Recht, denn sie sprechen eine Consequenz der +modernen Gesellschaft aus, indem hier das politisch-ständische Element + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +80 + + Bogen XXIV. Seite [91] + + Bogen XXIV. Seite [92] + + F + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +eben nichts anders als der faktische Ausdruck des wirklichen Verhältnisses +von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist, ihre Trennung. + +Hegel hat die Sache, worum es sich hier handelt, nicht bei ihrem bekannten +Namen genannt. Es ist die Streitfrage zwischen repräsentativer und stän- +5 discher Verfassung. Die repräsentative Verfassung ist ein grosser Fort +schritt, weil sie der offene, unverfälschte, conséquente Ausdruck des mo +dernen Staatszustandes ist. Sie ist der unverholene Widerspruch. + +Ehe wir auf die Sache selbst eingehn, werfen wir noch einmal einen Blick + +auf die hegel'sche Darstellung. + +10 + +„In dem ständischen Elemente der gesetzgebenden Gewalt kommt der +Privatstand zu einer politischen Bedeutung." Früher (§ 301 Anmerkung) hieß +es: „Die eigenthümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deßhalb darin +zu suchen, daß in ihnen . .. die eigene Einsicht und der eigene Wille der +Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden + +15 + +ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt." +Fassen wir diese Bedeutung zusammen, so folgt: „Die bürgerliche Ge +sellschaft ist der Privatstand" oder der Privatstand ist der unmittelbare, +wesentliche, konkrete Stand der bürgerlichen Gesellschaft. Erst in dem +ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt erhält sie „politische +20 Bedeutung und Wirksamkeit"; es ist dieß etwas Neues, was zu ihr hinzu +kömmt, eine besondere Funktion, denn eben ihr Charakter als Privatstand +drückt ihren Gegensatz zur politischen Bedeutsamkeit und Wirksamkeit, die +Privation des politischen Charakters aus, drückt aus, daß die bürgerliche +Gesellschaft an und für sich ohne politische Bedeutung und Wirksamkeit ist. +25 Der Privatstand ist der Stand der bürgerlichen Gesellschaft oder die bürger +liche Gesellschaft ist der Privatstand. Hegel schließt daher auch consequent +den „allgemeinen Stand" von dem „ständischen Element der gesetzgeben +den Gewalt" aus. „Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich +widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung das Allgemeine zum +30 Zweck seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben." Die bürgerliche Gesell +schaft oder der Privatstand hat dieß nicht zu seiner Bestimmung; seine +wesentliche Thätigkeit hat nicht die Bestimmung, das Allgemeine zum +Zweck zu haben oder seine wesentliche Thätigkeit ist keine Bestimmung des +Allgemeinen, keine allgemeine Bestimmung. Der Privatstand ist der Stand +der bürgerlichen Gesellschaft gegen den Stand. Der Stand der bürgerlichen +Gesellschaft ist kein politischer Stand. + +35 + +Indem Hegel die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand bezeichnet hat +er die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft für n/c/jípoUtische +Unterschiede erklärt, hat er das bürgerliche Leben und das politische für + +40 heterogen, sogar für Gegensätze erklärt. Wie fährt ||[94]| er nun fort? + +„Derselbe kann nun dabei weder als blose ungeschiedene Masse, noch als + +85 + + Bogen XXIV. Seite [93] + + 1 + +Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen, sondern als das, was er +bereits ist, nämlich unterschieden in den auf das substantielle Verhältniß, +und in den auf die besonderen Bedürfnisse und die sie vermittelnde Arbeit +sich gründenden Stand. (§ 201 ff.) Nur so knüpft sich in dieser Rücksicht +wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an." + +5 + +10 + +Als eine „blose ungeschiedne Masse" kann die bürgerliche Gesellschaft, +(der Prívatstand) in ihrer gesetzgeberisch-ständischen Thätigkeit allerdings +nicht erscheinen, weil die „blose ungeschiedne Masse" nur in der „Vor +stellung", der „Phantasie", nicht aber in der Wtklichkeit existirt. Hier gjebt +es nur grössere und kleinere zufällige Massen. (Städte, Flecken etc.) Diese +Massen oder diese Masse erscheint nicht nur, sondern ist überall realiter +„eine in ihre Atome aufgelöste Menge" und als diese Atomistik muß sie in +ihrer ροΔ'ί/scn-ständischen Thätigkeit erscheinen und auftreten. „Als das, +was er bereits isi" kann der Privatstand, die bürgerliche Gesellschaft, nicht +hier erscheinen. Denn was ist er bereits? Prívatstand, d.h. Gegensatz und +Trennung vom Staat. Um zur „politischen Bedeutung und Wirksamkeit" zu +kommen, muß er sich vielmehr aufgeben, als das, was er bereits ist, als +Privatstand. Dadurch erhält er eben erst seine „politische Bedeutung und +Wirksamkeit". Dieser politische Akt ist eine völlige Transsubstantiation. In +ihm muß sich die bürgerliche Gesellschaft völlig von sich als bürgerlicher 20 +Gesellschaft, als Privatstand los sagen, eine Parthie seines Wesens geltend +machen, die mit der wirklichen bürgerlichen Existenz seines Wesens nicht +nur keine Gemeinschaft hat, sondern ihr direkt gegenübersteht. + +15 + +Am Einzelnen erscheint hier, was das allgemeine Gesetz ist. Bürgerliche + +25 + +Gesellschaft und Staat sind getrennt. Also ist auch der Staatsbürger und der +Bürger, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft getrennt. Er muß also eine +wesentliche Diremtion mit sich selbst vornehmen. Als wirklichen Bürger +findet er sich in einer doppelten Organisation, der büreaucratischen — die +ist eine äussere formelle Bestimmung des jenseitigen Staats, der Regierungs +gewalt, die ihn und seine selbstständige Wirklichkeit nicht tangirt — der 30 +socialen, der Organisation der bürgerlichen Gesellschaft. Aber in dieser steht +er als Privatmann ausser dem Staat; die tangirt den politischen Staat als +solchen nicht. Die erste ist eine Staatsorganisation, zu der er immer die +Materie abgiebt. Die zweite ist eine bürgerliche Organisation, deren Materie +nicht der Staat ist. In der ersten verhält sich der Staat als formeller Gegensatz +zu ihm, in der zweiten verhält er sich selbst als materieller Gegensatz zum +Staat. Um also als wirklicher Staatsbürger sich zu verhalten, politische +Bedeutsamkeit und Wirksamkeit zu erhalten, muß er aus seiner bürgerlichen +Wirklichkeit heraus treten, von ihr abstrahiren, von dieser ganzen Organi +sation in seine Individualität sich zurückziehn; denn die einzige Existenz, 40 +die er für sein Staatsbürgerthum findet, ist seine pure, blanke Individualität, + +35 + +86 + + ψ + +to + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +10 + +denn die Existenz des Staats, als Regierung, ist ohne ihn fertig und seine +Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft ist ohne den Staat fertig. Nur im +Widerspruch mit diesen einzig vorhandnen ||XXV.[95]| Gemeinschaften, nur +als Individuum kann er Staatsbürger sein. Seine Existenz als Staatsbürger +ist eine Existenz, die ausser seinen gemeinschaftlichen Existenzen liegt, die +also rein individuell ist. Die „gesetzgebende Gewalt" als „Gewalt" ist ja erst +die Organisation, der Gemeinkörper,,den sie erhalten soll. Vorder „gesetz +gebenden Gewalt" existirt die bürgerliche Gesellschaf t, der Privatstand nicht +als Staatsorganisation und damit er als solche zur Existenz komme, muß +seine wirkliche Organisation, das wirkliche bürgerliche Leben als nicht +vorhanden gesezt werden, denn das ständische Element der gesetzgebenden +Gewalt hat eben die Bestimmung, den Privatstand, die bürgerliche Gesell +schaft als nicht vorhanden zu setzen. Die Trennung der bürgerlichen Ge +sellschaft und des Politischen Staates erscheint nothwendig als eine Tren- +nung des politischen Bürgers, des Staatsbürgers von der bürgerlichen Ge +sellschaft, von seiner eignen wirklichen, empirischen Wirklichkeit, denn als +Staatsidealist ist er ein ganz anderes, von seiner Wirklichkeit verschiedenes, +unterschiedenes, entgegen geseztes Wesen. Die bürgerliche Gesellschaft +bewerkstelligt hier innerhalb ihrer selbst das Verhältniß des Staats und der +20 bürgerlichen Gesellschaft, welches andrerseits schon als Bureaucratie +existirt. In dem ständischen Element wird das Allgemeine wirklich für sich, +was es an sich ist, nähmlich Gegensatz zum Besondern. Der Bürger muß +seinen Stand, die bürgerliche Gesellschaft, den Privatstand von sich abthun, +um zu politischer Bedeutung und Wirksamkeit zu kommen; denn eben dieser + +15 + +25 + +Stand steht zwischen dem Individuum und dem politischen Staat. +Wenn Hegel schon das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft als Privat +stand dem politischen Staat entgegenstellt, so versteht es sich von selbst, daß +die Unterscheidungen innerhalb des Privatstandes, die verschiednen bürger +lichen Stände, nur eine Privatbedeutung in Bezug auf den Staat, keine +30 politische Bedeutung haben. Denn die verschiedenen bürgerlichen Stände +sind blos die Verwirklichung, die Existenz des Prinzips, des Privatstandes +als des Principe der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn aber das Princip auf +gegeben werden muß, so versteht es sich von selbst, daß noch mehr die +Diremtionen innerhalb dieses Princips nicht vorhanden sind für den poli- +tischen Staat. + +35 + +„Nur so" schließt Hegel den § „knüpft sich in dieser Rücksicht das im +Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an." Aber Hegel verwechselt +hier den Staat als das Ganze des Daseins eines Volkes mit dem politischen +Staat. Jenes Besondere ist nicht das „Besondere im", sondern vielmehr +40 „ausser dem Staate", nähmlich dem politischen Staate. Es ist nicht nur nicht +„das im Staate wirkliche Besondere", sondern auch die „Unwirklichkeit + +87 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +des ||[96]| Staates". Hegel will entwickeln, daß die Stände der bürgerlichen +Gesellschaft die politischen Stände sind und um dieß zu beweisen, unterstellt +er, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft die „Besonderung des +politischen Staats", d.i. daß die bürgerliche Gesellschaft die politische +Gesellschaft ist. Der Ausdruck: „Das Besondere im Staate", kann hier nur +Sinn haben als: „Die Besonderung des Staates". H. wählt aus einem bösen +Gewissen den unbestimmten Ausdruck. Er selbst hat nicht nur das Gegen +theil entwickelt, er bestätigt es noch selbst in diesem §, indem er die bürger +liche Gesellschaft als „Privatstand" bezeichnet. Sehr vorsichtig ist auch die +Bestimmung, daß sich das Besondere an das Allgemeine „anknüpft". An- +knüpfen kann man die heterogensten Dinge. Es handelt sich hier aber nicht +um einen aümähligen Uebergang, sondern um eine Transsubstantiation und +es nüzt nichts diese Kluft, die übersprungen und durch den Sprung selbst +demonstrirt wird, nicht sehn zu wollen. + +5 + +10 + +Hegel sagt in der Anmerkung: +„Dieß gehet gegen eine andere gangbare Vorstellung etc." Wir haben eben +gezeigt, wie diese gangbare Vorstellung consequent, n o t w e n d i g, eine +„notwendige Vorstellung der jetzigen Volksentwicklung" und wie H's +Vorstellung, obgleich sie auch in gewissen Kreisen sehr gangbar, nichts +destoweniger eine Unwahrheit ist. Auf die gangbare Vorstellung zurück- 20 +kommend, sagt Hegel: + +15 + +„Diese atomistische, abstrakte Ansicht verschwindet schon in der Familie +etc. etc. Der Staat aber ist etc." Abstrakt ist diese Ansicht allerdings, aber +sie ist die „Abstraktion" des politischen Staates, wie ihn Hegel selbst ent +wickelt. Atomistisch ist sie auch, aber sie ist die Atomistik der Gesellschaft +selbst. Die „Ansicht" kann nicht konkret sein, wenn der Gegenstand der +Ansicht „abstrakt" ist. Die Atomistik, in die sich die bürgerliche Gesellschaft +in ihrem politischen Akt stürzt, geht n o t w e n d ig daraus hervor, daß das +Gemeinwesen, das Communistische Wesen, worin der Einzelne existirt, die +bürgerliche Gesellschaft getrennt vom Staat oder der politische Staat eine +Abstraktion von ihr ist. + +25 + +30 + +Diese atomistische Ansicht, obschon bereits in der Familie und vielleicht +(??) auch in der bürgerlichen Gesellschaft verschwunden, kehrt im poli +tischen Staate wieder, eben weil er eine Abstraktion von der Familie und der +bürgerlichen Gesellschaft ist. Ebenso verhält es sich umgekehrt. Dadurch, 35 +daß Hegel das Befremdliche dieser Erscheinung ausspricht, hat er die +Entfremdung nicht gehoben. | + +|[97]| „Die Vorstellung" heißt es weiter „welche die in jenen Kreisen schon +vorhandnen Gemeinwesen, wo sie ins Politische, d. i. in den Standpunkt der +höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von +Individuen auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben + +40 + +88 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +10 + +15 + +20 + +von einander getrennt, und stellt dieses, so zu sagen, in die Luft, da seine +Basis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkühr und Meinung, somit das +Zufällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage ist." + +Jene Vorstellung hält nicht das bürgerliche und politische Leben getrennt; +sie ist blos die Vorstellung einer wirklich vorhandenen Trennung. +Jene Vorstellung stellt nicht das politische Leben in die Luft; sondern das +politische Leben ist das Luftleben, die ätherische Region der bürgerlichen +Gesellschaft. + +Wir betrachten nun das ständische und das repräsentative System. + +Es ist ein Fortschritt der Geschichte, der die politischen Stände in sociale +Stände verwandelt hat, so daß, wie die Christen gleich im Himmel, ungleich +auf der Erde, so die einzelnen Volksglieder gleich in dem Himmel ihrer +politischen Welt, ungleich in dem irdischen Dasein der Societät sind. Die +eigentliche Verwandlung der politischen Stände in bürgerliche ging vor sich +in der absoluten Monarchie. Die Bureaucratie machte die Idee der Einheit +gegen die verschiedenen Staaten im Staate geltend. Indessen blieb selbst +neben der Bureaucratie der absoluten Regierungsgewalt der sociale Unter +schied der Stände ein politischer, ein politischer innerhalb und neben der +Bureaucratie der absoluten Regierungsgewalt. Erst die französische Revo- +lution vollendete die Verwandlung der politischen Stände in sociale oder +machte die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft zu nur socialen +Unterschieden, zu Unterschieden des Privatlebens, welche in dem poli +tischen Leben ohne Bedeutung sind. Die Trennung des politischen Lebens +und der bürgerlichen Gesellschaft war damit vollendet. + +25 + +Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft verwandelten sich ebenfalls +damit: die bürgerliche Gesellschaft war durch ihre Trennung von der poli +tischen eine andere geworden. Stand im mittelaltrigen Sinne blieb nur mehr +innerhalb der Bureaucratie selbst, wo die bürgerliche und die politische +Stellung unmittelbar identisch sind. Dem gegenüber steht die bürgerliche +30 Gesellschaft als Privatstand. Der Ständeunterschied ist hier nicht mehr ein +Unterschied des Bedürfnisses und der Arbeit, als selbstständiger Körper. +Der einzige allgemeine, oberflächliche und formelle Unterschied ist hier nur +noch der von Stadt und Land. Innerhalb der Gesellschaft selbst aber büdete +sich der Unterschied aus in beweglichen, nicht festen Kreisen, deren Princip +die Willkühr ist. Geld und Bildung sind die Hauptcriterien. Doch wir haben +dieß nicht hier, sondern in der Kritik von Hegels Dar Stellung der bürgerlichen +Gesellschaft zu entwickeln. Genug. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft +hat weder das Bedürfniß, also ein natürliches Moment, noch die Politik zu +seinem Princip. Es ist eine Theüung von Massen, die sich flüchtig bilden, + +35 + +40 deren Büdung selbst eine willkührliche und keine Organisation ist. | + +|[98]| Das Charakteristische ist nur, daß die Besitzlosigkeit und der Stand + +89 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +der unmittelbaren Arbeit, der konkreten Arbeit weniger einen Stand der +bürgerlichen Gesellschaft, als den Boden bilden, auf dem ihre Kreise ruhen +und sich bewegen. Der eigentliche Stand, wo politische und bürgerliche +Stellung zusammenfallen, ist nur der der Mitglieder der Regierungsgewalt. +Der jetzige Stand der Societät zeigt schon dadurch seinen Unterschied von +dem ehemaligen Stand der bürgerlichen Gesellschaft, daß er nicht, wie +ehemals, als ein Gemeinschaftliches, als ein Gemeinwesen das Individuum +hält, sondern daß es theils Zufall, theils Arbeit etc. des Individuums ist, ob +es sich in seinem Stande hält oder nicht; ein Stand, der selbst wieder nur eine +äusserliche Bestimmung des Individuums, denn weder ist er seiner Arbeit +inhärent, noch verhält er sich zu ihm als ein nach festen Gesetzen organisirtes +und in festen Beziehungen zu ihm stehendes objektives Gemeinwesen. Er +steht vielmehr in gar keiner wtklichen Beziehung zu seinem substantiellen +Thun, zu seinem wtklichen Stand. Der Arzt bildet keinen besondren Stand +in der bürgerlichen Gesellschaft. Der eine Kaufmann gehört einem andern +Stand an, als der andere, einer andren socialen Stellung. Wie nämlich die +bürgerliche Gesellschaft sich von der politischen, so hat sich die bürgerliche +Gesellschaft innerhalb ihrer selbst getrennt, den Stand und die sociale +Stellung, so manche Relationen auch zwischen beiden stattfinden. Das +Princip des bürgerlichen Standes oder der bürgerlichen Gesellschaft ist der +Genuß und die Fähigkeit zu gemessen. + +In seiner politischen Bedeutung macht sich das Glied der bürgerlichen +Gesellschaft los von seinem Stande, seiner wirklichen Privatstellung; hier +ist es allein, daß es als Mensch zur Bedeutung kommt oder daß seine Be +stimmung als Staatsglied, als sociales Wesen als seine menschliche Bestim- +mung erscheint. Denn alle seine anderen Bestimmungen in der bürgerlichen +Gesellschaft erscheinen als dem Menschen, dem Individuum unwesentlich, +als äussere Bestimmungen, die zwar n o t w e n d ig sind zu seiner Existenz im +Ganzen, d. h. als ein Band mit dem Ganzen, ein Band, das es aber eben so +sehr wieder fortwerfen kann. (Die jetzige bürgerliche Gesellschaft ist das +durchgeführte Princip des Individualismus; die Individuelle Existenz ist der +lezte Zweck: Thätigkeit, Arbeit, Inhalt etc. sind nur Mittel.) + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +Die ständische Verfassung, wo sie nicht eine Tradition des Mittelalters ist, +ist der Versuch, theils in der politischen Sphäre selbst den Menschen in die +Beschränktheit seiner Privatsphäre zurückzustürzen, seine Besonderheit zu 35 +seinem substantiellen Bewußtsein zu machen und dadurch, daß politisch der +Ständeunterschied existirt, ihn auch wieder zu einem socialen zu machen. + +Der wtkliche Mensch ist der Privatmensch der jetzigen Staatsverfas + +sung. + +Der Stand hat überhaupt die Bedeutung, daß der Unterschied, die Tren- +nung das Bestehn des Einzelnen ist. Die Weise seines Lebens, Thätigkeit etc. + +40 + +90 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +statt ihn zu einem Glied, zu einer Funktion der Gesellschaft zu machen, +macht ihn zu einer Ausnahme von der Gesellschaft; ist sein Privilegium. Daß +dieser Unterschied nicht nur ein individueller ist, sondern sich als Gemein +wesen, Stand, Corporation befestigt, hebt nicht nur nicht seine exclusive +5 Natur auf, sondern ist vielmehr nur ihr Ausdruck. Statt daß die einzelne +Funktion Funktion der Societät wäre, macht sie vielmehr die einzelne +Funktion zu einer Societät für sich. | + +|XXVI.[99]| Nicht nur basirt der Stand auf der Trennung der Societät als +dem herrschenden Gesetz, er trennt den Menschen von seinem allgemeinen +10 Wesen, er macht ihn zu einem Thier, das unmittelbar mit seiner Bestimmtheit +zusammenfällt. Das Mittelalter ist die Thiergeschichte der Menschheit, ihre +Zoologie. + +Die moderne Zeit, die Civilisation begeht den umgekehrten Fehler. Sie +trennt das gegenständliche Wesen des Menschen, als ein nur äusserliches, +15 materielles von ihm. Sie nimmt nicht den Inhalt des Menschen als seine + +wahre Wirklichkeit. + +Das Weitere hierüber ist in dem Abschnitt: „bürgerliche Gesellschaft" zu + +entwickeln. Wir kommen zu + +§ 304. „Den in den früheren Sphären bereits vorhandenen Unterschied der +20 Stände enthalt das politisch-ständische Element zugleich in seiner eigenen + +Bedeutung." + +Wir haben bereits gezeigt, daß der „in den früheren Sphären bereits +vorhandene Unterschied der Stände" gar keine Bedeutung für die politische +Sphäre oder nur die Bedeutung eines privaten, also eines nicht-politischen +25 Unterschiedes hat. Allein er hat nach Hegel hier auch nicht seine „bereits +vorhandene Bedeutung", (die Bedeutung, die er in der bürgerlichen Ge +sellschaft hat), sondern das „politisch-ständische Element" affirmirt, indem +es ihn aufnimmt, sein Wesen und in die politische Sphäre eingetaucht erhält +er eine „eigene", diesem Element und nicht ihm angehörige Bedeutung. + +30 + +35 + +40 + +Als noch die Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft politisch oder der +Politische Staat die bürgerliche Gesellschaft war, war diese Trennung und +Verdopplung der Bedeutung der Stände nicht vorhanden. Sie bedeuteten +nicht dieses in der bürgerlichen und ein anderes in der politischen Welt. Sie +erhielten keine Bedeutung in der politischen Welt, sondern sie bedeuteten +sich selbst. Der Dualismus der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen +Staates, den die ständische Verfassung durch eine Reminiszenz zu lösen +meint, tritt in ihr selbst so hervor, daß der Unterschied der Stände, (das +Unterschiedensein der bürgerlichen Gesellschaft in sich) in der politischen +Sphäre eine andre Bedeutung erhält, als in der bürgerlichen. Es ist hier +anscheinend Identität, dasselbe Subject, aber in einer wesentlich verschie +denen Bestimmung, also in Wahrheit ein doppeltes Subject und diese illuso- + +91 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +rische Identität (sie ist schon deßhalb illusorisch, weil zwar das wirkliche +Subjekt, der Mensch, in den verschiedenen Bestimmungen seines Wesens, +sich selbst gleich bleibt, seine Identität nicht verliert; aber hier ist nicht der +Mensch Subjekt, sondern der Mensch ist mit einem Prädicat, (dem Stand) +identifient und zugleich wird behauptet, daß er in dieser bestimmten Be- +stimmtheit in nun einer andern Bestimmtheit, daß er als dieß bestimmte +ausschliessende Beschränkte ein anderes als dieses Beschränkte ist) wird +dadurch künstlich durch die Reflection aufrecht erhalten, daß einmal der +bürgerliche Ständeunterschied ||[100]| als solcher eine Bestimmung erhält, die +ihm erst aus der politischen Sphäre erwachsen soll, das andremal umgekehrt 10 +der Ständeunterschied in der politischen Sphäre eine Bestimmung erhält, die +nicht aus der politischen Sphäre, sondern aus dem Subjekt der bürgerlichen +hervorgeht. Um das eine beschränkte Subjekt, den bestimmten Stand, (den +Ständeunterschied) als das wesentliche Subjekt beider Prädicate darzu +stellen oder um die Identität beider Prädicate zu beweisen, werden sie beide 15 +mystifient und in illusorischer Unbestimmter Doppelgestalt entwickelt. + +5 + +Es wird hier dasselbe Subjekt in verschiedenen Bedeutungen genommen, +aber die Bedeutung ist nicht die Selbstbestimmung, sondern eine allegorí- +sche, untergeschobene Bestimmung. Man könnte für dieselbe Bedeutung ein +andres konkretes Subjekt, man könnte für dasselbe Subjekt eine andere +Bedeutung nehmen. Die Bedeutung, die der bürgerliche Ständeunterschied +in der poütischen Sphäre erhält, geht nicht aus ihm, sondern aus der poli +tischen Sphäre hervor und er könnte hier auch eine andere Bedeutung haben, +was denn auch historisch der Fall war. Ebenso umgekehrt. Es ist dieß die +unkritische, die mystische Weise eine alte Weltanschauung im Sinne einer +neuen zu interpretiren, wodurch sie nichts als ein unglückliches Zwitterding +wird, worin die Gestalt die Bedeutung und die Bedeutung die Gestalt belügt +und weder die Gestalt zu ihrer Bedeutung und zur wirklichen Gestalt, noch +die Bedeutung zur Gestalt und zur wirklichen Bedeutung wird. Diese Un- +kritik, dieser Mysticismus ist sowohl das Räthsel der modernen Verfassun- +gen (κατ' εξοχήν der ständischen) wie auch das Mysterium der hegelschen +Philosophie, vorzugsweise der Rechts und Religionsphilosophie. + +Am besten befreit man sich von dieser Illusion, wenn man die Bedeutung +als das nimmt, was sie ist, als die eigentliche Bestimmung, sie als solche zum +Subjekt macht und nun vergleicht, ob das ihr angeblich zugehörige Subjekt +ihr wirkliches Prädicat ist, ob es ihr Wesen und wahre Verwirklichung +darstellt. + +20 + +25 + +30 + +35 + +„Seine (des politisch-ständischen Elementes) zunächst abstrakte Stellung, +nämlich des Extrems der empirischen Allgemeinheit gegen das fürstliche +oder monarchische Princip überhaupt,—in der nur die Möglichkeit ||[101 ]| der +Uebereinstimmung, und damit ebenso die Möglichkeit feindlicherEntgegen- + +40 + +92 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +setzung liegt, — diese abstrakte Stellung wird nur dadurch zum vernünftigen +Verhältnisse (zum Schlüsse, vgl. Anmerkung zu § 302), daß ihre Vermittelung +zur Existenz kommt." + +Wir haben schon gesehn, daß die Stände gemeinschaftlich mit der Re- +gierungsgewalt die Mitte zwischen dem monarchischen Princip und dem +Volk büden, zwischen dem Staatswillen, wie er als ein empirischer Wille und +wie er als viele empirische Willen existirt, zwischen der empirischen Ein +zelnheit und der empirischen Allgemeinheit. Hegel mußte, wie er den Willen +der bürgerlichen Gesellschaft als empirische Allgemeinheit, so den fürst- +liehen als empirische Einzelnheit bestimmen; aber er spricht den Gegensatz + +nicht in seiner ganzen Schärfe aus. + +Hegel fährt fort: „Wie von Seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungs +gewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von Seite der Stände +aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich +als Moment der Mitte zu sein." + +5 + +10 + +15 + +Allein die wahren Gegensätze sind Fürst und bürgerliche Gesellschaft. +Und wir haben schon gesehn, dieselbe Bedeutung, welche die Regierungs +gewalt von Seite des Fürsten, hat das ständische Element von Seiten des +Volkes. Wie jene in einem verzweigten Kreislauf emanirt, so condensirt sich +20 dieses in eine Miniaturausgabe, denn die constitutionelle Monarchie kann +sich blos mit dem Volk en miniature vertragen. Das ständische Element ist +ganz dieselbe Abstraktion des politischen Staates von Seiten der bürger +lichen Gesellschaft, welche die Regierungsgewalt von Seiten des Fürsten ist. +Es scheint also die Vermittelung vollständig zu Stande gekommen zu sein. +25 Beide Extreme haben von ihrer Sprödigkeit abgelassen, das Feuer ihres +besondren Wesens entgegengeschickt und die gesetzgebende Gewalt, deren +Elemente ebenso wohl die Regierungsgewalt als die Stände sind, scheint +nicht erst die Vermittelung zur Existenz kommen lassen zu müssen, sondern +selbst schon die zur Existenz gekommene Vermittelung zu sein. Auch hat +Hegel schon das ständische Element gemeinschaftlich mit der Regierungs +gewalt als die Mitte zwischen Volk und Fürst, (ebenso das ständische +Element als die Mitte zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Regierung etc) +bezeichnet. Das vernünftige Verhältniß, der Schluß scheint also fertig zu +sein. Die gesetzgebende Gewalt, die Mitte, ist ein Mixtum Compositum der +beiden Extreme, des fürstlichen Principe und der bürgerlichen Gesellschaft; +der empirischen Einzelnheit und der empirischen Allgemeinheit, des Sub +jects und des Prädicats. Hegel ||[102]| faßt überhaupt den Schluß als Mitte, +als ein Mixtum Compositum. Man kann sagen, daß in seiner Entwicklung +des Vernunftschlusses die ganze Transcendenz und der mystische Dualis- +40 mus seines Systems zur Erscheinung kommt. Die Mitte ist das hölzerne + +30 + +35 + +Eisen, der vertuschte Gegensatz zwischen Allgemeinheit und Einzelnheit. + +93 + + Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie + +Zunächst bemerken wir über diese ganze Entwicklung, daß die „Ver- +mittelung" die Hegel hier zu Stande bringen will, keine Forderung ist, die +er aus dem Wesen der gesetzgebenden Gewalt, aus ihrer eignen Bestimmung, +sondern vielmehr aus Rücksicht auf eine ausser ihrer wesentlichen Bestim +mung liegenden Existenz herleitet. Es ist eine Construction der Rücksicht. +Die gesetzgebende Gewalt vorzugsweise wird nur mit Rücksicht auf ein +drittes entwickelt. Es ist daher vorzugsweise die Construction ihres formel +len Daseins, welche alle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Die gesetz +gebende Gewalt wird sehr diplomatisch construirt. Es folgt dieß aus der +falschen, illusorischen κατ' εξοχήν politischen Stellung, die die gesetz- 10 +gebende Gewalt im modernen Staat, (dessen Interpret Hegel ist) hat. Es folgt +daraus von selbst, daß dieser Staat kein wahrer Staat ist, weil in ihm die +staatlichen Bestimmungen, deren eine die gesetzgebende Gewalt ist, nicht +an und für sich, nicht theoretisch, sondern praktisch betrachtet werden +müssen, nicht als selbstständige, sondern als mit einem Gegensatz behaftete 15 +Mächte, nicht aus der Natur der Sache, sondern nach den Regeln der Con +vention. + +5 + +Also das ständische Element sollte eigentlich „gemeinschaftlich mit der +Regierungsgewalt", die Mitte zwischen dem Willen der empirischen Einzeln +heit, dem Fürsten, und dem Willen der empirischen Allgemeinheit, der 20 +bürgerlichen Gesellschaft sein, allein in Wahrheit, realiter ist „seine Stel +lung" eine „zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empi +rischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Prinzip über +haupt, in der nur die Möglichkeit der Uebereinstimmung, und damit ebenso +die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt", eine, wie Hegel richtig +bemerkt „abstrakte Stellung". + +25 + +Zunächst scheint es nun, daß hier weder das „Extrem der empirischen +Allgemeinheit", noch das „fürstliche oder monarchische Princip", das +Extrem der empirischen Einzelnheit sich gegenüberstehn. | + +30 + +|XXVII.[103]| Denn von Seiten der bürgerlichen Gesellschaft sind die +Stände, wie von Seiten des Fürsten die Regierungsgewalt deputirt. Wie das +fürstliche Princip in der deputirten Regierungsgewalt aufhört, das Extrem +der empirischen Einzelnheit zu sein, und vielmehr in ihr den „grundlosen" +Willen auf gjebt, sich zu der „Endlichkeit" des Wissens und der Verantwort +lichkeit und des Denkens herabläßt, so scheint in dem ständischen Element 35 +die bürgerliche Gesellschaft nicht mehr empirische Allgemeinheit, sondern +ein sehr bestimmtes Ganzes zu sein, das ebenso sehr den „Sinn und die +Gesinnung des Staates und der Regierung, als der Interessen der besonderen +Kreise und der Einzelnen hat". (§ 302.) Die bürgerliche Gesellschaft hat in +ihrer ständischen Miniaturausgabe aufgehört die „empirische Allgemein- 40 +heit" zu sein. Sie ist vielmehr zu einem Ausschuß, zu einer sehr bestimmten + +94 + + r + +¡É + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Zahl herabgesunken und wenn der Fürst in der Regierungsgewalt sich +empirische Allgemeinheit, so hat sich die bürgerliche Gesellschaft in den +Ständen empirische Einzelnheit oder Besonderheit gegeben. Beide sind zu +einer Besonderheit geworden. + +5 Der einzige Gegensatz, der hier noch möglich ist, scheint der zwischen den +beiden Repräsentanten der beiden Staatswillen, zwischen den beiden +Emanationen, zwischen dem Regierungselement und dem ständischen +Element der gesetzgebenden Gewalt, scheint also ein Gegensatz innerhalb +der gesetzgebenden Gewalt selbst zu sein. Die „gemeinschaftliche" Ver +io mittelung scheint auch recht geeignet, sich wechselseitig in die Haare zu +fallen. In dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt hat sich die +empirische, unzugängliche Einzelnheit des Fürsten verirdischt in einer Zahl +beschränkter, faßbarer, verantwortlicher Personalitäten und in dem stän +dischen Element hat sich die bürgerliche Gesellschaft verhimmlischt in eine +15 Zahl politischer Männer. Beide Seiten haben ihre Unfaßbarkeit verloren. Die +fürstliche Gewalt das unzugängliche, ausschließliche empirische Eins, die +bürgerliche Gesellschaft das unzugängliche, verschwimmende empirische +All, die Eine ihre Sprödigkeit, die andere ihre Flüssigkeit. In dem ständischen +Element einerseits, und dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt +20 andrerseits, welche zusammen bürgerliche Gesellschaft und Fürst vermitteln +wollten, scheint also erst der Gegensatz zu einem Kampf gerechten Gegen +satz, aber auch zu einem unversöhnlichen Widerspruch gekommen zu +sein. + +I + +|[104]| Diese „ Vermittelung" hat es also auch erst recht nöthig, wie Hegel +richtig entwickelt, „daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt". Sie selbst + +25 + +ist vielmehr die Existenz des Widerspruches als der Vermittelung. + +Daß diese Vermittelung von Seiten des ständischen Elementes bewirkt + +werde, scheint Hegel ohne Grund zu behaupten. Er sagt: + +„Wie von Seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon +30 diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus, ein +Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das +Moment der Mitte zu existiren." + +35 + +Allein wir haben schon gesehn, Hegel stellt hier wülkührlich und incon +sequent Fürst und Stände als Extreme gegenüber. Wie von Seiten der fürst- +liehen Gewalt die Regierungsgewalt, so hat von Seiten der bürgerlichen +Gesellschaft das ständische Element diese Bestimmung. Sie stehn nicht nur +mit der Regierungsgewalt gemeinschaftlich zwischen Fürst und bürgerlicher +Gesellschaft, sie stehn auch zwischen der Regierung überhaupt und dem +Volk. (§ 302.) Sie thun von Seiten der bürgerlichen Gesellschaft mehr, als +40 die Regierungsgewalt von Seiten der fürstlichen Gewalt thut, da diese ja +sogar selbst als Gegensatz dem Volke gegenübersteht. Sie hat also das Maaß + +95 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +der Vermittelung voll gemacht. Warum also diesen Esel mit noch mehr +Säcken bepacken? Warum soll denn das ständische Element überall die +Eselsbrücke bilden, sogar zwischen sich selbst und seinem Gegner? Warum +ist es überall die Aufopferung selbst? Soll es sich selbst eine Hand abhauen, +damit es nicht mit beiden seinem Gegenmann, dem Regierungselement der +gesetzgebenden Gewalt Widerpart halten kann? + +5 + +Es kömmt noch hinzu, daß Hegel zuerst die Stände aus den Korporationen, +Standesunterschieden etc. hervorgehn ließ, damit sie keine „blose empiri +sche Allgemeinheit" seien und daß er sie jezt umgekehrt zur „blosen em +pirischen Allgemeinheit" macht, um den Standesunterschied aus ihnen 10 +hervorgehn [zu] lassen! Wie der Fürst durch die Regierungsgewalt als ihren +Christus mit der bürgerlichen Gesellschaft, so vermittelt sich die Gesell +schaft durch die Stände als ihre Priester mit dem Fürsten. | + +j[105]| Es scheint nun vielmehr die Rolle der Extreme, der fürstlichen +Gewalt (empirische Einzelnheit) und der bürgerlichen Gesellschaft (empi- 15 +rische Allgemeinheit) sein zu müssen, vermittelnd zwischen „ihre Vermitte +lung zu treten", um so mehr da es „zu den wichtigsten logischen Einsichten +gehört, daß ein bestimmtes Moment,, das als im Gegensatz stehend die Stel +lung eines Extrems hat, es dadurch zu sein aufhört und organisches Moment +ist, daß es zugleich Mitte ist". (§ 302. Anmerk.) Die bürgerliche Gesellschaft 20 +scheint diese Rolle nicht übernehmen zu können, da sie in der „gesetz +gebenden Gewalt" als sie selbst, als Extrem keinen Sitz hat. Das andere +Extrem, das sich als solches inmitten der gesetzgebenden Gewalt befindet, +das fürstliche Princip, scheint also den Mittler zwischen dem ständischen +und dem Regierungselement bilden zu müssen. Es scheint auch dazu quali- 25 +ficirt [zu] sein. Denn einerseits ist in ihm das Ganze des Staats also auch +die bürgerliche Gesellschaft repräsentirt und speziell hat es mit den Stän +den die „empirische Einzelnheit" des Willens gemein, da die empirische +Allgemeinheit nur wirklich ist, als empirische Einzelnheit. Es steht ferner +der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur als Formel, als Staatsbewußtsein +gegenüber, wie die Regierungsgewalt. Es ist selbst Staat, es hat das ma +terielle, natürliche Moment mit der bürgerlichen Gesellschaft gemein. +Andrerseits ist der Fürst die Spitze und der Repräsentant der Regierungs +gewalt. (Hegel, der alles umkehrt, macht die Regierungsgewalt zum Re +präsentanten, zur Emanation des Fürsten. Weil er bei der Idee, deren Dasein 35 +der Fürst sein soll, nicht die wirkliche Idee der Regierungsgewalt, nicht die +Regierungsgewalt als Idee, sondern das Subjekt der absoluten Idee vor +Augen hat, die im Fürsten körperlich existirt, so wird die Regierungsgewalt +zu einer mystischen Fortsetzung der in seinem Körper (dem fürstlichen +Körper) existirenden Seele.) + +30 + +40 + +Der Fürst mußte also in der gesetzgebenden Gewalt die Mitte zwischen + +96 + + F + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +der Regierungsgewalt und dem ständischen Element bilden, allein die Re +gierungsgewalt ist ja die Mitte zwischen ihm und der ständischen und die +ständische zwischen ihm und der bürgerlichen Gesellschaft! Wie sollte er +das untereinander vermitteln, dessen er zu seiner Mitte nöthig hat, um kein +einseitiges Extrem zu sein? | + +5 + +10 + +|[106]| Hier tritt das ganze Ungereimte dieser Extreme, die abwechselnd +bald die Rolle des Extrems, bald der Mitte spielen hervor. Es sind Jánus- +köpf e, die sich bald von vorn, bald von hinten zeigen und vorn einen andern +Charakter haben, als hinten. Das, was zuerst als Mitte zwischen zwei Ex- +tremen bestimmt, tritt nun selbst als Extrem auf und das eine der zwei +Extreme, das durch es mit dem andern vermittelt war, tritt nun wieder als +Extrem (weil in seiner Unterscheidung von dem andern Extrem) zwischen +sein Extrem und seine Mitte. Es ist eine wechselseitige Bekomplimentirung. +Wie wenn ein Mann zwischen zwei Streitende tritt, und nun wieder einer der +15 Streitenden zwischen den vermittelnden Mann und den Streitenden. Es ist +die Geschichte von dem Mann und der Frau, die sich stritten und von dem +Arzt, der als Vermittler zwischen sie treten wollte, wo nun wieder die Frau +den Arzt mit ihrem Mann und der Mann seine Frau mit dem Arzt vermitteln +mußte. Es ist, wie der Löwe im Sommernachtstraum, der ausruft: Ich bin +20 Löwe und ich bin nicht Löwe, sondern Squenz. So ist hier jedes Extrem bald +der Löwe des Gegensatzes, bald der Squenz der Vermittlung. Wenn das eine +Extrem ruft, jezt bin ich Mitte, so dürfen es die beiden andern nicht anrühren, +sondern nur nach dem andern schlagen, das eben Extrem war. Man sieht, +es ist eine Gesellschaft, die Kampflustig im Herzen ist, aber zu sehr die +25 blauen Flecke fürchtet, um sich wirklich zu prügeln und die beiden, die sich +schlagen wollen, richten es so ein, daß der Dritte, der dazwischen tritt, die +Prügel bekommen soll, aber nun tritt wieder einer der beiden als der Dritte +auf und so kommen sie vor lauter Behutsamkeit zu keiner Entscheidung. +Dieses System der Vermittlung kommt auch so zu Stande, daß derselbe +30 Mann, der seinen Gegner prügeln will, ihn nach der andern Seite gegen andre +Gegner vor Prügeln beschützen muß und so in dieser doppelten Beschäfti +gung nicht zur Ausführung seines Geschäftes kommt. Es ist merkwürdig, daß +Hegel, der diese Absurdität der Vermittlung auf ihren abstrakt logischen, +daher unverfälschten, untransigirbaren Ausdruck reducirt, sie zugleich als +spekulatives Mysterium der Logik, als das ||XXVIII.[107]| vernünftige Ver +hältniß, als den Vernunftschluß bezeichnet. Wirkliche Extreme können nicht +mit einander vermittelt werden, eben weil sie wirkliche Extreme sind. Aber +sie bedürfen auch keiner Vermittelung, denn sie sind entgegengesezten +Wesens. Sie haben nichts mit einander gemein, sie verlangen einander nicht, +sie ergänzen einander nicht. Das eine hat nicht in seinem eigenen Schoos die +Sehnsucht, das Bedürfniß, die Anticipation des andern. (Wenn aber Hegel + +35 + +40 + +97 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Allgemeinheit und Einzelnheit, die abstrakten Momente des Schlusses als +wirkliche Gegensätze behandelt, so ist das eben der Grunddualismus sei +ner Logik. Das Weitere hierüber gehört in die Kritik der hegel' sehen Lo +gik.) + +Dem scheint entgegenzustehn: Les extrêmes se touchent. Nordpol und +Südpol ziehen sich an; weibliches Geschlecht und männliches ziehn sich +ebenfalls an und erst durch die Vereinigung ihrer extremen Unterschiede +wird der Mensch. + +5 + +Andrerseits. Jedes Extrem ist sein anderes Extrem. Der abstrakte Spi + +ritualismus ist abstrakter Materialismus; der abstrakte Materialismus ist der +abstrakte Sptitualismus der Materie. + +1 o + +20 + +Was das erste betrifft, so sind Nordpol und Südpol beide Pol; ihr Wesen +ist identisch; ebenso sind weibliches und männliches Geschlecht, beide eine +Gattung, ein Wesen, menschliches Wesen. Nord und Süd sind entgegen +gesezte Bestimmungen eines Wesens; der Unterschied eines Wesens auf 15 +seiner höchsten Entwicklung. Sie sind das diïferenzirteWesen. Sie sind, was +sie sind, nur als eine unterschiede Bestimmung und zwar als diese unter- +schiedne Bestimmung des Wesens. Wahre wirkliche Extreme wären Pol und +Nichtpol, menschliches und unmenschliches Geschlecht. Der Unterschied +ist hier ein Unterschied der Existenz; dort ein Unterschied der Wesen, zwei +Wesen. Was das zweite betrifft, so liegt hier die Hauptbestimmung darin, +daß ein Begriff (Dasein etc.) abstrakt gefaßt wird, daß er nicht als selbst +ständig, sondern als eine Abstraktion von einem andern und nur als diese +Abstraktion Bedeutung hat; also z. B. der Geist nur die Abstraktion von der +Materie ist. Es versteht sich dann von selbst, daß er eben, weil diese Form 25 +seinen Inhalt ausmachen soll, vielmehr das abstrakte Gegentheil, der Gegen +stand, von dem er abstrahirt, in seiner Abstraktion, also hier der abstrakte +Materialismus sein reales Wesen ist. Wäre die Differenz ||[108]| innerhalb der +Existenz eines Wesens, nicht verwechselt worden, theils mit der verselbst- +ständigten Abstraktion (versteht sich nicht von einem andern, sondern +eigentüch von sich selbst) theils mit dem wtklichen Gegensatz sich wechsel +seitig ausschliessender Wesen, so wäre ein dreifacher Irrthum verhindert +worden 1) daß, weil nur das Extrem wahr sei, jede Abstraktion und Einseitig +keit sich für wahr hält, wodurch ein Princip statt als Totalität in sich selbst +nur als Abstraktion von einem andern erscheint; 2) daß die Entschiedenheit 35 +wtklicher Gegensätze, ihre Bildung zu Extremen, die nichts anderes ist, als +sowohl ihre Selbsterkenntniß, wie ihre Entzündung zur Entscheidung des +Kampfes, als etwas möglicher Weise zu verhinderndes oder schädliches +gedacht wird; 3) daß man ihre Vermittelung versucht. Denn so sehr beide +Extreme in ihrer Existenz als wirklich auftreten und als Extreme, so liegt 40 +es doch nur in dem Wesen des einen, Extrem zu sein und es hat für das andre + +30 + +98 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +nicht die Bedeutung der wahren Wirklichkeit. Das eine greift über das andre +über. Die Stellung ist keine gleiche. Ζ. B. Christenthum oder Religion über +haupt und Philosophie sind Extreme. Aber in Wahrheit bildet die Religion +zur Philosophie keinen wahren Gegensatz. Denn die Philosophie begreift die +5 Religion in ihrer illusorischen Wirklichkeit. Sie ist also für die Philosophie, +sofern sie eine Wirklichkeit sein will, in sich selbst aufgelöst. Es giebt keinen +wirkliehen Dualismus des Wesens. Später mehr hierüber. + +10 + +Es fragt sich, wie kömmt Hegel überhaupt zu dem Bedürfniß einer neuen +Vermittelung von Seiten des ständischen Elementes? Oder theilt Hegel mit +„das häufige, aber höchst gefährliche Vorurtheil, Stände hauptsächlich im +Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als ob dieß ihre +wesentliche Stellung wäre, vorzustellen"?? (§ 302 Anmerk.) + +Die Sache ist einfach die: Einerseits haben wir gesehn, daß in der „ge +setzgebenden Gewalt" die bürgerliche Gesellschaft als „ständisches" Ele- +15 ment und die fürsüiche Macht als „Regierungselement" sich erst zum + +wirklichen unmittelbar praktischen Gegensatz begeistet haben. + +20 + +Andrerseits: Die gesetzgebende Gewalt ist Totalität. Wir finden in ihr 1) +die Deputation des fürstlichen Principe, die „Regierungsgewalt"; 2) die +Deputation der bürgerlichen Gesellschaft, das „ständische" Element; aber +ausserdem befindet sich in ihr 3) das eine Extrem als solches, das fürstliche +Princip, während das andere Extrem, ||[109]| die bürgerliche Gesellschaft als +solches sich nicht in ihr befindet. Dadurch wird erst das „ständische" Ele +ment zu dem Extrem des „fürstlichen" Princips, das eigentlich die bürger +liche Gesellschaft sein sollte. Erst als „ständisches" Element organisirt sich, +25 wie wir gesehn haben, die bürgerliche Gesellschaft zu einem politischen Da +sein. Das „ständische" Element ist ihr politisches Dasein, ihre Transsubstan +tiation in den politischen Staat. Die „gesetzgebende Gewalt" ist daher, wie +wir gesehn, erst der eigentliche politische Staat in seiner Totalität. Hier ist +also 1) fürstliches Princip, 2) Regierungsgewalt, 3) bürgerliche Gesellschaft. +30 Das „ständische" Element ist „die bürgerliche Gesellschaft des politischen +Staates", der „gesetzgebenden Gewalt". Das Extrem, das die bürgerliche +Gesellschaft zum Fürsten bilden sollte, ist daher das „ständische" Element. +(Weil die bürgerliche Gesellschaft die Unwirklichkeit des politischen Da +seins, so ist das politische Dasein der bürgerlichen Gesellschaft ihre eigne +35 Auflösung, ihre Trennung von sich selbst.) Ebenso büdet es daher einen + +Gegensatz zur Regierungsgewalt. + +Hegel bezeichnet daher auch das „ständische" Element wieder als das +„Extrem der empirischen Allgemeinheit", das eigentlich die bürgerliche +Gesellschaft selbst ist. (Hegel hat daher unnützer Weise das politisch-stän- +40 dische Element aus den Corporationen und unterschiednen Ständen her- +vorgehn lassen. Dieß hätte blos Sinn, wenn nun die unterschiednen Stände + +99 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +5 + +als solche die gesetzgebenden Stände wären, also der Unterschied der +bürgerlichen Gesellschaft, die bürgerliche Bestimmung re vera die politische +Bestimmung. Wir hätten dann nicht eine gesetzgebende Gewalt des Staats +ganzen, sondern die gesetzgebende Gewalt der verschiednen Stände und +Korporationen und Klassen über das Staatsganze. Die Stände der bürger- +liehen Gesellschaft empfingen keine politische Bestimmung, sondern sie +bestimmten den politischen Staat. Sie machten ihre Besonderheit zur be +stimmenden Gewalt des Ganzen. Sie wären die Macht des Besondren über +das Allgemeine. Wir hätten auch nicht eine gesetzgebende Gewalt, sondern +mehre Gesetzgebende Gewalten, die unter sich und mit der Regierung trans- 10 +igirten. Allein Hegel hat die moderne Bedeutung des ständischen Elements, +die Verwirklichung des Staatsbürgerthums des bourgeois zu sein, vor Augen. +Er will, daß das „An und für sich Allgemeine", der politische Staat nicht von +der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt wird, sondern umgekehrt sie be +stimmt. Während er also die Gestalt des mittelaltrig ständischen Elementes 15 +aufnimmt, giebt er ihm die entgegengesezte Bedeutung, von dem Wesen des +politischen Staates bestimmt zu werden. Die Stände, als Repräsentanten der +Corporationen etc. wären nicht die „empirische Allgemeinheit", sondern die +„empirische Besonderheit", die „Besonderheit der Empirie"!) Die „gesetz +gebende Gewalt" bedarf daher in sich selbst der Vermittlung, ||[110]| d.h. +einer Vertuschung des Gegensatzes, und diese Vermittlung muß vom +„ständischen Element" ausgehn, weil das ständische Element innerhalb der +gesetzgebenden Gewalt die Bedeutung der Repräsentation der bürgerlichen +Gesellschaft verliert und zum primären Element wird, selbst die bürgerliche +Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt ist. Die „gesetzgebende Gewalt" 25 +ist die Totalität des politischen Staates, eben daher der zur Erscheinung +getriebene Widerspruch desselben. Sie ist daher ebenso sehr seine gesezte +Auflösung. Ganz verschiedene Principien karambuliren in ihr. Es erscheint +dieß allerdings als Gegensatz der Elemente des fürstlichen Princips und des +Prineips des ständischen Elements etc. In Wahrheit aber ist es die Antinomie 30 +des politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft, der Widerspruch +des abstrakten politischen Staates mit sich selbst. Die gesetzgebende Gewalt +ist die gesezte Revolte. (Hegels Hauptfehler besteht darin, daß er den +Widerspruch der Erscheinung als Einheit in der Idee \ im Wesen faßt, +während er allerdings ein tieferes zu seinem Wesen hat, nähmlich einen 35 +wesentlichen Widerspruch, wie z.B. hier der Widerspruch der gesetz +gebenden Gewalt in sich selbst nur der Widerspruch des politischen Staats, +also auch der bürgerlichen Gesellschaft mit sich selbst ist. + +20 + +Die vulgäre Kritik verfällt in einen entgegengesezten, dogmatischen +Irrthum. So critisirt sie z. B. die Constitution. Sie macht auf die Entgegen- 40 +setzung der Gewalten aufmerksam etc. Sie findet überall Widersprüche. Das + +100 + + Rutscher Bundestee +8íbHoth*k + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +10 + +15 + +20 + +ist selbst noch dogmatische Kritik, die mit ihrem Gegenstand kämpft, so wie +man früher etwa das Dogma der heiligen Dreieinigkeit durch den Wider +spruch von 1 und 3 beseitigte. Die wahre Kritik dagegen zeigt die innere +Genesis der heiligen Dreieinigkeit im menschlichen Gehirn. Sie beschreibt +ihren Geburtsakt. So weist die wahrhaft phüosophische Kritik der jetzigen +Staatsverfassung nicht nur Widersprüche als bestehend auf, sie erklärt sie, +sie begreift ihre Genesis, ihre Nothwendigkeit. Sie faßt sie in ihrer eigen- +thiimlichen Bedeutung. Dieß Begreifen besteht aber nicht, wie Hegel meint, +darin, die Bestimmungen des logischen Begriffes überall wieder zu erkennen, +sondern die eigentümliche Logik des eigenthümlichen Gegenstandes zu +fassen.) + +Hegel drückt dieß so aus, daß in der Stellung des politisch-ständischen +Elementes zum fürstlichen „nur die Möglichkeit der Uebereinstimmung, und +damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt". | + +|XXIX.[111]| Die Möglichkeit der Entgegensetzung liegt überall, wo ver +schiedene Willen zusammentreffen. Hegel sagt selbst, daß die „Möglichkeit +der Uebereinstimmung" die „Möglichkeit der Entgegensetzung" ist. Er muß +also jezt ein Element bilden, was die „ Unmöglichkeit der Entgegensetzung" +und die „ Wkklichkeit der Uebereinstimmung" ist. Ein solches Element wäre +also ohne die Freiheit der EntSchliessung und des Denkens, dem fürstlichen +Willen und der Regierung gegenüber. Es gehörte also nicht mehr zum +„ständisch politischen" Element. Es wäre vielmehr ein Element des fürst +lichen Willens und der Regierung und befände sich in demselben Gegensatz +zum wirklichen ständischen Element, wie die Regierung selbst. + +25 + +Sehr wird diese Forderung schon herabgestimmt durch den Schluß + +des §: + +„Wie von Seiten der f ürsüichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon +diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment +derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der + +30 Mitte zu existiren." + +Das Moment, was von Seite der Stände abgeschickt wird, muß die um +gekehrte Bestimmung haben als die Regierungsgewalt von Seiten der Fürsten +hat, da fürstliches und ständisches Element entgegen gesezte Extreme sind. +Wie der Fürst sich in der Regierungsgewalt demokratisirt, so muß sich das +„ständische" Element in seiner Deputation monarchisten. Was Hegel also +will, ist ein fürstliches Moment von Seiten der Stände. Wie die Regierungs +gewalt ein ständisches Moment von Seiten des Fürsten, so soll es auch ein +fürstliches Moment von Seiten der Stände geben. + +35 + +Die „Wirklichkeit der Uebereinstimmung" und die „Unmöglichkeit der +40 Entgegensetzung" verwandelt sich in folgende Forderung: Es „muß von +Seiten der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt + +101 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existiren". Nach der Bestim +mung gekehrt sein! Diese „Bestimmung" haben nach § 302 die Stände +überhaupt. Es müßte hier nicht mehr „Bestimmung", sondern „Bestimmt +heit" sein. + +Und was ist das überhaupt für eine Bestimmung, „wesentlich als das +Moment der Mitte zu existiren"? Seinem „Wesen" nach „Buridans Esel" +sein. + +I + +5 + +20 + +15 + +10 + +|[112]| Die Sache ist einfach die. +Die Stände sollen „Vermittelung" zwischen Fürstund Regierung einerseits +und Volk andrerseits sein, aber sie sind es nicht, sie sind vielmehr der or- +ganisirte politische Gegensatz der bürgerlichen Gesellschaft. Die „gesetz +gebende Gewalt" bedarf in sich selbst der Vermittelung und zwar, wie +gezeigt, einer Vermittelung von Seiten der Stände aus. Die vorausgesezte +moralische Uebereinstimmung der beiden Willen, von denen der eine der +Staatswille als fürstlicher Wille und der andere der Staatswille als der Wille +der bürgerlichen Gesellschaft ist, reicht nicht aus. Die gesetzgebende Gewalt +ist zwar erst der organisirte, totale politische Staat, aber eben in ihr erscheint, +weil in seiner höchsten Entwicklung, auch der unverhüllte Widerspruch des +politischen Staates mit sich selbst. Es muß also der Schein einer wirklichen +Identität zwischen fürstlichem und ständischem Willen gesezt werden. Das +ständische Element muß als fürstlicher Wille oder der fürstliche Wille muß +als ständisches Element gesezt werden. Das ständische Element muß sich +als die Wirklichkeit eines Willens setzen, der nicht der Wille des ständischen +Elementes ist. Die Einheit, die nicht im Wesen vorhanden ist, (sonst müßte +sie sich durch die Whksamkeit, und nicht durch die Daseinsweise des +ständischen Elementes beweisen) muß wenigstens als eine Existenz vor +handen sein, oder eine Existenz der gesetzgebenden Gewalt (des ständischen +Elementes) hat die Bestimmung diese Einheit des Nichtvereinten zu sein. +Dieses Moment des ständischen Elements, Pairskammer, Oberhaus etc. ist +die höchste Synthese des politischen Staates in der betrachteten Organi- +sation. Es ist zwar nicht damit erreicht, was Hegel will, „die Wirklichkeit +der Uebereinstimmung" und die „Unmöglichkeit feindlicher Entgegenset +zung", vielmehr bleibt es bei der „Möglichkeit der Uebereinstimmung". +Allein es ist die gesezte Illusion von der Einheit des politischen Staates mit +sich selbst (des fürstlichen und ständischen Willens, weiter dem Princip des +politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft), von dieser Einheit +als materiellem Prinzip, d. h. so daß nicht nur zwei entgegengesezte Prin +cipien sich vereinen, sondern daß die Einheit derselben Natur, Existential- +grund ist. Dieses Moment des ständischen Elementes ist die Romantik des +poütischen Staates, der Traum seiner Wesenhaftigkeit oder seiner 40 +Uebereinstimmung mit sich selbst. Es ist eine allegorische Existenz. + +35 + +30 + +25 + +102 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Es hängt nun von dem wirklichen status quo des Verhältnisses zwischen +ständischem Element und fürstlichem ab, ob diese Illusion wirksame Illusion +oder bewußte Selbsttäuschung ist. So lange Stände und fürstliche Gewalt +faktisch übereinstimmen, sich vertragen, ist die Illusion ihrer wesentlichen +5 Einheit eine wirkliche also wkksame Illusion. Im Gegenfall, wo sie ihre +Wahrheit b e t ä t i g en sollte, wird sie zur bewußten Unwahrheit und ri +dicule, + +ι + +10 + +|XXX.[113]| § 305. „Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft +enthält das Princip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung +constituirt zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich, der das +Farnilienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grundbesitz zu seiner +Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes +Wollen, und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich +schließt, mit diesem gemein hat." + +15 Wir haben schon die Inconsequenz H's. nachgewiesen, 1) das politisch +ständische Element in seiner modernen Abstraktion von der bürgerlichen +Gesellschaft etc. zu fassen, nachdem er es aus den Corporationen hat her- +vorgehn lassen; 2) es jezt wieder nach dem Ständeunterschied der bürger +lichen Gesellschaft zu bestimmen, nachdem er die politischen Stände als +solche, als das „Extrem der empirischen Allgemeinheit" schon bestimmt +hat. + +20 + +Die Consequenz wäre nun: Die politischen Stände für sich zu betrachten, +als neues Element und nun aus ihnen selbst die § 304geforderte Vermittelung +zu construiren. + +25 + +Allein sehn wir nun, wie H. den bürgerlichen Ständeunterschied wieder +hereinzieht und zugleich den Schein hervorbringt, daß nicht die Wirklich +keit und das besondere Wesen des bürgerlichen Ständeunterschiedes die +höchste politische Sphäre, die gesetzgebende Gewalt bestimmt, sondern +umgekehrt zu einem blosen Material herabsinkt, das die politische Sphäre +30 nach ihrem, aus ihr selbst hervorgehenden Bedürfniß, formirt und con- + +struirt. + +„Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Princip, +das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung constituirt zu werden, +der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich." (Der Bauernstand.) + +35 + +Worin besteht nun diese principielle Fähigkeit oder diese Fähigkeit des + +Princips des Bauernstandes? + +Er hat „das Familienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grund +besitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich +beruhendes Wollen, und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Ele- + +40 ment in sich schließt, mit diesem gemein". + +Das „auf sich beruhende Wollen" bezieht sich auf die Subsistenz, den + +103 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +„Grundbesitz", die mit dem fürstlichen Element gemeinschaftliche „Natur +bestimmung" auf das „Familienleben" als Basis. + +Die Subsistenz des „Grundbesitzes" und ein „auf sich beruhendes +Wollen" sind zwei verschiedne Dinge. Es müßte vielmehr von einem auf +„Grund und Boden ruhenden Wollen" die Rede sein. Es müßte aber vielmehr +von einem „auf der Staatsgesinnung", nicht von einem auf sich, sondern von +einem im Ganzen ruhenden Willen die Rede sein. | + +|[114]| An die Stelle der „Gesinnung", des „Besitzes des Staatsgeistes" tritt + +5 + +der „Grundbesitz". + +10 + +Was ferner das „Familienleben " als Basis angeht, so scheint die „sociale" +Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft höher zu stehn, als diese „natür +liche Sittlichkeit". Ferner ist das „Familienleben" die „natürliche Sittlich +keit" der andren Stände oder des Bürgerstandes der bürgerlichen Gesell +schaft ebensowohl als des Bauernstandes. Daß aber das „Familienleben" bei +dem Bauernstande nicht nur das Princip der Familie, sondern die Basis seines 15 +socialen Daseins überhaupt ist, scheint ihn vielmehr für die höchste politi +sche Aufgabe unfähig zu machen, indem er patriarchalische Gesetze auf eine +nicht patriarchalische Sphäre anwenden wird und das Kind oder den Vater, +den Herrn und den Knecht da geltend macht, wo es sich um den politischen +Staat, um das Staatsbürgerthum handelt. + +20 + +Was die Naturbestimmung des fürstlichen Elementes betrifft, so hat Hegel +keinen patriarchalischen, sondern einen modern konstitutionellen König +entwickelt. Seine Naturbestimmung besteht darin, daß er der körperliche +Repräsentant des Staates ist und als König geboren, oder das Königthum +seine Familienerbschaft ist, aber was hat das mit dem Familienleben als +der Basis des Bauernstandes, was hat die natürliche Sittlichkeit mit der +Naturbestimmung der Geburt als solcher gemein? Der König theilt das +mit dem Pferd, daß wie dieses als Pferd, der König als König geboren +wird. + +25 + +30 + +Hätte Hegel den von ihm angenommenen Ständeunterschied als solchen +zum politischen gemacht, so war ja schon der Bauernstand als solcher ein +selbstständiger Theil des ständischen Elements und wenn er als solcher ein +Moment der Vermittelung mit dem Fürstenthum ist, was bedurfte es dann +der Construction einer neuen Vermittelung? Und warum ihn aus dem eigent +lich ständischen Moment herausscheiden, da dieses ja nur durch die 35 +Scheidung von ihm in die „abstrakte" Stellung zum fürstlichen Element +geräth? Nachdem Hegel aber eben das politisch-ständische Element als ein +eigentümliches Element, als eine Transsubstantiation des Privatstandes in +das Staatsbürgerthum entwickelt hat und eben deßwegen der Vermittelung +bedürftig gefunden hat, wie darf Hegel nun diesen Organismus wieder 40 +auflösen in den Unterschied des Privatstandes, also in den Privatstand und + +104 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +aus diesem die Vermittelung des politischen Staates mit sich selbst her +holen? + +Ueberhaupt welche Anomalie, daß die höchste Synthese des politischen +Staates nichts andres ist als die Synthese von Grundbesitz und Familien- +leben! | + +5 + +|[115]| Mit einem Wort: +Sobald die bürgerlichen Stände als solche politische Stände sind, bedarf +es jener Vermittlung nicht und sobald es jener Vermittlung bedarf, ist der +bürgerliche Stand nicht politisch, also auch nicht jene Vermittelung. Der +10 Bauer ist dann nicht als Bauer, sondern als Staatsbürger ein Theil des po +litisch-ständischen Elementes, während umgekehrt ([er] als Bauer Staats +bürger oder als Staatsbürger Bauer ist) sein Staatsbürgerthum das Bauern +thum, er nicht als Bauer Staatsbürger, sondern als Staatsbürger Bauer ist! + +Es ist hier also eine Inconsequenz H's. innerhalb seiner eignen Anschau- +15 ungsweise, und eine solche Inconsequenz ist Accommodation. Das politisch +ständische Element ist im modernen Sinne, in dem von Hegel entwickelten +Sinne, die gesezte\vollzogne Trennung der bürgerlichen Gesellschaft von +ihrem Privatstand und seinen Unterschieden. Wie kann Hegel den Privat +stand zur Lösung der Antinomien der gesetzgebenden Gewalt in sich selbst +20 machen? Hegel will das mittelaltrig Ständische System, aber in dem mo +dernen Sinn der gesetzgebenden Gewalt und er will die moderne gesetz +gebende Gewalt aber in dem Körper des mittelaltrig ständischen Systems! +Es ist schlechtester Synkretismus. + +Anfang § 304 hieß es: „Den in den früheren Sphären bereits vorhandnen +25 Unterschied der Stände enthält das politisch-ständische Element zugleich +in seiner eignen Bestimmung." Aber in seiner eignen Bestimmung enthält +das politisch-ständische Element diesen Unterschied nur dadurch, daß es ihn +annullirt, daß es ihn in sich vernichtigt, von ihm abstrahirt. + +Wird der Bauernstand oder, wie wir weiter hören werden, der potenzirte +30 Bauernstand, der adlige Grundbesitz, als solcher auf die beschriebene Weise +zur Vermittelung des totalen politischen Staates, der gesetzgebenden Gewalt +in sich selbst gemacht, so ist das allerdings die Vermittelung des ständisch +politischen Elementes mit der fürstlichen Gewalt in dem Sinne, als es die +Auflösung des politisch-ständischen Elementes als eines wirklichen poli- +tischen Elementes ist. Nicht der Bauernstand, sondern der Stand, der Privat +stand, die Analyse (Reduction) des poütisch-ständischen Elementes in den +Privatstand ist hier die wiederhergestellte Einheit des politischen Staats mit +sich selbst. (Nicht der Bauernstand als solcher ist hier die Vermittelung, +sondern seine Trennung von dem politisch-ständischen Element in seiner +40 Qualität als bürgerlicher Privatstand; dieß daß sein Privatstand ihm eine +gesonderte Stellung in dem politisch-ständischen Element giebt, also auch + +35 + +105 + +ìk + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +der andre Theil des politisch-ständischen Elements die Stellung eines be +sondren Privatstandes erhält, also aufhört das Staatsbürgerthum der bürger +lichen Gesellschaft zu repräsentiren.) Es ist hier nun nicht mehr der politi +sche Staat als zwei entgegen gesezte Willen vorhanden, sondern auf der einen +Seite steht der politische Staat (Regierung und Fürst) und auf der andern die +bürgerliche Gesellschaft in ihrem Unterschied vom politischen Staat. (Die +verschiedenen Stände.) Damit ist denn auch der politische Staat als Totalität +aufgehoben. | + +5 + +|[116]| Der nächste Sinn der Verdopplung des politisch-ständischen Ele +mentes in sich selbst als einer Vermittlung mit der fürstlichen Gewalt ist +überhaupt, daß die Trennung dieses Elementes in sich selbst, sein eigner +Gegensatz in sich selbst seine wiederhergestellte Einheit mit der fürstlichen +Gewalt ist. Der Grunddualismus zwischen dem fürstlichen und dem stän +dischen Element der gesetzgebenden Gewalt wird neutraüsirt durch den +Dualismus des ständischen Elementes in sich selbst. Bei Hegel aber ge- 15 +schiebt diese Neutralisation dadurch daß das politisch-ständische Element +sich von seinem politischen Element selbst trennt. + +10 + +Was den Grundbesitz als Subsistenz, welche der Souverainetät des +Willens, der fürstlichen Souverainetät und das Familienleben als Basis des +Bauernstandes, welche der Naturbestimmung der Fürstlichen Gewalt ent- +sprechen soll betrifft, so kommen wir später darauf zurück. Hier im § 305 +ist das „Princip" des Bauernstandes entwickelt, „das für sich fähig ist, zu +dieser politischen Beziehung constituirt zu werden". Im + +20 + +§ 306. wird die „Constituirung" „für die politische Stellung und Bedeu +tung" vorgenommen. Sie reducirt sich darauf: „Das Vermögen wird" „ein 25 +unveräusserliches, mit dem Majorat belastetes Erbgut."Das „Majorat"w'are +also die politische Constituirung des Bauernstandes. + +„Die Begründung des Majorats", heißt es im Zusatz „liegt darin, daß der +Staat nicht auf bloße Möglichkeit der Gesinnung, sondern auf ein Nothwen- +diges rechnen soll. Nun ist die Gesinnung freilich an ein Vermögen nicht 30 +gebunden, aber der relativ notwendige Zusammenhang ist, daß, wer ein +selbstständiges Vermögen hat, von äussern Umständen nicht beschränkt ist, +und so ungehemmt auftreten und für den Staat handeln kann." + +Erster Satz. Dem Staat genügt nicht „die bloße Möglichkeit der Gesin + +nung, er soll auf ein „Nothwendiges" rechnen. + +35 + +Zweiter Satz. „Die Gesinnung ist an ein Vermögen nicht gebunden", d. h. + +die Gesinnung des Vermögens ist eine „bloße Möglichkeit". + +Dritter Satz. Aber es findet ein „relativ-nothwendiger Zusammenhang" +statt; nämlich „daß, wer ein selbstständiges Vermögen hat etc für den Staat +handeln kann", d. h. das Vermögen giebt die „Möglichkeit" der Staats- +gesinnung, aber eben die „Möglichkeit" genügt nach dem ersten Satz nicht. + +40 + +106 + + τ + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Zudem hat Hegel nicht entwickelt, daß der Grundbesitz das einzige + +„selbstständige Vermögen" ist. | + +/XXXI.[117]/Die Constituirung seines Vermögens zur Unabhängigkeit ist + +die Constituirung des Bauernstandes „für die politische Stellung und Be- +5 deutung". Oder „die Unabhängigkeit des Vermögens" ist seine „politische + +Stellung und Bedeutung". + +Diese Unabhängigkeit wird weiter so entwickelt: +Sein „Vermögen" ist „unabhängig vom Staatsvermögen". Unter Staats +vermögen wird hier offenbar die Regierungskasse verstanden. In dieser +10 Beziehung steht „der allgemeine Stand" „gegenüber" „als vom Siaar we +sentlich abhängig". So heißt es in der Vorrede, p. 13: „Ohnehin" wird „bei +uns die Philosophie nicht wie etwa bei den Griechen als eine private Kunst +exercirt", „sondern, sie" hat „eine öffentliche, das Publicum berührende +Existenz, vornehmlich oder allein im Staatsd/ensie." Also auch die Philoso- + +15 + +phie „wesentlich" von der Regierungskasse abhängig. +Sein Vermögen ist unabhängig „von der Unsicherheit des Gewerbes, der +Sucht des Gewinns und der Veränderlichkeit des Besitzes überhaupt". In +dieser Hinsicht steht ihm der „Stand des Gewerbes" „als der vom Bedürf niß +abhängige und darauf hingewiesene" gegenüber. + +20 + +Dieß Vermögen ist so „wie von der Gunst der Regierungsgewalt, so von + +der Gunst der Menge" unabhängig. + +Er ist endlich „selbst gegen die eigene Willkühr dadurch festgestellt, daß +die für diese Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes, des Rechts +der andern Bürger, Theils über ihr ganzes Eigenthum frei zu disponiren, +25 Theils es nach der Gleichheit der Liebe zu den Kindern, an sie übergehend + +zu wissen, entbehren". + +Die Gegensätze haben hier eine ganz neue und sehr materielle Gestalt +angenommen, wie wir sie in dem Himmel des politischen Staates kaum +erwarten durften. + +30 + +Der Gegensatz, wie ihn Hegel entwickelt, ist in seiner Schärfe aus + +gesprochen der Gegensatz von Privateigenthum und Vermögen. + +35 + +Der Grundbesitz ist das Privateigenthum κατ' εξοχήν, das eigentliche +Privateigenthum. Seine exakte frivamatur tritt hervor 1) als „Unabhängig +keit vom Staatsvermögen", der „Gunst der Regierungsgewalt", dem Eigen- +thum, wie es als „allgemeines Eigenthum des politischen Staats" existirt, ein +nach der Construction des politischen Staates besonderes Vermögen neben +anderen Vermögen; 2) als „Unabhängigkeit vom Bedürf niß" der Societät, +oder dem „socialen Vermögen", der „Gunst der Menge". (Ebenso bezeich +nend ist, daß der Antheil am Staatsvermögen als „Gunst der Regierungs- +40 gewalt", wie der Antheil am socialen Vermögen als „Gunst der Menge" +gefaßt wird.) Das Vermögen des „allgemeinen Standes" und des „Gewer- + +107 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +bestandes" ist kein eigentliches Privateigenthum, ||[118]| weil es dort dtekt, +hier indirekt durch den Zusammenhang mit dem allgemeinen Vermögen oder +dem Eigenthum als socialem Eigenthum bedingt ist, eine Participation an +demselben ist, darum allerdings auf beiden Seiten durch „Gunst" d.h. +durch den „Zufall des Willens" vermittelt ist. Dem gegenüber steht der +Grundbesitz als das souveraine Privateigenthum, das noch nicht die Gestalt +des Vermögens, d. h. eines durch den socialen Willen gesezten Eigenthums +erreicht hat. + +Die politische Verfassung in ihrer höchsten Spitze ist also die Verfassung + +des Privateigenthums. Die höchste politische Gesinnung ist die Gesinnung +des Privateigenthums. Das Majorat ist blos die äussere Erscheinung von der +innem Natur des Grundbesitzes. Dadurch, daß er unveräusserlich ist, sind +ihm die socialen Nerven abgeschnitten und seine Isolirung von der bürger +lichen Gesellschaft gesichert. Dadurch, daß er nicht nach der „Gleichheit der +Liebe zu den Kindern" übergeht, ist er sogar von der kleinern Societät, der +natürlichen Societät, der Familie, ihrem Willen und ihren Gesetzen losgesagt, +unabhängig, bewahrt also die schroffe Natur des Privateigenthums auch vor +dem Uebergang in das Familienvermögen. + +Hegel hatte § 305 den Stand des Grundbesitzes fähig erklärt zu der + +5 + +10 + +15 + +„politischen Beziehung" constituirt zu werden, weil das „Familienleben" 20 +seine „Basis" sei. Er hat aber selbst die „Liebe" für die Basis, für das Princip, +für den Geist des Familienlebens erklärt. In dem Stand, der das Familien +leben zu seiner Basis hat, fehlt also die Basis des Familienlebens, die Liebe +als das wirkliche, also wirksame und determinirende Princip. Es ist das +geistlose Familienleben, die Illusion des Familienlebens. In seiner höchsten +Entwicklung widerspricht das Princip des Privateigenthums dem Princip der +Familie. Es kömmt also im Gegensatz zum Stand der natürlichen Sittlichkeit, +des Familienlebens, vielmehr erst in der bürgerlichen Gesellschaft das +Familienleben, zum Leben der Familie, zum Leben der Liebe. Jener ist +vielmehr die Barbarei des Privateigenthums gegen das Familienleben. + +25 + +30 + +Das wäre also die souveraine Herrlichkeit des Privateigenthums, des +Grundbesitzes, worüber in neueren Zeiten so viele Sentimentalitäten statt +gehabt haben und so viele buntfarbige Krokodilsthränen vergossen worden +sind. + +Es nüzt H. nichts zu sagen, daß das Majorai blos eine Forderung der Politik 35 + +sei und in seiner politischen Stellung und Bedeutung gefaßt werden müsse. +Es nüzt ihm nichts zu sagen: „Die Sicherheit und Festigkeit dieses Standes +kann noch durch die Institution des Majorats vermehrt werden, welche +jedoch nur in politischer Rücksicht wünschenswerth ist, denn es ist damit +ein Opfer für den politischen Zweck verbunden, daß der Erstgeborene +unabhängig leben könne." \ + +40 + +108 + + Γ + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +|[119]| Es ist bei Hegel eine gewisse Decenz, der Anstand des Verstandes. +Er will nicht das Majorat an und für sich, er will es nur in Bezug auf ein +andres, nicht als Selbstbestimmung, sondern als Bestimmtheit eines andern, +nicht als Zweck, sondern als Mittel zu einem Zweck rechtfertigen und +construiren. In Wahrheit ist das Majorat eine Consequenz des exakten +Grundbesitzes, das versteinerte Privateigenthum, das Privateigenthum +(quand même) in der höchsten Selbstständigkeit und Schärfe seiner Ent +wicklung und was Hegel als den Zweck, als das Bestimmende, als die prima +causa des Majorats darstellt, ist vielmehr ein Effect desselben, eine Con + +sequenz, die Macht des abstrakten Privateigenthums über den poetischen +Staat, während Hegel das Majorat als die Macht des politischen Staates über +das Privateigenthum darstellt. Er macht die Ursache zur Wirkung und die +Wirkung zur Ursache, das Bestimmende zum Bestimmten und das Be +stimmte zum Bestimmenden. + +Allein was ist der Inhalt der politischen Constituirung, des politischen +Zwecks, was ist der Zweck dieses Zwecks? Was seine Substanz? Das +Majorat, der Superlativ des Privateigenthums, das +souveraine Privat +eigenthum. Welche Macht übt der politische Staat über das Privateigenthum +im Majorat aus? Daß er es isolirt von der Familie und der Societät, daß er +es zu seiner abstrakten Verselbstständigung bringt. Welches ist also die +Macht des politischen Staates über das Privateigenthum? Die eigne Macht +des Privateigenthums, sein zur Existenz gebrachtes Wesen. Was bleibt dem +politischen Staat im Gegensatz zu diesem Wesen übrig? Die Illusion, daß er +bestimmt, wo er bestimmt wird. Er bricht allerdings den Willen der Familie +und der Societät, aber nur um dem Willen des Familien und Societätlosen +Privateigenthums Dasein zu geben und dieses Dasein als das h��chste Dasein +des politischen Staates, als das höchste sittliche Dasein anzuerkennen. + +Betrachten wir die verschiedenen Elemente, wie sie sich hier in der ge +setzgebenden Gewalt, dem totalen, dem zur Wirklichkeit und zur Con- +sequenz, zum Bewußtsein gekommenen Staat, dem wtklichen politischen +Staat verhalten mit der ideellen oder sein-sollenden, mit der logischen +Bestimmung und Gestalt dieser Elemente. + +(Das Majorat ist nicht, wie Hegel sagt „eine Fessel, die der Freiheit des +Privatrechts angelegt ist", es ist vielmehr die „Freiheit des Privatrechts, die +sich von allen socialen und sittlichen Fesseln befreit hat".) („Die höchste +politische Construction ist hier die Construction des abstrakten Privat +eigenthums.") + +ι + +5 + +io + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +|[120]| Ehe wir diese Vergleichung anstellen, ist noch ein näherer Blick auf +eine Bestimmung des § zu werfen, nämlich darauf, daß durch das Majorat +40 das Vermögen des Bauernstandes, der Grundbesitz, das Privateigenthum +„selbst gegen die eigene Willkühr dadurch festgestellt ist, daß die für diese + +109 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes, des Rechts der andern +Bürger, über ihr ganzes Eigenthum frei zu disponiren, entbehren". + +Wir haben schon hervorgehoben, wie durch die „Unveräusserlichkeit" des +Grundbesitzes die socialen Nerven des Privateigenthums abgeschnitten +werden. Das Privateigenthum (der Grundbesitz) ist gegen die eigne Willkühr +des Besitzers dadurch festgestellt, daß die Sphäre seiner Willkühr aus einer +allgemein menschlichen zur spezifischen Willkühr des Privateigenthums +umgeschlagen, das Privateigenthum zum Subjekt des Willens geworden ist; +der Wille blos mehr das Prädikat des Privateigenthums ist. Das Privat +eigenthum ist nicht mehr ein bestimmtes Objekt der Willkühr; sondern die +Willkühr ist das bestimmte Prädicat des Privateigenthums. Doch vergleichen +wir, was H. selbst innerhalb der Sphäre des Privatrechts sagt: + +5 + +10 + +§ 65. „Meines Eigenthums kann ich mich entäussern, da es das meinige +nur ist, insofern ich meinen Willen darin lege, aber nur insofern die Sache +ihrer Natur nach ein Aüsserliches ist." + +15 + +§ 66. „Unveräusserlich sind daher diejenigen Güter, oder vielmehr sub +stantiellen Bestimmungen, so wie das Recht an sie unverjährbar, welche +meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseins +ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willens +freiheit, Sittlichkeit, Religion." + +20 + +Im Majorat wird also der Grundbesitz, das exakte Privateigenthum, ein +unveräusserliches Gut, also eine substantielle Bestimmung, welche die +„eigenste Person, das allgemeine Wesen des Selbstbewußtseins" des Ma +joratsherrlichen Standes ausmachen, seine „Persönlichkeit überhaupt, seine +allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion". Es ist daher auch con- 25 +sequent, daß wo das Privateigenthum, der Grundbesitz, unveräusserlich, +dagegen die „allgemeine Willensfreiheit" (wozu auch die freie Disposition +über ein Aüsserliches, wie der Grundbesitz ist, gehört) und die Sittlichkeit +(wozu die Liebe, als der wirkliche, auch als das wirkliche Gesetz der Familie +sich ausweisende Geist gehört) veräusserlich sind. Die „Unveräusserlich- 30 +keit" des Privateigenthums ist +in einem die „Veräusserlichkeit" der all +gemeinen Willensfreiheit und Sittlichkeit. Das Eigenthum ist hier nicht mehr, +in sofern „ich meinen Willen darin lege", sondern mein Wille ist „insofern +er im Eigenthum liegt". Mein Wille besizt hier nicht, sondern ist besessen. | + +|XXXII.[121]| Das ist eben der romantische Kitzel der Majoratsherrlich- 35 + +keit, daß hier das Privateigenthum, also die Privatwillkühr, in ihrer ab +straktesten Gestalt, daß der ganz bornirte, unsittliche, rohe Wille als die +höchste Synthese des politischen Staates, als die höchste Entäusserung der +Willkühr, als der härteste, aufopferndste Kampf mit der menschlichen +Schwäche erscheint, denn als menschliche Schwäche erscheint hier die +Humanisirung, die Vermenschlichungdes Privateigenthums. Das Majoratist + +40 + +110 + + r + +I. innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +das sich selbst zur Religion gewordene, das in sich selbst versunkne, von +seiner Selbstständigkeit und Herrlichkeit entzückte Privateigenthum. Wie +das Majorat der direkten Veräusserung, so ist es auch dem Vertrage ent +nommen. Hegel stellt den Uebergang vom Eigenthum zum Vertrage f ol- + +5 gendermassen dar: + +10 + +§ 71. „Das Dasein ist als bestimmtes Sein wesentlich Sein für anderes; das +Eigenthum, nach der Seite, daß es ein Dasein als äusserliche Sache ist, ist +für andere Aüsserlichkeitenund im Zusammenhange dieser Nothwendigkeit +und Zufälligkeit. Aber als Dasein des Willens ist es als für anderes nur für +den Willen einer andern Person. Diese Beziehung von Willen auf Willen ist +der eigentümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freiheit Dasein +hat. Diese Vermittelung, Eigenthum nicht mehr nur vermittelst einer Sache +und meines subjektiven Willens zu haben, sondern ebenso vermittelst eines +andern Willens, und hiermit in einem gemeinsamen Willen zu haben, macht + +15 die Sphäre des Vertrags aus." + +(Im Majorat ist es zum Staatsgesetz gemacht, das Eigenthum nicht in +einem gemeinsamen Willen, sondern nur „vermittelst einer Sache und +meines subjektiven Willens zu haben".) Während Hegel hier im Privatrecht +die Veräusserlichkeitund die Abhängigkeit des Privateigenthums von einem +gemeinsamen Willen als seinen wahren Idealismus auffaßt, wird umgekehrt +im Staatsrecht die imaginaire Herrlichkeit eines unabhängigen Eigenthums +im Gegensatz zu der „Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns, +der Veränderlichkeit des Besitzes, der Abhängigkeit vom Staatsvermögen" +gepriesen. Welch ein Staat, der nicht einmal den Idealismus des Privatrechts +ertragen kann? Welch eine Rechtsphilosophie, wo die Selbstständigkeit des +Privateigenthums eine andere Bedeutung im Privatrecht als im Staatsrecht +hat? + +Gegen die rohe Stupidität des unabhängigen Privateigenthums ist die +Unsicherheit des Gewerbes elegisch, die Sucht des Gewinns pathetisch, +(dramatisch), die Veränderlichkeit des Besitzes ein ernstes Fatum, (tragisch), +die Abhängigkeit vom Staatsvermögen sittlich. Kurz in allen diesen Quali +täten schlägt das menschliche Herz durch das Eigenthum durch, es ist +Abhängigkeit des Menschen vom Menschen. Wie sie immerhin an und für +sich beschaffen sei, ||[122]| sie ist menschlich gegenüber dem Sklaven, der +sich frei dünkt, weü die Sphäre, die ihn beschränkt, nicht die Societät, son +dern die Scholle ist; die Freiheit dieses Wülens ist seine Leerheit von +anderem Inhalt, als dem des Privateigenthums. + +20 + +25 + +30 + +35 + +Solche Mißgeburten, wie das Majorat als eine Bestimmung des Privat +eigenthums durch den poütischen Staat zu definiren, ist überhaupt un- +40 umgänglich, wenn man eine alte Weltanschauung im Sinn einer neuen inter- +pretirt, wenn man einer Sache, wie hier dem Privateigenthum, eine doppelte + +111 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Bedeutung, eine andere im Gerichtshof des abstrakten Rechts, eine ent- +gegengesezte im Himmel des politischen Staats giebt. + +Wir kommen nun zu der oben angedeuteten Vergleichung. +§257 heißt es: +„Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee, der sittliche Geist als +der offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille . .. An der Sitte hat +er seine unmittelbare, und an dem Selbstbewußtsein des Einzelnen... seine +vermittelte Existenz, so wie dieses durch die Gesinnung in ihm, als seinem +Wesen, Zweck und Produkte seiner Thätigkeit, seine substantielle Freiheit +hat." + +§ 268 heißt es: +„Die politische Gesinnung, der Patriotism us überhaupt, als die in Wahrheit +stehende Gewißheit und das zur Gewohnheit gewordene Wollen ist nur +Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchen die Ver +nünftigkeit wirkäch vorhanden ist, so wie sie durch das ihnen gemässe +Handeln ihre Betätigung erhält. — Diese Gesinnung ist überhaupt das +Zutrauen (das zu mehr oder weniger gebildeter Einsicht übergehen kann,) +— das Bewußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse, im +Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staats) als im Verhältniß zu +mir als Einzelnen bewahrt und enthalten ist,—womit eben dieser unmittelbar +kein Anderer für mich ist und Ich in diesem Bewußtsein frei bin." + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +Die Wirklichkeit der sittlichen Idee erscheint hier als die Religion des +Privateigenthums. (Weil sich im Majorat das Privateigenthum zu sich selbst +auf religiöse Weise verhält, so kommt es daß in unsren modernen Zeiten, +die Religion überhaupt zu einer dem Grundbesitz inhärenten Qualität ge- +worden ist und alle Majoratsherrlichen Schriften voll religiöser Salbung sind. +Die Religion ist die höchste Denkform dieser Brutalität.) Der „offenbare, +sich selbst deutliche, substantielle Wille" verwandelt sich in einen dunklen, +an der Scholle gebrochnen Willen, da eben von der Undurchdringlichkeit des +Elements, an dem er haftet, berauscht ist. „Die in Wahrheit stehende Ge- 30 +wißheit", welche die „politische Gesinnung ist", ist die auf „eignem Boden" +(im wörtlichen Sinne) stehende Gewißheit. Das zur „Gewohnheit geword +ne" politische „Wollen" ist nicht mehr „nur Resultat etc.", sondern einer +ausser dem Staat bestehenden Institution. Die politische Gesinnung ist nicht +mehr das „Zutrauen", ||[123]| sondern vielmehr das „Vertrauen, das Be- 35 +wußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse unabhängig +vom Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staats) im Verhältniß +zu mir als Einzelnem" ist. Das ist das Bewußtsein meiner Freiheit vom +Staate. + +Die „Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses etc." war (§ 289) die +Aufgabe der „Regierungsgewalt". In ihr residirte „die gebildete Intelligenz + +40 + +112 + + Γ + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes". (§ 297.) Sie machte +eigentlich die Stände überflüssig, denn sie ,Jcönnen ohne Stände das Beste +thun, wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das +Beste thun müssen". (§ 301. Anmerk.) Der „allgemeine, näher dem Dienst +der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar zu seiner Bestimmung, +das Allgemeine zum Zwecke seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben". Und +wie erscheint der allgemeine Stand, die Regierungsgewalt jezt? „Als vom +Staat wesentlich abhängig", als das „Vermögen, abhängig von der Gunst der +Regierungsgewalt". Dieselbe Umwandlung ist mit der bürgerlichen Ge- +10 Seilschaft vorgegangen, die früher in der Korporation ihre Sittlichkeit er +reicht hat. Sie ist ein Vermögen, abhängig „von der Unsicherheit des Ge +werbes etc" von „der Gunst der Menge". + +Welches ist also die angeblich spezifische Qualität des Majoratsherrn? +Und worin kann überhaupt die sittliche Qualität eines unveräusserlichen +15 Vermögens bestehn? In der Unbestechlichkeit. Die Unbestechlichkeit er +scheint als die höchste politische Tugend, eine abstrakte Tugend. Dabei ist +die Unbestechlichkeit in dem vom H. construirten Staat etwas so apartes, +daß sie als eine besondere politische Gewalt construirt werden muß, also +eben dadurch beweist, daß sie nicht der Geist des politischen Staates, nicht +die Regel, sondern die Ausnahme ist und als solche Ausnahme ist sie con +struirt. Man besticht die Majoratsherrn durch ihr unabhängiges Eigenthum, +um sie vor der Bestechlichkeit zu conserviren. + +20 + +25 + +Während nach der Idee die Abhängigkeit vom Staat und das Gefühl dieser +Abhängigkeit die höchste politische Freiheit sein sollte, weil sie die Emp- +findung der Privatperson als einer abstrakten, abhängigen Person ist und +diese vielmehr sich erst als Staatsbürger unabhängig fühlt und fühlen soll, +wird hier die unabhängige Privatperson construirt. „Ihr Vermögen ist un +abhängig vom Staatsvermögen, als von der Unsicherheit des Gewerbes etc." +Ihr steht gegenüber „der Stand des Gewerbes, als der vom Bedürfniß ab- +30 hängige und darauf hingewiesene und der allgemeine Stand, als vom Staat +wesentlich abhängig". Hier ist also Unabhängigkeit vom Staat und der +bürgerlichen Gesellschaft und diese verwirklichte Abstraktion von beiden, +die realiter die rohste Abhängigkeit von der Scholle ist, büdet in der gesetz +gebenden Gewalt die Vermittlung und die Einheit beider. Das unabhängige +35 Privatvermögen, d.h. das abstrakte Privatvermögen und die ihm ent +sprechende Privatperson sind die höchste ||[124]| Construction des poli +tischen Staates. Die politische „Unabhängigkeit" ist construirt als das +„Unabhängige Privateigenthum" und die „Person dieses unabhängigen +Privateigenthums". Wir werden im nächsten § sehn, wie es mit der „Un- +40 abhängigkeit" und „Unbestechlichkeit" und der daraus hervorgehenden + +Staatsgesinnung re vera steht. + +113 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Daß das Majorat Erbgut ist, spricht von selbst. Das nähere hierüber spä +ter. Daß es, wie H. im Zusatz bemerkt, der Erstgeborne ist, ist rein histo +risch. + +§ 307. „Das Recht dieses Theils des substantiellen Standes ist auf diese +Weise zwar einerseits auf das Naturprincip der Familie gegründet, dieses +aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen Zweck ver +kehrt, womit dieser Stand wesentlich an die Thätigkeit für diesen Zweck +angewiesen, und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl +durch die Geburt dazu berufen und berechtigt ist." + +5 + +10 + +Inwiefern das Recht dieses substantiellen Standes auf das Naturprincip +der Familie gegründet ist, hat Hegel nicht entwickelt, es sei denn, er verstehe +hierunter, daß der Grundbesitz als Erbgut existirt. Damit ist kein Recht dieses +Standes im politischen Sinne entwickelt, sondern nur das Recht der Ma +joratsherrn auf den Grundbesitz per Geburt. „Dieses" das Naturprincip der +Familie ist „aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen 15 +Zweck verkehrt". Wir haben allerdings gesehn, wie hier „das Naturprincip +der Familie verkehrt" wird; wie dieß aber „keine harte Aufopferung für den +politischen Zweck", sondern nur die verwtklichte Abstraktion des Privat +eigenthums ist. Vielmehr wird durch diese Verkehrung des Naturprinzipes +der Familie ebenso der politische Zweck verkehrt, „womit (?) dieser Stand +wesentlich an die Thätigkeit für diesen Zweck angewiesen". Durch die +Verselbstständigung des Privateigenthums? „und gleichfalls in Folge hiervon +ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und be +rechtigt". + +20 + +25 + +Hier ist also die Participation an der gesetzgebenden Gewalt ein an- +gebornes Menschenrecht. Hier haben wir geborene Gesetzgeber, die ge +borene Vermittlung des politischen Staates mit sich selbst. Man hat sich, +besonders von Seiten der Majoratsherrn, sehr moquirt über die angebornen +Menschenrechte. Ist es nicht komischer, daß einer besondern Menschenraçe +das Recht der höchsten Würde der gesetzgebenden Gewalt anvertraut ist? 30 +Nichts ist lächerlicher als daß Hegel die Berufung zum Gesetzgeber, zum +Repräsentant des Staatsbürgerthums durch die „Geburt" der Berufung durch +„die Zufälligkeit einer Wahl" entgegenstellt. Als wenn die Wahl, das bewußte +Product des bürgerlichen Vertrauens nicht in einem ganz andern nothwen- +digen Zusammenhang mit dem politischen Zweck stände, als der physische 35 +Zufall der Geburt. Hegel sinkt überall von seinem politischen Spiritualismus +in den krassesten Materialismus herab. Auf den Spitzen des politischen +Staates ist es überall die Geburt, welche bestimmte Individuen zu Incor- +porationen der höchsten Staatsauf gaben ||XXXIII.[125]| macht. Die höchsten +Staatsthätigkeiten fallen mit den Individuen durch die Geburt zusammen, wie 40 +die Stelle des Thiers, sein Charakter, Lebensweise etc. unmittelbar ihm + +114 + + F + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +angeboren wird. Der Staat in seinen höchsten Funktionen erhält eine thie +rische Wirklichkeit. + +Die Natur rächt sich an Hegel wegen der ihr bewiesenen Verachtung. +Wenn die Materie nichts für sich mehr sein sollte gegen den menschlichen +5 Willen, so behält hier der menschliche Wille nichts mehr für sich ausser der + +Materie. + +10 + +15 + +Die falsche Identität, die fragmentarische, stellenweise Identität zwischen +Natur und Geist, Körper und Seele erscheint als Incorporation. Da die Geburt +dem Menschen nur das individuelle Dasein giebt und ihn zunächst nur als +natürliches Individuum sezt, die staatlichen Bestimmungen, wie die gesetz +gebende Gewalt etc. aber sociale Produkte, Geburten der Societät und nicht +Zeugungen des natürlichen Individuums sind, so ist eben die unmittelbare +Identität, das unvermittelte Zusammenfallen zwischen der Geburt des In +dividuums und dem Individuum als Individuation einer bestimmten socialen +Stellung, Funktion etc das Frappante, das Wunder. Die Natur macht in +diesem System unmittelbar Könige, sie macht unmittelbar Pairs etc, wie sie +Augen und Nasen macht. Das Frappante ist als unmittelbares Product der +physischen Gattung zu sehn, was nur das Produkt der selbstbewußten +Gattung ist. Mensch bin ich durch die Geburt ohne die Uebereinstimmung +20 der Gesellschaft, Pair oder König wird diese bestimmte Geburt erst durch +die allgemeine Uebereinstimmung. Die Uebereinstimmung macht die Geburt +dieses Menschen erst zur Geburt eines Königs; also ist es die Uebereinstim +mung und nicht die Geburt, die den König macht. Wenn die Geburt, im +Unterschied von den andern Bestimmungen, dem Menschen unmittelbar +25 eine Stellung giebt, so macht ihn sein Körper zu diesem bestimm ten socialen +Funktionair. Sein Körper ist sein sociales Recht. In diesem System erscheint +die körperliche Würde des Menschen oder die Würde des menschlichen +Körpers (was weiter ausgeführt lauten kann: Die Würde des physischen +Naturelements des Staats) so, daß bestimmte und zwar die höchsten socialen +30 Würden die Würden bestimmter, durch die Geburt prädestinirter Körper +sind. Es ist daher bei dem Adel natürlich der Stolz auf das Blut, die Ab +stammung, kurz die Lebensgeschichte ihres Körpers; es ist natürlich diese +zoologische Anschauungsweise, die in der Heraldik die ihr entsprechende +Wissenschaft besizt. Das Geheimniß des Adels ist die Zoologie. | + +35 |[126]| Es sind zwei Momente bei dem erblichen Majorat hervorzuheben: + +1) Das Bleibende ist das Erbgut, der Grundbesitz. Es ist das Beharrende +in dem Verhältniß, die Substanz. Der Majoratsherr, der Besitzer ist eigenüich +nur Accidenz. Der Grundbesitz anthropomorphisirt sich in den verschiede +nen Geschlechtern. Der Grundbesitz erbt gleichsam immer den Erstgebornen +40 des Hauses als das an es gefesselte Attribut. Jeder Erstgeborne in der Reihe +der Grundbesitzer ist das Erbtheil, das Eigenthum des unveräusserlichen + +115 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Grundbesitzes, die prädestinirte Substanz seines Willens und seiner Thätig +keit. Das Subjekt ist die Sache und das Prädicat der Mensch. Der Wille wird +zum Eigenthum des Eigenthums. + +2) Die politische Qualität des Majoratsherrn ist die politische Qualität + +seines Erbguts, eine diesem Erbgut inhärente politische Qualität. Die poli- +tische Qualität erscheint hier also ebenfalls als Eigenthum des Grund +eigenthums, als eine Qualität, die unmittelbar der rein physischen Erde +(Natur) zukommt. + +Was das erste angeht, so folgt daraus, daß der Majoratsherr der Leibeigene + +des Grundeigenthums ist und daß in den Leibeigenen, die ihm unterthan sind, +nur die praktische Consequenz des theoretischen Verhältnisses erscheint, +in welchem er selbst sich zu dem Grundbesitz befindet. Die Tiefe der +germanischen Subjektivität erscheint überall als die Rohheit einer Geistlosen +Objektivität. + +5 + +10 + +Es ist hier auseinanderzusetzen das Verhältniß 1) zwischen Privat- 15 + +eigenthum und Erbschaft, 2) zwischen Privateigenthum, Erbschaft und +dadurch dem Privilegium gewisser Geschlechter auf Theilnahme an der +politischen Souverainetät; 3) das wirkliche historische Verhältniß oder das +germanische Verhältniß. + +Wir haben gesehn, daß das Majorat die Abstraktion des „unabhängigen 20 + +Privateigenthums" ist. Es schließt sich eine zweite Consequenz hieran an. +Die Unabhängigkeit, die Selbstständigkeit in dem politischen Staat, dessen +Construction wir bisher verfolgt haben, ist das Privateigenthum, was auf +seiner Spitze als unveräusserlicher Grundbesitzerscbeint. Die politische Un +abhängigkeit fließt daher nicht ex proprio sinu des politischen Staats, sie 25 +ist keine Gabe des politischen Staats an seine Glieder, sie ist nicht der ihn +beseelende Geist, sondern die Glieder des politischen Staats empfangen ihre +Unabhängigkeit von einem Wesen, welches nicht das Wesen des politischen +Staats ist, von einem Wesen des abstrakten Privatrechts, vom abstrakten +Privateigenthum. Die politische Unabhängigkeit ist ein Accidenz des Privat- +eigenthums, nicht die Substanz des politischen Staats. Der politische Staat +und in ihm die gesetzgebende Gewalt, wie wir gesehn, ist das enthüllte +Mysterium von dem wahren Werth und Wesen der Staatsmomente. Die +Bedeutung, die das Privateigenthum im politischen ||[127]| Staat hat ist seine +wesentliche, seine wahre Bedeutung; die Bedeutung, die der Standesunter- +schied im politischen Staat hat, ist die wesentliche Bedeutung des Standes +unterschiedes. Ebenso kommt das Wesen der fürstlichen Macht und der +Regierung in der „gesetzgebenden Gewalt" zur Erscheinung. Hier, in der +Sphäre des politischen Staates, ist es, daß sich die einzelnen Staatsmomente +zu sich als dem Wiesen der Gattung, als dem „Gattungswesen" verhalten; +weil der politische Staat die Sphäre ihrer allgemeinen Bestimmung, ihre + +30 + +40 + +35 + +116 + + r + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +religiöse Sphäre ist. Der politische Staat ist der Spiegelder Wahrheit für die +verschiedenen Momente des konkreten Staats. + +Wenn also das „unabhängige Privateigenthum" im politischen Staat, in der +gesetzgebenden Gewalt die Bedeutung der politischen Unabhängigkeit hat, +so ist es die politische Unabhängigkeit des Staats. Das „unabhängige Privat +eigenthum" oder das „wtkliche Privateigenthum" ist dann nicht nur die +„Stütze der Verfassung", sondern „die Verfassung selbst". Und die Stütze +der Verfassung ist doch wohl die Verfassung der Verfassungen, die primäre, +die wirkliche Verfassung! + +10 Hegel machte bei Construirung des erblichen Monarchen, gleichsam selbst +überrascht über „die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ab +leitung ihres ganzen Inhaltes aus dem einfachen Begriffe" (§ 279. Anmerk.) +die Bemerkung: + +15 + +20 + +25 + +„So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte ab- +strakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von +Subjektivität fortgebildet hat, und hier im absoluten Rechte, dem Staat, der +vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlichkeit des +Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst." + +D. h. im politischen Staat kommt es zur Erscheinung, daß die „abstrakte +Persönlichkeit" die höchste politische Persönlichkeit, die politische Basis +des ganzen Staats ist. Ebenso kommt im Majorat das Recht dieser abstrakten +Persönlichkeit, ihre Objektivität, das „abstrakte Privateigenthum" als die +höchste Objektivität des Staates, als sein höchstes Recht zum Dasein. + +Der Staat ist erblicher Monarch, abstrakte Persönlichkeit heißt nichts als +die Persönlichkeit des Staats ist abstrakt oder es ist der Staat der abstrakten +Persönlichkeit, wie denn auch die Römer das Recht des Monarchen rein +innerhalb der Normen des Privatrechts oder das Privatrecht als die höchste +Norm des Staatsrechts entwickelt haben. + +Die Römer sind die Rationalisten, die Germanen die Mystiker des sou- + +30 veranen Privateigenthums. | + +35 + +|[128]| Hegel bezeichnet das Privatrecht als das J?ecnr der abstrakten +Persönlichkeit oder als das abstrakte Recht. Und in Wahrheit muß es als die +Abstraktion des Rechts und damit als das illusorische Recht der abstrakten +Persönlichkeit entwickelt werden, wie die von Hegel entwickelte Moral das +illusorische Dasein der abstrakten Subjectivität ist. Hegel entwickelt das +Privatrecht und die Moral als solche Abstraktionen, woraus bei ihm nicht +folgt, daß der Staat, die Sittlichkeit, die sie zu Voraussetzungen hat, nichts +als die Societät (das sociale Leben) dieser Illusionen sein kann, sondern +umgekehrt geschlossen wird, daß sie subalterne Momente dieses sittlichen +40 Lebens sind. Aber was ist das Privatrecht anders als das Recht und die Moral +anders als die Moral dieser Staatssubjekte? Oder vielmehr die Person des + +117 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Privatrechts und das Subject der Moral sind die Person und das Subject des +Staats. Man hat Hegel vielfach angegriffen über seine Entwicklung der +Moral. Er hat nichts gethan als die Moral des modernen Staats und des +modernen Privatrechts entwickelt. Man hat die Moral mehr vom Staat +trennen, sie mehr emancipiren wollen! Was hat man damit bewiesen? Daß +die Trennung des jetzigen Staates von der Moral moralisch ist, daß die Moral +unstaatlich und der Staat unmoralisch ist. Es ist vielmehr ein grosses, ob +gleich nach einer Seite hin (nämlich nach der Seite hin, daß Hegel den Staat, +der eine solche Moral zur Voraussetzung hat, für die Reale Idee der Sittlich +keit ausgiebt) unbewußtes Verdienst Hegels, der modernen Moral ihre wahre 10 +Stellung angewiesen zu haben. + +5 + +In der Verfassung, worin das Majorat eine Garantie ist, ist das Privat +eigenthum die Garantie der politischen Verfassung. Im Majorat erscheint das +so, daß eine besondre Art von Privateigenthum diese Garantie ist. Das +Majorat ist blos eine besondre Existenz des allgemeinen Verhältnisses von +Privateigenthum und politischem Staat. Das Majorat ist der politische Sinn +des Privateigenthums, das Privateigenthum in seiner politischen Bedeutung, +d. h. in seiner allgemeinen Bedeutung. Die Verfassung ist also hier Verfas +sung des Privateigenthums. + +Wo wir das Majorat in seiner klassischen Ausbildung antreffen, bei den +germanischen Völkern, finden wir auch die Verfassung des Privateigen +thums. Das Privateigenthum ist die allgemeine Categorie, das allgemeine +Staatsband. Selbst die allgemeinen Funktionen erscheinen als Privateigen +thum, bald einer Corporation, bald eines Standes. + +15 + +20 + +Handel und Gewerbe sind in ihren besondern Nuancen das Privateigen- 25 + +thum besonderer Corporationen. Hofwürden, Gerichtsbarkeit etc. sind das +Privateigenthum besonderer Stände. Die verschiedenen Provinzen sind das +Privateigenthum einzelner Fürsten etc. Der Dienst für das Land etc. ist das +Privateigenthum des Herrschers. Der Geist ist das Privateigenthum der +Geistlichkeit. Meine pflichtge ||XXXIV.[129]| mässe Thätigkeit ist das Privat- 30 +eigenthum eines andern, wie mein Recht wieder ein besondres Privat +eigenthum ist. Die Souverainetät, hier die Nationalität, ist das Privat +eigenthum des Kaisers. + +Man hat oft gesagt, daß im Mittelalter jede Gestalt des Rechts, der Freiheit, +des socialen Daseins als ein Privilegium, als eine Ausnahme von der Regel +erscheint. Man konnte das empirische Faktum dabei nicht übersehn, daß +diese Privilegien alle in der Form des Privateigenthums erscheinen. Was ist +der allgemeine Grund dieses Zusammenfallens? Das Privateigenthum ist das +Gattungsdasein des Privilegiums, des Rechts als einer Ausnahme. + +35 + +Wo die Fürsten, wie in Frankreich die Unabhängigkeit des Privateigen- 40 + +thums angriffen, attentirten sie das Eigenthum der Korporationen, ehe sie + +118 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +das Eigenthum der Individuen attentirten. Aber indem sie das Privateigen +thum der Korporationen angriffen, griffen sie das Privateigenthum als Kor +poration, als das sociale Band an. + +In der Lehnsherrschaft erscheint es grade zu, daß die fürstliche Macht die +Macht des Privateigenthums ist und in der fürstlichen Macht ist das My +sterium niedergelegt, was die allgemeine Macht, was die Macht aller Staats +kreise ist. + +(In dem Fürsten als dem Repräsentanten der Staatsmacht ist ausgespro +chen, was das Mächtige des Staats ist. Der constitutionelle Fürst drückt +daher die Idee des constitutionellen Staates in ihrer schärfsten Abstraktion +aus. Er ist einerseits die Idee des Staats, die geheiligte Staatsmajestät und +zwar als diese Person. Zugleich ist er eine blose Imagination, er hat als Person +und als Fürst weder wirkliche Macht, noch wirkliche Thätigkeit. Es ist hier +die Trennung der politischen und wirklichen, der formellen und materiellen, +der allgemeinen und individuellen Person, des Menschen und des socialen +Menschen, in ihrem höchsten Widerspruch ausgedrückt.) + +Das Privateigenthum ist römischen Verstandes und germanischen Ge- +müths. Es wird an diesem Ort belehrend sein eine Vergleichung zwischen +diesen beiden extremen Entwicklungen desselben anzustellen. Es wird uns +dieß zur Lösung des besprochnen politischen Problems behülflich sein. | + +/[132]/ Die Römer haben eigentlich erst das Recht des Privateigenthums, + +das abstrakte Recht, das Privatrecht, das Recht der abstrakten Person aus +gebildet. Das römische Privatrecht ist das Privatrecht in seiner klassischen +Ausbildung. Wir finden aber nirgends bei den Römern, daß das Recht des +Privateigenthums, wie bei den Deutschen, mystificirt worden wäre. Es wird +auch nirgends zum Staatsrecht. + +Das Recht des Privateigenthums ist das yus utendi et abutendi, das Recht +der Willkühr über die Sache. Das Hauptinteresse der Römer besteht darin, +die Verhältnisse zu entwickeln und zu bestimmen, welche sich als abstrakte +Verhältnisse des Privateigenthums ergeben. Der eigentliche Grund des +Privateigenthums, der Besitz, ist ein Faktum, ein unerklärliches Faktum, kein +Recht. Erst durch juristische Bestimmungen, die die Societät dem faktischen +Besitz giebt, erhält er die Qualität des rechüichen Besitzes, des Privat +eigenthums. + +Was bei den Römern den Zusammenhang zwischen Politischer Verfassung + +und Privateigenthum betrifft, so erscheint: + +l ) D er Mensch (als Sklave), wie bei den alten Völkern überhaupt als + +Gegenstand des Privateigenthums. + +Das ist nichts spezifisches. +2) Die eroberten Lander werden als Privateigenthum behandelt, das jus + +utendi et abutendi wird an ihnen geltend gemacht. + +119 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +3) In ihrer Geschichte selbst erscheint der Kampf zwischen Armen und + +Reichen, Patriziern und Plebejern etc. + +Im Uebrigen macht sich das Privateigenthum im Ganzen, wie bei den alten +klassischen Völkern überhaupt, als öffentliches Eigenthum geltend, ent +weder, wie in den guten Zeiten, als Aufwand der Republik, oder als Luxu- +riöse und allgemeine Wohlthat (Bäder etc) gegen den Haufen. | + +5 + +|XXXV.[133]| Die Art und Weise, wie die Sklaverei erklärt wird, ist das +Kriegsrecht, das Recht der Occupation; eben weil ihre politische Existenz +vernichtet ist, sind sie Sklaven. + +Zwei Verhältnisse heben wir hauptsächlich im Unterschied von den 10 + +Germanen hervor. + +1) Die kaiserliche Gewalt war nicht die Gewalt des Privateigenthums, +sondern die Souverainetät des empirischen Willens als solchen, die weit +entfernt war das Privateigenthum als Band zwischen sich und ihren Unter- +thanen zu betrachten, sondern im Gegentheil mit dem Privateigenthum 15 +schaltete, wie mit allen übrigen socialen Gütern. Die kaiserliche Gewalt war +daher auch nicht anders, als faktisch erblich. Die höchste Ausbildung des +Rechts des Privateigenthums, des Privatrechts, fällt zwar in die Kaiserzeit, +aber sie ist vielmehr eine Consequenz der politischen Auflösung, als daß die +politische Auflösung eine Consequenz des Privateigenthums wäre. Zudem, 20 +als das Privatrecht in Rom zur vollen Entwicklung gelangt, ist das Staatsrecht +aufgehoben, in seiner Auflösung begriffen, während es in Deutschland sich +umgekehrt verhält. + +2) Die Staatswürden sind niemals in Rom erblich; d. h. das Privateigen + +thum ist nicht die herrschende Staatskategorie. + +25 + +3) Im Gegensatz zu dem germanischen Majorat etc., erscheint in Rom die +Willkühr des Testirens als Ausfluß des Privateigentums. In diesem lezteren +Gegensatz liegt der ganze Unterschied der römischen und germanischen +Entwicklung des Privateigenthums. + +(Im Majorat erscheint dieß, daß das Privateigenthum das Verhältniß zur 30 + +Staatsfunktion ist so, daß das Staatsdasein eine Inhärenz, Accidenz des +unmittelbaren Privateigenthums, des Grundbesitzes ist. Auf den höchsten +Spitzen erscheint so der Staat als Privateigenthum, während hier das Privat +eigenthum als Staatseigenthum erscheinen sollte. Statt das Privateigenthum +zu einer staatsbürgerlichen Qualität, macht Hegel das Staatsbürgerthum und 35 +Staatsdasein und Staatsgesinnung zu einer Qualität des Privateigen +thums.) ||[134]|| |[135]|| |[136]|| + +|XXXVI.[137]| § 308. „In den andern Theil des ständischen Elements fällt +die bewegliche Seite der bürgerlichen Gesellschaft, die äusserlich wegen der +Menge ihrer Glieder, wesentlich aber wegen der Natur ihrer Bestimmung und + +40 + +120 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +Beschäftigung, nur durch Abgeordnete eintreten kann. Insofern diese von +der bürgerlichen Gesellschaft abgeordnet werden, liegt es unmittelbar nahe, +daß dieß diese thut als das, was sie ist, — somit nifcht als] in die Einzelnen +atomistisch aufgelöst und nur für einen einzelnen und temporären Akt, sich +auf einen Augenblick ohne weitere Haltung versammelnd, sondern als in ihre +ohnehin konstituirten Genossenschaften, Gemeinden und Korporationen +gegliedert, welche auf diese Weise einen politischen Zusammenhang er +halten. In ihrer Berechtigung zu solcher von der fürstlichen Gewalt auf +gerufenen Abordnung, wie in der Berechtigung des ersten Standes zur +10 Erscheinung (§ 307) findet die Existenz der Stände und ihrer Versammlung + +eine constituirte eigenthümliche Garantie." + +Wir finden hier einen neuen Gegensatz der bürgerlichen Gesellschaft und +der Stände, einen beweglichen, also auch einen unbeweglichen Theil der +selben (den der Grundbesitzer). Man hat diesen Gegensatz auch als Gegen- +satz von Raum und Zeit etc. conservativ und progressiv dargestellt. Darüber +sieh den vorigen §. Uebrigens hat Hegel den beweglichen Theü der Ge +sellschaft ebenfalls zu einem stabilen durch die Korporationen etc. ge +macht. + +Der zweite Gegensatz ist, daß der erste, eben entwickelte Theü des stän- +dischen Elementes, die Majoratsherrn als solche Gesetzgeber sind; daß die +gesetzgebende Gewalt ein Attribut ihrer empirischen Person ist; daß sie keine +Abgeordneten, sondern sie selbst sind; während bei dem zweiten Stand Wahl +und Abordnung Statt findet. + +Hegel giebt zwei Gründe an, warum dieser bewegliche Theil der bürger- +liehen Gesellschaft nur durch Abgeordnete in den politischen Staat, die +gesetzgebende Gewalt eintreten kann. Den ersten, ihre Menge, bezeichnet +er selbst als äusserüch und überhebt uns daher dieser Replique. + +15 + +20 + +25 + +Der wesentliche Grund aber sei die „Natur ihrer Bestimmung und Be +schäftigung". Die „politische Thätigkeit" und „Beschäftigung" ist ein der +„Natur ihrer Bestimmung und Beschäftigung" Fremdes. | + +30 + +|[138]| Hegel kömmt nun wieder auf sein altes Lied, auf diese Stände als +„Abgeordnete der bürgerüchen Gesellschaft". Diese müsse „dieß thun als +das, was sie ist'. Sie muß es vielmehr thun, als das, was sie nicht ist, denn +sie ist unpolitische Gesellschaft und sie soll hier einen politischen Akt als +einen ihr wesentlichen, aus ihr selbst hervorgehenden Akt vollziehn. Damit +ist sie in die „Einzelnen atomistisch aufgelöst" „und nur für einen einzelnen +und temporären Akt sich auf einen Augenblick ohne weitere Haltung ver +sammelnd". Erstens ist ihr politischer Akt ein Einzelner und Temporärer und +kann daher in seiner Verwirklichung nur als solcher erscheinen. Er ist ein +Eclat machender Akt der politischen Gesellschaft, eine Extase derselben und +als solcher muß er auch erscheinen. Zweitens. Hegel hat keinen Anstoß daran + +35 + +40 + +121 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +genommen, es sogar als notwendig construirt, daß die bürgerliche Ge +sellschaft materiell (nur als eine zweite, von ihr abgeordnete Gesellschaft, +auftritt) sich von ihrer bürgerlichen Wirklichkeit trennt und das, was sie nicht +ist, als sich sezt, wie kann er dieß nun formell verwerfen wollen? + +Hegel meint dadurch, daß die Gesellschaft in ihren Corporationen etc. +abordnet, erhalten „ihre ohnehin constituirten Genossenschaften e t c— auf +diese Weise einen politischen Zusammenhang". Sie erhalten aber entweder +eine Bedeutung, die nicht ihre Bedeutung ist, oder ihr Zusammenhang als +solcher ist der politische und „erhält" nicht erst die politische Teinture, wie +oben entwickelt, sondern die „Politik" erhält aus ihm ihren Zusammen- 10 +hang. + +5 + +Dadurch, daß Hegel nur diesen Theil des ständischen Elements als das des +„Abgeordneten" bezeichnet, hat er unbewußt das Wesen der beiden +Kammern (da, wo sie wirklich das von ihm bezeichnete Verhältniß zuein +ander haben) bezeichnet. Abgeordnetenkammer und Pairskammer (oder, wie 15 +sie sonst heissen) sind hier nicht verschiedene Existenzen desselben Prin- +cips, sondern zwei wesentlich verschiedenen Principien und socialen Zu +ständen angehörig. Die Abgeordnetenkammer ist hier die politische Con +stitution der bürgerlichen Gesellschaft im modernen, die Pairskammer im +ständischen Sinn. Pairskammer und Abgeordnetenkammer stehn sich hier 20 +gegenüber als ständische und als politische Repräsentation der bürgerlichen +Gesellschaft. Die eine ist das existirende ständische Princip der bürgerlichen +Gesellschaft, die andre ist die Verwirklichung ihres abstrakten politischen +Daseins. Es versteht sich daher von selbst, daß die leztere nicht wieder als +Repräsentation von Ständen, Corporationen etc. ||[139]| dasein kann, denn 25 +sie repräsentirt eben nicht das ständische, sondern das politische Dasein der +bürgerlichen Gesellschaft. Es versteht sich dann von selbst, daß in der ersten +Kammer nur der ständische Theil der bürgerlichen Gesellschaft, der +„souveraine Grundbesitz", der Erbgeseßne Adel Sitz hat, denn er ist nicht +ein Stand unter andern Ständen, sondern das ständische Princip der bürger- 30 +üchen Gesellschaft als wirkliches sociales, also politisches Princip, existirt +nur mehr in ihm. Er ist der Stand. Die bürgerliche Gesellschaft hat dann in +der ständischen Kammer den Repräsentant ihres mittelaltrigen, in der +Abgeordnetenkammer ihres politischen (modernen) Daseins. Der Fortschritt +besteht hier gegen das Mittelalter nur darin, daß die ständische Politik 35 +zu einer besondern politischen Existenz neben der staatsbürgerlichen +Politik herabgesezt ist. Die empirische politische Existenz, die Hegel vor +Augen hat, (England) hat also einen ganz anderen Sinn, als er ihr unter +schiebt. + +Die französische Constitution ist auch hierin ein Fortschritt. Sie hat zwar 40 + +die Pairskammer zur reinen Nichtigkeit herabgesezt, aber diese Kammer, + +122 + + Γ + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +innerhalb des Princips des constitutionellen Königsthums, wie es Hegel zu +entwickeln vorgab, kann seiner Natur [nach] nur eine Nichtigkeit sein, die +fiktion der Harmonie zwischen Fürst und bürgerlicher Gesellschaft oder der +gesetzgebenden Gewalt oder des politischen Staates mit sich selbst als eine +besondre und dadurch eben wieder gegensätzliche Existenz. + +Die Franzosen haben die Lebenslänglichkeit der Pairs bestehn lassen, um +ihre gleiche Unabhängigkeit von der Wahl der Regierung und des Volks +auszudrücken. Aber sie haben den mittelaltrigen Ausdruck, die Erblichkeit +abgeschafft. Ihr Fortschritt besteht darin, daß sie die Pairskammer ebenfalls +nicht mehr aus der wkklichen bürgerlichen Gesellschaft hervorgehn lassen, +sondern ebenfalls in der Abstraktion von ihr geschaffen haben. Ihre Wahl +lassen sie von dem existirenden politischen Staat, vom Fürsten ausgehn, +ohne ihn an eine sonstige bürgerliche Qualität gebunden zu haben. Die Pairs- +würde ist in dieser Constitution wirklich ein Stand in der bürgerlichen Ge +Seilschaft, der rein politisch ist, vom Standpunkt der Abstraktion des poli +tischen Staates aus geschaffen ist; er erscheint aber mehr als politische +Dekoration, wie als wirklicher, mit besondern Rechten ausgestatteter +Stand. Die Pairskammer unter der Restauration war eine Reminiscenz. Die +Pairskammer der Julirevolution ist ein wirkliches Geschöpf der consti- +tutionellen Monarchie. | + +5 + +10 + +is + +20 + +25 + +|[140]| Da in der modernen Zeit die Staatsidee nicht anders als in der +Abstraktion des „nur politischen Staates" oder der Abstraktion der bürger +lichen Gesellschaft von sich selbst, von ihrem wirklichen Zustand erscheinen +konnte, so ist es ein Verdienst der Franzosen, diese abstrakte Wirklichkeit +festgehalten, producirt und damit das politische Princip selbst producirt zu +haben. Was man ihnen als Abstraktion vorwirft, ist also wahrhafte Con +sequenz und das Produkt der, wenn auch erst in einem Gegensatz, aber in +einem nothwendigen Gegensatz wiedergefundnen Staatsgesinnung. Das +Verdienst der Franzosen ist also hier, die Pairskammer als eigenthümliches +30 Product des politischen Staats gesezt oder überhaupt das politische Princip +in seiner Eigentümlichkeit zum Bestimmenden und Wirksamen gemacht zu +haben. + +Hegel bemerkt noch, daß bei der von ihm construirten Abordnung, in der +„Berechtigung der Corporationen etc. zu solcher Abordnung" „die Existenz +35 der Stände und ihrer Versammlung eine constituirte, eigenthümliche Ga +rantie findet". Die Garantie der Existenz der ständischen Versammlung, ihre +wahre primitive Existenz wäre also das Privilegium der Corporationen etc. +Hiermit ist Hegel ganz auf den mittelaltrigen Standpunkt herabgesunken und +hat seine „Abstraktion des politischen Staats als der Sphäre des Staats als + +40 Staats, das an und für sich Allgemeine" gänzlich aufgegeben. + +Im modernen Sinn ist die Existenz der ständischen Versammlung die + +123 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +politische Existenz der bürgerlichen Gesellschaft; die Garantie ihres poli +tischen Daseins. Das in Zweifel ziehn ihrer Existenz ist also der Zweifel am +Dasein des Staats. Wie vorhin bei Hegel die „Staatsgesinnung", das Wesen +der gesetzgebenden Gewalt ihre Garantie in dem „unabhängigen Privat +eigenthum", so findet ihre Existenz die Garantie in den „Privilegien der +Korporationen". + +5 + +Aber das andre ständische Element ist vielmehr das politische Privilegium +der bürgerlichen Gesellschaft, oder ihr Privilegium, politisch zu sein. Es kann +also nirgends das Privilegium einer besondern bürgerlichen Weise ihres +Daseins sein, noch weniger seine Garantie in ihm finden, da es vielmehr die 10 +allgemeine Garantie sein soll. + +So sinkt Hegel überall dahin hinab, den „politischen Staat" nicht als die +höchste an und für sich seiende Wirklichkeit des socialen Daseins zu +schildern, sondern ihm eine prekäre, in Beziehung auf andres, abhängige +Wirklichkeit zu geben; ihn nicht als das wahre Dasein der andern Sphären 15 +zu schildern, sondern ihn vielmehr in den andern Sphären sein wahres Dasein +finden zu lassen. Er bedarf überall der Garantie der Sphären, die ausser ihm +liegen. Er ist nicht die verwirklichte Macht. Er ist die gestüzte Ohnmacht, +er ist nicht die Macht über diese Stützen, sondern die Macht der Stütze. Die +Stütze ist das mächtige. | + +20 + +|XXXVH.[141]| Was ist das für ein hohes Dasein, dessen Existenz einer +Garantie ausser sich selbst bedarf? und dabei soll es das allgemeine Dasein +dieser Garantie selbst sein; also ihre wirkliche Garantie. Hegel sinkt über +haupt überall in der Entwicklung der gesetzgebenden Gewalt von dem +philosophischen Standpunkt auf den andren Standpunkt zurück, der die +Sache nicht in Bezug auf sich selbst betrachtet. + +25 + +Wenn die Existenz der Stände einer Garantie bedarf, so sind sie keine +wirkliche, sondern nur eine fiktive Staatsexistenz. Die Garantie für die +Existenz der Stände ist in den constitutionellen Staaten das Gesetz. Ihr +Dasein ist also gesetzliches Dasein, vom allgemeinen Wesen des Staats und +nicht von der Macht oder Ohnmacht einzelner Corporationen, Genossen +schaften abhängig, sondern als Wirklichkeit der Genossenschaft des Staats. +(Die Corporationen etc. die besondren Kreise der bürgerlichen Gesellschaft +sollen ja eben erst hier ihr allgemeines Dasein erhalten und nun anticipirt +Hegel wieder dieß allgemeine Dasein als Privilegium, als das Dasein dieser 35 +Besonderheiten.) + +30 + +Das politische Recht als Recht von Corporationen etc. widerspricht ganz +dem politischen Recht als politischem, als Recht des Staats, des Staats +bürgerthums; denn es soll ja eben nicht das Recht dieses Daseins als be +sondern Daseins sein, nicht das Recht als dieß besondre Dasein. + +40 + +Ehe wir nun die Categorie der Wahl als des politischen Akts, wodurch sich + +124 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +die bürgerliche Gesellschaft in einen politischen Ausschuß secernirt, Über +gehn, nehmen wir noch einige Bestimmungen aus der Anmerkung zu diesem +§ hinzu. + +„Daß Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die all- +5 gemeinen Angelegenheiten des Staats Antheü haben sollen, weil diese Alle, +Mitglieder des Staats und dessen Angelegenheiten die Angelegenheiten Aller +sind, bei denen sie mit ihrem Wissen und Wülen zu sein ein Recht haben, +— diese Vorstellung, welche das demokratische Element ohne alle vernünf +tige Form in den Staatsorganismus, der nur durch solche Form es ist, setzen +10 wollte, liegt darum so nahe, weü sie bei der abstrakten Bestimmung, Mitglied +des Staats zu sein, stehen bleibt und das oberflächliche Denken sich an +Abstraktionen hält." + +Zunächst nennt es Hegel eine „abstrakte Bestimmung, Mitglied des Staats +zu sein", obgleich es selbst nach der Idee, der Meinung seiner eignen Ent- +15 wicklung die höchste, konfaeteste sociale Bestimmung der Rechtsperson, +des Staatsmitgliedes ist. Bei der „Bestimmung, Mitglied des Staats zu sein" +stehn bleiben und den Einzelnen in dieser Bestimmung fassen, das scheint +daher nicht eben das „oberflächliche Denken zu sein, das sich an Abstrak +tionen hält". Daß aber die „Bestimmung, Mitglied des Staates zu sein" eine +20 „abstrakte" Bestimmung ist, das ist nicht die Schuld dieses Denkens, son +dern der hegel'schen ||[142]| Entwicklung und des wirklichen modernen +Verhältnisses, welche die Trennung des wirklichen Lebens vom Staats +leben voraussetzen und die Staatsqualität zu einer „abstrakten Bestim +mung" des wirklichen Staatsmitgliedes machen. + +25 + +Die unmittelbare Theünahme Aller an der Berathung und Beschliessung +über die allgemeinen Staatsangelegenheiten nimmt nach Hegel „das de +mokratische Element ohne alle vernünftige Form in den Staatsorganismus, +der nur durch solche Form ist" auf; d.h. das demokratische Element kann +nur als formelles Element in einen Staatsorganismus aufgenommen werden, +30 der nur der Formalismus des Staats ist. „Das demokratische Element" muß +vielmehr das wirkliche Element sein, das sich in dem ganzen Staatsorganis +mus seine vernünftige Form giebt. Tritt es dagegen als ein „besondres" +Element in den Staatsorganismus oder Formalismus, so ist unter der „ver +nünftigen Form" seines Daseins die Dressur, die Accommodation, eine Form +35 verstanden, in der es nicht die Eigentümlichkeit seines Wesens herauskehrt, + +oder daß es nur als formelles Princip hereintritt. + +Wir haben schon einmal angedeutet. Hegel entwickelt nur einen Staats +formalismus. Das eigentliche materielle Princip ist ihm die Idee, die abstrakte +Gedanken/br/n des Staats als ein Subjekt, die absolute Idee, die kein pas- +sives, kein materielles Moment in sich hat. Gegen die Abstraktion dieser +Idee erscheinen die Bestimmungen des wirklichen, empirischen Staats- + +40 + +125 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +formalismus als Inhalt und daher der wirkliche Inhalt als formloser, un +organischer Stoff. (Hier der wirkliche Mensch, die wirkliche Societät +etc.) + +Hegel hatte das Wesen des ständischen Elements darin gelegt, daß hierin +die „empirische Allgemeinheit" zum Subjekt des an und für sich seienden +Allgemeinen wird. Heißt das nun was anders, als daß die Angelegenheiten +des Staats „Angelegenheiten Aller sind, bei denen sie mit ihrem Wissen und +Willen zu sein das Recht haben" und sollen nicht eben die Stände dieß ihr +„verwirklichtes Recht" sein? Und ist es nun wunderbar, daß die Allen nun +auch die „Wirklichkeit" dieses ihres Rechts wollen? + +5 + +10 + +„Daß Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die all + +gemeinen Angelegenheiten des Staats Antheil haben sollen." + +In einem wirklich vernünftigen Staat könnte man antworten: „Es sollen +nicht Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen +Angelegenheiten des Staats Antheil haben", denn die „Einzelnen" haben als 15 +„Alle", d.h. innerhalb der Societät und als Glieder der Societät Antheil an +der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Angelegenheiten. +Nicht Alle einzeln, sondern die Einzelnen als Alle. | + +|[143]| Hegel stellt sich selbst das Dilemma. Entweder die bürgerliche +Gesellschaft (die Vielen, die Menge) nimmt durch Abgeordnete Theil an 20 +der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Staatsangelegen +ist dieß kein Gegensatz des +heiten oder Alle thun dieß Einzeln. Es +Wesens, als welchen ihn Hegel später darzustellen sucht, sondern der +Existenz und zwar der äusserlichsten Existenz, der Zahl, womit immer +der Grund, den Hegel selbst als „äusserlich" bezeichnet hat, die Menge 25 +der Glieder der lezte Grund gegen die unmittelbare Theilnahme Aller +bleibt. + +Die Frage, ob die bürgerliche Gesellschaft so Theil an der gesetzgebenden +Gewalt nehmen soll, daß sie entweder durch Abgeordnete eintritt oder so, +daß „Alle einzeln" unmittelbar Theil nehmen, ist selbst eine Frage innerhalb 30 +der Abstraktion des politischen Staats oder innerhalb des abstrakten poli +tischen Staates; es ist eine abstrakte politische Frage. + +Es ist in beiden Fällen, wie Hegel dieß selbst entwickelt hat, die politische + +Bedeutung der „empirischen Allgemeinheit". + +Der Gegensatz in seiner eigentlichen Form ist: Die Einzelnen thun es Alle +oder die Einzelnen thun es als Wenige, als Nicht Alle. In beiden Fällen bleibt +die Allheit nur als die äusserliche Vielheit oder Totalität der Einzelnen. Die +Allheit ist keine wesentliche, geistige, wirkliche Qualität des Einzelnen. Die +Allheit ist nicht etwas, wodurch er die Bestimmung der abstrakten Einzeln +heit verlöre; sondern die Allheit ist nur die volle Zahl der Einzelnheit. Eine +Einzelnheit, viele Einzelnheiten, alle Einzelnheiten. Das Eins, Viele, Alle, + +35 + +40 + +126 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +keine dieser Bestimmungen verwandelt das Wesen des Subjekts, der Ein +zelnheit. + +„Alle" sollen „Einzeln an der Berathung und Beschliessung über die +allgemeinen Angelegenheiten des Staats Antheü nehmen"; d.h. also: Alle +sollen nicht als Alle, sondern als „einzeln" diesen Antheü nehmen. + +5 + +Die Frage scheint in doppelter Hinsicht in Widerspruch mit sich zu + +stehn. + +Die allgemeinen Angelegenheiten des Staats sind die Staatsangelegenheit, +der Staat als wirkliche Angelegenheit. Die Berathung und Beschliessung ist +10 die Effectuirung des Staats als wirklicher Angelegenheit. Daß also alle +Staatsgkeder ein Verhältniß zum Staat als ihrer wirklichen Angelegenheit +haben, scheint sich von selbst zu verstehn. Schon in dem Begriff Staatsglied +liegt, daß sie ein Glied des Staats, ein Theil desselben sind, daß er sie als +seinen Theü nimmt. Wenn sie aber ein Antheil des Staats, so ist, wie sich +von selbst versteht, ihr sociales Dasein schon ihre wirkliche Theilnahme an +demselben. Sie sind nicht nur Antheü des Staats, sondern der Staat ist ihr +Antheil. Bewußter Antheil von etwas sein, ist sich mit Bewußtsein einen +Theü von ihm nehmen, bewußten Antheü ||[144]| an ihm nehmen. Ohne dieß +Bewußtsein wäre das Staatsghed ein Thier. + +15 + +20 + +Wenn man sagt: „Die aUgemeinen Angelegenheiten des Staats", so wird +der Schein hervorgebracht, daß die „aUgemeinen Angelegenheiten" und der +„Staat" etwas verschiedenes sind. Aber der Staat ist die „allgemeine An +gelegenheit", also realiter die „allgemeinen Angelegenheiten". + +Theü an den allgemeinen Angelegenheiten des Staats und Theü am Staat +25 nehmen, ist also identisch. Daß also ein Staatsghed, ein Staatstheü Theil am +Staat nimmt, und daß dieses Theünehmen nur als Berathung oder Beschlies +sung oder in ähnlichen Formen erscheinen kann, daß also jedes Staatsglied +an der Berathung und Beschliessung (wenn diese Funktionen als die Funk +tionen der wirklichen Theünahme des Staats gefaßt werden) der allgemeinen +30 Angelegenheiten des Staats Theü nimmt, ist eine Tautologie. Wenn also von +wirklichen Staatsgüedern die Rede ist, so kann von dieser Theilnahme nicht +als einem Sollen die Rede sein. Es wäre sonst vielmehr von solchen Sub +jekten die Rede, die Staatsglieder sein sollen und sein wollen, aber es nicht +wirklich sind. + +35 + +40 + +Andrerseits: wenn von bestimmten Angelegenheiten die Rede ist, von +einem einzelnen Staatsakt, so versteht es sich wieder von selbst, daß nicht +alle einzeln ihn vollbringen. Der Einzelne wäre sonst die wahre Societät und +machte die Societät überflüssig. Der Einzelne müßte aUes auf einmal thun, +während die Societät, wie ihn für die andern, so auch die andern für ihn thun +läßt. + +Die Frage, ob Alle einzeln an der „Berathung und Beschliessung der + +127 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +allgemeinen Angelegenheiten des Staats Theil nehmen sollen" ist eine Frage, +welche aus der Trennung des politischen Staats und der bürgerlichen Ge +sellschaft hervorgeht. + +Wir haben gesehn. Der Staat existirt nur als politischer Staat. Die Totalität +des politischen Staats ist die gesetzgebende Gewalt. Theil an der gesetz- +gebenden Gewalt nehmen ist daher Theil am politischen Staat nehmen, ist +sein Dasein als Glied des politischen Staats, als Staatsglied beweisen und +verwirklichen. Daß also Alle einzeln Antheil an der gesetzgebenden Gewalt +nehmen wollen, ist nichts als der Wille Aller, wirkliche (aktive) Staatsglieder +zu sein oder sich ein politisches Dasein zu geben oder ihr Dasein als ein +politisches zu beweisen und zu effektuiren. Wir haben ferner gesehn, das +ständische Element ist die bürgerliche Gesellschaft der gesetzgebenden +Gewalt, ihr politisches Dasein. Daß also die bürgerliche Gesellschaft Mas +senweise, wo möglich ganz, in die gesetzgebende Gewalt eindringen, daß sich +die wirkliche bürgerliche Gesellschaft der fiktiven bürgerlichen Gesellschaft +der gesetzgebenden Gewalt substituiren will, das ist nichts, als das Streben +der bürgerlichen Gesellschaft, sich politisches ||XXXVIII.[145]| Dasein zu +geben oder das politische Dasein zu ihrem wirklichen Dasein zu machen. Das +Streben der bürgerlichen Gesellschaft sich in die politische Gesellschaft zu +verwandeln oder die politische Gesellschaft zur wirklichen Gesellschaft zu +machen, zeigt sich als das Streben der möglichst allgemeinen Theilnahme +an der gesetzgebenden Gewalt. + +Die Zahl ist hier nicht ohne Bedeutung. Wenn schon die Vermehrung des +ständischen Elements eine physische und intellektuelle Vermehrung einer +der feindlichen Streitkräfte ist, (und wir haben gesehn, die verschiedenen +Elemente der gesetzgebenden Gewalt stehn sich als feindliche Streitkräfte +gegenüber —) so ist dagegen die Frage, ob Alle Einzeln Glieder der gesetz +gebenden Gewalt sein oder ob sie durch Abgeordnete eintreten sollen, die +in Frage Stellung des repräsentativen Princips innerhalb des repräsentativen +Princips, innerhalb der Grundvorstellung des politischen Staats, der seine +Existenz in der konstitutionellen Monarchie findet. 1) Ist es eine Vorstellung +der Abstraktion des politischen Staats, daß die gesetzgebende Gewalt die +Totalität des politischen Staates ist. Weil dieser eine Akt der einzige poli +tische Akt der bürgerlichen Gesellschaft ist, so sollen und wollen Alle auf +einmal an ihm Theil nehmen. 2) Alle als Einzelne. Im ständischen Element +ist die gesetzgebende Thätigkeit nicht als sociale, als eine Funktion der +Socialität betrachtet, sondern vielmehr als der Akt, wo die Einzelnen erst +in wirklich und bewußtsociale Funktion, d. h. in eine politische Funktion +treten. Die gesetzgebende Gewalt ist hier kein Ausfluß, keine Funktion der +Societät, sondern erst ihre Bildung. Die Bildung zur gesetzgebenden Gewalt +erheischt, daß alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als einzelne sich + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +128 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +betrachten, sie stehn wirklich als einzeln gegenüber. Die Bestimmung +„Mitglieder des Staats zu sein" ist ihre „abstrakte Bestimmung", eine Be +stimmung, die in ihrer lebendigen Wirklichkeit nicht verwirklicht ist. + +Entweder findet Trennung des politischen Staats und der bürgerlichen +5 GeseUschaft statt. Dann können nicht Alle einzeln an der gesetzgebenden +Gewalt Theü nehmen. Der politsche Staat ist eine von der bürgerlichen +GeseUschaft getrennte Existenz. Die bürgerUche GeseUschaft würde ei +nerseits sich selbst aufgeben, wenn aUe Gesetzgeber wären, andrerseits kann +der ihr gegenüberstehende poktische Staat sie nur in einer Form ertragen, +die seinem Maaßstab angemessen ist. Oder eben die Theünahme der bürger- +üchen GeseUschaft durch Abgeordnete am poütischen Staat ist eben der +Ausdruck ihrer Trennung und nur dualistischen Einheit. | + +10 + +15 + +20 + +25 + +|[146]| Oder umgekehrt. Die bürgerliche GeseUschaft ist wirkliche politi +sche GeseUschaft. Dann ist es Unsinn, eine Forderung [zu] steUen, die nur +aus der VorsteUung des politischen Staates, als der von der bürgerlichen +GeseUschaft getrennten Existenz, die nur aus der theologischen VorsteUung +des politischen Staats hervorgegangen ist. In diesem Zustand verschwindet +die Bedeutung der gesetzgebenden Gewalt als einer repräsentativen Gewalt +gänzlich. Die gesetzgebende Gewalt ist hier Repräsentativ in dem Sinne, wie +jede Funktion repräsentativ ist, wie ζ. B. der Schuster, insofern er ein so­ +ciales Bedürfniß verrichtet, mein Repräsentant ist, wie jede bestimmte +sociale Thätigkeit als Gattungsthätigkeit nur die Gattung, d. h. eine Bestim +mung meines eignen Wesens repräsentirt, wie jeder Mensch der Repräsen +tant des andern ist. Er ist hier Repräsentant nicht durch ein andres, was er +vorsteUt, sondern durch das, was er ist und thut. + +Die „gesetzgebende" Gewalt wird nicht wegen ihres Inhaltes, sondern +wegen ihrer formellen poütischen Bedeutung angestrebt. An und für sich +müßte ζ. B. die Regierungsgewalt Viel mehr das Ziel der Volkswünsche sein, +als die gesetzgebende, die metaphysische Staatsfunktion. Oie gesetzgebende + +30 Funktion ist der Wüle, nicht in seiner praktischen, sondern in seiner theo + +retischen Energie. Der Wille soUhier nicht síaírdes Gesetzes gelten; sondern +es g u t, das wirkliche Gesetz zu entdecken und zu formuliren. + +Aus dieser Zwiespältigen Natur der Gesetzgebenden Gewalt, als wirkli +cher gesetzgebender Funktion und als repräsentativer, abstrakt politischer +35 Funktion, geht eine Eigentümlichkeit hervor, die sich vorzugsweise in + +Frankreich, dem Land der poütischen Bildung, geltend macht. + +(Wir haben in der Regierungsgewalt mimer zwei, das wirkliche Thun und +die Staatsraison dieses Thuns, als ein andres wirküches Bewußtsein, das in +semer totalen Gliederung die Bureaucratie ist.) + +40 + +Der eigentliche Inhalt der gesetzgebenden Gewalt wird, (so weit nicht die +herrschenden Sonderinteressen in einen bedeutenden Conflict mit dem + +129 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +5 + +objectum quaestionis gerathen) sehr à part, als Nebensache behandelt. +Besondere Aufmerksamkeit erregt eine Frage erst, sobald sie politisch wird, +d. h. entweder, sobald eine Ministerfrage, also die Macht der gesetzgebenden +Gewalt über die Regierungsgewalt, daran angeknüpft werden kann oder +sobald es sich überhaupt um Rechte handelt, die mit dem politischen For- +malismus in Verbindung stehn. Woher diese Erscheinung? Weil die gesetz +gebende Gewalt zugleich die Repräsentation des politischen Daseins | +|[147]| der bürgerlichen Gesellschaft ist; weil das politische Wesen einer +Frage überhaupt in ihrem Verhältniß zu den verschiednen Gewalten des +politischen Staats besteht; weil die gesetzgebende Gewalt das politische 10 +Bewußtsein repräsentirt und dieß sich nur im Conflict mit der Regierungs +gewalt als potìtisch beweisen kann. Diese wesentliche Forderung, daß jedes +sociale Bedürfniß, Gesetz etc. politisch, d. h. als bestimmt durch das Staats +ganze, in seinem socialen Sinn eruirt werde, nimmt im Staat der politischen +Abstraktion die Wendung, daß ihr eine formelle Wendung gegen eine andre +Macht (Inhalt) ausser ihrem wirklichen Inhalt gegeben werde. Das ist keine +Abstraktion der Franzosen, sondern das ist die nothwendige Consequenz, +weil der wirkliche Staat nur als der betrachtete politische Staatsformalismus +existirt. Die Opposition innerhalb der repräsentativen Gewalt, ist das κατ' +εξοχήν politische Dasein der repräsentativen Gewalt. + +15 + +20 + +Innerhalb der repräsentativen Verfassung nimmt indessen die eruirte +Frage eine andre Wendung, als in welcher H. sie betrachtet hat. Es handelt +sich hier nicht ob die bürgerliche Gesellschaft durch Abgeordnete oder Alle +einzeln die gesetzgebende Gewalt ausüben sollen, sondern es handelt sich +um die Ausdehnung und möglichste Verallgemeinerung der Wahl, sowohl +des aktiven, als des passiven Wahlrechts. Das ist der eigentliche Streitpunkt +der politischen Reform, sowohl in Frankreich als in England. + +25 + +30 + +Man betrachtet die Wahl nicht philosophisch, d. h. nicht in ihrem eigen +t ü m l i c h en Wesen, wenn man sie sogleich in Beziehung auf die fürstliche +oder Regierungsgewalt faßt. Die Wahl ist das wirkliche Verhältniß der +wirklichen bürgerlichen Gesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft der +gesetzgebenden Gewalt, zu dem repräsentativen Element. Oder die Wahl ist +das unmittelbare, das direkte, das nicht blos vorstellende, sondern seiende +Verhältniß der bürgerlichen Gesellschaft zum politischen Staat. Es versteht +sich daher von selbst, daß die Wahl das hauptsächliche politische Interesse 35 +der wirklichen bürgerlichen Gesellschaft bildet. In der unbeschränkten, +sowohl aktiven als passiven Wahl hat die bürgerliche Gesellschaft sich erst +wirklich zu der Abstraktion von sich selbst, zu dem politischen Dasein als +ihrem wahren allgemeinen wesentlichen Dasein erhoben. Aber die Voll +endung dieser Abstraktion ist zugleich die Aufhebung der Abstraktion. 40 +Indem die bürgerliche Gesellschaft ihr politisches Dasein wirklich als ihr + +130 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +wahres gesezt hat, hat sie zugleich ihr bürgerliches ||[148]| Dasein, in seinem +Unterschied von ihrem politischen, als unwesentlich gesezt; und mit dem +einen Getrennten fällt sein Andres, sein Gegentheil. Die Wahlreform ist also +innerhalb des abstrakten poütischen Staats die Forderung seiner Auflösung, + +5 + +aber ebenso der Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft. +Wir werden der Frage der Wahlreform später unter einer andern Gestalt +begegnen; nämlich von der Seite der Interessen. Ebenso werden wir später +die andern Conflicte erörtern, die aus der doppelten Bestimmung der ge +setzgebenden Gewalt (einmal Abgeordneter, Mandatar der bürgerlichen +10 Gesellschaft, das andremal vielmehr erst ihr politisches Dasein und ein +eigenthümliches Dasein innerhalb des poütischen Staatsf ormaüsmus zu sein) +hervorgehn. + +15 + +Wir kehren einstweüen zu der Anmerkung zu unsrem § zurück. +„Die vernünftige Betrachtung, das Bewußtsem der Idee, ist konkret und +trifft insofern mit dem wahrhaft praktischen Sinne, der selbst nichts Ande +res, als der vernünftige Sinn, der Sinn der Idee ist, zusammen. Der konkrete +Staat ist das in seine besonderen Kreise gegliederte Ganze; das MitgUed des +Staates ist ein Mitglied eines solchen Standes; nur in dieser semer objektiven +Bestimmung kann es im Staate in Betracht kommen." Hierüber ist schon +20 oben das Nöthige gesagt. „Seine (des Staatsmitgliedes) augemeine Bestim +mung überhaupt enthält das gedoppelte Moment, Privatperson und als +denkendes ebenso sehr Bewußtsein und Woüen des Allgemeinen zu sein; +dieses Bewußtsein und Wollen aber ist nur dann nicht leer, sondern erfüllt +und wirklich lebendig, wenn es mit der Besonderheit — und diese ist der +25 besondere Stand und Bestimmung — erfüüt ist; oder das Individuum ist +Gattung, hat aber seme immanente aügemeine Wirklichkeit als nächste +Gattung." + +AUes das was Hegel sagt, ist richtig, mit der Beschränkung, 1) daß er +besondren Stand und Bestimmung als identisch sezt; 2) daß diese Bestim- +30 mung, die Art, die nächste Gattung auch wtklich, nicht nur an sich, sondern +für sich, als Art der Allgemeinen Gattung, als ihre Besonderung gesezt sein +mußte. Hegel aber begnügt sich im Staate, den er als das selbstbewußte +Dasein des sittkchen Geistes demonstrirt, daß dieser sittüche Geist nur an +sich, der allgemeinen Idee nach, das Bestimmende ist. Zum wirklichen +35 Bestimmen läßt er die Societät nicht kommen, weil dazu ein wirkliches + +Subject nöthig ist und er nur ein abstraktes, eme Imagination ist. | + +|XXXIX.[149]| §309. „Da die Abordnung zur Berathung und Beschliessung +über die allgemeinen Angelegenheiten geschieht, hat sie den Sinn, daß durch +das Zutrauen solche Individuen dazu bestimmt werden, die sich besser auf +40 diese Angelegenheiten verstehn, als die Abordnenden, wie auch, daß sie nicht +das besondre Interesse einer Gemeinde, Korporation gegen das aügemeine, + +131 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +sondern wesentlich dieses geltend machen. Sie haben damit nicht das Ver +hältniß, kommittirte oder Instruktionen überbringende Mandatarien zu sein, +um so weniger als die Zusammenkunft die Bestimmung hat, eine lebendige, +sich gegenseitig unterrichtende und überzeugende, gemeinsam berathende +Versammlung zu sein." + +5 + +Die Abgeordneten sollen 1) keine „kommittirte oder Instruktionen über +bringende Mandatarien sein", „weil sie nicht das besondre Interesse einer +Gemeinde, Korporation gegen das allgemeine, sondern wesentlich dieß +geltend" machen sollen. Hegel hat die Repräsentanten erst als Repräsen +tanten der Korporationen etc. construirt, um dann wieder die andre politische ι o +Bestimmung hereinzubringen, daß sie nicht das besondre Interesse der +Korporation etc. geltend zu machen haben. Er hebt damit seine eigene +Bestimmung auf; denn er trennt sie in ihrer wesentlichen Bestimmung als +Repräsentant gänzlich von ihrem Korporationsdasein. Er trennt damit auch +die Korporation von sich als ihrem wirklichen Inhalt, denn sie soll nicht aus +ihrem Gesichtspunkt, sondern aus dem Staatsgesichtspunkt wählen, d.h. sie +soll in ihrem Nicht-Dasein als Korporation wählen. In der materiellen Be +stimmung erkennt er also an, was er in ihrer formellen verkehrte, die Ab +straktion der bürgerlichen Gesellschaft von sich selbst in ihrem politischen +Akt und ihr politisches Dasein ist nichts als diese Abstraktion. Hegel giebt +als Grund an, weil sie eben zur Bethätigung der „allgemeinen Angelegen +heiten" gewählt werden; aber die Corporationen sind keine Existenzen der +allgemeinen Angelegenheiten. + +15 + +20 + +2) soll die „Abordnung den Sinn" haben „daß durch das Zutrauen solche +Individuen dazu bestimmt werden, die sich besser auf diese Angelegenheiten +verstehn, als die Abordnenden", woraus abermals folgen soll, daß die De- +putirten also nicht das Verhältniß der „Mandatarien" haben. + +25 + +Daß sie dieses „besser" verstehn, und nicht „einfach" verstehn, kann +Hegel nur durch ein Sophisma heraus bringen. Es könnte dieß nur dann +geschlossen werden, wenn die Abordnenden die Wahl hätten, die all- 30 +gemeinen Angelegenheiten selbst zu berathen und zu beschliessen; +oder I/[150]/bestimmte Individuen zu ihrer Vollziehung abzuordnen; d.h. +eben, wenn die Abordnung, die Repräsentation nicht wesentüch zum +Charakter der gesetzgebenden Gewalt der bürgerlichen Gesellschaft gehörte, +was eben ihr eigenthümliches Wesen, wie eben ausgeführt, in dem von Hegel +construirten Staate ausmacht. + +35 + +Es ist dieß Beispiel sehr bezeichnend dafür, wie Hegel die Sache innerhalb +ihrer Eigentümlichkeit halb absichtlich aufgiebt und ihr in ihrer bornirten +Gestalt den entgegengesezten Sinn dieser Bornirtheit unterschiebt. + +Den eigentlichen Grund giebt Hegel zulezt. Die Deputirten der burger- 40 + +liehen Gesellschaft constituiren sich zu einer „Versammlung" und diese + +132 + + ν + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +Versammlung ist erst das wirkliche politische Dasein und Wollen der bürger +lichen GeseUschaft. Die Trennung des poütischen Staats von der bürger +lichen GeseUschaft erscheint als die Trennung der Deputirten von ihren +Mandataren. Die GeseUschaft ordnet blos die Elemente zu ihrem poütischen + +5 Dasein von sich ab. + +10 + +15 + +20 + +Der Widerspruch erscheint doppelt: +1) formell. Die Abgeordneten der bürgerlichen Gesellschaft sind eme +GeseUschaft, die nicht durch die Form der „Instruction", des Auftrages mit +ihren Committenten in Verbindung stehn. Sie sind formell kommittirt, aber +sobald sie wirklich sind, sind sie nicht mehr committirte. Sie sollen Ab + +geordnete sein und sind es nicht. + +2) materiell. In Bezug auf die Interessen. Darüber hernach. Hier findet das +Umgekehrte Statt. Sie sind als Repräsentanten der allgemeinen Angelegen +heiten committirt, aber sie repräsentiren wirklich besondre Angelegenhei- +ten. + +Bezeichnend ist, daß Hegel hier das Zutrauen als die Substanz der Ab +ordnung bezeichnet, als das substantieüe Verhältniß zwischen Abordnenden +und Abgeordneten. Zutrauen ist ein persönliches Verhältniß. Es heißt dar +über weiter in dem Zusatz: + +„Repräsentation gründet sich auf Zutrauen, Zutrauen aber ist etwas +Anderes, als ob ich als dieser meine Stimme gebe. Die Majorität der Stimmen +ist ebenso dem Grundsatze zuwider, daß bei dem, was mich verpflichten +muß, ich als dieser zugegen sein soü. Man hat Zutrauen zu einem Menschen, +indem man seme Einsicht dafür ansieht, daß er meine Sache als seme Sache, + +25 nach seinem besten Wissen und Gewissen, behandeln wird." | + +|[151]| § 310. „Die Garantie der diesem Zwecke entsprechenden Eigen +schaften und der Gesinnung, — da das unabhängige Vermögen schon in dem +ersten Theüe der Stände sein Recht verlangt, — zeigt sich bei dem zweiten +Theile, der aus dem beweghchen und veränderüchen Elemente der bür- +30 gerlichen Gesellschaft hervorgeht, vornehmlich in der durch wirkliche +Geschäftsführung, +in obrigkeitlichen oder Staatsämtern erworbenen und +durch die That bewährten Gesinnung, Geschicklichkeit und Kenntniß +der Einrichtungen und Interessen des Staats, und der bürgerüchen Gesell +schaft, und dem dadurch gebüdeten obrigkeitlichen Sinn und Sinn des + +35 + +Staats" +Erst wurde die erste Kammer, die Kammer des unabhängigen Privat +eigenthums für den Fürsten und die Regierungsgewalt als Garantie gegen die +Gesinnung der zweiten Kammer als dem politischen Dasein der empirischen +AUgemeinheit construirt und jezt verlangt Hegel wieder eine neue Garantie, + +40 welche die Gesinnung etc. der zweiten Kammer selbst garantiren soU. + +Erst war das Zutrauen die Garantie der Abordner, die Garantie der Ab- + +133 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +geordneten. Jezt bedarf dieß Zutrauen selbst wieder der Garantie seiner +Tüchtigkeit. + +Hegel hätte nicht übel Lust, die zweite Kammer zur Kammer der pen- +sionirten Staatsbeamten zu machen. Er verlangt nicht nur „den Sinn des +Staats" sondern auch „obrigkeitlichen" büreaucratischen Sinn. + +5 + +Was er hier wirklich verlangt, ist, daß die gesetzgebende Gewalt die +wirkliche regierende Gewalt sein soll. Er drückt dieß so aus, daß er die +Bureaucratie Zweimal verlangt, einmal als Repräsentation der Fürsten und +das anderemal als Repräsentation des Volkes. + +Wenn in constitutionellen Staaten auch Beamte zulässig sind als Deputirte, +so ist dieß nur, weil überhaupt vom Stand, von der bürgerlichen Qualität +abstrahirt und die Abstraktion des Staatsbürgerthums das Herrschende ist. + +10 + +Hegel vergißt dabei, daß er die Repräsentation von den Korporationen +ausgehn ließ und daß diesen direkt die Regierungsgewalt gegenübersteht. Er +geht in diesem Vergessen, was er gleich in dem folgenden § wieder vergißt, 15 +soweit, daß er einen wesentlichen Unterschied zwischen den Abgeordneten +der Korporation und den ständischen Abgeordneten kreirt. | + +|[152]| In der Anmerkung zu diesem § heißt es: +„Die subjektive Meinung von sich findet leicht die Forderung solcher +Garantien, wenn sie in Rücksicht auf das sogenannte Volk gemacht wird, 20 +überflüssig, ja selbst etwa beleidigend. Der Staat hat aber das Objektive, +nicht eine subjektive Meinung und deren Selbstzutrauen zu seiner Bestim +mung; die Individuen können nur das für ihn sein, was an ihnen objektiv +erkennbar und erprobt ist, und er hat hierauf bei diesem Theil des ständischen +Elements um so mehr zu sehn, als derselbe seine Wurzel in den auf das 25 +Besondere gerichteten Interessen und Beschäftigungen hat, wo die Zufällig +keit, Veränderlichkeit und Willkühr ihr Recht sich zu ergehn hat." + +Hier wird die gedankenlose Inconsequenz und der „obrigkeitliche" Sinn + +H's. wirklich ekelhaft. Am Schlüsse des Zusatzes zum frühren § hieß es: + +„Daß dieses (sc. ihre oben beschriebene Aufgabe) der Abgeordnete voll- 30 + +bringe und befördere, dazu bedarf es für die Wählenden der Garantie." + +Diese Garantie für die Wählenden hat sich unter der Hand in eine Garantie +gegen die Wählenden, gegen ihr „Selbstzutrauen" entwickelt. In dem Stän +dischen Element sollte die „empirische Allgemeinheit" zum Moment „der +subjektiven formellen Freiheit" kommen. „Das öffentliche Bewußtsein" 35 +sollte in ihm „als empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der +Vielen zur Existenz" kommen. (§ 301.) Jezt sollen diese „Ansichten und +Gedanken" zuvor der Regierung eine Probe ablegen, daß sie „ihre" An +sichten und Gedanken sind. Hegel spricht hier nämlich dummer Weise vom +Staat als einer fertigen Existenz, obgleich er eben erst daran ist, im stän- 40 +dischen Element den Staat fertig zu construiren. Er spricht vom Staat als + +134 + + F + +I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +5 + +konkretem Subjekt, das „sich nicht an die subjektive Meinung und deren +Selbstzutrauen stört", für den die Individuen erst sich „erkennbar" gemacht +und „erprobt" haben. Es fehlt nur noch, daß Hegel ein Examen der Stände +abzulegen bei der Wobllöbüchen Regierung verlangt. H. geht hier fast bis +zur Servüität. Man sieht ihn durch und durch angesteckt von dem elenden +Hochmuth der preussischen Beamtenwelt, die vornehm in ihrer Bu- +reaubornirtheit auf das „Selbstzutrauen" der „subjektiven Meinung des +Volks zu sich" herab sieht. Der „Staat" ist hier überaü für Hegel identisch +mit der „Regierung". + +10 + +AUerdings kann in einem wirklichen Staate das „blose Zutrauen", die +„subjektive Meinung" nicht genügen. Aber in dem von Hegel ||XL.[153]| con- +struirten Staate ist die politische Gesinnung der bürgerlichen GeseUschaft +eine blose Meinung, eben weü ihr poütisches Dasein eine Abstraktion von +ihrem wirklichen Dasein ist; eben weü das Ganze des Staats nicht die +15 Objektivirung der politischen Gesinnung ist. WoUte Hegel consequent seni, +so müßte er vielmehr alles aufbieten, um das ständische Element semer +wesentlichen Bestimmung gemäß (§ 301) als das Fürsichsein der aUgemeinen +Angelegenheit in den Gedanken etc. der Vielen, also eben ganz unabhängig +von den andern Voraussetzungen des poütischen Staats zu construiren. + +20 + +25 + +Eben so wie Hegel es früher als die Ansicht des Pöbels bezeichnete, den +schlechten Wülen bei der Regierung etc. vorauszusetzen, ebenso sehr und +noch mehr ist es die Ansicht des Pöbels den schlechten Wülen beim Volke +vorauszusetzen. Hegel darf es dann auch bei den von ihm verachteten +Theoretikern weder „überflüssig", noch „beleidigend" finden, wenn Ga- +rantien „in Rücksicht auf den sogenannten" Staat, den soi-disant Staat, die +Regierung verlangt, Garantien verlangt werden, daß die Gesinnung der +Bureaucratie die Staatsgesinnung sei. + +§ 311. „Die Abordnung, als von der bürgerlichen GeseUschaft ausgehend, +hat femer den Sinn, daß die Abgeordneten mit deren specieUen Bedürf- +30 nissen, Hindernissen, besonderen Interessen bekannt seien, und ihnen selbst +angehören. Indem sie nach der Natur der bürgerüchen GeseUschaft von ihren +verschiedenen Korporationen ausgeht (§ 308), und die einf ache Weise dieses +Ganges nicht durch Abstraktionen und die atomistischen VorsteUungen +gestört wird, so erfüüt sie damit unmittelbar jenen Gesichtspunkt, und +35 Wählen ist entweder überhaupt etwas Ueberflüssiges oder reducirt sich auf + +ein geringes Spiel der Meinung und der Wülkühr." | + +|[154]| Zunächst knüpft Hegel die Abordnung in ihrer Bestimmung als +„gesetzgebende Gewalt" (§ 309,10) an die Abordnung „als von der bürger +lichen GeseUschaft ausgehend" d.h. an ihre repräsentative Bestimmung +40 durch ein einfaches „ferner" an. Die ungeheuren Widersprüche, die in + +diesem „ferner" liegen spricht er eben so gedankenlos aus. + +135 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Nach § 309 sollen die Abordnenden „nicht das besondere Interesse einer +Gemeinde, Korporation gegen das allgemeine, sondern wesentlich dieses +geltend machen". + +Nach § 311 gehn sie von den Korporationen aus, repräsentiren diese +besondern Interessen und Bedürfnisse und lassen sich nicht durch „Ab- +straktionen" stören, als wenn das „allgemeine Interesse" nicht auch eine +solche Abstraktion wäre, eine Abstraktion eben von ihren Korporations etc. +Interessen. + +5 + +Nach § 310 wird verlangt „daß sie durch wirkliche Geschäftsführung etc. +sich obrigkeitlichen Sinn und den Sinn des Staats" erworben und bewährt 10 +haben. In § 311 wird Korporations und bürgerlicher Sinn verlangt. + +In dem Zusatz zu § 309 heißt es: „Repräsentation gründet sich auf Zu +trauen." Nach § 311 ist „Wählen", diese Realisirung des Zutrauens, diese +Betätigung, Erscheinung desselben, „entweder überhaupt etwas Ueberflüs- +siges oder reducirt sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Will- 15 +kühr". + +Das, worauf sich die Repräsentation gründet, ihr Wesen, ist also der +Repräsentation „entweder überhaupt etwas Ueberflüssiges etc". Hegel stellt +also in einem Athem die absoluten Widersprüche auf: + +Die Repräsentation gründet sich auf Zutrauen, auf das Vertrauen des 20 + +Menschen zum Menschen, und sie gründet sich nicht auf das Zutrauen. Das +ist vielmehr eine blose formelle Spielerei. + +Das besondere Interesse ist nicht das Objekt der Vertretung, sondern der +Mensch und sein Staatsbürgerthum, das allgemeine Interesse. Andrerseits: +Das besondere Interesse ist der Stoff der Vertretung, der Geist dieses Inter- +esses ist der Geist des Repräsentanten. + +25 + +In der Anmerkung zu diesem §, die wir nun betrachten, werden diese +Widersprüche noch greller durchgeführt. ||[155]| Das einemal ist die Re +präsentation die Vertretung des Menschen, das anderemal des besonderen +Interesses, des besonderen Stoffes. + +30 + +„Es bietet sich von selbst das Interesse dar, daß unter den Abgeordneten +sich für jeden besonderen grossen Zweig der Gesellschaft, ζ. B. für den +Handel, für die Fabriken u. s.f. Individuen befinden, die ihn gründlich +kennen und ihm selbst angehören; — in der Vorstellung eines losen un +bestimmten Wählens ist dieser wichtige Umstand nur der Zufälligkeit preis 35 +gegeben. Jeder solcher Zweig hat aber gegen den andern gleiches Recht, +repräsentirt zu werden. Wenn die Abgeordneten als Repräsentanten be +trachtet werden, so hat dieß einen organisch vernünftigen Sinn nur dann, daß +sie nicht Repräsentanten als von Einzelnen, von einer Menge seien, sondern +Repräsentanten einer der wesentlichen Sphären der Gesellschaft, Repräsen- +tanten ihrer grossen Interessen. Das Repräsentiren hat damit auch nicht mehr + +40 + +136 + + I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt + +die Bedeutung, daß einer an der Steile eines andern sei, sondern das Interesse +selbst ist in seinen Repräsentanten wirklich gegenwärtig, so wie der Reprä +sentant für sein eignes objektives Element da ist. + +— Von dem Wählen durch die vielen ||[156]| Einzelnen kann noch bemerkt +5 werden, daß nothwendig besonders in grossen Staaten die Gleichgültigkeit +gegen das Geben seiner Stimme, als die in der Menge eine unbedeutende +Wirkung hat, eintritt, und die Stimmberechtigten, diese Berechtigung mag +ihnen als etwas noch so Hohes angeschlagen und vorgestellt werden, eben +zum Stimmgeben nicht erscheinen; — so daß aus solcher Institution vielmehr +10 das Gegentheil ihrer Bestimmung erfolgt, und die Wahl in die Gewalt +Weniger, einer Partei, somit des besonderen zufälligen Interesses fällt, das +gerade neutralisirt werden sollte." + +Die beiden § 312 und 13 sind im früheren erledigt und keiner besondern + +Besprechung Werth. Wir setzen sie daher hierhin: + +15 + +20 + +§ 312. „Von den zwei im ständischen Elemente enthaltenen Seiten (§ 305, +§ 308) bringt jede in die Berathung eine besondere Modification; und weü +überdem das eme Moment die eigentümliche Funktion der Vermittelung +innerhalb dieser Sphäre und zwar zwischen Existirenden hat, so ergjebt sich +für dasselbe gleichfaUs eine abgesonderte Existenz; die ständische Ver- +S a m m l u ng wird sich somit in zwei Kammern theilen." O Jerum! + +§ 313. „Durch diese Sonderung erhält nicht nur die Reife der Ent- +schüessung vermittelst einer Mehrheit von Instanzen ihre grössere Siche +rung, und wird die Zufäüigkeit einer Stimmung des Augenblicks, wie die +Zufäüigkeit, welche die Entscheidung durch die Mehrheit der Stim- +25 menanzahl annehmen kann, entfernt, sondern vornehmlich kommt das +ständische Element weniger in den Faü, der Regierung direkt gegenüber zu +stehen, oder im Faüe das vermittelnde Moment sich gleichfaUs auf der Seite +des zweiten Standes befindet, wird das Gewicht seiner Ansicht um so mehr +verstärkt, als sie so unparthenscher und sein Gegensatz neutralisüt er- + +30 scheint." I + +|[157]| +Ueber Hegels Uebergang in Explication | + +Inhaltsverzeichnis. + +137 + + Index zum Manuskript + +„Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" + +|Die Verdopplung der systematischen Entwicklung. I, 3, 4. + +logischer Mysticismus. Π, 8. III, 9. die mystische Sprachweise, ibid. Ein + +Beispiel. §267. IV, p. 13. 14. + +Die Idee als Subjekt. IV, p. 15. 16. (Die wirklichen Subjekte werden zu + +blosen Namen.) p. 17. p. 18. p. 20.21. p. 24.26,27, p. 28. p. 40. p. 57. p. 75.78. + +XXVI, 2. XXVIII. XXX, 3. XXXI, 3. XXXII, 2. +XXXrV, 2, 3, 4. p. XXXVII; 2. Widerspruch XXXIX. | + +138 + + Deutsch-Französische Jahrbücher. 1./2. Lieferung. +Paris 1844. Titelblatt + + Zur Judenfrage + +Deutsch-Französische Jahrbücher. +Lfg.1/2. 1844 + +|i82| Zur Judenfrage. + +1) Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843. — +2) Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden +und Christen frei zu werden. +Ein und zwanzig Bogen aus der Schweiz. +Herausgegeben von Georg Herwegh. +Zürich und Winterthur. 1843. S. 56-71. - + +Von +Karl Marx. + +I. +Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843. + +Die deutschen Juden begehren die Emancipation. Welche Emancipation +begehren sie? Die staatsbürgerliche, die politische Emancipation. + +Bruno Bauer antwortet ihnen: Niemand in Deutschland ist politisch +emancipili. Wir selbst sind unfrei. Wie sollen wir euch befreien? Ihr Juden +seid Egoisten, wenn ihr eine besondere Emancipation für euch als Juden +verlangt. Ihr müßtet als Deutsche an der politischen Emancipation Deutsch +lands, als Menschen an der menschlichen Emancipation arbeiten und die +besondere Art eures Drucks und eurer Schmach nicht als Ausnahme von der +Regel, sondern vielmehr als Bestätigung der Regel empfinden. + +Oder verlangen die Juden Gleichstellung mit den christlichen Unterta +nen? So erkennen sie den christlichen Staat als berechtigt an, so erkennen +sie das Regiment der allgemeinen Unterjochung an. Warum mißfällt ihnen +ihr specielles Joch, wenn ihnen das allgemeine Joch gefällt! Warum soll der + +141 + + Zur Judenfrage + +Deutsche sich für die Befreiung des Juden interessiren, wenn der Jude sich +nicht für die Befreiung des Deutschen interessiti? + +Der christliche Staat kennt nur Privilegien. Der Jude besitzt in ihm das +Privüegium, Jude zu sein. Er hat als Jude Rechte, ||l83| welche die Christen +nicht haben. Warum begehrt er Rechte, welche er nicht hat und welche die +Christen genießen! + +Wenn der Jude vom chrisüichen Staat emancipirt sein will, so verlangt er, +daß der christüche Staat sein religiöses Vorurtheil aufgebe. Giebt er, der +Jude, sein religiöses Vorurtheü auf? Hat er also das Recht, von einem andern +diese Abdankung der Reügion zu verlangen? + +Der christiiche Staat kann seinem Wesen nach den Juden nicht eman- +cipiren; aber, setzt Bauer hinzu, der Jude kann seinem Wesen nach nicht +emancipirt werden. So lange der Staat chrisüich und der Jude jüdisch ist, +sind Beide eben so wenig fähig, die Emancipation zu verleihen, als zu +empfangen. + +5 + +10 + +15 + +Der christiiche Staat kann sich nur in der Weise des christlichen Staats +zu dem Juden verhalten, das heißt auf privilegirende Weise, indem er die +Absonderung des Juden von den übrigen Unterthanen gestattet, ihn aber den +Druck der andern abgesonderten Sphären empfinden und um so nachdrück +licher empfinden läßt, als der Jude im religiösen Gegensatz zu der herrschen- +den Reügion steht. Aber auch der Jude kann sich nur jüdisch zum Staat +verhalten, das heißt zu dem Staat als einem Fremdling, indem er der wirk- +üchen Nationaütät seine chimärische Nationalität, indem er dem wirküchen +Gesetz sein ülusorisches Gesetz gegenübersteüt, indem er zur Absonderung +von der Menschheit sich berechtigt wähnt, indem er principieü keinen 25 +Antheü an der geschichtlichen Bewegung nimmt, indem er einer Zukunft +harrt, welche mit der aUgemeinen Zukunft des Menschen nichts gemein hat, +indem er sich für ein Glied des jüdischen Volkes und das jüdische Volk für +das auserwählte Volk hält. + +20 + +Auf welchen Titel hin begehrt ihr Juden also die Emancipation? Eurer 30 + +Reügion wegen? Sie ist die Todtfeindin der Staatsreügion. Als Staatsbürger? +Es gibt in Deutschland kerne Staatsbürger. Als Menschen? Ihr seid kerne +Menschen, so wenig als die, an welche ihr appellirt. + +Bauer hat die Frage der Juden-Emancipation neu gesteUt, nachdem er eine +Kritik der bisherigen Stellungen und Lösungen der Frage gegeben. Wie, fragt 35 +er, sind sie beschaffen, der Jude, der emancipirt werden, der christiiche Staat, +der emancipiren soU? Er antwortet durch eine Kritik der jüdischen Reügion, +er analysüt den religiösen Gegensatz zwischen Judenthum und Christen +thum, er verständigt über das Wesen des christiichen Staates, alles dies +mit ||184| Kühnheit, Schärfe, Geist, Gründlichkeit in einer eben so präcisen, 40 +als kernigen und energievollen Schreibweise. + +142 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +Wie also löst Bauer die Judenfrage? Welches das Resultat? Die Formu- +lirung einer Frage ist ihre Lösung. Die Kritik der Judenfrage ist die Antwort +auf die Judenfrage. Das Resumé also Folgendes: + +Wir müssen uns selbst emancipiren, ehe wir andere emancipiren können. + +5 Die starrste Form des Gegensatzes zwischen dem Juden und dem Christen +ist der religiöse Gegensatz. Wie löst man einen Gegensatz? Dadurch daß man +ihn unmöglich macht. Wie macht man einen religiösen Gegensatz unmöglich? +Dadurch daß man die Religion aufhebt. Sobald Jude und Christ ihre gegen +seitigen Religionen nur mehr als verschiedene Entwicklungsstufen des +10 menschlichen Geistes, als verschiedene von der Geschichte abgelegte +Schlangenhäute und den Menschen als die Schlange erkennen, die sich in +ihnen gehäutet, stehn sie nicht mehr in einem religiösen, sondern nur noch +in einem kritischen, wissenschaftlichen, in einem menschlichen Verhält +nisse. Die Wissenschaft ist dann ihre Einheit. Gegensätze in der Wissen- +schaft lösen sich aber durch die Wissenschaft selbst. + +15 + +Dem deutschen Juden namentlich stellt sich der Mangel der politischen +Emancipation überhaupt und die prononcirte Christlichkeit des Staats gegen +über. In Bauers Sinn hat jedoch die Judenfrage eine allgemeine von den +specifisch-deutschen Verhältnissen unabhängige Bedeutung. Sie ist die +20 Frage von dem Verhältniß der Religion zum Staat, von dem Widerspruch +der religiösen Befangenheit und der politischen Emancipation. Die Eman +cipation von der Religion wird als Bedingung gestellt, sowohl an den Juden, +der politisch emancipili sein will, als an den Staat, der emancipiren und selbst +emancipirt sein soll. + +25 + +30 + +„Gut, sagt man, und der Jude sagt es selbst, der Jude soll auch nicht als +Jude, nicht weil er Jude ist, nicht weil er ein so treffliches allgemein +menschliches Prinzip der Sittlichkeit hat, emancipirt werden, der Jude wird +vielmehr selbst hinter dem Staatsbürger zurücktreten und Staatsbürger sein +trotz dem, daß er Jude ist und Jude bleiben soll: d. h. er ist und bleibt Jude, +trotz dem, daß er Staatsbürger ist und in allgemeinen menschlichen Ver +hältnissen lebt: sein jüdisches und beschränktes Wesen trägt immer und +zuletzt über seine menschlichen und politischen Verpflichtungen den Sieg +davon. Das Vorurtheil bleibt trotz dem, claß es von ||185| allgemeinen Grund +sätzen überflügelt ist. Wenn es aber bleibt, so überflügelt es vielmehr alles +35 Andere." „Nur sophistisch, dem Scheine nach würde der Jude im Staatsleben +Jude bleiben können; der blose Schein würde also, wenn er Jude bleiben +wollte, das Wesentliche sein und den Sieg davon tragen, d. h. sein Leben im +Staat würde nur Schein oder nur momentane Ausnahme gegen das Wesen +und die Regel sein." (Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu + +40 werden, Ein und zwanzig Bogen, p. 57). + +Hören wir andrerseits, wie Bauer die Aufgabe des Staats stellt: + +143 + + Zur Judenfrage + +„Frankreich" heißt es „hat uns neuerlich (Verhandlungen der De- +putirtenkammer vom 26. Dezember 1840) in Bezug auf die Judenfrage — so +wie in allen andern politischen Fragen beständig—den Anbück eines Lebens +gegeben, welches frei ist, aber seine Freiheit im Gesetz revocirt, also auch +für einen Schern erklärt und auf der andern Seite sein freies Gesetz durch +die That widerlegt." „Judenfrage" p. 64. + +„Die allgemeine Freiheit ist in Frankreich noch nicht Gesetz, die Juden +frage auch noch nicht gelöst, weü die gesetzüche Freiheit — daß alle Bürger +gleich sind — im Leben, welches von den religiösen Privüegien noch be +herrscht und zertheüt ist, beschränkt wird und diese Unfreiheit des Lebens +auf das Gesetz zurückwirkt und dieses zwingt, die Unterscheidung des an +sich freien Bürgers in Unterdrückte und Unterdrücker zu sanktioniren." +p.65. + +5 + +10 + +Wann also wäre die Judenfrage für Frankreich gelöst? +„Der Jude ζ. B. müßte aufgehört haben, Jude zu sein, wenn er sich durch 15 + +seni Gesetz nicht verhindern läßt, seine Pflichten gegen den Staat und seme +Mitbürger zu erfüllen, also z. B. am Sabbath in die Deputirten-Kammer geht +und an den öffentüchen Sitzungen Theil nimmt. Jedes religiöse Privilegium +überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche müßte +aufgehoben und wenn Einige oder Mehrere oder auch die überwiegende +Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte +diese Erfüüung als reine Privatsache ihnen seibsrüberlassen sein." p. 65. „Es +giebt kerne Religion mehr, wenn es keine privüegüte Religion mehr gibt. +Nehmt der Reügion ihre ausschüeßende Kraft und sie existirt nicht mehr." +p. 66. „So gut, wie Herr Martin du Nord in dem Vorschlag, die Erwähnung 25 +des Sonntags im Gesetze zu unterlassen, den Antrag auf die Erklärung sah, +daß das Christenthum aufgehört habe, zu existiren, mit demselben Rechte +(und dies Recht ist vollkommen begründet) würde die ||l86| Erklärung, daß +das Sabbathgesetz für den Juden kerne Verbindlichkeit mehr habe, die +Proklamation der Auflösung des Judenthums sein." p.71. + +30 + +20 + +Bauer verlangt also einerseits, daß der Jude das Judenthum, überhaupt der +Mensch die Reügion aufgebe, um staatsbürgerlich emancipirt zu werden. +Andrerseits g ut ihm konsequenter Weise die politische Aufhebung der +Reügion für die Aufhebung der Reügion schlechthin. Der Staat, welcher die +Religion voraussetzt, ist noch kein wahrer, kern wirklicher Staat. „Aüerdings 35 +gibt die reügiöse VorsteUung dem Staat Garantien. Aber welchem Staat? +Welcher Art des Staates?" (S.97.) + +An diesem Punkt tritt die einseitige Fassung der Judenfrage hervor. +Es genügte keineswegs zu untersuchen: Wer soü emancipiren? Wer soü +emancipirt werden? Die Kritik hatte ein Drittes zu thun. Sie mußte fragen: +Von welcher Art der Emancipation handelt es sich? Welche Bedingungen + +40 + +144 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +sind im Wesen der verlangten Emanzipation begründet? Die Kritik der +politischen Emancipation selbst war erst die schließliche Kritik der Juden +frage und ihre wahre Auflösung, in die „allgemeine Frage der Zeit". + +5 + +Weil Bauer die Frage nicht auf diese Höhe erhebt, verfällt er in Wider- +sprüche. Er stellt Bedingungen, die nicht im Wesen der politischen Eman +cipation selbst begründet sind. Er wirft Fragen auf, welche seine Aufgabe +nicht enthält, und er löst Aufgaben, welche seine Frage unerledigt lassen. +Wenn Bauer von den Gegnern der Judenemancipation sagt: „Ihr Fehler war +nur der, daß sie den christlichen Staat als den einzig wahren voraussetzten +10 und nicht derselben Kritik unterwarfen, mit der sie das Judenthum be +trachteten" (S. 3), so finden wir Bauer's Fehler darin, daß er nur den +„christlichen Staat", nicht den „Staat schlechthin" der Kritik unterwirf t, daß +er das Verhältniß der politischen Emancipation zur menschlichen Eman +cipation nicht untersucht, und daher Bedingungen stellt, welche nur aus einer +15 unkritischen Verwechslung der politischen Emancipation mit der allgemein +menschlichen erklärlich sind. Wenn Bauer die Juden fragt: Habt ihr von +eurem Standpunkt aus das Recht, die politische Emancipation zu begehren? +so fragen wir umgekehrt: Hat der Standpunkt der politischen Emancipation +das Recht, vom Juden die Aufhebung des Judenthums, ||l87| vom Menschen + +20 überhaupt die Aufhebung der Religion zu verlangen? + +Die Judenfrage erhält eine veränderte Fassung, je nach dem Staate, in +welchem der Jude sich befindet. In Deutschland, wo kein politischer Staat, +kein Staat als Staat existirt, ist die Judenfrage eine rein theologische Frage. +Der Jude befindet sich im religiösen Gegensatz zum Staat, der das Chri- +25 stenthum als seine Grundlage bekennt. Dieser Staat ist Theologe ex professo. +Die Kritik ist hier Kritik der Theologie, zweischneidige Kritik, Kritik der +christlichen, Kritik der jüdischen Theologie. Aber so bewegen wir uns immer +noch in der Theologie, so sehr wir uns auch kritisch in ihr bewegen mö +gen. + +30 + +In Frankreich, in dem konstitutionellen Staat, ist die Judenfrage die Frage +des Konstitutionalismus, die Frage von der Halbheit der politischen Eman +cipation. Da hier der Schein einer Staatsreligion, wenn auch in einer nichts +sagenden und sich selbst widersprechenden Formel, in der Formel einer +Religion der Mehrheit beibehalten ist, so behält das Verhältniß der Juden zum + +35 Staat den Schein eines religiösen, theologischen Gegensatzes. + +Erst in den nordamerikanischen Freistaaten — wenigstens in einem Theil +derselben — verliert die Judenfrage ihre theologische Bedeutung und wird +zu einer wirklich weltlichen Frage. Nur wo der politische Staat in seiner +vollständigen Ausbildung existirt, kann das Verhältniß des Juden, überhaupt +40 des religiösen Menschen, zum politischen Staat, also das Verhältniß der +Religion zum Staat in seiner Eigentümlichkeit, in seiner Reinheit her- + +145 + + Zur Judenfrage + +10 + +5 + +austreten. Die Kritik dieses Verhältnisses hört auf theologische Kritik zu +sein, so bald der Staat aufhört auf theologische Weise sich zur Religion zu +verhalten, so bald er sich als Staat, d. h. politisch zur Religion verhält. Die +Kritik wird dann zur Kritik des politischen Staats. An diesem Punkt, wo die +Frage aufhört, theologisch zu sein, hört Bauer's Kritik auf, kritisch zu sein. +«Il n'existe aux États-unis ni religion de l'état, ni religion déclarée celle de +la majorité ni prééminence d'un culte sur un autre. L'état est étranger à tous +les cultes.» (Marie ou l'esclavage aux états-unis etc., par G. de Beaumont, +Paris 1835, p. 214.) Ja es gibt einige nordamerikanische Staaten, wo «la +Constitution η 'impose pas les croyances religieuses et la pratique d'un culte +comme condition des privilèges politiques» (l. c. p. 224.) Dennoch, «on ne +croit pas aux États-unis qu'un homme sans ||l88| religion puisse être un +honnête homme» (l.m. p. 224). Dennoch ist Nordamerika vorzugsweise das +Land der Religiosität, wie Beaumont, Tocqueville und der Engländer Ham +ilton aus einem Munde versichern. Die nordamerikanischen Staaten gelten 15 +uns indeß nur als Beispiel. Die Frage ist: Wie verhält sich die vollendete +politische Emancipation zur Religion? Finden wir selbst im Lande der +vollendeten politischen Emancipation nicht nur die Existenz, sondern die +lebensfrische, die lebenskräftige Existenz der Religion, so ist der Beweis +geführt, daß das Dasein der Religion der Vollendung des Staats nicht wider- +spricht. Da aber das Dasein der Religion das Dasein eines Mangels ist, so +kann die Quelle dieses Mangels nur noch im Wesen des Staats selbst gesucht +werden. Die Religion gilt uns nicht mehr als der Grund, sondern nur noch +als das Phänomen der weltlichen Beschränktheit. Wir erklären daher die +religiöse Befangenheit der freien Staatsbürger aus ihrer welüichen Be- 25 +fangenheit. Wir behaupten nicht, daß sie ihre reügiöse Beschränktheit auf +heben müssen, um ihre welüichen Schranken aufzuheben. Wir behaupten, +daß sie ihre reügiöse Beschränktheit aufheben, sobald sie ihre weltüche +Schranke aufheben. Wir verwandeln nicht die weltlichen Fragen in theo +logische. Wü verwandeln die theologischen Fragen in weltüche. Nachdem 30 +die Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir +den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der +politischen Emancipation zur Religion wird für uns die Frage von dem +Verhältniß der politischen Emancipation zur menschlichen Emancipation. +Wir kritisiren die religiöse Schwäche des politischen Staats, indem wir den 35 +poütischen Staat, abgesehen von den reügjösen Schwächen, in seiner welt +lichen Konstruktion kritisiren. Den Widerspruch des Staats mit einer be +stimmten Religion, etwa dem Judenthum, vermenschüchen wir in den Wider +spruch des Staats mit bestimmten weltlichen Elementen, den Widerspruch +des Staats mit der Religion überhaupt, in den Widerspruch des Staats mit 40 +seinen Voraussetzungen überhaupt. + +20 + +146 + + ψ + +I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +Die politische Emancipation des Juden, des Christen, überhaupt des re +ligiösen Menschen, ist die Emancipation des Staats vom Judenthum, vom +Christenthum, überhaupt von der Religion. In seiner Form, in der seinem +Wesen eigenthümlichen Weise, als Staat emancipirt sich der Staat von der +5 Religion, indem er sich ||l89| von der Staatsreligion emancipirt, d. h. indem +der Staat als Staat keine Religion bekennt, indem der Staat sich vielmehr als +Staat bekennt. Die politische Emancipation von der Religion ist nicht die +durchgeführte, die widerspruchslose Emancipation von der Religion, weil +die politische Emancipation nicht die durchgeführte, die widerspruchslose + +10 Weise der menschlichen Emancipation ist. + +Die Gränze der politischen Emancipation erscheint sogleich darin, daß der +Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne daß der Mensch wkküch +von ihr frei wäre, daß der Staat ein Freistaat sein kann, ohne daß der Mensch +ein freier Mensch wäre. Bauer selbst gibt dies stillschweigend zu, wenn er +folgende Bedingung der politischen Emancipation setzt: „Jedes religiöse +Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche +müßte aufgehoben, und wenn Einige oder Mehrere oder auch die über +wiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so +müßte diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen selbst überlassen +sein." Der Staat kann sich also von der Religion emancipirt haben, sogar +wenn die überwiegende Mehrzahl noch religiös ist. Und die überwiegende +Mehrzahl hört dadurch nicht auf, religiös zu sein, daß sie privatim religiös +ist. + +Aber das Verhalten des Staats zur Religion, namentlich des Freistaats, ist +doch nur das Verhalten der Menschen, die den Staat bilden, zur Religion. +Es folgt hieraus, daß der Mensch durch das Medium des Staats, daß er +politisch von einer Schranke sich befreit, indem er sich im Widerspruch mit +sich selbst, indem er sich auf eine abstrakte und beschränkte, auf partielle +Weise über diese Schranke erhebt. Es folgt ferner, daß der Mensch auf einem +Um weg, durch ein Medium, wenn auch durch ein nothwendiges Medium sich +befreit, indem er sich politisch befreit. Es folgt endlich, daß der Mensch, +selbst wenn er durch die Vermittlung des Staats sich als Atheisten proklamirt, +d.h. wenn er den Staat zum Atheisten protìamirt, immer noch religiös +befangen bleibt, eben weil er sich nur auf einem Umweg, weil er nur durch +ein Medium sich selbst anerkennt. Die Religion ist eben die Anerkennung +des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der +Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie +Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine +ganze religiöse Befangen\\l90\heit aufbürdet, so ist der Staat der Mittler, in +den er seine ganze Ungöttlichkeit, seine ganze menschliche Unbefangenheit + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +verlegt. + +147 + + Zur Judenfrage + +Die politische Erhebung des Menschen über die Religion theüt aüe Mängel +und alle Vorzüge der poütischen Erhebung überhaupt. Der Staat als Staat +annuüirt ζ. B. das Privateigenthum, der Mensch erklärt auf politische Weise +das Privateigenthum für aufgehoben, sobald er den Census für aktive und +passive Wählbarkeit aufhebt, wie dies in vielen nordamerikanischen Staaten +geschehen ist. Hamilton mterpretüt dies Faktum von poÜtischem Stand +punkte ganz richtig dahin: „Der große Haufen hat den Sieg über die Eigen- +thümer und den Geldreichthum davongetragen. " Ist das Privateigenthum +nicht ideeü aufgehoben, wenn der Nichtbesitzende zum Gesetzgeber des +Besitzenden geworden ist? Der Census ist die letzte politische Form, das +Privateigenthum anzuerkennen. + +5 + +10 + +15 + +Dennoch ist mit der politischen Annuüation des Privateigenthums das +Privateigenthum nicht nur nicht aufgehoben, sondern sogar vorausgesetzt. +Der Staat hebt den Unterschied der Geburt, des Standes, der Bildung, der +Beschäftigung in seiner Weise auf, wenn er Geburt, Stand, Büdung, Be- +schäftigung für unpolitische Unterschiede erklärt, wenn er ohne Rücksicht +auf diese Unterschiede jedes Güed des Volkes zumgleichmäßigenTheilmh- +mer der Volkssouverainetät ausruft, wenn er aüe Elemente des wirklichen +Volkslebens von dem Staatsgesichtspunkt aus behandelt. Nichts desto +weniger läßt der Staat das Privateigenthum, die Büdung, die Beschäftigung 20 +auf ihre Weise, d.h. als Privateigenthum, als Bildung, als Beschäftigung +wirken und ihr besondres Wesen geltend machen. Weit entfernt, diese +faktischen Unterschiede aufzuheben, existirt er vielmehr nur unter ihrer +Voraussetzung, empfindet er sich als politischer Staat und macht er seme +Allgemeinheit geltend nur im Gegensatz zu diesen seinen Elementen. Hegel +bestimmt das Verhältniß des politischen Staats zur Religion daher ganz +richtig, wenn er sagt: „Damit der Staat als die sich wissende sittliche Wirk +lichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seme Unterscheidung von der +Form der Autorität und des Glaubens nothwendig; diese Unterscheidung tritt +aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung 30 +kommt; nur so über die besondem Küchen hat der Staat die Allgemeinheit +des Gedankens, das Prinzip seiner Form gewonnen und ||l9l| bringt sie zur +Existenz." (Hegels Rechtsphü., 2te Ausg., p.346). Allerdings! Nur so über +den besondern Elementen konstituirt sich der Staat als Allgemeinheit. + +25 + +Der voüendete poütische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben +des Menschen im Gegensatz zu seinem materieüen Leben. Aüe Voraus +setzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in +der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürger +lichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seme wahre Ausbüdung erreicht +hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in 40 +der Wkklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches + +35 + +148 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemein +wesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als +Privatmensch thätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich +selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der +politische Staat verhält sich eben so spiritualistisch zur bürgerlichen Ge +sellschaft, wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu +ihr, er überwindet sie in derselben Weise, wie die Religion die Beschränktheit +der profanen Welt, d. h. indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, +sich sejbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten +Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, +wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine +unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungs +wesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souverainetät, ist +er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen +Allgemeinheit erfüllt. + +Der Konflikt, in welchem sich der Mensch als Bekenner einer besondern +Religion mit seinem Staatsbürgerthum, mit den andern Menschen, als Glie +dern des Gemeinwesens befindet, reducirt sich auf die weltliche Spaltung +zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft. Für den +Menschen als bourgeois ist das „Leben im Staat nur Schein oder eine +momentane Ausnahme gegen das Wesen und die Regel". Allerdings bleibt +der bourgeois, wie der Jude, nur sophistisch im Staatsleben, wie der citoyen +nur sophistisch Jude oder bourgeois bleibt; aber diese Sophistik ist nicht +persönlich. Sie ist die Sophistik des politischen Staates selbst. Die Differenz +zwischen dem religiösen Menschen und dem Staatsbürger ist die Differenz +zwischen dem ||192| Kaufmann und dem Staatsbürger, zwischen dem Tag- +löhner und dem Staatsbürger, zwischen dem Grundbesitzer und dem +Staatsbürger, zwischen dem lebendigen Individuum und dem Staatsbürger. +Der Widerspruch, in dem sich der religiöse Mensch mit dem politischen +Menschen befindet, ist derselbe Widerspruch, in welchem sich der bourgeois +mit dem citoyen, in welchem sich das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft +mit seiner politischen Löwenhaut befindet. + +Diesen weltlichen Widerstreit, auf welchen sich die Judenfrage schließlich +reducirt, das Verhältniß des politischen Staates zu seinen Voraussetzungen, +mögen dies nun materielle Elemente sein, wie das Privateigenthum etc., oder +geistige, wie Bildung, Religion, den Widerstreit zwischen dem allgemeinen +Interesse und dem Privatinteresse, die Spaltung zwischen dem politischen +Staat und der bürgerlichen Gesellschaft, diese weltlichen Gegensätze läßt +Bauer bestehen, während er gegen ihren religiösen Ausdruck polemisirt. +„Grade ihre Grundlagen, das Bedürfniß, welches der bürgerlichen Gesell +schaft ihr Bestehen sichert und ihre Nothwendigkeit garantirt, setzt ihr + +149 + + Zur Judenfrage + +Bestehen beständigen Gefahren aus, unterhält in ihr ein unsicheres Element +und bringt jene in beständigem Wechsel begriffene Mischung von Armuth +und Reichthum, Noth und Gedeihen, überhaupt den Wechsel hervor." +(p.8). + +Man vergleiche den ganzen Abschnitt: „Die bürgerliche GeseUschaft" +(p. 8—9), der nach den Grundzügen der hegelschen Rechtsphüosophie ent +worfen ist. Die bürgerliche GeseUschaft in ihrem Gegensatz zum politischen +Staat wird als nothwendig anerkannt, weü der poütische Staat als nothwendig +anerkannt wird. + +Die politische Emancipation ist aUerdings ein großer Fortschritt, sie ist +zwar nicht die letzte Form der menschüchen Emancipation überhaupt, aber +sie ist die letzte Form der menschlichen Emancipation innerhalb der bishe +rigen Weltordnung. Es versteht sich: wir sprechen hier von wükücher, von +praktischer Emancipation. + +Der Mensch emancipirt sich politisch von der Religion, indem er sie aus +dem öffentiichen Recht in das Privatrecht verbannt. Sie ist nicht mehr der +Geist des Staats, wo der Mensch — wenn auch in beschränkter Weise, unter +besonderer Form und in einer besondern Sphäre — sich als Gattungswesen +verhält, in Gemeinschaft mit andern Menschen, sie ist zum Geist der bürger +lichen Gesellschaft geworden, der Sphäre des Egoismus, des bel +lum +||193| omnium contra omnes. Sie ist nicht mehr das Wesen der Ge +meinschaft, sondern das Wesen des Unterschieds. Sie ist zum Ausdruck der +Trennung des Menschen von seinem Gemeinwesen, von sich und den andern +Menschen geworden — was sie ursprünglich war. Sie ist nur noch das ab +strakte Bekenntniß der besondern Verkehrtheit, der Privatschrulle, der +Willkür. Die unendliche Zerspütterung der Reügion in Nordamerika ζ. B. gibt +ihr schon äußerlich die Form einer rein individuellen Angelegenheit. Sie ist +unter die Zahl der Privatinteressen hinabgestoßen und aus dem Gemein +wesen als Gemeinwesen exüirt. Aber man täusche sich nicht über die Grenze +der poütischen Emancipation. Die Spaltung des Menschen in den öffent +lichen und in den Privatmenschen, die Dislokation der Religion aus dem +Staate in die bürgerüche GeseUschaft, sie ist nicht eine Stufe, sie ist die +Vollendung der politischen Emancipation, die also die wtkliche Religiosität +des Menschen eben so wenig aufhebt, als aufzuheben strebt. + +Die Zersetzung des Menschen in den Juden und in den Staatsbürger, in +den Protestanten und in den Staatsbürger, in den reügiösen Menschen und +in den Staatsbürger, diese Zersetzung ist kerne Lüge gegen das Staatsbür +gerthum, sie ist keine Umgehung der poütischen Emancipation, sie ist die +politische Emancipation selbst, sie ist die politische Weise, sich von der +Reügion zu emancipiren. Allerdmgs: In Zeiten, wo der poütische Staat als +politischer Staat gewaltsam aus der bürgerlichen Gesellschaft heraus gebo- + +150 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +ren wird, wo die menschliche Selbstbefreiung unter der Form der poütischen +Selbstbefreiung sich zu vollziehen strebt, kann und muß der Staat bis zur +Aufhebung der Religion, bis zur Vernichtung der Religion fortgehen, aber +nur so, wie er zur Aufhebung des Privateigenthums, zum Maximum, zur +Konfiskation, zur progressiven Steuer, wie er zur Aufhebung des Lebens, +zur Guillotine fortgeht. In den Momenten seines besondern Selbstgefühls +sucht das politische Leben seine Voraussetzung, die bürgerliche Gesellschaft +und ihre Elemente zu erdrücken und sich als das wirkliche, widerspruchslose +Gattungsleben des Menschen zu konstituiren. Es vermag dies indeß nur +durch gewaltsamen Widerspruch gegen seine eigenen Lebensbedingungen, +nur indem es die Revolution für permanent erklärt, und das politische Drama +endet daher eben so nothwendig mit der Wiederherstellung der Religion, des +Privat|| 194|eigenthums, aller Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, wie der +Krieg mit dem Frieden endet. + +Ja, nicht der sogenannte christiiche Staat, der das Christenthum als seine +Grundlage, als Staatsreligion bekennt, und sich daher ausschließend zu +andern Religionen verhält, ist der vollendete christliche Staat, sondern viel +mehr der atheistische Staat, der demokratische Staat, der Staat, der die +Religion unter die übrigen Elemente der bürgerlichen Gesellschaft verweist. +Dem Staat der noch Theologe ist, der noch das Glaubensbekenntniß des +Christenthums auf offizielle Weise ablegt, der sich noch nicht als Staat zu +proklamiren wagt, ihm ist es noch nicht gelungen, in weltlicher, menschlicher +Form, +in seiner Wkklichkeit als Staat die menschliche Grundlage aus +zudrücken, deren überschwänglicher Ausdruck das Christenthum ist. Der +sogenannte christliche Staat ist nur einfach der Nichtstaat, weil nicht das +Christenthum als Religion, sondern nur der menschliche Hintergrund der +christlichen Religion in wirklich menschlichen Schöpfungen sich ausführen +kann. + +Der sogenannte christliche Staat ist die christliche Verneinung des Staats, +aber keineswegs die staatliche Verwirklichung des Christenthums. Der Staat, +der das Christenthum noch in der Form der Religion bekennt, bekennt es +noch nicht in der Form des Staats, denn er verhält sich noch religiös zu der +Religion, d.h. er +ist nicht die wtküche Ausführung des menschlichen +Grundes der Religion, weil er noch auf die Unwtklichkeit, auf die imaginaire +Gestalt dieses menschlichen Kernes provocirt. Der sogenannte christliche +Staat ist der unvollkommene Staat und die christliche Religion gilt ihm als +Ergänzung und als Heiligung seiner Unvollkommenheit. Die Religion wird +ihm daher nothwendig zum Mittel und er ist der Staat der Heuchelei. Es ist +ein großer Unterschied, ob der vollendete Staat wegen des Mangels, der im +allgemeinen Wesen des Staats hegt, die Religion unter seine Voraussetzun +gen zählt, oder ob der unvollendete Staat wegen des Mangels, der in seiner + +151 + + Zur Judenfrage + +besondern Existenz liegt, als mangelhafter Staat, die Religion für seine +Grundlage erklärt. Im letztern Fall wird die Religion zur unvollkommenen +Politik. Im ersten Fall zeigt sich die Unvollkommenheit selbst der voll +endeten Politik in der Religion. Der sogenannte christliche Staat bedarf der +christlichen Religion, um sich als Staat zu vervollständigen. Der demokra- +tische Staat, der wirk||l95|liche Staat bedarf nicht der Religion zu seiner +politischen Vervollständigung. Er kann vielmehr von der Religion abstra- +hiren, weil in ihm die menschliche Grundlage der Religion auf weltliche +Weise ausgeführt ist. Der sogenannte christliche Staat verhält sich dagegen +politisch zur Religion und religiös zur Politik. Wenn er die Staatsformen 10 +zum Schein herabsetzt, so setzt er eben so sehr die Religion zum Schein +herab. + +5 + +Um diesen Gegensatz zu verdeutlichen, betrachten wir Bauers Konstruk +tion des christlichen Staats, eine Konstruktion, welche aus der Anschauung +des christlich-germanischen Staats hervorgegangen ist. + +15 + +„Man hat neuerlich", sagt Bauer, „um die Unmöglichkeit oder Nicht- +existenz eines christlichen Staates zu beweisen, öfter auf diejenigen Aus +sprüche in dem Evangelium hingewiesen, die der Staat nicht nur nicht be +folgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht voll +ständig auflösen will" „So leicht aber ist die Sache nicht abgemacht. Was +verlangen denn jene evangeüschen Sprüche? Die übernatürüche Selbst- +verläugnung, die Unterwerfung unter die Autorität der Offenbarung, die +Abwendung vom Staat, die Aufhebung der weltüchen Verhältnisse. Nun +aües das verlangt und leistet der christiiche Staat. Er hat den Geist des +Evangeliums sich angeeignet und wenn er ihn nicht mit denselben Buch- +staben wiedergibt, mit denen ihn das Evangelium ausdrückt, so kommt das +nur daher, weil er diesen Geistin Staatsformen, d.h. in Formen ausdrückt, +die zwar dem Staatswesen in dieser Welt entlehnt sind, aber in der religiösen +Wiedergeburt, die sie erfahren müssen, zum Schein herabgesetzt werden. +Er ist die Abwendung vom Staat, die sich zu ihrer Ausführung der Staats- 30 +formen bedient." P. 55. + +25 + +20 + +Bauer entwickelt nun weiter, wie das Volle des christlichen Staats nur ein +Nichtvolk ist, kernen eignen Wülen mehr hat, sein wahres Dasein aber in dem +Haupte besitzt, dem es unterthan, welches ihm jedoch ursprünglich und +seiner Natur nach fremd, d. h. von Gott gegeben und ohne sein eignes Zuthun 35 +zu ihm gekommen ist, wie die Gesetze dieses Volkes nicht sein Werk, +sondern positive Offenbarungen sind, wie sein Oberhaupt privilegirter +Vermittler mit dem eigentlichen Volke, mit der Masse bedarf, wie diese +Masse selbst in eine Menge besondrer Kreise zerfällt, welche der Zufaü +büdet und bestimmt, die sich durch ihre Interessen, besonderen Leiden- 40 +schaf||l96|ten und Vorurtheüe unterscheiden und als Privüegium die Er- + +152 + + Γ + +I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +laubniß bekommen, sich gegenseitig von einander abzuschließen, etc. +P.56. + +Allein Bauer sagt selbst: „Die Politik, wenn sie nichts als Religion sein soll, +darf nicht Politik sein, so wenig, wie das Reinigen der Kochtöpfe, wenn es +5 als Religionsangelegenheit gelten soll, als eine Wirthschaf tssache betrachtet +werden darf." P. 108. Im christlich germanischen Staat ist aber die Religion +eine „Wirthschaftssache", wie die „Wirthschaftssache" Religion ist Im +christlich germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der +Herrschaft. + +15 + +10 + +Die Trennung des „Geistes des Evangeliums" von den „Buchstaben des +Evangeliums" ist ein irreligiöser Akt. Der Staat, der das Evangelium in den +Buchstaben der Politik sprechen läßt, in andern Buchstaben, als den Buch +staben des heiligen Geistes, begeht ein Sakrilegium, wenn nicht vor mensch +lichen Augen, so doch vor seinen eigenen religiösen Augen. Dem Staat, der +das Christenthum als seine höchste Norm, der die Bibel als seine Charte +bekennt, muß man die Worte der heiligen Schrift entgegenstellen, denn die +Schrift ist heilig bis auf das Wort. Dieser Staat sowohl, als das Men +schenkehricht, worauf er basirt, geräth in einen schmerzlichen, vom Stand +punkt des religiösen Bewußtseins aus unüberwindlichen Widerspruch, wenn +20 man ihn auf diejenigen Aussprüche des Evangeliums verweist, die er „nicht +nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich +nicht als Staat vollständig auflösen will". Und warum will er sich nicht +vollständig auflösen? Er selbst kann darauf weder sich, noch andern ant +worten. Vor seinem eignen Bewußtsein ist der officielle christliche Staat ein +Sollen, dessen Verwirklichung unerreichbar ist, der die Wirklichkeit seiner +Existenz nur durch Lügen vor sich selbst zu konstatiren weiß und sich selbst +daher stets ein Gegenstand des Zweifels, ein unzuverlässiger, problemati +scher Gegenstand bleibt. Die Kritik befindet sich also in vollem Rechte, wenn +sie den Staat, der auf die Bibel provocirt, zur Verrücktheit des Bewußtseins +zwingt, wo er selbst nicht mehr weiß, ob er eine Einbildungoder eine Realität +ist, wo die Infamie seiner weltlichen Zwecke, denen die Religion zum Deck +mantel dient, mit der Ehrlichkeit seines religiösen Bewußtseins, dem die +Religion als Zweck der Welt erscheint, in unauflöslichen Conflict geräth. +Dieser Staat kann sich nur aus seiner innern Qual erlösen, wenn er zum +Schergen der katholischen Kirche wird. Ihr gegenüber, welche die weltliche +Macht für ihren dienenden jjl97j Körper erklärt, ist der Staat ohnmächtig, +ohnmächtig die weltliche Macht, welche die Herrschaft des religiösen +Geistes zu sein behauptet. + +30 + +25 + +35 + +40 + +In dem sogenannten christlichen Staat gilt zwar die Entfremdung, aber +nicht der Mensch. Der einzige Mensch, der gilt, der König, ist ein von den +andern Menschen spezifisch unterschiedenes, dabei selbst noch religiöses, + +153 + + Zur Judenfrage + +mit dem Himmel, mit Gott direkt zusammenhängendes Wesen. Die Bezie +hungen, die hier herrschen, sind noch gläubige Beziehungen. Der religiöse +Geist ist also noch nicht wirklich verweltlicht. + +Aber der religiöse Geist kann auch nicht wtklich verweltlicht werden, + +denn was ist er selbst, als die unweltliche Form einer Entwicklungsstufe des +menschlichen Geistes? Der religiöse Geist kann nur verwirklicht werden, +insofern die Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes, deren religiöser +Ausdruck er ist, in ihrer weltlichen Form heraustritt und sich konstituirt. Dies +geschieht im demokratischen Staat. Nicht das Christenthum, sondern der +menschliche Grund des Christenthums ist der Grund dieses Staates. Die +Religion bleibt das ideale, unweltliche Bewußtsein seiner Glieder, weil sie +die ideale Form der menschlichen Entwicklungsstufe ist, die in ihm durch +geführt wird. + +5 + +10 + +15 + +Religiös sind die Glieder des politischen Staats durch den Dualismus +zwischen dem individueüen und dem Gattungsleben, zwischen dem Leben +der bürgerlichen GeseUschaft und dem politischen Leben, religiös, indem der +Mensch sich zu dem seiner wirküchen Individuaütät jenseitigen Staatsleben +als seinem wahren Leben verhält, religiös, insof ern die Religion hier der Geist +der bürgerüchen GeseUschaft, der Ausdruck der Trennung und der Ent +fernung des Menschen vom Menschen ist. Christlich ist die politische De- 20 +mokratie, indem in ihr der Mensch, nicht nur ein Mensch, sondern jeder +Mensch, als souveränes, als höchstes Wesen gut, aber der Mensch in semer +unkultivirten, unsocialen Erscheinung, der Mensch in seiner zufäüigen +Existenz, der Mensch, wie er geht und steht, der Mensch, wie er durch die +ganze Organisation unserer GeseUschaft verdorben, sich selbst verloren, 25 +veräußert, unter die Herrschaft unmenschücher Verhältnisse und Elemente +gegeben ist, mit einem Wort, der Mensch, der noch kein wkktiches Gattungs +wesen ist. Das Phantasiegebüd, der Traum, das Postulat des Christenthums, +die Souveränetät des Menschen, aber als eines fremden, von dem wirküchen +Menschen unterschiedenen Wesens, ||l98J ist in der Demokratie sinnliche +Wüküchkeit, Gegenwart, weltüche Maxime. + +30 + +Das religiöse und theologische Bewußtsem selbst gut sich in der voU- +endeten Demokratie um so reügiöser, um so theologischer, als es scheinbar +ohne politische Bedeutung, ohne irdische Zwecke, Angelegenheit des +weltscheuen Gemüthes, Ausdruck der Verstandes-Bornirtheit, Produkt der 35 +Wülkür und der Phantasie, als es ein wirklich jenseitiges Leben ist. Das +Christenthum erreicht hier den praktischen Ausdruck seiner universalreü- +giösen Bedeutung, indem die verschiedenartigste Weltanschauung in der +Form des Christenthums sich neben einander gruppirt, noch mehr dadurch, +daß es an andere nicht einmal die Forderung des Cfiristenthums, sondern nur 40 +noch der Reügion überhaupt, ügend einer Reügion steUt (vergi, die an- + +154 + + r + +I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +geführte Schrift von Beaumont). Das religiöse Bewußtsein schwelgt in dem +Reichthum des religiösen Gegensatzes und der religiösen Mannigfaltigkeit. + +Wir haben also gezeigt: Die politische Emancipation von der Religion läßt +die Religion bestehn, wenn auch keine privilegirte Religion. Der Wider- +5 Spruch, in welchem sich der Anhänger einer besondern Religion mit seinem +Staatsbürgerthum befindet, ist nur ein Theil des allgemeinen weltlichen +Widerspruchs zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Ge +sellschaft. Die Vollendung des christlichen Staats ist der Staat, der sich als +Staat bekennt und von der Religion seiner Glieder abstrahirt. Die Eman- +1 o cipation des Staats von der Religion ist nicht die Emancipation des wirklichen + +Menschen von der Religion. + +Wir sagen also nicht mit Bauer den Juden: Ihr könnt nicht politisch +emancipirt werden, ohne euch radikal vom Judenthum zu emancipiren. Wir +sagen ihnen vielmehr: Weil ihr politisch emancipirt werden könnt, ohne euch +15 vollständig und widerspruchlos vom Judenthum loszusagen, darum ist die +politische Emancipation selbst nicht die menschliche Emancipation. Wenn +ihr Juden politisch emancipirt werden wollt, ohne euch selbst menschlich zu +emancipiren, so liegt die Halbheit und der Widerspruch nicht nur in euch, +sie liegt in dem Wesen und der Kategorie der politischen Emancipation. +20 Wenn ihr in dieser Kategorie befangen seid, so theilt ihr eine allgemeine +Befangenheit. Wie der Staat evangelisirt, wenn er, obschon Staat, sich +christlich zu dem Juden verhält, so politisirt der Jude, wenn er, obschon Jude +Staatsbürgerrechte verlangt. | + +jl99| Aber wenn der Mensch, obgleich Jude, politisch emancipirt werden, +25 Staatsbürgerrechte empfangen kann, kann er die sogenannten Menschen +rechte in Anspruch nehmen und empfangen? Bauer leugnet es. „Die Frage +ist, ob der Jude als solcher, d. h. der Jude, der selber eingesteht, daß er durch +sein wahres Wesen gezwungen ist, in ewiger Absonderung von Andren zu +leben, fähig sei, die allgemeinen Menschenrechte zu empfangen und Andern + +30 zuzugestehn." + +35 + +„Der Gedanke der Menschenrechte ist für die christliche Welt erst im +vorigen Jahrhundert entdeckt worden. Er ist dem Menschen nicht angeboren, +er wird vielmehr nur erobert im Kampfe gegen die geschichtlichen Tradi +tionen, in denen der Mensch bisher erzogen wurde. So sind die Menschen- +rechte nicht ein Geschenk der Natur, keine Mitgift der bisherigen Ge +schichte, sondern der Preis des Kampfes gegen den Zufall der Geburt und +gegen die Privilegien, welche die Geschichte von Generation auf Generation +bis jetzt vererbt hat. Sie sind die Resultate der Bildung und derjenige kann +sie nur besitzen, der sie sich erworben und verdient hat." + +40 + +„Kann sie nun der Jude wirklich in Besitz nehmen? So lange er Jude ist, +muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit Menschen + +155 + + Zur Judenfrage + +verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden macht, den Sieg +davontragen und ihn von den NichtJuden absondern. Er erklärt durch diese +Absonderung, daß das besondere Wesen, das ihn zum Juden macht, sein +wahres höchstes Wesen ist, vor welchem das Wesen des Menschen zurück +treten muß." + +„In derselben Weise kann der Christ als Christ kerne Menschenrechte + +gewähren." p. 19, 20. + +Der Mensch muß nach Bauer das „Privilegium des Glaubens"aufopfern, +um die aUgemeinen Menschenrechte empfangen zu können. Betrachten wü +einen Augenblick die sogenannten Menschenrechte und zwar die Menschen- +rechte unter ihrer authentischen Gestalt, unter der Gestalt, welche sie bei +ihren Entdeckern, den Nordamerikanern und Franzosen besitzen! Zum Theü +sind diese Menschenrechte politische Rechte, Rechte, die nur in der Ge +meinschaft mit andern ausgeübt werden. Die Theilnahme am Gemeinwesen +und zwar am politischen Gemeinwesen, am Staatswesen, bildet ihren Inhalt. +Sie fallen unter die Kategorie der politischen Freiheit, unter die Kategorie +der Staatsbürgerrechte, welche keineswegs, wie wü gesehn, die wider +spruchslose ||200| und positive Aufhebung der Religion, also etwa auch des +Judenthums, voraussetzen. Es bleibt der andere Theü der Menschenrechte +zu betrachten, die droits de l'homme, insofern sie unterschieden sind von +den droits du citoyen. + +In ihrer Reihe f indet sich die Gewissensf reiheit, das Recht einen beliebigen +Kultus auszuüben. Das Privilegium des Glaubens wird ausdrücklich an +erkannt, entweder als ein Menschenrecht, oder als Konsequenz eines +Menschenrechtes, der Freiheit. + +Déclaration des droits de l'homme et du citoyen, 1791, art. 10: «Nul ne doit +être inquiété pour ses opinions même reügieuses. » Im Titre I der Constitution +von 1791 wird als Menschenrecht garantírt: «La liberté à tout homme +d'exercer le culte religieux auquel il est attaché. » + +Déclaration des droits de l'homme, etc. 1793 zählt unter die Menschen- +rechte, art. 7: « Le übre exercice des cultes. » Ja, in Bezug auf das Recht, seine +Gedanken und Meinungen zu veröffentlichen, sich zu versammeln, semen +Kultus auszuüben, heißt es sogar: «La nécessité d'énoncer ces droits sup +pose ou la présence ou le souvenir récent du despotisme.» Man vergleiche +die Constitution von 1795, titre XIV. art. 354. + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +Constitution de Pensylvanie, art. 9. § 3: «Tous les hommes ont reçu de la +nature le droit imprescriptible d'adorer le Tout-Puissant selon les inspüations +de leur conscience, et nul ne peut légalement être contraint de suivre, ins +tituer ou soutenu- contre son gré aucun culte ou ministère reügieux. NuUe +autorité húmame ne peut, dans aucun cas, intervenir dans les questions de 40 +conscience et contrôler les pouvoirs de l'ame.» + +156 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +Constitution de New-Hampshire, art. 5 e t 6: «Au nombre des droits natu +rels, quelques-uns sont inaliénables de leur nature, parce que rien n'en peut +être l'équivalent. De ce nombre sont les droits de conscience.» (Beaumont +I.e., p.213, 214.) + +5 + +Die Unvereinbarkeit der Religion mit den Menschenrechten liegt so wenig +im Begriff der Menschenrechte, daß das Recht, religiös zu sein, auf beliebige +Weise religiös zu sein, den'Kultus seiner besonderen Religion auszuüben, +vielmehr ausdrücklich unter die Menschenrechte gezählt wird. Das Privile +gium des Glaubens ist ein allgemeines Menschenrecht. + +10 + +Die droits de l'homme, die Menschenrechte werden als solche unter +schieden von den droits du citoyen, von den Staatsbürger||20l|rechten. Wer +ist der vom citoyen unterschiedene homme? Niemand anders, als das Mit +glied der bürgerlichen Gesellschaft. Warum wird das Mitglied der bürger +lichen Gesellschaft „Mensch", Mensch scMechthin, warum werden seine +15 Rechte Menschenrechte genannt? Woraus erklären wir dies Faktum? Aus +dem Verhältniß des politischen Staats zur bürgerlichen Gesellschaft, aus dem +Wesen der politischen Emancipation. + +20 + +Vor allem konstatiren wir die Thatsache, daß die sogenannten Menschen +rechte, die droits de l'homme im Unterschied von den droits du citoyen nichts +anderes sind, als die Rechte des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft, d. h. +des egoistischen Menschen, des vom Menschen und vom Gemeinwesen +getrennten Menschen. Die radikalste Konstitution, die Konstitution von +1793, mag sprechen: + +Déclaration des droits de l'homme et du citoyen. +Art. 2. Ces droits etc. (les droits naturels et imprescriptibles) sont: l'égalité, + +25 + +la liberté, la sûreté, la propriété. +Worin besteht die liberté? +Art. 6. «La liberté est le pouvoir qui appartient à l'homme de faire tout +ce qui ne nuit pas aux droits d'autrui», oder nach der Deklaration der +30 Menschenrechte von 1791: «La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui + +. ne nuit pas à d'autrui. » + +35 + +Die Freiheit ist also das Recht, alles zu thun und zu treiben, was keinem +andern schadet. Die Grenze, in welcher sich jeder dem andern unschädlich +bewegen kann, ist durch das Gesetz bestimmt, wie die Grenze zweier Felder +durch den Zaunpfahl bestimmt ist. Es handelt sich um die Freiheit des +Menschen als isolirter auf sich zurückgezogener Monade. Warum ist der +Jude nach Bauer unfähig, die Menschenrechte zu empfangen. „So lange er +Jude ist, muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit +Menschen verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden +40 macht, den Sieg davon tragen und ihn von den NichtJuden absondern." Aber +das Menschenrecht der Freiheit basirt nicht auf der Verbindung des Men- + +157 + + Zur Judenfrage + +sehen mit dem Menschen, sondern vielmehr auf der Absonderung des +Menschen von dem Menschen. Es ist das Recht dieser Absonderung, das +Recht des beschränkten auf sich beschränkten Individuums. + +Die praktische Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit ist das + +Menschenrecht des Privateigenthums. + +5 + +Worin besteht das Menschenrecht des Privateigenthums? | +|202| Art. 16. (Constitution von 1793.) «Le droit de propriété est celui qui +appartient à tout citoyen de jouir et de disposer à son gré de ses biens, de +ses revenus, du fruit de son travail et de son industrie. » + +Das Menschenrecht des Privateigenthums ist also das Recht, willkürlich 10 + +(à son gré), ohne Beziehung auf andre Menschen, unabhängig von der +Gesellschaft, sein Vermögen zu genießen und über dasselbe zu disponiren, +das Recht des Eigennutzes. Jene individuelle Freiheit, wie diese Nutz +anwendung derselben, bilden die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. +Sie läßt jeden Menschen im andern Menschen nicht die Verwtküchung, +sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit finden. Sie proklamirt vor +allem aber das Menschenrecht „de jouir et de disposer à songré de ses biens, +de ses revenus, du fruit de son travail et de son industrie". + +15 + +Es bleiben noch die andern Menschenrechte, die égalité und die sûreté. +Die égalité hier in ihrer nichtpoütischen Bedeutung, ist nichts als die 20 + +Gleichheit der oben beschriebenen liberté, nämlich: daß jeder Mensch +gleichmäßig als solche auf sich ruhende Monade betrachtet wird. Die Con +stitution von 1795 bestimmt den Begriff dieser Gleichheit, ihrer Bedeutung +angemessen, dahin: + +Art. 3. (Constitution de 1795.) «L'égalité consiste en ce que la loi est la 25 + +même pour tous, soit qu'elle protège, soit qu'elle punisse.» + +Und die sûreté? +Art. 8 (Constitution de 1793) «La sûreté consiste dans la protection ac +cordée par la société à chacun de ses membres pour la conservation de sa +personne, de ses droits et de ses propriétés.» + +Die Sicherheit ist der höchste sociale Begriff der bürgerlichen Gesell +schaft, der Begriff der Polizei, daß die ganze Gesellschaft nur da ist, um +jedem ihrer Glieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines +Eigenthums zu garantiren. Hegel nennt in diesem Sinn die bürgerliche +Gesellschaft „den Noth- und Verstandesstaat". + +Durch den Begriff der Sicherheit erhebt sich die bürgerliche GeseUschaft +nicht über ihren Egoismus. Die Sicherheit ist vielmehr die Vers/coerungihres +Egoismus. + +30 + +35 + +Kernes der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen +Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitgüed der bürgerüchen 40 +GeseUschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privat + +ise + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +Willkür z u r ü c k g e z o g e n es und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum +ist. Weit entfernt, daß der Mensch in ||2031 ihnen als Gattungswesen aufgefaßt +wurde, erscheint vielmehr das Gattungsleben selbst, die Gesellschaft, als ein +den Individuen äußerlicher Rahmen, als Beschränkung ihrer ursprünglichen +5 Selbstständigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist die Natur- +Nothwendigkeit, das Bedürfniß und das Privatinteresse, die Conservation +ihres Eigenthums und ihrer egoistischen Person. + +15 + +Es ist schon räthselhaft, daß ein Volk, welches eben beginnt sich zu +befreien, alle Barrieren zwischen den verschiedenen Volksgliedern nieder- +1 o zureißen, ein politisches Gemeinwesen zu gründen, daß ein solches Volk die +Berechtigung des egoistischen, vom Mitmenschen und vom Gemeinwesen +abgesonderten Menschen feierlich proklamirt (déclaration de 1791), ja diese +Proklamation in einem Augenblicke wiederholt, wo die heroischste Hin +gebung allein die Nation retten kann und daher gebieterisch verlangt wird, +in einem Augenblicke, wo die Aufopferung aller Interessen der bürgerlichen +Gesellschaft zur Tagesordnung erhoben und der Egoismus als ein Verbre +chen bestraft werden muß. (Déclaration des droits de l'homme etc. de 1793.) +Noch räthselhafter wird diese Thatsache, wenn wir sehen, daß das Staats +bürgerthum, das politische Gemeinwesen von den politischen Emancipato- +ren sogar zum blosen Mittel für die Erhaltung dieser sogenannten Menschen +rechte herabgesetzt, daß also der citoyen zum Diener des egoistischen +homme erklärt, die Sphäre, in welcher der Mensch sich als Gemeinwesen +verhält, unter die Sphäre, in welcher er sich als Theilwesen verhält, degradirt, +endlich nicht der Mensch als citoyen, sondern der Mensch als bourgeois f ür +den eigentlichen und wahren Menschen genommen wird. + +25 + +20 + +«Le but de toute association politique est la conservation des droits +naturels et imprescriptibles de l'homme. » (Déclaration des droits etc. de 1791 +Art. 2.) «Le gouvernement est institué pour garantir à l'homme la jouissance +de ses droits naturels et imprescriptibles.» (Déclaration etc. de 1793 art. 1.) +30 Also selbst in den Momenten seines noch jugendfrischen und durch den +Drang der Umstände auf die Spitze getriebenen Enthusiasmus, erklärt sich +das politische Leben für ein bloßes Mittel, dessen Zweck das Leben der +bürgerlichen Gesellschaft ist. Zwar steht seine revolutionaire Praxis in +flagrantem Widerspruch mit seiner Theorie. Während z. B. die Sicherheitals +ein Menschenrecht erklärt wird, wird die Verletzung des Briefgeheimnisses +öffentlich auf die Tagesordnung gesetzt. Während die „liberte indé +finie ||204| de la presse" (Constitution de 1793 art. 122) als Consequenz des +Menschenrechts, der individuellen Freiheit, garantirt wird, wird die Preß +freiheit vollständig vernichtet, denn «la liberté de la presse ne doit pas être +40 permise lorsqu'elle compromet la liberté publique ». (Robespierre jeune, hist, +parlem. de la rév. franc, par Bûchez et Roux, T.28 p. 159), d.h. also: das + +35 + +159 + + Zur Judenfrage + +Menschenrecht der Freiheit hört auf ein Recht zu sein, sobald es mit dem +politischen Leben in Konflikt tritt, während der Theorie nach das politische +Leben nur die Garantie der Menschenrechte, der Rechte des individuellen +Menschen ist, also aufgegeben werden muß, sobald es seinem Zwecke, +diesen Menschenrechten widerspricht. Aber die Praxis ist nur die Ausnahme +und die Theorie ist die Regel. Will man aber selbst die revolutionäre Praxis +als die richtige Stellung des Verhältnisses betrachten, so bleibt immer noch +das Räthsel zu lösen, warum im Bewußtsein der politischen Emancipatoren +das Verhältniß auf den Kopf gestellt ist und der Zweck als Mittel, das Mittel +als Zweck erscheint. Diese optische Täuschung ihres Bewußtseins wäre 10 +immer noch dasselbe Räthsel, obgleich dann ein psychologisches, ein theo +retisches Räthsel. + +5 + +Das Räthsel löst sich einfach. +Die politische Emancipation ist zugleich die Auflösung der alten Ge + +sellschaft, auf welcher das dem Volk entfremdete Staatswesen, die 15 +Herrschermacht, ruht. Die politische Revolution ist die Revolution der +bürgerlichen GeseUschaft. Welches war der Charakter der alten GeseU +schaft? Ein Wort charakterisirt sie. Die Feudalität. Die alte bürgerliche +GeseUschaft hatte unmittelbar einen politischen Charakter, d. h. die Ele +mente des bürgerlichen Lebens, wie ζ. B. der Besitz oder die Famüie, oder 20 +die Art und Weise der Arbeit, waren in der Form der Grundherrüchkeit, des +Standes und der Corporation zu Elementen des Staatslebens erhoben. Sie +bestimmten in dieser Form das Verhältniß des einzelnen Individuums zum +Staatsganzen, d.h. sein politisches Verhältniß, d.h. sein Verhältniß der +Trennung und Ausschüeßung von den andern Bestandtheüen der GeseU- 25 +schaft. Denn jene Organisation des Volkslebens erhob den Besitz oder die +Arbeit nicht zu socialen Elementen, sondern voUendete vielmehr ihre +Trennung von dem Staatsganzen, und constituirte sie zu besondern Ge- +seüschaften in der GeseUschaft. So waren indeß immer noch die Lebens +funktionen und Lebensbedingungen der bürgerlichen GeseUschaft politisch, +wenn auch poütisch im Sinne der Feu||205|daütät, d. h. sie schlössen das +Individuum vom Staatsganzen ab, sie verwandelten das besondere Verhält +niß semer Corporation zum Staatsganzen in sein eignes aügemeines Ver +hältniß zum Volksleben, wie seme bestimmte bürgerliche Thätigkeit und +Situation in seine aügemeine Thätigkeit und Situation. Als Konsequenz 35 +dieser Organisation erscheint nothwendig die Staatseinheit, wie das Be +wußtsein, der Wiüe und die Thätigkeit der Staatseinheit, die aügemeine +Staatsmacht, ebenfaUs als besondere Angelegenheit eines von dem Volk +abgeschiedenen Herrschers und serner Diener. + +30 + +Die politische Revolution, welche diese Herrschermacht stürzte und die 40 + +Staatsangelegenheiten zu Volksangelegenheiten erhob, welche den poü- + +160 + + I. Bruno Bauer: Die Judenfrage + +5 + +tischen Staat als allgemeine Angelegenheit, d. h. als wirklichen Staat con +stituirte, zerschlug nothwendig alle Stände, Corporationen, Innungen, Pri +vilegien, die eben so viele Ausdrücke der Trennung des Volkes von seinem +Gemeinwesen waren. Die politische Revolution hob damit den politischen +Charakter der bürgerlichen Gesellschaft auf. Sie zerschlug die bürgerliche +Gesellschaft in ihre einfachen Bestandtheile, einerseits in die Individuen, +andrerseits in die materiellen und geistigen Elemente, welche den Lebensin +halt, die bürgerliche Situation dieser Individuen bilden. Sie entfesselte den +politischen Geist, der gleichsam in die verschiedenen Sackgassen der feu- +10 dalen Gesellschaft zertheilt, zerlegt, zerlaufen war; sie sammelte ihn aus +dieser Zerstreuung, sie befreite ihn von seiner Vermischung mit dem bürger +lichen Leben, und constituirte ihn als die Sphäre des Gemeinwesens, der +allgemeinen Volksangelegenheit in idealer Unabhängigkeit von jenen be +sondern Elementen des bürgerlichen Lebens. Die bestimmte Lebensthätig- +15 keit und die bestimmte Lebenssituation sanken zu einer nur individuellen +Bedeutung herab. Sie bildeten nicht mehr das allgemeine Verhältniß des +Individuums zum Staatsganzen. Die öffentliche Angelegenheit als solche +ward vielmehr zur allgemeinen Angelegenheit jedes Individuums und die +politische Function zu seiner allgemeinen Function. + +20 + +Allein die Vollendung des Idealismus des Staats war zugleich die Voll +endung des Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft. Die Abschüttlung +des politischen Jochs war zugleich die Abschüttlung der Bande, welche den +egoistischen Geist der bürgerlichen Gesellschaft gefesselt hielten. Die po +litische Emancipation war zugleich die Emancipation der bürgerlichen +25 Gesellschaft von der Politik, von dem Schein selbst eines allgemeinen In + +halts, + +ι + +|206| Die feudale Gesellschaft war aufgelöst in ihren Grund, in den +Menschen. Aber in den Menschen, wie er wirklich ihr Grund war, in den +egoistischen Menschen. + +30 + +Dieser Mensch, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, ist nun die +Basis, die Voraussetzung des politischen Staats. Er ist von ihm als solche +anerkannt in den Menschenrechten. + +Die Freiheit des egoistischen Menschen und die Anerkennung dieser +Freiheit ist aber vielmehr die Anerkennung der zügellosen Bewegung der + +35 geistigen und materiellen Elemente, welche seinen Lebensinhalt bilden. + +Der Mensch wurde daher nicht von der Religion befreit, er erhielt die +Religionsfreiheit. Er wurde nicht vom Eigenthum befreit. Er erhielt die +Freiheit des Eigenthums. Er wurde nicht von dem Egoismus des Gewerbes +befreit, er erhielt die Gewerbfreiheit. + +40 + +Die Constitution des politischen Staats und die Auflösung der bürgerlichen +Gesellschaft in die unabhängigen Individuen — deren Verhältniß das Recht + +161 + + Zur Judenfrage + +ist, wie das Verhältniß der Standes- und Innungsmenschen das Privilegium +war — vollzieht sich in einem und demselben Akte. Der Mensch, wie er +Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch erscheint +aber nothwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l'homme er +scheinen als droits naturels, denn die selbstbewußte Thätigkeit concentrirt +sich auf den politischen Akt. Oer egoistische Mensch ist das passive, nur +vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der un +mittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolu +tion löst das bürgerliche Leben in seme Bestandtheüe auf, ohne diese Be- +standtheüe selbst zu revolutioniren und der Kritik zu unterwerfen. Sie +verhält sich zur bürgerlichen GeseUschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der +Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts als zur Grundlage ihres Be- +stehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu +ihrer Naturbasis. Endüch g ut der Mensch, wie er Mitgüed der bürgerüchen +GeseUschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unter- +schied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner siniüichen individuellen +nächsten Existenz ist, während der politische Mensch nur der abstrahirte, +künstiiche Mensch ist, der Mensch als eme allegorische, moralische Per +son. Der wirküche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Indivi +duums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen an- +erkannt. | + +|207| Die Abstraction des politischen Menschen schüdert Rousseau richtig + +5 + +10 + +15 + +20 + +also: + +«Celui qui ose entreprendre d'instituer un peuple doit se sentir en état de +changer, pour ainsi d ue la nature humaine, de transformer chaque mdividu, +qui par lui-même est un tout parfait et solitaüe en partie d'un plus grand tout, +dont cet individu reçoive en quelque sorte sa vie et son être, de substituer +une existence partielle et morale à l'existence physique et indépendante. Il +faut qu'il ôte à l'homme ses forces propres pour lui en donner qui lui soient +étrangères et dont ü ne puisse faire usage sans le secours d'autrui.» (Cont. 30 +Soc. üv.II, Londr. 1782, p. 67, 68.) + +25 + +Aile Emancipation ist Zurückfübrung der menschlichen Welt, der Ver + +hältnisse, auf den Menschen selbst. + +Die politische Emancipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits +auf das Mitgüed der bürgerüchen GeseUschaft, auf das egoistische un- 35 +abhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische +Person. + +Erst wenn der wirkliche individueüe Mensch den abstrakten Staatsbürger +in sich zurücknimmt und als individueUer Mensch in seinem empüischen +Leben, in seiner individuellen Arbeit, in semen individueUen Verhältnissen, 40 +Gattungswesen geworden ist, erst, wenn der Mensch seine „forces propres" + +162 + + II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden + +als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisirt hat und daher die ge- +sellschafüiche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich +trennt, erst dann ist die menschliche Emancipation vollbracht. + +5 + +II. +Die Fähigkeit der heutigen Juden +und Christen frei zu werden. +Von Bruno Bauer. +(Ein und zwanzig Bogen pag. 56—71.) + +Unter dieser Form behandelt Bauer das Verhältniß der jüdischen und +1 o chrìstlichen Religion, wie das Verhältniß derselben zur Kritik. Ihr Verhältniß + +zur Kritik ist ihr Verhältniß „zur Fähigkeit frei zu werden". + +Es ergibt sich: „Der Christ hat nur eine Stufe, nämlich seine Religion zu +übersteigen, um die Reügion überhaupt aufzuheben", also frei zu werden, +„der Jude dagegen hat nicht nur mit seinem jüdischen Wesen, sondern auch +15 mit der Entwicklung der Vollendung seiner Religion zu brechen, mit einer + +Entwicklung, die ihm fremd geblieben ist." Pag. 71. | + +|208| Bauer verwandelt also hier die Frage von der Judenemancipation in +eine rein religiöse Frage. Der theologische Scrupel, wer eher Aussicht hat, +selig zu werden, Jude oder Christ, wiederholt sich in der aufgeklärten Form, +20 wer von beiden ist emancipationsfähigerl Es fragt sich zwar nicht mehr: +macht Judenthum oder Christenthum frei? sondern vielmehr umgekehrt, was +macht freier, die Negation des Judenthums oder die Negation des Chri +stenthums? + +25 + +„Wenn sie frei werden wollen, so dürfen sich die Juden nicht zum Chri- +stenthum bekennen, sondern zum aufgelösten Christenthum, zur aufgelösten +Religion überhaupt, d. h. zur Aufklärung, Kritik und ihrem Resultate, der +freien Menschlichkeit." P. 70. + +Es handelt sich immer noch um ein Bekenntniß für den Juden, aber nicht +mehr um das Bekenntniß zum Christenthum, sondern zum aufgelösten + +30 Christenthum. + +Bauer stellt an den Juden die Forderung, mit dem Wesen der christlichen +Religion zu brechen, eine Forderung, welche, wie er selbst sagt, nicht aus +der Entwicklung des jüdischen Wesens hervorgeht. + +35 + +Nachdem Bauer am Schluß der Judenfrage das Judenthum nur als die rohe +religiöse Kritik des Christenthums begriffen, ihm also eine „nur" religiöse +Bedeutung abgewonnen hatte, war vorherzusehen, daß auch die Eman- + +163 + + Zur Judenfrage + +cipation der Juden in einen philosophisch-theologischen Akt sich verwandeln +werde. + +Bauer faßt das ideale abstrakte Wesen des Juden, seine Religion als sein +ganzes Wesen. Er schließt daher mit Recht: „Der Jude gibt der Menschheit +nichts, wenn er sein beschränktes Gesetz für sich mißachtet", wenn er sein +ganzes Judenthum aufhebt. P. 65. + +5 + +Das Verhältniß der Juden und Christen wird demnach Folgendes: das +einzige Interesse des Christen an der Emancipation des Juden ist ein all +gemein menschliches, ein theoretisches Interesse. Das Judenthum ist eine +beleidigende Thatsache für das reügiöse Auge des Christen. Sobald sein 10 +Auge aufhört religiös zu sein, hört diese Thatsache auf beleidigend zu sein. +Die Emancipation des Juden ist an und für sich keine Arbeit für den Chri +sten. + +Der Jude dagegen um sich zu befreien, hat nicht nur seme eigne Arbeit, +sondern zugleich die Arbeit des Christen, die Kritik der Synoptiker und das +Leben Jesu etc. durchzumachen. + +15 + +„Sie mögen selber zusehen: sie werden sich selber ihr Geschick bestim + +men; die Geschichte aber läßt mit sich nicht spotten." P.71. + +Wir versuchen die + +theologische Fassung der Frage zu brechen. +Die 1 1 2 0 9| Frage nach der Emancipationsfähigkeit des Juden verwandelt sich +uns m die Frage, welches besondre gesellschaftliche Element zu überwinden +sei, um das Judenthum aufzuheben? Denn die Emancipationsfähigkeit des +heutigen Juden ist das Verhältniß des Judenthums zur Emancipation der +heutigen Welt. Dies Verhältniß ergiebt sich nothwendig aus der besondern +Stellung des Judenthums in der heutigen geknechteten Welt. + +20 + +25 + +Betrachten wü den wüklichen weltlichen Juden, nicht den Sabbaths Juden, + +wie Bauer es thut, sondern den Alltagsjuden. + +Suchen wü das Geheimniß des Juden nicht in semer Religion, sondern + +suchen wü das Geheimniß der Reügion im wüküchen Juden. + +Welches ist der weltliche Grund des Judenthums? Das praktische Be- + +30 + +dürfniß, der Eigennutz. + +Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist + +sein weltücher Gott? Das Geld. + +Nun wohl! Die Emancipation vom Schacher und vom Geld, also vom + +praktischen, realen Judenthum wäre die Selbstemancipation unsrer Zeit. + +35 + +Eme Organisation der GeseUschaft, welche die Voraussetzungen des +Schachers, also die Mögüchkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden +unmöglich gemacht. Sem reügjöses Bewußtsein würde wie ein fader Dunst +in der wüküchen Lebensluft der GeseUschaft sich auflösen. Andrerseits: +wenn der Jude dies sein praktisches Wesen als nichtig erkennt und an seiner +Aufhebung arbeitet, arbeitet er aus seiner bisherigen Entwicklung heraus, + +40 + +164 + + II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden + +an der menschlichen Emancipation scMechthin und kehrt sich gegen den +höchsten praktischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung. + +Wir erkennen also im Judenthum ein allgemeines gegenwärtiges anti +sociales Element, welches durch die geschichtliche Entwicklung, an welcher +die Juden in dieser schlechten Beziehung eifrig mitgearbeitet, auf seine +jetzige Höhe getrieben wurde, auf eine Höhe, auf welcher es sich nothwendig +auflösen muß. + +Die Judenemancipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emancipation + +der Menschheit vom Judenthum. + +Der Jude hat sich bereits auf jüdische Weise emancipirt. „Der Jude, der +in Wien ζ. B. nur tolerirt ist, bestimmt durch seine Geldmacht das Geschick +des ganzen Reichs. Der Jude der in dem klein||210|sten deutschen Staate +rechtlos sein kann, entscheidet über das Schicksal Europa's. + +5 + +10 + +15 + +Während die Korporationen und Zünfte dem Juden sich verschließen, oder +ihm noch nicht geneigt sind, spottet die Kühnheit der Industrie des Eigen +sinns der mittelalterlichen Institute." (B.Bauer, Judenfrage, p. 114.) + +Es ist dies kein vereinzeltes Faktum. Der Jude hat sich auf jüdische Weise +emancipirt, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern +indem durch ihn und ohne ihn, das Geld zur Weltmacht und der praktische +Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die +Juden haben sich in so weit emancipirt, als die Christen zu Juden geworden +sind. + +20 + +„Der fromme und politisch freie Bewohner von Neuengland, berichtet +z.B. Oberst Hamilton, ist eine Art von Laokoon, der auch nicht die geringste +25 Anstrengung macht, um sich von den Schlangen zu befreien, die ihn zu +sammenschnüren. Mammon ist ihr Götze, sie beten ihn nicht nur allein mit +den Lippen, sondern mit allen Kräften ihres Körpers und Gemüths an. Die +Erde ist in ihren Augen nichts andres, als eine Börse, und sie sind überzeugt, +daß sie hienieden keine andere Bestimmung haben, als reicher zu werden, +denn ihre Nachbarn. Der Schacher hat sich aller ihrer Gedanken bemächtigt, +die Abwechslung in den Gegenständen bildet ihre einzige Erholung. Wenn +sie reisen, tragen sie, so zu sagen, ihren Kram oder Komptoir auf dem Rücken +mit sich herum und sprechen von nichts als Zinsen und Gewinn, und wenn +sie einen Augenblick ihre Geschäfte aus den Augen verlieren, so geschieht + +30 + +35 dies bloß um jene von Andern zu beschnüffeln." + +Ja, die praktische Herrschaft des Judenthums über die christliche Welt, +hat in Nordamerika den unzweideutigen, normalen Ausdruck erreicht, daß +die Verkündigung des Evangeliums selbst, daß das christliche Lehramt zu +einem Handelsartikel geworden ist, und der bankerutte Kaufmann im +40 Evangelium macht, wie der reichgewordene Evangelist in Geschäftchen. +« Tel que vous le voyez à la tête d'une congrégation respectable a commencé + +165 + + Zur Judenfrage + +par être marchand ; son commerce étant tombé, il s'est fait ministre ; cet autre +a débuté par le sacerdoce, mais dès qu'il a eu quelque somme d'argent à la +disposition, il a laissé la chaire pour le négoce. Aux yeux d'un grand nombre, +le ministère religieux est une véritable carrière industrielle. » (Beaumont, 1. c. +p. 185,86.) + +5 + +Nach Bauer ist es „ein lügenhafter Zustand, wenn in der Theorie ||21l| dem +Juden die poütischen Rechte vorenthalten werden, während er in der Praxis +eme ungeheure Gewalt besitzt, und seinen politischen Einf luß, wenn er ihm +im détail verkürzt wird, en gros ausübt". (Judenfrage, p. 114.) + +Der Widerspruch, in welchem die praktische politische Macht des Juden 10 + +zu seinen poütischen Rechten steht, ist der Widerspruch der Poütik und +Geldmacht überhaupt. Während die erste ideal über der zweiten steht, ist +sie in der That zu ihrem Leibeignen geworden. + +Das Judenthum hat sich neben dem Christenthum gehalten, nicht nur als +reügiöse Kritik des Christenthums, nicht nur als inkorporirter Zweifel an der 15 +religiösen Abkunft des Christenthums, sondern eben so sehr, weü der +praktisch-jüdische Geist, weil das Judenthum in der christlichen Gesellschaft +selbst sich gehalten, und sogar seme höchste AusbÜdung erhalten hat. Der +Jude, der als ein besonderes Güed in der bürgerüchen Gesellschaft steht, ist +nur die besondere Erscheinung von dem Judenthum der bürgerlichen Ge- 20 +S e i l s c h a f t. + +Das Judenthum hat sich nicht trotz der Geschichte, sondern durch die + +Geschichte erhalten. + +Aus ihren eignen Eingeweiden erzeugt die bürgerliche GeseUschaft fort + +während den Juden. + +Welches war an und für sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das + +praktische Bedürfniß, der Egoismus. + +Der Monotheismus des Juden ist daher in der Wüklichkeit der Polytheis +mus der vielen Bedürfnisse, ein Polytheismus, der auch den Abtritt zu einem +Gegenstand des götüichen Gesetzes macht. Das praktische Bedürfniß, der +Egoismus ist das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und tritt rein als +solches hervor, sobald die bürgerliche Gesellschaft den politischen Staat +voUständig aus sich herausgeboren. Der Gott des praktischen Bedürfnisses +und Eigennutzes ist das Geld. + +25 + +30 + +Das Geld ist der eifrige Gott Israels, vor welchem kein andrer Gott be- 35 + +stehen darf. Das Geld erniedrigt aüe Götter des Menschen,—und verwandelt +sie m eme Waare. Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst constituüte +Werth aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt, wie die +Natur, ihres eigenthümlichen Werthes beraubt. Das Geld ist das dem +Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins und dies 40 +fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an. | + +166 + + II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden + +|212| Der Gott der Juden hat sich verweltlicht, er ist zum Weltgott ge +worden. Der Wechsel ist der wirkliche Gott des Juden. Sein Gott ist nur der +illusorische Wechsel. + +5 + +Die Anschauung, welche unter der Herrschaft des Privateigenthums und +des Geldes von der Natur gewonnen wird, ist die wirkliche Verachtung", die +praktische Herabwürdigung der Natur, welche in der jüdischen Religion +zwar existirt, aber nur in der Einbildung existirt. + +In diesem Sinn erklärt es Thomas Münzer für unerträglich, „daß alle +Kreatur zum Eigenthum gemacht worden sei, die Fische im Wasser, die +10 Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden — auch die Kreatur müsse frei + +werden". + +15 + +20 + +25 + +Was in der jüdischen Religion abstrakt liegt, die Verachtung der Theorie, +der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck, das ist der +wirkliche bewußte Standpunkt, die Tugend des Geldmenschen. Das Gat- +tungsverhältniß selbst, das Verhältniß von Mann und Weib etc. wird zu einem +Handelsgegenstand! Das Weib wird verschachert. + +Die chimärische Nationalität des Juden ist die Nationalität des Kauf + +manns, überhaupt des Geldmenschen. + +Das grund- und bodenlose Gesetz des Juden ist nur die religiöse Karrika- +tur der grund- und bodenlosen Moralität und des Rechts überhaupt, +der nur formellen Riten, mit welchen sich die Welt des Eigennutzes um +gibt. + +Auch hier ist das höchste Verhältniß des Menschen das gesetzliche Ver +hältniß, das Verhältniß zu Gesetzen die ihm nicht gelten, weil sie die Gesetze +seines eigenen Willens und Wesens sind, sondern weil sie herrschen und weil +der Abfall von ihnen gerächt wird. + +Der jüdische Jesuitismus, derselbe praktische Jesuitismus, den Bauer im +Talmud nachweist, ist das Verhältniß der Welt des Eigennutzes zu den sie +beherrschenden Gesetzen, deren schlaue Umgehung die Hauptkunst dieser + +30 Welt bildet. + +Ja die Bewegung dieser Welt innerhalb ihrer Gesetze ist nothwendig eine + +stete Aufhebung des Gesetzes. + +Das Judenthum konnte sich als Religion, es konnte sich theoretisch nicht +weiter entwickeln, weil die Weltanschauung des praktischen Bedürfnisses +ihrer Natur nach bornirt und in wenigen Zügen erschöpft ist. + +35 + +Die Religion des praktischen Bedürfnisses konnte ihrem Wesen ||213| nach +die Vollendung nicht in der Theorie, sondern nur in der Praxis finden, eben +weil ihre Wahrheit die Praxis ist. + +Das Judenthum konnte keine neue Welt schaffen; es konnte nur die neuen +40 Weltschöpfungen und Weltverhältnisse in den Bereich seiner Betriebsamkeit +ziehn, weil das praktische Bedürf niß, dessen Verstand der Eigennutz ist, sich + +167 + + Zur Judenfrage + +passiv verhält, und sich nicht beliebig erweitert, sondern sich erweitert findet +mit der Fortentwicklung der gesellschaftlichen Zustände. + +Das Judenthum erreicht seinen Höhepunkt mit der Vollendung der bürger +lichen GeseUschaft; aber die bürgerüche GeseUschaft voUendet sich erst in +der christlichen Welt. Nur unter der Herrschaft des Christenthums, welches +alle nationalen, natürüchen, sittüchen, theoretischen Verhältnisse dem +Menschen äußerlich macht, konnte die bürgerliche GeseUschaft sich voll +ständig vom Staatsleben trennen, aüe Gattungsbande des Menschen zer +reißen, den Egoismus, das eigennützige Bedürfniß an die SteUe dieser +Gattungsbande setzen, die Menschenwelt in eine Welt atomistischer feind +lich sich gegenüberstehender Individuen auflösen. + +Das Christenthum ist aus dem Judenthum entsprungen. Es hat sich wieder + +in das Judenthum aufgelöst. + +Der Christ war von vorn herein der theoretisüende Jude, der Jude ist daher + +der praktische Christ, und der praktische Christ ist wieder Jude geworden. + +Das Christenthum hatte das reale Judenthum nur zum Schern überwunden. +Es war zu vornehm, zu spirituaüstisch, um die Rohheit des praktischen +Bedürfnisses anders als durch die Erhebung in die blaue Luft zu beseitigen. + +Das Christenthum ist der sublime Gedanke des Judenthums, das Juden +thum ist die gemeine Nutzanwendung des Christenthums, aber diese Nutz +anwendung konnte erst zu einer aUgemeinen werden, nachdem das Chri +stenthum als die fertige Religion die Selbstentfremdung des Menschen von +sich und der Natur theoretisch voUendet hatte. + +Nun erst konnte das Judenthum zur aUgemeinen Herrschaft gelangen und +den entäußerten Menschen, die entäußerte Natur zu veräußerlichen, ver +käuflichen, der Knechtschaft des egoistischen Bedürfnisses, dem Schacher +anheimgefaUenen Gegenständen machen. + +Die Veräußerung ist die Praxis der Entäußerung. Wie der Mensch, so lange +er reügiös befangen ist, sein Wesen nur zu vergegenständüchen weiß, indem +er es zu einem fremden phantastischen Wesen ||214| macht, so kann er sich +unter der Herrschaft des egoistischen Bedürfnisses nur praktisch bethätigen, +nur praktisch Gegenstände erzeugen, indem er seine Produkte, wie seme +Thätigkeit, unter die Herrschaft eines fremden Wesens steUt und ihnen die +Bedeutung eines fremden Wesens — des Geldes — verleiht. + +Der christliche Seligkeitsegoismus schlägt in semer voUendeten Praxis +nothwendig um in den Leibesegoismus des Juden, das himmüsche Bedürf niß +in das üdische, der Subjectivismus in den Eigennutz. Wü erklären die +Zähigkeit des Juden nicht aus seiner Reügion, sondern vielmehr aus dem +menschlichen Grund seiner Religion, dem praktischen Bedürfniß, dem +Egoismus. + +Weü das reale Wesen des Juden in der bürgerlichen GeseUschaft sich + +168 + + II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden + +allgemein verwirklicht, verweltlicht hat, darum konnte die bürgerliche +Gesellschaft den Juden nicht von der Unwirklichkeit seines religiösen +Wesens, welches eben nur die ideale Anschauung des praktischen Bedürf +nisses ist, überzeugen. Also nicht nur im Pentateuch oder im Talmud, in der +jetzigen Gesellschaft finden wir das Wesen des heutigen Juden, nicht als ein +abstraktes, sondern als ein höchst empirisches Wesen, nicht nur als Be +schränktheit des Juden, sondern als die jüdische Beschränktheit der Ge +sellschaft. + +5 + +Sobald es der Gesellschaft gelingt, das empirische Wesen des Judenthums, +10 den Schacher und seine Voraussetzungen aufzuheben, ist der Jude un +möglich geworden, weil sein Bewußtsein keinen Gegenstand mehr hat, weil +die subjective Basis des Judenthums, das praktische Bedürfniß ver +menschlicht, weil der Konflikt der individuell-sinnlichen Existenz mit der +Gattungsexistenz des Menschen aufgehoben ist. + +15 + +Die gesellschaftliche Emancipation des Juden ist die Emancipation der + +Gesellschaft vom Judenthum. \ + +m + +169 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie +Einleitung + +Deutsch-Französische Jahrbücher. +Lfg. 1/2. 1844 + +|7i| Zur Kritik +der Hegel'schen Rechts-Philosophie + +von Karl Marx. + +Einleitung. + +Für Deutschland ist die Kritik der Religion im Wesentlichen beendigt und +die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik. + +5 + +Die profane Existenz des Irrthums ist compromittirt, nachdem seine +himmlische oratio pro aris et focis widerlegt ist. Der Mensch, der in der +phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Uebermenschen +suchte, nur den Wiederschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr +geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, +wo er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß. + +10 + +Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, +die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das +Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst ent- 15 +weder noch nicht erworben, oder schon wieder verloren hat. Aber der +Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der +Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät. Dieser Staat, diese +Societät produziren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie +eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, 20 +ihr encyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spi- +ritualistischer Point-d'honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, +ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. +Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das +menschliche Wiesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die +Reügion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma +die Religion ist. + +25 + +170 + + Einleitung + +Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und +in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der +Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth ||72| einer herzlosen Welt, wie +sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. + +5 + +Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist +die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über +seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, +der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik +des Jammerthaies, dessen Heiligenschein die Religion ist. + +1 o Die Kritik hat die imaginairen Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit +der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die +Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion +enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirküchkeit ge +stalte, wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich +15 um sich selbst und damit um seine wirkliehe Sonne bewege. Die Religion ist +nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, so lange er +sich nicht um sich selbst bewegt. + +20 + +Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit +verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etabliren. Es ist zunächst +die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem +die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die +Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des +Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Reli +gion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der + +25 Politik. + +Die nachfolgende Ausführung — ein Beitrag zu dieser Arbeit — schließt +sich zunächst nicht an das Original, sondern an eine Copie, an die deutsche +Staats- und Rechts-PMospp/u'e an, aus keinem andern Grunde, als weil sie +sich an Deutschland anschließt. + +30 + +Wollte man an den deutschen status quo selbst anknüpfen, wenn auch in +einzig angemessener Weise, d. h. negativ, immer bliebe das Resultat ein +Anachronismus. Selbst die Verneinung unserer politischen Gegenwart findet +sich schon als bestaubte Thatsache in der historischen Rumpelkammer der +modernen Völker. Wenn ich die gepuderten Zöpfe verneine, habe ich immer +35 noch die ungepuderten Zöpfe. Wenn ich die deutschen Zustände von 1843 +verneine, stehe ich, nach französischer Zeitrechnung, kaum im Jahre 1789, +noch weniger im Brennpunkt der Gegenwart. + +Ja, die deutsche Geschichte schmeichelt sich einer Bewegung, welche ihr +kein Volk am historischen Himmel weder vorgemacht ||73| hat, noch nach- +40 machen wird. Wir haben nämlich die Restaurationen der modernen Völker +getheilt, ohne ihre Revolutionen zu theilen. Wir wurden restaurirt, erstens, + +171 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +weil andere Völker eine Revolution wagten, und zweitens, weil andere +Völker eine Contrerevolution litten, das einemal, weil unsere Herren Furcht +hatten und das anderemal, weil unsere Herren keine Furcht hatten. Wir, +unsere Hirten an der Spitze, befanden uns immer nur einmal in der Ge +sellschaft der Freiheit, am Tag ihrer Beerdigung. + +5 + +Eine Schule, welche die Niederträchtigkeit von heute durch die Nieder +trächtigkeit von gestern legitimirt, eine Schule, die jeden Schrei des Leib +eigenen gegen die Knute für rebellisch erklärt, sobald die Knute eine be +jahrte, eine angestammte, eine historische Knute ist, eine Schule, der die +Geschichte, wie der Gott Israels seinem Diener Moses, nur ihr a posteriori 10 +zeigt, die historische Rechtsschule, sie hätte daher die deutsche Geschichte +erfunden, wäre sie nicht eine Erfindung der deutschen Geschichte. Shylock, +aber Shylock der Bediente, schwört sie für jedes Pfund Fleisch, welches aus +dem Volksherzen geschnitten wird, auf ihren Schein, auf ihren historischen +Schein, auf ihren christlich-germanischen Schein. + +15 + +Gutmüthige Enthusiasten dagegen, Deutschthümler von Blut und Frei +sinnige von Reflexion, suchen unsere Geschichte der Freiheit jenseits un +serer Geschichte in den teutonischen Urwäldern. Wodurch unterscheidet +sich aber unsere Freiheitsgeschichte von der Freiheitsgeschichte des Ebers, +wenn sie nur in den Wäldern zu finden ist? Zudem ist es bekannt: Wie man 20 +hineinschreit in den Wald, schallt es heraus aus dem Wald. Also Friede den +teutonischen Urwäldern! + +Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! Sie stehn unter dem Niveau +der Geschichte, sie sind unter aller Kritik, aber sie bleiben ein Gegenstand +der Kritik, wie der Verbrecher, der unter dem Niveau der Humanität steht, +ein Gegenstand des Scharfrichters bleibt. Mit ihnen im Kampf ist die Kritik +keine Leidenschaft des Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft. Sie ist kein +anatomisches Messer, sie ist eine Waffe. Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den +sie nicht widerlegen, sondern vernichten will. Denn der Geist jener Zustände +ist widerlegt. An und für sich sind sie keine denkwürdigen Objekte, sondern +ebenso verächtliche, als verachtete Existenzen. Die Kritik für sich bedarf +nicht der Selbstverständigung mit diesem Gegenstand, denn sie ist mit ihm +im Reinen. Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als +Mittel. ||74| Ihr wesentlicher Pathos ist die Indignation, ihre wesentliche +Arbeit die Denuntiation. + +Es gilt die Schilderung eines wechselseitigen dumpfen Drucks aller so +cialen Sphären auf einander, einer allgemeinen thatlosen Verstimmung, einer +sich eben so sehr anerkennenden als verkennenden Beschränktheit, ein +gefaßt in den Rahmen eines Regierungssystems, welches von der Conser +vation aller Erbärmlichkeiten lebend, selbst nichts ist als die Erbärmlichkeit +an der Regierung. + +25 + +30 + +35 + +40 + +172 + + Einleitung + +Welch ein Schauspiel! Die ins unendliche fortgehende Theilung der Ge +sellschaft in die mannigfaltigsten Raçen, welche mit kleinen Antipathien, +schlechten Gewissen und brutaler Mittelmäßigkeit sich gegenüberstehn, +welche eben um ihrer wechselseitigen zweideutigen und argwöhnischen +5 Stellung willen alle ohne Unterschied, wenn auch mit verschiedenen For +malitäten als koncessionirte Existenzen von ihren Herren behandelt werden. +Und selbst dies, daß sie beherrscht, regiert, besessen sind, müssen sie als +eine Concession des Himmels anerkennen und bekennen! Andrerseits jene +Herrscher selbst, deren Größe in umgekehrtem Verhältnisse zu ihrer Zahl +steht! + +10 + +Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befaßt, ist die Kritik im Hand +gemenge und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner +ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, +ihn zu treffen. Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der +15 Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen. Man muß den wirklichen Druck +noch drückender machen, indem man ihm das Bewußtsein des Drucks hin +zufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publicirt. Man muß +jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als die partie honteuse der deutschen +Gesellschaft schildern, man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch +zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! Man muß +das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen. +Man erfüllt damit ein unabweisbares Bedürfniß des deutschen Volks und die +Bedürfnisse der Völker sind in eigener Person die letzten Gründe ihrer +Befriedigung. + +20 + +25 + +Und selbst für die modernen Völker kann dieser Kampf gegen den +bornirten Inhalt des deutschen status quo nicht ohne Interesse sein, denn +der deutsche status quo ist die offenherzige Vollendung des ancien régime +und das ancien régime ist der versteckte Mangel des modernen Staates. Der +Kampf gegen die deutsche politische Gegen||75|wart ist der Kampf gegen die +30 Vergangenheit der modernen Völker, und von den Reminiscenzen dieser +Vergangenheit werden sie noch immer belästigt. Es ist lehrreich für sie, das +ancien régime, das bei ihnen seine Tragödie erlebte, als deutschen Revenant +seine Komödie spielen zu sehen. Tragisch war seine Geschichte so lange es +die präexistirende Gewalt der Welt, die Freiheit dagegen ein persönlicher +35 Einfall war, mit einem Wort, so lange es selbst an seine Berechtigung glaubte +und glauben mußte. So lange das ancien régime als vorhandene Weltordnung +mit einer erst werdenden Welt kämpfte, stand auf seiner Seite ein welt +geschichtlicher Irrthum, aber kein persönlicher. Sein Untergang war daher +tragisch. + +40 + +Das jetzige deutsche Regime dagegen, ein Anachronismus, ein flagranter +Widerspruch gegen allgemein anerkannte Axiome, die zur Weltschau aus- + +173 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +i + +gestellte Nichtigkeit des ancien régime, bildet sich nur noch ein, an sich selbst +zu glauben und verlangt von der Welt dieselbe Einbildung. Wenn es an sein +eignes Wiesen glaubte, würde es dasselbe unter dem Schein eines fremden +Wesens zu verstecken und seine Rettung in der Heuchelei und dem Sophisma +suchen? Das moderne ancien régime ist nur mehr der Komödiant einer +Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind. Die Geschichte ist +gründlich und macht viele Phasen durch, wenn sie eme alte Gestalt zu Grabe +trägt. Die letzte Phase einer weltgeschichtüchen Gestalt ist ihre Komödie. +Die Götter Griechenlands, die schon einmal tragisch zu Tode verwundet +waren im gefesselten Prometheus des Aeschylus mußten noch einmal ko- 10 +misch sterben in den Gesprächen Lucians. Warum dieser Gang der Ge +schichte! Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide. +Diese heitere geschichtliche Bestimmung vindiciren wü den politischen +Mächten Deutschlands. + +5 + +15 + +Sobald indeß die moderne politisch-sociale Wüklichkeit selbst der Kritik +unterworfen wüd, sobald also die Kritik zu wahrhaft menschüchen Proble +men sich erhebt, bef indet sie sich außerhalb des deutschen status quo oder +sie würde ihren Gegenstand unter ihrem Gegenstand greifen. Ein Beispiel! +Das Verhältniß der Industrie, überhaupt der Welt des Reichthums zu der +poütischen Welt ist ein Hauptproblem der modernen Zeit. Unter welcher 20 +Form fängt dies Problem an, die Deutschen zu beschäftigen? Unter der Form +der Schutzzölle, des Prohibitivsystems, der Nationalökonomie. Die Deutsch- +thümelei ist aus dem Menschen in die Materie gefahren und so sahen sich +eines Morgens unsere Baumwollritter und Eisenhelden ||76| in Patrioten +verwandelt. Man beginnt also in Deutschland die Souverainetät des Mono- 25 +pois nach Innen anzuerkennen, dadurch daß man ihm die Souveränetät nach +Außen verlernt. Man beginnt also jetzt in Deutschland anzufangen, womit +man in Frankreich und England zu enden beginnt. Der alte faule Zustand, +gegen den diese Länder theoretisch im Aufruhr sind, und den sie nur noch +ertragen, wie man die Ketten erträgt, wüd in Deutschland als die aufgehende +Morgenröthe einer schönen Zukunft begrüßt, die kaum noch wagt, aus der +listigen Theorie in die schonungsloseste Praxis überzugehn. Während das +Problem in Frankreich und England lautet: Politische Oekonomie oder +in Deutschland: +Herrschaft der Societät über den Reichthum, +National-Oekonomie, oder Herrschaft des Privateigenthums über die Na- +tionalität. Es g ut also in Frankreich und England das Monopol, das bis zu +semen letzten Consequenzen fortgegangen ist, aufzuheben; es g ut in +Deutschland bis zu den letzten Consequenzen des Monopols fortzugehen. +Dort handelt es sich um die Lösung und hier handelt es sich erst um die +Colusión. Ein zureichendes Beispiel von der deutschen Form der modernen +Probleme, em Beispiel, wie unsere Geschichte, gleich einem ungeschickten + +lautet es + +40 + +30 + +35 + +174 + + Einleitung + +Rekruten, bisher nur die Aufgabe hatte, abgedroschene Geschichten nach- +zuexerciren. + +Ginge also die gesammte deutsche Entwicklung nicht über die politische +deutsche Entwicklung hinaus, ein Deutscher könnte sich höchstens an den +Problemen der Gegenwart betheiligen, wie sich ein Russe daran betheiligen +kann. Allein wenn das einzelne Individuum nicht gebunden ist durch die +Schranken der Nation, ist die gesammte Nation noch weniger befreit durch +die Befreiung eines Individuums. Die Scythen haben keinen Schritt zur +griechischen Kultur vorwärts gethan, weil Griechenland einen Scythen unter +seine Philosophen zählt. + +5 + +10 + +Zum Glück sind wir Deutsche keine Scythen. +Wie die alten Völker ihre Vorgeschichte in der Imagination erlebten, in +der Mythologie, so haben wir Deutsche unsre Nachgeschichte im Gedanken +erlebt, in der Philosophie. Wir sind philosophische Zeitgenossen der Gegen- +15 wart, ohne ihre historischen Zeitgenossen zu sein. Die deutsche Philosophie +ist die ideale Verlängerung der deutschen Geschichte. Wenn wir also statt +die œuvres incomplètes unsrer reellen Geschichte, die œuvres posthumes +unserer ideellen Geschichte, die Philosophie kritisiren, so steht unsere Kritik +that is the +mitten unter den Fragen, von denen die Gegenwart sagt: +Ques\\n\tion. Was bei den fortgeschrittenen Völkern praktischer Zerfall mit +den modernen Staatszuständen ist, das ist in Deutschland, wo diese Zustände +selbst noch nicht einmal existiren, zunächst kritischer Zerfall mit der phi +losophischen Spiegelung dieser Zustände. + +20 + +Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie +ist die einzige mit der +officiellen modernen Gegenwart al parí stehende deutsche Geschichte. Das + +25 + +deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen be +stehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, +sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine +Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen, +30 noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechts +zustände beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen +Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen und die unmittelbare +Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nach +barvölker beinahe schon wieder überlebt. Mit Recht fordert daher die +praktische politische Parthei in Deutschland die Negation der Philosophie. +Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben +bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht, noch vollziehen kann. +Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, daß sie der Philosophie +den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes—einige ärgerliche und bannale +40 Phrasen über sie hermurmelt. Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises +zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklich + +35 + +es + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +keit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienen +den Theorien. Ihr verlangt, daß man an wirkliche Lebenskeime anknüp +fen soll, aber ihr vergeßt, daß der wirkliche Lebenskeim des deutschen +Volkes bisher nur unter seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem +Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirk- +liehen. + +Dasselbe Unrecht, nur mit umgekehrten Faktoren, beging die theoretische, + +von der Philosophie her datirende politische Parthei. + +Sie erblickte in dem jetzigen Kampf nur den kritischen Kampf der Phi +losophie mit der deutschen Welt, sie bedachte nicht, daß die seitherige +Philosophie selbst zu dieser Welt gehört und ihre, wenn auch ideelle Er +gänzung ist. Kritisch gegen ihren Widerpart verhielt sie sich unkritisch zu +sich selbst, indem sie von den Voraussetzungen der Philosophie ausging, und +bei ihren gegebenen Resultaten entweder stehen blieb oder anderweitig +hergeholte Forderungen und Resultate für unmittelbare Forderungen und +Resultate der Philosophie ||78| ausgab, obgleich dieselben — ihre Berechti +gung vorausgesetzt — im Gegentheil nur durch die Negation der seitherigen +Philosophie, der Philosophie als Philosophie, zu erhalten sind. Eine näher +eingehende Schilderung dieser Parthei behalten wir uns vor. Ihr Grund +mangel läßt sich dahin reduziren: Sie glaubte die Philosophie verwtklichen +zu können, ohne sie aufzuheben. + +5 + +10 + +15 + +20 + +Die Kritik der deutschen Staats- und Rechtsphilosophie, welche durch +Hegel ihre konsequenteste, reichste und letzte Fassung erhalten hat, ist +beides, sowohl die kritische Analyse des modernen Staats und der mit ihm +zusammenhängenden Wirklichkeit, als auch die entschiedene Verneinung 25 +der ganzen bisherigen Weise des deutschen politischen und rechtlichen +Bewußtseins, dessen vornehmster, universellster, zur Wissenschaft er +hobener Ausdruck eben die spekulative Rechtsphilosophie selbst ist. War +nur in Deutschland die spekulative Rechtsphilosophie möglich, dies ab +strakte überschwängliche Denken des modernen Staats, dessen Wirklichkeit +ein Jenseits bleibt, mag dies Jenseits auch nur jenseits des Rheins liegen: so +war eben so sehr umgekehrt das deutsche vom wirklichen Menschen ab +strahlende Gedankenbild des modernen Staats nur möglich, weil und in +sofern der moderne Staat selbst vom wirklichen Menschen abstrahirt oder +den ganzen Menschen auf eine nur imaginaire Weise befriedigt. Die Deut- +sehen haben in der Politik gedacht, was die andern Völker gethan haben. +Deutschland war ihr theoretisches Gewissen. Die Abstraktion und Ueberhe- +bung seines Denkens hielt immer gleichen Schritt mit der Einseitigkeit und +Untersetztheit ihrer Wirküchkeit. Wenn also der status quo des deutschen +Staatswesens die Vollendung des ancien régime ausdrückt, die Voüendung +des Pfahls im Fleische des modernen Staats, so drückt der status quo des + +35 + +30 + +40 + +176 + + ψ + +Einleitung + +deutschen Staatswissens die Unvollendung des modernen Staats aus, die +Schadhaftigkeit seines Fleisches selbst. + +Schon als entschiedner Widerpart der bisherigen Weise des deutschen +politischen Bewußtseins, verläuft sich die Kritik der spekulativen Rechts- +philosophie nicht in sich selbst, sondern in Aufgaben, für deren Lösung es +nur ein Mittel gibt: die Praxis. + +5 + +Es fragt sich: kann Deutschland zu einer Praxis à la hauteur de principes +gelangen, d. h. zu einer Revolution, die es nicht nur auf das officielle Niveau +der modernen Völker erhebt, sondern auf die menschliche Höhe, welche die +nächste Zukunft dieser Völker sein wird. | + +|79| Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht +ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Ge +walt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die +Massen ergreift. Die Theorie ist fähig die Massen zu ergreifen, sobald sie +ad hominem demonstrirt, und sie demonstrirt ad hominem, sobald sie radikal +wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den +Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalis +mus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie ist ihr Ausgang +von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der +Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den +Menschen sei, also mit dem categorischen Imperativ, alle Verhältnisse +umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein +verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser +schildern kann, als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektir- +ten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behan +deln! + +Selbst historisch hat die theoretische Emancipation eine specif isch prak +tische Bedeutung für Deutschland. Deutschlands revolutionaire Vergangen +heit ist nämlich theoretisch, es ist die Reformation. Wie damals der Mönch, +so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die Revolution beginnt. + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die +Knechtschaft aus Ueberzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den +Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens +restaurirt hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in +35 Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußern Religiosität +befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat +den Leib von der Kette emancipirt, weil er das Herz in Ketten gelegt. + +Aber, wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung, so war er die +wahre Stellung der Aufgabe. Es galt nun nicht mehr den Kampf des Laien +40 mit dem Pfaffen außer ihm, es galt den Kampf mit seinem eigenen innern +Pfaffen, seiner pfäffischen Natur. Und wenn die protestantische Verwand- + +177 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +lung der deutschen Laien in Pfaffen, die Laienpäbste, die Fürsten sammt +ihrer Klerisei, den Privilegirten und den Philistern, emancipirte, so wird die +philosophische Verwandlung der pfäffischen Deutschen in Menschen das +Volk emancipiren. So wenig aber die Emancipation bei den Fürsten, so wenig +wird die Secularisation der Güter bei dem Kirchenraub ||80| stehen bleiben, +den vor allen das heuchlerische Preußen ins Werk setzte. Damals scheiterte +der Bauernkrieg, die radikalste Thatsache der deutschen Geschichte, an der +Theologie. Heute, wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste +Thatsache der deutschen Geschichte, unser status quo an der Phüosophie +zerschellen. Den Tag vor der Reformation war das officieüe Deutschland +der unbedingteste Knecht von Rom. Den Tag vor seiner Revolution ist es +der unbedingte Knecht von weniger als Rom, von Preußen und Oesterreich, +von Krautjunkern und Phüistern. + +Einer radikalen deutschen Revolution schemi indessen eine Haupt + +schwierigkeit entgegen zu stehn. + +5 + +10 + +15 + +Die Revolutionen bedürfen nämlich eines passiven Elementes, einer +materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit +verwirklicht, als sie die Verwüklichung seiner Bedürfnisse ist. Wird nun dem +U n g e h e u e rn Zwiespalt zwischen den Forderungen des deutschen Gedankens +und den Antworten der deutschen Wüklichkeit derselbe Zwiespalt der 20 +bürgerlichen GeseUschaft mit dem Staat und mit sich selbst entsprechen? +Werden die theoretischen Bedürfnisse unmittelbar praktische Bedürfnisse +sein? Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirküchung drängt, die +Wüklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen. + +Aber Deutschland hat die Mittelstufen der politischen Emancipation nicht +gleichzeitig mit den modernen Völkern erklettert. Selbst die Stufen, die es +theoretisch überwunden, hat es praktisch noch nicht erreicht. Wie sollte es +mit einem salto mortale nicht nur über seine eignen Schranken hinwegsetzen, +sondern zugleich über die Schranken der modernen Völker, über Schranken, +die es in der Wüküchkeit als Befreiung von seinen wirküchen Schranken +empfinden und erstreben muß? Eine radikale Revolution kann nur die +Revolution radikaler Bedürfnisse sein, deren Voraussetzungen und Ge +burtsstätten eben zu fehlen scheinen. + +25 + +30 + +Allein wenn Deutschland nur mit der abstrakten Thätigkeit des Denkens +die Entwicklung der modernen Völker begleitet hat, ohne werkthätige 35 +Parthei an den wüküchen Kämpfen dieser Entwicklung zu ergreifen, so hat +es andrerseits die Leiden dieser Entwicklung getheilt, ohne ihre Genüsse, +ohne ihre partieUe Befriedigung zu theüen. Der abstrakten Thätigkeit ei +nerseits entspricht das abstrakte Leiden andrerseits. Deutschland wüd sich +daher eines Morgens auf dem Niveau des europäischen Verfalls befinden, 40 +bevor es jemals auf dem Niveau der europäischen Emancipation gestanden + +178 + + w + +Einleitung + +hat. Man ||8l| wird es mit einem Fetischdiener vergleichen können, der an +den Krankheiten des Christenthums siecht. + +10 + +15 + +Betrachtet man zunächst die deutschen Regierungen und man findet sie +durch die Zeitverhältnisse, durch die Lage Deutschlands, durch den Stand- +5 ρ unkt der deutschen Bildung, endlich durch eignen glücklichen Instinkt +getrieben, die civilisirten Mängel der modernen Staatswelt, deren Vortheile +wir nicht besitzen, zu combiniren mit den barbarischen Mängeln des ancien +régime, dessen wir uns in vollem Maße erfreuen, so daß Deutschland, wenn +nicht am Verstand, wenigstens am Unverstand, auch der über seinen status +quo hinaushegenden Staatsbildungen immer mehr participiren muß. Giebt +es z.B. ein Land in der Welt, welches so naiv alle Illusionen des consti- +tutionellen Staatswesens theilt, ohne seine Realitäten zu theilen, als das +sogenannte constitutionelle Deutschland? Oder war es nicht nothwendig ein +deutscher Regierungseinfall, die Qualen der Censur mit den Qualen der +französischen Septembergesetze, welche die Preßfreiheit voraussetzen, zu +verbinden! Wie man im römischen Pantheon die Götter aller Nationen fand, +so wird man im heiligen römischen deutschen Reich die Sünden aller Staats +formen finden. Daß dieser Eklekticismus eine bisher nicht geahnte Höhe +erreichen wird, dafür bürgt namentlich die politisch-ästhetische Gourman- +dene eines deutschen Königs, der alle Rollen des Königthums, des feudalen +wie des büreaukratischen, des absoluten, wie des constitutionellen, des +autokratischen wie des demokratischen, wenn nicht durch die Person des +Volkes, so doch in eigner Person, wenn nicht für das Volk, so doch für sich +selbst zu spielen gedenkt. Deutschland als der zu einer eignen Welt con- +stituirte Mangel der politischen Gegenwart, wird die specifisch deutschen +Schranken nicht niederwerfen können, ohne die allgemeine Schranke der +politischen Gegenwart niederzuwerfen. + +25 + +20 + +Nicht die radicale Revolution ist ein utopischer Traum für Deutschland, +nicht die allgemein menschliche Emancipation, sondern vielmehr die theil- +30 weise, die nur politische Revolution, die Revolution, welche die Pfeiler des +Hauses stehen läßt. Worauf beruht eine theilweise, eine nur politische +Revolution? Darauf, daß ein Theil der bürgerlichen Gesellschaftsich eman +cipirt und zur allgemeinen Herrschaft gelangt, darauf, daß eine bestimmte +Klasse von ihrer besondern Situation aus die allgemeine Emancipation der +35 Gesellschaft unternimmt. Diese Klasse befreit die ganze Gesellschaft, aber +nur unter der Voraussetzung, daß die ganze Gesellschaft sich in der +Si||82|tuation dieser Klasse befindet, also ζ. B. Geld und Bildung besitzt oder +beliebig erwerben kann. + +40 + +Keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft kann diese Rolle spielen, ohne +ein Moment des Enthusiasmus in sich und in der Masse hervorzurufen, ein +Moment, worin sie mit der Gesellschaft im Allgemeinen fraternisirt und + +179 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +5 + +zusammenfließt, mit ihr verwechselt und als deren allgemeiner Repräsentant +empfunden und anerkannt wird, ein Moment, worin ihre Ansprüche und +Rechte in Wahrheit die Rechte und Ansprüche der GeseUschaft selbst sind, +worm sie wirklich der sociale Kopf und das sociale Herz ist. Nur im Namen +der aUgemeinen Rechte der Gesellschaft kann eine besondere Klasse sich +die aügemeine Herrschaft vüidicüen. Zur Erstürmung dieser emancipato- +rischen SteUung und damit zur poütischen Ausbeutung aller Sphären der +Gesellschaft im Interesse der eignen Sphäre reichen revolutionaüe Energie +und geistiges Selbstgefühl aüein nicht aus. Damit die Revolution eines Volkes +und die Emancipation einer besondern Klasse der bürgerlichen GeseUschaft +zusammenfaüen, damit ein Stand für den Stand der ganzen GeseUschaft +gelte, dazu müssen umgekehrt aUe Mängel der Gesellschaft in einer andern +Klasse concentrirt, dazu muß ein bestimmter Stand der Stand des aU +gemeinen Anstoßes, die Incorporation der aUgemeinen Schranke sein, dazu +muß eine besondre sociale Sphäre für das notorische Verbrechen der ganzen +Societät gelten, so daß die Befreiung von dieser Sphäre als die allgemeine +Selbstbefreiung erscheint. Damit ein Stand par excellence der Stand der +Befreiung, dazu muß umgekehrt ein andrer Stand der offenbare Stand der +Unterjochung sein. Die negativ-aUgemeine Bedeutung des französischen +Adels und der französischen Klerisei bedingte die positiv-aUgemeine Be- 20 +deutung der zunächst angrenzenden und entgegenstehenden Klasse der +Bourgeoisie. + +15 + +ι o + +25 + +Es fehlt aber jeder besondern Klasse in Deutschland nicht nur die Con +sequenz, die Schärfe, der Muth, die Rücksichtslosigkeit, die sie zum nega +tiven Repräsentanten der GeseUschaft stempeln könnte. Es fehlt eben so sehr +jedem Stand jene Breite der Seele, die sich mit der Volksseele, wenn auch +nur momentan identif icüt, jene Genialität, welche die materielle Macht zur +poütischen Gewalt begeistert, jene revolutionaüe Kühnheit, welche dem +Gegner die trotzige Parole zuschleudert: Ich bin nichts und ich müßte alles +sein. Den Hauptstock deutscher Moral und Ehrüchkeit, nicht nur der In- 30 +dividuen sondern auch der Klassen, büdet vielmehr jener bescheidene +Egoismus, welcher seme Beschränktheit geltend macht und gegen ||83j sich +geltend machen läßt. Das Verhältniß der verschiedenen Sphären der deut +schen Gesellschaft ist daher nicht dramatisch, sondern episch. Jede der +selben beginnt sich zu empfinden und neben die andern mit ihren besondern 35 +Ansprüchen hinzulagern, nicht so bald sie gedrückt wüd, sondern so bald +ohne ihr Zuthun die Zeitverhältnisse eine geseUige Unterlage schaffen, auf +die sie ihrerseits den Druck ausüben kann. Sogar das moralische Selbst +gefühl der deutschen Mittelclasse beruht nur auf dem Bewußtsein, die aü +gemeine Repräsentantin von der phiüsterhaften Mittelmäßigkeit aUer übri- 40 +gen Klassen zu sein. Es sind daher nicht nur die deutschen Könige, die + +180 + + F + +Einleitung + +mal-à-propros auf den Thron gelangen, es ist jede Sphäre der bürgerlichen +Gesellschaft, die ihre Niederlage erlebt, bevor sie ihren Sieg gefeiert, ihre +eigne Schranke entwickelt, bevor sie die ihr gegenüberstehende Schranke +überwunden, ihr engherziges Wesen geltend macht, bevor sie ihr groß- +5 müthiges Wesen geltend machen konnte, so daß selbst die Gelegenheit einer +großen Rolle immer vorüber ist, bevor sie vorhanden war, so daß jede Klasse, +sobald sie den Kampf mit der über ihr stehenden Klasse beginnt, in den +Kampf mit der unter ihr stehenden verwickelt ist. Daher befindet sich das +Fürstenthum im Kampf gegen das Königthum, der Bureaukrat im Kampf +10 gegen den Adel, der Bourgeois im Kampf gegen sie alle, während der Pro +letarier schon beginnt, sich im Kampf gegen den Bourgeois zu befinden. Die +Mittelclasse wagt kaum von ihrem Standpunkt aus, den Gedanken der +Emancipation zu fassen und schon erklärt die Entwickelung der socialen +Zustände, wie der Fortschritt der politischen Theorie diesen Standpunkt +selbst für antiquirt oder wenigstens für problematisch. + +15 + +In Frankreich genügt es, daß einer etwas sei, damit er alles sein wolle. In +Deutschland darf einer nichts sein, wenn er nicht auf alles verzichten soll. +In Frankreich ist die partielle Emancipation der Grund der universellen. In +Deutschland ist die universelle Emancipation conditio sine qua non jeder +20 partiellen. In Frankreich muß die Wirklichkeit, in Deutschland muß die +Unmöglichkeit der stufenweisen Befreiung die ganze Freiheit gebären. In +Frankreich ist jede Volksklasse politischer Idealist und empfindet sich +zunächst nicht als besondere Klasse, sondern als Repräsentant der socialen +Bedürfnisse überhaupt. Die Rolle des Emancipators geht also der Reihe nach +in dramatischer Bewegung an die verschiedenen Klassen des französischen +Volkes über, bis sie endlich bei der Klasse anlangt, welche die sociale +Freiheit nicht mehr unter der Voraussetzung ge||84|wisser, außerhalb des +Menschen liegender, und doch von der menschlichen Gesellschaft ge +schaffener Bedingungen verwirklicht, sondern vielmehr alle Bedingungen +30 der menschlichen Existenz unter der Voraussetzung der socialen Freiheit +organisirt. In Deutschland dagegen, wo das praktische Leben eben so geist +los, als das geistige Leben unpraktisch ist, hat keine Klasse der bürgerlichen +Gesellschaft das Bedürfniß und die Fähigkeit der allgemeinen Emancipation, +bis sie nicht durch ihre unmittelbare Lage, durch die /naierie//e Nothwendig- + +25 + +35 + +keit, durch ihre Ketten selbst dazu gezwungen wird. + +Wo liegt also die positive Möglichkeit der deutschen Emancipation? +Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse +der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerüchen Ge +sellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer +40 Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden +besitzt und kein besondres Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres + +181 + + Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie + +Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird, welche nicht +mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel +provodren kann, welche in keinem einseitigen Gegensatz zu den Konse +quenzen, sondern in einem allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen +des deutschen Staatswesens steht, einer Sphäre endüch, welche sich nicht +emancipiren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und +damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emancipiren, welche mit +einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige +Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auf +lösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat. + +Das Proletariat beginnt erst durch die hereinbrechende industrielle Be +wegung für Deutschland zu werden, denn nicht die naturwüchsig entstandne +sondern die künstlich producirte Armuth, nicht die mechanisch durch die +Schwere der GeseUschaft niedergedrückte, sondern die aus ihrer akuten +Auflösung, vorzugsweise aus der Auflösung des Mittelstandes hervorge- +hende Menschenmasse bildet das Proletariat, obgleich allmähüg, wie sich +von selbst versteht, auch die naturwüchsige Armuth und die christlich +germanische Leibeigenschaft in seine Reihen treten. + +5 + +10 + +15 + +Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnung ver +kündet, so spricht es nur das Geheimniß seines eignen Daseins aus, denn es +ist die faktische Auflösung dieser Weltordnung. Wenn das ||85| Proletariat +die Negation des Privateigenthums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip +der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Princip erhoben hat, was +in ihm als negatives Resultat der GeseUschaft schon ohne sein Zuthun +verkörpert ist. Der Proletarier befindet sich dann in Bezug auf die werdende 25 +Welt in demselben Recht, in welchem der deutsche Königin Bezug auf die +gewordene Welt sich befindet, wenn er das Volk sein Volk, wie das Pferd +sein Pferd nennt. Der König, indem er das Volk für sein Privateigenthum +erklärt, spricht es nur aus, daß der Privateigenthümer König ist. + +20 + +Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Pro- 30 + +letariat in der Philosophie seine geistigen Waffen und sobald der Bütz des +Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wüd +sich die Emancipation der Deutschen zu Menschen vollziehn. + +Resumüen wü das Resultat: +Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung 35 + +auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste +Wesen des Menschen erklärt. In Deutschland ist die Emancipation von dem +Mittelalter nur möglich als die Emancipation zugleich von den theilweisen +Ueberwindungen des Mittelalters. In Deutschland kann keine Art der +Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu bre- 40 +chen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionüen, ohne von + +182 + + Einleitung + +Grund aus zu revolutioniren. Die Emancipation des Deutschen ist die +Emancipation des Menschen. Der Kopf dieser Emancipation ist die Phi +losophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht ver +wirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich +nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie. + +Wenn alle innern Bedingungen erfüllt sind, wird der deutsche Auferste + +hungstag verkündet werden durch das Schmettern des gallischen Hahns. \ + +183 + + Annales Françaises et Allemandes +Programme + +|Ecrits par des Allemands ou par des Français, les articles de nos Annales +traiteront ' + +1) des hommes, des systèmes, qui auront acquis une influence utile ou +dangereuse, et des questions politiques du jour, soit qu'elles roulent sur les +constitutions, l'économie politique ou sur l'institution publique et sur les +mœurs. + +2) Nous donnerons une revue des Journaux, qui sera en quelque sorte un +châtiment et une correction pour les servilités et les bassesses des uns, et +servira à signaler les dignes efforts en faveur de l'humanité et de la liberté +des autres. + +3) Nous y joindrons une revue de la littérature et des publications de +l'ancien régime de l'Allemagne, lequel maintenant va pourrir et s'anéantir, +et enfin celle des livres des deux nations, par lesquels commence et se +continue la nouvelle ère, où nous entrons. | + +184 + + Erklärung + +Allgemeine Zeitung. +Nr. 111, 20. April 1844. +Außerordentliche Beilage + +Erklärung. + +Die verschiedenen in deutschen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über das +Aufhören der „deutsch-französischen Jahrbücher" veranlassen mich zu der +Erklärung, daß die schweizerische Verlags-Buchhandlung der Jahrbücher +sich aus ökonomischen Gründen von diesem Unternehmen plötzlich zurück +zog und somit zunächst die Fortsetzung der Zeitschrift unmöglich machte. +K a rl M a r x. + +París, den 14 April 1844. + +185 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte + +(Erste Wiedergabe) + + |Heft I.| + +[I] + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +5 + +|l| Arbeitslohn wird be- +stimmt durch den +feindlichen Kampf +zwischen Capitalist +und Arbeiter. Die +Nothwendigkeit des +10 Siegs für d[en] Capi- +talisten. Capitalist +kann länger ohne den +Arbeiter leben, als +dieser ohne jenen. +15 Verbindung unter + +20 + +den Capitalisten habi +tual und von Effekt; +die der Arbeiter ver +boten und von schlech- +ten Folgen für sie. +Ausserdem können der +Grundeigenthümer und +Capitalist ihren +Revenuen industrielle +25 Vortheile hinzufügen, +der Arbeiter seinem + +|l| 1) Das Capital. + +1) Worauf beruht +das Capital, d.h. das +Privateigenthum an +den Produkten fremder +Arbeit? + +„Wenn das Capital + +selbst nicht auf Dieb +stahl oder Unterschleif +sich reducirt, so bedarf +es doch den Concurs +der Gesetzgebung, um +die Erbschaft zu heili +gen." Say. t. L p. 136, +nota. + +Wie wird man Pro- +prietair v[on] produk +tiven fonds? Wie +wird man Eigenthümer +von den Produkten, +die vermittelst dieser +fonds geschaffen +werden? + +lei + +|l| Das Recht der +Grundeigenthümer +tet seinen Ursprung +vom Raub. Say. 1.1, +p. 136, not. Die Grund +eigenthümer lieben, +wie alle Menschen da +zu ärnten, wo sie nicht +gesät haben und sie ver +langen eine Rente +selbst für das natür +liche Produkt der Erde. +Smith. L I, p.99. + +„Man könnte sich +vorstellen, die Grund +rente sei nur der Ge +winn des Capitals, +welches der Eigen +thümer zur Verbes +serung des Bodens +benuzt hat +Fälle, wo die Grund +rente dieß zum Theil + +Es giebt + +189 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +Durch das positive + +Recht. Say. t. II, p. 4. + +Was erwübt man mit + +dem Capital, mit der +Erbschaft eines gros +sen Vermögens z. B.? +„Einer, der z.B. +ein grosses Vermögen +erbt, erwübt dadurch +zwar nicht unmittelbar +politische Macht. Die +Art von Macht, die +diese Besitzung ihm +unmittelbar und direkt +überträgt, das ist die +Macht zu kaufen, das +ist ein Recht des Be +fehls über aüe Arbeit +von andern oder über +aües Produkt dieser +Arbeit, welches zur +Zeit auf dem Markt +existirt." Smith. 1.1, +p.61. + +Das Capital ist also +die Regierungsgewalt +über die Arbeit und +ihre Producte. Der +Capitalist besizt diese +Gewalt, nicht seiner +persönlichen oder +menschlichen Eigen +schaften wegen, son +dern insof ern er Eigen- +thümer des Capitals +ist. Die kaufende Ge +walt semes Capitals, +der nichts wiederstehn +kann, ist seme Gewalt. + +sein k a n n . .. aber der +Grundeigenthümer for +dert 1) eine Rente selbst +für die nicht verbes +serte Erde und was man +als Interesse oder +Gewinn auf die Ver +besserungskosten be +trachten kann, ist +meistens nur eine Zu- +that\ Addition zu die +ser primitiven Rente, +2) überdem sind diese +Verbesserungen nicht +immer mit d[en] fonds +der Grundeigenthümer +gemacht, sondern +manchmal mit denen +des Pächters: nichts +destoweniger, wenn +es sich darum handelt +die Pacht zu erneuern, +verlangt der Grund +eigenthümer gewöhn- +üch eine solche Er +höhung der Rente, als +wenn alle diese Ver +besserungen mit seinen +eignen fonds gemacht +wären. 3) Ja er verlangt +manchmal selbst eine +Rente für das, was +durchaus unfähig der +geringsten Verbes +serung durch Men +schenhand ist." Smith. +L i, p.300,301. + +Smith führt als Bei +spiel für leztern Faü + +Industriellen Einkom +men weder Grund +rente, noch Capital- +interesse. Darum die +Concurrenz unter den +Arbeitern so groß. +Also für d[en] Arbeiter +allein ist die Trennung +von Capital, Grund +eigenthum und Arbeit +eine nothwendige, +wesentliche und schäd +liche Trennung. Capital +und Grundeigenthum +brauchen nicht in dieser +Abstraktion stehn zu +bleiben, wohl aber die +Arbeit des Arbeiters. +Für d[en] Arbeiter +also die Trennung von +Capital, Grundrente +tödtlich. +und Arbeit +Die niedrigste und +die einzig nothwendige +Taxe für den Arbeits +lohn ist die Subsistenz +des Arbeiters während +der Arbeit und so viel +mehr, daß er eme +Familie ernähren kann +und die Arbeiterraçe +nicht ausstirbt. Der +gewöhnliche Arbeits +lohn ist nach Smith +der niedrigste, der mit +d[er] simple humanité, +nämüch einer vie +hischen Existenz, ver- +trägüch ist. + +190 + + Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +5 + +Die Nachfrage nach +Menschen regelt noth +wendig die Produktion +d[er] Menschen, wie +jeder andern Waare. +Ist die Zufuhr viel +grösser als die Nach +frage, so sinkt ein Theil +in den + +10 der Arbeiter + +Bettelstand oder den +Hungertod herab. Die +Existenz des Arbeiters +ist also auf die Bedin- + +15 gung der Existenz jeder +andern Waare reducirt. +Der Arbeiter ist zu +einer Waare geworden +und es ist ein Glück +für ihn, wenn er sich +an den Mann bringen +kann. Und die Nach +frage, von der das +Leben des Arbeiters + +20 + +25 abhängt, hängt von +der Laune d[es] Rei +chen und Capitalisten +ab. + +Wir werden später +sehn, einmal, wie der +Capitalist vermittelst +des Capitals seine +Regierungsgewalt +über die Arbeit ausübt, +dann aber die Regie +rungsgewalt des Capi +tals über d[en] Capi +talisten selbst. + +Was ist das Capital? +« Une certaine quan +tité de travail amassé +et mis en réserve. » +Smith, t. II, p. 312. +Capital ist aufge +speicherte Arbeit + +2) fonds, Stock ist + +jede Häufung von +Produkten der Erde +und Manufacturarbeit. +Der Stock heißt nur +dann Capital, wenn er +seinem Eigenthümer +eine Revenu oder +Gewinn abwirft. Smith. +t.II, p. 191. + +Ueberbietet die + +2) Der Gewinn des + +3o Quantität der Zufuhr +die Nachfrage, so ist +einer der den Preiß +constituirenden Theile, +Profit, Grundrente, +35 Arbeitslohn unter dem +Preiß gezahlt, ein Theil +dieser Leistungen ent +zieht sich also dieser +Anwendung und so +4o gravitirt der Markt- + +Capitals. + +„Der Profit oder +Gewinn des Capitals +ist ganz vom Arbeits +lohn verschieden. +Diese Verschieden +heit zeigt sich in dop +pelter Weise. Einmal +reglen sich die Gewinne +des Capitals gänzlich +nach dem Werth des + +das Salzkraut (See +krapp — salicorne) an, +„eine Art von See +pflanze, welche nach +der Verbrennung ein +alkalisches Salz giebt, +womit man Glas, Seife +etc machen kann. Es +wächst in Großbrittan- +nien, vorzüglich in +Schottland an ver- +schiednen Plätzen, +aber nur auf Felsen, +die unter der Ebbe +und Fluth liegen, +(hohen Fluth, marée) +2mal des Tags durch +die Seewellen bedeckt +sind und deren Pro +dukt also niemals durch +die menschliche Indu +strie vermehrt worden +ist. Dennoch verlangt +der Eigenthümer eines +solchen Grundstücks, +wo diese Art von +Pflanze wächst, eine +Rente, ebenso gut wie +von Getreideboden. In +der Nähe der Inseln +von Shetland ist das +Meer ausserordentlich +reich. Ein grosser +Theil ihrer Einwohner | +|ll| lebt vom Fisch +fang. Um aber Gewinn +vom Meerprodukt zu +ziehn, muß man eine +Wohnung auf dem + +191 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +angewandten Capitals, +obgleich die Arbeit +der Aufsicht und +Direktion bei verschie +denen Capitalien die +nämliche sein kann. +Dann kömmt hinzu, +daß in grossen Fabri +ken diese ganze Arbeit +einem Hauptcommis +anvertraut ist, dessen +Gehalt in keinem Ver +hältniß mit dem | +|ll| Capital steht, des +sen Leitung er über +wacht. Obgleich sich +hier nun die Arbeit des +Proprietairs fast auf +nichts reducirt, ver +langt er doch Profite +im Verhältniß zu +seinem Capital." +Smith. t.I, p. 97-99. + +Warum verlangt der +Capitalist diese Propor +tion zwischen Gewinn +und Capital? + +Er hätte kein Inter +esse, die Arbeiter an +zuwenden, wenn er +nicht vom Verkauf +ihres Werks mehr er +wartete, als nöthig ist, +um die für Arbeitslohn +avancirten fonds zu +ersetzen, und er hätte +kein Interesse eher +eine grosse als eine +kleine Summe von + +benachbarten Lande +haben. Die Grund +rente steht im Ver +hältniß nicht zu dem, +was der Pächter mit +der Erde, sondern zu +dem, was er mit der +Erde und dem Meer +zusammen machen +kann." Smith. t.I, +p. 301,302. + +„Man kann die +Grundrente als das +Produkt der Natur- +macht betrachten, +deren Gebrauch der +Eigenthümer dem +Pächter leiht. Dieß +Produkt ist mehr oder +weniger groß je nach +dem Umfang dieser +Macht oder in andern +Worten, nach dem +Umfang der natür- +liehen oder künstlichen +Fruchtbarkeit der +Erde. Es ist das Werk +der Natur, welches +übrig bleibt nach Ab- +ziehung oder nach der +Balance aües dessen, +was man als das Werk +d[es] Menschen be +trachten kann." Smith. +t. II, p. 377,78. + +„Die Grundrente als + +Preiß betrachtet, den +man für den Gebrauch +der Erde zahlt, ist also + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +preiß nach dem natür +lichen Preiß, als Cen +traipunkt. Aber 1) ist +es dem Arbeiter, bei +einer grossen Theilung +der Arbeit am schwer +sten, seiner Arbeit eine +andere Richtung zu +geben, 2) trifft ihn, bei +seinem subalternen +Verhältniß zum Capi- +talisten zunächst der +Nachtheil. + +Bei der Gravitation +des Marktpreisses zum +natürlichen Preisse +verliert also der Arbei +ter am meisten und +unbedingt. Und grade +die Fähigkeit des Capi- +talisten, seinem Capital +eine andere Richtung +zu geben, macht den +auf einen bestimmten +Arbeitszweig einge +schränkten ouvrier +entweder brodlos oder +zwingt ihn, sich allen +Forderungen dieses +Capitalisten zu unter +werfen, + +ι + +|Π| Die zufälligen + +und plötzlichen +Schwankungen des +Marktpreisses tref +fen weniger die Grund +rente, als den in Profit +und Salaire aufgelösten +Theil des Preisses, + +192 + + I + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +5 + +aber weniger den Pro +fit, als den Arbeits +lohn. Auf einen Ar- +beitslohn, der steigt, +kömmt meistens einer, +der stationair bleibt +und einer der fällt. + +Der Arbeiter braucht +nicht nothwendig zu + +10 + +gewinnen mit dem +Gewinn des Capita- +listen, aber er verliert +nothwendig mit +ihm. +15 So gewinnt der Ar + +beiter nicht, wenn der +Capitalist durch Fabrik +oder Handelsgeheim- +niß, durch Monopol +20 oder günstige Lage +seines Grundstücks +den Marktpreiß über +d[em] natürlichen +Preiß hält. + +25 Ferner : Die Arbeits- +preisse sind viel con- +stanter als die Preisse +der Lebensmittel. Oft +stehn sie in entgegen- +30 geseztem Verhältniß. +In einem theuern Jahr +Arbeitslohn vermindert +wegen der Vermin +derung der Nachfrage, +erhöht wegen der +Erhöhung der Lebens +mittel. Also balancirt. +Jedenfalls eine Quan +tität Arbeiter ausser + +35 + +40 Brod gesezt. In wohl- + +fonds anzuwenden, +wenn sein Profit nicht +im Verhältniß zum Um +fang der angewandten +fonds stände. 1.1, p. 97. +Der Capitalist zieht +also erstens einen Ge +winn auf die Salaire, +zweitens auf die avan- +cirten Rohstoffe. + +Welches Verhältniß + +hat nun der Gewinn +zum Capital? + +Wenn es schon + +schwer ist, die gewöhn +liche mittlere Taxe +des Arbeitslohns an +gegebnem Ort und in +[gegebner] Zeit zu +bestimmen, so noch +schwerer der Gewinn +der Capitalien. Wech +sel im Preiß der Waa- +ren, mit welchen das +Capital handelt, Glück +oder Unglück seiner +Rivalen und Kunden, +tausend andre Zufälle, +denen die Waaren aus- +gesezt sind, sowohl +während des Trans +ports, als in den Maga +zinen, bringen einen +täglichen, fast stünd +lichen Wechsel im +Profit hervor. Smith. +t . I , p. 179,180. So un +möglich es nun ist, +die Gewinne der Capi- + +natürlich ein Monopol- +preiß. Sie steht durch +aus nicht im Verhält +niß zu den Verbes +serungen, die der +Grundeigenthümer an +die Erde gewandt hat, +oder mit dem, was er +nehmen muß, um nicht +zu verlieren, sondern +mit dem, was der Päch +ter möglicher Weise +geben kann, ohne zu +verlieren." t.I,p.302. +Smith. + +„Von den 3 produk +tiven Klassen ist die +der Grundeigenthümer +diejenige, der ihre +Revenu weder Arbeit +noch Sorge kostet, +sondern der sie so zu +sagen von selbst +kömmt, und ohne daß +sie irgend eine Ein +sicht oder einen Plan +hinzu thut." Smith. +t.II, p. 161. + +Wir haben schon +gehört, daß die Quan +tität [der] Grundrente +von dem Verhältniß +der Fruchtbarkeit des +Bodens abhängt. + +Ein andres Moment +ihrer Bestimmung ist +die Lage. + +„Die Rente wechselt +nach der Fruchtbarkeit + +193 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +feilen Jahren Arbeits +lohn erhöht wegen der +Erhöhung der Nach +frage, vermindert +wegen der Preisse +der Lebensmittel. +Also balancirt. + +Ein andrer Nach +theil des Arbeiters: + +Die Arbeitspreisse +der verschiednen Arten +von Arbeiten sind +viel verschiedner, als +die Gewinne der ver +schiednen Zweige, +worauf das Capital +sich legt. Bei der Arbeit +tritt die ganze natür +liche, geistige und +sociale Verschieden +heit der individuellen +Thätigkeit heraus, und +wird verschieden be +lohnt, während das +todte Capital immer +denselben Tritt geht +und gleichgültig gegen +die wirkliche indivi +duelle Thätigkeit ist. +Ueberhaupt ist zu +bemerken, daß da, wo +Arbeiter und Capi +talist gleich leiden, +der Arbeiter an seiner +Existenz, der Capi +talist am Gewinn seines +todten Mammons +leidet. + +talien mit Präcision +zu bestimmen, so kann +man sich doch eine +Vorstellung von ihnen +machen nach dem +Geldzins. Kann man +viel Gewinn mit dem +Geld machen, so giebt +man viel für die Fähig +keit, sich semer zu +bedienen, wenn wenig +durch seine Vermitt +lung, wenig. Smith. +t.I, p. 180,81. Die Pro +portion, welche die +gewöhnüche Zinstaxe +mit der Taxe des Rein +gewinns bewahren +muß, wechselt noth +wendig mit Steigen +oder Faüen des Ge +winns. In Großbrit- +tannien berechnet man +auf das Doppelte des +Interesses das, was die +Handelsleute nennen +un profit honnête, +raisonnable, +modéré, +lauter Ausdrücke, die +nichts sagen woUen, +als ein Gewöhnlicher +und gebräuchlicher +Profit. Smith. 1.1, +p. 198. + +Welches ist die +niedrigste Taxe des +Gewinns? Welches +seme höchste! + +Der Arbeiter muß + +Die niedrigste Taxe + +194 + +der Erde, welches +auch immer ihr Pro +dukt sei, und nach +der Lage, welches +auch immer die Frucht +barkeit sei." Smith. +L I, p.306. + +„Sind Ländereien, + +5 + +10 + +20 + +15 + +Minen, Fischereien +von gleicher Frucht +barkeit, so wird ihr +Produkt im Verhält +niß zur Ausdehnung +der Capitalien stehn, +welche man zu ihrer +Cultur und Exploita +tion anwendet, wie zu +der mehr ||lll| oder +minder geschickten +Weise der Anwendung +der Capitaüen. Sind +die Capitaüen gleich +und gleichgeschickt +angewandt, so wüd +das Product im Ver +hältniß zur natürlichen +Fruchtbarkeit der +Ländereien, Fische +reien und Minen +stehn." t. n, p.210. +Diese Sätze von +Smith sind wichtig, weü +sie bei gleichen Pro- +ductionskosten und +gleichem Umfang die +Grundrente auf die +grössere oder kleinere +Fruchtbarkeit der Erde +reducüen; also deutlich 40 + +25 + +35 + +30 + + Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +nicht nur um seine +physischen Lebens +mittel, er muß um die +5 Erwerbung von Arbeit, +d.h. um die Möglich +keit, um d[ie] Mittel +kämpfen, seine Thätig +keit verwirklichen zu + +10 können. + +Nehmen wir die 3 + +Hauptzustände, in +denen die Gesellschaft +sich befinden kann und + +15 betrachten die Lage +des Arbeiters in ihr. + +1) Ist der Reichthum + +der Gesellschaft im +Verfall, so leidet der +20 Arbeiter am meisten, +denn: Obgleich die +Arbeiterklasse nicht +so viel gewinnen kann +als die der Eigen- +thümer im glücklichen +Zustand der Gesell +schaft, aucune ne +souffre aussi cruelle +ment de son déclin +que la classe des +ouvriers. \ + +25 + +30 + +35 + +|III| 2) Nehmen wir +nun eine Gesellschaft, +in welcher der Reich- +thum fortschreitet. +Dieser Zustand ist der +einzige dem Arbeiter +günstige. Hier tritt +Concurrenz unter den + +40 Capitalisten ein. Die + +des gewöhnlichen Ge +winns der Capitalien +muß immer etwas mehr +sein, als nöthig ist, um +die zuf älligen Ver +luste zu compensiren, +welchen jede Anwen +dung des Capitals aus- +gesezt ist. Dieses sur +plus ist eigentlich der +Gewinn oder le béné +fice net. Ebenso ver +hält es sich mit der +niedrigsten Taxe des +Zinsfusses. Smith. +t.I, p. 196.1 + +|III| Die höchste +Taxe, auf welche die +gewöhnhchen Gewinne +steigen können, ist +die, welche in der +Mehrzahl der Waaren +die Totalität der Grund +rente wegnimmt und +den Arbeitslohn der +gelieferten Waare auf +den niedrigsten Preiß, +auf die blosse Subsi- +stenz des Arbeiters +während der Arbeit +reducirt. Auf die eine +oder die andere Art +muß der Arbeiter +immer genährt werden, +solang er zu einem +Tagwerk angewandt +wird; die Grundrente +kann ganz wegfallen. +Beispiel: In Bengalien + +die Verkehrung der +Begriffe in der Natio +nalökonomie bewiesen, +welche Fruchtbarkeit +der Erde in eine Eigen +schaft des Grundbesit +zers verwandelt. + +Betrachten wir aber + +nun die Grundrente, +wie sie sich im wirk +lichen Verkehr ge +staltet. + +Die Grundrente wird + +festgesezt durch den +Kampf zwischen Päch +ter und Grundeigen +thümer. Ueberall in +der Nationalökonomie +finden wir den feind +lichen Gegensatz der +Interessen, den Kampf, +den Krieg als die +Grundlage der gesell +schaftlichen Organi +sation anerkannt. + +Sehn wir nun, wie +Grundeigenthümer und +Pächter zu einander +stehn. + +„Der Grundeigen +thümer sucht bei der +Stipulation der Pacht +klauseln, möglicher +weise dem Pächter +nicht mehr zu lassen, +als hinreicht, um das +Capital zu ersetzen, +welches d[en] Saamen +liefert, die Arbeit be- + +195 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +die Leute der indischen +Handelskompagnie. +Smith. t . I, p. 197, +98. + +Ausser aüen Vor- +theüen einer geringen +Concurrenz, die der +Capitatisi in diesem +FaU ausbeuten darf, +kann er auf eine +honette Weise den +Marktpreiß über den +natürlichen Preiß +halten. + +Einmal: durch Han- +delsgeheimniß, wenn +der Markt von denen, +die ihn beziehn, sehr +entfernt ist: nämhch +durch Geheimhaltung +der Wechsel des Preis- +ses, seiner Erhöhung +über den natürüchen +Stand. Diese Geheim +haltung hat nämüch +den Erfolg, daß nicht +andre Capitaüsten +ebenf aus ihr Capital +auf diese Branche +werfen. + +Dann: durch Fabrik- + +geheimniß, wo der +Capitaüst mit weniger +Productionskosten +seine Waare zu den +selben oder sogar zu +niedrigem Preissen +als seme Concurrenten +mit mehr Profit üe- + +zahlt, Thiere und andre +Instrumente kauft +und unterhält und +ausserdem den ge- +wöhnüchen Gewinn +der übrigen Pachtungen +im Canton abwirft. +Offenbar ist dieß der +kleinste Theü, womit +der Pächter sich be +friedigen kann, ohne in +Verlust zu gerathen +und der Grundeigen +thümer ist selten der +Ansicht, ihm mehr zu +lassen. AUes, was vom +Product oder seinem +Preisse über diese Por +tion bleibt, wie auch +der Rest beschaffen +sei, sucht sich der Pro +prietär als Grundrente +zu resemren, die +stärkste, die der Päch +ter bei dem jetzigen +Zustand der Erde +zahlen ||IV| kann. Die +ses surplus kann immer +als die natürüche +Grundrente betrachtet +werden, oder als die +Rente zu welcher die +meisten Grundstücke +natürlicherweise ver- +miethet werden." +Smith, t. L p. 299,300. +„Die Grundeigen + +thümer", sagt Say +„üben eine gewisse + +Nachfrage nach Ar +beitern überschreitet +ihre Zufuhr: Aber: +Einmal: Die Er +höhung des Arbeits +lohns führt Ueber- +arbeitung unter den +Arbeitern herbei. Je +mehr sie verdienen +wollen, je mehr müssen +sie ihre Zeit aufopfern +und vollständig aller +Freiheit sich ent +äussernd, im Dienst +der Habsucht Sklaven +arbeit vollziehn. Dabei +kürzen sie dadurch +ihre Lebenszeit ab. +Diese Verkürzung +ihrer Lebensdauer ist +ein günstiger Umstand +für die Arbeiterklasse +im Ganzen, weü da +durch immer neue +Zufuhr nöthig wüd. +Diese Klasse muß +mimer einen Theü ihrer +selbst opfern, um nicht +ganz zu Grunde zu +gehn. + +Ferner: Wann be +findet sich eine GeseU +schaft in fortschrei +tender Bereicherung? +Mit dem Wachsthum +von Capitaüen und +Revenuen eines Lan +des. Dieß ist aber nur +mögüch α) dadurch, + +196 + + Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +daß viele Arbeit zu +sammen gehäuft wird, +denn Capital ist auf- +5 gehäufte Arbeit; also +dadurch, daß dem +Arbeiter immer mehr +von seinen Produkten +aus der Hand genom- +10 men wird, daß seine +eigne Arbeit ihm +immer mehr als frem +des Eigenthum gegen +übertritt und die Mittel +seiner Existenz und +semer Thätigkeit +immer mehr in der +Hand d[es] Capitaüsten +sich concentriren. + +15 + +20 ß) Die Häufung des + +Capitals vermehrt die +Theüung der Arbeit, +die Theüung der Arbeit +vermehrt die Zahl der +25 Arbeiter; umgekehrt +vermehrt die Zahl der +Arbeiter die Theüung +der Arbeit, wie die +Theüung der Arbeit +30 die Aufhäufung der +Capitaüen vermehrt. +Mit dieser Theüung +der Arbeit einerseits +und der Häufung der +35 Capitaüen andrerseits +wüd der Arbeiter +immer mehr rem von +der Arbeit und einer +bestimmten, sehr em- + +40 seitigen, maschinen- + +fert. — (Der Betrug +durch Geheimhaltung +ist nicht unsittiich? +Börsenhandel.) — Fer +ner: wo die Production +an eine bestimmte +Localität gebunden +(wie ζ. B. kostbarer +Wem) und die effec­ +tive Nachfrage nie +befriedigt werden +kann. Endlich: durch +Monopole von Indivi­ +duen und Compagnien. +Der Monopolpreiß ist +so hoch als mögüch. +Smith. t . I , p. 120-24. +Andre zufälüge Ur +sachen, welche den +Gewinn des Capitals +erhöhen können: +Erwerbung von +neuen Territorien oder +neuer Handelszweige +vermehren oft, selbst +in einem reichen +Lande, den Gewinn +der Capitaüen, weü +sie den alten Handels +zweigen einen Theil +der Capitaüen ent- +ziehn, die Concurrenz +vermindern, den Markt +mit weniger Waaren +beziehn machen, deren +Preisse sich dann er +höhn; die Handels +treibenden mit den +selben können dann + +Art von Monopol gegen +d[ie] Pächter. Die +Nachfrage nach ihrer +Waare, dem Grund und +Boden, kann sich un- +aufhörüch ausdehnen; +aber die Quantität ihrer +Waare erstreckt sich +nur bis zu einem gewis +sen Punkt. . .. Der +Handel, der sich zwi +schen Grundeigen +thümer und Pächter +abschüeßt, ist immer +so vortheühaft wie +mögüch für den ersten +. .. ausser dem Vor- +theü, den er aus der +Natur der Dinge zieht, +zieht er einen andern +aus semer Steüung, +grösserem Vermögen, +Credit, Ansehn; aUein +schon d[er] erste reicht +dazu hin, daß er immer +befähigt ist aZ/ein von +den günstigen Um +ständen des Grund und +Bodens zu profitiren. +Die Eröffnung eines +Canals, Wegs, der +Fortschritt der Be +völkerung und des +Wohlstandes eines +Cantons erheben mi +mer den Pachtpreiß. +. .. Der Pächter selbst +kann zwar den Boden +auf seme Kosten ver- + +197 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +artigen Arbeit ab +hängig. Wie er also +geistig und leiblich +zur Maschine herab +gedrückt und aus +einem Menschen eine +abstrakte Thätigkeit +und ein Bauch wird, +so wird er auch immer +abhängiger von allen +Schwankungen des +Marktpreisses, der +Anwendung der Capi- +talien und der Laune +d[es] Reichen. Eben +sosehr wird durch die +Zunahme der nur | +|IV| arbeitenden Men +schenklasse die Con- +currenz der Arbeiter +erhöht, also ihr Preiß +erniedrigt. In dem +Fabrikwesen erreicht +diese Stellung des +Arbeiters ihren Gipfel +punkt. + +-γ) In einer Gesell­ +schaft, welche sich in +zunehmendem Wohl­ +stand befindet, können +nur mehr die Aller- +reichsten vom Geld +zins leben. Alle übrigen +müssen mit ihrem +Capital ein Geschäft +treiben oder es in den +Handel werfen. Da +durch wird also die +Concurrenz unter den + +198 + +das geliehne Geld mit +stärkern Zinsen zahlen. +Smith. t.I, p. 190. + +Je mehr eine Waare +bearbeitet, Gegenstand +der Manufactur wird, +steigt der Theil des +Preisses, der sich in +Arbeitslohn und Profit +auflöst im Verhältniß +zu dem Theil, der sich +in Grundrente auflöst. +In dem Fortschritt, +den die Handarbeit +über diese Waare +macht, vermehrt sich +nicht nur die Zahl der +Gewinne, sondern +jeder folgende Gewinn +ist grösser als der vor +hergehende, weil das +Capital, von dem | +|rv] er entspringt, noth +wendig immer grösser +ist. Das Capital, wel +ches die Leinweber in +Arbeit sezt, ist noth +wendig immer grösser +als das, welches die +Spinner arbeiten +macht, weil es nicht +nur das lezte Capital +mit seinen Gewinnen +ersezt, sondern ausser +dem noch die Salaire +der Leinweber zahlt — +und es ist nothwendig, +daß die Gewinne immer +in einer Art von Ver + +bessern; aber von die +sem Capital zieht er +nur Vortheil während +der Dauer seiner Pacht, +und mit ihrem Ablauf +bleibt es dem Grund +eigenthümer; von die +sem Moment an zieht +dieser die Interessen +davon, ohne die Avan +cen gemacht zu haben, +denn die Miethe erhebt +sich nun verhältniß- +mässig." Say, t. II, +p. 142,43. + +„Die Grundrente, +betrachtet als der Preiß, +der für den Gebrauch +der Erde bezahlt wird, +ist daher natürlicher +Weise der höchste +Preiß, den der Pächter +zu zahlen im Stande +ist unter den gegen- +wältigen Verhältnissen +des Grund und Bo +dens." Smith, 1.1, +p.299. + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +„Die Grundrente der 30 + +Oberfläche der Erde +beträgt daher mei +stens . .. den 3* Theil +des Gesammtprodukts +und meistens ist das +eine fixe und von den +zufälligen Schwan +kungen ||V| der Erndte +unabhängige Rente." +Smith. t.I, p.351. + +35 + +40 + + Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +Capitaüen grösser, die +Concentration der +Capitaüen wüd +5 grösser, die grossen +Capitaüsten ruüüren +die kleinen, und ein +Theil der ehemaügen +Capitaüsten sinkt zu +1 o der Klasse der Arbeiter +herab, welche durch +diese Zufuhr theüs +wieder eine Herab- +drückung des Arbeits- +lohns erleidet und in +eure noch grössere +Abhängigkeit von den +wenigen grossen Capi +taüsten geräth; indem + +15 + +20 die Zahl der Capita + +üsten sich vermindert +hat, ist ihre Concurrenz +in Bezug auf d[ie] +Arbeiter fast nicht +25 mehr vorhanden und + +indem die Zahl der +Arbeiter sich vermehrt +hat, ist ihre Concur +renz unter sich um so +30 grösser, unnatürücher + +und gewaltsamer ge +worden. Ein Theü von +dem Arbeiterstand +f äüt daher ebenso noth- + +35 wenig in den Bettel + +oder Verhungerungs- +stand, wie ein Theü +der mittleren Capita +üsten in den Arbeiter- + +40 stand. + +hältniß mit dem Capital +stehn. L I, 102,3. + +Der Fortschritt, den +also die menschüche +Arbeit über das Natur +produkt und das bear +beitete Naturprodukt +macht, vermehrt nicht +den Arbeitslohn, son +dern theüs die Zahl +der gewinnenden Capi +tale, theüs das Ver +hältniß jedes folgen +den Capitals zu d[em] +vorhergehenden. + +Ueber den Gewinn, +den der Capitalist von +der Theüung der Ar +beit zieht, später. + +Er gewinnt doppelt, + +erstens von der Thei- +lung der Arbeit, zwei +tens überhaupt von +dem Fortschritt, den +die menschliche Arbeit +über das Naturprodukt +macht. Je grösser der +menschüche Antheü +an einer Waare, um so +grösser der Gewinn +des todten Capitals. +In einer und der +selben GeseUschaft +ist die Durchschnitts +taxe der Capital- +gewinne viel näher +demselben Niveau, +als der Lohn der ver +schiedenen Arten von + +„Selten beträgt diese +Rente weniger als +1/4 des Gesammtpro- +dukts."ib.t.II,p.378. +Nicht bei aüen Waa- + +ren kann die Grund +rente bezahlt werden. +Ζ. B. in manchen Ge­ +genden wüd für die +Steine keine Grund +rente bezahlt. + +„Gewöhnüch kann +man nur die Produkte +der Erde auf den Markt +bringen, die Theüe des +Erdproduktes, deren +gewöhnlicher Preiß +hinreicht, um das Capi +tal, welches man zu +dieser Transportation +braucht, und die ge- +wöhnüchen Gewinne +dieses Capitals zu er +setzen. Reicht der Preiß +mehr als aus hiefür, +so geht d[as] surplus +natürlich zur Grund +rente. Ist er nur hin +reichend, so kann die +Waare wohl auf den +Markt gebracht wer +den, aber sie reicht +nicht hin, um dem +Landbesitzer die +Grundrente zu zahlen. +Wüd oder wüd nicht +der Preiß mehr als hin +reichend sein? Das +hängt von der Nach- + +199 + + 1 + +Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +Also selbst in dem + +Zustand der Gesell +schaft, welcher dem +Arbeiter am günstig +sten ist, ist die noth- +wendige Folge für +d[en] Arbeiter Ueber- +arbeitung und früher +Tod, Herabsinken +zur Maschine, Knecht +des Capitals, das sich +ihm gefährlich gegen +über aufhäuft, neue +Concurrenz, Hunger +tod oder Bettelei eines +Theils der Arbeiter. | +|V| Die Erhöhung +des Arbeitslohns er +regt im Arbeiter die +Bereicherungssucht +d[es] Capitalisten, die +er aber nur durch Auf +opferung seines +Geistes und Körpers +befriedigen kann. Die +Erhöhung des Arbeits +lohns sezt die Häufung +des Capitals voraus, +und führt sie herbei; +stellt das Produkt der +Arbeit also immer +fremder dem Arbeiter +gegenüber. Ebenso +macht die Theilung +der Arbeit ihn immer +einseitiger und ab +hängiger, wie sie die +Concurrenz nicht nur +der Menschen, sondern + +200 + +Arbeit. 1.1, p.228. Bei +den verschiedenen +Anwendungen des +Capitals wechselt die +gewöhnliche Taxe des +Gewinns nach der +grössern oder geringem +Gewißheit der Zurück- +kunft des Capitals. +Die Taxe des Gewinns +hebt sich mit d[em] +risque, wenn auch +nicht in vollständiger +Proportion. 1.1, +p. 226,27. + +Es versteht sich von +selbst, daß die Capital- +gewinne auch durch +die Erleichterung +oder geringere Kost +spieligkeit der Cir- +culationsmittel (z.B. +Papiergeld) steigen. +3) Die Herrschaft +des Capitals über die +Arbeit und die Motive +d[es] Capitalisten. + +Das einzige Motiv, +welches den Besitzer +eines Capitals be +stimmt, es eher in der +Agrikultur oder in der +Manufaktur oder in +einem besondern +Zweig des en gros +oder en détail Handels +zu verwenden, ist der +Gesichtspunkt seines +eignen Profits. Es + +frage ab." Smith. t . I, +p.302, 303. + +„Die Grundrente +geht in die Composition +des Preisses der +Waaren auf eine ganz +andere Art ein, als der +Arbeitslohn und der +Gewinn des Capitals. +Die hohe oder niedre +Taxe der Salaire und +Gewinne ist die Ur +sache des hohen oder +niedern Preisses der +Waaren: die hohe oder +niedre Taxe der Grund +rente ist die Wirkung +des Preisses." 1.1, +p.303, 304. Smith. + +Zu den Produkten, +die immer eine Grund +rente bringen, gehört +die Nahrung. + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +„Da die Menschen, +wie alle Thiere, sich +im Verhältniß zu ihren +Subsistenzmitteln ver +mehren, so giebt es +immer mehr oder weni- 30 +ger Nachfrage nach +Nahrung. Die Nahrung +wird immer einen +grössern oder kleinem | +|VI| Theil von Arbeit 35 +kaufen können, und es +werden sich immer +Leute aufgelegt fin +den, etwas zu thun, um +sie zu gewinnen. Die + +40 + + I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +auch der Maschinen +herbeiführt. Da der +Arbeiter zur Maschine + +5 herabgesunken ist, + +kann ihm die Maschine +als Concurrent gegen +übertreten. Endüch +wie die Häufung des + +10 Capitals die Quantität +der Industrie, also +d[ie] Arbeiter ver +mehrt, bringt durch +diese Accumulation + +15 dieselbe Quantität +der Industrie eine +grössere Quantität +Machwerk herbei, die +zur Ueberproduktion + +20 wüd, und entweder +damit endet, einen +grossen Theil Arbeiter +ausser Arbeit zu setzen +ihren Lohn auf +oder + +25 das kümmerlichste +Minimum zu redu- +cüen. + +Das sind die Folgen + +eines GeseUschafts- +30 zustandes, der dem +Arbeiter am günstig +sten ist, nämüch des +Zustandes des wach +senden, + +fortschreiten- + +35 den Reichthums. + +Endüch aber muß +dieser wachsende Zu +stand doch einmal +seinen Höhepunkt +40 erreichen. Welches + +kömmt ihm nie in den +Sinn zu berechnen, +wie viel produktive +Arbeit jede dieser ver +schiedenen Anwen +dungsarten in Thätig +keit setzen, ||V| oder +an Werth dem jähr +lichen Produkt der +Ländereien und der +Arbeit seines Landes +hinzufügen wüd. +Smith, t. II, p. 400,401. +Die nützüchste An +wendung des Capitals +für den Capitaüsten +ist die, welche ihm bei +gleicher Sicherheit den +größten Gewinn ab +wirft. Diese Anwen +dung ist nicht immer +die nützüchste für die +GeseUschaft; die nütz +üchste ist die, welche +darauf verwandt wüd, +Nutzen von den pro +duktiven Naturkräften +zu ziehn. Say. t. II, +p. 130,31. + +Die wichtigsten +Operationen der Ar +beit sind geregelt und +geleitet nach den Plä +nen und den Spekula +tionen derjenigen, +welche die Capitaüen +anwenden; und der +Zweck, welchen sie +sich in allen diesen + +Arbeit, welche die +Nahrung kaufen kann +ist zwar nicht immer +gleich der Arbeit, die +von ihr subsistiren +könnte, wenn sie auf +die ökonomischste +Weise vertheüt wäre +und dieß wegen der +zuweüen hohen Ar- +beitssalaüe. Aber die +Nahrung kann immer +so viel Arbeit kaufen, +als sie nach der Taxe, +auf welche diese Ar +beitsart gewöhnüch im +Lande steht, Arbeit +subsistiren machen +kann. Die Erde pro +ducirt fast in aüen +möglichen Situationen +mehr Nahrung als zur +Subsistenz aUer Arbeit +nöthig, welche dazu +beiträgt, diese Nahrung +auf den Markt zu brin +gen. Das Mehr dieser +Nahrung ist immer +mehr als hinreichend, +um mit Gewinn das +Capital zu ersetzen, +welches diese Arbeit +in Bewegung sezt. +Also bleibt immer +etwas, um dem Grund +eigenthümer eine Rente +zugeben." t.I,p.305,6. +Smith. „Die Grund +rente zieht nicht nur + +201 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +Plänen und Operatio +nen vorsetzen, ist der +Profit. Also: Die Taxe +des Profits steigt nicht, +wie Grundrente und +Arbeitslohn, mit dem +Wohlstand der Gesell +schaft und fällt nicht, +wie jene, mit ihrem +Verfall. Im Gegen +theil, diese Taxe ist +natürlich niedrig in +den reichen Ländern +und hoch in den armen +Ländern; und sie ist +nie so hoch als in den +Ländern, welche sich +am schnellsten ihrem +Ruin entgegen stürzen. +Das Interesse dieser +Klasse steht also nicht +in derselben Verbin +dung, wie das der +beiden andern, mit +dem allgemeinen Inter +esse der Gesellschaft. +. .. Das besondre Inter +esse derer, die einen +besondern Handels +oder Manuf acturzweig +treiben, ist in gewisser +Hinsicht immer ver +schieden von dem +des Publicums und oft +ihm sogar feindlich +entgegen gesezt. Das +Interesse des Kauf +manns ist immer, den +Markt zu vergrossern, + +ist nun die Lage des +Arbeiters? + +3) „In einem Land, +welches die leztmög- +liche Stufe seines +Reichthums erreicht +hätte, wären beide, +Arbeitslohn und Capi- +talinteresse sehr +niedrig. Die Concur +renz unter den Arbei +tern, um Beschäftigung +zu erhalten, wäre so +groß, daß die Salaire +auf das reducirt wären, +was zur Erhaltung der +nämlichen Zahl von +Arbeitern hinreicht +und da das Land schon +hinreichend bevölkert +wäre, könnte sich diese +Zahl nicht vermehren." +Das Plus müßte ster +ben. + +Also im abnehmen + +den Zustand der +Gesellschaft progres +sives Elend des Ar +beiters, im fortschrei +tenden Zustand com- +plicirtes Elend, im +vollendeten Zustand +stationaires Elend. | +|Vl| Da aber nach +Smith eine Gesellschaft +nicht glücklich ist, wo +die Majorität leidet, +da aber der reichste +Zustand der Gesell- + +202 + +5 + +10 + +ihren ersten Ursprung +von der Nahrung, son +dern auch wenn ein +anderer Theil des Erd- +Produktes in der Folge +dazu kömmt, eine +Rente abzuwerfen, so +verdankt die Rente +diese Zufügung von +Werth dem Wachs +thum der Macht, wel +che die Arbeit erlangt +hat, um Nahrung zu +produciren, vermittelst 15 +(au moyen) der Cultur +und Verbesserung der +Erde." p.345, L i. +Smith. „Die Nahrung +d[es] Menschen reicht +also immer zur Zahlung +der Grundrente aus." +1.1, p. 337. „Die Länder +bevölkern sich nicht +im Verhältniß der Zahl, 25 +welches ihr Product +kleiden und logjren +kann, sondern im Ver +hältniß dessen, was ihr +Product nähren kann." +Smith. L I, p.342. +„Die 2 größten +menschlichen Bedürf +nisse nach der Nahrung +sind Kleidung, Logie, +Heitzung. Sie werfen +meistens eine Grund +rente ab, nicht immer +nothwendig." 1.1, ib. +p. 338. J + +35 + +20 + +30 + +40 + + Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +und die Concurrenz +der Verkäufer einzu +schränken. . .. Es ist +dieß eine Klasse von +Leuten, deren Inter +esse niemals exakt +dasselbe sein wird, +wie das der Gesell +schaft, welche im +Allgemeinen ein Inter +esse haben, das Publi +cum zu betrügen und +es zu überlasten, t. II, +p. 163-65. Smith./ + +schaft zu diesem Lei +den d[er] Mehrzahl +und da die National- +5 Ökonomie (überhaupt +die Gesellschaft des +Privatinteresses) zu +diesem reichsten Zu +stand führt, so ist also +das Unglück der Ge +sellschaft der Zweck +der Nationalökono +mie. + +10 + +In Bezug auf das + +15 Verhältniß zwischen + +Arbeiter und Capitalist +ist noch zu bemerken, +daß die Erhöhung des +Arbeitslohnes dem +20 Capitaüsten durch die +Verringerung der +Quantität der Arbeits +zeit mehr als compen +sili; wird, und daß die +25 Erhöhung des Arbeits + +lohns und die Erhöhung +des Capitalinteresses +auf den Waarenpreiß +wie einfaches und zu- +sammengeseztes Inter +esse wirken. + +Stellen wir uns nun + +30 + +ganz auf den Stand +punkt des National- +35 Ökonomen und ver + +gleichen wir nach ihm +die theoretischen und +praktischen Ansprüche +der Arbeiter. + +40 + +Er sagt uns, daß + +203 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +ursprünglich und dem +Begriff nach das ganze +Produkt der Arbeit +dem Arbeiter gehört. +Aber er sagt uns zu +gleich, daß in der +Wirklichkeit dem Ar +beiter der kleinste und +allerunumgänglichste +Theil des Produkts +zukömmt; nur so viel, +als nöthig ist, nicht +damit er als Mensch, +sondern damit er als +Arbeiter existirt, nicht +damit er die Mensch +heit, sondern damit er +die Sklavenklasse der +Arbeiter fortpflanzt. + +Der Nationalökonom + +sagt uns, daß alles mit +Arbeit gekauft wird, +und daß das Capital +nichts als aufgehäufte +Arbeit ist, aber er sagt +uns zugleich, daß der +Arbeiter weit entfernt +alles kaufen zu kön +nen, sich selbst und +seine Menschheit ver +kaufen muß. + +Während die Grund +rente des trägen Land +besitzers meistens den +3t en Theil des Erdpro +duktes und der Profit +d[es] geschäftigen +Capitalisten sogar das +Doppelte des Geld- + +204 + + Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +zinses beträgt, beträgt +das Mehr, was sich +der Arbeiter im besten +5 Fall verdient, so viel, +daß auf 4 Kinder ihm +2 verhungern und ster +ben müssen. | + +|Vn| Während nach +10 d[em] Nationalökono +men die Arbeit das +Einzige ist, wodurch +der Mensch den Werth +der Naturprodukte +15 vergrössert, während + +die Arbeit sein thätiges +Eigenthum ist, ist nach +derselben National +ökonomie der Grund- +20 eigenthümer und Capi +talist, die qua Grund +eigenthümer und Capi +talist, blos privilegirte +und müssige Götter +sind, überall dem Ar +beiter überlegen und +schreiben ihm Gesetze +vor. + +25 + +Während nach d[em] +30 Nationalökonomen die +Arbeit der einzig un +wandelbare Preiß der +Dinge ist, ist nichts +zufälliger als der Ar- + +35 beitspreiß, nichts + +grösseren Schwankun +gen ausgesezt. + +Während die Thei- + +lung der Arbeit die +40 produktive Kraft der + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +Arbeit, den Reich +thum und die Verfeine +rung der Gesellschaft +erhöht, verarmt sie +d[en] Arbeiter bis zur +Maschine. Während +die Arbeit die Häufung +der Capitalien und +damit den zunehmen +den Wohlstand der +Gesellschaft hervor +ruft, macht sie den +Arbeiter immer ab +hängiger vom Capi +talisten, bringt ihn in +eine grössere Concur +renz, treibt ihn in die +Hetzjagd der Ueber- +produktion, der eine +eben solche Erschlaf +fung folgt. + +Während das Inter + +esse des Arbeiters +nach d[em] National +ökonomen nie dem +Interesse der Gesell +schaft gegenübersteht, +steht die Gesellschaft +immer und nothwendig +dem Interesse des +Arbeiters gegenüber. +Nach d[em] Natio + +nalökonomen steht +das Interesse des Ar +beiters nie dem der +Gesellschaft gegen +über 1) weil die Er +höhung des Arbeits +lohns sich mehr als + +206 + + r + +ι + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +5 + +ersezt durch die Ver­ +minderung in der Quan­ +tität der Arbeitszeit, +nebst den übrigen oben +entwickelten Folgen; +und II 2) weü in Bezug +auf die GeseUschaft +das ganze Bruttopro- + +10 dukt Nettoprodukt ist +und nur in Bezug auf +den Privatmann das +Netto eine Bedeutung +hat. + +15 + +Daß die Arbeit aber +selbst nicht nur unter +den jetzigen Bedingun +gen, sondern insofern +überhaupt ihr Zweck +20 die blosse Vergrösse- +rung des Reichthums +ist, ich sage daß die +Arbeit selbst schäd- +üch, unheüvoU ist, das +folgt, ohne daß der +Nationalökonom es +weiß, aus semen Ent +wicklungen. + +25 + +30 Nach dem Begriff sind Grundrente und Capitalgewinn Abzüge, die der +Arbeitslohn erleidet. Aber in der Wüküchkeit ist der Arbeitslohn ein Abzug, +den Erde und Capital dem Arbeiter zukommen lassen, eine Concession des +Produktes der Arbeit an den Arbeiter, an die Arbeit. + +35 + +Im verfaUenden Zustand der GeseUschaft, leidet der Arbeiter am schwer- +sten. Er verdankt die spezifische Schwere semes Druckes seiner SteUung +als Arbeiter, aber den Druck überhaupt der SteUung der GeseUschaft. + +Aber im fortschreitenden Zustand der GeseUschaft ist der Untergang und +die Verarmung des Arbeiters das Produkt semer Arbeit und des von ihm + +207 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +producirten Reichthums. Das Elend, welches also aus dem Wesen der +heutigen Arbeit selbst hervorgeht. + +Der reichste Zustand der Gesellschaft, ein Ideal, das aber doch annähernd +erreicht wird, wenigstens der Zweck der Nationalökonomie, wie der bürger- +liehen Gesellschaft ist, ist staüönaires Elend || für d[en] Arbeiter. + +5 + +Es versteht sich von selbst, daß die Nationalökonomie den Proletarier, d. h. +den, der ohne Capital und Grundrente rein von der Arbeit und einer einsei +tigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. Sie kann.daher den +Satz aufstellen, daß er ebensowohl, wie jedes Pferd, so viel erwerben muß, 10 +um arbeiten zu können. Sie betrachtet ihn nicht in seiner Arbeitslosen Zeit, +als Mensch, sondern überläßt diese Betrachtung der Kriminaljustiz, den +Aerzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem +Bettelvogt. + +Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen 15 + +aus der bisherigen, fast mit den Worten d[es] Nationalökonomen gegebnen +Entwicklung zwei Fragen zu beantworten. + +1) Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduction + +des größten Theils der Menschheit auf die abstrakte Arbeit? + +2) Welche Fehler begehn die Reformatoren en détail, die entweder den 20 + +Arbeitslohn erhöhn und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern +wollen oder die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck +der socialen Revolution betrachten? + +Die Arbeit kömmt nur unter der Gestalt der Erwerbsthätigkeit in der + +Nationalökonomie vor. I + +25 + +[Ii] + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +/V/ 4) Die Accumulation der Capita- +lien und die Concurrenz unter den +Capitalisten. + +|VIIl| Sehn wir nun, wie der Grund +eigenthümer alle Vortheile der Ge +sellschaft exploitirt. + +30 + +Die Vermehrung der Capitalien, +welche den Arbeitslohn erhöht, +strebt den Gewinn d[es] Capitalisten +zu vermindern, durch die Con +currenz unter den Capitalisten. 1.1, +p. 179. Smith. + +1) „Die Grundrente vermehrt sich +mit der Bevölkerung." Smith. t.I, +p.335. + +2) Wir haben schon von Say +gehört, wie die Grundrente mit 35 +Eisenbahnen, etc mit der Verbes- + +208 + + II + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +„Wenn ζ. B. das Capital, das zum +Epiceriegeschäft einer Stadt nöthig +ist, sich unter zwei verschiedne +5 Epiciers getheilt findet, so wird die +Concurrenz machen, daß jeder von +ihnen wohlfeiler verkaufen wird, als +wenn sich das Capital in den Händen +eines einzigen befunden hätte; und +10 wenn es unter 20 ||Vl| getheilt ist, +wird die Concurrenz grade um so +thätiger sein, und es wird um so +weniger die Möglichkeit gegeben +sein, daß sie sich unter einander +15 verständigen können, den Preiß ihrer +Waaren zu erhöhn." Smith, t. II, +p. 372,73. + +Da wir nun schon wissen, daß die +Preisse des Monopols so hoch als +20 möglich sind, da das Interesse d[es] +Capitaüsten selbst vom gemein na +tionalökonomischen Gesichtspunkt +aus f eindüch der Gesellschaft gegen +übersteht, da die Erhöhung des Ca- +25 pitalgewinns wie das zusammen- +gesezte Interesse auf den Preiß der +Waare wükt, (Smith. t.I, p.201.) so +ist die Concurrenz die einzige Hülfe +gegen d[en] Capitaüsten, die nach +30 der Angabe der Nationalökonomie +eben so wohlthätig auf die Erhöhung +des Arbeitslohns, als auf die Wohl- +feüheit der Waaren, zu Gunsten des +consummüenden Publicums, wükt. +Aüein die Concurrenz ist nur da +durch mögüch, daß die Capitaüen +sich vermehren und zwar in vielen +Händen. Die Entstehung vieler Capi +taüen ist nur möglich durch vielsei- +tige Accumulation, da das Capital + +35 + +40 + +serung und Sicherheit und Verviel +fachung der Communikationsmittel +steigt. + +3) „Jede Verbesserung + +im Zu +stand der GeseUschaft strebt ent +weder direkt oder +indirekt, die +Grundrente zu steigern, den Real +reichthum des Proprietärs zu er +höhn, d. i. seine Macht, fremde Ar +beit oder ihr Product zu k a u f e n . . .. +Die Zunahme in Verbesserung der +Ländereien und der Cultur strebt +düekt dahin. Der Theü d[es] Proprie +tärs am Product vermehrt sich +nothwendig mit der Vermehrung des +Products. +. .. Das Steigen in dem +Realpreiß dieser Arten von Roh +stoffen, z . B. das Steigen im Preiß +des Viehs strebt auch direkt dahin +die Grundrente zu steigern und in +einer noch stärkeren Proportion. +Nicht nur vermehrt sich der Real +werth des Theüs des Grundeigen- +thümers, die reale Macht, die ihm +dieser Theil auf fremde Arbeit giebt, +nothwendig mit dem Realwerth des +Products, sondern auch die Grösse +im Verhältniß zum +dieses Theüs +sich mit +Totalprodukt vermehrt +diesem Werth. Nachdem +der +Realpreiß dieses Produkts gestiegen +ist, erfordert es kerne grössere Ar +beit, um geüef ert zu werden und um +das angewandte Capital sammt sei +nen gewöhnüchen Gewinnen zu er +setzen. Der übrigbleibende Theü des +Products, welcher dem Grundeigen +thümer gehört, w üd also in Bezug +auf das Gesammtprodukt viel grös- + +209 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +überhaupt nur durch Accumulation +entsteht und die vielseitige Accumu +lation schlägt nothwendig in einsei +tige um. Die Concurrenz unter den +Capitalien vermehrt die Accumula +tion unter den Capitalien. Die +Accumulation, welche unter der +Herrschaft des Privateigenthums, +Concentration des Capitals in weni +gen Händen ist, ist überhaupt eine +nothwendige Consequenz, wenn die +Capitalien ihrem natürlichen Lauf +überlassen werden und durch die +Concurrenz bricht sich diese natür +liche Bestimmung des Capitals erst +recht freie Bahn. + +Wir haben gehört, daß der Gewinn +des Capitals im Verhältniß zu seiner +Grösse steht. Ganz zunächst von der +absichtlichen Concurrenz abgesehn, +accumulirt ein grosses Capital sich +also verhältnißmässig nach seiner +Grösse schneller als ein kleines +Capital. + +I + +|VIIl| Hienach ist schon ganz ab +gesehn von der Concurrenz die +Accumulation des grossen Capitals +viel schneller als die d[es] kleineren. +Aber verfolgen wir weiter den Ver +lauf. + +Mit der Vermehrung der Capita +lien vermindern sich, mittelst der +Concurrenz, die Profite der Capi +talien. Also +leidet zunächst der +kleine Capitalist. + +Die Vermehrung der Capitalien in +eine grosse Anzahl von Capitalien +sezt fortschreitenden Reichthum des +Landes voraus. + +ser sein als er vorher war." Smith. +t.II, p. 157—59.1 + +5 + +¡Del Die grössere Nachfrage nach +Rohprodukten und daher die Er- +höhung des Werths kann theüs aus +der Vermehrung der Bevölkerung +und der Vermehrung ihrer Bedürf +nisse hervorgehn. Aber jede neue +Erfindung, jede neue Anwendung, 10 +welche die Manufactur von einem +bisher gar nicht oder wenig ge +brauchten Rohstoff macht, vermehrt +die Grundrente. So ist z. B. die Rente +der Kohlengruben mit den Eisen- 15 +bahnen, Dampfschiffen etc unge +heuer gestiegen. + +Ausser diesem Vortheil, den der +Grundeigenthümer von der Ma +nufactur, den Entdeckungen, der 20 +Arbeit zieht, werden wir gleich noch +einen andern sehn. + +4) „Die Arten von Verbesserun +gen in der Productivkraf t der Arbeit, +welche direkt darauf zielen, den 25 +Realpreiß der Manufacturprodukte +zu erniedrigen, streben indirekt da +hin, die reale Grundrente zu erhöhn. +ver +Gegen Manufacturprodukt +tauscht nämlich der Grundeigen- 30 +thümer den Theil seines Rohstoffes, +der seine persönliche Consumtion +überschreitet öder den Preiß dieses +Theils. Alles was den Realpreiß der +ersten Art von Product vermindert, 35 +vermehrt den Realpreiß der 2t ó n. +Dieselbe Quantität von Rohprodukt +entspricht von nun an einer grössern +Quantität von Manufacturprodukt +und der Grundeigenthümer findet 40 + +210 + + F + +I! + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +„In einem Lande, welches auf eine +sehr hohe Stufe des Reichthums +gelangt ist, ist die gewöhnliche Taxe +5 des Gewinns so klein, daß der Zins +fuß, welchen dieser Gewinn zu +zahlen erlaubt, zu niedrig ist, als daß +andre als die reichsten Leute vom +Geldinteresse leben könnten. Alle +10 Leute von mittlerem Vermögen, +müssen also selbst ihr Capital an +wenden, Geschäfte +treiben, oder +sich an irgend einem Handelszweig +interessiren." Smith, t. L p. 196,97. + +15 + +Dieser Zustand ist der Lieblings + +zustand der Nationalökonomie. + +„Die Proportion, welche zwischen +der Summe der Capitaüen und d[er] +Revenuen besteht bestimmt überall +20 die Proportion, in welcher sich die +Industrie und der Müssiggang be +finden werden; wo die Capitaüen +den Sieg davon tragen, herrscht die +Industrie; wo die Revenuen, der + +25 Müssiggang." t. II, p. 325. Smith. + +Wie steht es nun mit der Anwen +dung des Capitals in dieser vergrös- +serteh Concurrenz? + +3o + +„Mit der Vermehrung der Capi- +tauen muß die Quantität d[es] fonds +à prêter à intérêt successiv grösser +werden; mit der Vermehrung dieser +fonds wüd der Geldzins kleiner, 1) +weil der Marktpreiß aüer Sachen +fäüt, je mehr ihre Quantität sich +vermehrt, 2) weü mit der Vermeh +rung der Capitaüen in einem Land es +schwerer wird, ein neues Capital auf +eine vortheühafte Weise anzulegen. +40 Es erhebt sich eine Concurrenz unter + +35 + +sich befähigt, eme grössere Quanti +tät von Bequemüchkeits, Schmuck +und Luxussachen sich zu verschaf +fen." Smith. t.II, p. 159. + +Wenn aber nun Smith daraus, daß +der Grundeigenthümer aüe Vortheile +der GeseUschaft exploitüt, dar +auf ||X| schließt (p. 1611. II) daß das +Interesse des Grundeigenthümers +immer mit dem der Gesellschaft +identisch ist, so ist das albern. In der +Nationalökonomie, unter der Herr +schaft des Privateigenthums ist das +Interesse, was einer an der Gesell +schaft hat, grad im umgekehrten +Verhältniß zu dem Interesse, was die +GeseUschaft an ihm hat, wie das +Interesse des Wucherers an dem +Verschwender durchaus nicht iden +tisch mit dem Interesse des Ver +schwenders ist. + +die Korngesetze + +Wü erwähnen nur im Vorüber +gehn die Monopolsucht des Grund +eigenthümers gegen das Grund +eigenthum fremder Länder, woher +z.B. +datiren. +Ebenso Übergehn wir hier die mittel- +altrige Leibeigenschaft, die Sklave +rei auf den Colonien, das Elend der +Landleute \ Landtaglöhner in Groß- +brittannien. Halten wü uns an die +Sätze der Nationalökonomie selbst. +1) Der Grundeigenthümer ist am +Wohl der Gesellschaft interessirt, +heißt nach nationalökonomischen +Grundsätzen, er ist an ihrer fort +schreitenden Bevölkerung, Kunst +produktion, Vermehrung ihrer Be +dürfnisse, mit einem Wort am + +211 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +den verschiednen Capitalien, indem +der Besitzer eines Capitals alle +möglichen Anstrengungen macht, +um sich des Platzes \ Geschäftes zu +bemächtigen, das sich durch ein +andres Capital besezt findet. Aber +meistens kann er nicht hoffen, dieß +andre Capital von seinem Platz weg- +zubugsiren, wenn nicht durch die +Anbietung, zu besseren Bedingun +gen zu handeln. Er muß die Sache +nicht nur wohlfeiler verkaufen, +sondern oft, um Gelegenheit zum +Verkauf zu finden, sie theurer kau +fen. Je mehr fonds zur Erhaltung der +produktiven Arbeit bestimmt wird, +desto grösser wird die Nachfrage +nach Arbeit: die Arbeiter finden +leicht Beschäftigung, ||IX| aber die +Capitalisten haben Schwierigkeit, +Arbeiter zu finden. Die Concurrenz +der Capitalisten läßt den Arbeitslohn +steigen und die Gewinne fallen." +t.n, p. 358,59. Smith. + +Der kleine Capitalist hat also die +Wahl: 1) entweder sein Capital auf +zuessen, da er von den Zinsen nicht +mehr leben kann, also aufzuhören +Capitalist zu sein; oder 2) selbst ein +Geschäft anzulegen, seine Waare +wohlfeiler zu verkaufen und theurer +zu kaufen, als der reichere Capitalist +und einen erhöhten Arbeitslohn zu +zahlen; also da der Marktpreiß durch +die vorausgesezte hohe Concurrenz +schon sehr niedrig steht, sich zu +ruiniren. Will dagegen der grosse +Capitalist den kleinen wegbugsiren, +so hat er ihm gegenüber alle Vor + +212 + +Wachsthum des Reichthums inter +essili und dieß Wachsthum ist nach +unseren bisherigen Betrachtungen +identisch mit dem Wachsthum des +Elends und der Sklaverei. Das wach +sende Verhältniß der Miethe mit +dem Elend ist ein Beispiel vom Inter +esse des Grundeigenthümers an der +Gesellschaft, denn mit der Miethe +wächst die Grundrente, der Zins +des Bodens, worauf das Haus steht. +2) Nach d[em] Nationalökonomen +selbst ist das Interesse des Grund +eigenthümers der feindliche Gegen- +satz des Interesses des Pächters; +also schon eines bedeutenden Theils +der Gesellschaft. | + +5 + +io + +15 + +|Xl| 3) Da der Grundeigenthümer +[von] d[em] Pächter um so mehr 20 +Rente fordern kann, um so weniger +Arbeitslohn der Pächter zahlt und da +der Pächter um so mehr den Arbeits +lohn herabdrückt, je mehr Grund +rente der Eigenthümer fordert, so +steht das Interesse des Grundeigen +thümers grade so feindlich zum In +teresse der Ackerknechte, wie das +der Manuf acturherrn zu ihren Ar +beitern. Er drückt ebenfalls den +Arbeitslohn auf ein Minimum. + +25 + +30 + +4) Da die reale Erniedrigung im +Preiß der Manufacturprodukte die +Grundrente erhöht, so hat also der +Grundbesitzer ein direktes Interesse +an der Herabdrückung des Arbeits +lohns der Manufakturarbeiter, an der +Concurrenz unter den Capitalisten, +an der Ueberproduktion, am ganzen +Manufacturelend. + +35 + +40 + + Capitalgewinn. + +Grundrente. + +5) Wenn also das Interesse des +Grundeigenthümers, weit entfernt +mit dem Interesse der GeseUschaft +im feindüchen +identisch zu sein, +Gegensatz mit dem Interesse der +Pächter, der Ackerknechte, der +Manufacturarbeiter und d[er] Ca +pitaüsten steht, so ist nicht einmal +das Interesse des einen Grundeigen +thümers mit dem d[es] andern iden +tisch von wegen der Concurrenz, die +wü nun betrachten woUen. / + +theile, welche der Capitalist als Capi +talist dem Arbeiter gegenüber hat. +Die kleinern Gewinne werden ihm +5 durch die grössere Quantität seines +Capitals ersezt und selbst momen +tane Verluste kann er solange er +tragen, bis der kleinere Capitalist +ruinirt ist und er sich von dieser +10 Concurrenz befreit sieht. So accu- +mulirt er sich die Gewinne d[es] klei +nen Capitaüsten. + +Ferner: Der grosse Capitalist +kauft immer wohlfeiler ein, als der +15 kleine, weil er massenhafter ein +kauft. Er kann also ohne Schaden +wohlfeiler verkaufen. + +20 + +Wenn aber der FaU des Geldzinses +die mittleren Capitaüsten aus Ren- +tiers zu Geschäftsleuten macht, so +bewükt umgekehrt die Vermehrung +der Geschäftscapitalien und der +daher erfolgende kleinere Gewinn +den FaU des Geldzinses. + +25 + +„Damit, daß das Benefiz, das man +vom Gebrauch eines Capitals ziehn +kann, sich vermindert, vermindert +sich nothwendig der Preiß, den +man für den Gebrauch dieses Ca- +30 pitáis zahlen kann." t. II, p. 359. + +Smith. + +„Je mehr Reichthum, Industrie, +Bevölkerung sich mehren, um so +mehr vermindert sich der Geldzins, +35 also der Gewinn d[er] Capitaüsten; +aber sie selbst vermehren sich nichts +desto weniger und noch schneUer, +wie früher, trotz der Verminderung +der Gewinne. Ein grosses Capital, +40 obgleich von kleinen Gewinnen ver + +213 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +im Allgemeinen viel +mehrt sich +schneller als ein kleines Capital mit +grossen Gewinnen. Das Geld macht +Geld, sagt das Sprüchwort." 1.1, +p. 189. + +Wenn also diesem grossen Capital +nun gar kleine Capitale mit kleinen +Gewinnen, wie das unter dem vor- +ausgesezten Zustand starker Con +currenz +so +ecrasirt es sie völlig. + +ist, gegenübertreten, + +In dieser Concurrenz ist dann die +allgemeine Verschlechterung der +Waaren, +die Verfälschung, die +Scheinproduktion, die allgemeine +Vergiftung, wie sie in grossen Städ +ten sich zeigt, die nothwendige Con +sequenz. + +ι + +|X| Ein wichtiger Umstand in der +Concurrenz der grossen und kleinen +Capitalien ist ferner das Verhältniß +von capital fixe und capital circu +lant. + +„Capital circulant ist ein Capital, +das angewandt wird zur Erzeugung +von Lebensmitteln, Manufactur +oder Handel. Dieß so angelegte +Capital giebt seinem Herrn nicht +Revenu oder Profit, solang es in +seinem Besitz bleibt oder fortfährt +unter derselben Gestalt zu bleiben. +Es geht beständig aus seiner Hand +unter einer bestimmten Form, um +unter einer andern zurückzukehren +und ist nur vermittelst dieser Cir +culation oder dieser successiven +Verwandlung und Vertauschung +Profit bringend. Capital fixe besteht +in dem zur Verbesserung von Län- + +214 + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + + II + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +dem, zum Ankauf von Maschinen, +Instrumenten, Handwerkszeug, ähn +lichen Sachen angelegten Capital." +Smith, p. 197,98. + +5 + +10 + +„Jede Ersparung in der Erhaltung +d[es] capital fixe ist ein Zuwachs des +Reingewinns. Das Gesammtcapital +eines +jeden Arbeitsunternehmers +theilt sich nothwendig zwischen +seinem capital fixe und seinem capi +tal circulant. Bei der Gleichheit der +Summe, wird der eine Theil um so +kleiner sein, je grösser der andere ist. +15 Das capital circulant liefert ihm die +Materie und Salaire der Arbeit, und +sezt die Industrie in Thätigkeit. Also +jede Ersparniß im capital fixe, wel +che die produktive Kraft der Arbeit +20 nicht vermindert, vermehrt d[en] + +fonds." t. II, p. 226. Smith. + +30 Comptoüstube. Die + +Man sieht von vorn herein, daß das +Verhältniß von capital fixe und capi +tal circulant viel günstiger für d[en] +25 grossen, als für d[en] kleineren Ca +pitaüsten ist. Ein sehr grosser Ban +quier braucht nur unbedeutend mehr +capital fixe, als ein sehr kleiner. Ihr +capital fixe beschränkt sich auf die +Instrumente +eines +grossen Landgutsbesitzers +vermehren sich nicht in dem Ver +hältniß der Grösse seines Grund +stückes. Ebenso ist der Credit, den +ein grosser Capitalist vor d[em] +kleineren besizt eine um so grössere +Ersparung im capital fixe, nämüch +dem Gelde, was er immer parat ha +ben muß. Es versteht sich endüch, +40 daß wo die Industriearbeit einen + +35 + +215 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Capitalgewinn. + +Grundrente. + +hohen Grad erreicht hat, also fast +alle Handarbeit zur Fabrikarbeit +geworden ist, dem kleinen Capitali +sten sein ganzes Capital nicht zu +reicht, um nur d[as] nöthige capital +fixe zu besitzen. On sait, que les +travaux de +la grande culture, +n'occupent habituellement qu'un +petit nombre de bras. + +bei + +findet + +Ueberhaupt + +der +Accumulation der grossen Capita +lien verhältnißmässig auch eine +Concentration und Vereinfachung +d[es] capital fixe Statt im Verhältniß +zu d[em] kleineren Capitalisten. Der +grosse Capitalist führt für sich eine +Art /|Xl| von Organisation der Ar +beitsinstrumente ein. / + +[III] + +10 + +15 + +20 + +Arbeitslohn. + +Capttalgewinn. + +|VIIl| „Das läßt sich behaupten, daß +solche Beschäftigungen, die spezifi +sche Anlagen oder längere Vorbil +dung voraussetzen, im Ganzen ein +träglicher geworden sind; während +der verhältnißmässige Lohn für die +mechanisch einförmige Thätigkeit, +auf welche der Eine wie der Andere +schnell und leicht abgerichtet wer +den kann, bei der wachsenden Con +currenz gefallen ist und nothwendig +fallen mußte. Und gerade diese Art +der Arbeit +jetzigen +Stande ihrer Organisation noch weit +die zahlreichste. Wenn also ein Ar- + +ist bei dem + +25 + +/XI/ „Ebenso ist im Bereiche der In +dustrie schon jede Manufactur und +Fabrik eine umfassendere Verbin +dung eines grössern sächlichen Ver- +mögens mit zahlreichen und viel +intellektuellen Fähigkeiten +artigen +technischen Fertigkeiten zu +und +einem gemeinsamen Zwecke der +Production. . .. Wo die Gesetzge- 30 +bung das Grundeigenthum in grossen +Massen zusammenhält, drängt sich +der Ueberschuß einer wachsenden +Bevölkerung zu den Gewerben, und +es ist also, wie in Großbrittannien, 35 +das Feld der Industrie, auf dem sich + +216 + + Arbeitslohn. + +Capitalgewinn. + +15 + +20 + +beiter der ersten Categorie +jezt +siebenmal so viel, ein Anderer der +zweiten ebenso viel erwirbt, als etwa +5 vor 50 Jahren, so erwerben beide im +Durchschnitte freilich 4mal so viel. +Allein wenn in einem Lande die erste +Kategorie der Arbeit mit nur 1000, +die 2te mit einer Million Menschen +10 besezt ist, so sind 999000 nicht bes +ser als vor 50 Jahren daran, und sie +sind +schlimmer daran, wenn zu +gleich die Preise der Lebensbedürf +nisse gestiegen sind. Und mit sol- +chen oberflächlichen Durchschnitts +berechnungen will man sich über die +zahlreichste Klasse der Bevölkerung +täuschen. Ueberdies ist die Grösse +des Arbeiterlohns nur ein Moment +für die Schätzung des Arbeiterein +kommens, weil für die Bemessung +des leztern noch wesentlich die ge +sicherte Dauer desselben +in An +schlag kommt, wovon doch in der +25 Anarchie der sogenannten freien +Concurrenz mit ihren immer wieder +kehrenden Schwankungen und Stok- +kungen scWechthin keine Rede ist. +Endlich ist noch die früher und die +jezt gewöhnliche Arbeitszeit +ins +Auge zu fassen. Diese ist aber für +d[ie] englischen Arbeiter +in der +seit etwa +Baumwollenmanufaktur +25 Jahren, also grade seit Einführung +35 der Arbeit ersparenden Maschinen, +durch die Erwerbsucht der Unter +nehmer +täglich erhöht worden, und die Stei +gerung in einem Lande und in einem +40 Zweige der Industrie mußte sich, bei + +||IX| auf 12—16 Stunden + +30 + +der + +hauptsächlich die grössere Menge +der Proletarier anhäuft. Wo aber die +Gesetzgebung die fortgesezte Thei- +lung des Bodens zuläßt, da vermehrt +sich, wie in Frankreich, die Zahl der +kleinen und verschuldeten Eigen- +thümer, welche durch die fortge +hende Zerstücklung in die Klasse +d[er] Dürftigen und Unzufriedenen +geworfen werden. Ist endlich diese +Zerstücklung und Ueberschuldung +zu einem höhern Grade getrieben, so +verschüngt wieder +grosse +Grundbesitz den kleinen, wie auch +die grosse Industrie die kleine ver +nichtet; und da nun wieder grössere +Gütercomplexe sich bilden, so wüd +auch die zur Cultur des Bodens nicht +schlechthin erf orderüche Menge der +besitzlosen Arbeiter wieder der In +dustrie +59. +Schulz. Bewegung der Produktion. +„Die Beschaffenheit der Waaren +derselben Art wüd eine andre durch +die Veränderung in der Art der Pro +duction und namentüch durch die +Anwendung des Maschinenwesens. +durch Ausschüessung der +Nur +Menschenkraft ist es möglich ge +worden, von einem Pfund Baum +wolle, 3Sh. 8 Pence an Werth, +350 Zaspeln zu spinnen von 167 +englischen oder 36 deutschen Meüen +Länge und von einem Handelswer- +the von 25 Guiñeen." ibid. p.62. + +zugedrängt." + +p.58, + +„Im Durchschnitt haben sich in +England seit 45 Jahren die Preisse +der Baumwoüzeuge um +nln ver +mindert, und nach Marshalls Be- + +217 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +überall noch + +dem +anerkannten +Rechte einer unbedingten Ausbeu +tung d[er] Armen durch die Reichen, +mehr oder minder auch anderswo +geltend machen." Schulz. Bewegung +der Production, p. 65. + +und + +„Allein selbst wenn es so wahr +wäre, als es falsch ist, daß sich das +Durchschnittseinkommen aller Clas +sen der Gesellschaft vergrössert +hätte, können dennoch die Unter +schiede +verhältnißmässigen +Abstände des Einkommens grösser +geworden sein und hiernach die +Gegensätze des Reichthums und der +Armuth schärfer hervortreten. Denn +grade weil die Gesammtproduktion +steigt und in demselben Maasse als +dieß geschieht, vermehren sich auch +die Bedürfnisse, Gelüste und An +sprüche, und die relative Armuth +kann also zunehmen, während die +absolute sich vermindert. Der Sa- +mojede ist nicht arm bei Thran und +ranzigen Fischen, weil in seiner ab- +geschloßnen Gesellschaft Alle die +gleichen Bedürfnisse haben. Aber in +einem voran schreitenden Staat, der +etwa +im Lauf eines Jahrzehntes +seine Gesammtproduktion im Ver +hältniß zur Gesellschaft um ein +Drittheil vergrössert, ist der Arbei +ter, der vor und nach 10 Jahren gleich +viel erwirbt, nicht eben so wohl +habend geblieben, sondern um ein +Drittheil +bedürftiger geworden." +ibid. p. 65, 66. + +Aber die Nationalökonomie kennt +den Arbeiter nur als Arbeitsthier, als + +218 + +gestiegen 15 + +IV2 Millionen + +rechnungen wird das gleiche Quan +tum von Fabrication, wofür noch im +Jahr 1814 16 Shülinge bezahlt wur +den, jezt um 1 Sh. 10 d. gelief ert. Die 5 +grössere Wohlfeilheit der industriel +len Erzeugnisse vergrössert die +Consumtion sowohl im Inlande, als +den Markt im Auslande; und damit +hängt zusammen, daß sich in Groß- 10 +brittannien die Zahl der Arbeiter in +Baumwolle nach Einführung der +Maschinen nicht nur nicht vermin +dert hat, sondern daß sie von 40000 +auf +ist. ||XIl| Was nun den Erwerb der +industriellen Unternehmer und Ar +beiter betrifft, so hat sich durch die +wachsende Concurrenz unter den +Fabrikherrn der Gewinnst dersel- +ben, im Verhältnisse zur Quantität +liefern, +der Erzeugnisse, die sie +nothwendig vermindert. +In den +Jahren 1820—33 ist der Bruttogewinn +d[es] Fabrikanten in Manchester für +ein Stück Calico von 4Sh. i y3d. auf +1 Sh. 9 d. gefallen. Aber zur Einbrin +gung dieses Verlustes ist der Umfang +der Fabrication um so mehr erwei +tert worden. Davon ist nun die Folge, +daß in einzelnen Zweigen der Indu +theilweise Ueberproduktion +strie +eintritt, daß häufige Bankerotte ent +stehen, wodurch sich innerhalb der +Classe d[er] Capitalisten und Ar- +beitsherrn ein unsicheres Schwan +ken und Wogen des Besitzes erzeugt, +was einen Theil der ökonomisch +Zerrütteten dem Proletariat zuwirft; +daß oft und plötzlich eine Einstel- + +30 + +40 + +35 + +20 + +25 + + Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +ein auf die striktesten Leibesbedürf +nisse reducirtes Vieh. + +5 + +10 + +und + +„Ein Volk, damit es sich geistig +freier ausbüde, darf nicht mehr in der +Sklaverei semer körperlichen Be +dürfnisse stehn, nicht mehr der Leib +eigene des Leibes sein. Es muß ihm +vor aüem Zeit bleiben, auch geistig +schaffen und geistig gemessen zu +können. Die Fortschritte im Organis +mus der Arbeit gewinnen diese Zeit. +jezt, bei neuen +Verrichtet doch +verbessertem +Triebkräften +15 Maschinenwesen, ein einziger Ar +beiter +in den Baumwollefabriken +nicht selten das Werk von 100, ja von +250—350 früheren Arbeitern. Aehn- +üche Folgen in allen Zweigen der +20 Produktion, weü äussere Natur +zur Theü- +immer mehr +kräfte +nahme +| | x| an der menschlichen +Arbeit gezwungen worden. War nun +früher, zur Abfindung eines Quan- +turns materieller Bedürfnisse, ein +Aufwand von Zeit und menschlicher +Kraft erforderüch, der sich später +um die Hälfte vermindert hat; so ist +zugleich, ohne irgend eine Einbusse +30 an sinnlichem Wohlbehagen, der +Spieüaum für geistiges Schaffen und +so viel erweitert +Geniessen um +worden. +. .. Aber auch über die +Vertheüung der Beute, die wü dem +35 alten Kronos selbst auf seinem +eigensten Gebiete abgewinnen, ent +scheidet noch das Würfelspiel des +blinden ungerechten Zufalls. Man +hat in Frankreich berechnet, daß bei +40 dem jetzigen Standpunkt der Pro- + +25 + +lung oder Vermüiderung der Arbeit +nothwendig wüd, deren Nachtheüe +die Classe der Lohnarbeiter stets +bitter empfindet." ib. p.63. + +«Louer son travail, c'est commen +cer son esclavage ; louer la matière +du travail, c'est constituer la liberté. +... le travail est l'homme. La matière +au contraüe n'est rien de l'homme.» +Pecqueur théor. soc. etc. p. 411,12. + +«l'élément matière, qui ne peut +rien pour la création de la richesse +sans l'autre élément travail, reçoit +la vertu magique d'être fécond pour +eux comme s'üs y avaient mis, de +leur propre fait, cet indispensable +élément.» ibid. 1. c. + +«En supposant que le travaü quo +tidien d'un ouvrier lui rapporte en +moyenne 400 fr. par an, et que cette +somme suffise à chaque adulte pour +vivre d'une vie grossière, tout pro- +priétaüe de 2000 fr. de rente, de fer +mage, de loyer etc, force donc indi +rectement 5 hommes à travailler +pour lui ; lOOOOOfr. de rente repré +sentent le travail de 250 hommes, et +1000000 le travaü de 2500 indivi +dus.» (Also 300 Mülionen, (Louis +Phüippe) die Arbeit von 750000 Ar +beitern.) ibid. p. 412,13. + +« les propriétaües ont reçu de la loi +des hommes le droit d'user et d'abu +ser, c-à-d. de f aüe ce qu'üs veulent +de la matière de tout travail... ils sont +nuUement obligés par la loi de fournir +à propos et toujours du travail aux +non propriétaües, ni de leur payer un +salaire toujours suffisant etc.» p. 413 + +219 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +auction eine durchschnittliche Ar +beitszeit von täglich 5 Stunden auf +jeden Arbeitsfähigen zur Befriedi +gung aller materiellen Interessen der +Gesellschaft ausreichen würde. +. .. +Ungeachtet +Zeitersparnisse +der +durch Vervollkommnung des Ma +schinenwesens hat sich die Dauer +der Sklavenarbeit in den Fabriken +für eine zahlreiche Bevölkerung nur +vergrössert." p. 67, 68 ibid. + +einförmige + +„Der Uebergang von der zusam- +mengesezten Handarbeit sezt eine +Zerlegung derselben in ihre einfa +chen Operationen voraus. Nun wird +aber zunächst nur ein Theil der +gleichförmig +wiederkehrenden +Operationen den Maschinen, ein +anderer Theü aber d[en] Menschen +anheimfallen. Nach der Natur der +Sache und nach übereinstimmenden +Erfahrungen +ist eine solche an +Thätigkeit +haltend +ebenso nachtheilig für Geist als +Körper; und so müssen denn bei +dieser Verbindung des Maschinen +wesens mit der blosen Theilung der +Arbeit unter zahlreichere Men +schenhände +alle +auch +Nachtheile der leztren zum Vor +schein kommen. Die Nachtheile +zeigen sich unter andrem in der +grössern Sterblichkeit der Fabrik-| +|Xl|arbeiter. +. .. Diesen grossen +Unterschied, wie weit die Men +schen durch Maschinen, oder wie +weit sie als Maschinen arbeiten, +hat man nicht . .. berücksichtigt." +ibid. p.69. + +noch + +220 + +I.e. «liberté entière, quant à la na +ture, à la quantité, à la qualité, à l'op +portunité de la production, à l'usage, +à la consommation des richesses, à +la disposition de la matière de tout +travail. Chacun est Ubre d'échanger +sa chose comme il l'entend sans +autre considération, que son propre +intérêt d'individu.» p.413 I.e. + +5 + +10 + +15 + +«La concurrence n'exprime pas +autre chose que l'échange facultatif, +qui +lui-même est la conséquence +prochaine et logique du droit indivi +duel d'user et d'abuser des instru- +ments de toute production. Ces trois +moments +lesquels +économiques, +n'en font qu'un: le droit d'user et +d'abuser, la liberté d'échanges et la +concurrence arbitraire, entraînent 20 +les conséquences suivantes : chacun +produit ce qu'il veut, comme il veut, +quand il veut, où il veut ; produit bien +ou produit mal, trop ou pas assez, +trop tôt ou trop tard, trop cher ou à +trop bas prix; chacun ignore s'il +vendra, à qui il vendra, comment il +vendra, quand il vendra, où il ven +dra ; et il en est de même quant aux +achats. ||XIIl| Le producteur ignore +les besoins et les ressources, les +demandes et les offres. Il vend quand +il veut, quand il peut, où il veut, à qui +il veut, au prix qu'il veut. Et il achète +de même. En tout cela il est toujours +le jouet du hasard, l'esclave de la loi +du plus fort, du moins pressé, du plus +riche.... Tandis que sur un point il y +a disette d'une richesse, sur l'autre +il y a trop plein et gaspillage. Tandis 40 + +35 + +30 + +25 + + Ill + +. Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +„Für die Zukunft des Völkerle +bens aber werden die in den Maschi +nen wirkenden + +verstandeslosen +5 Naturkräfte unsere Sklaven und + +Leibeigenen sein." ibid. p.74. + +15 + +„In den englischen Spinnereien +sind nur +158818 Männer und +196818 Weiber beschäftigt. Auf je +10 100 Arbeiter in den Baumwollfabri +ken der Grafschaft Lancaster kom +men 103 Arbeiterinnen und +in +Schottland sogar 209. In den eng +lischen Flachsfabriken von Leeds +zählte man auf 100 männliche Ar +beiter 147 weibliche; in Druden und +an der Ostküste Schottlands sogar +280. In den englischen Seidenfabri +in den +ken viele Arbeiterinnen; +20 Wollfabriken, die grössere Arbeits +kraft erfordern, mehr Männer. Auch +in den nordamerikanischen Baum +wollfabriken waren im Jahr 1833 +nebst 18 593 Männern nicht weniger +25 als 38 927 Weiber beschäftigt. Durch +die Veränderungen im Organismus +der Arbeit ist also dem weiblichen +Geschlecht ein weiterer Kreis von +Erwerbsthätigkeit zugefallen— die +30 Frauen eine ökonomisch selbst +ständigere Stellung +. .. die beiden +Geschlechter in ihren socialen Ver +hältnissen einander näher gerückt." +p . 7 1, 72 ibid. „In den von Dampf +35 und Wasser getriebnen englischen +Spinnereien arbeiteten im Jahr 1835: +20 558 Kinder zwischen 8—12 Jahren; +35 867 zwischen 12—13, und endlich +108208 zwischen 13-18 Jahren. . .. +40 Freilich wirken die weiteren Fort- + +qu'un producteur vend beaucoup ou +très cher, et à bénéfice énorme, +l'autre ne vend rien ou vend à perte. +... L'offre ignore la demande et la +demande ignore l'offre. Vous pro +duisez sur la foi d'un goût, d'une +mode qui se manifeste dans le public +des consommateurs; mais déjà, +lorsque vous êtes prêt à livrer la +marchandise, la fantaisie a passé et +s'est fixée sur un autre genre de +produit. ... conséquences infaillibles +la permanence et l'universalisation +des banqueroutes, les mécomptes, +les ruines subites et les fortunes +improvisées ; les crises commercia +les, les chômages, les encombre +ments ou les disettes périodiques; +l'instabilité et l'avilissement des sa +laires et des profits ; la déperdition +ou le gaspillage énorme des riches +ses, de +temps et d'efforts dans +l'arène d'une concurrence achar +née.» p. 414—16 1. c. + +Ricardo in seinem Buch (rent of +land): Die Nationen sind nur Ateliers +der Produktion, der Mensch ist eine +Maschine zum Consummiren und +Produciren; das menschliche Leben +ein Capital; die ökonomischen Ge +setze regieren blind die Welt. Für +Ricardo sind die Menschen nichts, +das Produkt alles. Im 26 Capitel der +französischen Uebersetzung heißt +es: «Π serait tout-à-fait indifférent, +pour une personne, qui sur un capital +de 20000fr. ferait 2000fr. par an de +profit, que son capital employât cent +hommes ou mille ... L'intérêt réel + +221 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +schritte der Mechanik, da sie alle +einförmigen Beschäftigungen d[en] +Menschen mehr und mehr aus der +Hand nehmen, auf eine allmählige +Beseij|XIl|tigung des Mißstandes +hin. Allein diesen rascheren Fort +schritten selbst steht grade der +Umstand im Wege, daß sich die +Capitalisten die Kräfte der untern +Classen, bis in das Kindesalter hin +ein, auf die leichteste und wohlfeilste +Weise aneignen können, um sie statt +der Hilfsmittel der Mechanik zu +brauchen und zu gebrauchen." p. 70, +71. Scnu/z Bew. d. Product. + +„Lord Broughams Zuruf an d[ie] +Arbeiter: ,Werdet Capitalisten.' Das +. .. das Uebel, daß Millionen nur +durch anstrengende, körperlich zer +rüttende, sittlich und geistig ver +krüppelnde Arbeit sich ein knappes +Auskommen zu erwerben vermö +gen; daß sie sogar das Unglück, eine +solche Arbeit gefunden zu haben, f ür +ein Glück halten müssen." p.60 +ibid. + +«Pour vivre donc, les non-proprié +taires sont obligés de se mettre di +rectement ou indirectement au ser +vice des propriétaires, c-à-d. sous +leur dépendance.» Pecqueur, théorie +etc. +d'économie +nouvelle +p. 409. + +soc. + +Domestiques — gages ; ouvriers — +salaires ; employés — traitement ou +émoluments, ibid. p. 409,10. + +„louer son travail" „preter son +travail à l'intérêt" „travailler à la +place d'autrui". + +d'une nation n'est-il pas le même? +pourvu que son revenu net et réel et +que ses fermages et ses profits soient +les mêmes, qu'importe qu'elle se +compose de dix ou de douze millions +d'individus ?» «En vérité, dit M. de +Sismondi (t. II, p. 331) il ne reste plus +qu'à désirer que le roi, demeuré tout +seul dans l'île, en tournant constam- +ment une manivelle, (Kurbel) fasse +accomplir par des automates, tout +l'ouvrage de l'Angleterre.» + +5 + +10 + +15 + +«le maître, qui achète le travail de +l'ouvrier à un prix si bas qu'il suffit +à peine aux besoins les plus pres +sants, n'est responsable ni de l'in +suffisance des salaires, ni de la trop +longue durée du travail : il subit lui- +même la loi qu'il impose .... ce n'est 20 +pas tant des hommes que vient la +misère, que de la puissance des cho +ses.» 1. c. p. 82. + +„In England giebt es viele Plätze, +wo den Einwohnern zur vollständi- 25 +gen Erdkultur die Capitalien fehlen. +Die Wolle der Südprovinzen Schott +lands muß grossen theils eine lange +Reise zu Land durch schlechte Wege +machen, um in der Grafschaft York +bearbeitet zu werden, weil es an +ihrem Produktionsplatz an Capita +lien zur Manuf actur fehlt. Es giebt in +England mehre kleine Fabrikstädte, +deren Einwohnern hinreichendes 35 +Capital fehlt zum Transport ihrer +industriellen Produkte auf entfernte +Märkte, wo dasselbe Nachfrage und +Consumenten findet. Die Kaufleute +hier sind ||XIV| nur Agenten reiche- 40 + +30 + +222 + + f + +111 + +Arbeitslohn. + +Gewinn der Capitaüen. + +„iouer + +la matière du + +travaü" +„preter +travaü à +la matière du +l'intérêt" „faüe travaüler autrui à sa + +5 place", ibid. | + +|XIIl| «cette constitution écono +mique condamne des hommes à des +métiers +tenement abjects, à une +dégradation teUement désolante et +1 o amère, que la sauvagerie apparaît, en +royale + +comparaison, comme une +condition.» I.e. p.417,18. + +«la prostitution de la chaü non- +propriétaire sous toutes les formes.» + +15 p. 421 sq. Lumpensammler. + +Ch. Loudon in der Schrift solution +du problème de la population etc. +Paris, 1842, giebt die Zahl der Pro- +stituirten in England auf 60-70000 +an; die Zahl d[er] femmes d'une +vertu douteuse sei ebenso groß, +p. 228. + +20 + +«La moyenne vie de ces infortu +nées créatures sur le pavé, après +25 qu'eUes sont entrées dans la carrière +du vice, est d'environ six ou sept ans. +De manière que pour maintenu le +nombre de 60-à-70 000 prostituées, Ü +doit y avoü, dans les 3 royaumes, au +30 moins 8 à 9000 femmes qui se vouent +à cet inf âme métier chaque année, ou +environ 24 nouveUes victimes par +jour, ce qui est la moyenne d'une par +heure; et conséquemment, si +la +35 même proportion a lieu sur toute la +surface du globe ü doit y avoü cons +tamment un mülion et demi de ces +malheureuses.» ibid. p. 229. + +«la population des misérables +croît avec leur misère et c'est à la + +40 + +rer Kaufleute, die in einigen grossen +Handelsstädten +residüen." Smith. +t. II, p. 382. «Pour augmenter la va +leur du produit annuel de la terre et +du travaü, U n'y a pas d'autres +moyens que d'augmenter, quant au +nombre, +les ouvriers productifs, ou +d'augmenter, quant à la puissance, la +faculté productive des ouvriers pré +cédemment employés. ... Dans l'un +et dans l'autre cas ü faut presque +toujours un surcroît de capital.» +Smith, t. H, p. 338. + +„Weü es also in der Natur der +Dinge hegt, daß die Accumulation +eines Capitals ein nothwendiger +Vorläufer der Theüung der Arbeit +ist, kann die Arbeit kerne weiteren +Unterabtheilungen empfangen als in +dem Verhältniß, in welchem sich die +Capitaüen nach und nach aufgehäuft +haben. Je mehr die Arbeit in Unter- +abtheüungen zerfäüt, vermehrt sich +die Quantität der Materien, welche +dieselbe Anzahl von Personen ins +Werk setzen kann; und da die Auf +gabe jedes Arbeiters sich nach und +nach auf eine grössere Stufe von +Einfachheit reducirt findet, werden +eme Menge neuer Maschinen ent +deckt, um diese Aufgaben zu er +leichtern und abzukürzen. Je weiter +sich also die Theüung der Arbeit +ausbreitet, ist es nothwendig, damit +eine selbe Zahl von ouvriers bestän +dig beschäftigt sei, daß man eine +gleiche Provision von Lebensmitteln +und eine Provision von Materien, +Instrumenten und Handwerkszeug + +223 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn der Capitalien. + +l'Irlande + +limite extrême du dénûment que les +êtres humains se pressent en plus +grand nombre pour se disputer le +droit de souffrir. . .. En 1821 la po +pulation de +était de +6801827. En 1831, elle s'était élevée +à 7 764010 ; c'est 14 p 0/0 d'augmen +tation en dix ans. Dans le Leinster, +province où il y a le plus d'aisance, +la population n'a augmenté que de +8 p/c, tandis que, dans le Connaught, +province la plus misérable, l'aug +mentation s'est élevée à 21 p/c. (Ex +traits des Enquêtes publiées en +Angleterre sur +l'Irlande. Vienne, +1840.)» Buret de la misère etc. t.I, +p. 36,37. Die Nationalökonomie +betrachtet die Arbeit abstrakt als +eine Sache; le travail est une mar +chandise: ist der Preiß hoch, so ist +die Waare sehr gefordert; ist er nie +drig, so +ist sie sehr angeboten; +comme marchandise le travail doit +de plus en plus baisser de prix: theils +die Concurrenz zwischen Capitalist +und Arbeiter, theils die Concurrenz +unter den Arbeitern zwingt hierzu; +. .. «La population ouvrière, mar +travail, est forcément +chande de +réduite à la plus faible part du produit +. .. La théorie du travail marchandise +est-elle autre chose qu'une théorie de +servitude déguisée?» Le. p.43. +«Pourquoi donc n'avoir vu dans le +travail qu'une valeur d'échange?» +ib. p. 44. Die grossen Ateliers kaufen +vorzugsweise die Arbeit von Frauen +und Kindern, weil diese weniger +kostet als die der Männer. I.e. «le + +5 + +im voraus aufhäuft, welche viel +stärker ist, als dieß früher in einem +minder +avancirten Zustand der +Dinge nöthig war. Die Zahl der Ar- +beiter vermehrt sich in jedem Ar +beitszweig zur selben Zeit, als sich +hier die Theilung der Arbeit ver +mehrt oder vielmehr ist es diese +Vermehrung ihrer Zahl, welche sie in ι o +den Stand sezt, sich zu classificiren +und unterabzutheilen auf diese Art." +Smith. t . I I, 193,94. + +„Ebenso wie die Arbeit diese +grosse Ausdehnung der produktiven 15 +Kraft nicht erhalten kann, ohne eine +vorhergehende Accumulation der +Capitale, ebenso führt die Accumu +lation der Capitalien natürlicher +Weise diese Ausdehnung [herbei]. 20 +Der Capitalist will nämlich durch +sein Capital die größtmöglichste +Quantität Machwerk produziren, +strebt also unter seinen Arbeitern die +schicklichste Arbeitstheilung ein- 25 +zuführen und mit den möglichst +besten Maschinen sie zu versehn. +Seine Mittel, um in diesen beiden +Gegenständen +| +zu +/XV/ stehn im Verhältniß zur Aus- 30 +dehnung seines Capitals und zur +Zahl der Leute, welche dieses Capi +tal beschäftigt halten kann. Also +nicht nur die Quantität der Industrie +vermehrt sich in einem Lande ver- 35 +mittelst des Wachsthums des Capi +tals, welches sie in Bewegung sezt, +in Folge dieses Wachs +sondern, +thums, producirt dieselbe Quantität +von Industrie eine viel grössere 40 + +reussiren, + +224 + + Ill + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +5 + +travailleur n'est point vis à vis de +celui qui l'emploie dans la position +d'un libre vendeur.... le capitaliste +est toujours libre d'employer le tra +vail, et l'ouvrier est toujours forcé de +le vendre. La valeur du travail est +complètement détruite, s'il n'est pas +vendu à chaque instant. Le travail +10 n'est susceptible ni d'accumulation, +ni même d'épargne, à la différence +des véritables +¡ +|XTV| Le travail c'est la vie, et si la vie +ne s'échange pas chaque jour contre +15 des aliments, elle souffre et périt +bientôt. Pour que la vie de l'homme +soit une marchandise, il faut donc +admettre l'esclavage.» p. 49,501. c. + +[marchandises.] + +20 + +Wenn die Arbeit also eine Waare +ist, so ist sie eine Waare von den +Eigenschaften. +unglückseeligsten +Aber selbst nach Nationalökonomi +schen Grundsätzen ist sie es nicht, +weil nicht le libre résultat d'un libre +25 marché. Das jetzige ökonomische +Regime abaisse à la fois et le prix et +la rémunération du travail; il perfec +tionne l'ouvrier et dégrade l'homme, +p. 52, 53 1. c. «L'industrie est deve- +30 nue une guerre et le commerce un + +jeu.» 1. c. p. 62. + +Les machines à travailler le coton +repräsentiren allein + +(in England) +84000000 Handwerker. + +35 + +Die Industrie befand sich bis jezt +im Zustand des Eroberungskriegs: +«elle a prodigué la vie des hommes +qui composaient son armée avec +autant d'indifférence que les grands +40 conquérants. Son but était la pos- + +Quantität des Machwerks." Smith. +I.e. ρ. 194,95. Also Ueberproduk- +tion. + +„Umfassendere Combinationen + +ihren + +der produktiven Kräfte . .. in Indu +strie und Handel durch Vereinigung +zahlreicherer +vielartigerer +und +Menschenkräfte und Naturkräfte für +Unternehmungen in grösserm Maaß- +stabe. Auch schon hie und da — +engere Verbindung der Hauptzweige +der Production unter sich. So werden +grosse Fabrikanten zugleich grossen +Grundbesitz zu erwerben suchen, +um wenigstens einen Theil der zu +ihrer Industrie erforderlichen Ur- +stoffe nicht erst aus 3t er Hand be- +ziehn zu müssen; oder sie werden +mit +industriellen Unterneh +mungen einen Handel in Verbindung +setzen, nicht blos zum Vertrieb ihrer +eignen Fabrikate, sondern wohl auch +zum Ankauf von Producten andrer +Art und zum Verkauf derselben an +ihre Arbeiter. In England, wo ein +zelne Fabrikherrn mitunter an der +Spitze von 10-12000 Arbeitern +. .. schon solche Verbindungen ver +schiedener Productionszweige unter +einer leitenden Intelligenz, solche +kleinre Staaten oder Provinzen im +Staat — nicht selten. So übernehmen +in neuerer Zeit die Minenbesitzer bei +Birmingham den ganzen Prozeß der +Eisenbereitung, der sich früher an +verschiedne Unternehmer und Be +sitzer vertheilte. Siehe der berg +männische Distrikt bei Birmingham +- Deutsche Viertelj. 3,1838. Endlich + +225 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +session de la richesse et non le bon +heur des hommes.» Buret. 1. c. p. 20. +«Ces intérêts (se. économiques) li +brement abandonnés à eux-mêmes +. .. doivent nécessairement entrer en +conflit ; ils n'ont d'autre arbitre que +la guerre, etles décisions de la guerre +donnent aux uns la défaite et la mort, +pour donner aux autres la victoire. +. .. c'est dans le conflit des forces +opposées que la science cherche +l'ordre et l'équilibre : la guerre per +pétuelle est selon elle le seul moyen +d'obtenir la paix ; cette guerre s'ap +pelle la concurrence.» 1. c. p. 23. + +der + +nur + +Der + +industrielle Krieg, um mit +Erfolg geführt zu sein, erfordert +zahlreiche Armeen, die er auf den +selben Punkt aufhäufen und reich +lich deeimiren kann. Und weder aus +Dévouement, noch aus Pflicht, er +tragen die Soldaten dieser Armee die +Anstrengungen, die man ihnen auf +harten +um +erlegt; +Nothwendigkeit des Hungers zu +entwischen. Sie haben weder An +hänglichkeit noch Erkenntlichkeit +für ihre Chefs; diese hängen mit +ihren Untergebnen durch kein Ge +fühl des Wohlwollens zusammen; sie +kennen sie nicht als Menschen, +sondern nur als Instrumente der +Production, welche +so viel als +möglich einbringen, und so wenig +Unkosten als möglich machen müs +sen. Diese Völkerschaften von Ar +beitern, mehr und mehr gedrängt, +haben selbst nicht die Sorglosigkeit, +immer angewandt zu sein; die Indu- + +5 + +sehn wir in den so zahlreich ge +wordenen grössern Actienunterneh- +mungen umfassende Combinationen +der Geldkräfte vieler Theilnehmen- +den mit den wissenschaftlichen und +technischen Kenntnissen und Fer +tigkeiten Anderer, welchen die Aus +führung der Arbeit übertragen ist. +Hierdurch den Capitalisten möglich, 1° +ihre Ersparnisse in mannigfachrer +Weise und wohl auch gleichzeitig auf +industrielle +landwirthschaftliche, +und commercielle Production zu +verwenden, wodurch ihr Interesse 15 +ein +gleichzeitig +vielseitigeres +||XVl| Gegensätze zwischen +wird, +den Interessen der Agricultur, Indu +strie und Handels sich mildern und +verschmelzen. Aber selbst diese 20 +erleichterte Möglichkeit, das Capital +in verschiedenster Weise nutz +bringend zu machen, muß den Ge +gensatz zwischen den bemittelten +und unbemittelten Klassen erhöhn." 25 +Schulz. I.e. p.40, 41. + +Ungeheurer Gewinn, den die +Hausvermiether von dem Elend +ziehn. D[er] loyer steht im umge +kehrten Verhältniß zum industriellen 30 +Elend. + +Ebenso Procente von den Lastern +der ruinirten Proletarier. (Prostitu +tion, Soff, prêteur sur gages) + +Die Accumulation der Capitalien 35 + +nimmt zu und ihre Concurrenz ab, +indem Capital und Grundbesitz sich +in einer Hand zusammenfinden, +ebenso +indem das Capital durch +seine Grösse befähigt wird, ver- 40 + +226 + + ί + +IV + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +schiedene Productionszweige +combiniren. + +zu + +Gleichgültigkeit + +d[en] +Menschen. Die 20 Lotterielose von +Smith. + +gegen + +Revenu net et brut von Say. | + +5 + +strie, welche sie zusammen berufen +hat, läßt sie nur leben, wenn sie ihrer +bedarf, und sobald sie sich derselben +entschlagen kann, verläßt sie diesel +ben ohne das mindeste Bedenken; +und die Arbeiter sind gezwungen, +ihre Person und ihre Kraft für den +Preiß, den man ihnen accordiren will, +10 anzubieten. Je mehr die Arbeit, die +man ihnen giebt, lang, peinlich, ekel +haft ist, um so weniger werden sie +bezahlt; man sieht welche, die mit +16stündiger Arbeit per Tag, beifort- +15 dauernder Anstrengung, kaum das +Recht erkaufen, nicht zu sterben. 1. c. +p. 68,69.1 + +|XV| «Nous avons la conviction +. .. partagée par les commissaires +20 chargés de l'enquête sur la condition +des tisserands à la main, que les +grandes villes +industrielles per +draient, en peu de temps, leur popu +lation de travailleurs, si elles ne re- +25 cevaient à chaque instant des cam +pagnes voisines des recrues conti +nuelles d'hommes sains, de sang +nouveau.» p. 3621. c. | + +30 + +[IV] + +Grundrente. + +/XI/ Allgemein schon verhalten sich grosses Grundeigenthum und kleines, +wie grosses und kleines Capital. Es kommen aber noch spezieüe Um +stände hinzu, welche die Accumulation des grossen Grundeigenthums +und die Verschlingung des kleinen durch dasselbe unbedingt herbeüüh- + +35 ren. I + +227 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Grundrente. + +|XIl| 1) nimmt nirgends mehr die verhältnißmässige Arbeiter und In +strumentenzahl mit der Grösse d[er] fonds ab, als beim Grundbesitz. Ebenso +nimmt nirgends mehr die Möglichkeit der allseitigen Ausbeutung, Ersparung +der Productionskosten und geschickte Arbeitstheilung mit der Grösse d[er] +fonds mehr zu, als beim Grundbesitz. Ein Acker mag so klein sein, wie er +will, die Arbeitsinstrumente, die er nöthig macht, wie Pflug, Säge etc. er +reichen eine gewisse Grenze, an der sie nicht mehr vermindert werden +können, während die Kleinheit des Grundbesitzes weit über diese Glänze +hinausgehn kann. + +2) Der grosse Grundbesitz accumulili sich die Zinsen, die das Capital des +Pächters auf die Verbesserung des Grund und Bodens angewandt hat. Der +kleine Grundbesitz muß sein eignes Capital anwenden. Für ihn fällt dieser +ganze Profit also weg. + +3) Während jede gesellschaftliche Verbesserung dem grossen Grund +eigenthum nüzt, schadet sie dem kleinen, weil sie ihm immer mehr baares +Geld nöthig macht. + +4) Es sind noch 2 wichtige Gesetze für diese Concurrenz zu betrachten: +α) Die Rente der Ländereien, die zur Produktion von Nahrungsmitteln +d[er] Menschen cultivirt werden, regelt die Rente der Mehrzahl der übrigen +angebauten Ländereien. Smith. L i, p.331. + +Nahrungsmittel, wie Vieh etc kann zulezt nur der grosse Grundbesitz +produciren. Er regelt also die Rente der übrigen Ländereien und kann sie +auf ein Minimum herabdrücken. + +Der kleine selbstarbeitende Grundeigenthümer befindet sich dann zu dem +grossen Grundeigenthümer in dem Verhältniß eines Handwerkers, der ein +eignes Instrument besizt, zu dem Fabrikherrn. Der kleine Grundbesitz ist +zum blossen Arbeitsinstrument geworden. //XVl/ Die Grundrente ver +schwindet ganz für den kleinen Grundbesitzer, es bleibt ihm höchstens der +Zins seines Capitals und sein Arbeitslohn; denn die Grundrente kann durch +die Concurrenz dahin getrieben werden, daß sie eben nur noch der Zins des +nicht selbst angelegten Capitals ist. + +ß) Wir haben übrigens schon gehört, daß bei gleicher Fruchtbarkeit und +gleichgeschickter Exploitation der Ländereien, Minen und Fischereien das +Product im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien steht. Also Sieg des +grossen Grundeigenthümers. Ebenso bei gleichen Capitalien im Verhältniß +zur Fruchtbarkeit. Also bei gleichen Capitalien siegt der Grundeigenthümer +des fruchtbareren Bodens. + +-y) „Man kann von einer Mine im Allgemeinen sagen, daß sie fruchtbar +oder unfruchtbar ist, je nachdem die Quantität des Minerals, welche aus ihr + +228 + + r + +IV + +Grundrente. + +durch eine gewisse Quantität Arbeit gezogen werden kann, grösser oder +kleiner ist, als dieselbe Quantität Arbeit aus der Mehrzahl der andren Minen +von derselben Art ziehen kann." 1.1, p. 345,46. Smith. „Der Preiß der frucht- +5 barsten Mine regelt den Preiß der Kohle für alle andern Minen der Nach +barschaft. Grundeigenthümer und Unternehmer finden beide, daß sie der +eine eine stärkere Rente, der andre einen stärkern Profit haben werden, wenn +sie die Sache niedriger als ihre Nachbarn verkaufen. Die Nachbarn sind nun +gezwungen zu demselben Preiß zu verkaufen, obgleich sie weniger dazu im +10 Stande sind und obgleich dieser Preiß sich immer mehr vermindert, und ihnen +manchmal die ganze Rente und den ganzen Profit fortnimmt. Einige Ex +ploitations finden sich dann ganz verlassen, andere tragen keine Rente mehr +und können nur weiter bearbeitet werden durch d[en] Grundeigenthümer +selbst." p. 350, 1.1. Smith. „Nach der Entdeckung der Minen von Pérou +15 wurden die meisten Silberminen von Europa aufgegeben.... Dasselbe ge +schah in Bezug auf die Minen von Cuba und St. Domingo, und selbst in Bezug +auf die alten Minen von Pérou nach der Entdeckung derer von Potosi." +p.353, t.I. Ganz dasselbe, was Smith hier von den Minen sagt, gilt mehr +oder weniger von dem Grundbesitz überhaupt. + +20 + +25 + +30 + +δ) „Es ist zu bemerken, daß immer der Preißcourant der Ländereien von +der couranten Taxe des Zinsfusses a b h ä n g t . .. fiele die Grundrente unter +den Geldzins um eine sehr starke Differenz, so würde niemand Länder +kaufen woUen, was bald wieder ihren Preißcourant zurückführen würde. Im +Gegentheü würden die Vortheüe der Grundrente den Geldzins viel mehr als +compensüen, so würde aüe Welt Länder kaufen woüen, was ebenfaus ihren +Courantpreiß bald wieder hersteüen würde." t. II, p. 367,68. Aus diesem +Verhältniß der Grundrente zum Geldzins folgt, daß die Grundrente immer +mehr faüen muß, sodaß zulezt nur noch die reichsten Leute von der +Grundrente leben können. Also die Concurrenz unter d[en] nichtverpach- +tenden Grundeigentümern immer grösser: Ruin eines Theüs derselben. +Abermaüge accumulation des großen Grundeigenthums. | + +|XVIl| Diese Concurrenz hat ferner zur Folge, daß ein grosser Theü des +Grundeigenthums in die Hände d[er] Capitaüsten f äüt und die Capitaüsten +so zugleich Grundeigenthümer werden, wie dann überhaupt schon die +35 kleineren Grundeigenthümer nur mehr Capitaüsten sind. Ebenso wüd ein + +Theü des grossen Grundeigenthums zugleich üidustrieü. + +Die lezte Folge ist also die Auflösung des Unterschieds zwischen Capitalist +und Grundeigenthümer, sodaß es also im Ganzen nur mehr 2 Klassen der +Bevölkerung giebt, die Arbeiterklasse und die Klasse d[er] Capitaüsten. +40 Diese Verschacherung des Grundeigenthums, die Verwandlung des Grund- + +229 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Grundrente. + +eigenthums in eine Waare ist der lezte Sturz der alten und die lezte Voll +endung der Geldaristokratie. + +1) Die sentimentalen Thränen, welche die Romantik hierüber weint, +theilen wir nicht. Sie verwechselt immer die Schändlichkeit, die in der +Verschacherimg der Erde liegt mit der ganz vernünftigen, innerhalb des +Privateigenthums nothwendigen und wünschenswerthen Consequenz, +welche in der Verschacherung des Privateigenthums an der Erde enthalten +ist. Erstens ist das feudale Grundeigenthum schon seinem Wesen nach die +verschacherte Erde, die d[em] Menschen entfremdete und daher in der 10. +Gestalt einiger weniger grossen Herrn ihm gegenübertretende Erde. + +5 + +Schon im Feudalgrundbesitz liegt die Herrschaft der Erde als einer frem +den Macht über d[en] Menschen. Der Leibeigene ist das Accidenz der Erde. +Ebenso gehört der Majoratsherr, der erstgeborne Sohn, der Erde. Sie erbt +ihn. Ueberhaupt fängt mit dem Grundbesitz die Herrschaft des Privat- 15 +eigenthums an, er ist seine Basis. Aber im feudalen Grundbesitz scheint +wenigstens der Herr als König des Grundbesitzes. Ebenso existirt noch der +Schein eines innigem Verhältnisses zwischen dem Besitzer und der Erde, +als das des blossen sachlichen Reichthums +ist. Das Grundstück in- +dividualisirt sich mit seinem Herrn, es hat seinen Rang, ist freiherrlich oder +gräflich mit ihm, hat seine Privilegien, seine Gerichtsbarkeit, sein politisches +Verhältniß etc. Es erscheint als der unorganische Leib seines Herrn. Daher +das Sprüchwort: nulle terre sans maître, worin das Verwachsensein der +Herrlichkeit und des Grundbesitzes ausgesprochen ist. Ebenso erscheint die +Herrschaft des Grundeigenthums nicht unmittelbar als Herrschaft des blos- +sen Capitals. Seine Zugehörigen stehn mehr zu ihm im Verhältniß ihres +Vaterlandes. Es ist eine engbrüstige Art von Nationalität. | + +20 + +25 + +|XVIIl| Ebenso giebt das feudale Grundeigenthum seinem Herrn den +Namen, wie ein Königreich seinem König. Seine Farniiiengeschichte, die +Geschichte seines Hauses etc. alles dieß individualisirt ihm den Grundbesitz 30 +und macht ihn f örmlich zu seinem Haus, zu einer Person. Ebenso haben die +Bearbeiter des Grundbesitzes nicht das Verhältniß von Taglöhnern, sondern +theils sind sie selbst sein Eigenthum, wie d[er] Leibeigne, theils stehn sie in +Respects, Unterthanen und Pflichtverhältniß zu ihm. Seine Stellung zu ihnen +ist daher unmittelbar politisch und hat ebenso eine gemüthliche Seite. Sitten, +Charakter etc ändert sich von einem Grundstück zum andern und scheint +mit der Parcelle eins, während später nur mehr der Beutel d[es] Menschen, +nicht sein Charakter, seine Individualität ihn auf das Grundstück bezieht. +Endlich sucht er nicht den möglichsten Vortheil von seinem Grundbesitz zu +ziehn. Vielmehr verzehrt er, was da ist und überläßt die Sorge des Her- 40 + +35 + +230 + + F + +IV + +Grundrente. + +beischaffens ruhig den Leibeignen und Pächtern. Das ist das adüge Ver +hältniß des Grundbesitzes, welches eine romantische Glorie auf seinen Herrn +wirft. + +5 + +10 + +Es ist nöthig, daß dieser Schein aufgehoben wird, daß das Grundeigen +thum, die Wurzel des Privateigenthums, ganz in die Bewegung des Privat +eigenthums hereingerissen und zur Waare wird, daß die Herrschaft des +Eigenthümers als die reine Herrschaft des Privateigenthums, des Capitals, +abgezogen von aller politischen Tinktur, erscheint, daß das Verhältniß +zwischen Eigenthümer und Arbeiter sich auf das Nationalökonomische +Verhältniß von Exploiteur und Exploitirtem reducirt, daß alles persönliche +Verhältniß des Eigenthümers mit seinem Eigenthum aufhört und dasselbe +zum nur sachlichen materiellen Reichthum wird, daß an die Stelle der +Ehrenehe mit der Erde die Ehe des Interesses tritt und die Erde ebenso zum +15 Schacherwerth herabsinkt, wie der Mensch. Es ist nothwendig, daß, was die +Wurzel des Grundeigenthums ist, der schmutzige Eigennutz, auch in seiner +cynischen Gestalt erscheint. Es ist nothwendig, daß das ruhende Monopol +in das bewegte und beunruhigte Monopol, die Concurrenz, der nichtsthuende +Genuß des fremden Blutschweisses in den vielgeschäftigen Handel mit +20 denselben umschlägt. Es ist endlich nothwendig, daß in dieser Concurrenz +das Grundeigenthum unter der Gestalt des Capitals seine Herrschaft sowohl +über die Arbeiterklasse als über die Eigenthümer selbst zeigt, indem die +Gesetze der Bewegung des Capitals sie ruiniren oder erheben. Damit tritt +dann an die Stelle des mittelaltrigen Sprichworts: nulle terre sans seigneur, + +25 das moderne Sprichwort: l'argent n'a pas de maître, worin die ganze Herr + +schaft der todtgeschlagnen Materie über d[en] Menschen ausgesprochen + +ist. J + +|XTX| 2) Was den Streit betrifft über Theüung oder Nichttheüung des + +Grundbesitzes, so ist folgendes zu bemerken. + +30 + +Die Theüung des Grundbesitzes verneint das grosse Monopol des Grund +eigenthums, hebt es auf, aber nur dadurch, daß sie dieses Monopol ver- +aügememert. Sie hebt den Grund des Monopols, das Privateigenthum, nicht +auf. Sie greift die Existenz aber nicht das Wesen des Monopols an. Die Folge +davon ist, daß sie den Gesetzen des Privateigenthums zum Opfer fäüt. Die +35 Theüung des Grundbesitzes entspricht nämüch der Bewegung der Con +industrieüem Gebiet. Ausser den nationalökonomischen +currenz auf +Nachtheüen dieser Theüung von Instrumenten und der voneinander ge +trennten Arbeit, (wohl zu unterscheiden von der Theüung der Arbeit; die +Arbeit wüd nicht unter viele vertheüt, sondern dieselbe Arbeit von je- +40 dem für sich betrieben, es ist eine Vervielfachung derselben Arbeit) schlägt + +231 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Grundrente. + +diese Theihmg, wie jene Concurrenz nothwendig wieder in Accumulation +um. + +Wo also die Theilung des Grundbesitzes stattfindet, bleibt nichts übrig, +als zum Monopol in noch gehässiger Gestalt zurückzukehren oder die +Theilung des Grundbesitzes selbst zu negiren \ aufzuheben. Das ist aber nicht +die Rückkehr zum Feudalbesitz, sondern die Aufhebung des Privateigen +thums an Grund und Boden überhaupt. Die erste Aufhebung des Monopols +ist immer seine Verallgemeinerung, die Erweiterung seiner Existenz. Die +Aufhebung des Monopols, welches seine möglichst breite und umfassende +Existenz erlangt hat, ist seine vollständige Vernichtung. Die Association, auf +Grund und Boden angewandt, theilt den Vortheil des grossen Grundbesitzes +in nationalökonomischer Hinsicht und realisirt erst die ursprüngliche Ten +denz der Theilung, nämlich die Gleichheit, wie sie denn auch auf eine ver +nünftige und nicht mehr durch Leibeigenschaft, Herrschaft und eine alberne +Eigenthumsmystik vermittelte Weise die gemüthliche Beziehung d[es] +Menschen zur Erde herstellt, indem die Erde aufhört, ein Gegenstand des +Schachers zu sein und durch die freie Arbeit und den freien Genuß wieder +ein wahres, persönliches Eigenthum d[es] Menschen wird. Ein grosser +Vortheil der Theilung ist, daß seine Masse, in andrer Weise als die Industrie, +am Eigenthum zu Grunde geht, eine Masse, welche nicht mehr zur Knecht +schaft sich entschliessen kann. + +Was den grossen Grundbesitz angeht, so haben seine Vertheidiger immer +auf eine sophistische Weise die nationalökonomischen Vortheile, welche die +Agricultur +im Grossen darbietet, mit dem grossen Grundeigenthum +identificirt, als wenn dieser Vortheil nicht eben erst durch die Aufhebung +des Eigenthums theils seine ||XX| möglichst grosse Ausdehnung erhielte, +theils erst von socialem Nutzen würde. Ebenso haben sie den Verschache- +rungsgeist des kleinen Grundbesitzes angegriffen, als wenn nicht der grosse +Grundbesitz selbst schon in seiner feudalen Form, den Schacher in sich latent +enthielte, gar nicht zu Reden von der modernen englischen Form, wo +Feudalismus d[es] Grundherrn und Industrieschacher des Pächters verbun +den sind. + +Wie das grosse Grundeigenthum den Vorwurf des Monopols, den ihm die +Theilung des Grundbesitzes macht, zurückgeben kann, da auch die Theilung +auf dem Monopol des Privateigenthums basirt, so kann die Theilung des +Grundbesitzes dem grossen Grundbesitz den Vorwurf der Theilung zurück +geben, denn auch hier herrscht die Theilung, nur in starrer festgefrorner +Form. Ueberhaupt beruht ja das Privateigenthum auf dem Getheiltsein. + +Uebrigens, wie die Theilung des Grundbesitzes zum grossen Grundbesitz + +232 + + F + +i + +IV + +Grundrente. + +als Capitalreichthum zurückführt, so muß das feudale Grundeigenthum +nothwendig zur Theüung f ortgehn oder wenigstens in die Hände d[er] Ca +pitaüsten f aUen, es mag sich drehn oder wenden, wie es will. + +5 + +Denn das grosse Grundeigenthum, wie in England, treibt die überwiegende +Mehrzahl der Bevölkerung der Industrie in die Arme und reducirt seme +eignen Arbeiter auf völliges Elend. Es erzeugt und vergrössert also die Macht +seines Feindes, des Capitals, d[er] Industrie, indem es Arme und eine vöüige +und ganze Thätigkeit des Landes auf die andre Seite wirft. Es macht die +10 Majorität des Landes industrieü, also zum Gegner des grossen Grund +eigenthums. Hat die Industrie nun eine hohe Macht erreicht, wie jezt in +England, so zwingt sie nach und nach dem grossen Grundeigenthum seine +Monopole gegen d[as] Ausland ab und wirf t es in die Concurrenz mit dem +Grundbesitz des Auslandes. Unter der Herrschaft der Industrie konnte das +15 Grundeigenthum nämüch seme feudale Grösse nur durch Monopole gegen +das Ausland sichern, um sich so vor den aUgemeinen Gesetzen des Handels, +die seinem Feudalwesen widersprechen, zu schützen. Einmal in die Con +currenz geworfen, folgt es den Ciesetzen der Concurrenz, wie jede andre +Waare, die ihr unterworfen ist. Es wüd eben so schwankend, ab und zu- +20 nehmend, aus einer Hand in die andre fliegend und kern Gesetz kann es mehr +in wenigen prädestinüten Händen erhalten. ||XXl| Die unmittelbare Folge +ist Zerspütterung in viele Hände, jedenfaUs AnheimfaU an die Macht der +mdustrieUen Capitaüen. + +Endlich führt der grosse Grundbesitz, welcher dergestalt gewaltsam er- +25 halten worden ist und neben sich eine furchtbare Industrie erzeugt hat, noch +schneUer zur Krise, wie die Theüung des Grundbesitzes, neben welcher die +Macht der Industrie immer v[on] zweitem Rang bleibt. + +Der grosse Grundbesitz hat, wie wü in England sehn, seinen feudalen +Charakter schon insofern abgelegt und einen industrieUen Charakter an- +30 genommen, als er möglichst viel Geld machen will. Er [gibt] d[em] Eigen +thümer die mögüchste Grundrente, d[em] Pächter den mögüchsten Profit von +seinem Capital. Die Landarbeiter sind daher bereits auf das Minimum re +ducirt und die Pächterklasse vertritt schon innerhalb des Grundbesitzes die +Macht der Industrie und des Capitals. Durch die Concurrenz mit dem +35 Ausland hört die Grundrente größtentheils auf ein selbstständiges Einkom +men büden zu können. Ein grosser Theü der Grundeigenthümer muß an die +SteUe der Pächter treten, die auf diese Weise theüweise zum Proletariat +herabsinken. Andrerseits werden sich auch viele Pächter dès Grundeigen +thums bemächtigen, denn die grossen Eigenthümer, die bei ihrer bequemen +40 Revenu sich größtentheüs der Verschwendung ergeben haben und meistens + +233 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Grundrente. + +auch unbrauchbar zur Leitung der Agrikultur im Grossen sind, besitzen +theilweise weder Capital noch Befähigung, um den Grund und Boden zu +exploitiren. Also auch ein Theil von diesen wird vollständig ruinirt. Endlich +muß der auf ein Minimum reducirte Arbeitslohn noch mehr reducirt werden, +um die neue Concurrenz zu bestehn. Das führt dann nothwendig zur Re +volution. + +5 + +Das Grundeigenthum mußte sich auf jede der beiden Weisen entwickeln, +um in beiden seinen nothwendigen Untergang zu erleben, wie auch die +Industrie in der Form des Monopols und in der Form der Concurrenz sich 10 +ruiniren mußte, um an d[en] Menschen glauben zu lernen. I + +[V] + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +|XXIl| Wir sind ausgegangen von den Voraussetzungen der Nationalökono +mie. Wir haben ihre Sprache und ihre Gesetze acceptirt. Wir unterstellten 15 +das Privateigenthum, die Trennung von Arbeit, Capital und Erde, ebenso +von Arbeitslohn, Profit des Capitals und Grundrente, wie die Theilung der +Arbeit, die Concurrenz, den Begriff des Tauschwerthes etc. Aus der Na +tionalökonomie selbst, mit ihren eignen Worten, haben wir gezeigt, daß der +Arbeiter zur Waare und zur elendsten Waare herabsinkt, daß das Elend des 20 +Arbeiters im umgekehrten Verhältniß zur Macht und zur Grösse seiner +Production steht, daß das nothwendige Resultat der Concurrenz die Accu +mulation des Capitals in wenigen Händen, also die fürchterlichere Wieder +herstellung des Monopols ist, daß endlich der Unterschied von Capitalist +und Grundrentner, wie von Ackerbauer und Manuf acturarbeiter verschwin- 25 +det und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigenthümer und +Eigenthumslosen Arbeiter zerfallen muß. + +Die Nationalökonomie geht vom Factum des Privateigenthums aus. Sie +erklärt uns dasselbe nicht. Sie faßt den materiellen Prozeß des Privat +eigenthums, den es in der Wirklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte 30 +Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begretft diese Gesetze nicht, +d.h. sie zeigt nicht nach, wie sie aus dem Wesen des Privateigenthums +hervorgehn. Die Nationalökonomie giebt uns keinen Aufschluß über den +Grund der Theilung von Arbeit und Capital, von Capital und Erde. Wenn +sie z. B. das Verhältniß des Arbeitslohns zum Profit des Capitals bestimmt, 35 + +234 + + ν + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +5 + +so gilt ihr als lezter Grund das Interesse d[es] Capitaüsten; d. h. sie unterstellt, +was sie entwickeln soü. Ebenso kömmt überaü die Concurrenz hinein. Sie +wird aus äusseren Umständen erklärt. Inwiefern diese äusseren, scheinbar +zufälügen Umstände, nur der Ausdruck einer nothwendigen Entwicklung +sind, darüber lehrt uns die Nationalökonomie nichts. Wir haben gesehn, wie +ihr der Austausch selbst als ein zufälÜges Factum erscheint. Die einzigen +Räder, die der Nationalökonom in Bewegung sezt, sind die Habsucht und +der Krieg unter den Habsüchtigen, die Concurrenz. / + +1 o |Eben weil die Nationalökonomie den Zusammenhang der Bewegung nicht +begreift, darum konnte sich ζ. B. die Lehre von der Concurrenz der Lehre +vom Monopol, die Lehre von der Gewerbfreiheit der Lehre von der Cor­ +poration, die Lehre von der Theüung des Grundbesitzes der Lehre vom +grossen Grundeigenthum wieder entgegensteüen, denn Concurrenz, Ge +is werbfreiheit, Theüung des Grundbesitzes waren nur als zufälüge, absicht +liche, gewaltsame, nicht als nothwendige, unvermeidliche, natürliche Con +sequenzen des Monopols, der Corporation und des Feudaleigenthums ent +wickelt und begriffen. + +Wü haben also jezt den wesentlichen Zusammenhang zwischen dem +20 Privateigenthum, der Habsucht, der Trennung von Arbeit, Capital und +Grundeigenthum, von Austausch und Concurrenz, von Werth und Ent- +werthung d[es] Menschen, von Monopol und Concurrenz etc., von dieser +ganzen Entfremdung mit dem Geld system zu begreifen. + +25 + +Versetzen wü uns nicht wie der Nationalökonom, wenn er erklären will, +in einen erdichteten Urzustand. Ein solcher Urzustand erklärt nichts. Er +schiebt blos die Frage in eine graue, nebelhafte Ferne. Er unterstem: in der +Form der Thatsache, des Ereignisses, was er deducüen soü, nämüch das +nothwendige Verhältniß zwischen zwei Dingen, ζ. B. zwischen Theüung der +Arbeit und Austausch. So erklärt d[er] Theologe den Ursprung des Bösen +30 durch den Sündenf aü, d. h. er untersteüt als ein Factum, in der Form der + +Geschichte, was er erklären soü. + +Wü gehn von einem Nationalökonomischen, gegenwärtigen Factum + +aus. + +35 + +Der Arbeiter wüd um so ärmer, je mehr Reichthum er producüt, je mehr +seine Production an Macht und Umfang zunimmt. Der Arbeiter wüd eine +um so wohlfeüere Waare, je mehr Waaren er schafft. Mit der Verwerthung +der Sachenwelt, nimmt die Entwerthung der Menschenwelt in düektem +Verhältniß zu. Die Arbeit producüt nicht nur Waaren; sie producüt sich +selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare und zwar in dem Verhältniß, in + +40 welchem sie überhaupt Waaren producüt. + +235 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Profit des Capitals. + +Grundrente. + +Dieß Factum drückt weiter nichts aus, als: Der Gegenstand, den die Arbeit +producirt, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von d[em] +Producenten unabhängige Macht gegenüber. Das Product der Arbeit ist die +Arbeit, die sich in einem Gegenstand f ixirt, sachlich gemacht hat, es ist die 5 +Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre +VergegenständU||chung. Diese Verwirkhchung der Arbeit erscheint in dem +nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Ver +gegenständlichung als Verlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter +dem Gegenstand, die Aneignung als Entfremdung, als Entäusserung. + +10 + +Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, daß +der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht wird. Die Vergegenständ +lichung erscheint so sehr als Verlust des Gegenstandes, daß der Arbeiter der +nothwendigsten Gegenstände, nicht nur des Lebens, sondern auch der +Arbeitsgegenstände beraubt ist. Ja die Arbeit selbst wird zu einem Gegen- +stand, dessen er nur mit der größten Anstrengung und mit den unregelmäs- +sigsten Unterbrechungen sich bemächtigen kann. Die Aneignung des Gegen +standes erscheint so sehr als Entfremdung, daß je mehr Gegenstände der +Arbeiter producirt, er um so weniger besitzen kann und um so mehr unter +die Herrschaft seines Products, des Capitals, geräth. + +In der Bestimmung, daß der Arbeiter zum Product seiner Arbeit als einem +fremden Gegenstand sich verhält, hegen alle diese Consequenzen. Denn es +ist nach dieser Voraussetzung klar. Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, +um so mächtiger wird die fremde, gegenständliche Welt, die er sich gegen +über schafft, um so ärmer wird er selbst, seine innre Welt, um so weniger +gehört ihm zu eigen. Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in +Gott sezt, je weniger behält er in sich selbst. Der Arbeiter legt sein Leben +in den Gegenstand; aber nun gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Gegen +stand. Je grösser also diese Thätigkeit, um so gegenstandsloser ist der Ar +beiter. Was das Produkt seiner Arbeit ist ist er nicht. Je grösser also dieß +Produkt, je weniger ist er selbst. Die Entäusserung des Arbeiters in seinem +Produkt hat die Bedeutung, nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, +zu einer äussern Existenz wird, sondern daß sie ausser ihm, unabhängig, +fremd von ihm existirt und eine selbstständige Macht ihm gegenüber wird, +daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehn hat, ihm feindlich und fremd +gegenübertritt. | + +|XXIIl| Betrachten wir nun näher die Vergegenständlichung, die Pro +duction des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegen +standes, seines Products. + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +Der Arbeiter kann nichts schaffen ohne die Natur, ohne die sinnliche + +40 + +236 + + ν + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +5 + +10 + +Aussenwelt. Sie ist der Stoff, an welchem sich seine Arbeit verwirklicht, in +welchem sie thätig ist, aus welchem und mittelst welchem sie producirt. + +Wie aber die Natur d[as] Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, +daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausge +übt wird, so bietet sie andrerseits auch d[as] Lebensmittel in dem engern +Sinn dar, nämlich d[as] Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters +selbst. + +Je mehr also der Arbeiter sich die Aussenwelt, die sinnliche Natur durch +seine Arbeit sich aneignet, um so mehr entzieht er sich Lebensmittel nach +der doppelten Seite hin, erstens daß immer mehr die sirmliche Aussenwelt +aufhört, ein seiner Arbeit angehöriger Gegenstand, ein Lebensmittel seiner +Arbeit zu sein; zweitens, daß sie immer mehr aufhört Lebensmittel im +unmittelbaren Sinn, Mittel für die physische Subsistenz des Arbeiters zu + +15 sein. + +20 + +25 + +Nach dieser doppelten Seite hin wird der Arbeiter also ein Knecht seines +Gegenstandes, erstens daß er einen Gegenstand der Arbeit, d. h. daß er Arbeit +erhält und zweitens daß er Subsistenzmittel erhält. Erstens also daß er als +Arbeiter und zweitens, daß er als physisches Subjekt existiren kann. Die +Spitze dieser Knechtschaft ist, daß er nur mehr als Arbeiter sich als phy +sisches Subjekt erhalten [kann] und nur mehr als physisches Subjekt Arbeiter +ist. + +(Die Entfremdung des Arbeiters in seinem Gegenstand drückt sich nach +nationalökonomischen Gesetzen so aus, daß je mehr der Arbeiter producirt, +er um so weniger zu consummiren hat, daß je mehr Werthe er schafft, er +um so werthloser und so unwürdiger wird, daß je geformter sein Produkt um +so mißförmiger der Arbeiter, daß je civilisirter sein Gegenstand um so +barbarischer der Arbeiter, daß um so mächtiger die Arbeit, um so ohn +mächtiger der Arbeiter wird, daß je geistreicher die Arbeit um so mehr + +30 geistloser und Naturknecht der Arbeiter wird.) | + +35 + +\Die Nationalökonomie verbirgt die Entfremdung in dem Wesen der +Arbeit dadurch, daß sie nicht das u n m i t t e l b a re Verhältniß zwischen dem +A r b e i t e r, +(der Arbeit) und der Production betrachtet. Allerdings. Die +Arbeit producirt Wunderwerke für d[en] Reichen, aber sie producirt Ent- +blössung für d[en] Arbeiter. Sie producirt Paläste, aber Höhlen für d[en] +Arbeiter. Sie producirt Schönheit, aber Verkrüppelung für d[en] Arbeiter. +Sie ersezt die Arbeit durch Maschinen, aber sie wirf t einen Theü der Arbeiter +zu einer barbarischen Arbeit zurück und macht den andren Theü zur Má +senme. Sie producüt Geist, aber sie producüt Blödsinn, Cretüüsmus für d[en] + +40 Arbeiter. + +237 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +Das unmittelbare Verhältniß der Arbeit zu ihren Producten ist das Ver +hältniß des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Production. Das Verhält +niß d[es] Vermögenden zu den Gegenständen der Production und zu ihr +selbst ist nur eine Consequenz dieses ersten Verhältnisses. Und bestätigt es. +Wir werden diese andre Seite später betrachten. Wenn wir also fragen: +Welches ist das wesentliche Verhältniß der Arbeit, so fragen wir nach dem +Verhältniß des Arbeiters zur Production. + +Wir haben bisher die Entfremdung, die Entäusserung des Arbeiters nur +nach der einen Seite hin betrachtet, nämlich sein Verhältniß zu den Pro- +dukten seiner Arbeit. Aber die Entfremdung zeigt sich nicht nur im Resultat, +sondern im Akt der Produktion, +innerhalb der producirenden Thätigkeit +selbst. Wie würde d[em] Arbeiter d[as] Produkt seiner Thätigkeit fremd +gegenübertreten können, wenn er im Akt der Production selbst sich nicht +sich selbst entfremdete? Das Product ist ja nur das Resumé der Thätigkeit, +d[er] Production. Wenn also das Product der Arbeit die Entäusserung ist, +so muß die Production selbst die thätige Entäusserung, die Entäusserung der +Thätigkeit, die Thätigkeit der Entäusserung sein. In der Entfremdung des +Gegenstandes der Arbeit resumirt sich nur die Entfremdung, die Entäus +serung in der Thätigkeit der Arbeit selbst. + +5 + +10 + +15 + +20 + +Worin besteht nun die Entäusserung der Arbeit? +Erstens, daß die Arbeit dem Arbeiter äusserlich ist, d. h. nicht zu seinem +Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern +verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und +geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist 25 +ruinirt. Der Arbeiter fühlt sich daher erst ausser der Arbeit bei sich und in +der Arbeit ausser sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet und wenn er +arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern +gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Be +dürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse ausser ihr zu || be- +friedigen. Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer +oder sonstiger Zwang existirt, die Arbeit als eine Pest geflohen wird. Die +äusserliche Arbeit, die Arbeit, in welcher der Mensch sich entäussert, ist eine +Arbeit der Selbstaufopferung, der Kasteiung. Endlich erscheint die Aüs- +serhchkeit der Arbeit für den Arbeiter darin, daß sie nicht sein eigen, sondern 35 +eines andern ist, daß sie ihm nicht gehört, daß er in ihr nicht sich selbst, +sondern einem andern angehört. Wie in der Religion die Selbstthätigkeit der +menschlichen Phantasie, des menschlichen Hirns und des menschlichen +Herzens unabhängig vom Individuum, d. h. als eine fremde, göttüche oder +teuflische Thätigkeit auf es wirkt, so ist die Thätigkeit des Arbeiters nicht + +30 + +40 + +238 + + ν + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +seine Selbsttätigkeit. Sie gehört einem andern, sie ist der Verlust seiner +selbst. + +Es kömmt daher zu dem Resultat, daß der Mensch, (d[er] Arbeiter) nur +5 mehr in seinen thierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höch +stens noch Wohnung, Schmuck, etc. sich als freithätig fühlt, und in seinen +menschlichen Funktionen nur mehr als Thier. Das Thierische wird das +Menschliche und das Menschliche das Thierische. + +10 + +Essen, Trinken und Zeugen etc. sind zwar auch echt menschliche Funk- +tionen. In der Abstraktion aber, die sie von dem übrigen Umkreis mensch +licher Thätigkeit trennt und zu lezten und aüeüügen Endzwecken macht, sind +sie thierisch. + +Wü haben den Akt der Entfremdung der praktischen menschlichen +Thätigkeit, d. Arbeit, nach zwei Seiten hin betrachtet. 1) Das Verhältniß des +15 Arbeiters zum Product der Arbeit als fremden und über um mächtigen +Gegenstand. Dieß Verhältniß ist zugleich das Verhältniß zur sinnüchen +Aussenwelt, zu den Naturgegenständen als einer fremden ihm feindlich +gegenüberstehenden Welt. 2) Das Verhältniß der Arbeit zum Akt der Pro +duction, innerhalb der Arbeit. Dieß Verhältniß ist das Verhältniß des Ar- +20 betters zu seiner eignen Thätigkeit als einer fremden, ihm nicht angehörigen, +d[ie] Thätigkeit als Leiden, d[ie] Kraft als Ohnmacht, d[ie] Zeugung als +Entmannung. Die eigne physische und geistige Energie des Arbeiters, sein +persönliches Leben, — denn was ist Leben als Thätigkeit — als eme wider +ihn selbst gewendete, von ihm unabhängige, ihm nicht gehörige Thätigkeit. + +25 Die Selbstentfremdung, wie oben die Entfremdung der Sache. \ + +|XXrV| Wü haben nun noch eme dritte Bestimmung der entfremdeten + +Arbeit aus den beiden bisherigen zu ziehn. + +30 + +Der Mensch ist ein Gattungswesen, nicht nur indem er praktisch und +theoretisch die Gattung, sowohl seine eigne als die der übrigen Dinge zu +seinem Gegenstand macht, sondern — und dieß ist nur ein andrer Ausdruck +für dieselbe Sache — sondern auch indem er sich zu sich selbst als der +gegenwärtigen, lebendigen Gattung verhält, indem er sich zu sich als einem +universellen, darum freien Wesen verhält. + +Das Gattungsleben, sowohl beim Menschen als beim Thier, besteht + +35 physisch einmal darin, daß der Mensch (wie das Thier), von der unorga +nischen Natur lebt, und um so universeüer der Mensch als das Thier, um so +universeüer ist der Bereich der unorganischen Natur, von der er lebt. Wie +Pflanzen, Thiere, Sterne, Luft, Licht etc. theoretisch einen Theü des +menschüchen Bewußtseins, theüs als Gegenstände der Naturwissenschaft, +theüs als Gegenstände der Kunst büden — seme geistige unorganische Natur, + +40 + +239 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +geistige Lebensmittel, die er erst zubereiten muß zum Genuß und zur Ver +dauung — so bilden sie auch praktisch einen Theil des menschlichen Lebens +und der menschlichen Thätigkeit. Physisch lebt der Mensch nur von diesen +Naturprodukten, mögen sie nun in der Form der Nahrung, Heitzung, Klei +dung, Wohnung etc. erscheinen. Die Universalität des Menschen erscheint +praktisch eben in der Universalität, die die ganze Natur zu seinem un +organischen Körper macht, sowohl insofern sie 1) ein unmittelbares Lebens +mittel, als inwiefern sie d. Gegenstand \ Materie und das Werkzeug seiner +Lebensthätigkeit ist. Die Natur ist der unorganische Leib d[es] Menschen, +nämlich die Natur, so weit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der +Mensch lebt von der Natur, heißt: die Natur ist sein Leib, mit dem er in +beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische +und geistige Leben d[es] Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat +keinen andern Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn +der Mensch ist ein Theil der Natur. + +Indem die entfremdete Arbeit dem Menschen 1) die Natur entfremdet, 2) + +sich selbst, seine eigne thätige Funktion, seine Lebensthätigkeit, so + +entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungs +leben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das +Gattungsleben und das individuelle Leben und zweitens macht sie das leztere +in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten +und entfremdeten Form. + +Denn erstens erscheint d[em] Menschen die Arbeit, die Lebensthätigkeit, +das produktive Leben selbst nur als ein Mittel zur Befriedigung eines Be +dürfnisses, des Bedürfnisses der Erhaltung der physischen Existenz. Das +produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende +Leben. In der Art der Lebensthätigkeit liegt der ganze Charakter einer +species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Thätigkeit ist der +Gattungscharakter || d[es] Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als +Lebensmittel. + +Das Thier ist unmittelbar eins mit seiner Lebensthätigkeit. Es unter +scheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebens +thätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. +Er hat bewußte Lebensthätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er +unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet +d[en] Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur +dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein Bewußtes Wesen, d. h. +sein eignes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. +Nur darum ist seine Thätigkeit freie Thätigkeit. Die Entfremdete Arbeit kehrt + +240 + + ν + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +das Verhältniß dahin um, daß der Mensch eben, weü er ein bewußtes Wesen +ist, seme Lebensthätigkeit, sein Wesen nur zu einem Mittel für seme Existenz +macht. + +5 + +10 + +Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitungder +unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten +Gattungswesens, d. h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem +eignen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar producüt auch +das Thier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise +etc. AUein es producüt nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges +bedarf; es producüt einseitig, während der Mensch universeU producüt; es +producüt nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürf +nisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfniß producüt +und erst wahrhaft producüt, in der Freiheit von demselben; es producüt nur +sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproducirt; sein Product +gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei +seinem Product gegenübertritt. Das Thier formirt nur nach dem Maaß und +dem Bedürfniß der species, der es angehört, während der Mensch nach dem +Maaß jeder species zu producüen weiß und überaü das inhärente Maaß dem +20 Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formirt daher auch nach den + +15 + +Gesetzen der Schönheit. + +25 + +30 + +Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der +Mensch daher erst wüküch als Gattimgswesen. Diese Production ist sein +Werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk +und seine Wüküchkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegen +ständlichung des Gattungslebens des Menschen; indem er sich nicht nur, wie +im Bewußtsein, üiteUektueU, sondern werkthätig, wüküch verdoppelt, und +sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher +die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Production +entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seme wükliche Gattungs- +gegenständüchkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Thier in den +Nachtheü, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wüd. + +Ebenso indem die entfremdete Arbeit die Selbstthätigkeit, die freie +Thätigkeit zum Mittel herabsezt, macht sie das Gattungsleben des Menschen + +35 zum Mittel seiner physischen Existenz. | + +I Das Bewußtsein, welches der Mensch von seiner Gattung hat, verwandelt +sich durch die Entfremdung also dahin, daß das Gattungsl[eben] ihm zum +Mittel wüd. + +Die entfremdete Arbeit macht also: + +40 + +3) das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur, als sein geistige[s] + +241 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +fremden Wesen, zum Mittel seiner +Gattungsvermögen zu einem +individuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eignen Leib, +wie die Natur ausser ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches +Wesen. + +ihm + +5 + +4) Eine unmittelbare Consequenz davon, daß der Mensch dem Product +seiner Arbeit, seiner Lebensthätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet +ist, ist die Entfremdung d[es] Menschen von d[em] Menschen. Wenn der +Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegen +über. Was von dem Verhältniß des Menschen zu seiner Arbeit, zum Product 10 +seiner Arbeit und zu sich selbst, das gilt von dem Verhältniß d[es] Menschen +zum andern Menschen, wie zu der Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit +d[es] andern Menschen. + +Ueberhaupt der Satz, daß dem Menschen sein Gattungswesen entfremdet +ist, heißt daß ein Mensch d[em] andern, wie jeder von ihnen dem mensch- 15 +liehen Wesen entfremdet ist. + +Die Entfremdung d[es] Menschen, überhaupt jedes V[er]hältniß, in dem +der Mensch zu sich selbst steht[,] ist erst verwirklicht, drückt sich aus in dem +Verhältniß, in welchem der Mensch zu d[em] andern Menschen steht. + +Also betrachtet in dem Verhältniß der entf remdetefn] Arbeit jeder Mensch 20 + +d[en] andern nach dem Maaßstab und dem Verhältniß in welchem er selbst, +als Arbeiter sich befindet. | + +|XXV| Wir gingen aus von einem nationalökonomischen factum, d[er] +Entfremdung des Arbeiters und seiner Production. Wir haben den Begriff +dieses factums ausgesprochen, die entfremdete, entäusserte Arbeit. Wir +haben diesen Begriff analysirt, also blos ein nationalökonomisches factum +analysirt. + +25 + +Sehn wir nun weiter, wie sich der Begriff der entfremdeten, entäusserten + +Arbeit in der Wirklichkeit aussprechen und darstellen muß. + +Wenn das Produkt der Arbeit mir fremd ist, mir als fremde Macht gegen- 30 + +übertritt, wem gehört es dann? + +Wenn meine eigne Thätigkeit nicht mir gehört, eine fremde, eine + +erzwungne Thätigkeit ist, wem gehört sie dann? + +Einem andern Wesen als mir. +Wer ist dieß Wesen? +Die Götter? Allerdings erscheint in den ersten Zeiten die Hauptproduk +tion, wie ζ. B. der Tempelbau etc in Aegypten, Indien, Mexiko, sowohl im +Dienst der Götter, wie auch das Product den Göttern gehört. Allein die Götter +allein waren nie die Arbeitsherrn. Ebensowenig die Natur. Und welcher +Widerspruch wäre es auch, daß je mehr der Mensch die Natur durch seine 40 + +35 + +242 + + ν + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +Arbeit sich unterwirft, je mehr die Wunder der Götter überflüssig werden +durch die Wunder der Industrie, der Mensch diesen Mächten zu lieb auf die +Freude an der Production und auf den Genuß des Productes verziehten +sollte. + +5 + +Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Product der Arbeit gehört, in +dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Product der Arbeit steht, +kann nur der Mensch selbst sein. + +Wenn das Product der Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, eine fremde +10 Macht ihm gegenüber ist, so ist dieß nur dadurch möglich, daß es einem +andern Menschen ausser dem Arbeiter gehört. Wenn seine Thätigkeit ihm +Qual ist, so muß sie einem andern Genuß und die Lebensfreude eines andern +sein. Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese +fremde Macht über d[en] Menschen sein. + +15 + +Man bedenke noch den vorher aufgestellten Satz, daß das Verhältniß des +Menschen zu sich selbst ihm erst gegenständlich, wirklich ist durch sein +Verhältniß zu d[em] andern Menschen. || Wenn er sich also zu dem Product +seiner Arbeit, zu seiner vergegenständlichten Arbeit als einem fremden, +feindlichen, mächtigen, von ihm unabhängigen Gegenstand verhält, so ver- +20 hält er sich zu ihm so, daß ein anderer, ihm fremder, f eindlicher, mächtiger, +von ihm unabhängiger Mensch der Herr dieses Gegenstandes ist. Wenn er +sich zu seiner eignen Thätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich +zu ihr als der Thätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und +dem Joch eines andern Menschen. + +25 + +Jede Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur erscheint +in dem Verhältniß, welches er sich und der Natur zu andern, von ihm unter +schiednen Menschen giebt. Daher die religiöse Selbstentfremdung nothwen +dig in dem Verhältniß des Laien zum Priester erscheint, oder auch, da es sich +hier von der intellektuellen Welt handelt, zu einem Mittler etc. In der +30 praktischen wirklichen Welt kann die Selbstentfremdung nur durch das +praktische wirkliche Verhältniß zu andern Menschen erscheinen. Das Mittel, +wodurch die Entfremdung vorgeht, ist selbst ein praktisches. Durch die +entfremdete Arbeit erzeugt der Mensch also nicht nur sein Verhältniß zu dem +Gegenstand und dem Akt der Produktion als fremden und ihm feindlichen +35 Menschen; er erzeugt auch das Verhältniß in welchem andre Menschen zu +seiner Production und seinem Product stehn und das Verhältniß, in welchem +er zu diesen andern Menschen steht. Wie er seine eigne Production zu seiner +Entwirklichung, zu seiner Strafe, wie er sein eignes Product zu dem Verlust, +zu einem ihm nicht gehörigen Product, so erzeugt er die Herrschaft dessen, +40 der nicht producirt, auf die Production und auf das Product. Wie er seine + +243 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +eigne Thätigkeit sich entfremdet, so eignet er dem Fremden die ihm nicht +eigne Thätigkeit an. + +Wir haben bis jezt das Verhältniß nur von Seiten des Arbeiters, wir werden + +es später auch von Seiten des NichtArbeiters betrachten. + +Also durch die entfremdete, entäusserte Arbeit erzeugt der Arbeiter das +Verhältniß eines der Arbeit fremden und ausser ihr stehenden Menschen zu +dieser Arbeit. Das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit erzeugt das Verhältniß +d[es] Capitalisten zu derselben oder wie man sonst den Arbeitsherrn nennen +will. + +Das Privateigenthum ist also das Produkt, das Resultat, die nothwendige +Consequenz d[er] entäusserten Arbeit, des äusserlichen Verhältnisses des +Arbeiters || zu der Natur und zu sich selbst. + +5 + +10 + +Das Privateigenthum ergiebt sich also durch Analyse aus dem Begriff der +entäusserten Arbeit, d.i. d[es] entäusserten Menschen, der entfremdeten +Arbeit, des entfremdeten Lebens, d[es] entfremdeten Menschen. + +15 + +Wir haben allerdings den Begriff der entäusserten Arbeit, (des entäus +serten Lebens) aus der Nationalökonomie als Resultat aus der Bewegung +des Privateigenthums gewonnen. Aber es zeigt sich bei Analyse dieses +Begriffes, daß, wenn das Privateigenthum als Grund, als Ursache der ent- 20 +äusserten Arbeit erscheint, es vielmehr eine Consequenz der selben ist, wie +auch die Götter ursprünglich nicht die Ursache, sondern die Wirkung der +menschlichen Verstandesverirrung sind. Später schlägt dieß Verhältniß in +Wechselwirkung um. + +Erst auf dem lezten Culminationspunkt der Entwicklung des Privat- 25 + +eigenthums tritt dieses sein Geheimniß wieder hervor, nämlich, einerseits, +daß es das Produkt der entäusserten Arbeit und zweitens daß es das Mittel +ist, durch welches sich die Arbeit entäussert, die Realisation dieser Ent +äusserung. + +Diese Entwicklung giebt sogleich Licht über verschiedne bisher ungelöste + +30 + +Collisionen. + +1) Die Nationalökonomie geht von der Arbeit als der eigentlichen Seele +der Production aus und dennoch giebt sie der Arbeit nichts und dem Privat +eigenthum Alles. Proudhon hat aus diesem Widerspruch zu Gunsten der +Arbeit wider das Privateigenthum geschlossen. Wir aber sehn ein, daß dieser 35 +scheinbare Widerspruch der Widerspruch der entfremdeten Arbeit mit sich +selbst ist, und daß die Nationalökonomie nur die Gesetze der entfremdeten +Arbeit ausgesprochen hat. + +Wir sehn daher auch ein, daß Arbeitslohn und Privateigenthum identisch +sind: denn der Arbeitslohn, wo das Product, der Gegenstand der Arbeit die 40 + +244 + + r + +ν + +5 + +io + +15 + +20 + +25 + +30 + +Arbeitslohn. + +Grundrente. + +Capitalgewinn. + +Arbeit selbst besoldet, ist nur eine nothwendige Consequenz von der Ent­ +fremdung der Arbeit, wie denn im Arbeitslohn auch die Arbeit nicht +als Selbstzweck, sondern als der Diener des Lohns erscheint. Wir werden +dieß später ausführen und ziehen jezt nur noch einige Conse||[XX]Vl|[que]n- +zen. + +Eine gewaltsame Erhöhung des Arbeitslohns, (von allen andern Schwierig +keiten abgesehn, abgesehn davon, daß sie als eine Anomalie auch nur ge +waltsam aufrecht zu erhalten wäre) wäre also nichts als eine bessere Sa +larirung d[es] Sklaven und hätte weder dem Arbeiter, noch der Arbeit ihre +menschliche Bestimmung und Würde erobert. + +Ja selbst die Gleichheit der Salaire, wie sie Proudhon fordert, verwandelt +nur das Verhältniß des jetzigen Arbeiters zu seiner Arbeit in das Verhältniß +aller Menschen zur Arbeit. Die Gesellschaft wird dann als abstrakter Capi- +talist gefaßt. + +Arbeitslohn ist eine unmittelbare Folge der entfremdeten Arbeit und die +entfremdete Arbeit ist die unmittelbare Ursache des Privateigenthums. Mit +der einen muß daher auch die andere Seite fallen. + +2) Aus dem Verhältniß der entfremdeten Arbeit zum Privateigenthum folgt +ferner, daß die Emancipation der Gesellschaft vom Privateigenthum etc, von +der Knechtschaft in der poütischen Form der Arbeiteremancipation sich +ausspricht, nicht als wenn es sich nur um ihre Emancipation handelte, +sondern weil in ihrer Emancipation die allgemein menschliche enthalten ist, +diese ist aber darin enthalten, weil die ganze menschliche Knechtschaft in +dem Verhältniß des Arbeiters zur Production involvirt ist und alle Knechts +schaftsverhältnisse nur Modificai|tionen und Consequenzen dieses Verhält +nisses sind. + +Wie wir aus dem Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeitden Begriff +des Privateigenthums durch Analyse gefunden haben, so können mit Hülfe +dieser beiden factoren alle nationalökonomischen Categorien entwickelt +werden und wir werden in jeder Categorie, wie z. B. d[em] Schacher, d[er] +Concurrenz, d[em] Capital, d[em] Geld, nur einen bestimmten und ent- +wickelten Ausdruck dieser ersten Grundlagen wiederfinden. + +Bevor wir jedoch diese Gestaltung betrachten, suchen wir noch zwei + +35 Aufgaben zu lösen. + +1) Das allgemeine Wesen des Privateigenthums, wie es sich als Resultat +der entfremdeten Arbeit ergeben hat, in seinem Verhältniß zum wahrhaft +menschlichen und socialen Eigenthum zu bestimmen; + +2) Wir haben die Entfremdung der Arbeit, + +ihre Entäusserung als ein +40 Factum angenommen und dieß factum analysirt. Wie, fragen wir nun, kömmt + +245 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Arbeitslohn. + +Grundrente. + +Capitalgewinn. + +der Mensch dazu, seine Arbeit zu entäussern, zu entfremden? Wie ist diese +Entfremdung im Wesen der menschlichen Entwicklung begründet? Wir +haben schon viel für die Lösung der Aufgabe gewonnen, indem wir die Frage +nach dem Ursprung des Privateigenthums in die Frage nach dem Verhältniß +der entäusserten Arbeit zum Entwicklungsgang der Menschheit verwandelt +haben. Denn wenn man v[om] Privateigenthum spricht, so glaubt man es mit +einer Sache ausser d[em] Menschen zu thun zu haben. Wenn man von der +Arbeit spricht, so hat man es unmittelbar mit d[em] Menschen selbst zu thun. +Diese neue Stellung der Frage ist inclusive schon ihre Lösung. + +ad. 1 Allgemeines Wesen des Privateigenthums und sein Verhältniß zum + +wahrhaft menschlichen Eigenthum. \ + +/ in zwei Bestandteile, die sich wechselseitig bedingen, oder die nur +verschiedne Ausdrücke eines und desselben Verhältnisses sind, hat sich uns +die entäusserte Arbeit aufgelöst, die Aneignung erscheint als Entfremdung, +als Entäusserung und die Entäusserung als Aneignung, die Entfremdung als +die wahre Einbürgerung. + +Wir haben die eine Seite betrachtet, die entäusserte Arbeit in Bezug auf +d[en] Arbeiter selbst, d.h. das Verhältniß der entäusserten Arbeit zu sich +selbst. Als Produkt, als nothwendiges Resultat dieses Verhältnisses haben +wir das Eigenthumsverhältniß des NichtArbeiters zum Arbeiter und der +Arbeit gefunden. Das Privateigenthum, als der materielle, resumirte Aus +druck der entäusserten Arbeit umfaßt beide Verhältnisse, das Verhältniß des +Arbeiters zur Arbeit und zum Product seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter +und das Verhältniß des Nichtarbeiters, zum Arbeiter, und dem Product seiner +Arbeit. + +Wenn wir nun gesehn haben, daß in Bezug auf den Arbeiter, welcher sich +durch die Arbeit die Natur aneignet, die Aneignung als Entfremdung er +scheint, die Selbstthätigkeit als Thätigkeit für einen andern und als Thätigkeit +eines andern, die Lebendigkeit als Aufopferung des Lebens, die Production +des Gegenstandes als Verlust des Gegenstandes an eine fremde Macht, an +einen fremden Menschen, so betrachten wir nun das Verhältniß dieses der +Arbeit und dem Arbeiter fremden Menschen zum Arbeiter, zur Arbeit und +ihrem Gegenstand. + +Zunächst ist zu bemerken, daß alles, was bei dem Arbeiter als Thätigkeit +der Entäusserung, der Entfremdung, bei dem Nichtarbeiter als Zustand der +Entäusserung, der Entfremdung erscheint. + +Zweitens, daß das wtküche, praktische Verhalten des Arbeiters in der +Production und zum Product (als Gemüthszustand,) bei dem ihm gegen +überstehenden Nichtarbeiter als theoretisches Verh[a]lten erscheint. | + +246 + + Arbeitslohn. + +Gewinn des Capitals. + +Grundrente. + +|XXVIl| Drittens. Der Nichtarbeiter thut alles gegen d[en] Arbeiter, was +der Arbeiter gegen sich selbst thut, aber er thut nicht gegen sich selbst, was +er gegen d[en] Arbeiter thut. + +Betrachten wir näher diese drei Verhältnisse. | + +247 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II + +[Heft II] + +[...] |XL| Zinsen seines Capitals bildet. An dem Arbeiter existirt es also +s[ub] jektiv, daß das Capital der sich ganz abhanden gekommene Mensch ist, +wie es am Capital objektiv existirt, daß die Arbeit der sich abhanden ge +kommene Mensch ist. Der Arbeiter hat aber das Unglück ein lebendiges und +daher bedürftiges Capital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, +seine Zinsen und damit seine Existenz verliert. Als Capital steigt Werth des +Arbeiters nach Nachfrage und Zufuhr und auch physisch wird und wird +gewußt sein Dasein, sein Leben als eine Zufuhr von Waare, wie jeder andern +Waare. Der Arbeiter producirt das Capital, das Capital producirt ihn, er also +sich selbst, und der Mensch als Arbeiter, als Waare ist das Product der ganzen +Bewegung. Dem Menschen der nichts mehr ist als Arbeiter und als Arbeiter +sind seine menschlichen Eigenschaften nur da, insofern sie für das ihm +fremde Capital da sind. Weil sich aber beide fremd sind, daher in einem +gleichgültigen, äusserlichen und zufälligen Verhältnisse stehn, so muß diese +Fremdheit auch als wtklich erscheinen. Sobald es also dem Capital einfällt +— notwendiger oder willkührücher Einfall — nicht mehr für den Arbeiter +zu sein, ist er selbst nicht mehr für sich, er hat keine Arbeit, darum keinen +Lohn und da er nicht als Mensch, sondern als Arbeiter Dasein hat, so kann +er sich begraben lassen, verhungern etc. Der Arbeiter ist nur als Arbeiter da, +sobald er für sich als Capital da ist, und er ist nur als Capital da, sobald ein +Capital für ihn da ist. Das Dasein des Capitals ist sein Dasein, sein Leben, +wie es den Inhalt seines Lebens auf eine ihm gleichgültige Weise bestimmt. +Die Nationalökonomie kennt daher nicht den unbeschäftigten Arbeiter, den +Arbeitsmenschen, so weit er sich ausser diesem Arbeitsverhältniß befindet. +Der Spitzbube, Gauner, Bettler, der unbeschäftigte, der verhungernde, der +elende und verbrecherische Arbeitsmensch, sind Gestalten, die nicht für sie, +sondern nur für andre Augen, für die des Arztes, des Richters, des Tod- +tengräbers und Bettelvogts etc existiren, Gespenster ausserhalb ihres Reichs. + +248 + + Heft II + +5 + +Die Bedürfnisse des Arbeiters sind daher für sie nur das Bedürfniß ihn +während der Arbeit zu unterhalten und || so weit, daß das Arbeitergeschlecht +nicht ausstirbt] Der Arbeitslohn hat daher ganz denselben Sinn, wie die +Unterhaltung, in Standerhaltung jedes andern produktiven Instruments, wie +die Consumtion des Capitals überhaupt, deren es bedarf, um sich mit Zinsen +zu reproduciren; wie das Oel, welches an die Räder verwandt wird, um sie +in Bewegung zu halten. Der Arbeitslohn gehört daher zu den nöthigen Kosten +des Capitals und d[es] Capitaüsten und darf das Bedürfniß dieser Noth nicht +überschreiten. Es war daher ganz consequent, wenn englische Fabrikherrn +10 vor d[er] Amendment bül von 1834 die öffentüchen Almosen, die der Ar +beiter vermittelst der Armentaxe empfing von seinem Arbeitslohn abzogen +und als einen integrüenden Theü desselben betrachteten. +Die +Production producüt den Menschen nicht nur als eine Waare, die Menschen- +waare, den Menschen in der Bestimmung der Waare, sie producüt um, dieser +15 Bestimmung entsprechend, als ein eben so geistig wie körperlich ent +menschtes Wesen, — Immoraütät, Mißgeburt, Hebetismus der Arbeiter und +d[er] Capitaüsten. Ihr Product ist die selbstbewußtexmd selbstthätige Waare, +. .. die Menschen waare Grosser Fortschritt von Ricardo, Mül etc gegen +Smith und Say das Dasein d[es] Menschen — die größre oder kleinre +20 Menschenproduktivität der Waare als gleichgültig und sogar schädlich zu +erklären. Nicht, wie viel Arbeiter ein Capital unterhalte, sondern wie viel +Zinsen es bringe, die Summe der jährüchen Ersparungen sei der wahre +Zweck der Production. Es war ebenfaüs ein grosser und consequenter +Fortschritt der neuren ||XLl| engüschen Nationalökonomie, daß sie, — +25 welche die Arbeit zum einzigen Princip der Nationalökonomie erhebt — +zugleich mit völüger Klarheit das umgekehrte Verhältniß zwischen dem +Arbeitslohn und den Zinsen des Capitals auseinandersezte und daß der +Capitalist in der Regel nur durch die Herabdrückung des Arbeitslohns, wie +umgekehrt, gewinnen könne. Nicht die Uebervortheüung d[er] Consumen- +ten, sondern die wechselseitige Uebervortheüung von Capitaüst und Ar +Das Verhältniß des Privat +beiter sei das normale Verhältniß. +eigenthums enthält in sich latent das Verhältniß des Privateigenthums als +Arbeit, wie das Verhältniß desselben als Capital und die Beziehung dieser +beiden Ausdrücke aufeinander. Die Production der menschlichen Thätigkeit +als Arbeit, also als einer sich ganz fremden, d[em] Menschen und der Natur, +daher dem Bewußtsein und der Lebensäusserung auch fremden Thätigkeit, +die abstrakte Existenz d[es] Menschen als eines blosen Arbeitsmenschen, +der daher tägüch aus seinem erfüüten Nichts in das absolute Nichts, sein +geseUschaftiiches und darum sein wükliches Nichtdasein hinabstürzen kann +40 — wie andrerseits die Production des Gegenstandes der menschüchen +Thätigkeit als Capital, worin alle natürliche und geseUschaf fliehe Bestimmt- + +30 + +35 + +249 + + Heft II. Seite XLII (Original + +und obere linke Ecke d es Negativs) + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II + +heit des Gegenstands ausgelöscht ist, das Privateigenthum seine natürliche +und gesellschaftliche Qualität (also alle politischen und geselligen Illusionen +verloren hat und mit keinen scheinbar menschlichen Verhältnissen vermischt +ist) verloren hat — worin auch dasselbe Capital in d[em] verschiedenartigsten +natürlichen und gesellschaftlichen Dasein dasselbe bleibt, vollkommen +gleichgültig gegen seinen wirklichen Inhalt ist — dieser Gegensatz auf die +Spitze getrieben ist nothwendig die Spitze, die Höhe und der Untergang des +ganzen Verhältnisses. Es ist daher wieder eine grosse That der neuern +englischen Nationalökonomie, die Grundrente als den Unterschied der +Zinsen des schlechtesten der Cultur angehörigen Landes und der des besten +Culturlandes angegeben, die romantischen Einbildungen des Grundeigen- +thümers — seine angeblich sociale Wichtigkeit und die Identität seines Inter +esses mit dem Interesse der Gesellschaft, || die noch nach den Physiokraten +Adam Smith behauptet—nachgewiesen] und die Bewegung der Wirklichkeit +anticipirt und vorbereitet zu [haben,] die den Grundeigenthümer in einen +ganz gewöhnlichen, prosaischen Capitaüsten verwandeln, dadurch den +Gegensatz vereinfachen, zuspitzen und damit seine Auflösung beschleuni +gen wird. Die Erde als Erde, die Grundrente als Grundrente haben damit +ihren Standesunterschied verloren und sind zum nichtssagenden oder viel +Der +mehr nur Geldsaugenden Capital und Interesse geworden. +Unterschied von Capital und Erde, von Gewinn und Grundrente, wie beider +vom Arbeitslohn, von der Industrie und der Agricultur, von dem unbeweg +lichen und beweglichen Privateigenthum ist ein noch historischer, nicht im +Wesen der Sache begründeter Unterschied, ein fixirtes Bildungs und Ent +stehungsmoment des Gegensatzes von Capital und Arbeit. In der Industrie +etc im Gegensatz zum unbeweglichen Grundeigenthum ist nur die Entste +hungsweise und der Gegensatz, in dem sich die Industrie zur Agrikultur +ausgebildet hat, ausgedrückt. Als eine besondre Art der Arbeit, als ein +wesentlicher, gewichtiger, das Leben umfassender Unterschied besteht +dieser Unterschied nur, so lange die Industrie (das Stadtleben) gegenüber +dem Landbesitz (dem adügen Leben \ FeudaUeben) sich bildet und noch den +feudalen Charakter ihres Gegensatzes an sich selbst in der Form des Mono +pols, Zunft, Gilde, Corporation etc trägt, innerhalb welcher Bestimmungen +die Arbeit noch eine scheinbar gesellschaftliche Bedeutung, noch die Be +deutung des wirklichen Gemeinwesens hat, noch nicht zur Gleichgültigkeit +gegen ihren Inhalt und zum völligen Sein für sich selbst, d. h. zur Abstraktion +von aüem andern Sein, und darum auch noch nicht zum freigelaßnen Capital +fortgegangen ist. ||XLIl| Aber die nothwendige Entwicklung der Arbeit ist +die freigelaßne als solche für sich constituirte Industrie und das freigelaßne +Capital. Die Macht der Industrie über ihren Gegensatz zeigt sich sogleich +in der Entstehung der Agricultur als einer wirküchen Industrie, während sie + +250 + + Heft II + +5 + +früher die Hauptarbeit dem Boden überließ und dem Sklaven dieses Bodens, +durch welchen dieser sich selbst baute. Mit der Verwandlung des Sklaven +in einen freien Arbeiter, d. h. in einen Söldling, ist der Grundherr an sich in +einen Industrieherrn, einen Capitalisten verwandelt, eine Verwandlung, die +zunächst durch das Mittelglied des Pächters geschieht. Aber der Pächter ist +der Repräsentant, das offenbarte Geheimniß des Grundeigentümers; nur +durch ihn ist sein nationalökonomisches Dasein, sein Dasein als Privat- +eigenthümer — denn die Grundrente seiner Erde ist nur durch die Concurrenz +der Pächter — also ist der Grundherr wesentlich schon im Pächter ein ge +lo meiner Capitalist geworden. Und dieß muß sich auch in der Wirklichkeit +vollziehn, der Agricultur treibende Capitalist—der Pächter—muß Grundherr +werden oder umgekehrt. Der Industrieschacher des Pächters ist der des +Grundeigenthümers, denn das Sein d[es] ersten sezt das Sein d[es] zwei +ten. + +15 + +Als ihrer gegensätzlichen Entstehung sich erinnernd, ihrer Herkunft—der +Grundeigenthümer weiß den Capitalisten als seinen übermüthigen, frei- +gelaßnen, bereicherten Sklaven von gestern und sieht sich selbst als Capi +talist durch jenen bedroht — der Capitalist weiß den Grundeigenthümer als +den nichtsthuenden und grausamen \ egoistischen Herrn von gestern, er +20 weiß, daß er ihn als Capitalist beeinträchtigt, doch der Industrie seine ganze +jetzige gesellschaftliche Bedeutung, seine Habe und seinen Genuß verdankt, +er sieht in ihm einen Gegensatz der freien Industrie und des freien, von jeder +Naturbestimmung unabhängigen Capitals — dieser Gegensatz ist höchst +bitter und sagt sich wechselseitig die Wahrheit. Man braucht nur die Angriffe +25 des unbeweglichen Eigenthums auf das bewegliche und umgekehrt zu lesen, +um sich von ihrer wechselseitigen Nichtswürdigkeit ein anschauliches Bild +zu verschaffen. Der Grundeigenthümer macht den Geburtsadel seines +Eigenthums, die feudalen souvenirs, \Reminiscenzen, /| die Poesie der Er +innerung, sein Schwärmerisches Wesen, seine politische Wichtigkeit etc +30 geltend und wenn sie nationalökonomisch sprechen, der Landbau sei allein +produktiv. Er schildert zugleich seinen Gegner als einen schlauen, feil +bietenden, mäkelnden, betrügerischen, habsüchtigen, verkäuflichen, empö +rungssüchtigen, Herz und Geistlosen, dem Gemeinwesen entfremdeten und +es verschachernden, wuchernden, kuppelnden, sklavischen, schönthuenden, +35 geschmeidigen, prellenden, trocknen, die Concurrenz und daher den +Pauperismus und d[as] Verbrechen, die Auflösung aller socialen Bande +erzeugenden, nährenden, hätschelnden Geldschurken ohne Ehre, ohne +Grundsätze, ohne Poesie, ohne Substanz, ohne alles. (Siehe unter andern den +Physiokraten Bergasse, den schon Camille Desmoulins in seinem Journal: +„Revolutions de France et de Brabant" geisselt, siehe von Vincke, Lan- +cizolle, Haller, Leo, Kosegarten, //den gespreizten, althegelschen Theologen + +40 + +253 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft Ii + +Funke, der mit Thränen in den Augen, nach Herrn Leo erzählt, wie ein +Sklave, bei der Aufhebung der Leibeigenschaft, sich geweigert habe auf +zuhören, ein adliges Eigenthum zu sein. | / Siehe auch Justus Mosers patrio +tische Phantasien, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nicht einen Augen +blick den biedern, kleinbürgerUchen, |/ [„haus]backenen" gewöhnlichen, +[bo]rnirten Horizont des Philisters verlassen und dennoch +reine +Phantastereien sind. Dieser Widerspruch hat sie so ansprechend für das +deutsche Gemüth gemacht. // Und sieh Sismondi.) + +s + +15 + +Das bewegliche Eigenthum seiner Seits zeigt auf d[ie] Wunder der Indu +strie und der Bewegung, es ist das Kind der modernen Zeit und ihr be- 10 +rechtigter eingeborner Sohn; es bedauert seinen Gegner als einen über sein +Wesen unaufgeklärten (und das ist vollkommen richtig) Schwachkopf, der +an die Stelle des moralischen Capitals und der freien Arbeit die rohe un +moralische Gewalt und die Leibeigenschaft setzen wolle; es schildert ihn als +einen Don Quixotte, der unter dem Schein der Gradheit, Biederheit, des +allgemeinen +Interesses, des Bestandes, die Bewegungsunfähigkeit, die +Habsüchtige Genußsucht, die Selbstsucht, das Sonderinteresse, die +schlechte Absicht verstecke; es erklärt ihn für einen durchtriebnen Mono +polisten ; seine Reminiscenzen, seine Poesie, seine Schwärmerei dämpft es +durch eine historische und sarkastische Aufzählung der Niederträchtigkeit, 20 +Grausamkeit, Wegwerfung, Prostitution, Infamie, Anarchie, Empörung, +deren Werkstätte die romantischen Schlösser waren. /|XLHl| Es habe der +Welt die politische Freiheit verschafft, die Fesseln der bürgerlichen Ge +sellschaft gelöst, die Welten miteinander verbunden, den Menschenfreund +lichen Handel, die reine Moral, die gefällige Bildung geschaffen; es habe dem 25 +Volk statt seiner rohen civilisirte Bedürfnisse und die Mittel ihrer Befrie +digung gegeben, während der Grundeigenthümer — dieser unthätige und nur +genante Kornwucherer — dem Volk die ersten Lebensmittel vertheure, +dadurch d[en] Capitaüsten zwinge den Arbeitslohn zu erhöhen, ohne die +Productionskraft erhöhen zu können, so das jährliche Einkommen der 30 +Nation, die Accumulation der Capitaüen, also die Möglichkeit d[em] Volk +Arbeit und d[em] Land Reichthum zu verschaffen, verhindre, endüch ganz +aufhebe, einen allgemeinen Untergang herbeiführe und alle Vortheile der +modernen Civiüsation wucherisch ausbeute, ohne das Geringste für sie zu +thun und gar ohne von seinen Feudalvorurtheilen abzulassen. Endüch soüe 35 +er nur auf seinen Pächter sehn—er, für den der Landbau und der Boden selbst +nur als eine ihm geschenkte Geldquelle existirt — und er soüe sagen, ob er +nicht ein biedrer, phantastischer, schlauer Schurke sei, der dem Herzen und +der Wirklichkeit nach der freien Industrie und dem lieblichen Handel schon +längst angehöre, so sehr er sich auch dagegen sträube und so viel er von 40 +historischen Erinnerungen und sittlichen oder poütischen Zwecken plaudre. + +254 + + Heft lì + +Alles, was er wirklich zu seinen Gunsten vorbringe, sei nur wahr für d[ie] +Landbauer (d[ie] Capitalisten und die Arbeitsknechte), deren Feind vielmehr +der Grundeigenthümer sei; er beweise also gegen sich selbst. Oone Capital +sei das Grundeigenthum todte, werthlose Materie. Sein civilisirter Sieg sei +es eben, an die Stelle des todten Dings die menschliche Arbeit als Quelle des +Reichthums entdeckt und geschaffen zu haben. (Siehe Paul Louis Courier, +St. Simon, Ganilh, Ricardo, Mill, Mac-Culloch, Destutt de Tracy und Michel +Chevalier.) + +Aus dem wtklichen Lauf der Entwicklung (hier einzufügen) folgt der +nothwendige Sieg d[es] Capitalisten, d.h. des ausgebildeten Privateigen +thums, über d[as] unausgebildete, halbe, d[en] Grundeigenthümer, wie über +haupt schon die Bewegung über die Unbeweglichkeit, die offene selbst +bewußte Gemeinheit über die versteckte und bewußtlose, die Habsuchtüber +die Genußsucht, der eingestandne, weltkluge, rastlose, vielgewandte Eigen +nutz der Aufklärung über den lokalen, biedern, trägen und phantastischen +Eigennutz des Aberglaubens wie das Geld über die andre Form des Privat +eigenthums siegen muß. + +j + +I Die Staaten, welche etwas von der Gefahr der vollendeten freien Indu +strie, der vollendeten reinen Moral und dem vollendeten menschenfreund +lichen Handel ahnen, suchen die Capitalisirung des Grundeigenthums—aber +ganz vergeblich — aufzuhalten. + +Das Grundeigenthum, in seinem Unterschied von dem Capital, ist das +Privateigenthum, das Capital noch von lokalen und politischen Vorurtheilen +behaftet, das noch nicht ganz aus seiner Verstrickung mit der Welt zu +sich selbst gekommene, das noch unvollendete Capital. Es muß im Laufe +seiner Weltbildung zu seinem abstrakten, d.h. reinen Ausdruck ge +langen. + +Das Verhältniß des Privateigenthums ist Arbeit, Capital und die Beziehung +beider. Die Bewegung, die diese Glieder zu durchlaufen haben, sind: + +Erstens: unmittelbare oder vermittelte Einheit beider. +Capital und Arbeit erst noch vereint; dann zwar getrennt und entfrem +det, aber sich wechselseitig als positive Bedingungen hebend und för +dernd. + +Gegensatz beider. Schliessen sich wechselseitig aus und der Arbeiter weiß +d[en] Capitalisten und umgekehrt als sein Nichtdasein; jeder sucht dem +andern sein Dasein zu entreissen. + +Gegensatz jedes gegen sich selbst. Capital = aufgehäufter Arbeit = Arbeit. +Als solche zerfallend in sich und seine Zinsen, wie diese wieder in Zinsen +und Gewinn. Restlose Aufopferung des Capitalisten. Er fällt in die Arbeiter +klasse, wie der Arbeiter — aber nur ausnahmsweise — Capitalist wird. Arbeit + +255 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II + +als Moment des Capitals, seine Kosten. Also der Arbeitslohn ein Opfer des +Capitals. + +Arbeit zerfallen in sich und den Arbeitslohn. Arbeiter selbst ein Capital + +und Waare. + +Feindlicher wechselseitiger Gegensatz. \ + +256 + + r + +ι + +[Heft III] + +[i] + +10 + +|l| ad. pag. XXXVI. Das subjektive Wesen des Privateigenthums, das Privat­ +eigenthum als für sich seiende Thätigkeit, als Subjekt, als Person, ist die +5 Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die +Arbeit als ihr Princip erkannte, — Adam Smith — also nicht mehr das Privat +eigenthum nur mehr als einen Zustand ausser dem Menschen wußte, — daß +diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie und +Bewegung des Privateigenthums (sie ist die für sich im Bewußtsein gewordne +selbstständige Bewegung des Privateigenthums, die moderne Industrie als +Selbst) zu betrachten ist, als ein Produkt der modernen Industrie, wie sie +andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, +verherrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetisch +diener, als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalöko- +15 nomie, die das subjektive Wesen des Reichthums — innerhalb des Privat +eigenthums — entdeckt hat, die Anhänger des Geld und Merkantilsystems, +welche das Privateigenthum als ein nur gegenständliches Wesen für d[en] +Menschen wissen. Engels hat daher mit Recht Adam Smith den na +tionalökonomischen Luther genannt. Wie Luther als das Wesen der äus- +serlichen Welt d[er] Religion den Glauben erkannte und daher dem katho +lischen Heidenthum gegenüber trat, wie er die äussere Religiosität aufhob, +indem er die Religiosität zum innern Wesen d[es] Menschen machte, wie er +den ausser dem Laien vorhandnen Pfaffen negjrte, weil er den Pfaffen in +das Herz des Laien versetzte, so wird der ausser dem Menschen befindliche +25 und von ihm unabhängige—also nur auf eine äusserliche Weise zu erhaltende +und zu behauptende — Reichthum aufgehoben, d. h. diese seine äusserliche +gedankenlose Gegenständlichkeit wird aufgehoben, indem sich das Privat- + +20 + +257 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +eigenthum incorporirt im Menschen selbst und der Mensch selbst als sein +Wesen erkannt — aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung des +Privateigenthums wie bei Luther der Religion gesezt wird. Unter dem Schein +einer Anerkennung d[es] Menschen, ist also die Nationalökonomie, deren +Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die conséquente Durchführung der Ver- +läugnung des Menschen, indem er selbst nicht mehr in einer äusserlichen +Spannung zu dem äusserlichen Wesen des Privateigenthums steht, sondern +er selbst dieß gespannte Wesen des Privateigenthums geworden ist. Was +früher sich Aüsserlichsein, reale Entäusserung d[es] Menschen, ist nur zur +That der Entäusserung, zur Veräusserung geworden. Wenn also jene Na +tionalökonomie unter dem Schein der Anerkennung des Menschen, seiner +Selbstständigkeit, Selbstthätigkeit, etc beginnt und wie sie in das Wesen d[es] +Menschen selbst das Privateigenthum versezt, nicht mehr durch die lokalen, +nationalen etc Bestimmungen des Privateigenthums als eines ausser ihr +existirenden \\ Wesens bedingt sein kann, also eine kosmopolitische, all +gemeine, jede Schranke, jedes Band umwerfende Energie entwickelt, um +sich als die einzige Politik, Allgemeinheit, Schranke und Band an die Stelle +zu setzen — so muß sie bei weitrer Entwicklung diese Scheinheiligkeit ab +werfen, in ihrem ganzen Cynismus hervortreten und sie thut dieß, indem sie +— unbekümmert um alle scheinbaren Widersprüche, worin diese Lehre sie +verwickelt — viel einseitiger, darum schärfer und consequenter die Arbeit +als das einzige Wesen des Reichthums entwickelt, die Consequenzen dieser +Lehre im Gegensatz zu jener ursprünglichen Auffassung vielmehr als +Menschenfeindliche nachweist und endlich dem lezten, individuellen, natür +lichen, unabhängig von der Bewegung der Arbeit existirenden Dasein des +Privateigenthums und Quelle des Reichthums — der Grundrente, diesen +schon ganz nationalökonomisch gewordnen und daher gegen die National +ökonomie widerstandsunfähigen Ausdruck des Feudaleigenthums — den +Todesstoß giebt. (Schule des Ricardo.) Nicht nur wächst der Cynismus der +Nationalökonomie relativ von Smith über Say bis zu Ricardo, Mül etc; +insofern die Consequenzen der Industrie den leztern entwickelter und wider- +spruchsvoüer vor die Augen treten; sondern auch positiv gehn sie immer und +mit Bewußtsein weiter in der Entfremdung gegen d[en] Menschen als ihr +Vorgänger, aber nur, weü ihre Wissenschaft sich consequenter und wahrer +entwickelt. Indem sie das Privateigenthum in seiner thätigen Gestalt zum +Subjekt machen, also zugleich d[en] Menschen zum Wesen und zugleich den +Menschen als ein Unwesen zum Wesen machen, so entspricht der Wider +spruch der Wüklichkeit voüständig dem widerspruchsvoüen Wesen, das sie +als Princip erkannt haben. Die zerrißne ||ll| Wirklichkeit der Industrie be +stätigt ihr in sich zerrißnes Princip, weit entfernt, es zu widerlegen. Ihr +Princip ist ja das Princip dieser Zerrissenheit. + +258 + + ι + +5 + +Die physiokratische Lehre von Dr. Quesnay bildet den Uebergang aus dem +Mercantilsystem zu Adam Smith. Die Physiokratie ist unmittelbar die na­ +tionalökonomische Auflösung des Feudaleigenthums, aber darum eben so +unmittelbar die nationalökonomische Umwandlung, Wiederherstellung des- +selben, nur daß seine Sprache nun nicht mehr feudal, sondern ökonomisch +wird. Aller Reichthum wird aufgelöst in die Erde und den Landbau; +(Agrikultur) die Erde ist noch nicht Capital, sie ist noch eine besondre +Daseinsweise desselben, die in ihrer und um ihrer natürlichen Besonderheit +willen gelten soll; aber die Erde ist doch ein allgemeines natürliches Element, +10 während das Merkantilsystem nur das edle Metall als Existenz des Reich +thums kennt. Der Gegenstand des Reichthums, seine Materie, hat also so +gleich die höchste Allgemeinheit innerhalb der Naturgrenze, — insofern er +noch als Natur unmittelbar gegenständlicher Reichthum ist — erhalten. Und +die Erde ist nur durch die Arbeit, die Agrikultur für den Menschen. Also wird +15 schon das subjektive Wesen des Reichthums in die Arbeit ver sezt. Aber +zugleich ist die Agricultur die einzig produktive Arbeit. Also ist die Arbeit +noch nicht in ihrer Allgemeinheit und Abstraktion gefaßt, sie ist noch an ein +besondres Naturelement als ihre Materie gebunden, sie ist daher auch nur +noch in einer besonderen Naturbestimmten Daseinsweise erkannt. Sie ist +daher erst eine bestimmte, besondre Entäusserung d[es] Menschen, wie ihr +Product auch als ein bestimmter, — mehr noch der Natur als ihr selbst +anheimfallender Reichthum — gefaßt ist. Die Erde wird hier noch als von +Menschen unabhängiges Naturdasein anerkannt, noch nicht als Capital, d. h. +als ein Moment der Arbeit selbst. Vielmehr erscheint die Arbeit als ihr +25 Moment. Indem aber der Fetischismus des alten äusserlichen nur als Gegen +stand existirenden Reichthums auf ein sehr einfaches Naturelement reducirt +und sein Wesen schon, wenn auch erst theilweise auf eine besondre Weise, +in seiner subjektiven Existenz anerkannt ist, ist der n o t w e n d i ge Fortschritt, +daß das allgemeine Wesen des Reichthums erkannt und daher die Arbeit in +30 ihrer vollständigen Absolutheit, d. h. Abstraktion, zum Princip erhoben wird. +Es wird der Physiokratie bewiesen, daß die Agrikultur in ökonomischer +Hinsicht, also d[er] einzig berechtigten von keiner andern Industrie ver +schieden sei, also nicht eine bestimmte Arbeit, eine an ein besondres Ele +ment II gebundne, eine besondre Arbeitsäusserung, sondern die Arbeit über- + +20 + +35 haupt das Wesen des Reichthums sei. + +Die Physiokratie läugnet den besondren äusserlichen nur gegenständlichen +Reichthum, indem sie die Arbeit für sein Wesen erklärt. Aber zunächst ist +die Arbeit für sie nur das subjektive Wesen des Grundeigenthums (sie geht +von der Art des Eigenthums aus, welche historisch als die herrschende und +anerkannte erscheint); sie läßt nur das Grundeigenthum zum entäusserten +Menschen werden. Sie hebt seinen Feudalcharakter auf, indem sie die In- + +40 + +259 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +dustrie (Agrikultur) für sein Wesen erklärt; aber sie verhält sich läugnend +zur Welt der Industrie, sie erkennt das Feudalwesen an, indem sie die +Agricultur für die einzige Industrie erklärt. + +Es versteht sich, daß sobald nun das subjektive Wesen der im Gegensatz +zum Grundeigenthum; d. h. als Industrie sich constituüenden Industrie —, +gefaßt wüd, dieses Wesen jenen seinen Gegensatz in sich einschließt. Denn +wie die Industrie das aufgehobne Grundeigenthum, so umfaßt ihr subjektives +Wesen zugleich sein subjektives Wesen. + +5 + +Wie das Grundeigenthum die erste Form des Privateigenthums ist, wie die +Industrie ihr blos als eine besondre Art des Eigenthums zunächst historisch 10 +entgegentritt — oder vielmehr der freigelaßne Sklave des Grundeigenthums +ist — so wiederholt sich bei der wissenschaftüchen Erfassung des subjektiven +Wesens des Privateigenthums, der Arbeit dieser Proceß und die Arbeit +erscheint zunächst nur als Landbauarbeit, macht sich dann aber als Arbeit +überhaupt geltend. /|lll| Auer Reichthum ist zum industriellen Reichthum, 15 +zum Reichthum der Arbeit geworden und die Industrie ist die vollendete +Arbeit, wie das Fabrikwesen das ausgebüdete Wesen der Industrie, d. h. der +Arbeit ist und das industrielle Capital die voüendete objektive Gestalt des +Privateigenthums ist. +Wü sehn wie auch nun erst das Privat +eigenthum seine Herrschaft über den Menschen voüenden und in all- 20 +gemeinster Form zur weltgeschichtlichen Macht werden kann. + +— + +[Ii] + +X ad. p. XXXIX. Aber der Gegensatz von Eigenthumslosigkeit und Eigen +thum ist ein noch indifferenter, nicht in seiner thätigen Beziehung, seinem +innern Verhältniß, noch nicht als Widerspruch gefaßter Gegensatz, solange +er nicht als der Gegensatz der Arbeit und des Capitals begriffen wird. Auch +ohne die fortgeschrittne Bewegung des Privateigenthums, im alten Rom, in +der Türkei etc kann dieser Gegensatz in der ersten Gestalt sich aussprechen. +So erscheint er noch nicht als durch das Privateigenthum selbst gesezt. Aber +die Arbeit, das subjektive Wesen des Privateigenthums, als Ausschüessung 30 +des Eigenthums und das Capital, die objektive Arbeit als Ausschliessung der +Arbeit ist das Privateigenthum als sein entwickeltes Verhältniß des Wider +spruchs, darum ein energisches, zur Auflösung treibendes Verhältniß. + +25 + +260 + + Ili + +[III] + +15 + +10 + +x x ad ibidem Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg, +wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigenthum nur in seiner +objektiven Seite, — aber doch die Arbeit als sein Wesen — betrachtet. Seine +5 Daseinsform ist daher das Capital, das „als solches" aufzuheben ist. +(Proudhon.) Oder die besondre Weise der Arbeit — als nivellirte, parcellirte +und darum unfreie Arbeit wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privat +eigenthums und seines Menschenentfremdeten Daseins gefaßt—Fourier, der +d[en] Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens +als die ausgezeichnete faßt, während St. Simon im Gegensatz die Industrie +arbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft +der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der +Communismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privat +eigenthums, zunächst das allgemeine Privateigenthum. Indem er dieß Ver- +hältniß in seiner Allgemeinheit faßt, ist er 1) in seiner ersten Gestalt nur eine +Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in +doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigenthums so +groß ihm gegenüber, daß er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als +Privateigenthum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame +20 Weise v[on] Talent, etc abstrahiren, der physische, unmittelbare Besitz gilt +ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Ar +beiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; || das +Verhältniß des Privateigenthums bleibt das Verhältniß der Gemeinschaft zur +Sachenwelt; endlich spricht sich diese Bewegung, dem Privateigenthum das +allgemeine Privateigenthum entgegenzustellen, in der thierischen Form aus, +daß der Ehe (welche allerdings eine Form des exclusiven Privateigenthums +ist) die Weibergemeinschaft, wo also das Weib zu einem gemeinschaftlichen +und gemeinen Eigenthum wird, entgegengestellt wird. Man darf sagen, daß +dieser Gedanke der Weibergemeinschaft das ausgesprochne Geheimniß +30 dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Communismus ist. Wie das Weib +aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des +Reichthums, d. h. des gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, aus dem +Verhältniß der exclusiven Ehe mit dem Privateigenthümer in das Verhältniß +der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft. Dieser Communismus +35 — indem er die Persönlichkeit d[es] Menschen überall negirt — ist eben nur +der conséquente Ausdruck des Privateigenthums, welches diese Negation +ist. Der allgemeine und als Macht sich constituirende Neid ist die versteckte +Form, in welcher die Habsucht sich herstellt und nur auf eine andre Weise +sich befriedigt. Der Gedanke jedes Privateigenthums als eines solchen ist + +25 + +261 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +wenigstens gegen das reichere Privateigenthum als Neid und Nivellirungs- +sucht gekehrt, so daß diese sogar das Wesen der Concurrenz ausmachen. +Der rohe Communist ist nur die Vollendung dieses Neides und dieser Ni- +vellirung von dem vorgestellten Minimum aus. Er hat ein bestimmtes be +grenztes Maaß. Wie wenig diese Aufhebung des Privateigenthums eine +wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen +Welt der Bildung und der Civilisation; die Rückkehr zur unnatür +lichen ||lV| Einfachheit des armen und bedürfnißlosen Menschen, der nicht +über das Privateigenthum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben +angelangt ist. + +Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und der Gleichheit +des Salairs, den das gemeinschaftliche Capital, die Gemeinschaft als der +allgemeine Capitalist auszahlt. Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine +vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit, als die Bestimmung, in +welcher jeder gesezt ist, das Capital, als die anerkannte Allgemeinheit und +Macht der Gemeinschaft. + +In dem Verhältniß zum Weib, als dem Raub und d[er] Magd der ge +meinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in +welcher der Mensch für sich selbst existirt, denn das Geheimniß dieses +Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, ent- +hüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der +Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattungsverhältniß gefaßt wird. Das +unmittelbare, natürliche, nothwendige Verhältniß d[es] Menschen zum +Menschen ist das Verhältniß des Mannes zum Weibe, //in diesem natürlichen +Gattungsverhältniß ist das Verhältniß des Menschen zur Natur unmittelbar +sein Verhältniß zum Menschen wie das Verhältniß zum Menschen unmit +telbar sein Verhältniß zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In +diesem Verhältniß erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Factum +reducirt inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder +die Natur zum menschlichen Wesen d[es] Menschen geworden ist. Aus +diesem Verhältniß kann man also die ganze Bildungsstufe d[es] Menschen +beurtheilen. | / Aus dem Charakter dieses Verhältnisses—folgt, inwieweit der +Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; +das Verhältniß des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältniß d[es] +Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also inwieweit das natürliche +Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen +ihm zum Natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur +Natur geworden ist. In diesem Verhältniß zeigt sich auch, inwieweit das +Bedürfniß des Menschen zum menschlichen Bedürfniß, inwieweit ihm also +der andre Mensch als Mensch zum Bedürfniß geworden ist, inwieweit er in +seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist. + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +262 + + r + +III + +Die erste positive Auf hebung des Privateigenthums, der rohe Communis­ +mus ist also nur eine Erscheinungsform von der Niedertracht des Privat­ +eigenthums, das sich als das positive Gemeinwesen setzen will. + +2) Der Communismus α) noch politischer Natur, demokratisch oder des- +5 potisch; ß) mit Aufhebung des Staats, aber zugleich noch unvollendetes, +immer noch mit dem Privateigenthum, d. h. der Entfremdung d[es] Menschen +afficirtem Wesen. In beiden Formen weiß sich der Communismus schon als +Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich, als Aufhebung der +menschlichen Selbstentfremdung, aber indem er das positive Wesen des +10 Privateigenthums noch nicht || erfaßt hat und ebensowenig die menschliche +Natur des Bedürfnisses verstanden hat, ist er auch noch von demselben +befangen und inf icirt. Er hat zwar seinen Begriff erfaßt, aber noch nicht sein +Wesen. + +15 + +3) Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als +menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des +menschlichen Wesens durch und für d[en] Menschen; darum als vollstän +dige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichthums der bisherigen Entwick +lung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, +d.h. menschlichen Menschen. Dieser Communismus ist als vollendeter +20 Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, +er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur +und mit d[em] Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz +und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwi +schen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er +ist das aufgelöste Räthsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung. / + +25 + +| v| Die ganze Bewegung der Geschichte ist daher, wie sein wirklicher +Zeugungsakt — der Geburtsakt seines empirischen Daseins—so auchfür sein +denkendes Bewußtsein die begriffne und gewußte Bewegung seines Wer +dens, während jener noch unvollendete Communismus aus einzelnen dem +30 Privateigenthum entgegenstehenden Geschichtsgestalten einen historischen +Beweis, einen Beweis in dem Bestehenden für sich sucht, indem er einzelne +Momente aus der Bewegung (Cabet, Villegardelle, etc reiten besonders auf +diesem Roß) herausreißt und als Beweise seiner historischen Vollblütigkeit +fixirt, womit er eben darthut, daß die unverhältnißmässig grössere Parthie +35 dieser Bewegung seinen Behauptungen widerspricht und daß, wenn er einmal +gewesen ist, eben sein vergangnes Sein die Prätention des Wesens wider +legt. + +Daß in der Bewegung des Privateigenthums, eben d[er] Oekonomie, die +ganze revolutionaire Bewegung sowohl ihre empirische, als theoretische + +40 Basis findet, davon ist die Nothwendigkeit leicht einzusehn. + +Das materielle, unmittelbar sinnliche Privateigenthum, ist der materielle + +263 + + Heft III. Seite V + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +sinnliche Ausdruck des entfremdeten menschlichen Lebens. Seine Be +wegung — die Production und Consumtion — ist die sinnliche Offenbarung +von der Bewegung aller bisherigen Production, d. h. Verwirküchung oder +Wirklichkeit d[es] Menschen. Religion, Familie, Staat, Recht, Moral, Wis +senschaft, Kunst etc sind nur besondre Weisen der Production und fallen +unter ihr allgemeines Gesetz. Die positive Aufhebung des Privateigenthums +als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Auf +hebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, +Familie, Staat etc in sein menschliches d. h. gesellschaftliches Dasein. Die +religiöse Entfremdung als solche geht nur in dem Gebiet des Bewußtseins, +des menschlichen Innern vor, aber die ökonomische Entfremdung ist die des +wirklichen Lebens, — ihre Aufhebung umfaßt daher beide Seiten. Es versteht +sich, daß die Bewegung bei den verschiednen Völkern ihren ersten Beginn +danach nimmt, ob das wahre anerkannte Leben des Volkes mehr im Be +wußtsein oder in der äussern Welt vorsichgeht, mehr das ideelle oder reelle +Leben ist. Der Communismus beginnt sogleich (Owen) mit dem Atheismus, +der Atheismus ist zunächst noch weit entfernt Communismus zu sein, wie +jener Atheismus mehr noch eine Abstraktion ist. +Die Philanthropie +des Atheismus ist daher zuerst nur eine || philosophische abstrakte Philan +thropie, die des Communismus sogleich reell und unmittelbar zur Wirkung +gespannt. + +Wir haben gesehn, wie unter Voraussetzung des positiv aufgehobnen +Privateigenthums, der Mensch d[en] Menschen producirt, sich selbst und den +andern Menschen; wie der Gegenstand, welcher die unmittelbare Bethäti- +gung seiner Individualität zugleich sein eignes Dasein für den andern +Menschen dessen Dasein und dessen Dasein für ihn ist. Ebenso sind aber +sowohl das Material der Arbeit, als der Mensch als Subjekt, wie Resultat so +Ausgangspunkt der Bewegung (und daß sie dieser Ausgangspunkt sein +müssen, eben darin hegt die geschichtliche Nothwendigkeit des Privat +eigenthums). Also ist der gesellschaftliche Charakter der allgemeine Cha +rakter der ganzen Bewegung; wie die Gesellschaft selbst den Menschen als +Menschen producirt, so ist sie durch ihn producirt. Die Thätigkeit und der +Genuß, wie ihrem Inhalt, sind auch der Existenzweise nach gesellschaftliche +Thätigkeit und gesellschaftlicher Genuß. Das menschliche Wesen der Natur +ist erst da für den gesellschaftlichen Menschen; denn erst hier ist sie für ihn +da als Band mit dem Menschen, als Dasein seiner für d[en] andern und des +andern für ihn, erst hier ist sie da als Grundlage seines eignen menscMchen +Daseins, wie als Lebenselement der menschlichen Wirklichkeit. Erst hier ist +ihm sein natürliches Dasein sein menschliches Dasein und die Natur für ihn +zum Menschen geworden. Also die Gesellschaft ist die vollendete We +senseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, + +264 + + Ill + +der durchgeführte Naturalismus d[es] Menschen und der durchgeführte +Humanismus der Natur. / + +|Vl| Die gesellschafüiche Thätigkeit und der geseUschaftiiche Genuß +existiren keineswegs allein in der Form einer unmittelbar gemeinschaftlichen +Thätigkeit und unmittelbar gemeinschaftlichen Genusses, obgleich die ge +meinschaftliche Thätigkeit und der gemeinschaftliche Genuß, d.h. die +Thätigkeit und der Genuß, die unmittelbar in wirklicher Gesellschaft mit +andern Menschen sich äussert und bestätigt, überall da stattfinden werden, +wo jener unmittelbare Ausdruck der Gesellschaftlichkeit im Wesen ihres +Inhalts begründet und seiner Natur angemessen ist. + +Allein auch wenn ich wissenschaftlich etc thätig bin, eine Thätigkeit, die +ich selten in unmittelbarer Gemeinschaft mit andern ausführen kann, so bin +ich gesellschaftlich, weü als Mensch thätig. Nicht nur das Material meiner +Thätigkeit ist nur — wie selbst die Sprache, in der der Denker thätig ist — als +geseüschaftuches Product gegeben, mein eignes Dasein isr geseUschaftiiche +Thätigkeit; darum das was ich aus mü mache, ich aus mü für die GeseUschaft +mache und mit dem Bewußtsein meiner als eines geseUschaftlichen We +sens. + +Mein allgemeines Bewußtsem ist nur die + +theoretische Gestalt dessen, +wovon das reelle Gemeinwesen, geseUschaftüche Wesen, die lebendige +Gestalt ist, während heut zu Tag das allgemeine Bewußtsein eine Abstraktion +vom wüküchen Leben ist und als solche ihm f eindüch gegenübertritt. Daher +ist auch die Thätigkeit meines aUgemeinen Bewußtsems — als eine solche — +mein theoretisches Dasein als geseUschaftüches Wesen. + +Es ist vor aUem zu vermeiden die „GeseUschaft" wieder als Abstraktion +dem Individuum gegenüber zu fixüen. Das Individuum ist das gesellschaft +liche Wesen. Seine Lebensäusserung — erscheine sie auch nicht in der +unmittelbaren Form einer gemeinschaftlichen, mit andern zugleich voU- +brachten Lebensäusserung — ist daher eine Äusserung und Bestätigung des +gesellschaftlichen Lebens. Das individueUe und das Gattungsleben des +Menschen sind nicht verschieden, so sehr auch — und dieß nothwendig — die +Daseinsweise des mdividueUen Lebens eine mehr besondre oder mehr all +gemeine Weise des Gattungslebens ist, oder je mehr das Gattungsleben ein +mehr besondres oder allgemeines individueUes Leben ist. + +Als Gattungsbewußtsein bestätigt der Mensch sein reeUes Gesellschafts +leben und wiederholt nur sein wüküches Dasein im Denken, wie umgekehrt + +Die Prostitution nur ein besondrer Ausdruck der allgemeinen Prostitution +des Arbeiters und da die Prostitution ein Verhältniß ist, worm nicht nur d[ie] +Prostituirte, sondern auch der Prostituüende fäUt — dessen Niedertracht +noch grösser ist — so fäüt auch der Capitalist, etc in diese Categorie. | + +267 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +das Gattungssein sich im Gattungsbewußtsein bestätigt und in seiner All +gemeinheit, als denkendes Wesen für sich ist. | + +I Der Mensch — so sehr er daher ein besondres Individuum ist und grade +seine Besonderheit macht ihn zu einem Individuum und zum wirklichen +individuellen Gemeinwesen — ebenso sehr ist er die Totalität, die ideale +Totalität, das subjektive Dasein d[er] Gedachten und empfundnen Gesell +schaft für sich, wie er auch in der Wirklichkeit, sowohl als Anschauung und +wirklicher Genuß des gesellschaftlichen Daseins, wie als eine Totalität +menschlicher Lebensäusserung da ist. + +5 + +Denken und Sein sind also zwar unterschieden, aber zugleich in Einheit + +10 + +miteinander. + +Der Tod erscheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte +Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte In +dividuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich. + +15 + +4) Wie das Privateigentum nur der sinnliche Ausdruck davon ist, daß der +Mensch zugleich gegenständlich für sich wird und zugleich vielmehr sich als +ein fremder und unmenschlicher Gegenstand wird, daß seine Lebensäus +serung seine Lebensentäusserung ist, seine Verwirklichung seine Ent +wirklichung, eine fremde Wirklichkeit ist, so ist die positive Aufhebung des +Privateigenthums, d. h. die sinnliche Aneignung des menschlichen Wesens 20 +und Lebens, des gegenständlichen Menschen, der menschlichen Werke für +und durch den Menschen, nicht nur im Sinne des unmittelbaren, einseitigen +Genusses zu fassen, nicht nur im Sinne des Besitzens, im Sinne des Habens. +Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also +als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, +Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, empfin +den, wollen, thätig sein, lieben, kurz alle Organe seiner Individualität, wie +die Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe +sind, ||VIl| sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten +zum Gegenstand die Aneignung desselben, die Aneignung der menschlichen +Wirklichkeit; +ist die Betätigung der +menschlichen Wirklichkeit (sie ist daher eben so vielfach, wie die mensch +lichen Wesensbestimmungen und Thätigkeiten vielfach sind), menschliche +Wtksamkeit und menschliches Leiden, denn das Leiden, menschlich gefaßt, +ist ein Selbstgenuß des Menschen. + +ihr Verhalten zum Gegenstand + +25 + +35 + +30 + +Das Privateigenthum hat uns so dumm und einseitig gemacht, daß ein +Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Capital für uns +existirt, oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem +Leib getragen, von uns bewohnt etc kurz gebraucht wird. Obgleich das +Privateigenthum alle diese unmittelbaren Verwirldichungen des Besit- 40 +zes selbst wieder nur als Lebensmittel faßt und das Leben, zu dessen Mit- + +268 + + w + +m, + +III + +tel sie dienen, ist das Leben des Privateigenthums, Arbeit und Capitali- +sirung. + +5 + +An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache +Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten. Auf diese +absolute Armuth mußte das menschliche Wesen reducirt werden, damit es +seinen innern Reichthum aus sich herausgebäre. (Ueber die Categorie des +Habens siehe Heß in den 21 Bogen.) + +Die Aufhebung des Privateigenthums ist daher die vollständige Eman +cipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; aber sie ist diese +1 o Emancipation grade dadurch daß diese Sinne und Eigenschaften menschlich, +sowohl subjektiv als objektiv geworden sind. Das Auge ist zum menschlichen +Auge geworden, wie sein Gegenstand zu einem gesellschaftlichen, mensch +lichen vom Menschen für d[en] Menschen herrührenden Gegenstand ge +worden ist. Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker +15 geworden. Sie verhalten sich zu der Sache um der Sache willen, aber die +Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst +und zum Menschen und umgekehrt. Ich kann mich praktisch nur menschlich +zu der Sache verhalten, wenn die Sache sich zum Menschen menschlich +verhält. Das Bedürfniß oder der Genuß haben darum ihre egoistische Natur +und die Natur ihre blose Nützlichkeit verloren, indem der Nutzen zum +Menschlichen || Nutzen geworden ist. + +20 + +Ebenso sind die Sinne und der Geist d[es] andern Menschen meine eigne +Aneignung geworden. Ausser diesen unmittelbaren Organen bilden sich +daher gesellschaftliche Organe, in der Form der Gesellschaft, also z. B. die +25 Thätigkeit in unmittelbarer Gesellschaft mit andern etc. ist ein Organ meiner +Lebensäusserung geworden und eine Weise der Aneignung des menschli +chen Lebens. + +Es versteht sich, daß das menschliche Auge anders genießt, als das rohe, + +unmenschliche Auge, das menschliche Ohr anders als das rohe Ohr etc. + +30 + +Wir haben gesehn. Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem +Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder Gegen +ständlicher Mensch wird. Dieß ist nur möglich indem er ihm als gesellschaft +licher Gegenstand, er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die +Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird. + +35 + +40 + +Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft, die +gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesens +kräfte als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen +Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständ +lichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirk- +lichenden Gegenstände, als seine Gegenstände; d.h. Gegenstand wird er +selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegen- + +269 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +standes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben +die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise +der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr und der +Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlich +keit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch +die eigenthümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständ +lichen wirklichen lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, ||VIIl| sondern +mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt be +jaht. + +Andrerseits: Subjektiv gefaßt: Wie erst die Musik den musikalischen Sinn +d[es] Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik +keinen Sinn hat, kein Gegenstand ist, weil mein Gegenstand nur die Bestä +tigung einer meiner Wesenskräfte sein kann, also nur so für mich sein kann, +wie meine Wesenskraft als subjektive Fähigkeit für sich ist, weil der Sinn +eines Gegenstandes für mich (nur Sinn für einen ihm entsprechenden Sinn +hat) grade so weit geht als mein Sinn geht, darum sind die Sinne d[es] ge +sellschaftlichen Menschen andre Sinne, wie die des ungeseUschaftlichen; +erst durch den gegenständlich entfalteten Reichthum des menschlichen +Wesens wird der Reichthum der subjektiven menschlichen Sinnüchkeit, wird +ein musikalisches Ohr, ein Auge für die Schönheit der Form, kurz werden +erst menschlicher Genüsse fähige Sinne, Sinne, welche als menschliche +Wesenskräfte sich bestätigen, theils erst ausgebildet, theils erst erzeugt. +Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, +die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc), mit einem Wort der menschliche +Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegen +standes, durch die vermenschlichte Natur. + +Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Welt +geschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfniß befangne Sinn hat +auch nur einen bornirten Sinn. Für d[én] ausgehungerten Menschen existirt +nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein +als Speise; eben so gut könnte sie in rohster Form vorliegen und es ist nicht +zu sagen, wodurch sich diese Nahrungsthätigkeit von der +thierischen +Nahrungsthätigkeit unterscheide. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat +keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineraüenkrämer sieht nur den +merkantilischen Werth, aber nicht die Schönheit und eigenthümliche Natur +des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständ +lichung des menschlichen || Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer +Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne d[es] Menschen menschhch zu +machen, als um für den ganzen Reichthum des menschlichen und natürlichen +Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen. + +Wie durch die Bewegung des Privateigenthums und seines Reichthums, + +270 + + Ill + +20 + +15 + +5 Wirklichkeit. + +wie Elends — oder materiellen und geistigen Reichthums und Elends — die +werdende Gesellschaft zu dieser Bildung alles Material vorfindet, so pro +ducirt die gewordne Gesellschaft den Menschen in diesem ganzen Reichthum +seines Wesens, den reichen all und tiefsinnigen Menschen als ihre stete +Man sieht wie Subjektivismus und Objektivismus, +Spirituahsmus und Materialismus, Thätigkeit und Leiden erst im gesell +schaftlichen Zustand ihren Gegensatz, und damit ihr Dasein als solche +Gegensätze verlieren; man sieht, wie die Lösung der theoretischen Gegen +sätze selbst nur auf eine praktische Art, nur durch die praktische Energie +10 d[es] Menschen möglich ist und ihre Lösung daher keineswegs nur eine +Aufgabe der Erkenntniß, sondern eine wirkliche Lebensaufgabe ist, welche +die Philosophie nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische +Aufgabe faßte. +Man sieht, wie die Geschichte der Industrie und +das gewordne gegenständliche Dasein der Industrie das aufgeschlagne Buch +der menschlichen Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche +Psychologie ist, die bisher nicht in ihrem Zusammenhang mit dem Wesen +des Menschen, sondern immer nur in einer äussern Nützlichkeitsbeziehung +gefaßt wurde, weil man — innerhalb der Entfremdung sich bewegend — nur +das allgemeine Dasein d[es] Menschen, die Religion, oder die Geschichte in +ihrem abstrakt-allgemeinen Wesen, als Politik, Kunst, Litteratur etc j|DC| als +Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte und als menschliche Gattungs +akte zu fassen wußte. In der gewöhnlichen, materiellen Industrie (— die man +eben so wohl als einen Theil jener allgemeinen Bewegung fassen, wie man +sie selbst als einen besondern Theil der Industrie fassen kann, da alle +25 menschliche Thätigkeit bisher Arbeit, also Industrie, sich selbst entfremdete +Thätigkeit war —) haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher +Gegenstände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten +Wesenskräfte des Menschen vor uns. Eine Psychologie, für welche dieß +Buch, also grade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Theil der Ge- +schichte, zugeschlagen ist, kann nicht zur wirklichen Inhaltsvollen und +reellen Wissenschaft werden. Was soll man überhaupt von einer Wissen +schaft denken, die von diesem grossen Theil der menschlichen Arbeit vor +nehm abstrahirt und nicht in sich selbst ihre Unvollständigkeit fühlt, so lange +ein so ausgebreiteter Reichthum des menschlichen Wirkens ihr nichts sagt, +als etwa, was man in einem Wort sagen kann: „Bedürfniß" „gemeines +Bedürfniß!" +Die Naturwissenschaften haben eine enorme Thätig +keit entwickelt und sich ein stets wachsendes Material angeeignet. Die +Philosophie ist ihnen indessen eben so fremd geblieben, wie sie der Philoso +phie fremd büeben. Die momentane Vereinigung war nur eine phantastische +Illusion. Der Wille war da, aber das Vermögen fehlte. Die Geschicht +schreibung selbst nimmt auf die Naturwissenschaft nur beiläufig Rücksicht, + +30 + +40 + +35 + +271 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +5 + +15 + +als Moment der Aufklärung, Nützlichkeit, einzelner grosser Entdeckungen. +Aber desto praktischer hat die Naturwissenschaft vermittelst der Industrie +in das menschliche Leben eingegriffen und es umgestaltet und die mensch +üche Emancipation vorbereitet, so sehr sie unmittelbar die Entmenschung +vervoüständigen mußte. Die Industrie ist das wkkhche geschichtliche Ver- +hältniß der Natur und daher der Naturwissenschaft zum Menschen; wüd sie +daher als exoterische Enthüllung der menschlichen Wesenskräfte gefaßt, so +wüd auch das menschliche Wesen der Natur oder das natürliche Wesen d[es] +Menschen verstanden, daher die || Naturwissenschaft ihre abstrakt ma +terielle oder vielmehr ideaüstische Richtung verüeren und die Basis der 10 +menschlichen Wissenschaft werden, wie sie jezt schon — obgleich in ent +fremdeter Gestalt — zur Basis des wüküch menschüchen Lebens geworden +ist; eine andre Basis für das Leben, eme andre für die Wissenschaft, ist von +vornherein eine Lüge. Die in der menschüchen Geschichte — dem Entste +hungsakt der menschlichen GeseUschaft werdende Natur — ist die wkkliche +Natur d[es] Menschen, darum die Natur, wie sie durch die Industrie, wenn +auch in entfremdeter Gestalt wüd, die wahre anthropologische Natur ist. +Die Sinnlichkeit (siehe Feuerbach) muß die Basis aller Wissen +schaft sem. Nur, wenn sie von ihr, in der doppelten Gestalt, sowohl des +sinnlichen Bewußtseins als des sinnlichen Bedürfnisses ausgeht, — also nur 20 +wenn die Wissenschaft von der Natur ausgeht — ist sie wirkliche Wissen +schaft. Damit der „Mensch" zum Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins +und das Bedürfniß des „Menschen als Menschen" zum Bedürfniß werde, +dazu ist die ganze Geschichte die Vorbereitungsgeschichte \ Entwicklungs +geschichte. Die Geschichte selbst +turgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen. Die Naturwissen +schaft wüd später eben so wohl die Wissenschaft von d[em] Menschen, wie +die Wissenschaft von d[em] Menschen die Naturwissenschaft unter sich +subsumüen: es wüd eine Wissenschaft sein. | | x| Der Mensch ist der un +mittelbare Gegenstand der Naturwissenschaft; denn die unmittelbare sinn- 30 +liehe Natur für d[en] Menschen ist unmittelbar die menschliche Sinnlichkeit, +(ein identischer Ausdruck) unmittelbar als der andere sinnüch für ihn vor +handene Mensch; denn seme eigne Sinnlichkeit ist erst durch den andren +Menschen als menschüche Sinnüchkeit für ihn selbst. Aber die Natur ist der +unmittelbare Gegenstand der Wissenschaft vom Menschen. Der erste Ge- +genstand d[es] Menschen — der Mensch — ist Natur, Sinnüchkeit und die +besondern menschlich sinnlichen Wesenskräfte, wie sie nur in Natürlichen +Gegenständen ihre gegenständliche Verwüküchung, können nur in der +Wissenschaft des Naturwesens überhaupt ihre Selbsterkenntrüß finden. Das +Element des Denkens selbst, das Element der Lebensäusserung des Ge- 40 +dankens, die Sprache ist sinnlicher Natur. Die gesellschafüiche Wüklichkeit + +ist ein wkklicher Theü der Na- 25 + +35 + +272 + + III + +der Natur und die menschliche Naturwissenschaft oder die natürliche Wis +Man sieht, +senschaft vom Menschen sind identische Ausdrücke. +wie an die Stelle des nationalökonomischen Reichthums und Elendes der +tritt. Der reiche +reiche Mensch und das reiche menschliche Bedürfniß +5 Mensch ist zugleich der einer Totalität der menschlichen Lebensäusserung +bedürftige Mensch. Der Mensch, in dem seine eigne Verwirldichung, als +innere Nothwendigkeit, als Noth existirt. Nicht nur der Reichthum, auch die +Armuth des Menschen erhält gleichmässig — unter Voraussetzung des So- +cialismus — eine menschliche und daher gesellschaftliche Bedeutung. Sie ist +10 das passive Band, welches dem Menschen den größten Reichthum, den +andern Menschen, als Bedürfniß empfinden läßt. Die Herrschaft des gegen +ständlichen Wesens in mir, der sinnliche Ausbruch meiner Wesensthätig- +keit ist die Leidenschaft, welche hier damit die Thätigkeit meines Wesens +wird. + +15 + +20 + +25 + +30 + +5) Ein Wesen gilt sich erst als selbstständiges, sobald es auf eignen Füssen +steht und es steht erst auf eignen Füssen, sobald es sein Dasein sich selbst +verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade eines andern lebt, betrachtet sich +als ein Abhängiges Wesen. Ich lebe aber vollständig von der Gnade eines +andern, wenn ich ihm nicht nur die Unterhaltung meines Lebens verdanke, +sondern wenn er noch ausserdem mein Leben geschaffen hat; wenn er der +Quell meines Lebens ist, und mein Leben hat nothwendig einen solchen +Grund ausser sich, wenn es nicht meine eigne Schöpfung ist. Die Schöpfung +ist daher eine sehr || schwer aus dem Volksbewußtsein zu verdrängende +Vorstellung. Das Durchsichselbstsein der Natur und d[es] Menschen ist ihm +unbegreiflich, weil es allen Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens + +widerspricht. + +Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geo- +gnosie, d.h. durch die Wissenschaft, welche die Erdbüdung, das Wer +den der Erde als xeinen Proceß, als Selbsterzeugung darstellte. Die gene- +ratio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungs +theorie. + +Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles +schon sagt: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat +in dir die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt d[es] Menschen +35 den Menschen producirt. Du siehst also daß der Mensch auch physisch sein +Dasein d[em] Menschen verdankt. Du mußt also nicht nur die eine Seite im +Auge behalten, den unendlichen Progreß, wonach du weiter fragst: Wer hat +meinen Vater, wer seinen Großvater etc gezeugt. Du mußt auch die Kreis +bewegung, welche in jenem Progreß sinnlich anschaubar ist, festhalten, +40 wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch + +immer Subjekt bleibt. + +273 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung dir zugestanden, so +gestehe du mir den Progreß zu, der mich immer weiter treibt, bis ich frage, +wer hat d[en] ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? + +Ich kann dü nun antworten: Derne Frage ist selbst ein Produkt der Ab +straction. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob Derne +Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beant +worten kann, weü er ein verkehrter ist? Frage dich ob jener Progreß als +solcher für ein vernünftiges Denken existirt? Wenn du nach der Schöpfung +der Natur und d[es] Menschen fragst, so abstrabirst du also vom Menschen +und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und wülst doch, daß ich sie als +seiend dü beweise. Ich sage dü nun: gieb deine Abstraktion auf, so giebst +du auch Derne Frage auf oder wülst du an deiner Abstraktion festhalten, so +sei consequent, und wenn du d[en] Menschen und die Natur als nichtseiend +denkend ||Xl| denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch +Natur und Mensch bist. Denke nicht; frage mich nicht, denn sobald du denkst +und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und d[es] Men +schen kernen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts +sezt und selbst sein wülst? + +Du kannst mü erwiedern: Ich wül nicht das Nichts der Natur etc setzen; +ich frage dich nach ihrem Entstehungsakt, wie ich den Anatom nach den +Knochenbüdungen frage, etc. + +Indem aber für den socialistischen Menschen die ganze sogenannte +Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die +menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für d[en] Menschen, so hat +er also den anschauüchen, unwiderstehüchen Beweis von seiner Geburt +durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß. Indem die Wesenhaftig- +keit d[es] Menschen und der Natur, indem der Mensch für den Menschen +als Dasein der Natur, und die Natur für d[en] Menschen als Dasein d[es] +Menschen praktisch, sinnüch anschaubar geworden ist, ist die Frage nach +einem fremden Wesen, nach einem Wesen über der Natur und d[em] +Menschen — eine Frage, welche das Geständniß von der Unwesentiichkeit +der Natur und d[es] Menschen einschließt—praktisch unmöglich geworden. +Der Atheismus, als Läugnung dieser Unwesentlichkeit, hat kernen Sinn +mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und sezt durch diese +Negation das Dasein des Menschen; aber der Sociaüsmus als Sociaüsmus +bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch +und praktisch sinnlichen Bewußtsein d[es] Menschen und der Natur als des +Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Reügion +vermitteltes Selbstbewußtsein d[es] Menschen, wie das wirkliche Leben +positive, nicht mehr durch die Aufhebung des Privateigenthums, den +Communismus, vermittelte Wüküchkeit d[es] Menschen ist. Der Communis- + +274 + + Ill + +mus ist die Position als Negation der Negation, darum das wirkliche, für die +nächste geschichtliche Entwicklung nothwendige Moment der menschlichen +Emancipation und Wiedergewinnung. Der Communismus ist die nothwen +dige Gestalt und das Energische Princip der nächsten Zukunft, aber der +5 Communismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung, + +— die Gestalt der menschlichen Gesellschaft. + +] + +16) An diesem Punkte ist vielleicht der Ort, sowohl zur Verständigung und +Berechtigung über die hegelsche Dialektik überhaupt, als namentlich über +ihre Ausführung in der Phänomenologie und Logik, endlich über das +10 Verhältniß der neuern kritischen Bewegung einige Andeutungen zu ge + +ben. + +20 + +15 + +Die Beschäftigung mit dem Inhalt der alten Welt, die von dem Stoff +befangne Entwicklung der modernen deutschen Kritik war so gewaltsam, +daß ein völlig kritikloses Verhalten zur Methode des Kriticirens, und eine +völlige Bewußtlosigkeit über die scheinbar formelle, aber wirklich wesent +liche Frage statt fand, wie halten wir es nun mit der hegel'schen Dialektik? +Die Bewußtlosigkeit über das Verhältniß der modernen Kritik zur +hegel'schen Philosophie überhaupt und zur Dialektik namentlich war so groß, +daß Kritiker wie Strauß und Bruno Bauer, der erstere vollständig, der zweite +in seinen „Synoptikern" (wo er dem Strauß gegenüber das „Selbstbewußt +sein" d[es] abstrakten Menschen an die Stelle der Substanz der „abstrakten +Natur" stellt) und selbst noch im „entdeckten Christenthum" wenigstens der +Potenz nach noch vollständig innerhalb der hegel'schen Logik befangen sind. +So heißt es ζ. B. in dem entdeckten Christenthum: „Als ob nicht das Selbst- +25 bewußtsein, indem es die Welt, den Unterschied sezt, und in dem, was es +hervorbringt, sich selbst hervorbringt, da es den Unterschied des Hervor +gebrachten von ihm selbst wieder aufhebt, da es nur im Hervorbringen und +in der Bewegung es selber ist — als ob es nicht in dieser Bewegung seinen +Zweck hätte" etc oder: „Sie (die französischen Materialisten) haben noch +30 nicht sehn können, daß die Bewegung des Universums erst als die Bewegung +des Selbstbewußtseins wirklich für sich geworden und zur Einheit mit ihr +selbst zusammengegangen ist", Ausdrücke, die auch nicht einmal in der +Sprache einen Unterschied von der hegel'schen Auffassung zeigen, sondern +sie vielmehr wörtlich wiederholen. | + +35 + +|ΧΠ| Wie wenig während d[em] Akt der Kritik (Bauer, die Synoptiker) ein +Bewußtsein vorhanden war über das Verhältniß zur Hegel'schen Dialektik, +wie wenig dieses Bewußtsein auch nach dem Akt der stofflichen Kritik +entstand, beweist Bauer, wenn er in seiner „guten Sache der Freiheit" die +vorlaute Frage des Herrn Gruppe, „was nun mit der Logik" dadurch abweist, + +40 daß er ihn auf kommende Kritiker verweist. + +Aber auch nun, nachdem Feuerbach — sowohl in seinen „Thesen" in den + +275 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Anecdotis, als ausf ührlich in der „Philosophie der Zukunft" die alte Dialektik +und Philosophie dem Keim nach umgeworfen hat — nachdem dagegen jene +Kritik, welche diese That nicht zu vollbringen wußte, dagegen die That +vollbrachte sich „als reine, entschiedne, absolute, mit sich ins Klare ge- +kommne Kritik" auszurufen; nachdem sie in ihrem spiritualistischen Hoch- +muth die ganze geschichtliche Bewegung auf das Verhältniß der übrigen Welt +— die ihr gegenüber unter die Categorie der „Masse" fällt — zu ihr selbst +reducirt und alle dogmatischen Gegensätze in den einen dogmatischen +Gegensatz ihrer eignen Klugheit und der Dummheit der Welt, des kritischen +Christus und der Menschheit, als dem „Haufen", aufgelöst hat; nachdem sie +ihre eigne Vortrefflichkeit täglich und stündlich an der Geistlosigkeit der +Masse bewiesen hat, nachdem sie endlich das kritische jüngste Gerichtunter +der Gestalt verkündigt hat, daß der Tag herannahe, wo die ganze verfallende +Menschheit ihr gegenüber sich schaaren werde, von ihr in Gruppen sondüt +und jeder besondre Haufen sein testimonium paupertatis erhalten werde, +nachdem sie ihre Erhabenheit über menschliche Empfindungen, wie über die +Welt, über welche sie in erhabner Einsamkeit thronend nur von Zeit zu Zeit +das Gelächter der olympischen Götter von ihren sarkastischen Lippen +schauen läßt, hat drucken lassen — nach aüen diesen ergötzüchen Gebah- +rungen des unter der Form der Kritik verscheidenden Idealismus (des Jung +hegelthums) hat er auch nicht einmal die Ahnung ausgesprochen, daß man +sich nun kritisch mit seiner Mutter, der hegelschen Dialektik auseinan +derzusetzen habe, ja selbst über kein kritisches Verhältniß zur Feuerba +chischen Dialektik anzugeben gewußt. Ein vöUiges unkritisches Verhalten +zu sich selbst. | + +I Feuerbach ist der einzige, der ein ernsthaftes, ein faitisches Verhältniß +zur hegel'schen Dialektik hat und wahrhafte Entdeckungen auf diesem +Gebiete gemacht hat, überhaupt der wahre Ueberwinder der alten Phüoso- +phie ist. Die Grösse der Leistung und die geräuschlose Einfachheit, womit +F. sie der Welt giebt, stehn in einem wunderlichen Gegensatz zu dem +umgekehrten Verhältniß. + +Feuerbachs grosse That ist: 1) der Beweis, daß die Phüosophie nichts +andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Reügion; +also ebenfaüs zu verurtheüen ist; eme andre Form und Daseinsweise d[er] +Entfremdung des menschüchen Wesens. + +2) Die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, +indem Feuerbach das geseüschaftüche Verhältniß das „des Menschen zum +Menschen" — ebenso zum Grundprincip der Theorie macht; + +3) indem er der Negation der Negation, die das absolut positive zu sein +behauptet, das auf sich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete +Positive entgegensteUt. + +276 + + Ill + +Feuerbach erklärt die hegel'sche Dialektik — (und begründet dadurch den + +Ausgang vom Positiven, vom Sinnlich-Gewissen) — folgendermassen: + +Hegel geht aus von der Entfremdung (Logisch: dem Unendlichen, abstrakt +Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und fixirten Abstraktion, — d. h. +populär ausgedrückt, er geht von der Religion und Theologie aus. + +Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, sezt das Wirkliche, Sinnliche, +Reale, Endliche, Besondre. (Philosophie, Aufhebung der Religion und +Theologie.) + +Drittens. Er hebt das Positive wieder auf; stellt die Abstraktion, das + +Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie. + +Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der +Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie +(Transzendenz etc) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegen +satz zu sich selbst bejaht. + +Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Ne +gation der Negation hegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum +mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des +Beweises Bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als +nicht eingestandne ||XIIl| Position gefaßt und darum ihr direkt und unver +mittelt die sinnlichgewisse auf sich selbst gegründete Position entgegen +gestellt. + +Feuerbach faßt auch die Negation der Negation, den konkreten Begriff +als das sich im Denken überbietende und als Denken unmittelbar Anschau +ung, Natur, Wirklichkeit sein wollende Denken. + +Aber indem Hegel die Negation der Negation — der positiven Beziehung +nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive — der negativen +Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbst- +bethätigungsakt alles Seins — aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, lo +gischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, +die noch nicht wirkliche Geschichte d[es] Menschen als eines vorausgesezten +sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Men +Subjekts, +schen ist. — Sowohl die abstrakte Form werden wir erklären, als den Unter +schied, den diese Bewegung bei Hegel im Gegensatz zur modernen Kritik, +zu demselben Prozeß in Feuerbachs Wesen des Christenthums hat, oder +vielmehr die kritische Gestalt dieser bei Hegel noch unkritischen Bewegung. +Ein Blick auf das hegelsche System. Man muß beginnen mit der +hegel'schen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimniß +der hegel'schen Philosophie. — + +Phänomenologie. +A) Das Selbstbewußtsein. +I.) Bewußtsein, α) Sinnliche Gewißheit oder das Dieses und das Mei- + +in + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +neri, β) Die Wahrnehmung oder das Ding mit seinen Eigenschaften und +die Täuschung, y) Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche +Welt. + +II.) Selbstbewußtsein. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst, a) Selbst +ständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins, Herrschaft und +Knechtschaft, b) Freiheit des Selbstbewußtseins. Stoicismus, Skepticismus, +das unglückliche Bewußtsein. + +III.) Vernunft. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft, a) beobachtende +Vernunft; Beobachtung der Natur und des Selbstbewußtseins, b) Ver +wirklichung des vernünftigen Selbstbewußtsems durch sich selbst. Die Lust +und die Nothwendigkeit. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des +Eigendünkels. Die Tugend und der Weltlauf, c) die Individualität, welche sich +an und für sich reeU ist. Das geistige Thierreich und der Betrug oder die Sache +selbst. Die gesetzgebende Vernunft. Die gesetzprüfende Vernunft. + +B) Der Geist. +I.) Der wahre Geist; die Sittlichkeit. II.) Der sich entfremdete Geist, die + +Büdung. III.) Der seiner selbst gewisse Geist, die Moraütät. + +C) Die Religion, natürliche, Kunstreligion, offenbare Religion. +D) Das absolute Wissen. +Wie die Encyclopädie Hegels mit der Logik beginnt, mit dem reinen +spekulativen Gedanken und mit dem absoluten Wissen, dem selbstbewußten, +sich selbst erfassenden phüosophischen oder absoluten, d. i. übermenschli +chen abstrakten Geist, aufhört, so ist die ganze Encyklopädie nichts als das +ausgebreitete Wesen des phüosophischen Geistes, || seme Selbstvergegen- +ständüchung; wie der philosophische Geist nichts ist als der innerhalb seiner +Selbstentfremdung denkend, d. h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist +der Welt. — Die Logik — das Geld des Geistes, der spekulative, der Ge +dankenwerth des Menschen und der Natur — ihr gegen aüe wükliche Be +stimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes und darum unwüküches +Wesen — das entäusserte, daher von der Natur und d[em] wüküchen +Menschen abstrabirende Denken ; das abstrakte Denken. — Die Aüsserlich +keit dieses abstrakten Denkens ... die Natur, wie sie für dieß abstrakte +Denken ist. Sie ist ihm äusserüch, sein Selbstverlust; und es faßt sie auch +äusserlich, als abstrakten Gedanken, aber als entäussertes abstraktes +Denken. — Endüch der Geist, dieß in seme eigne Geburtsstätte heimkehrende +Denken, welches sich als anthropologischer, phänomenologischer, psycho +logischer, sittlicher, künstücher, reügiöser Geist immer noch nicht für sich +selbst g u t, bis es sich endlich als absolutes Wissen und darum absoluter i. e. +abstrakter Geist vorfindet und selbstbejaht, sein bewußtes und ihm ent +sprechendes Dasein erhält. Denn sein wükliches Dasein ist die Abstrak +tion. ... + +/ + +278 + + F + +III + +5 + +10 + +| x r v| 7) Wir haben gesehn, welche Bedeutung unter der Voraussetzung +des Socialismus die Reichheit der menschlichen Bedürfnisse, und daher +sowohl eine neue Weise der Production, als auch ein neuer Gegenstand der +Production hat. Neue Bethätigung der menschlichen Wesenskraft und neue +Bereicherung des menschlichen^esens. Innerhalb des Privateigenthums die +umgekehrte Bedeutung. Jeder Mensch spekulirt darauf, dem andern ein +neues Bedürfniß zu schaffen, um ihn zu einem neuen Opfer zu zwingen, um +ihn in eine neue Abhängigkeit zu versetzen und ihn zu einer neuen Weise +des Genusses und damit des ökonomischen Ruins zu verleiten. Jeder sucht +eine fremde Wesenskraft über d[en] andern zu schaffen, um darin die +Befriedigung seines eigenen eigennützigen Bedürfnisses zu finden. Mit der +Masse der Gegenstände wächst daher das Reich der fremden Wesen, denen +der Mensch unterjocht ist und jedes neue Product ist eine neue Potenz des +wechselseitigen Betrugs und der wechselseitigen Ausplünderung. Der +15 Mensch wird um so ärmer als Mensch, er bedarf um so mehr des Geldes, +um sich des f eindlichen Wesens zu bemächtigen und die Macht seines Geldes +fällt grade im umgekehrten Verhältniß als die Masse der Production, d. h. +seine Bedürftigkeit wächst, wie die Macht des Geldes zunimmt. — Das +Bedürfniß des Geldes ist daher das wahre, von der Nationalökonomie pro- +20 ducirte Bedürfniß und das einzige Bedürfniß, das sie producirt. — Die +Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; +wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reducirt, so reducirt es sich in seiner +eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maaßlosigkeit und Un- +mässigkeitwkd sein wahres Maaß. — Subjektiv selbst erscheint dieß so, theils +daß die Ausdehnung der Producte und der Bedürfnisse zum erfinderischen +und stets calculirenden Sklaven unmenschlicher, raffinirter, unnatürlicher +und eingebildeter Gelüste wird — das Privateigenthum weiß das rohe Be +dürfniß nicht zum menschlichen Bedürfniß zu machen; sein Idealismus ist +die Einbildung, die Willkühr, die Laune und ein Eunuche schmeichelt nicht +30 niederträchtiger seinem Despoten und sucht durch keine infameren Mittel +seine abgestumpfte Genußfähigkeit zu irritiren, um sich selbst eine Gunst +zu erschleichen, || wie der Industrieeunuche, der Producent, um sich Silber +pfennige zu erschleichen, aus der Tasche des christlich geliebten Nachbarn +die Goldvögel herauszulocken — (jedes Product ist ein Köder, womit man +35 das Wesen des andern, sein Geld, an sich locken will, jedes wirkliche oder +mögliche Bedürfniß ist eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange +heranführen wird — allgemeine Ausbeutung des gemeinschaftlichen mensch +lichen Wesens, wie jede Unvollkommenheit d[em] Menschen ein Band mit +dem Himmel ist, eine Seite, wo sein Herz dem Priester zugänglich; jede Noth +ist eine Gelegenheit, um unter dem liebenswürdigsten Schein zum Nachbarn +zu treten und ihm zu sagen: Lieber Freund, ich gebe dir, was dir nöthig ist, + +25 + +40 + +279 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +aber du kennst d[ie] conditio sine qua non; du weißt, mit welcher Tinte du +dich mir zu verschreiben hast; ich prelle dich, indem ich dir einen Genuß +verschaffe) — sich seinen verworfensten Einfällen fügt, den Kuppler zwi +schen ihm und seinem Bedürfniß spielt, krankhafte Gelüste in ihm erregt, +jede Schwachheit ihm ablauert, um dann das Handgeld für diesen Liebes +dienst zu verlangen. — Theüs zeigt sich diese Entfremdung, indem die +Raffinirung der Bedürfnisse und ihrer Mittel auf der einen Seite, die vie +hische Verwüdrung, voüständige rohe abstrakte Einfachheit des Bedürf +nisses auf der andern Seite producüt; oder vielmehr nur sich selbst in seiner +gegentheüigen Bedeutung wieder gebiert. Selbst das Bedürfniß der freien +Luft hört für den Arbeiter auf, ein Bedürfniß zu sein, der Mensch kehrt in +die Höhlenwohnung zurück, die aber nun von dem mephytischen Pesthauch +der Civüisation verpestet ist und die er nur mehr prekär, als eine fremde +Macht, die sich ihm täglich entziehn, aus der er täglich, wenn er ||XV| nicht +zahlt, herausgeworfen werden kann, bewohnt. Dieß Todtenhaus muß er +bezahlen. Die LicÄrwohnung, welche Prometheus bei Aeschylus als eines +der grossen Geschenke, wodurch er d[en] WUden zum Menschen gemacht, +bezeichnet, hört auf, für d[en] Arbeiter zu sein. Licht, Luft, etc. die ein +fachste thierische Reinüchkeit hört auf, ein Bedürfniß für d[en] Menschen +zu seüi. Der Schmutz, diese Versumpfung, Verfaulung des Menschen, der +Gossenablauf (dieß ist wörtüch zu verstehn) der Civiüsation wüd ihm ein +Lebenselement. Die vöüige unnaüirliche Verwahrlosung, die verfaulte Natur +wüd zu seinem Lebenselement. Keiner seiner Sinne existirt mehr, nicht nur +nicht hi seiner menschlichen Weise, sondern in einer unmenschlichen, darum +selbst nicht einmal thierischen Weise. Die rohsten Weisen (Instrumente) der +menschlichen Arbeit kehren wieder, wie die Tretmühle d[es] römischen +Sklaven zur Productionsweise, Daseinsweise vieler engüscher Arbeiter +geworden ist. Nicht nur daß der Mensch kerne menschlichen Bedürfnisse +hat, selbst die thierischen Bedürfnisse hören auf. Der Irländer kennt nur +mehr das Bedürf niß des Essens und zwar nur mehr des Cartoffelessens und +zwar nur der Lumperkartoffel, der schlechtesten Art von Kartoffel. Aber +England und Frankreich haben schon in jeder Industriestadt ein kleines +Irland. Der Wüde, das Thier hat doch das Bedürfniß der Jagd, der Bewegung +etc., der Geselligkeit. Die Vereinfachung der Maschine, der Arbeit wüd +dazu benuzt, um den erst werdenden Menschen, den ganz unausgebUdeten +Menschen — das Kind — zum Arbeiter zu machen, wie der Arbeiter ein +verwahrlostes Kind geworden ist. Die Maschine bequemt sich der Schwä +che d[es] Menschen, um den schwachen Menschen zur Maschine zu ma +chen. + +Wie die Vermehrung der Bedürfnisse und ihrer Mittel die Bedürfnißlosig- +keit und die Mitteüosigkeit erzeugt, beweist der Nationalökonom (und der + +280 + + Ill + +20 + +5 + +15 + +Capitalist, überhaupt reden wir immer von den empirischen Geschäftleuten, +wenn wir uns an die Nationalökonomen—ihr wissenschaftliches Geständniß +und Dasein — adressiren) 1) indem er das Bedürfniß des Arbeiters auf den +notwendigsten und jämmerüchsten Unterhalt des physischen Lebens und +seine Thätigkeit auf die abstrakteste mechanische Bewegung reducirt, also, +sagt er: Der Mensch hat kein andres Bedürfniß weder der Thätigkeit, noch +des Genusses; denn auch dieß Leben erklärt er [als] menschliches Leben und +Dasein; indem || 2) er das möglichst dürftige Leben (Existenz) als Maaßstab +und zwar als allgemeinen Maaßstab ausrechnet: allgemein, weil für die +10 Masse der Menschen geltend; er macht den Arbeiter zu einem unsinnlichen +und bedürfnißlosen Wesen, wie er seine Thätigkeit zu einer reinen Ab +straktion von aller Thätigkeit macht; jeder Luxus des Arbeiters erscheint ihm +daher als verwerflich und alles, was über das allerabstrakteste Bedürfniß +hinausgeht — sei es als passiver Genuß oder Thätigkeitsäusserung—erscheint +ihm als Luxus. Die Nationalökonomie, diese Wissenschaft des Reichthums +ist daher zugleich die Wissenschaft des Entsagens, des Darbens, der Er- +sparung und sie kömmt wirklich dazu dem Menschen, sogar das Bedürfniß +einer reinen Luft oder der physischen Bewegung zu ersparen. Diese Wis +senschaft der wunderbaren Industrie ist zugleich die Wissenschaft der +Ascese und ihr wahres Ideal ist der ascetische aber wuchernde Geizhals und +der ascetische aber producirende Sklave. Ihr moralisches Ideal ist der Ar +beiter, der in die Sparkasse einen Theil seines salaires bringt und sie hat +für // diesen ihren Lieblingseinfall sogar eine knechtische Kunst vorgefun +den. Man hat das sentimental aufs Theater gebracht. // Sie ist daher — trotz +ihres weltlichen und wollüstigen Aussehns — eine wirklich moralische Wis +senschaft, die allermoralischste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die +Entsagung des Lebens, aller menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehr +satz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Ball, +zum Wirtshaus gehst, denkst, liebst, theoretisirst, singst, mahlst, fechtest etc +30 um so [mehr] sparst du, um so grösser wird dein Schatz, den weder Motten, +noch Raub fressen, dein Capital. Je weniger du bist, je weniger du dein Leben +äusserst, um so mehr hast du, um so grösser ist dein entäussertes Leben, um +so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. Alles ||XVl| was +dir der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersezt +er dir in Geld und Reichthum. Und alles das, was du nicht kannst, das kann +dein Geld: es kann essen, trinken, auf den Ball, ins Theater gehn, es weiß +sich die Kunst, die Gelehrsamkeit, die historischen Seltenheiten, die politi +sche Macht, es kann reisen, es kann dir das alles aneignen; es kann das alles +kaufen; es ist das wahre Vermögen. Aber es, was all dieß ist, es mag nichts +als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn alles andre ist ja sein Knecht +und wenn ich den Herrn habe, habe ich den Knecht und brauche ich seinen + +25 + +35 + +40 + +281 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Knecht nicht. Alle Leidenschaften und alle Thätigkeit muß also untergehn +in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur so viel haben, daß er leben will, und +darf nur leben wollen, um zu haben. + +5 + +10 + +Allerdings erhebt sich nun auf Nationalökonomischem Boden eine Con +troverse. Die eine Seite (Lauderdale, Malthus etc) empfiehlt den Luxus und +verwünscht die Sparsamkeit; die andre (Say, Ricardo etc) empfiehlt die +Sparsamkeit und verwünscht den Luxus. Aber jene gesteht, daß sie den +Luxus will, um die Arbeit, d. h. die absolute Sparsamkeit zu produciren; die +andre Seite gesteht, daß sie die Sparsamkeit empfiehlt um den Reichthum, +d. h. den Luxus zu produciren. Die erstere Seite hat die romantische Ein- +bildung, die Habsucht dürfe nicht allein die Consumtion d[es] Reichen +bestimmen, und sie widerspricht ihren eignen Gesetzen, wenn sie die Ver +schwendung unmittelbar für ein Mittel der Bereicherung ausgiebt und von +der andern Seite wird ihr daher sehr ernstlich und umständlich bewiesen, daß +ich durch die Verschwendung meine Habe verringere und nicht vermehre; +die andre Seite begeht die Heuchelei nicht zu gestehn, daß grade die Laune +und der Einfall die Production bestimmt; sie vergißt die „verfeinerten +Bedürfnisse", sie vergißt, daß ohne Consumtion nicht producirt würde; sie +vergißt daß die Production durch die Concurrenz nur allseitiger, luxuriöser +werden muß; sie vergißt, daß der Gebrauch ihr den Werth der Sache be- 20 +stimmt und daß die Mode den Gebrauch bestimmt, sie wünscht nur „Nütz +liches" producirt zu sehn, aber sie vergißt, daß die Production von zu viel +Nützlichem zu viel unnütze Population producüt. Beide Seiten vergessen, +daß Verschwendung und Ersparung, || Luxus und Entblösung, Reichthum +und Armuth = sind. + +15 + +25 + +Und nicht nur deine unmittelbaren Suine, wie Essen etc mußt du absparen, +auch Theilnahme mit allgemeinen Interessen, Mitleiden, Vertrauen etc das +aües mußt du dü ersparen, wenn du ökonomisch sein wülst, wenn du nicht +an IUusionen zu Grunde gehn wülst. + +Du mußt alles, was dem ist, feil, d. h. nützlich machen. Wenn ich den 30 + +Nationalökonomen frage: Gehorche ich den ökonomischen Gesetzen, wenn +ich aus der Preißgebung, Feübietung mêmes Körpers an fremde Woüust Geld +ziehe, (die Fabrikarbeiter in Frankreich nennen die Prostitution ihrer Frauen +und Töchter die xte Arbeitsstunde, was wörtlich wahr ist) oder handle ich +nicht nationalökonomisch, wenn ich meinen Freund an die Marokkaner 35 +verkaufe (und der unmittelbare Menschenverkauf als Handel der Con- +scribüten etc findet in allen Culturländern statt) so antwortet mü der Natio +nalökonom: meinen Gesetzen handelst du nicht zuwider; aber sieh' dich um, +was Base Moral und Base Reügion sagt; meine nationalökonomische Moral +und Religion hat nichts gegen dich einzuwenden, aber — Aber wem soü ich 40 +nun mehr glauben, der Nationalökonomie oder der Moral? — Die Moral der + +282 + + III + +5 + +Nationalökonomie ist der Erwerb, die Arbeit und die Sparsamkeit, die +Nüchternheit — aber die Nationalökonomie verspricht mir meine Bedürf +nisse zu befriedigen. — Die Nationalökonomie der Moral ist der Reichthum +an gutem Gewissen, an Tugend etc, aber wie kann ich tugendhaft sein, wenn +ich nicht bin, wie ein gutes Gewissen haben, wenn ich nichts weiß? — Es ist +dieß im Wesen der Entfremdung gegründet, daß jede Sphäre einen andern +und entgegengesezten Maaßstab an mich legt, ein[en] andern die Moral, einen +andern d[ie] Nationalökon[omie,] weil jede eine bestimmte Entfremdung +d[es] Menschen ist und jede ||XVIl| einen besondern Kreis der Entfremdeten +10 Wesensthätigkeit fixirt; jede sich entfremdet zu der andern Entfremdung +verhält +So wirft Herr Michel Chevalier dem Ricardo vor, daß er von der +Moral abstrahirt. Aber Ricardo läßt die Nationalökonomie ihre eigne Sprache +sprechen. Wenn diese nicht moralisch spricht, so ist es nicht die Schuld von +Ricardo. M. Ch. abstrahirt von der Nationalökonomie, so weit er moralisirt, +aber er abstrahirt nothwendig und wirklich von der Moral, so weit er Na +tionalökonomie treibt. Die Beziehung d[es] Nationalökonomen auf die +Moral, wenn sie anders nicht willkührlich, zufällig und daher unbegründet +und unwissenschaftlich ist, wenn sie nicht zum Schein vorgemacht, sondern +als wesentlich gemeint wird, kann doch nur die Beziehung der Na- +tionalökonomischen Gesetze auf die Moral sein; wenn diese nicht oder +vielmehr das Gegentheil stattfindet, was kann Ricardo dafür? Uebrigens ist +auch der Gegensatz der Nationalökonomie und der Moral nur ein Schein und +wie er ein Gegensatz ist, wieder kein Gegensatz. Die Nationalökonomie +drückt nur in ihrer Weise die Moralischen Gesetze aus. + +15 + +20 + +25 Die Bedürf nißlosigkeit als das Princip der Nationalökonomie zeigt sich am +glänzendsten in ihrer Bevölkerungstheorie. Es giebt zu viel Menschen. Sogar +das Dasein d[es] Menschen ist ein purer Luxus und wenn der Arbeiter +„moralisch" ist (Mill schlägt öffentliche Belobungen für die vor, die sich +enthaltsam in geschlechtlicher Beziehung zeigen und öffentiichen Tadel für +30 die, die sich versündigen an dieser Unfruchtbarkeit der E h e . .. ist das nicht +Moral, Lehre von der Ascese?) wird er sparsam sein an Zeugung. Die Pro +duction d[es] Menschen erscheint als öffentliches Elend. +Der Sinn, +den die Production in Bezug auf d[en] Reichen hat, zeigt sich offenbart in +dem Sinne, den sie für d[en] Armen hat; nach oben ist die Äusserung immer +fein, versteckt, zweideutig, Schein, nach unten hin grob, grad heraus, offen +herzig, Wesen. Das rohe Bedürfniß des Arbeiters ist eine viel grössere Quelle +des Gewinns als das feine d[es] Reichen. Die Kellerwohnungen in London +bringen ihren Vermiethern mehr ein, als die Pallaste, d. h. sie sind in Bezug +auf ihn ein größrer Reichthum, also, um nationalökonomisch zu sprechen, +ein größrer gesellschaftlicher Reichthum. — || Und wie die Industrie auf die +Verfeinerung der Bedürfnisse, ebenso sehr spekulirt sie auf ihre Rohheit, + +35 + +40 + +283 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +aber auf ihre künstlich hervorgebrachte Rohheit, deren wahrer Genuß daher +die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, +diese Civilisation innerhalb der rohen Barbarei des Bedürfnisses. — Die +englischen Schnapsläden sind darum sinnbildliche Darstellungen des Privat +eigenthums. Ihr Luxus zeigt das wahre Verhältniß des industriellen Luxus +und Reichthums zum Menschen. Sie sind daher mit Recht auch die einzigen, +wenigstens mild von der englischen Polizei behandelten Sonntagsvergnü +gungen des Volkes. + +/ + +[IV] + +/XIII/ Ein doppelter Fehler bei Hegel. + +5 + +10 + +1. tritt in der Phänomenologie, als der Geburtsstätte der hegelschen +Philosophie, am klarsten hervor. Wenn er z. B. Reichthum, Staatsmacht etc +als dem menschlichen Wesen entfremdete Wesen gefaßt, so geschieht dieß +nur in ihrer Gedankenform. . .. Sie sind Gedankenwesen — daher blos eine 15 +Entfremdung des reinen, d.i. abstrakten Philosophischen Denkens. Die +ganze Bewegung endet daher mit dem absoluten Wissen. Wovon diese +Gegenstände entfremdet sind und wem sie mit der Anmassung der Wirk +lichkeit entgegentreten, das ist eben das abstrakte Denken. Der Philosoph +legt sich — also selbst eine abstrakte Gestalt d[es] entfremdeten Menschen 20 +— als den Maaßstab der entfremdeten Welt an. Die ganze Entäusserungs- +geschichte und die ganze Zurücknahme der Entäusserung ist daher nichts +als die Productionsgeschichte des abstrakten, des absoluten |/XVIl/(Siehe +p.XIII.) Denkens, des logischen, spekulativen Denkens. Die Entfremdung, +welche daher das eigentliche Interesse dieser Entäusserung und Aufhebung 25 +dieser Entäusserung bildet, ist der Gegensatz von an sich und für sich, von +Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d. h. der Gegen +satz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der +wirklichen Sinnlichkeit innerhalb des Gedankens selbst. Alle andern Gegen +sätze und Bewegungen dieser Gegensätze sind nur der Schein, die Hülle, die +exoterísche Gestalt dieser einzig interessanten Gegensätze, welche den Sinn +der andern profanen Gegensätze bilden. Nicht daß das menschliche Wesen +sich unmenschlich, im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht, +sondern, daß es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten +Denken sich vergegenständlicht, gilt als das gesezte und als das aufzuhe- +bende Wesen der Entfremdung. | + +30 + +35 + +|XVIIl| Die Aneignung der zu Gegenständen und zu fremden Gegen- + +284 + + ψ + +IV + +5 + +20 + +10 + +ständen gewordenen Wesenskräfte d[es] Menschen ist also erstens nur eine +Aneignung, die im Bewußtsein, im reinen Denken, i. e. in der Abstraktion +vor sich geht, die Aneignung dieser Gegenstände als Gedanken und Ge +dankenbewegungen, weßhalb schon in der Phänomenologie — trotz ihres +durchaus negativen und kritischen Aussehns und trotz der wirklich in ihr +enthaltnen, oft weit der spätem Entwicklung vorgreifenden Kritik — schon +der unkritische Positivismus und der ebenso unkritische Idealismus der +spätem hegelschen Werke — diese philosophische Auflösung und Wieder +herstellung der vorhandnen Empirie — latent hegt, als Keim, als Potenz, als +ein Geheimniß vorhanden ist. Zweitens. Die Vindicirung der gegenständ +lichen Welt für d[en] Menschen — ζ. B. die Erkenntniß, daß das sinnliche +Bewußtsein kein abstrakt sinnliches Bewußtsein, sondern ein menschlich +sinnliches Bewußtsein, daß die Religion, der Reichthum etc nur die ent +fremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung, der zum +15 Werk herausgebornen menschlichen Wesenskräfte und darum nur der Weg +zur wahren menschlichen Wirklichkeit sind —, diese Aneignung oder die +Einsicht in diesen Proceß erscheint daher bei Hegel so, daß Sinnlichkeit, +Religion, Staatsmacht etc geistige Wesen sind — denn nur der Geist ist das +wahre Wesen d[es] Menschen und die wahre Form des Geistes ist der +denkende Geist, der logische, spekulative Geist. Die Menschlichkeit der +Natur und d[er] von der Geschichte erzeugten Natur, d[er] Producte d[es] +Menschen, erscheint darin, daß sie Producte des abstrakten Geistes sind und +insofern also geistige Momente, Gedankenwesen. Die Phänomenologie ist +daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mysticirende Kritik; aber +insofern sie die Entfremdung d[es] Menschen — wenn auch der Mensch nur +in der Gestalt des Geistes erscheint — festhält liegen in ihr alle Elemente der +Kritik verborgen und oft schon in einer weit den hegel'schen Standpunkt +überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet. Das „unglückliche Be +wußtsein", das „ehrliche Bewußtsein", der Kampf des „edelmüthigen und +30 niederträch| |tigen Bewußtseins" etc etc diese einzelnen Abschnitte enthalten +die kritischen Elemente — aber noch in einer entfremdeten Form — ganzer +Sphären, wie der Religion, des Staats, des bürgerlichen Lebens etc. Wie also +das Wesen, der Gegenstand als Gedankenwesen, so ist das Subjekt immer +Bewußtsein oder Selbstbewußtsein, oder vielmehr der Gegenstand erscheint +nur als abstraktes Bewußtsein, der Mensch nur als Selbstbewußtsein, die +unterschiedenen Gestalten der Entfremdung, die auftreten sind daher nur +verschiedne Gestalten des Bewußtseins und Selbstbewußtseins. Wie an sich +das abstrakte Bewußtsein — als welches der Gegenstand gefaßt wird — blos +ein Unterscheidungsmoment des Selbstbewußtseins ist, — so tritt auch als +40 Resultat der Bewegung die Identität des Selbstbewußtseins mit dem Be +wußtsein, das absolute Wissen, die nicht mehr nach aussen hin, sondern nur + +25 + +35 + +285 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +noch in sich selbst vorgehende Bewegung des abstrakten Denkens als Re +sultat auf, d. h. die Dialektik des reinen Gedankens ist das Resultat. (Siehe +Fortsetzung. p.XXII.) + +[V] + +5 + +Wir haben schon gesehn wie der Nationalökonom Einheit von +Arbeit und Capital auf vielfache Art sezt; 1) Das Capital ist aufgehäufte +Arbeit; 2) Die Bestimmung des Capitals innerhalb der Production, theils die +Reproduction des Capitals mit Gewinn, theils das Capital als Rohstoff +(Material der Arbeit) theils als selbst arbeitendes Instrument—die Maschine +ist das unmittelbar mit der Arbeit identisch gesezte Capital — ist produktive 10 +Arbeit; 3) Der Arbeiter ist ein Capital; 4) Der Arbeitslohn gehört zu den +Kosten des Capitals; 5) in Bezug auf den Arbeiter ist die Arbeit die Re +production seines Lebenskapitals; 6) in Bezug auf den Capitaüsten ein +Moment der Thätigkeit seines Capitals. + +Endlich 7) unterstellt der Nationalökonom die ursprüngliche Einheit 15 + +beider als die Einheit von Capitaüst und Arbeiter, dieß ist der paradisische +Urzustand. Wie diese beiden Momente ||XIX| als 2 Personen sich entgegen +springen, ist für d[en] Nationalök[onomen] ein zufälliges und darum nur +äusserlich zu erklärendes Ereigniß. (Sieh Mill.) +Die Nationen, +welche noch von dem sinnüchen Glanz der edlen Metalle geblendet und 20 +darum noch Fetischdiener des Metaügeldes sind — sind noch nicht die +voüendeten Geldnationen. Gegensatz von Frankreich und England. +Wie sehr die Lösung der theoretischen Räthsel eine Aufgabe der +Praxis und praktisch vermittelt ist, wie die wahre Praxis die Bedingung einer +wüküchen und positiven Theorie ist, zeigt sich ζ. B. am Fetischismus. Das 25 +sinnüche Bewußtsein des Fetischdieners ist ein andres, wie das d[es] Grie +chen, weü sem sinnliches Dasein noch ein andres ist. Die abstrakte Feind +schaft zwischen Sinn und Geist ist nothwendig, so lang der menschüche Sinn +für die Natur, der menschliche Sinn der Natur, also auch der natürliche Sinn +d[es] Menschen noch nicht durch die eigne Arbeit d[es] Menschen producüt +ist. +Die Gleichheit ist nichts andres als das deutsche Ich = Ich, in +französische, d. h. poütische Form übersezt. Die Gleichheit als Grund des +Communismus ist seme politische Begründung und ist dasselbe, als wenn +der Deutsche ihn sich dadurch begründet, daß er d[en] Menschen als all +gemeines Selbstbewußtsein faßt. Es versteht sich, daß die Aufhebung der +Entfremdung immer von der Form der Entfremdung aus geschieht, welche +die herrschende Macht ist, in Deutschland das Selbstbewußtsein, in Frank +reich die Gleichheit, weü die Poütik, in England das wüküche materieüe sich + +30 + +35 + +286 + + Heft III. Seite XIX + + ν + +10 + +nur an sich selbst messende praktische Bedürfniß. Von diesem Punkt aus +ist Proudhon zu kritisiren und anzuerkennen. +Wenn wir den +Communismus selbst noch — weil als Negation der Negation, als die An +eignung des menschlichen Wesens, die sich mit sich durch Negation d[es] +5 Privateigenth[ums vermi]ttelt, daher noch nicht als die wahre, von sich +selbst, sondern vielmehr vom Privateigenthum aus beginnende Position — +bezeichnen, [...] in altdeutscher Weise — nach Weise der hegel'schen +Phänomenologie — so aufzu[...] als ein überwundnes Moment nun ab +gemacht sei und man [...] könne, und sich dabei beruhigen könne, ihn in +seinem Bewußtsein aufge[...] des menschlichen Wesens nur durch d. +wirkliche [...] Aufhebung seines Gedankens nach wie vor [...] da also mit +ihm die wirkliche || Entfremdung des menschlichen Lebens bleibt und eine +um so grössere Entfremdung bleibt, je mehr man ein Bewußtsein über sie +als eine solche hat — vollbracht werden kann, so ist sie also nur durch den +ins Werk gesezten Communismus zu vollbringen. Um d[en] Gedanken des +Privateigenthums aufzuheben, dazu reicht der gedachte Communismus +vollständig aus. Um das wirkliche Privateigenthum aufzuheben, dazu gehört +eine wirktiche communistische Aktion. Die Geschichte wird sie bringen und +jene Bewegung, die wir in Gedanken schon als eine sich selbst aufhebende +20 wissen, wird in der Wirklichkeit einen sehr rauhen und weitläufigen Proceß +durchmachen. Als einen wirklichen Fortschritt müssen wir es aber be +trachten, daß wir von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem +Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes Bewußtsein +erworben haben. + +15 + +25 + +30 + +Wenn die communistischen Handwerker sich vereinen, so gilt ihnen +zunächst die Lehre, Propaganda etc als Zweck. Aber zugleich eignen sie sich +dadurch ein neues Bedürfniß, das Bedürfniß der GeseUschaft an und was +als Mittel erscheint, ist zum Zweck geworden. Diese praktische] Bewegung +kann man in ihren glänzendsten Resultaten anschaun, wenn man sociali- +stische französische ouvriers vereinigt sieht. Rauchen, Trinken, Essen etc +sind nicht mehr da als Mittel der Verbindung und als verbindende Mittel. Die +GeseUschaft, der Verein, die Unterhaltung, die wieder die GeseUschaft zum +Zweck hat, reicht ihnen hin, die Brüderlichkeit d[er] Menschen ist kerne +Phrase, sondern Wahrheit bei ihnen und der Adel der Menschheit leuchtet + +35 un[s] aus den von der Arbeit verhärteten Gestalten entgegen. + +1 + +|XX| — Wenn die Nationalökonomie behauptet, daß Nachfrage und Zufuhr +sich immer decken, so vergißt sie sogleich, daß nach ihrer eignen Behauptung +die Zufuhr von Menschen (Bevölkerungstheorie) immer die Nachfrage +übersteigt, daß also bei dem wesentlichen Resultat der ganzen Production +40 — der Existenz d[es] Menschen—das Mißverhältniß zwischen Nachfrage und + +Zufuhr seinen entschiedensten Ausdruck erhält. + +289 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Wie sehr das Geld das als Mittel erscheint, die wahre Macht und der einzige +Zweck ist — wie sehr überhaupt das Mittel, das mich zum Wesen macht, das +mir das fremde gegenständliche Wesen aneignet, Selbstzweck ist, . .. das +kann man daraus ersehn, wie Grundeigenthum, da wo der Boden die Le +bensquelle, Pferd und Schwerdt, da wo sie das wahre Lebensmittel sind — +auch als die wahren politischen Lebensmächte anerkannt sind. Im Mittelalter +ist ein Stand emancipirt, sobald er das Schwerdt tragen darf. Bei noma +dischen Bevölkerungen ist das Roß das, was mich zum Freien, zum +Theilnehmer am Gemeinwesen macht. + +Wir haben oben gesagt, daß der Mensch zu der Höhlenwohnung etc aber +zu ihr unter einer entfremdeten, feindseeligen Gestalt zurückkehrt. Der +Wilde in seiner Höhle — diesem unbefangen sich zum Genuß und Schutz +darbietenden Naturelement — fühlt sich nicht fremder, oder fühlt sich viel +mehr so heimisch, als der Fisch im Wasser. Aber die Kellerwohnung des +Armen ist eine f eindliche als „fremde Macht an sich haltende Wohnung, die +sich ihm nur hingiebt, sofern er seinen Blutschweiß ihr hingiebt", die er nicht +als seine Heimath, — wo er endlich sagen könnte, hier bin ich zu Hause — +betrachten darf, wo er sich vielmehr in dem Haus eines andern, in einem +fremden Hause befindet, der täglich auf der Lauer steht und ihn hinauswirft, +wenn er nicht die Miethe zahlt. Ebenso weiß er der Qualität nach seine +Wohnung im Gegensatz zur jenseitigen, im Himmel des Reichthums, re- +sidirenden menschlichen Wohnung. + +Die Entfremdung erscheint sowohl darin, daß mein Lebensmittel eines +andern ist, daß dieß, was mein Wunsch der unzugängliche Besitz eines +andern ist, als daß jede Sache selbst ein andres als sie selbst, als daß meine +Thätigkeit ein andres, als endüch, — und dieß gilt auch für den Capitalisten +— daß überhaupt die unmenschliche Macht her[rscht.] | + +I Die Bestimmung des sich nur zum Genuß preißgebenden, unthätigen und +verschwendenden Reichthums — worin der Geniessende zwar einerseits sich +als ein nur vergängliches, wesenlos sich austobendes Individuum bethätigt +und ebenso die fremde Sklavenarbeit, den menschlichen Blutschweiß als die +Beute seiner Begierde, und darum d[en] Menschen selbst, also auch sich +selbst als ein aufgeopfertes nichtiges Wesen weiß, wobei die Menschen +verachtung als Uebermuth, als ein Wegwerfen dessen, was hundert mensch +liche Leben fristen kann, theils als die infame Illusion erscheint, daß seine +zügellose Verschwendung und haltlose, improduktive Consumtion die Arbeit +und damit die Subsistenz des andern bedingt, der die Verwirklichung der +menschlichen Wesensfaäfte nur als Verwirklichung seines Unwesens, seiner +Laune und willkührlich bizarren Einfälle weiß, dieser Reichthum, der aber +andrerseits den Reichthum als ein bloses Mittel und nur der Vernichtung +werthes Ding weiß, der also zugleich sein Sklave und sein Herr, zugleich + +290 + + r + +ν + +10 + +15 + +großmüthig und niederträchtig, launenhaft, dünkelhaft, eingebildet, fein, +gebildet, geistreich ist, — dieser Reichthum hat noch nicht den Reichthum +als eine gänzlich fremde Macht über sich selbst erfahren; er sieht in ihm +vielmehr nur seine eigne Macht, und [nicht] d[er] Reichthum, sondern d[er] +5 Genuß [.. .]r lezter Endzweck. Dieser R[eichthum] [.. .]m [...] l|XXl| und der +glänzenden, durch den sinnlichen Schein geblendeten Illusion, über das +Wesen des Reichthums, tritt der arbeitende, nüchterne, prosaische \ ökono +mische — über das Wesen des Reichthums aufgeklärte Industrieüe gegenüber +— und wie er jener Genußsucht einen größren Umkreis verschafft, ihm +schöne Schmeicheleien in seinen Productionen sagt, — seine Producte sind +eben so viel niedrige Complimente an die Gelüste des Verschwenders — so +weiß er die jenem verschwindende Macht auf die eiozig nützliche Weise sich +selbst anzueignen. Wenn sonach der industrieüe Reichthum zunächst als +Resultat des verschwenderischen, phantastischen Reichthums erscheint, — +so verdrängt die Bewegung des erstem auch auf thätige Weise, durch ihm +eigne Bewegung den leztem. Das Fallen des Geldzinses ist nämüch eine +nothwendige Consequenz und Resultat der industrieüen Bewegung. Die +Mittel des verschwenderischen Rentiers vermindern sich also tägüch, grade +im umgekehrten Verhältniß zur Vermehrung der Mittel und FaUstricke des +20 Genusses. Er muß also entweder sein Capital selbst verzehren, also zu +Grunde gehn oder selbst zum industrieüen Capitaüsten werden. . .. And +rerseits steigt zwar die Grundrente unmittelbar beständig durch den Lauf der +industrieüen Bewegung, aber — wü haben es schon gesehn — es kömmt +nothwendig ein Zeitpunkt, wo das Grundeigenthum in die Categorie des mit +25 Gewinn sich reproducüenden Capitals, wie jedes andre Eigenthum faüen +muß — und zwar ist dieß das Resultat derselben industrieüen Bewegung. Also +muß auch der verschwenderische Grundherr entweder sein Capital ver +zehren, also zu Grunde gehn — oder selbst der Pächter seines eignen Grund +stücks — ackerbauender Industrieüer werden. + +Die Verminderung +3o des Geldzinses — welche Proudhon als die Aufhebung des Capitals und als +Tendenz nach d[ie] Socialisirung des Capitals betrachtet—ist daher vielmehr +unmittelbar nur ein Symptom von dem voüständigen Sieg des arbeitenden +Capitals über den verschwenderischen Reichthum, d. h. die Verwandlung +aües Privateigenthums in industrielles Capital — der voüständige Sieg des +35 Privateigenthums über alle dem Schein nach noch menschlichen Qualitäten +desselben und die völüge Unterjochung des Privateigenthümers unter das +Wesen des Privateigenthums, — die Arbeit. | + +I AUerdings genießt auch der industrieüe Capitalist. Er kehrt keineswegs +zur unnatürüchen Einfachheit des Bedürfnisses zurück, aber sein Genuß ist +40 nur Nebensache, Erholung, untergeordnet der Production, dabei berech +neter, also selbst ökonomischer Genuß, denn er schlägt seinen Genuß zu den + +291 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Kosten des Capitals, und sein Genuß darf ihm daher nur so viel kosten, daß +das an ihm Verschwendete durch die Reproduction des Capitals mit Gewinn +wieder ersezt wird. Der Genuß ist also unter das Capital, das geniessende +Individuum unter das Capitalisirende subsumirt, während früher das Gegen +theil stattfand. Die Abnehmung der Zinsen ist daher nur insofern ein Sym- +ptom der Aufhebung des Capitals, als sie ein Symptom seiner sich voll +endeten Herrschaft, der sich vollendenden und daher ihrer Aufhebung +zueilenden Entfremdung ist. Dieß ist überhaupt die einzige Weise, wie das +Bestehende sein Gegentheil bestätigt. +Der Zank d[er] National +ökonomen über Luxus und Ersparung ist daher nur der Zank der über das +Wesen des Reichthums ins Klare gekommenen Nationalökonomie mit der +jenigen, die noch mit Romantischen antiindustriellen Erinnerungen behaf +tet ist. Beide Theile wissen sich aber den Gegenstand des Streits nicht auf +seinen einfachen Ausdruck zu bringen und werden daher nicht mit einander +fertig. + +1 + +5 + +10 + +15 + +[VI] + +|XXII| (Sieh p. XVIII.) + +Das Grosse an der Hegeischen Phänomenologie und ihrem Endresultate +— der Dialektik, der Negativität als dem bewegenden und erzeugenden +Princip — ist also, einmal daß Hegel die Selbsterzeugung d[es] Menschen als 20 +einen Proceß faßt, die Vergegenständlichung als Entgegenständhchung, als +Entäusserung, und als Aufhebung dieser Entäusserung; daß er also das +Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, wen +wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen Arbeit begreift. Das wirk +liche, thätige Verhalten des Menschen zu sich als Gattungswesen, oder die 25 +Bethätigung seiner als eines wirklichen Gattungswesens, d. h. als mensch +lichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er wirklich alle seine Gattungs +kräfte — was wieder nur durch das Gesammtwirken d[es] Menschen möglich +ist, nur als Resultat der Geschichte — heraus schafft, sich zu ihnen als +Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur in der Form der Ent- 30 +fremdung möglich ist. + +Die Einseitigkeit und die Grenze Hegels werden wir nun ausführlich an +dem Schlußkapitel der Phänomenologie — das absolute Wissen—ein Kapitel, +welches sowohl der zusammengefaßte Geist der Phänomenologie, ihr Ver +hältniß zur spekulativen Dialektik, als auch das Bewußtsein Hegels über +beide und ihr wechselseitiges Verhältniß enthält — darstellen. + +35 + +Vorläufig nehmen wir nur noch das vorweg: Hegel steht auf dem Stand- + +292 + + r + +VI + +punkt der modernen Nationalökonomen. Er erfaßt die Arbeit als das Wesen, +als das sich bewährende Wesen d[es] Menschen; er sieht nur die positive +Seite der Arbeit, nicht ihre negative. Die Arbeit ist das Fürsich werden d[es] +Menschen innerhalb der Entäusserung oder als entäusserter Mensch. Die +5 Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt ist die abstrakt geistige. Was +also überhaupt das Wesen der Phüosophie büdet, die Entäusserung des sich +wissenden Menschen oder die sich denkende entäusserte Wissenschaft, dieß +erfaßt Hegel als ihr || Wesen, und er kann daher der vorhergehenden Phi +losophie gegenüber ihre einzelnen Momente zusammenfassen und seine +10 Phüosophie als die Phüosophie darsteüen. Was die andern Phüosophen +thaten — daß sie einzelne Momente der Natur und des menschüchen Lebens +als Momente des Selbstbewußtseins und zwar des abstrakten Selbstbewußt +seins fassen — das weiß Hegel als das Thun der Phüosophie. Darum ist seine +Wissenschaft absolut. + +15 + +Gehn wü nun zu unserm Gegenstand über. +Das absolute Wissen. Leztes Capitel der Phänomenologie. +Die Hauptsache ist, daß der Gegenstand des Bewußtseins nichts andres +als das Selbstbewußtsein oder daß der Gegenstand nur das vergegenständ +lichte Selbstbewußtsein, das Selbstbewußtsein als Gegenstand ist. (Setzen + +20 d[es] Menschen = Selbstbewußtsein.) + +25 + +Es g ut daher den Gegenstand des Bewußtseins zu überwinden. Die Gegen +ständlichkeit als solche g ut für ein entfremdetes, dem menschlichen Wesen, +dem Selbstbewußtsein nicht entsprechendes Verhältniß des Menschen. Die +Wiederaneignung des als fremd, unter der Bestimmung der Entfremdung +erzeugten gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, hat also nicht nur die +Bedeutung, die Entfremdung, sondern die Gegenständlichkeit aufzuheben, +d. h. also der Mensch g ut als ein nicht-gegenständliches, sptitualistisches +Wesen. + +Die Bewegung der Ueberwindung des Gegenstandes des Bewußtseins + +30 beschreibt Hegel nun wie folgt: + +Der Gegenstand zeigt sich nicht nur (dieß ist nach Hegel die einseitige — +also die die eine Seite erfassende — Auffassung jener Bewegung) als zurück +kehrend in das Selbst. Der Mensch wüd = Selbst gesezt. Das Selbst ist aber +nur der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der +35 Mensch ist selbstisch. Sem Auge, sein Ohr etc ist selbstisch; jede semer +Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deßweg[en] +ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr', +Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Quaütät der mensch- * +liehen Natur, des menschlichen Auges etc, nicht die menschliche Natur ist + +40 + +eme Quaütät des ||XXTV| Selbstbewußtseins. +Das für sich abstrahirte und fixüte Selbst ist der Mensch als abstrakter + +293 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Egoist, der in seine reine Abstraktion, zum Denken erhobne Egoismus. (Wir +kommen später hierauf zurück.) + +Das menschliche Wesen, der Mensch gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. + +5 + +Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfrem +dung des Selbstbewußtseins. Die Entfremdung des Selbstbewußtseins gilt +nicht als Ausdruck, im Wissen und Denken sich abspiegelnder Ausdruck der +wtklichen Entfremdung des menschlichen Wesens. Die wtldiche, als real +erscheinende Entfremdung vielmehr ist ihrem innersten verborgnen — und +erst durch die Philosophie ans Licht gebrachten — Wesen nach nichts andres +als die Erscheinung von der Entfremdung des wirklichen Menschlichen +Wesens, des Selbstbewußtseins. Die Wissenschaft welche dieß begreift heißt +daher Phänomenologie. Alle Wiederaneignung des entfremdeten gegen +ständlichen Wesens erscheint daher als eine Einverleibung in das Selbst +bewußtsein; der sich seines Wesens bemächtigende Mensch ist nur das der +gegenständlichen Wesen sich bemächtigende Selbstbewußtsein. Die Rück- 15 +kehr des Gegenstandes in das Selbst ist daher die Wiederaneignung des +Gegenstandes. + +10 + +Allseitig ausgedrückt ist die Ueberwindung des Gegenstandes des Be + +wußtseins: + +1) daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver- 20 + +schwindend darstellt; 2) daß die Entäusserung des Selbstbewußtseins es ist, +welche die Dingheit sezt; 3) daß diese Entäusserung nicht nur negative, +sondern positive Bedeutung hat, 4) sie nicht nur fit uns oder an sich, sondern +für es selbst hat. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen +sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese +Nichtigkeit desselben, dadurch daß es sich selbst entäussert, denn in dieser +Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der +untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits +hegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und +Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenom- +men hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 7) Dieß ist die +Bewegung des Bewußtseins und dieß ist darin die Totalität seiner Momente. +8) Es muß sich ebenso zu dem Gegenstand nach der Totalität seiner Be +stimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese +Totali||tät seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen und +für das Bewußtsein wird dieß in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden +einzelnen derselben als des Selbsts oder durch das eben genannte geistige +Verhalten zu ihnen. + +25 + +30 + +35 + +ad 1. Daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver +schwindend darstellt ist die oben erwähnte Rückkehr des Gegenstandes in +das Selbst. + +40 + +294 + + VI + +ad 2. Die Entäusserung des Selbstbewußtseins sezt die Dingheit. Weil der +Mensch = Selbstbewußtsein, so ist sein entäussertes gegenständliches +Wesen oder die Dingheit— (das was für ihn Gegenstand ist, und Gegenstand +ist wahrhaft nur für ihn was ihm wesentlicher Gegenstand, was also sein +gegenständliches Wesen ist. Da nun nicht der wirkliche Mensch, darum auch +nicht die Natur — der Mensch ist die menschliche Natur — als solcher zum +Subjekt gemacht wird, sondern nur die Abstraktion d[es] Menschen, das +Selbstbewußtsein, so kann die Dingheit nur das entäusserte Selbstbewußt +sein sein) = dem entäusserten Selbstbewußtsein und die Dingheit ist durch +diese Entäusserung gesezt. Daß ein lebendiges, natürliches, mit gegenständ +lichen i.e. materiellen Wesenskräften ausgerüstetes und begabtes Wesen +auch sowohl wtkliche natürliche Gegenstände seines Wesens hat, als daß +seine Selbstentäusserung die Setzung einer wirklichen, aber unter der Form +der Aüsserlichkeit, also zu seinem Wesen nicht gehörigen, übermächtigen +gegenständlichen Welt ist, ist ganz natürlich. Es ist nichts Unbegreifliches +und Räthselhaf tes dabei. Vielmehr wäre das Gegentheil räthselhaf t. Aber daß +ein Selbstbewußtsein durch seine Entäusserung nur die Dingheit, d. h. selbst +nur ein abstraktes Ding, ein Ding der Abstraktion und kein wirkliches Ding +setzen kann, ist eben so klar. Es ist | |XXVl| ferner klar, daß die Dingheit daher +durchaus nichts Selbstständiges, Wesentliches gegen das Selbstbewußtsein, +sondern ein bloses Geschöpf, ein von ihm Geseztes ist und das Gesezte, statt +sich selbst zu bestätigen, ist nur eine Bestätigung des Actes des Setzens, der +einen Augenblick seine Energie als das Product f ixirt und zum Schein ihm +die Rolle — aber nur für einen Augenblick—eines selbstständigen, wirklichen +Wesens ertheilt. + +Wenn der wirkliche, leibliche, auf der festen wohlgerundeten Erde ste +hende, alle Naturkräfte aus und einathmende Mensch seine wirklichen, +gegenständlichen Wesenskräfte durch seine Entäusserung als fremde Ge +genstände sezt, so ist nicht das Setzen Subjekt; es ist die Subjektivität +gegenständhcher Wesenskräfte, deren Action daher auch eine gegenständ +liche sein muß. Das Gegenständliche Wesen wirkt Gegenständlich und es +würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner +Wesensbestimmung läge. Es schafft, sezt nur Gegenstände, weil es durch +Gegenstände gesezt ist, weil es von Haus aus Natur ist. In dem Akt des +Setzens fällt es also nicht aus seiner „reinen Thätigkeit" in ein Schaffen des +Gegenstandes, sondern sein gegenständliches Product bestätigt nur seine +gegenständliche Thätigkeit, seine Thätigkeit als die Thätigkeit eines gegen +ständlichen natürlichen Wesens. + +Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus +sich sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet +und zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist. Wir sehn zugleich, wie + +295 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +nur der Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begrei +fen. + +10 + +5 + +Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als leben +diges Naturwesen ist er theils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften +ausgerüstet, ein thätiges Naturwesen, diese Kräfte existiren in ihm als +Anlagen und Fähigkeiten, als Tríebe ; theils ist er als natürliches, leibliches, +sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränk +tes Wesen, wie es auch das Thier und die Pflanze ist; d. h. die Gegenstände +seiner Triebe exis||tiren ausser ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; +aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses zar Bethä- +tigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche +Gegenstände. Daß der Mensch ein leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, +wirkliches, sinnliches Gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, +sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäus- +serung hat oder daß er nur an wirklichen sinnlichen Gegenständen sein Leben 15 +äussern kann. Gegenständlich, natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegen +stand, Natur, Sinn ausser sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn +für ein drittes sein ist identisch. Der Hunger ist ein natürliches Bedürfniß; +er bedarf also einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich, um +sich zu befriedigen, um sich zu stillen. Der Hunger ist das gestandne Be- 20 +dürfniß meines Leibes nach einem ausser ihm seienden, zu seiner Integrirung +und Wesensäusserung unentbehrlichen Gegenstand. Die Sonne ist der +Gegenstand der Pflanze, ein ihr unentbehrlicher, ihr Leben bestätigender +Gegenstand, wie die Pflanze Gegenstand der Sonne ist, als Äusserung von +der Lebenserweckenden Kraft der Sonne, von der gegenständlichen We- +senskraft der Sonne. + +25 + +Ein Wesen, welches seine Natur nicht ausser sich hat, ist kein natürliches +Wesen, nimmt nicht Then am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen +Gegenstand ausser sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, +welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen 30 +zu seinem Gegenstand, d. h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist +kein Gegenständliches. +||XXVfl| Ein ungegenständliches Wesen ist ein +Unwesen. + +Sezt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist, noch einen Gegen + +stand hat. Ein solches Wesen wäre erstens das einzige Wesen, es existirte 35 +kein Wesen ausser ihm, es existirte einsam und allein. Denn sobald es +Gegenstände ausser mir giebt, so bald ich nicht allein bin, bin ich ein andres, +eine andre Wirklichkeit als der Gegenstand ausser mir. Für diesen 3t ón +Gegenstand bin ich also eine andre Wirklichkeit als er, d. h. sein Gegenstand. +Ein Wesen, welches nicht Gegenstand eines andren Wesens ist, unterstellt 40 +also, daß kein gegenständliches Wesen existirt. Sobald ich einen Gegenstand + +296 + + Γ + +vi + +habe, hat dieser Gegenstand mich zum Gegenstand. Aber ein ungegenständ +liches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, d.h. nur +eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion. Sinnlich sein, d. h. wirklich +sein, ist Gegenstand des Sinns sein, sinnlicher Gegenstand sein, also sinnliche +5 Gegenstände ausser sich haben, Gegenstände seiner Sinnlichkeit haben. + +Sinnlich sein ist leidend sein. + +Der Mensch als ein gegenständliches sinnliches Wesen ist daher ein lei +dendes und weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches +Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand + +10 energisch strebende Wesenskraft d[es] Menschen. + +15 + +20 + +Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches +Naturwesen; d. h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als +welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und +bethäügen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Na- +turgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche +Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnlichkeit, +menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur — objektiv — noch die +Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adaequat vor +handen. + +Und wie alles Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch seinen +Entstehungsakt d[ie] Geschichte, die aber für ihn, eine gewußte und darum +als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die +Geschichte ist die wahre Naturgeschichte d[es] Menschen. +(Darauf +zurückzukommen.) | + +25 + +I Drittens, weil dieß Setzen der Dingheit selbst nur ein Schein, ein dem +Wesen der reinen Thätigkeit widersprechender Akt ist, muß es auch wieder +aufgehoben, die Dingheit geläugnet werden. + +30 + +35 + +ad3,4,5,6.3.) Diese Entäusserung des Bewußtseins hat nicht nur negative +sondern auch positive Bedeutung und 4) diese positive Bedeutung nicht nur +für uns oder an sich, sondern für es, d[as] Bewußtsein selbst. 5) Für es hat +das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch +die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, +daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung weiß es als +Gegenstand oder d[en] Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Für- +sichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits hegt hierin zugleich das andre +Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr +auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anders +sein als solchem bei sich ist. + +40 + +Wir haben schon gesehn. Die Aneignung des entfremdeten Gegenständ- +liehen Wesens oder die Aufhebung der Gegenständlichkeit unter der Be +stimmung der Entfremdung, — die von der gleichgültigen Fremdheit bis zur + +297 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +wirklichen f eindseeligen Entfremdung f ortgehn muß—hat für Hegel zugleich +oder sogar hauptsächlich die Bedeutung, die Gegenständlichkeit aufzuheben, +weil nicht der bestimmte Charakter des Gegenstandes, sondern sein gegen +ständlicher Charakter für das Selbstbewußtsein das Anstössige und die +Entfremdung ist. Der Gegenstand ist daher ein Negatives, ein sich selbst +aufhebendes, eine Nichtigkeit. Diese Nichtigkeit desselben hat für das +Bewußtsein nicht nur eine negative, sondern eine positive Bedeutung, denn +jene Nichtigkeit des Gegenstandes ist eben die Selbstbestätigung der Un- +gegenständüchkeit, der ||XXVIH| Abstraktion, seiner selbst. Für das Be +wußtsein selbst hat die Nichtigkeit des Gegenstandes darum eine positive +Bedeutung, daß es diese Nichtigkeit, das gegenständliche Wesen, als seine +Selbstentäusserung weiß; daß es weiß, daß sie nur ist durch seine Selbst- +entäusserung. . .. Die Art, wie das Bewußtsein ist, und wie etwas für es ist, +ist das Wissen. Das Wissen ist sein einziger Akt. Etwas wird daher für +dasselbe, insofern es dieß etwas weiß. Wissen ist sein einziges Gegenständ- +liches Verhalten. — Es weiß nun die Nichtigkeit des Gegenstandes, d. h. das +Nichtunterschiedensein des Gegenstandes von ihm, das Nichtsein des +Gegenstandes für es — dadurch — daß es den Gegenstand als seine Selbst +entäusserung weiß, d. h. sich — das Wissen als Gegenstand — dadurch weiß, +daß der Gegenstand nur der Schein eines Gegenstandes, ein vorgemachter +Dunst ist, seinem Wesen nach aber nichts andres als das Wissen selbst, +welches sich sich selbst entgegengestellt und daher sich eine Nichtigkeit, ein +etwas entgegengestellt hat, was keine Gegenständlichkeit ausser dem Wissen +hat; oder das Wissen weiß, daß es, indem es sich zu einem Gegenstand +verhält, nur ausser sich ist, sich entäussert; daß es selbst sich nur als Gegen- +stand erscheint, oder daß das, was ihm als Gegenstand erscheint, nur es selbst +ist. + +5 + +10 + +-15 + +20 + +25 + +Andrerseits, sagt Hegel, liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es +diese Entäusserung und Gegenständlichkeit eben so sehr aufgehoben und +in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich +ist. + +30 + +Wir haben in dieser Auseinandersetzung alle Illusionen der Spekulation + +zusammen. + +Einmal: Das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein ist in seinem Anderssein + +als solchem bei sich. Es ist daher — oder wenn wir hier von der hegelschen +Abstraktion abstrahiren und statt d[as] Selbstbewußtsein das Selbstbewußt +sein d[es] Menschen setzen — es ist in seinem Anderssein als solchem bei +sich. + +35 + +Darin liegt einmal, daß das Bewußtsein — das Wissen — als Wissen — das + +Denken als Denken — unmittelbar das andere seiner selbst, Sinnlichkeit, 40 +Wirklichkeit, Leben zu sein vorgiebt, das im Denken sich überbietende + +298 + + VI + +Denken. (Feuerbach.) Diese Seite ist hierin enthalten, insofern das Bewußt +sein als nur Bewußtsein nicht an der entfremdeten Gegenständlichkeit, +sondern an der Gegenständlichkeit als solcher seinen Anstoß hat. | + +I Zweitens liegt hierin, daß der selbstbewußte Mensch, insofern er die +5 geistige Welt — oder das geistige allgemeine Dasein seiner Welt als Selbst- +entäusserung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in +dieser entäusserten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgiebt, +sie wiederherstellt, in seinem Anderssein als solchem bei sich zu sein vor- +giebt, also nach Aufhebung z . B. der Religion, nach der Erkennung der +10 Religion als eines Products der Selbstentäusserung dennoch in der Religion +als Religion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivis +mus Hegels oder seines nur scheinbaren Kriticismus; was Feuerbach als +Setzen, Negiren und Wiederherstellen der Religion oder Theologie bezeich +net, was aber allgemeiner zu fassen ist. Also die Vernunft ist bei sich in der +15 Unvernunft als Unvernunft. Der Mensch, der in Recht, Politik etc ein ent- +äussertes Leben zu führen erkannt hat, führt in diesem entäusserten Leben +als solchem sein wahres menschüches. Die Selbstbejahung, Selbstbestäti +gung im Widerspruch mit sich selbst, sowohl mit dem Wissen, als mit dem +Wesen des Gegenstandes, ist also das wahre Wissen und Leben. + +20 + +Von einer Accommodation Hegels gegen Reügion, Staat etc kann also + +keine Rede mehr sein, da diese Lüge die Lüge seines Principe ist. | + +|XXDC| Wenn ich die Religion als entäussertes menschliches Selbst +bewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Reügion nicht mein Selbst +bewußtsem, sondern mein entäussertes Selbstbewußtsein in ihr bestätigt. +25 Mein sich selbst, seinem Wesen angehöriges Selbstbewußtsein weiß ich also +dann nicht in der Religion, sondern vielmehr in der vernichteten, auf +gehobnen Reügion bestätigt. + +30 + +Bei Hegel ist die Negation der Negation daher nicht die Bestätigung des +wahren Wesens, eben durch Negation des Scheinwesens, sondern die Be- +stätigung des Scheinwesens oder des sich entfremdeten Wesens in seiner +Verneinung oder die Verneinung dieses Scheinwesens als eines gegenständ +lichen, ausser dem Menschen hausenden und von ihm unabhängigen Wesens +und seme Verwandlung in das Subjekt. + +Eine eigentümliche Roüe spielt daher das Aufheben, worm die Ver- + +35 neinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind. + +ist + +So z.B. + +in Hegels Rechtsphüosophie das aufgehobne Privat +recht - Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Fami +lie = bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche GeseUschaft +gleich Siaar, der aufgehobne Staat = Weltgeschichte. In der Wirklichkeit +40 bleiben Privatrecht, Moral, Famüie, bürgerliche GeseUschaft, Staat, etc +bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseins- + +299 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +weisen d[es] Menschen, die nicht isolirt gelten, sich wechselseitig auflösen +und erzeugen etc, Momente der Bewegung. \ + +5 + +I In ihrer wirklichen Existenz ist dieß ihr bewegliches Wesen verborgen. +Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philoso +phie und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphiloso- +phisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophi +sches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische +Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, +mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Eben so ist +die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst = die Religions- Natur- 1 o +Staats- Kunstphilosophie. Wenn aber mir die Religionsphilosophie etc nur +das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphüosoph +wahrhaft religiös ; so verläugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich +religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, theils innerhalb meines +eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegen 15 +setze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; theils in ihrer eigen +t ü m l i c h en ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare +Anderssein, als Allegorien, unter sinnlichen Hullen verborgne Gestalten +ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins. | + +/Eben so ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne 20 + +Quantität = Maaß, das aufgehobne Maaß = Wesen, das aufgehobne +Wesen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung - Wirklichkeit, die +aufgehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, +die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute +Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne +subjektive Geist = sittlichem, objektivem Geist, der aufgehobne sittliche +Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Reli +gion = absolutem Wissen. + +Einerseits ist dieß Aufheben ein Aufheben des Gedachten Wesens, also + +25 + +das gedachte Privateigenthum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und +weil das Denken sich einbildet, unmittelbar d[as] andre seines selbst zu sein, +sinnliche Wirklichkeit, || also ihm seine Action auch für sinnliche wirkliche +Action gilt, so glaubt dieß denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand +in der Wirldichkeit stehn läßt, ihn wirklich überwunden zu haben, und +andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum gilt 35 +er ihm auch in seiner Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des +Selbstbewußtseins, der Abstraktion. / + +30 + +|XXX| Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die +Philosophie aufhebt, daher nicht die wirkliche Religion, Staat, Natur, son +dern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, +so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach der einen + +40 + +300 + + VI + +Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wirklichen Wesen als zu der +unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphiloso +phischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren +Begriffen. + +5 + +Andrerseits kann sich der religiöse etc Mensch in Hegel seine lezte Be + +stätigung finden. + +Es sind nun die positiven Momente der hegel'schen Dialektik — innerhalb + +der Bestimmung der Entfremdung — zu fassen, + +a) Das Aufheben, als gegenständliche, die Entäusserung in sich zurück- +10 nehmende Bewegung. — Es ist dieß die innerhalb der Entfremdung aus +gedrückte Einsicht von der Aneignung des gegenständlichen Wesens durch +die Aufhebung seiner Entfremdung, die entfremdete Einsicht in die wirkliche +Vergegenständlichung des Menschen, in die wirkliche Aneignung seines +gegenständlichen Wesens durch die Vernichtung der entfremdeten Bestim- +15 mung der Gegenständlichen Welt, durch ihre Aufhebung, in ihrem ent +fremdeten Dasein, wie der Atheismus als Aufhebung Gottes das Werden des +theoretischen Humanismus, der Communismus als Aufhebung des Privat +eigenthums die Vindication des wirklichen menschüchen Lebens als seines +Eigenthums ist, das Werden des praktischen Humanismus ist oder der +20 Atheismus ist der durch Aufhebung der Reügion, der Communismus der +durch Aufhebung des Privateigenthums mit sich vermittelte Humanismus. +Erst durch die Aufhebung dieser Vermittelung — die aber eine nothwendige +Voraussetzung ist — wüd der positiv von sich selbst beginnende, der positive +Humanismus. + +25 + +Aber Atheismus, Communismus sind kerne Flucht, kerne Abstraction, kern +Verüeren der von dem Menschen erzeugten gegenständlichen Welt, seiner +zur Gegenständlichkeit herausgebornen Wesenskräfte, kerne zur unnatür +lichen, unentwickelten Einfachheit zurückkehrende Armuth. Sie sind +vielmehr erst das wirküche Werden, die wüküch für den Menschen ge- +30 wordne Verwüklichung seines Wesens oder seines Wesens als eines wük + +üchen. + +ι + +I Hegel faßt also, indem er den positiven Sinn der auf sich selbst bezognen +Negation — wenn auch wieder in entfremdeter Weise — faßt, die Selbst +entfremdung, Wesensentäusserung, Entgegenständlichung und Entwükli- +35 chung d[es] Menschen als Selbstgewinnung, Wesensäusserung, Vergegen +ständlichung, Verwüklichung. Kurz er faßt — innerhalb der Abstraktion — +die Arbeit als den Selbsterzeugungsakt des Menschen, das Verhalten zu sich +als fremdem Wesen und das Bethätigen seiner als eines fremden Wesens als +das werdende Gattungsbewußtsein und Gattungsleben. + +40 + +b) Bei Hegel — abgesehn oder vielmehr als Consequenz der schon ge +schilderten Verkehrtheit — erscheint dieser Akt aber einmal als ein nur + +301 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +formeller, weil als ein abstrakter, weil das menschliche Wesen selbst nur als +abstraktes Denkendes Wesen, als Selbstbewußtsein gilt; und + +zweitens, weil die Fassung formell und abstrakt ist, darum wird die +Aufhebung der Entäusserung zu einer Bestätigung der Entäusserung oder +für Hegel ist jene Bewegung des Selbsterzeugens, des Selbstvergegenständ- +lichens als Selbstentäusserung und Selbstentfremdung die absolute und +darum die lezte, sich selbst bezweckende und in sich beruhigte, bei ihrem +Wesen angelangte menschliche Lebensäusserung. [Diese Be]wegung in ihrer +abstrakten ||XXXl| Form als Dialektik gilt daher als das wahrhaft mensch +liche Leben und weil es doch eine Abstraktion, eine Entfremdung des 10 +menschlichen Lebens ist, gilt es als göttlicher Proceß, aber als der göttliche +Proceß des Menschen, — ein Proceß, den sein von ihm unterschiednes ab +straktes, reines, absolutes Wesen selbst durchmacht. + +5 + +Drittens: Dieser Proceß muß einen Träger haben, ein Subjekt; aber das +Subjekt wird erst als Resultat; dieß Resultat, das sich als absolutes Selbst- 15 +bewußtsein wissende Subjekt, ist daher der Gott, absoluter Geist, die sich +wissende und bethätigende Idee. Der wirkliche Mensch und die wirkliche +Natur werden blos zu Prädicaten, zu Symbolen dieses verborgnen un +wirklichen Menschen und dieser unwirklichen Natur. Subjekt und Prädicat +haben daher das Verhältniß einer absoluten Verkehrung zu einander, my- 20 +stisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjektivität, +das absolute Subjekt als ein Proceß, als sich entäusserndes und aus der +Entäusserung in sich zurückkehrendes aber sie zugleich in sich zurück +nehmendes Subjekt und das Subjekt als dieser Proceß; das reine rastlose +Kreisen in sich. + +25 + +Einmal. Formelle und abstrakte Fassung des Selbsterzeugungs oder + +SelbstvergegenständUchungsaktes d[es] Menschen. + +30 + +Der entfremdete Gegenstand, die entfremdete Wesenswirklichkeit d[es] +Menschen ist — da Hegel d[en] Menschen = Selbstbewußtsein sezt — nichts +als Bewußtsein, nur der Gedanke der Entfremdung, ihr abstrakter und darum +Inhaltsloser und unwirklicher Ausdruck, die Negation. Die Aufhebung der +Entäusserung ist daher ebenfalls nichts als eine abstrakte, inhaltslose Auf +hebung jener Inhaltslosen Abstraktion, die Negation der Negation. Die +inhaltsvolle, lebendige, sinnliche, konkrete Thätigkeit der Selbstvergegen- +ständlichung wird daher zu ihrer blosen Abstraktion, der absoluten Nega- 35 +tivität, eine Abstraktion, die wieder als solche fixirt und als eine selbst +ständige Thätigkeit, als die Thätigkeit schlechthin gedacht wird. Weil diese +sogenannte Negativität nichts andres ist als die abstrakte, Inhaltslose Form +jenes wirklichen lebendigen Aktes, darum kann auch ihr Inhalt blos ein +formeller, durch || die Abstraktion von allem Inhalt erzeugter Inhalt sein. Es 40 +sind daher die allgemeinen abstrakten jedem Inhalt angehörigen, darum auch + +302 + + VI + +sowohl gegen allen Inhalt gleichgültigen, als eben darum für jeden Inhalt +gültigen Abstraktionsformeln, die Denkformen, die logischen Categorien, +los gerissen vom wirklichen Geist und von der wkklichen Natur. (Wir wer +den den logischen Inhalt der absoluten Negativität weiter unten entwik- +.kein.) + +5 + +Das Positive, was Hegel hier vollbracht hat—in seiner spekulativen Logik 11 + +—ist, daß die bestimmten Begriffe, die allgemeinen fixen Denkformen in ihrer +Selbstständigkeit gegen Natur und Geist ein nothwendiges Resultat der +allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des mensch- +1 o liehen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktions +prozesses dargestellt und zusammengefaßt hat. Ζ. B. das aufgehobne Sein +ist Wesen, das aufgehobne Wesen Begriff, der aufgehobne Begriff . .. ab­ +solute Idee. Aber was ist nun die absolute Idee? Sie hebt sich selbst wieder +auf, wenn sie nicht wieder von vorn den ganzen Abstraktionsakt durch- +15 machen und sich damit begnügen will eine Totalität von Abstraktionen oder +die sich erfassende Abstraktion zu sein. Aber die sich als Abstraktion er +fassende Abstraktion weiß sich als nichts; sie muß sich, die Abstraktion +aufgeben und so kömmt sie bei einem Wesen an, welches grade ihr Gegen- +theil ist, bei der Natur. Die ganze Logik ist also der Beweis, daß das abstrakte +20 Denken für sich nichts ist, daß die absolute Idee für sich nichts ist, daß erst +die Natur etwas ist. ||ΧΧΧΠ| Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche +„nach ihrer Einheit mit sich betrachtet Anschauen ist", (Hegels Encyklopä- +die 3te Ausgabe, p. 222) welche „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich +entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und +25 Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Wiederschein, sich als Natur +frei aus sich zu entlassen" (1. c ), diese ganze so sonderbar und barrock sich +gebarende Idee, welche den Hegelianern ungeheure Kopfschmerzen ver +ursacht hat ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i. e. der abstrakte +Denker, die durch Erfahrung gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, +sich unter mancherlei — falschen und selbst noch abstrakten Bedingungen +— dazu entschließt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, +Bestimmte, an die Stelle ihres Beisichseins \ Nichtsseins, ihrer Allgemeinheit +und ihrer Unbestimmtheit zu setzen; die Natur, die sie nur als Abstraktion, +als Gedankending, in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d.h. die Ab- +straktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die +abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts anders +als das Abstrakte Denken, das sich auf giebt und zur AnscAauuqg entschließt. +Dieser ganze Uebergang der Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres +als der — dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher +so abentheuerlich von ihm beschriebne Uebergang aus dem Abstrahten in +das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem ab- + +30 + +35 + +40 + +303 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +strakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht +nach einem Inhalt. + +5 + +(Der sich selbstentfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d.h. dem +natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken +sind daher ausser der Natur und d[em] Menschen hausende fixe Geister. +Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden +derselben einmal als Negation, d. h. als Entäusserung des menschlichen +Denkens, dann als Negation der Negation, d. h. als Aufhebung dieser Ent +äusserung, als wirkliche Äusserung des menschlichen Denkens gefaßt; ||aber +— als selbst noch in der Entfremdung befangen — ist diese Negation der 10 +Negation theils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, theils +das Stehnbleiben bei dem lezten Akt, d[em] Sichauf sichbeziehn in der +Entäusserung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister, {(d. h. — Hegel +sezt den in sich kreisenden Akt der Abstraktion an die Stelle jener fixen +Abstraktionen; damit hat er einmal das Verdienst die Geburtsstätte aller 15 +dieser — ihrem ursprünglichen Datum nach einzelnen Philosophen zugehö +rigen ungehörigen Begriffe nachgewiesen, sie zusammengefaßt und statt +einer bestimmten Abstraktion die in ihrem ganzen Umkreis erschöpfte +Abstraktion als Gegenstand der Kritik geschaffen zu haben) (warum Hegel +das Denken vom Subjekt trennt, werden wir später sehn; es ist aber jezt 20 +schon klar, daß, wenn der Mensch nicht ist, auch seine Wesensäusserung +nicht menschlich sein kann, also auch das Denken nicht als Wesensäusserung +des Menschen als eines menschlichen und natürlichen, mit Augen, Ohren etc +in der Gesellschaft und Welt und Natur lebenden Subjekts gefaßt werden +konnte)}, theils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich 25 +selbst eine unendliche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Auf +geben des abstrakten nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohn' +Aug' ohn' Zahn ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschliessung die Natur als +Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen.) | + +|XXXIIl| Aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der 30 + +Trennung v[om] Menschen fixirt, ist für d[en] Menschen nichts. Daß der +abstrakte Denker, der sich zum Anschauen entschlossen hat, sie abstrakt +anschaut versteht sich von selbst. Wie die Natur von dem Denker, in seiner +ihm selbst verborgnen und räthselhaften Gestalt, als absolute Idee, als +Gedankending eingeschlossen lag, so hat er in Wahrheit, indem er sie aus 35 +sich entlassen hat, nur diese abstrakte Natur—aber nun mit der Bedeutung, +daß sie das Anderssein des Gedankens ist, daß sie die wirkliche angeschaute, +vom abstrakten Denken unterschiedne Natur ist — nur das Gedankending +der Natur aus sich entlassen. Oder, um eine menschliche Sprache zu reden, +bei seiner Naturanschauung erfährt der abstrakte Denker, daß die Wesen, 40 +welche er in der göttlichen Dialektik als reine Producte der in sich selbst + +304 + + VI + +5 + +10 + +webenden und nirgends in die Wirklichkeit hinausschauenden Arbeit des +Denkens aus dem Nichts, aus der puren Abstraktion zu schaffen meinte, +nichts andres sind, als Abstraktionen von Naturbestimmungen. Die ganze +Natur wiederholt ihm also nur in einer sinnlichen, äusserlichen Form die +logischen Abstraktionen. Er analysirt sie in diesen Abstraktionen wieder. +Seine Naturanschauung ist also nur der Bestätigungsakt seiner Abstraktion +von der Naturanschauung, der von ihm mit Bewußtsein wiederholte Zeu +gungsgang seiner Abstraktion. So ist ζ. B. die Zeit = Negativität, die sich auf +sich bezieht: (p. 2381. c.) Dem aufgehobnen Werden als Dasein — entspricht +in natürlicher Form — die aufgehobne Bewegung als Materie. Das Licht ist +— die natürliche Form — d[er] Reflexion in sich. Der Körper als Mond und +Comet — ist die natürliche Form des — Gegensatzes, der nach der Logik +einerseits das auf sich selbst ruhende Positive, andrerseits das auf sich selbst +ruhende Negative ist. Die Erde ist die natürliche Form des logischen + +15 Grundes, als negative Einheit des Gegensatzes etc. | + +I Die Natur als Natur, d. h. insofern sie sich sinnlich noch unterscheidet + +von jenem geheimen, in ihr verborgnen Sinn, die Natur getrennt, unter +schieden von diesen Abstraktionen ist Nichts, ein sich als Nichts bewäh +rendes Nichts, ist Sinnlos oder hat nur den Sinn einer Aüsserlichkeit, die +aufgehoben werden muß. + +20 + +„In dem endiich-teleologischen Standpunkt findet sich die richtige Vor +aussetzung, daß die Natur den absoluten Zweck nicht in ihr selbst enthält." +p.225. Ihr Zweck ist die Bestätigung der Abstraktion. „Die Natur hat sich +als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das +25 Negative ihrer selbst oder sich äusserlich ist, so ist die Natur nicht äusserlich +nur relativ gegen diese Idee, sondern die Aüsserlichkeit macht die Bestim +mung aus, in welcher sie als Natur ist." p. 227. + +30 + +Die Aüsserlichkeit ist hier nicht als die sich äussernde und dem Licht, +d[em] sinnüchen Menschen erschloßne Sinnlichkeit zu verstehn. Die Aüs- +serlichkeit ist hier im Sinne der Entäusserung, eines Fehlers, eines Ge +brechens, das nicht sein soü, zu nehmen. Denn das Wahre ist immer noch +die Idee. Die Natur ist nur die Form ihres Andersseins. Und dadas abstrakte +Denken das Wesen ist, so ist das, was ihm äusserüch ist, seinem Wesen nach +ein nur Aüsserliches. Der abstrakte Denker erkennt zugleich an, daß die +Sinnlichkeit das Wesen der Natur ist, die Aüsserlichkeit im Gegensatz zu +dem in sich webenden Denken. Aber zugleich spricht er diesen Gegensatz +so aus, daß diese Aüsserlichkeit der Natur ihr Gegensatz zum Denken ihr +Mangel, daß sie, insofern sie sich von der Abstraktion unterscheidet, ein +mangelhaftes Wesen ist. ||XXXTV| Ein nicht nur für mich, in meinen Augen +40 mangelhaftes, ein an sich selbst mangelhaftes Wesen, hat etwas ausser sich, +was ihm mangelt. D. h. sein Wesen ist ein andres als es selbst. Die Natur muß + +35 + +305 + + Heft III. Seite XXXIV + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +sich daher selbst aufheben für den abstrakten Denker, weü sie schon von +ihm als ein der Potenz nach aufgehobnes Wesen gesezt ist. + +„Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit +und damit deren absolutes Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur +verschwunden und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte +Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff "ist. Diese +Identität ist absolute Negativität, weü in der Natur der Begriff seme voll +kommene äusserüche Objektivität hat, diese seine Entäusserung aber auf +gehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese +Identität somit nur als Zurückkommen aus der Natur." p. 392. + +„Das Offenbaren, welches als die abstrakte Idee unmittelbarer Uebergang, +Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der +Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen +der Welt als selbstständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Er +schaffen derselben als seines Sems, in welchem er die Affkmation und +Wahrheit seiner Freiheit sich gibt." „Das Absolute ist der Geist; diß ist die +höchste Definition des Absoluten." + +5 + +10 + +15 + +[VII] + +Die Grundrente wurde ferner qua Grundrente gestürzt — indem von der 20 +neuern Nationalökonomie im Gegensatz zu dem Argument d[er] Physio- +kraten, der Grundeigenthümer sei der einzig wahre Producent, vielmehr +bewiesen wurde, daß der Grundeigenthümer als solcher vielmehr der einzige +ganz impro||duktive Rentier sei. Die Agricultur sei Sache des Capitaüsten, +der seinem Capital diese Anwendung gebe, wenn er von ihr den gewöhn- 25 +liehen Gewinn zu erwarten habe. Die Aufstellung d[er] Physiocraten — daß +das Grundeigenthum als das einzig produktive Eigenthum allein die Staats +steuern zu zahlen, also auch aUein sie zu bewüligen und Theü an dem +Staatswesen zu nehmen habe — verkehrt sich daher in die umgekehrte +Bestimmung, daß die Steuer auf Grundrente die einzige Steuer auf ein 30 +improduktives Einkommen sei, daher die einzige Steuer, welche der natio +nalen Production nicht schädlich sei. Es versteht sich, daß so gefaßt, auch +das poütische Vorrecht der Grundeigenthümer nicht mehr aus ihrer haupt +sächlichen Besteuerung folgt. + +Alles was Proudhon als Bewegung der Arbeit gegen das Capital faßt, ist 35 + +nur die Bewegung der Arbeit in der Bestimmung des Capitals, des indu +striellen Capitals gegen das nicht als Capital, d.h. nicht industriell sich +consumnürende Capital. Und diese Bewegung geht ihren siegreichen Weg, + +306 + + r + +VII + +d.h. den Weg des Sieges des industriellen Capitals. — Man sieht also, daß +erst indem die Arbeit als Wesen des. Privateigenthums gefaßt wird, auch die +nationalökonomische Bewegung als solche in ihrer wirklichen Bestimmtheit +durchschaut werden kann. + +5 + +Die Gesellschaft — wie sie für den Nationalökonomen erscheint — ist die +bürgerliche Gesellschaft, worin jedes Individuum ein Ganzes von Bedürf +nissen ist und es nur ||[XXX]V| für d[en] Andern, wie der Andre nur für es +da ist, insofern sie sich wechselseitig zum Mittel werden. Der National +ökonom — so gut, wie die Politik in ihren Menschenrechten — reducirt alles +1 o auf d[en] Menschen, d. h. auf das Individuum, von welchem er alle Bestimmt +heit abstreift, um es als Capitalist oder Arbeiter zu fixiren. +Die +Theilung der Arbeit ist der nationalökonomische Ausdruck von der Ge +sellschaftlichkeit der Arbeit innerhalb der Entfremdung. Oder, da die Arbeit +nur ein Ausdruck der menschlichen Thätigkeit innerhalb der Entäusserung, +der Lebensäusserung als Lebensentäusserung ist, so ist auch die Theilung +der Arbeit nichts andres als das entfremdete, entäusserte Setzen der +menschlichen Thätigkeit als einer realen Gattungsthätigkeit oder als Thätig +keit d[es] Menschen als Gattungswesen. + +15 + +Ueber das Wesen der Theilung der Arbeit — welche natürlich als ein +20 Hauptmotor der Production des Reichthums gefaßt werden mußte, sobald +die Arbeit als das Wiesen des Privateigenthums erkannt war,—d.h. über diese +entfremdete und entäusserte Gestalt der menschlichen Thätigkeit als Gat +tungsthätigkeit sind die Nationalökonomen sehr unklar und sich wider +sprechend. + +25 + +Adam Smith: „Die Theilung der Arbeit verdankt nicht der menschlichen +Weisheit ihren Ursprung. Sie ist die nothwendige, langsame und stufenweise +Consequenz des Hangs zum Austausch und des wechselseitigen Verscha- +cherns der Producte. Dieser Hang zum Handel ist wahrscheirdich eine +nothwendige Folge des Gebrauchs der Vernunft und des Wortes. Er ist allen +30 Menschen gemeinschaftlich, findet sich bei keinem Thier. Das Thier sobald +es erwachsen ist, lebt auf seine Faust. Der Mensch hat beständig die Unter +stützung von andern nöthig und vergeblich würde er sie blos von ihrem +Wohlwollen erwarten. Es wird viel sicherer sein, sich an ihr persönliches +Interesse zu wenden und sie zu überreden, ihr eigner Vortheil erheische das +35 zu thun, was er von ihnen wünscht. Wir adressiren uns bei andern Menschen +nicht an ihre Menschheit, sondern an ihren Egoismus; wir sprechen ihnen +niemals von unsern Bedürfnissen, sondern immer von ihrem Vortheil.... Da +wir also durch Tausch, Handel, Schacher die Mehrzahl der guten Dienste, +die uns wechselseitig nöthig sind, erhalten, so ist es diese Disposition zum +40 Schacher, welche der Theilung der Arbeit \ \ ihren Ursprung gegeben hat. Z.B. +In einem Tribus von Jägern oder Hirten macht ein Privatmann Bogen und + +309 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +5 + +Sehnen mit mehr Geschwindigkeit und Geschicklichkeit als ein andrer. Er +vertauscht oft mit seinen Genossen diese Arten von Tagwerk gegen Vieh und +Wild, er bemerkt bald, daß er lezteres durch dieses Mittel sich leichter +verschaffen kann, als wenn er selbst auf die Jagd ginge. Aus interessirter +Berechnung macht er also aus der Fabrikation der Bogen etc seine Haupt- +beschäftigung. Die Differenz der natürlichen Talente unter den Individuen +Ohne +ist nicht sowohl die Ursache als der Effekt der Theüung der Arbeit +die Disposition d[er] Menschen zu handien und tauschen, wäre jeder ver +pflichtet gewesen, sich selbst aüe Nothwendigkeiten und Bequemüchkeiten +des Lebens zu verschaffen. Jeder hätte dasselbe Tagewerk zu erf üüen gehabt 10 +und jene grosse Däferenz der Beschäftigungen, welche allein eine grosse +Differenz der Talente erzeugen kann, hätte nicht Stattgefunden +Wie nun +dieser Hang zum Tauschen die Verschiedenheit der Talente erzeugt unter +den Menschen, so ist es auch derselbe Hang, der diese Verschiedenheit +nützlich macht. — Viele Thierraçen, obgleich von derselben Species, haben 15 +von der Natur unterschiedene Charaktere erhalten, die in Bezug auf ihre +Anlagen Augenfälüger sind, als man bei d[en] ungebildeten Menschen be +obachten könnte. Von Natur ist ein Phüosoph nicht halb so verschieden von +einem Sackträger an Talent und Intelligenz als ein Haushund von einem +Windhund, ein Windhund von einem Wachtelhund und dieser von einem 20 +Schäferhund. Dennoch sind diese verschiednen Thierraçen, obgleich von +derselben species fast von gar keiner Nützlichkeit für einander. Der Hofhund +kann den Vortheüen seiner Stärke ¡|XXXVI¡ nichts hinzufügen, dadurch daß +er sich etwa der Leichtigkeit des Windhundes etc bediente. Die Wükungen +dieser verschiednen Talente oder Stufen der Intelligenz können, aus Mangel +der Fähigkeit oder des Hangs zum Handel und Austausch, nicht zusammen, +in Gemeinschaft geworfen werden und können durchaus nicht zum Vortheil +oder zur gemeinschaftlichen Bequemlichkeit der species beitragen— Jedes +Thier muß sich selbst unterhalten und beschützen, unabhängig von den +andern, — es kann nicht den geringsten Nutzen von der Verschiedenheit der 30 +Talente ziehn, welche die Natur unter seinesgleichen vertheilt hat. Unter den +Menschen dagegen, sind die disparatesten Talente einander nützlich, weü +die verschiednen Producte jeder ihrer respektiven Industriezweige, ver +mittelst dieses allgemeinen Hangs zum Handel und Austausch, sich so zu +sagen, in eine gemeinschaftüche Masse geworfen finden, wo jeder Mensch 35 +nach semen Bedürfnissen kaufen gehn kann ügendeinen Theü des Products +der Industrie d[er] andern. — Weü dieser Hang zum Austausch der Theüung +der Arbeit ihren Ursprung giebt, so ist folglich das Wachsthum dieser +Theüung immer beschränkt durch die Ausdehnung der Fähigkeit auszutau +schen oder in andern Worten durch die Ausdehnung des Marktes. Ist der +Markt sehr klein, so wüd Niemand ermuthigt sein, sich gänzüch einer + +25 + +40 + +310 + + VII + +5 + +einzigen Beschäftigung zu ergeben, aus Mangel das Mehr des Products seiner +Arbeit, welches seine eigne Consumtion übersteigt, gegen ein gleiches Mehr +des Products der Arbeit eines andern, das er sich zu verschaffen wünschte, +austauschen zu können . . ." Im fortgeschrittnen Zustand: „Jeder Mensch +besteht von échanges, vom Austausch und wird eine Art von Handelsmann, +und die Gesellschaft selbst ist eigentlich eine Handelstreibende Gesellschaft. +(Sieh Destutt de Tracy: die Gesellschaft ist eine Reihe v[on] wechselseitigem +Austausch, in dem Commerce hegt das ganze Wesen der Gesellschaft.)... +Die Accumulation der Capitalien steigt mit der Theilung der Arbeit und + +10 wechselseitig." — So weit Adam Smith. + +„Wenn jede Familie die Totalität der Gegenstände ihrer Consumtion +erzeugte, könnte die Gesellschaft in Gang bleiben, obgleich sich keine Art +von Austausch bewerkstellig||te — ohne fundamental zu sein, ist der Aus +tausch unentbehrlich in dem avancirten Zustand unsrer Gesellschaft — die +15 Theilung der Arbeit ist eine geschickte Anwendung der Kräfte d[es] Men +schen — sie vermehrt also die Producte der Gesellschaft, ihre Macht und ihre +Genüsse, aber sie beraubt, vermindert die Fähigkeit jedes Menschen in +dividuell genommen. — Die Production kann ohne den Austausch nicht +Stattfinden." - So J.B.Say. + +20 + +„Die dem Menschen inhärenten Kräfte sind: seine Intelligenz und seine +physische Anlage zur Arbeit; diejenigen, welche von dem Gesellschaftlichen +Zustand ihren Ursprung ableiten, bestehn: in der Fähigkeit die Arbeit zu +theilen und die verschiednen Arbeiten unter die verschiednen Menschen +... und in dem Vermögen die wechselseitigen Dienste aus- +auszutheilen. +Das Motiv +warum ein Mensch d[em] andern seine Dienste widmet, ist der Eigennutz +— der Mensch verlangt eine Recompens für die einem andern geleisteten +Dienste. — Das Recht des exclusiven Privateigenthums ist unentbehrlich, +damit sich der Austausch unter den Menschen etablire." „Austausch und + +25 zutauschen und die Producte, welche diese Mittel constituiren + +30 Theilung der Arbeit bedingen sich wechselseitig." So Skarbek. + +MM stellt den entwickelten Austausch, den Handel, als Folge der Theilung + +der Arbeit dar. + +35 + +„Die Thätigkeit des Menschen kann auf sehr einfache Elemente reducirt +werden. Er kann in Wahrheit nichts mehr thun, als Bewegung produciren; +er kann die Sachen bewegen, um sie von einander zu ent||XXXVIl|fernen +oder einander zu nähern; die Eigenschaften der Materie thun das Uebrige. +Bei der Anwendung der Arbeit und der Maschinen findet man oft, daß die +Wirkungen durch eine geschickte Vertheilung vermehrt werden können, +durch Trennung der Operationen, die sich entgegenstehn und durch Ver- +40 einigung aller derjenigen, welche auf irgendeine Weise sich wechselseitig +fördern können. Da im Allgemeinen die Menschen nicht viele verschiedne + +311 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Operationen mit gleicher Geschwindigkeit und Geschicklichkeit exekutiren +können, wie die Gewohnheit ihnen diese Fähigkeit für die Ausübung einer +kleinen Zahl verschafft — so ist es immer vortheühaft, so viel als möglich +die Zahl der jedem Individuum anvertrauten Operationen zu beschränken. +— Zur Theüung der Arbeit und Vertheüung der Kräfte d[er] Menschen und +der Maschinen auf die vortheühaf teste Art ist es nothwendig in einer Menge +von Fäüen, auf einer grossen Stufenleiter zu operiren oder in andern Worten, +die Reichthümer in grossen Massen zu producüen. Dieser Vortheü ist der +Entstehungsgrund der grossen Manufacturen, von denen oft eine kleine, +unter günstigen Verhältnissen gegründete Anzahl, manchmal nicht nur ein 10 +einziges, sondern mehre Länder approvisionüt mit der hier verlangten +Quantität von den durch sie producüten Objekten." So Mill. + +5 + +Die ganze moderne Nationalökonomie aber stimmt darin überein, daß +Theüung der Arbeit und Reichthum der Production, Theüung der Arbeit und +Accumulation des Capitals sich wechselseitig bedingen, wie daß das frei- 15 +gelaßne, sich selbst überlaßne Privateigenthum, aüein die nützüchste und +umfassendste Theüung der Arbeit hervorbringen kann. + +20 + +Adam Smiths Entwicklung läßt sich dahin resümüen: Die Theüung der +Arbeit giebt der Arbeit die unendüche Productionsfähigkeit. Sie ist begründet +in dem Hang zum Austausch und Schacher, einem spezifisch menschlichen +Hang, der wahrscheinüch nicht zufäüig, sondern durch den Gebrauch der +Vernunft und der Sprache bedingt ist. Das Motiv des Austauschenden ist +nicht die Menschheit, sondern der Egoismus. Die Verschiedenartigkeit der +menschlichen Talente ist mehr die Wükung, als die Ursache der Theüung +der Arbeit, i. e. des Austausche. Auch macht lezterer erst diese Verschieden- 25 +heit nützlich. Die besondren Eigenschaften der verschiednen Racen einer +Thierart sind von Natur schärfer als die Verschiedenheit menschücher +Anlage und Thätigkeit. Weü die Thiere aber nicht auszutauschen vermögen, +nüzt keinem Thierindividuum die unterschiedne Eigenschaft eines Thieres +von der selben Art, aber von verschiedner Race. Die Thiere vermögen nicht +die unterschiednen Eigenschaften ihrer || species zusammenzulegen; sie +vermögen nichts zum gemeinschaftlichenVortheil und Bequemlichkeit ihrer +species beizutragen. Anders der Mensch, wo die disparatesten Talente und +Thätigkeitsweisen sich wechselseitig nützen, weil sie ihre verschiednen +Producte zusammenwerfen können in eine gemeinschaftliche Masse, wovon +jeder kaufen kann. Wie die Theüung der Arbeit aus dem Hang des Aus- +tauschs entspringt, so wächst sie und ist begrenzt durch die Ausdehnung des +Austausches, des Marktes. +jeder Mensch +Im fortgeschrittnen Zustand +Handelsmann, die GeseUschaft eme Handelsgesellschaft. + +30 + +35 + +Say betrachtet den Austausch als zufällig und nicht fundamental. Die +GeseUschaft könnte ohne ihn bestehn. Er wüd unentbehrüch im avancirten + +40 + +312 + + VII + +Zustand der Gesellschaft. Dennoch kann die Production ohne ihn nicht +Stattfinden. Die Theilung der Arbeit ist ein bequemes, nützliches Mittel, eine +geschickte Anwendung der menschlichen Kräfte für den gesellschaftlichen +Reichthum, aber sie vermindert die Fähigkeit jedes Menschen individuell +genommen. Die lezte Bemerkung ist ein Fortschritt von Say. + +5 + +Skarbek unterscheidet die + +individuellen, d[em] Menschen + +inhärenten +Kräfte, Intelligenz und physische Disposition zur Arbeit, von den von der +Gesellschaft hergeleiteten Kräften, Austausch und Theilung der Arbeit, die +sich wechselseitig bedingen. Aber die nothwendige Voraussetzung des +10 Austausches ist das Privateigenthum. Skarbek drückt hier unter objektiver +Form aus, was Smith, Say, Ricardo etc sagen, wenn sie den Egoismus, das +Privatinteresse als Grund des Austausches oder den Schacher als die we +sentliche und adacquate Form des Austausches bezeichnen. + +15 + +Mill stellt den Handel als Folge der Theilung der Arbeit dar. Die mensch- +liehe Thätigkeit reducirt sich ihm auf eine mechanische Bewegung, Theilung +der Arbeit und Anwendung von Maschinen befördern den Reichthum der +Production. Man muß jedem Menschen einen möglichst kleinen Kreis von +Operationen anvertrauen. Ihrer Seits bedingen Theilung der Arbeit und +Anwendung von Maschinen die Production des Reichthums in Masse, also + +20 d[es] Products. Dieß der Grund der grossen Manufacturen. + +1 + +|XXXVIIl| Die Betrachtung der Theilung der Arbeitend des Austausches +ist vom höchsten Interesse, weil sie die sinnfällig entäusserten Ausdrücke +der menschlichen Thätigkeit und Wesenskraft, als einer Gattungsmässigen +Thätigkeit und Wesenskraft sind. + +25 + +30 + +Daß die Theilung der Arbeit und der Austausch auf dem Privateigenthum +beruhen ist nichts anders als die Behauptung daß die Arbeit das Wesen des +Privateigenthums ist, eine Behauptung, die der Nationalökonom nicht be +weisen kann, und die wir für ihn beweisen wollen. Eben darin, daß Theilung +der Arbeit und Austausch Gestaltungen des Privateigenthums sind, eben +darin hegt der doppelte Beweis, sowohl daß das menschliche Leben zu seiner +Verwirklichung des Privateigenthums bedurfte, wie andrerseits, daß es jezt +der Aufhebung des Privateigenthums bedarf. + +Theilung der Arbeit und Austausch sind die beiden Erscheinungen, bei +denen der Nationalökonom auf die GesellschaftUchkeit seiner Wissenschaft + +35 pocht und den Widerspruch seiner Wissenschaft, die Begründung der Ge + +sellschaft durch das ungesellschaftliche Sonderinteresse in einem Athemzug +bewußtlos ausspricht. + +Die Momente die wir zu betrachten haben, sind: Einmal wird der Hang +des Austauschs — dessen Grund im Egoismus gefunden wird — als Grund +oder Wechselwirkung der Theilung der Arbeit betrachtet. Say betrachtet den +Austausch als nicht fundamental für das Wesen der Gesellschaft. Der + +40 + +313 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Reichthum, die Production wird durch die Theilung der Arbeit und den +Austausch erklärt. Die Verarmung und Entwesung der individuellen Thätig +keit durch die Theilung der Arbeit wird zugestanden. Austausch und Thei +lung der Arbeit werden als Producenten der grossen Verschiedenheit der +menschlichen Talente anerkannt, eine Verschiedenheit, welche durch er- +steren auch wieder nützlich wird. Skarbek theilt die Productions oder pro +duktiven Wesenskräfte des Menschen in 2 Theile, 1) die individuellen und +ihm inhärenten, seine Intelligenz und specielle Arbeitsdisposition oder +Fähigkeit, 2) die von der GeseUschaft — nicht vom wirklichen Individuum +— abgeleiteten, die Theilung der Arbeit und den Austausch. — Ferner: Die +Theilung der Arbeit ist durch den Markt beschränkt. — Die menschliche +Arbeit ist einfache mechanische Bewegung; die Hauptsache thun die ma +teriellen Eigenschaften der Gegenstände. — Einem Individuum müssen +wenigst mögüche Operationen zugetheilt werden — Spaltung der Arbeit und +Concentrüung des Capitals, die Nichtigkeit der individuellen Production und +d[ie] Production des Reichthums in Masse — Verstand des freien Privat +eigenthums in der Theüung der Arbeit. | + +[VIII] + +|XXXIX| Vorrede. + +Ich habe in den deutsch-französischen Jahrbüchern die Kritik der Rechts und +Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der hegel'schen Rechts- +phüosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die +Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik +der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung +hemmend, das Verständniß erschwerend. Ueberdem hätte der Reichthum +und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eme +ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in e i ne Schrift erlaubt, +wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines wül- +kührüchen Systematisüens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen +selbstständigen Brochuren die Kritik des Rechts, der Moral, Poütik etc. auf +einander folgen lassen und schüeßüch in einer besondren Arbeit wieder den +Zusammenhang des Ganzen, das Verhältniß der einzelnen Theüe, endlich +die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. +Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammen +hang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerüchem Leben etc +grade nur so weit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese +Gegenstände berührt. + +314 + + Heft III. Seite XXXIX + + Heft III. Seite XL + + r + +Vili. Vorrede + +Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu +versichern, daß meine Resultate, durch eine ganz empirische, auf ein ge +wissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse +gewonnen worden sind. Es versteht sich von selbst, daß ich || ausser den +französischen und englischen Socialisten auch deutsche socialistische Ar +beiten benuzt habe. Die Inhaltsvollen und originellen deutschen Arbeiten für +diese Wissenschaft reduciren sich indeß — ausser Weitlings Schriften — auf +die in den 21 Bogen geüef erten Aufsätze von Heß und auf Engels ' „ Umrisse +zur Kritik der Nationalökonomie" +französischen Jahr- +büchern, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorhegenden Arbeit in +ganz allgemeiner Weise angedeutet habe. + +in den deutsch + +5 + +10 + +Ausserdem verdankt die Kritik der Nationalökonomie wie die positive +Kritik überhaupt, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs. +Von Feuerbach datirt erst die positive humanistische und naturalistische +15 Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangreicher und nachhal +tiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften +— seit Hegels Phänomenologie und Logik—worin eine wirkliche theoretische +Revolution enthalten ist. + +20 + +25 + +Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit +der hegel'schen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus +nothwendig, da von den kritischen Theologen unsrer Zeit ||XL| eine solche +Arbeit nicht nur nicht vollbracht, sondern nicht einmal ihre Nothwendigkeit +erkannt worden ist — eine nothwendige Ungründlichkeit, da selbst der +kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Vor- +aussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß, oder wenn +ihm im Proceß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den +philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger und ungerecht +fertigter Weise verläßt, von ihnen abstrahirt, seine Knechtschaft unter die +selben und den Aerger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, +30 bewußtloser und sophistischer Weise kundthut. // Genau angesehn ist die +theologische Kritik — so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches +Moment des Fortschritts war, — in lezter Instanz nichts andres als die zur +theologischen Carrikatur verzerrte Spitze und Consequenz der alten phi +losophischen und namentlich hegel'schen Transcendenz. Diese interessante +35 Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule +R e ck d[er] Philosophie], nun auch dazu bestimmt die negative Auflösung +der Phüosophie — d. h. ihren Verf aulungsprozeß — an sich darzustellen, diese +historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nach +weisen. + +/ + +317 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +[IX] + +5 + +|XL[rj| Wenn die Empfindungen, Leidenschaften etc d[es] Menschen nicht +nur anthropologische Bestimmungen im [eigne]n Sinn, sondern wahrhaft +ontologische Wesens(Natur)bejahungen sind — und wenn sie nur dadurch +wirklich sich bejahen, daß ihr Gegenstand sinnlich für sie ist, so versteht sich +1) daß die Weise ihrer Bejahung durchaus nicht eine und dieselbe ist, sondern +vielmehr die unterschiedne Weise der Bejahung die Eigenthümlichkeit ihres +Daseins, ihres Lebens bildet; die Weise, wie der Gegenstand für sie, ist die +eigenthümliche Weise ihres Genusses; 2) da, wo die sinnliche Bejahung +unmittelbares Aufheben des Gegenstandes in seiner selbstständigen Form 10 +ist (Essen, Trinken, Bearbeiten des Gegenstandes etc) ist dieß die Bejahung +des Gegenstandes; 3) insofern der Mensch menschlich, also auch seine +Empfindung etc menschlich ist, ist die Bejahung des Gegenstandes durch +einen andern, ebenfalls sein eigner Genuß; 4) erst durch die entwickelte +Industrie, i. e. durch die Vermittlung des Privateigenthums wird das ontolo- 15 +gische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität, als +in seiner Menschlichkeit; die Wissenschaft vom Menschen ist also selbst ein +Product der praktischen Selbstbethätigung d[es] Menschen; 5) der Sinn des +Privateigenthums — losgelöst von seiner Entfremdung — ist das Dasein der +wesentlichen Gegenstände für d[en] Menschen, sowohl als Gegenstand des +Genusses, wie der Thätigkeit. + +20 + +Das Geld, indem es die Eigenschaft besizt, alles zu kaufen, indem es die +Eigenschaft besizt, allé Gegenstände sich anzueignen, ist also der Gegen +stand im eminenten Besitz. Die Universalität seiner Eigenschaft ist die +Allmacht seines Wesens; es gilt daher als allmächtiges W e s e n . . .. Das Geld 25 +ist der Kuppler zwischen dem Bedürfniß und dem Gegenstand, zwischen +dem Leben und dem Lebensmittel d[es] Menschen. Was mir aber mein Leben +vermittelt, das vermittelt mir auch das Dasein d[es] andern Menschen f ür +mich. Das ist für mich der andre Mensch. — + +„Was Henker? freüich Hand und Füsse +Und Kopf und Hintre, die sind dein! +Doch alles was ich frisch gemesse, +Ist das drum weniger mein? + +Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, +Sind ihre Kräfte nicht die meine? +Ich renne zu und bin ein rechter Mann, +Als hätf ich vierundzwanzig Berne." + +Göthe. Faust. (Mephisto) | + +35 + +318 + + IX + +I Shakespeare im Timon von Athen: + +„Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? Nein, Götter! +Nicht eitel fleht' ich. +So viel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön; +Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. +Dieß l o c k t . .. den Priester vom Altar; +Reißt Halbgenesnen weg das Schlummerkissen: +Ja dieser rothe Sklave löst und bindet +Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; +Er macht den Aussatz lieblich, ehrt den Dieb, +Und gjebt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß, +Im Rath der Senatoren: dieser führt +Der über jähr'gen Wittwe Freier zu; +Sie von Spital und Wunden giftig eiternd +Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch +Zu Maienjugend dieß. Verdammt Metall, +Gemeine Hure du der Menschen, die +Die Völker thört." + +Und weiter unten: + +„Du süsser Königsmörder, edle Scheidung +Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler +Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! +Du ewig blüh'nder zartgeliebter Freier, +Deß rother Scheirwden heil'gen Schnee zerschmelzt +Auf Dianas reinem Schoos! sichtbare Gottheit, +Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, +Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache, | +|XLIl| ZU jedem Zweck! o du der Herzen Prüfstein! +Denk, es empört dein Sklave sich, der Mensch! +Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, +Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt!" + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +Shakespeare schildert das Wesen des Geldes trefflich. Um ihn zu verstehn, + +beginnen wir zunächst mit der Auslegung der göthischen Stelle. + +Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen +35 kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des +Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine +— seines Besitzers — Eigenschaften und Wesenskräfte. Das was ich bin und +vermag ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin +häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht + +319 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +häßlich, denn die Wirkung der HäßUchkeit, ihre abschreckende Kraft ist +durch das Geld vernichtet. Ich — meiner Individualität nach — bin lahm, aber +das Geld verschafft mir 24 Füsse; ich bin also nicht lahm; ich bin ein +schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist +geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein +Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe unehrlich zu sein, +ich werde also als ehrlich präsumirt; ich bin geistlos, aber das Geld ist der +wtküche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem +kann er sich die Geistreichen Leute kaufen und wer die Macht über d[en] +Geistreichen hat, ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch +das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze +ich nicht aüe menschüchen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht aüe +meine Unvermögen in ihr Gegentheü? + +Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mü + +5 + +10 + +die GeseUschaft, das mich mit der Natur und d[em] Menschen verbindet, ist 15 +das Geld nicht das Band aUer Bande! Kann es nicht aüe Bande lösen und +binden? Ist es darum nicht auch das aügemeine Scheidungsmittell Es ist die +|| Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die g[alvan]oche- +wahre +mische Kraft der GeseUschaft. + +Shakespeare hebt an dem Geld besonders 2 Eigenschaften heraus. +1) Es ist die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aUer menschlichen und +natürüchen Eigenschaften in ihr Gegentheü, die aUgemeine Verwechslung +und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten; + +20 + +2) Es ist die allgemeine Hure, der aUgemeine Kuppler der Menschen und + +Völker. + +Die Verkehrung und Verwechslung aUer menschlichen und natürlichen +Quaütäten, die Verbrüderung der Unmögüchkeiten — die göttliche Kraft — +des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäussernden und +sich veräussernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäusserte +Vermögen der Menschheit. + +Was ich qua Mensch nicht vermag, was also aüe meine üidividuellen +Wesenskräfte nicht vermögen, das vermag ich durch das Geld. Das Geld +macht also jede dieser Wesenskräfte zu etwas, was sie an sich nicht ist, d. h. +zu ihrem Gegentheü. + +25 + +30 + +Wenn ich mich nach einer Speise sehne oder den Postwagen brauchen wül, 35 + +weü ich nicht stark genug bin, den Weg zu Fuß zu machen, so verschafft +mü das Geld die Speise und den Postwagen, d.h. es verwandelt meine +Wünsche aus Wesen der VorsteUung, es übersezt sie aus ihrem gedachten, +vorgestellten, gewoUten Dasein in ihr sümliches, wtkliches Dasein, aus der +Vorstellung in das Leben, aus dem vorgesteUten Sem in das wüküche Sem. 40 +Als diese Vermittlung ist es die wahrhaft schöpferische Kraft. + +320 + + IX + +Die demande existirt wohl auch für den, der kein Geld hat, aber seine +demande ist ein blosses Wesen der Vorstellung, das auf mich, auf d[en] 3t e n, +auf die [andern] ||XLIIl| keine Wirkung, keine Existenz hat, also für mich +selbst unwtklich, gegenstandlos bleibt. Der Unterschied der effectiven, auf +das Geld basirten und d[er] Effektlosen, auf mein Bedürfniß, meine Lei +denschaft, meinen Wunsch etc basirten demande ist der Unterschied zwi +schen Sein und Denken, zwischen der blosen in mir existirenden Vorstellung +und der Vorstellung, wie sie als wtklicher Gegenstand ausser mir für mich +ist. + +Ich, wenn ich kein Geld zum Reisen habe, habe kein Bedürfniß, d. h. kein +wirkliches und sich verwirklichendes Bedürfniß zum Reisen. Ich, wenn ich +Beruf zum Studiren, aber kein Geld dazu habe, habe keinen Beruf zum +Studiren, d. h. keinen whksamen, keinen wahren Beruf. Dagegen ich, wenn +ich wirklich keinen Beruf zum Studiren habe, aber den Willen und das Geld, +habe einen wirksamen Beruf dazu. Das Geld — als das äussere, nicht aus +d[em] Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen Gesellschaft +als Gesellschaft herkommende allgemeine — Mittel und Vermögen, die +Vorstellung in die Wirklichkeit, und die Wirklichkeit zu einer blosen Vor +stellung zu machen, verwandelt ebenso sehr die wtklichen menschlichen +und natürlichen Wesenskräfte in blos abstrakte Vorstellungen und darum +Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andrerseits die wtk +lichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, +nur in der Einbildung des Individuums existirenden Wesenskräfte desselben +zu wtklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser +Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der In +dividualitäten, die sie in ihr Gegentheil umkehrt und ihren Eigenschaften +widersprechende Eigenschaften beilegt. + +Als diese verkehrende Macht erscheint es dann auch gegen das Individuum +und gegen die gesellschaftlichen etc Bande, die für sich Wesen zu sein +behaupten. Es verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß +in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in d[en] +Herrn, d[en] Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand +in Blödsinn. | + +|Da das Geld, als der existirende und sich betätigende Begriff des +Werthes alle Dinge verwechselt, vertauscht, so ist es die allgemeine Ver +wechslung und Vertauschung aller Dinge, also die verkehrte Welt, die +Verwechslung und Vertauschung aller natürlichen und menschlichen +Qualitäten. + +Wer die Tapferkeit kaufen kann, der ist tapfer, wenn er auch feig ist. Da +das Geld nicht gegen eine bestimmte Qualität, gegen ein bestimmtes Ding, +menschliche Wesenskräfte, sondern gegen die ganze menschliche und natür- + +321 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +liehe Gegenständliche Welt sich austauscht, so tauscht es also — vom Stand +punkt seines Besitzers angesehn — jede Eigenschaft gegen jede — auch ihr +widersprechende Eigenschaft und Gegenstand—aus; es ist die Verbrüderung +der Unmöglichkeiten, es zwingt das sich widersprechende zum Kuß. + +5 + +Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältniß zur Welt als ein +menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, +Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst gemessen willst, +mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf andre +Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf +andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum 10 +Menschen und zu der Natur — muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines +Willens entsprechende Äusserung deines wirklichen individuellen Lebens +sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d. h. wenn dein Lieben +als Lieben nicht die Gegenliebe producirt, wenn du durch deine Lebensäus +serung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so +ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück. | + +15 + +322 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte +(Zweite Wiedergabe) + + Vorrede + +[ V o r r e de (aus H e ft III)] + +|XXXIX| Vorrede. + +Ich habe in den deutsch-französischen Jahrbüchern die Kritik der Rechts und +Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der hegeVsehen Rechts- +5 phüosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die +Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik +der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung +hemmend, das Verständniß erschwerend. Ueberdem hätte der Reichthum +und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine +10 ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in e i ne Schrift erlaubt, +wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines will- +kührlichen Systematisirens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen +selbstständigen Brochuren die Kritik des Rechts, der Moral, Politik etc. auf +einander folgen lassen und schließlich in einer besondren Arbeit wieder den +15 Zusammenhang des Ganzen, das Verhältniß der einzelnen Theile, endlich +die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. +Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammen +hang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerlichem Leben etc +grade nur so weit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese + +20 Gegenstände berührt. + +Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu +versichern, daß meine Resultate, durch eine ganz empirische, auf ein ge +wissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse +gewonnen worden sind. Es versteht sich von selbst, daß ich || ausser den +französischen und englischen Socialisten auch deutsche socialistische Ar +beiten benuzt habe. Die Inhaltsvollen und originellen deutschen Arbeiten f ür +diese Wissenschaft reduciren sich indeß — ausser Weitlings Schriften — auf + +25 + +325 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Aus Heft III + +die in den 21 Bogen gelieferten Aufsätze von Heß und auf Engels ' „ Umrisse +französischen Jahr +zur Kritik der Nationalökonomie" +büchern, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorliegenden Arbeit in +ganz allgemeiner Weise angedeutet habe. + +in den deutsch + +Ausserdem verdankt die Kritik der Nationalökonomie wie die positive +Kritik überhaupt, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs. +Von Feuerbach datirt erst die positive humanistische und naturalistische +Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangreicher und nachhal +tiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften +— seit Hegels Phänomenologie und Logik—worin eine wirkliche theoretische 1 o +Revolution enthalten ist. + +5 + +Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit +der hegel'schen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus +nothwendig, da von den kritischen Theologen unsrer Zeit ||XL| eine solche +Arbeit nicht nur nicht vollbracht, sondern nicht einmal ihre Nothwendigkeit 15 +erkannt worden ist — eine nothwendige Ungrühdlichkeit, da selbst der +kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Vor +aussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß, oder wenn +ihm im Proceß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den +philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger und ungerecht- 20 +fertigter Weise verläßt, von ihnen abstrahirt, seine Knechtschaft unter +dieselben und den Aerger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, +bewußtloser und sophistischer Weise kundthut. // Genau angesehn ist die +theologische Kritik — so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches +Moment des Fortschritts war, — in lezter Instanz nichts andres als die zur 25 +theologischen Carrikatur verzerrte Spitze und Consequenz der alten phi +losophischen und namentlich hegel'schen Transcendenz. Diese interessante +Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule +Fleck d[er] Ph[ilosophie], nun auch dazu bestimmt die negative Auflösung +der Philosophie — d. h. ihren Verf aulungsprozeß—an sich darzustellen, diese 30 +historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nach +weisen. + +/ + +326 + + F + +Arbeitslohn + +Heft I. + +|l| Arbeitslohn. + +Arbeitslohn wird bestimmt durch den feindlichen Kampf zwischen Capitalist +und Arbeiter. Die Nothwendigkeit des Siegs für d[en] Capitaüsten. Capitaüst +5 kann länger ohne den Arbeiter leben, als dieser ohne jenen. Verbindung unter +den Capitaüsten habitual und von Effekt; die der Arbeiter verboten und von +schlechten Folgen für sie. Ausserdem können der Grundeigenthümer und +Capitaüst ihren Revenuen industrieüe Vortheüe hinzufügen, der Arbeiter +seinem Industriellen Einkommen weder Grundrente, noch Capitalüiteresse. +10 Darum die Concurrenz unter den Arbeitern so groß. Also für d[en] Arbeiter +aüeüi ist die Trennung von Capital, Grundeigenthum und Arbeit eine +nothwendige, wesentüche und schädüche Trennung. Capital und Grund +eigenthum brauchen nicht in dieser Abstraktion stehn zu bleiben, wohl aber +die Arbeit des Arbeiters. + +15 Für d[en] Arbeiter also die Trennung von Capital, Grundrente und Arbeit + +tödtlich. + +Die niedrigste und die einzig nothwendige Taxe für den Arbeitslohn ist die +Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit und so viel mehr, daß er eine +Famüie ernähren kann und die Arbeiterraçe nicht ausstirbt. Der gewöhnliche +20 Arbeitslohn ist nach Smith der niedrigste, der mit d[er] simple humanité, + +nämlich einer viehischen Existenz, verträglich ist. + +Die Nachfrage nach Menschen regelt nothwendig die Produktion d[er] +Menschen, wie jeder andern Waare. Ist die Zufuhr viel grösser als die +Nachfrage, so sinkt ein Theü der Arbeiter in den Bettelstand oder den +25 Hungertod herab. Die Existenz des Arbeiters ist also auf die Bedingung der +Existenz jeder andern Waare redueirt. Der Arbeiter ist zu einer Waare +geworden und es ist ein Glück für ihn, wenn er sich an den Mann bringen +kann. Und die Nachfrage, von der das Leben des Arbeiters abhängt, hängt +von der Laune d[es] Reichen und Capitaüsten ab. + +327 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Ueberbietet die Quantität der Zufuhr die Nachfrage, so ist einer der den +Preiß constituirenden Theile, Profit, Grundrente, Arbeitslohn unter dem +Preiß gezahlt, ein Theil dieser Leistungen entzieht sich also dieser An +wendung und so gravitili der Marktpreiß nach dem natürlichen Preiß, als +Centraipunkt. Aber 1) ist es dem Arbeiter, bei einer grossen Theilung der +Arbeit am schwersten, seiner Arbeit eine andere Richtung zu geben, 2) trifft +ihn, bei seinem subalternen Verhältniß zum Capitalisten zunächst der +Nachtheil. + +Bei der Gravitation desMarktpreisseszum natürlichen Preisse verliert also + +der Arbeiter am meisten und unbedingt. Und grade die Fähigkeit des Ca +pitalisten, seinem Capital eine andere Richtung zu geben, macht den auf +einen bestimmten Arbeitszweig eingeschränkten ouvrier entweder brodlos +oder zwingt ihn, sich allen Forderungen dieses Capitalisten zu unterwerfen. | +|Π| Die zufälligen und plötzlichen Schwankungen des Marktpreisses +treffen weniger die Grundrente, als den in Profit und Salaire aufgelösten +Theil des Preisses, aber weniger den Profit, als den Arbeitslohn. Auf einen +Arbeitslohn, der steigt, kömmt meistens einer, der stationair bleibt und einer +der fällt. + +Der Arbeiter braucht nicht nothwendig zu gewinnen mit dem Gewinn des +Capitalisten, aber er verliert nothwendig mit ihm. So gewinnt der Arbeiter +nicht, wenn der Capitalist durch Fabrik oder Handelsgeheimniß, durch +Monopol oder günstige Lage seines Grundstücks den Marktpreiß über d[em] +natürlichen Preiß hält. + +Ferner: Die Arbeitspreisse sind viel constanter als die Preisse der Lebens +mittel. Oft stehn sie in entgegengeseztem Verhältniß. In einem theuern Jahr +Arbeitslohn vermindert wegen der Verminderung der Nachfrage, erhöht +wegen der Erhöhung der Lebensmittel. Also balancirt. Jedenfalls eine +Quantität Arbeiter ausser Brod gesezt. In wohlfeilen Jahren Arbeitslohn +erhöht wegen der Erhöhung der Nachfrage, vermindert wegen der Preisse +der Lebensmittel. Also balancirt. + +Ein andrer Nachtheil des Arbeiters: +Die Arbeitspreisse der verschiednen Arten von Arbeiten sind viel ver- +schiedner, als die Gewinne der verschiednen Zweige, worauf das Capital sich +legt. Bei der Arbeit tritt die ganze natürliche, geistige und sociale Ver +schiedenheit der individuellen Thätigkeit heraus, und wird verschieden +belohnt, während das todte Capital immer denselben Tritt geht und gleich +gültig gegen die wirkliche individuelle Thätigkeit ist. + +Ueberhaupt ist zu bemerken, daß da, wo Arbeiter und Capitalist gleich +leiden, der Arbeiter an seiner Existenz, der Capitalist am Gewinn seines +todten Mammons leidet. + +Der Arbeiter muß nicht nur um seine physischen Lebensmittel, er muß um + +328 + + Arbeitslohn + +die Erwerbung von Arbeit, d. h. um die Möglichkeit, um d[ie] Mittel kämpfen, +seine Thätigkeit verwirkHchen zu können. + +Nehmen wir die 3 Hauptzustände, in denen die Gesellschaft sich befinden + +kann und betrachten die Lage des Arbeiters in ihr. + +5 + +1) Ist der Reichthum der Gesellschaft im Verfall, so leidet der Arbeiter +am meisten, denn: Obgleich die Arbeiterklasse nicht so viel gewinnen kann +als die der Eigenthümer im glücklichen Zustand der Gesellschaft, aucune ne +souffre aussi cruellement de son déclin que la classe des ouvriers. \ + +|lll| 2) Nehmen wir nun eine Gesellschaft, in welcher der Reichthum +1 o fortschreitet. Dieser Zustand ist der einzige dem Arbeiter günstige. Hier tritt +Concurrenz unter den Capitaüsten ein. Die Nachfrage nach Arbeitern über +schreitet ihre Zufuhr: Aber: + +Einmal: Die Erhöhung des Arbeitslohns führt Ueberarbeitung unter den +Arbeitern herbei. Je mehr sie verdienen woüen, je mehr müssen sie ihre Zeit +15 aufopfern und voüständig aüer Freiheit sich entäussernd, im Dienst der +Habsucht Sklavenarbeit voUziehn. Dabei kürzen sie dadurch ihre Lebenszeit +ab. Diese Verkürzung ihrer Lebensdauer ist ein günstiger Umstand für die +Arbeiterklasse im Ganzen, weü dadurch immer neue Zufuhr nöthig wüd. +Diese Klasse muß immer einen Theü ihrer selbst opfern, um nicht ganz zu + +20 Grunde zu gehn. + +25 + +Ferner: Wann befindet sich eine GeseUschaft in fortschreitender Berei +cherung? Mit dem Wachsthum von Capitaüen und Revenuen eines Landes. +Dieß ist aber nur möglich α) dadurch, daß viele Arbeit zusammen gehäuft +wüd, denn Capital ist aufgehäufte Arbeit; also dadurch, daß dem Arbeiter +immer mehr von semen Produkten aus der Hand genommen wüd, daß seine +eigne Arbeit ihm immer mehr als fremdes Eigenthum gegenübertritt und die +Mittel seiner Existenz und seiner Thätigkeit immer mehr in der Hand d[es] +Capitaüsten sich concentriren. ß) Die Häufung des Capitals vermehrt die +Theüung der Arbeit, die Theüung der Arbeit vermehrt die Zahl der Arbeiter; +30 umgekehrt vermehrt die Zahl der Arbeiter die Theüung der Arbeit, wie die +Theüung der Arbeit die Aufhäufung der Capitaüen vermehrt. Mit dieser +Theüung der Arbeit einerseits und der Häufung der Capitaüen andrerseits +wüd der Arbeiter immer mehr rem von der Arbeit und einer bestimmten, sehr +einseitigen, maschinenartigen Arbeit abhängig. Wie er also geistig und leib- +lieh zur Maschine herabgedrückt und aus einem Menschen eine abstrakte +Thätigkeit und ein Bauch wüd, so wüd er auch immer abhängiger von aUen +Schwankungen des Marktpreisses, der Anwendung der Capitaüen und der +Laune d[es] Reichen. Ebensosehr wüd durch die Zunahme der nur ||lV| ar +beitenden Menschenklasse die Concurrenz der Arbeiter erhöht, also ihr Preiß +erniedrigt. In dem Fabrikwesen erreicht diese SteUung des Arbeiters ihren +Gipfelpunkt. + +35 + +40 + +329 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +7) In einer Gesellschaft, welche sich in zunehmendem Wohlstand befindet, +können nur mehr die Allerreichsten vom Geldzins leben. Alle übrigen müssen +mit' ihrem Capital ein Geschäft treiben oder es in den Handel werfen. Da +durch wird also die Concurrenz unter den Capitalien grösser, die Concen +tration der Capitalien wird grösser, die grossen Capitalisten ruiniren die +kleinen, und ein Theil der ehemaligen Capitalisten sinkt zu der Klasse der +Arbeiter herab, welche durch diese Zufuhr theils wieder eine Herabdrückung +des Arbeitslohns erleidet und in eine noch grössere Abhängigkeit von den +wenigen grossen Capitalisten geräth; indem die Zahl der Capitalisten sich +vermindert hat, ist ihre Concurrenz in Bezug auf d[ie] Arbeiter fast nicht 10 +mehr vorhanden und indem die Zahl der Arbeiter sich vermehrt hat, ist ihre +Concurrenz unter sich um so grösser, unnatürlicher und gewaltsamer ge +worden. Ein Theil von dem Arbeiterstand fällt daher ebenso nothwendig in +den Bettel oder Verhungerungsstand, wie ein Theil der mittleren Capitalisten +in den Arbeiterstand. + +5 + +15 + +Also selbst in dem Zustand der Gesellschaft, welcher dem Arbeiter am +günstigsten ist, ist die nothwendige Folge für d[en] Arbeiter Ueberarbeitung +und früher Tod, Herabsinken zur Maschine, Knecht des Capitals, das sich +ihm gefährlich gegenüber aufhäuft, neue Concurrenz, Hungertod oder +Bettelei eines Theils der Arbeiter. | + +20 + +|V| Die Erhöhung des Arbeitslohns erregt im Arbeiter die Bereicherungs +sucht d[es] Capitalisten, die er aber nur durch Aufopferung seines Geistes +und Körpers befriedigen kann. Die Erhöhung des Arbeitslohns sezt die +Häufung des Capitals voraus, und führt sie herbei; stellt das Produkt der +Arbeit also immer fremder dem Arbeiter gegenüber. Ebenso macht die 25 +Theilung der Arbeit ihn immer einseitiger und abhängiger, wie sie die Con +currenz nicht nur der Menschen, sondern auch der Maschinen herbeiführt. +Da der Arbeiter zur Maschine herabgesunken ist, kann ihm die Maschine als +Concurrent gegenübertreten. Endlich wie die Häufung des Capitals die +Quantität der Industrie, also d[ie] Arbeiter vermehrt, bringt durch diese 30 +Accumulation dieselbe Quantität der Industrie eine grössere Quantität +Machwerk herbei, die zur Ueberproduktion wird, und entweder damit endet, +einen grossen Theil Arbeiter ausser Arbeit zu setzen oder ihren Lohn auf +das kümmerlichste Minimum zu reduciren. + +Das sind die Folgen eines Gesellschaftszustandes, der dem Arbeiter am 35 + +günstigsten ist, nämlich des Zustandes des wachsenden, fortschreitenden +Reichthums. + +Endlich aber muß dieser wachsende Zustand doch einmal seinen Hö + +hepunkt erreichen. Welches ist nun die Lage des Arbeiters? + +3) „In einem Land, welches die leztmögliche Stufe seines Reichthums 40 + +erreicht hätte, wären beide, Arbeitslohn und Capitalinteresse sehr niedrig. + +330 + + Arbeitslohn + +Die Concurrenz unter den Arbeitern, um Beschäftigung zu erhalten, wäre +so groß, daß die Salaire auf das reducirt wären, was zur Erhaltung der +nämlichen Zahl von Arbeitern hinreicht und da das Land schon hinreichend +bevölkert wäre, könnte sich diese Zahl nicht vermehren." Das Plus müßte +sterben. + +Also im abnehmenden Zustand der Gesellschaft progressives Elend des +Arbeiters, im fortschreitenden Zustand complicirtes Elend, im vollendeten +Zustand stationaires Elend. | + +|Vl| Da aber nach Smith eine Gesellschaft nicht glücklich ist, wo die +Majorität leidet, da aber der reichste Zustand der Gesellschaft zu diesem +Leiden d[er] Mehrzahl und da die Nationalökonomie (überhaupt die Ge +sellschaft des Privatinteresses) zu diesem reichsten Zustand führt, so ist also +das Unglück der GeseUschaft der Zweck der Nationalökonomie. + +In Bezug auf das Verhältniß zwischen Arbeiter und Capitaüst ist noch zu +bemerken, daß die Erhöhung des Arbeitslohnes dem Capitaüsten durch die +Verringerung der Quantität der Arbeitszeit mehr als compensüt wüd, und +daß die Erhöhung des Arbeitslohns und die Erhöhung des Capitalinteresses +auf den Waarenpreiß wie einfaches und zusammengeseztes Interesse wü- +ken. + +Stellen wü uns nun ganz auf den Standpunkt des Nationalökonomen und +vergleichen wü nach ihm die theoretischen und praktischen Ansprüche der +Arbeiter. + +Er sagt uns, daß ursprünglich und dem Begriff nach das ganze Produkt + +der Arbeit dem Arbeiter gehört. Aber er sagt uns zugleich, daß in der Wük +lichkeit dem Arbeiter der kleinste und aUerunumgänglichste Theü des Pro +dukts zukömmt; nur so viel, als nöthig ist, nicht damit er als Mensch, sondern +damit er als Arbeiter existirt, nicht damit er die Menschheit, sondern damit +er die Sklavenklasse der Arbeiter fortpflanzt. + +Der Nationalökonom sagt uns, daß aUes mit Arbeit gekauft wüd, und daß +das Capital nichts als aufgehäufte Arbeit ist, aber er sagt uns zugleich, daß +der Arbeiter weit entfernt aUes kaufen zu können, sich selbst und seme +Menschheit verkaufen muß. + +Während die Grundrente des trägen Landbesitzers meistens den 3t en Theü +des Erdproduktes und der Profit d[es] geschäftigen Capitaüsten sogar das +Doppelte des Geldzinses beträgt, beträgt das Mehr, was sich der Arbeiter +im besten FaU verdient, so viel, daß auf 4 Kinder ihm 2 verhungern und +sterben müssen. | + +|VIl| Während nach d[em] Nationalökonomen die Arbeit das Einzige ist, +wodurch der Mensch den Werth der Naturprodukte vergrössert, während +die Arbeit sein thätiges Eigenthum ist, ist nach derselben Nationalökonomie +der Grundeigenthümer und Capitaüst, die qua Grundeigenthümer und Capi- + +331 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +talist, blos privilegirte und müssige Götter sind, überall dem Arbeiter über +legen und schreiben ihm Gesetze vor. + +Während nach d[em] Nationalökonomen die Arbeit der einzig unwan +delbare Preiß der Dinge ist, ist nichts zufälliger als der Arbeitspreiß, nichts +grösseren Schwankungen ausgesezt. + +5 + +Während die Theilung der Arbeit die produktive Kraft der Arbeit, den +Reichthum und die Verfeinerung der Gesellschaft erhöht, verarmt sie d[en] +Arbeiter bis zur Maschine. Während die Arbeit die Häufung der Capitalien +und damit den zunehmenden Wohlstand der Gesellschaft hervorruft, macht +sie den Arbeiter immer abhängiger vom Capitalisten, bringt ihn in eine gros- +sere Concurrenz, treibt ihn in die Hetzjagd der Ueberproduktion, der eine +eben solche Erschlaffung folgt. + +10 + +Während das Interesse des Arbeiters nach d[em] Nationalökonomen nie +dem Interesse der Gesellschaft gegenübersteht, steht die Gesellschaft immer +und nothwendig dem Interesse des Arbeiters gegenüber. + +15 + +Nach d[em] Nationalökonomen steht das Interesse des Arbeiters nie dem +der Gesellschaft gegenüber 1) weil die Erhöhung des Arbeitslohns sich mehr +als er sezt durch die Verminderung in der Quantität der Arbeitszeit, nebst den +übrigen oben entwickelten Folgen; und || 2) weil in Bezug auf die Gesellschaft +das ganze Bruttoprodukt Nettoprodukt ist und nur in Bezug auf den Privat- +mann das Netto eine Bedeutung hat. + +Daß die Arbeit aber selbst nicht nur unter den jetzigen Bedingungen, +sondern insofern überhaupt ihr Zweck die blosse Vergrösserung des +Reichthums ist, ich sage daß die Arbeit selbst schädlich, unheilvoll ist, das +folgt, ohne daß der Nationalökonom es weiß, aus seinen Entwicklungen. + +Nach dem Begriff sind Grundrente und Capitalgewinn Abzüge, die der +Arbeitslohn erleidet. Aber in der Wirklichkeit ist der Arbeitslohn ein Abzug, +den Erde und Capital dem Arbeiter zukommen lassen, eine Concession des +Produktes der Arbeit an den Arbeiter, an die Arbeit. + +Im verfallenden Zustand der Gesellschaft, leidet der Arbeiter am schwer +sten. Er verdankt die spezifische Schwere seines Druckes seiner Stellung +als Arbeiter, aber den Druck überhaupt der Stellung der Gesellschaft. + +20 + +25 + +30 + +Aber im fortschreitenden Zustand der Gesellschaft ist der Untergang und +die Verarmung des Arbeiters das Produkt seiner Arbeit und des von ihm 35 +producirten Reichthums. Das Elend, welches also aus dem Wesen der +heutigen Arbeit selbst hervorgeht. + +Der reichste Zustand der Gesellschaft, ein Ideal, das aber doch annähernd +erreicht wird, wenigstens der Zweck der Nationalökonomie, wie der bürger +lichen Gesellschaft ist, ist stationaires Elend || für d[en] Arbeiter. + +40 + +Es versteht sich von selbst, daß die Nationalökonomie den Proletarier, d. h. + +332 + + Arbeitslohn + +5 + +den, der ohne Capital und Grundrente rein von der Arbeit und einer einsei +tigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. Sie kann daher den +Satz aufstellen, daß er ebensowohl, wie jedes Pferd, so viel erwerben muß, +um arbeiten zu können. Sie betrachtet ihn nicht in seiner Arbeitslosen Zeit, +als Mensch, sondern überläßt diese Betrachtung der Krirninaljustiz, den +Aerzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem +Bettelvogt. + +Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen +aus der bisherigen, fast mit den Worten d[es] Nationalökonomen gegebnen + +10 Entwicklung zwei Fragen zu beantworten. + +1) Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduction + +des größten Theüs der Menschheit auf die abstrakte Arbeit? + +2) Welche Fehler begehn die Reformatoren en détaü, die entweder den +Arbeitslohn erhöhn und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern +15 woüen oder die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck + +der socialen Revolution betrachten? + +Die Arbeit kömmt nur unter der Gestalt der Erwerbsthätigkeit in der + +Nationalökonomie vor. | + +25 + +|Vin| „Das läßt sich behaupten, daß solche Beschäftigungen, die spezüische +20 Anlagen oder längere Vorbüdung voraussetzen, im Ganzen einträgücher +geworden sind; während der verhältnißmässige Lohn für die mechanisch +einförmige Thätigkeit, auf welche der Eine wie der Andere schneü und leicht +abgerichtet werden kann, bei der wachsenden Concurrenz gefallen ist und +nothwendig faüen mußte. Und gerade diese Art der Arbeit ist bei dem +jetzigen Stande ihrer Organisation noch weit die zahüeichste. Wenn also ein +Arbeiter der ersten Categorie jezt siebenmal so viel, ein Anderer der zweiten +ebenso viel erwübt, als etwa vor 50 Jahren, so erwerben beide im Durch +schnitte freüich 4mal so viel. AUein wenn in einem Lande die erste Kategorie +der Arbeit mit nur 1000, die 2te mit einer Mülion Menschen besezt ist, so sind +30 999000 nicht besser als vor 50 Jahren daran, und sie sind schlimmer daran, +wenn zugleich die Preise der Lebensbedürfnisse gestiegen sind. Und mit +solchen oberflächüchen Durchschnittsberechnungen wül man sich über die +zahlreichste Klasse der Bevölkerung täuschen. Ueberdies ist die Grösse des +Arbeiterlohns nur ein Moment für die Schätzung des Arbeitereinkommens, +35 weü für die Bemessung des leztern noch wesentlich die gesicherte Dauer +desselben in Anschlag kommt, wovon doch in der Anarchie der sogenannten +freien Concurrenz mit ihren immer wiederkehrenden Schwankungen und +Stockungen schlechthin keine Rede ist. Endüch ist noch die früher und die +jezt gewöhnliche Arbeitszeit ins Auge zu fassen. Diese ist aber für d[ie] +engüschen Arbeiter in der Baumwollenmanufaktur seit etwa 25 Jahren, also + +40 + +333 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +grade seit Einführung der Arbeit ersparenden Maschinen, durch die Er +werbsucht der Unternehmer ||IX| auf 12—16 Stunden täglich erhöht worden, +und die Steigerung in einem Lande und in einem Zweige der Industrie mußte +sich, bei dem überall noch anerkannten Rechte einer unbedingten Aus +beutung d[er] Armen durch die Reichen, mehr oder minder auch anderswo +geltend machen." Schulz. Bewegung der Production, p. 65. + +5 + +„Allein selbst wenn es so wahr wäre, als es falsch ist, daß sich das Durch- +schnittseinkommen aller Classen der Gesellschaft vergrössert hätte, können +dennoch die Unterschiede und verhältnißmässigen Abstände des Einkom +mens grösser geworden sein und hiernach die Gegensätze des Reichthums 10 +und der Armuth schärfer hervortreten. Denn grade weil die Gesammtpro +duktion steigt und in demselben Maasse als dieß geschieht, vermehren sich +auch die Bedürfnisse, Gelüste und Ansprüche, und die relative Armuth kann +also zunehmen, während die absolute sich vermindert. Der Samojede ist +nicht arm bei Thran und ranzigen Fischen, weil in seiner abgeschloßnen 15 +Gesellschaft Alle die gleichen Bedürfnisse haben. Aber in einem voran +schreitenden Staat, der etwa im Lauf eines Jahrzehntes seine Gesammt +produktion im Verhältniß zur Gesellschaft um ein Drittheil vergrössert, ist +der Arbeiter, der vor und nach 10 Jahren gleich viel erwirbt, nicht eben so +wohlhabend gebüeben, sondern um ein Drittheil bedürftiger geworden." ibid. +p.65, 66. + +20 + +Aber die Nationalökonomie kennt den Arbeiter nur als Arbeitstbier, als + +ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reducirtes Vieh. + +„Ein Volk, damit es sich geistig freier ausbilde, darf nicht mehr in der +Sklaverei seiner körperlichen Bedürfnisse stehn, nicht mehr der Leibeigene 25 +des Leibes sein. Es muß ihm vor allem Zeit bleiben, auch geistig schaffen +und geistig gemessen zu können. Die Fortschritte im Organismus der Arbeit +gewinnen diese Zeit. Verrichtet doch jezt, bei neuen Triebkräften und ver +bessertem Maschinenwesen, ein einziger Arbeiter in den Baumwollefabriken +nicht selten das Werk von 100, ja von 250-350 früheren Arbeitern. Aehnliche 30 +Folgen in allen Zweigen der Produktion, weil äussere Naturkräfte immer +mehr zur Theilnahme | | x| an der menschlichen Arbeit gezwungen worden. +War nun früher, zur Abfindung eines Quantums materieller Bedürfnisse, ein +Aufwand von Zeit und menschlicher Kraft erforderlich, der sich später um +die Hälfte vermindert hat; so ist zugleich, ohne irgend eine Einbusse an 35 +sinnlichem Wohlbehagen, der Spielraum für geistiges Schaffen und Gemes +sen um so viel erweitert worden. . .. Aber auch über die Verteilung der +Beute, die wir dem alten Kronos selbst auf seinem eigensten Gebiete ab +gewinnen, entscheidet noch das Würfelspiel des blinden ungerechten Zufalls. +Man hat in Frankreich berechnet, daß bei dem jetzigen Standpunkt der 40 +Production eine durchschnittliche Arbeitszeit von täglich 5 Stunden auf + +334 + + F + +Arbeitslohn + +jeden Arbeitsfähigen zur Befriedigung aller materiellen Interessen der +Gesellschaft ausreichen würde. . .. Ungeachtet der Zeitersparnisse durch +Vervollkommnung des Maschinenwesens hat sich die Dauer der Sklaven +arbeit in den Fabriken für eine zahlreiche Bevölkerung nur vergrössert." + +5 p. 67, 68 ibid. + +„Der Uebergang von der zusammengesezten Handarbeit sezt eine Zer +legung derselben in ihre einfachen Operationen voraus. Nun wird aber +zunächst nur ein Theil der gleichförmig wiederkehrenden Operationen den +Maschinen, ein anderer Theil aber d[en] Menschen anheimfallen. Nach der +10 Natur der Sache und nach übereinstimmenden Erfahrungen ist eine solche +anhaltend einförmige Thätigkeit ebenso nachtheiügfür Geist als Körper; und +so müssen denn bei dieser Verbindung des Maschinenwesens mit der blosen +Theüung der Arbeit unter zahüeichere Menschenhände auch noch alle +Nachtheüe der leztren zum Vorschein kommen. Die Nachtheüe zeigen sich +unter andrem in der grössern Sterbüchkeit der Fabrik||Xl|arbeiter +Diesen +grossen Unterschied, wie weit die Menschen durch Maschinen, oder wie weit +sie als Maschinen arbeiten, hat man n i c h t . .. berücksichtigt." ibid. p. 69. + +15 + +„Für die Zukunft des Völkerlebens aber werden die in den Maschinen +wükenden verstandeslosen Naturkräfte unsere Sklaven und Leibeigenen + +20 seüi." ibid. p. 74. + +„In den englischen Spinnereien + +sind nur 158818 Männer und +196818 Weiber beschäftigt. Auf je 100 Arbeiter in den Baumwollfabriken +der Grafschaft Lancaster kommen 103 Arbeiterinnen und in Schottland sogar +209. In den englischen Flachsfabriken von Leeds zählte man auf 100 männ- +25 üche Arbeiter 147 weibliche; in Druden und an der Ostküste Schottlands +sogar 280. In den engüschen Seidenfabriken viele Arbeiterinnen; in den +Wollfabriken, die grössere Arbeitskraft erfordern, mehr Männer. Auch in +den nordamerikanischen Baumwollfabriken waren im Jahr 1833 nebst +18593 Männern nicht weniger als 38927 Weiber beschäftigt. Durch die +30 Veränderungen im Organismus der Arbeit ist also dem weibüchen Ge +schlecht ein weiterer Kreis von Erwerbsthätigkeit zugefallen +die Frauen +eine ökonomisch selbstständigere SteUung . .. die beiden Geschlechter in +ihren socialen Verhältnissen einander näher gerückt." p. 71,72 ibid. „In den +von Dampf und Wasser getriebnen engüschen Spinnereien arbeiteten im Jahr +35 1835: 20558 Kinder zwischen 8-12 Jahren; 35867 zwischen 12-13, und +endüch 108208 zwischen 13—18 Jahren. . .. Freiüch wüken die weiteren +Fortschritte der Mechanik, da sie aUe einförmigen Beschäftigungen d[en] +Menschen mehr und mehr aus der Hand nehmen, auf eine aUmähüge +Besei||XIl|tigung des Mißstandes hin. AUeüi diesen rascheren Fortschritten +selbst steht grade der Umstand im Wege, daß sich die Capitaüsten die Kräfte +der untern Classen, bis in das Kindesalter hinein, auf die leichteste und + +40 + +335 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +wohlfeilste Weise aneignen können, um sie statt der Hilfsmittel der Me +chanik zu brauchen und zu gebrauchen." p . 7 0 , 7 1. SchulzBew. d. Product. +„Lord Broughams Zuruf an d[ie] Arbeiter: ,Werdet Capitalisten.' Das . .. +das Uebel, daß Millionen nur durch anstrengende, körperlich zerrüttende, +sittlich und geistig verkrüppelnde Arbeit sich ein knappes Auskommen zu +erwerben vermögen; daß sie sogar das Unglück, eine solche Arbeit gefunden +zu haben, für ein Glück halten müssen." p. 60 ibid. + +«Pour vivre donc, les non-propriétaires sont obligés de se mettre direc +tement ou indirectement au service des propriétaires, c-à-d. sous leur dé +pendance.» Pecqueur, théorie nouvelle d'économie soc. etc. p. 409. + +5 + +io + +Domestiques — gages ; ouvriers — salaires ; employés — traitement ou + +émoluments, ibid. p. 409,10. + +„louer son travail" „preter son travail à l'intérêt" „travailler à la place + +d'autrui". + +„louer la matière du travail" „preter la matière du travail à l'intérêt" „faire + +15 + +travailler autrui à sa place", ibid. | + +| x m| «cette constitution économique condamne des hommes à des mé +tiers tellement abjects, à une dégradation tellement désolante et amère, que +la sauvagerie apparaît, en comparaison, comme une royale condition. » 1. c. +p. 417,18. + +20 + +«la prostitution de la chair non-propriétaire sous toutes les formes.» p. 421 + +sq. Lumpensammler. + +Ch. Loudon in der Schrift solution du problème de la population etc. Paris, +1842, giebt die Zahl der Prostituirten in England auf 60-70000 an; die Zahl +d[er] femmes d'une vertu douteuse sei ebenso groß. p. 228. + +25 + +«La moyenne vie de ces infortunées créatures sur le pavé, après qu'elles +sont entrées dans la carrière du vice, est d'environ six ou sept ans. De manière +que pour maintenir le nombre de 60-à-70000 prostituées, il doit y avoir, dans +les 3 royaumes, au moins 8 à 9000 femmes qui se vouent à cet infâme métier +chaque année, ou environ 24 nouvelles victimes par jour, ce qui est la 30 +moyenne d'une par heure ; et conséquemment, si la même proportion a Heu +sur toute la surface du globe il doit y avoir constamment un million et demi +de ces malheureuses. » ibid. p. 229. + +«la population des misérables croît avec leur misère et c'est à la limite +extrême du dénûment que les êtres humains se pressent en plus grand nombre 35 +pour se disputer le droit de souffrir.... En 1821 la population de l'Irlande était +de 6801827. En 1831, elle s'était élevée à 7764010; c'est 14p 0/0 d'aug +mentation en dix ans. Dans le Leinster, province où il y a le plus d'aisance, +la population n'a augmenté que de 8 p/c, tandis que, dans le Connaught, +province la plus misérable, l'augmentation s'est élevée à 21 p/c. (Extraits des 40 +Enquêtes publiées en Angleterre sur l'Irlande. Vienne, 1840.)» Buret de la + +336 + + Arbeitslohn + +5 + +10 + +15 + +misère etc. 1.1, p. 36,37. Die Nationalökonomie betrachtet die Arbeit abstrakt +als eine Sache; le travaü est une marchandise: ist der Preiß hoch, so ist die +Waare sehr gefordert; ist er niedrig, so ist sie sehr angeboten; comme +marchandise le travaü doit de plus en plus baisser de prix: theüs die Concur- +renz zwischen Capitalist und Arbeiter, theüs die Concurrenz unter den +Arbeitern zwingt h i e r z u ; . .. « La population ouvrière, marchande de travaü, +est forcément réduite à la plus faible part du produit... La théorie du travaü +marchandise est-eUe autre chose qu'une théorie de servitude déguisée ? » 1. c. +p. 43. «Pourquoi donc n'avoü vu dans le travaü qu'une valeur d'échange ?» +ib. p. 44. Die grossen Ateüers kaufen vorzugsweise die Arbeit von Frauen +und Kindern, weü diese weniger kostet als die der Männer. 1. c. « le travaüleur +n'est point vis à vis de celui qui l'emploie dans la position d'un libre vendeur. +... le capitaliste est toujours libre d'employer le travaü, et l'ouvrier est tou +jours forcé de le vendre. La valeur du travaü est complètement détruite, s'ü +n'est pas vendu à chaque instant. Le travaü n'est susceptible, ni d'accumu +lation, ni même d'épargne, à la différence des véritables [marchandi +ses.] | | x r v| Le travail c'est la vie, et si la vie ne s'échange pas chaque jour +contre des aliments, elle souffre et périt bientôt. Pour que la vie de l'homme +soit une marchandise, ü faut donc admettre l'esclavage.» p.49, 50 I.e. + +20 + +Wenn die Arbeit also eme Waare ist, so ist sie eine Waare von den un- +glückseeügsten Eigenschaften. Aber selbst nach Nationalökonomischen +Grundsätzen ist sie es nicht, weü nicht le libre résultat d'un libre marché. +Das jetzige ökonomische Regime abaisse à la fois et le prix et la rémuné +ration du travail; il perfectionne l'ouvrier et dégrade l'homme, p. 52, +25 53 1. c. «L'industrie est devenue une guerre et le commerce un jeu.» 1. c. + +p. 62. + +Les machines à travaüler le coton (in England) repräsentiren allem + +84000000 Handwerker. + +30 + +Die Industrie befand sich bis jezt im Zustand des Eroberungskriegs: «eile +a prodigué la vie des hommes qui composaient son armée avec autant d'in +différence que les grands conquérants. Son but était la possession de la +richesse et non le bonheur des hommes.» Buret. 1. c. p. 20. « Ces intérêts (se. +économiques) librement abandonnés à eux-mêmes ... doivent nécessaüe- +ment entrer en conflit ; üs n'ont d'autre arbitre que la guerre, et les décisions +35 de la guerre donnent aux uns la défaite et la mort, pour donner aux autres +la victoüe.... c'est dans le conflit des forces opposées que la science cherche +l'ordre et l'équUibre : la guerre perpétuelle est selon eUe le seul moyen d'ob +tenu la paix; cette guerre s'appeUe la concurrence.» Le. p.23. + +Der industrieüe Krieg, um mit Erfolg geführt zu sein, erfordert zahüeiche +40 Armeen, die er auf denselben Punkt aufhäufen und reichheh decimüen kann. +Und weder aus Dévouement, noch aus Pflicht, ertragen die Soldaten dieser + +337 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Armee die Anstrengungen, die man ihnen auferlegt; nur um der harten +Nothwendigkeit des Hungers zu entwischen. Sie haben weder Anhänglich +keit noch Erkenntlichkeit für ihre Chefs ; diese hängen mit ihren Untergebnen +durch kein Gefühl des Wohlwollens zusammen; sie kennen sie nicht als +Menschen, sondern nur als Instrumente der Production, welche so viel als +möglich einbringen, und so wenig Unkosten als möglich machen müssen. +Diese Völkerschaften von Arbeitern, mehr und mehr gedrängt, haben selbst +nicht die Sorglosigkeit, immer angewandt zu sein; die Industrie, welche sie +zusammen berufen hat, läßt sie nur leben, wenn sie ihrer bedarf, und sobald +sie sich derselben entschlagen kann, verläßt sie dieselben ohne das mindeste +Bedenken; und die Arbeiter sind gezwungen, ihre Person und ihre Kraft für +den Preiß, den man ihnen accordiren will, anzubieten. Je mehr die Arbeit, +die man ihnen giebt, lang, peinlich, ekelhaft ist, um so weniger werden sie +bezahlt; man sieht welche, die mit löstündiger Arbeit per Tag, bei fort +dauernder Anstrengung, kaum das Recht erkaufen, nicht zu sterben. 1. c. 15 +p. 68,69.( + +10 + +5 + +|XV| «Nous avons la conviction... partagée par les commissaires chargés +de l'enquête sur la condition des tisserands à la main, que les grandes villes +industrielles perdraient, en peu de temps, leur population de travailleurs, si +elles ne recevaient à chaque instant des campagnes voisines des recrues 20 +continuelles d'hommes sains, de sang nouveau.» p.362 I.e. | + +|l| Gewinn des Capitals. + +1) Das Capital. + +1) Worauf beruht das Capital, d. h. das Privateigenthum an den Produkten + +fremder Arbeit? + +25 + +„Wenn das Capital selbst nicht auf Diebstahl oder Unterschleif sich re +ducirt, so bedarf es doch den Concurs der Gesetzgebung, um die Erbschaft +zu heiligen." Say. 1.1, p. 136, nota. + +Wie wird man Proprietair v[on] produktiven fonds? Wie wird man Eigen + +thümer von den Produkten, die vermittelst dieser fonds geschaffen wer- 30 +den? + +Durch das positive Recht. Say. t. II, p. 4. +Was erwirbt man mit dem Capital, mit der Erbschaft eines grossen Ver + +mögens ζ. B.? + +„Einer, der ζ. B. ein grosses Vermögen erbt, erwirbt dadurch zwar nicht 35 + +unmittelbar politische Macht. Die Art von Macht, die diese Besitzung ihm +unmittelbar und direkt überträgt, das ist die Macht zu kaufen, das ist ein + +338 + + ψ + +Gewinn des Kapitals + +Recht des Befehls über alle Arbeit von andern oder über alles Produkt dieser +Arbeit, welches zur Zeit auf dem Markt existirt." Smith. t.I, p . 6 1. + +Das Capital ist also die Regierungsgewalt über die Arbeit und ihre Pro- +ducte. Der Capitalist besizt diese Gewalt, nicht seiner persönlichen oder +5 menschlichen Eigenschaften wegen, sondern insofern er Eigenthümer des +Capitals ist. Die kaufende Gewalt seines Capitals, der nichts wiederstehn +kann, ist seine Gewalt. + +Wir werden später sehn, einmal, wie der Capitaüst vermittelst des Capitals +seine Regierungsgewalt über die Arbeit ausübt, dann aber die Regierungs- + +10 gewalt des Capitals über d[en] Capitaüsten selbst. + +Was ist das Capital? +«Une certaine quantité de travaü amassé et mis en réserve.» Smith, t. Π, + +p. 312. + +Capital + +ist aufgespeicherte Arbeit. + +15 2) fonds, Stock ist jede Häufung von Produkten der Erde und Manuf actur- +arbeit. Der Stock heißt nur dann Capital, wenn er seinem Eigenthümer eine +Revenu oder Gewinn abwirft. Smith, t. II, p. 191. + +2) Der Gewinn des Capitals. +„Der Profit oder Gewinn des Capitals ist ganz vom Arbeitslohn ver- +20 schieden. Diese Verschiedenheit zeigt sich in doppelter Weise. Einmal reglen +sich die Gewinne des Capitals gänzlich nach dem Werth des angewandten +Capitals, obgleich die Arbeit der Aufsicht und Düektion bei verschiedenen +Capitaüen die nämliche sein kann. Dann kömmt hinzu, daß in grossen Fa +briken diese ganze Arbeit einem Hauptcommis anvertraut ist, dessen Gehalt +in keinem Verhältruß mit dem ||ll| Capital steht, dessen Leitung er überwacht. +Obgleich sich hier nun die Arbeit des Propriétaire fast auf nichts reducirt, +verlangt er doch Profite im Verhältniß zu seinem Capital." Smith. t.I. +p. 97-99. + +25 + +Warum verlangt der Capitalist diese Proportion zwischen Gewinn und + +30 Capital? + +Er hätte kern Interesse, die Arbeiter anzuwenden, wenn er nicht vom +Verkauf ihres Werks mehr erwartete, als nöthig ist, um die für Arbeitslohn +avancüten fonds zu ersetzen, und er hätte kern Interesse eher eme grosse +als eine kleine Summe von fonds anzuwenden, wenn sein Profit nicht im + +35 Verhältniß zum Umfang der angewandten fonds stände. 1.1, p. 97. + +Der Capitalist zieht also erstens einen Gewinn auf die Salaüe, zweitens + +auf die avancüten Rohstoffe. + +Welches Verhältniß hat nun der Gewinn zum Capital? +Wenn es schon schwer ist, die gewöhnliche mittlere Taxe des Arbeitslohns +an gegebnem Ort und in [gegebner] Zeit zu bestimmen, so noch schwerer +der Gewinn der Capitaüen. Wechsel im Preiß der Waaren, mit welchen das + +40 + +339 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Capital handelt, Glück oder Unglück seiner Rivalen und Kunden, tausend +andre Zufälle, denen die Waaren ausgesezt sind, sowohl während des Trans +ports, als in den Magazinen, bringen einen täglichen, fast stündlichen +Wechsel im Profit hervor. Smith. 1.1, p. 179, 180. So unmöglich es nun ist, +die Gewinne der Capitalien mit Präcision zu bestimmen, so kann man sich +doch eine Vorstellung von ihnen machen nach dem Geldzins. Kann man viel +Gewinn mit dem Geld machen, so giebt man viel für die Fähigkeit, sich seiner +zu bedienen, wenn wenig durch seine Vermittlung, wenig. Smith. t.I, +p. 180,81. Die Proportion, welche die gewöhnliche Zinstaxe mit der Taxe des +Reingewinns bewahren muß, wechselt nothwendig mit Steigen oder Fallen +des Gewinns. In Großbritannien berechnet man auf das Doppelte des Inter +esses das, was die Handelsleute nennen un profit honnête, modéré, +raisonnable, lauter Ausdrücke, die nichts sagen wollen, als ein Gewöhnlicher +und gebräuchlicher Profit. Smith. 1.1, p. 198. + +Welches ist die niedrigste Taxe des Gewinns? Welches seine höchste? +Die niedrigste Taxe des gewöhnlichen Gewinns der Capitalien muß immer +etwas mehr sein, als nöthig ist, um die zufälligen Verluste zu compensiren, +welchen jede Anwendung des Capitals ausgesezt ist. Dieses surplus ist +eigentlich der Gewinn oder le bénéfice net. Ebenso verhält es sich mit der +niedrigsten Taxe des Zinsfusses. Smith. 1.1, p. 196. | + +5 + +10 + +15 + +20 + +|lll| Die höchste Taxe, auf welche die gewöhnlichen Gewinne steigen +können, ist die, welche in der Mehrzahl der Waaren die Totalität der +Grundrente wegnimmt und den Arbeitslohn der gelieferten Waare auf den +niedrigsten Preiß, auf die blosse Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit +reducirt. Auf die eine oder die andere Art muß der Arbeiter immer genährt 25 +werden, solang er zu einem Tagwerk angewandt wird; die Grundrente kann +ganz wegfallen. Beispiel: In Bengalien die Leute der indischen Han +delskompagnie. Smith. 1.1, p. 197,98. + +Ausser allen Vortheilen einer geringen Concurrenz, die der Capitalist in + +diesem Fall ausbeuten darf, kann er auf eine honette Weise den Marktpreiß +über den natürlichen Preiß halten. + +30 + +Einmal: durch Handelsgeheimniß, wenn der Markt von denen, die ihn +beziehn, sehr entfernt ist: nämlich durch Geheimhaltung der Wechsel des +Preisses, seiner Erhöhung über den natürlichen Stand. Diese Geheimhaltung +hat nämlich den Erfolg, daß nicht andre Capitalisten ebenfalls ihr Capital auf 35 +diese Branche werfen. + +Dann: durch Fabrikgeheimniß, wo der Capitalist mit weniger Productions- +kosten seine Waare zu denselben oder sogar zu niedrigem Preissen als seine +Concurrenten mit mehr Profit liefert. — (Der Betrug durch Geheimhaltung +ist nicht unsittlich? Börsenhandel.) — Ferner: wo die Production an eine 40 +bestimmte Localität gebunden (wie ζ. B. kostbarer Wein) und die effective + +340 + + Gewinn des Kapitals + +Nachfrage nie befriedigt werden kann. Endlich: durch Monopole von In +dividuen und Compaginen. Der Monopolpreiß ist so hoch als möglich. Smith. +L I, p. 120-24. + +Andre zufällige Ursachen, welche den Gewinn des Capitals erhöhen + +5 können: + +Erwerbung von neuen Territorien oder neuer Handelszweige vermehren +oft, selbst in einem reichen Lande, den Gewinn der Capitaüen, weü sie den +alten Handelszweigen einen Theü der Capitaüen entziehn, die Concurrenz +vermindern, den Markt mit weniger Waaren beziehn machen, deren Preisse +sich dann erhöhn; die Handelstreibenden mit denselben können dann das +gehehne Geld mit stärkern Zinsen zahlen. Smith. 1.1, p. 190. + +10 + +Je mehr eine Waare bearbeitet, Gegenstand der Manuf actur wüd, steigt +der Theü des Preisses, der sich in Arbeitslohn und Profit auflöst im Ver +hältniß zu dem Theü, der sich in Grundrente auflöst. In dem Fortschritt, den +15 die Handarbeit über diese Waare macht, vermehrt sich nicht nur die Zahl +der Gewinne, sondern jeder folgende Gewinn ist grösser als der vorher +gehende, weil das Capital, von dem ||IV| er entspringt, nothwendig immer +grösser ist. Das Capital, welches die Leinweber in Arbeit sezt, ist nothwendig +immer grösser als das, welches die Spinner arbeiten macht, weü es nicht nur +20 das lezte Capital mit seinen Gewinnen ersezt, sondern ausserdem noch die +Salaüe der Leinweber zahlt — und es ist nothwendig, daß die Gewinne immer +in einer Art von Verhältniß mit dem Capital stehn. 1.1, 102,3. + +Der Fortschritt, den also die menschliche Arbeit über das Naturprodukt +und das bearbeitete Naturprodukt macht, vermehrt nicht den Arbeitslohn, +sondern theüs die Zahl der gewinnenden Capitale, theüs das Verhältniß jedes +folgenden Capitals zu d[em] vorhergehenden. + +25 + +Ueber den Gewinn, den der Capitaüst von der Theüung der Arbeit zieht, + +später. + +Er gewinnt doppelt, erstens von der Theüung der Arbeit, zweitens über- +30 haupt von dem Fortschritt, den die menschüche Arbeit über das Natur +produkt macht. Je grösser der menschliche Antheü an einer Waare, um so +grösser der Gewinn des todten Capitals. + +In einer und derselben Gesellschaft ist die Durchschnittstaxe der Ca- +pitalgewinne viel näher demselben Niveau, als der Lohn der verschiedenen +35 Arten von Arbeit. L I, p.228. Bei den verschiedenen Anwendungen des +Capitals wechselt die gewöhnüche Taxe des Gewinns nach der grössern oder +geringem Gewißheit der Zurückkunft des Capitals. Die Taxe des Gewinns +hebt sich mit d[em] risque, wenn auch nicht in voüständiger Proportion. 1.1, +p. 226,27. + +40 + +Es versteht sich von selbst, daß die Capitalgewinne auch durch die Er +leichterung oder geringere Kostspieügkeit der Cüculationsmittel (z. B. Pa +piergeld) steigen. + +341 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +3) Die Herrschaft des Capitals über die Arbeit und die Motive d[es] + +Capitalisten. + +Das einzige Motiv, welches den Besitzer eines Capitals bestimmt, es eher +in der Agrikultur oder in der Manufaktur oder in einem besondern Zweig des +en gros oder en détail Handels zu verwenden, ist der Gesichtspunkt seines +eignen Profits. Es kömmt ihm nie in den Sinn zu berechnen, wie viel pro +duktive Arbeit jede dieser verschiedenen Anwendungsarten in Thätigkeit +setzen, ||V| oder an Werth dem jährlichen Produkt der Ländereien und der +Arbeit seines Landes hinzufügen wird. Smith, t. II, p.400, 401. + +5 + +Die nützlichste Anwendung des Capitals für den Capitalisten ist die, 10 + +welche ihm bei gleicher Sicherheit den größten Gewinn abwirft. Diese +Anwendung ist nicht immer die nützlichste für die Gesellschaft; die nütz +lichste ist die, welche darauf verwandt wird, Nutzen von den produktiven +Naturkräften zu ziehn. Say. t. Π, p. 130,31. + +Die wichtigsten Operationen der Arbeit sind geregelt und geleitet nach den 15 + +Plänen und den Spekulationen derjenigen, welche die Capitalien anwenden; +und der Zweck, welchen sie sich in allen diesen Plänen und Operationen +vorsetzen, ist der Profit. Also: Die Taxe des Profits steigt nicht, wie +Grundrente und Arbeitslohn, mit dem Wohlstand der Gesellschaft und fällt +nicht, wie jene, mit ihrem Verfall. Im Gegentheil, diese Taxe ist natürlich 20 +niedrig in den reichen Ländern und hoch in den armen Ländern; und sie ist +nie so hoch als in den Ländern, welche sich am schnellsten ihrem Ruin +entgegen stürzen. Das Interesse dieser Klasse steht also nicht in derselben +Verbindung, wie das der beiden andern, mit dem allgemeinen Interesse der +Gesellschaft +Das besondre Interesse derer, die einen besondern Handels +oder Manufacturzweig treiben, ist in gewisser Hinsicht immer verschieden +von dem des Publicums und oft ihm sogar feindlich entgegen gesezt. Das +Interesse des Kaufmanns ist immer, den Markt zu vergrössern, und die +Concurrenz der Verkäufer einzuschränken. . .. Es ist dieß eine Klasse von +Leuten, deren Interesse niemals exakt dasselbe sein wird, wie das der 30 +Gesellschaft, welche im Allgemeinen ein Interesse haben, das Publicum zu +betrügen und es zu überlasten, t. Π, p. 163—65. Smith. + +25 + +4) Die Accumulation der Capitalien und die Concurrenz unter den Ca­ + +pitalisten. + +Die Vermehrung der Capitalien, welche den Arbeitslohn erhöht, strebt den +Gewinn d[es] Capitalisten zu vermindern, durch die Concurrenz unter den +Capitalisten. 1.1, p. 179. Smith. + +35 + +„Wenn ζ. B. das Capital, das zum Epiceriegeschäft einer Stadt nöthig ist, +sich unter zwei verschiedne Epiciers getheilt findet, so wird die Concurrenz +machen, daß jeder von ihnen wohlfeiler verkaufen wird, als wenn sich das +Capital in den Händen eines einzigen befunden hätte; und wenn es unter + +40 + +342 + + Gewinn des Kapitals + +20 ||Vl| getheilt ist, wird die Concurrenz grade um so thätiger sein, und es +wird um so weniger die Möglichkeit gegeben sein, daß sie sich unter einander +verständigen können, den Preiß ihrer Waaren zu erhöhn." Smith, t. II, +p. 372,73. + +5 + +Da wir nun schon wissen, daß die Preisse des Monopols so hoch als +möglich sind, da das Interesse d[es] Capitaüsten selbst vom gemein na +tionalökonomischen Gesichtspunkt aus feindlich der Gesellschaft gegen +übersteht, da die Erhöhung des Capitalgewinns wie das zusammengesezte +Interesse auf den Preiß der Waare wükt, (Smith. t.I, p.201.) so ist die +10 Concurrenz die einzige Hülfe gegen d[en] Capitaüsten, die nach der Angabe +der Nationalökonomie eben so wohlthätig auf die Erhöhung des Arbeits +lohns, als auf die Wohlfeilheit der Waaren, zu Gunsten des consumnürenden +Publicums, wükt. + +AUeüi die Concurrenz ist nur dadurch mögüch, daß die Capitaüen sich +15 vermehren und zwar in vielen Händen. Die Entstehung vieler Capitaüen ist +nur möglich durch vielseitige Accumulation, da das Capital überhaupt nur +durch Accumulation entsteht und die vielseitige Accumulation schlägt +nothwendig in einseitige um. Die Concurrenz unter den Capitaüen vermehrt +die Accumulation unter den Capitaüen. Die Accumulation, welche unter der +20 Herrschaft des Privateigenthums, Concentration des Capitals in wenigen +Händen ist, ist überhaupt eine nothwendige Consequenz, wenn die Capitaüen +ihrem natürlichen Lauf überlassen werden und durch die Concurrenz bricht +sich diese natürüche Bestimmung des Capitals erst recht freie Bahn. + +Wü haben gehört, daß der Gewinn des Capitals im Verhältniß zu seiner +25 Grösse steht. Ganz zunächst von der absichtüchen Concurrenz abgesehn, +accumuürt ein grosses Capital sich also verhältnißmässig nach semer Grösse +schneüer als ein kleines Capital. | + +|VIIl| Hienach ist schon ganz abgesehn von der Concurrenz die Accumu +lation des grossen Capitals viel schneüer als die d[es] kleineren. Aber ver- +folgen wü weiter den Verlauf. + +30 + +Mit der Vermehrung der Capitaüen vermindern sich, mittelst der Con +currenz, die Profite der Capitaüen. Also leidet zunächst der kleine Capi +taüst. + +Die Vermehrung der Capitaüen in eine grosse Anzahl von Capitaüen sezt + +35 + +fortschreitenden Reichthum des Landes voraus. + +„In einem Lande, welches auf eine sehr hohe Stufe des Reichthums gelangt +ist, ist die gewöhnüche Taxe des Gewinns so klein, daß der Zinsfuß, welchen +dieser Gewinn zu zahlen erlaubt, zu niedrig ist, als daß andre als die reichsten +Leute vom Geldinteresse leben könnten. Alle Leute von mittlerem Ver- +40 mögen, müssen also selbst ihr Capital anwenden, Geschäfte treiben, oder +sich an ügend einem Handelszweig interessüen." Smith. 1.1, p. 196,97. + +343 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Dieser Zustand ist der Lieblingszustand der Nationalökonomie. +„Die Proportion, welche zwischen der Summe der Capitalien und d[er] +Revenuen besteht bestimmt überall die Proportion, in welcher sich die In +dustrie und der Müssiggang befinden werden; wo die Capitalien den Sieg +davon tragen, herrscht die Industrie; wo die Revenuen, der Müssiggang." +t . I I , p . 3 2 5. Smith. + +Wie steht es nun mit der Anwendung des Capitals in dieser vergrösserten + +Concurrenz? + +„Mit der Vermehrung der Capitalien muß die Quantität d[es] fonds àprêter +à intérêt successiv grösser werden; mit der Verrriehrung dieser fonds wird +der Geldzins kleiner, 1) weil der Marktpreiß aller Sachen fällt, je mehr ihre +Quantität sich vermehrt, 2) weil mit der Vermehrung der Capitalien in einem +Land es schwerer wird, ein neues Capital auf eine vortheilhafte Weise +anzulegen. Es erhebt sich eine Concurrenz unter den verschiednen Capi +talien, indem der Besitzer eines Capitals alle möglichen Anstrengungen +macht, um sich des Platzes \ Geschäftes zu bemächtigen, das sich durch ein +andres Capital besezt findet. Aber meistens kann er nicht hoffen, dieß andre +Capital von seinem Platz wegzubugsiren, wenn nicht durch die Anbietung, +zu besseren Bedingungen zu handeln. Er muß die Sache nicht nur wohlfeiler +verkaufen, sondern oft, um Gelegenheit zum Verkauf zu finden, sie theurer +kaufen. Je mehr fonds zur Erhaltung der produktiven Arbeit bestimmt wird, +desto grösser wird die Nachfrage nach Arbeit: die Arbeiter finden leicht +Beschäftigung, ||ΓΧ| aber die Capitalisten haben Schwierigkeit, Arbeiter zu +finden. Die Concurrenz der Capitalisten läßt den Arbeitslohn steigen und die +Gewinne fallen." t.II, p. 358,59. Smith. + +Der kleine Capitalist hat also die Wahl: 1) entweder sein Capital aufzues +sen, da er von den Zinsen nicht mehr leben kann, also aufzuhören Capitalist +zu sein; oder 2) selbst ein Geschäft anzulegen, seine Waare wohlfeiler zu +verkaufen und theurer zu kaufen, als der reichere Capitalist und einen er +höhten Arbeitslohn zu zahlen; also da der Marktpreiß durch die voraus- +gesezte hohe Concurrenz schon sehr niedrig steht, sich zu ruiniren. Will +dagegen der grosse Capitalist den kleinen wegbugsiren, so hat er ihm gegen +über alle Vortheile, welche der Capitalist als Capitalist dem Arbeiter gegen +über hat. Die kleinern Gewinne werden ihm durch die grössere Quantität +seines Capitals ersezt und selbst momentane Verluste kann er solange er +tragen, bis der kleinere Capitalist ruinirt ist und er sich von dieser Concurrenz +befreit sieht. So accumulili er sich die Gewinne d[es] kleinen Capitalisten. + +Ferner: Der grosse Capitalist kauft immer wohlfeiler ein, als der kleine, +weil er massenhafter einkauft. Er kann also ohne Schaden wohlfeiler ver +kaufen. + +Wenn aber der Fall des Geldzinses die mittleren Capitalisten aus Rentiers + +344 + + Gewinn des Kapitals + +zu Geschäftsleuten macht, so bewirkt umgekehrt die Vermehrung der Ge- +schäftscapitalien und der daher erfolgende kleinere Gewinn den Fall des +Geldzinses. + +„Damit, daß das Benefiz, das man vom Gebrauch eines Capitals ziehn +kann, sich vermindert, vermindert sich nothwendig der Preiß, den man fin +den Gebrauch dieses Capitals zahlen kann." t. II, p. 359. Smith. + +„Je mehr Reichthum, Industrie, Bevölkerung sich mehren, um so mehr +vermindert sich der Geldzins, also der Gewinn d[er] Capitalisten; aber sie +selbst vermehren sich nichts desto weniger und noch schneller, wie früher, +trotz der Verminderung der Gewinne. Ein grosses Capital, obgleich von +kleinen Gewinnen vermehrt sich im Allgemeinen viel schneller als ein kleines +Capital mit grossen Gewinnen. Das Geld macht Geld, sagt das Sprüchwort." +t . I, p. 189. + +Wenn also diesem grossen Capital nun gar kleine Capitale mit kleinen +Gewinnen, wie das unter dem vorausgesezten Zustand starker Concurrenz +ist, gegenübertreten, so ecrasirt es sie völlig. + +In dieser Concurrenz ist dann die allgemeine Verschlechterung der +Waaren, die Verfälschung, die Scheinproduktion, die allgemeine Vergiftung, +wie sie in grossen Städten sich zeigt, die nothwendige Consequenz. | + +|X| Ein wichtiger Umstand in der Concurrenz der grossen und kleinen + +Capitaüen ist ferner das Verhältniß von capital fixe und capital circulant. + +„Capital circulant ist ein Capital, das angewandt w üd zur Erzeugung von +Lebensmitteln, Manufactur oder Handel. Dieß so angelegte Capital giebt +seinem Herrn nicht Revenu oder Profit, solang es in seinem Besitz bleibt oder +fortfahrt unter derselben Gestalt zu bleiben. Es geht beständig aus seiner +Hand unter einer bestimmten Form, um unter einer andern zurückzukehren +und ist nur vermittelst dieser Cüculation oder dieser successiven Verwand +lung und Vertauschung Profit bringend. Capital fixe besteht in dem zur +Verbesserung von Ländern, zum Ankauf von Maschinen, Instrumenten, +Handwerkszeug, ähnlichen Sachen angelegten Capital." Smith, p. 197,98. + +,Jede Ersparung in der Erhaltung d[es] capital fixe ist ein Zuwachs des +Reingewinns. Das Gesammtcapital eines jeden Arbeitsunternehmers theüt +sich nothwendig zwischen seinem capital fixe und seinem capital cüculant. +Bei der Gleichheit der Summe, wüd der eine Theü um so kleiner sein, je +grösser der andere ist. Das capital cüculant üefert ihm die Materie und +Salaüe der Arbeit, und sezt die Industrie in Thätigkeit. Also jede Ersparniß +im capital fixe, welche die produktive Kraft der Arbeit nicht vermindert, +vermehrt d[en] fonds." t. II, p. 226. Smith. + +Man sieht von vorn herein, daß das Verhältniß von capital fixe und capital +cüculant viel günstiger für d[en]grossen, als für d[en] kleineren Capitalisten +ist. Ein sehr grosser Banquier braucht nur unbedeutend mehr capital fixe, + +345 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +als ein sehr kleiner. Ihr capital fixe beschränkt sich auf die Comptoirstube. +Die Instrumente eines grossen Landgutsbesitzers vermehren sich nicht in +dem Verhältniß der Grösse seines Grundstückes. Ebenso ist der Credit, den +ein grosser Capitalist vor d[em] kleineren besizt eine um so grössere Er +sparung im capital fixe, nämlich dem Gelde, was er immer parat haben muß. +Es versteht sich endlich, daß wo die Industriearbeit einen hohen Grad er +reicht hat, also fast alle Handarbeit zur Fabrikarbeit geworden ist, dem +kleinen Capitalisten sein ganzes Capital nicht zureicht, um nur d[as] nöthige +capital fixe zu besitzen. On sait, que les travaux de la grande culture, +n'occupent habituellement qu'un petit nombre de bras. + +Ueberhaupt findet bei der Accumulation der grossen Capitalien verhält- +nißmässig auch eine Concentration und Vereinfachung d[es] capital fixe Statt +im Verhältniß zu d[em] kleineren Capitalisten. Der grosse Capitalist führt +für sich eine Art /|Xl| von Organisation der Arbeitsinstrumente ein. + +5 + +10 + +„Ebenso ist im Bereiche der Industrie schon jede Manufactur und Fabrik 15 + +eine umfassendere Verbindung eines grössern sächlichen Vermögens mit +zahlreichen und vielartigen intellektuellen Fähigkeiten und technischen +Fertigkeiten zu einem gemeinsamen Zwecke der Production. . .. Wo die +Gesetzgebung das Grundeigenthum +in grossen Massen zusammenhält, +drängt sich der Ueberschuß einer wachsenden Bevölkerung zu den Ge- 20 +werben, und es ist also, wie in Großbrittannien, das Feld der Industrie, auf +dem sich hauptsächlich die grössere Menge der Proletarier anhäuft. Wo aber +die Gesetzgebung die f ortgesezte Theilung des Bodens zuläßt, da vermehrt +sich, wie in Frankreich, die Zahl der kleinen und verschuldeten Eigenthümer, +welche durch die fortgehende Zerstücklung in die Klasse d[er] Dürftigen und 25 +Unzufriedenen geworfen werden. Ist endlich diese Zerstücklung und +Ueberschuldung zu einem höhern Grade getrieben, so verschlingt wieder der +grosse Grundbesitz den kleinen, wie auch die grosse Industrie die kleine +vernichtet; und da nun wieder grössere Gütercomplexe sich bilden, so wird +auch die zur Cultur des Bodens nicht schlechthin erforderliche Menge der 30 +besitzlosen Arbeiter wieder der Industrie zugedrängt." p.58, 59. Schulz. +Bewegung der Produktion. + +„Die Beschaffenheit der Waaren derselben Art wird eine andre durch die +Veränderung in der Art der Production und namentlich durch die Anwendung +des Maschinenwesens. Nur durch Ausschliessung der Menschenkraft ist es +möglich geworden, von einem Pfund Baumwolle, 3 Sh. 8 Pence an Werth, +350 Zaspeln zu spinnen von 167 englischen oder 36 deutschen Meilen Länge +und von einem Handelswerthe von 25 Guiñeen." ibid. p. 62. + +35 + +„Im Durchschnitt haben sich in England seit 45 Jahren die Preisse der +Baumwollzeuge um1V12 vermindert, und nach Marshalls Berechnungen wird 40 +das gleiche Quantum von Fabrication, wofür noch im Jahr 181416 Shillinge + +346 + + Gewinn des Kapitals + +5 + +bezahlt wurden, jezt um 1 Sh. 10 d. geliefert. Die grössere Wohlfeilheit der +industriellen Erzeugnisse vergrössert die Consumtion sowohl im M a n d e, als +den Markt im Auslande; und damit hängt zusammen, daß sich in Groß- +brittannien die Zahl der Arbeiter in Baumwolle nach Einführung der Ma- +schinen nicht nur nicht vermindert hat, sondern daß sie von 40000 auf +IV2 Millionen gestiegen ist. |¡XIl| Was nun den Erwerb der industriellen +Unternehmer und Arbeiter betrifft, so hat sich durch die wachsende Con +currenz unter den Fabrikherrn der Gewinnst derselben, im Verhältnisse zur +Quantität der Erzeugnisse, die sie liefern, nothwendig vermindert. In den +Jahren 1820—33 ist der Bruttogewinn d[es] Fabrikanten in Manchester für +ein Stück Calico von 4 Sh. IV3 d. auf 1 Sh. 9 d. gefallen. Aber zur Einbringung +dieses Verlustes ist der Umfang der Fabrication um so mehr erweitert +worden. Davon ist nun die Folge, daß in einzelnen Zweigen der Industrie +theilweise Ueberproduktion eintritt, daß häufige Bankerotte entstehen, +15 wodurch sich innerhalb der Classe d[er] Capitalisten und Arbeitsherrn ein +unsicheres Schwanken und Wogen des Besitzes erzeugt, was einen Theil der +ökonomisch Zerrütteten dem Proletariat zuwirft; daß oft und plötzlich eine +Einstellung oder Verminderung der Arbeit nothwendig wird, deren +Nachtheile die Classe der Lohnarbeiter stets bitter empfindet." ib. p.63. + +10 + +20 + +«Louer son travaü, c'est commencer son esclavage; louer la matière du +travaü, c'est constituer la hberté. ... le travaü est l'homme. La matière au +contraüe n'est rien de l'homme.» Pecqueur théor. soc. etc. p. 411,12. + +«l'élément matière, qui ne peut rien pour la création de la richesse sans +l'autre élément travail, reçoit la vertu magique d'être fécond pour eux comme + +25 s'üs y avaient mis, de leur propre fait, cet indispensable élément.» ibid. 1. c. + +«En supposant que le travail quotidien d'un ouvrier lui rapporte en +moyenne 400fr. par an, et que cette somme suffise à chaque adulte pour vivre +d'une vie grossière, tout propriétaüe de 2000 f r. de rente, de fermage, de loyer +etc, force donc üidüectement 5 hommes à travaüler pour lui; 100000fr. de +rente représentent le travaü de 250 hommes, et 1000000 le travail de 2500 +individus.» +(Louis Phüippe) die Arbeit von +750000 Arbeitern.) ibid. p.412,13. + +(Also 300 Mülionen, + +30 + +«les propriétaües ont reçu de la loi des hommes le droit d'user et d'abuser, +c-à-d. de faire ce qu'Us veulent de la matière de tout travaü... üs sont nul- +35 lement obligés par la loi de f ournü à propos et toujours du travaü aux non +propriétaües, ni de leur payer un salaüe toujours suffisant etc.» p. 413 1. c. +«überté entière, quant à la nature, à la quantité, à la quaüté, à l'opportunité +de la production, à l'usage, à la consommation des richesses, à la disposition +de la matière de tout travail. Chacun est übre d'échanger sa chose comme +40 ü l'entend sans autre considération, que son propre intérêt d'individu.» + +p.413 I.e. + +347 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +5 + +«La concurrence n'exprime pas autre chose que l'échange facultatif, +qui lui-même est la conséquence prochaine et logique du droit individuel +d'user et d'abuser des instruments de toute production. Ces trois moments +économiques, lesquels n'en font qu'un: le droit d'user et d'abuser, la +liberté d'échanges et la concurrence arbitraire, entraînent les conséquen- +ces suivantes: chacun produit ce qu'il veut, comme il veut, quand il veut, +où il veut; produit bien ou produit mal, trop ou pas assez, trop tôt ou +trop tard, trop cher ou à trop bas prix; chacun ignore s'il vendra, à qui +il vendra, comment il vendra, quand il vendra, où il vendra; et il en est +de même quant aux achats. |[XIIl| Le producteur ignore les besoins et les +ressources, les demandes et les offres. Π vend quand il veut, quand il peut, +où il veut, à qui il veut, au prix qu'il veut. Et il achète de même. En tout cela +il est toujours le jouet du hasard, l'esclave de la loi du plus fort, du moins +pressé, du plus riche.... Tandis que sur un point il y a disette d'une richesse, +sur l'autre il y a trop plein et gaspillage. Tandis qu'un producteur vend +beaucoup ou très cher, et à bénéfice énorme, l'autre ne vend rien ou vend +à perte. ... L'offre ignore la demande et la demande ignore l'offre. Vous +produisez sur la foi d'un goût, d'une mode qui se manifeste dans le public +des consommateurs ; mais déjà, lorsque vous êtes prêt à livrer la marchan +dise, la fantaisie a passé et s'est fixée sur un autre genre de produit. +... conséquences infaillibles la permanence et l'universalisation des ban +queroutes, les mécomptes, les ruines subites et les fortunes improvisées; les +crises commerciales, les chômages, les encombrements ou les disettes pé +riodiques ; rinstabilité et l'avilissement des salaires et des profits ; la dé +perdition ou le gaspillage énorme des richesses, de temps et d'efforts dans 25 +l'arène d'une concurrence acharnée.» p.414—16 Le. + +10 + +20 + +15 + +Ricardo in seinem Buch (rent of land): Die Nationen sind nur Ateliers +der Produktion, der Mensch ist eine Maschine zum Consummiren und +Produciren; das menschliche Leben ein Capital; die ökonomischen Ge +setze regieren blind die Welt. Für Ricardo sind die Menschen nichts, das 30 +Produkt alles. Im 26 Capitel der französischen Uebersetzung heißt es: «H +serait tout-à-fait indifférent, pour une personne, qui sur un capital de +20000fr. ferait 2000fr. par an de profit, que son capital employât cent +hommes ou mille ... L'intérêt réel d'une nation n'est-il pas le même ? pourvu +que son revenu net et réel et que ses fermages et ses profits soient les mêmes, +qu'importe qu'elle se compose de dix ou de douze millions d'individus ? » « En +vérité, dit M. de Sismondi (t. II, p. 331) il ne reste plus qu'à désirer que le +roi, demeuré tout seul dans l'île, en tournant constamment une manivelle, +(Kurbel) fasse accomplir par des automates, tout l'ouvrage de l'Angle +terre.» + +35 + +40 + +«le maître, qui achète le travail de l'ouvrier à un prix si bas qu'il suffit à + +348 + + Gewinn des Kapitals + +peine aux besoins les plus pressants, n'est responsable ni de l'insuffisance +des salaires, ni de la trop longue durée du travail : il subit lui-même la loi qu'il +impose ... ce n'est pas tant des hommes que vient la misère, que de la puis +sance des choses.» 1. c. p. 82. + +5 + +„In England giebt es viele Plätze, wo den Einwohnern zur vollständigen +Erdkultur die Capitaüen fehlen. Die Woüe der Südprovinzen Schottlands +muß grossen theüs eine lange Reise zu Land durch schlechte Wege machen, +um in der Grafschaft York bearbeitet zu werden, weü es an ihrem Pro +duktionsplatz an Capitaüen zur Manufactur fehlt. Es giebt in England mehre +10 kleine Fabrikstädte, deren Einwohnern hinreichendes Capital fehlt zum +Transport ihrer industriellen Produkte auf entfernte Märkte, wo dasselbe +Nachfrage und Consumenten findet. Die Kaufleute hier sind ||XTV| nur +Agenten reicherer Kaufleute, die in einigen grossen Handelsstädten re- +sidüen." Smith, t. II, p. 382. «Pour augmenter la valeur du produit annuel de +la terre et du travaü, ü n'y a pas d'autres moyens que d'augmenter, quant +au nombre, les ouvriers productifs, ou d'augmenter, quant à la puissance, +la faculté productive des ouvriers précédemment employés.... Dans l'un et +dans l'autre cas il faut presque toujours un surcroît de capital.» Smith, t. II, +p. 338. + +15 + +25 + +20 + +„Weü es also in der Natur der Dinge liegt, daß die Accumulation eines +Capitals ein notwendiger Vorläufer der Theüung der Arbeit ist, kann die +Arbeit kerne weiteren Unterabtheüungen empfangen als in dem Verhältniß, +in welchem sich die Capitaüen nach und nach aufgehäuft haben. Je mehr die +Arbeit in Unterabtheüungen zerf äüt, vermehrt sich die Quantität der Mate- +rien, welche dieselbe Anzahl von Personen ins Werk setzen kann; und da +die Aufgabe jedes Arbeiters sich nach und nach auf eine grössere Stufe von +Einfachheit reducirt findet, werden eine Menge neuer Maschinen entdeckt, +um diese Aufgaben zu erleichtern und abzukürzen. Je weiter sich also die +Theüung der Arbeit ausbreitet, ist es nothwendig, damit eine selbe Zahl von +30 ouvriers beständig beschäftigt sei, daß man eine gleiche Provision von +Lebensmitteln und eine Provision von Materien, Instrumenten und Hand +werkszeug im voraus aufhäuft, welche viel stärker ist, als dieß früher in +einem minder avancüten Zustand der Dinge nöthig war. Die Zahl der Ar +beiter vermehrt sich in jedem Arbeitszweig zur selben Zeit, als sich hier die +35 Theüung der Arbeit vermehrt oder vielmehr ist es diese Vermehrung ihrer +Zahl, welche sie in den Stand sezt, sich zu classificüen und unterabzutheüen +auf diese Art." Smith, t. II, 193,94. + +„Ebenso wie die Arbeit diese grosse Ausdehnung der produktiven Kraft +nicht erhalten kann, ohne eine vorhergehende Accumulation der Capitale, +ebenso führt die Accumulation der Capitaüen natürlicher Weise diese +Ausdehnung [herbei]. Der Capitaüst will nämhch durch sein Capital die + +40 + +349 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +größtmöglichste Quantität Machwerk produziren, strebt also unter seinen +Arbeitern die schicklichste Arbeitsteilung einzuführen und mit den mög +lichst besten Maschinen sie zu versehn. Seine Mittel, um in diesen beiden +Gegenständen zu reussiren, |/XV/ stehn im Verhältniß zur Ausdehnung +seines Capitals und zur Zahl der Leute, welche dieses Capital beschäftigt +halten kann. Also nicht nur die Quantität der Industrie vermehrt sich in einem +Lande vermittelst des Wachsthums des Capitals, welches sie in Bewegung +sezt, sondern, in Folge dieses Wachsthums, producirt dieselbe Quantität von +Industrie eine viel grössere Quantität des Machwerks." Smith. 1. c. p. 194,95. +Also Ueberproduktion. + +„Umfassendere Combinationen der produktiven Kräfte . .. in Industrie +und Handel durch Vereinigung zahlreicherer und vielartigerer Men +schenkräfte und Naturkräfte für Unternehmungen in grösserm Maaßstabe. +Auch schon hie und da—engere Verbindung der Hauptzweige der Production +unter sich. So werden grosse Fabrikanten zugleich grossen Grundbesitz zu +erwerben suchen, um wenigstens einen Theil der zu ihrer Industrie erfor +derlichen Urstoffe nicht erst aus 3t er Hand beziehn zu müssen; oder sie +werden mit ihren industriellen Unternehmungen einen Handel in Verbindung +setzen, nicht blos zum Vertrieb ihrer eignen Fabrikate, sondern wohl auch +zum Ankauf von Producten andrer Art und zum Verkauf derselben an ihre +Arbeiter. In England, wo einzelne Fabrikherrn mitunter an der Spitze von +10—12000 Arbeitern . .. schon solche Verbindungen verschiedener Pro- +ductionszweige unter einer leitenden Intelligenz, solche kleinre Staaten oder +Provinzen im Staat—nicht selten. So übernehmen in neuerer Zeit die Minen +besitzer bei Birmingham den ganzen Prozeß der Eisenbereitung, der sich +früher an verschiedne Unternehmer und Besitzer vertheilte. Siehe der berg +männische Distrikt bei Birmingham — Deutsche Viertel]. 3, 1838. Endlich +sehn wir in den so zahlreich gewordenen grössern Actienunternehmungen +umfassende Combinationen der Geldkräfte w'e/erTheilnehmendenmitden +wissenschaf tüchen und technischen Kenntnissen und Fertigkeiten Anderer, +welchen die Ausführung der Arbeit übertragen ist. Hierdurch den Capita +listen möglich, ihre Ersparnisse in mannigfachrer Weise und wohl auch +gleichzeitig auf landwirthschafüiche, industrielle und commercielle Pro +duction zu verwenden, wodurch ihr Interesse ein gleichzeitig vielseitigeres +wird, ||XVl| Gegensätze zwischen den Interessen der Agricultur, Industrie +und Handels sich mildern und verschmelzen. Aber selbst diese erleichterte +Möglichkeit, das Capital in verschiedenster Weise nutzbringend zu machen, +muß den Gegensatz zwischen den bemittelten und unbemittelten Klassen +erhöhn." Schulz. I.e. p.40, 41. + +Ungeheurer Gewinn, den die Hausvermiether von dem Elend ziehn. D[er] + +loyer steht im umgekehrten Verhältniß zum industriellen Elend. + +350 + + Grundrente + +Ebenso Procente von den Lastern der ruinirten Proletarier. (Prostitution, + +Soff, prêteur sur gages) + +Die Accumulation der Capitaüen nimmt zu und ihre Concurrenz ab, indem +Capital und Grundbesitz sich in einer Hand zusammenfinden, ebenso indem +5 das Capital durch seine Grösse befähigt wird, verschiedene Productions- + +zweige zu combiniren. + +Gleichgültigkeit gegen d[en] Menschen. Die 20 Lotterielose von Smith. +Revenu net et brut von Say. | + +|l| Grundrente. + +10 Das Recht der Grundeigenthümer leitet seinen Ursprung vom Raub. Say. 1.1, +p. 136, not. Die Grundeigenthümer üeben, wie alle Menschen da zu äraten, +wo sie nicht gesät haben und sie verlangen eine Rente selbst für das natür +liche Produkt der Erde. Smith. 1.1, p. 99. + +„Man könnte sich vorstellen, die Grundrente sei nur der Gewinn des +15 Capitals, welches der Eigenthümer zur Verbesserung des Bodens benuzt hat. +. .. Es gjebt Fälle, wo die Grundrente dieß zum Theil sein kann . .. aber der +Grundeigenthümer fordert 1) eine Rente selbst für die nicht verbesserte Erde +und was man als Interesse oder Gewinn auf die Verbesserungskosten be +trachten kann, ist meistens nur eine Zuthat\ Addition zu dieser primitiven +20 Rente, 2) überdem sind diese Verbesserungen nicht immer mit d[en] fonds +der Grundeigenthümer gemacht, sondern manchmal mit denen des Pächters: +nichtsdestoweniger, wenn es sich darum handelt die Pacht zu erneuern, +verlangt der Grundeigenthümer gewöhnlich eine solche Erhöhung der Rente, +als wenn alle diese Verbesserungen mit seinen eignen fonds gemacht wären. +25 3) Ja er verlangt manchmal selbst eine Rente für das, was durchaus unfähig +der geringsten Verbesserung durch Menschenhand ist." Smith. 1.1, p. 300, +301. + +30 + +Smith führt als Beispiel für leztern Fall das Salzkraut (Seekrapp — sa +licorne) an, „eine Art von Seepflanze, welche nach der Verbrennung ein +alkalisches Salz giebt, womit man Glas, Seife etc machen kann. Es wächst +in Großbrittannien, vorzüglich in Schottland an verschiednen Plätzen, aber +nur auf Felsen, die unter der Ebbe und Fluth liegen, (hohen Fluth, marée) +2mal des Tags durch die Seewellen bedeckt sind und deren Produkt also +niemals durch die menschliche Industrie vermehrt worden ist. Dennoch +35 verlangt der Eigenthümer eines solchen Grundstücks, wo diese Art von +Pflanze wächst, eine Rente, ebenso gut wie von Getreideboden. In der Nähe +der Inseln von Shetland ist das Meer ausserordentlich reich. Ein grosser Theil +ihrer Einwohner ||ll| lebt vom Fischfang. Um aber Gewinn vom Meerprodukt + +351 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +zu ziehn, muß man eine Wohnung auf dem benachbarten Lande haben. Die +Grundrente steht im Verhältniß nicht zu dem, was der Pächter mit der Erde, +sondern zu dem, was er mit der Erde und dem Meer zusammen machen +kann." Smith. t.I, p.301, 302. + +„Man kann die Grundrente als das Produkt der Naturmacht betrachten, +deren Gebrauch der Eigenthümer dem Pächter leiht. Dieß Produkt ist mehr +oder weniger groß je nach dem Umfang dieser Macht oder in andern Worten, +nach dem Umfang der natürlichen oder künstlichen Fruchtbarkeit der Erde. +Es ist das Werk der Natur, welches übrig bleibt nach Abziehung oder nach +der Balance alles dessen, was man als das Werk d[es] Menschen betrachten 10 +kann." Smith, t. II, p. 377,78. + +5 + +„Die Grundrente als Preiß betrachtet, den man für den Gebrauch der Erde +zahlt, ist also natürlich ein Monopolpreiß. Sie steht durchaus nicht im Ver +hältniß zu den Verbesserungen, die der Grundeigenthümer an die Erde +gewandt hat, oder mit dem, was er nehmen muß, um nicht zu verlieren, 15 +sondern mit dem, was der Pächter möglicher Weise geben kann, ohne zu +verlieren." t.I, p.302. Smith. + +„Von den 3 produktiven Klassen ist die der Grundeigenthümer diejenige, +der ihre Revenu weder Arbeit noch Sorge kostet, sondern der sie so zu sagen +von selbst kömmt, und ohne daß sie irgend eine Einsicht oder einen Plan 20 +hinzu thut." Smith, t. II, p. 161. + +Wir haben schon gehört, daß die Quantität [der] Grundrente von dem + +Verhältniß der Fruchtbarkeit des Bodens abhängt. + +Ein andres Moment ihrer Bestimmung ist die Lage. +„Die Rente wechselt nach der Fruchtbarkeitder Erde, welches auch immer +ihr Produkt sei, und nach der Lage, welches auch immer die Fruchtbarkeit +sei." Smith. t.I, p.306. + +25 + +„Sind Ländereien, Minen, Fischereien von gleicher Fruchtbarkeit, so wird +ihr Produkt im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien stehn, welche man +zu ihrer Cultur und Exploitation anwendet, wie zu der mehr | |lll| oder minder 30 +geschickten Weise der Anwendung der Capitalien. Sind die Capitalien gleich +und gleichgeschickt angewandt, so wird das Product im Verhältniß zur +natürlichen Fruchtbarkeit der Ländereien, Fischereien und Minen stehn." +t. II, p.210. + +Diese Sätze von Smith sind wichtig, weil sie bei gleichen Productions- 35 + +kosten und gleichem Umfang die Grundrente auf die grössere oder kleinere +Fruchtbarkeit der Erde reduciren; also deutlich die Verkehrung der Begriffe +in der Nationalökonomie bewiesen, welche Fruchtbarkeit der Erde in eine +Eigenschaft des Grundbesitzers verwandelt. + +Betrachten wir aber nun die Grundrente, wie sie sich im wirklichen Ver- 40 + +kehr gestaltet. + +352 + + Grundrente + +Die Grundrente wird festgesezt durch den Kampf zwischen Pächter und +Grundeigenthümer. Ueberau in der Nationalökonomie finden wir den feind +lichen Gegensatz der Interessen, den Kampf, den Krieg als die Grundlage +der gesellschaftlichen Organisation anerkannt. + +Sehn wir nun, wie Grundeigenthümer und Pächter zu einander stehn. +„Der Grundeigenthümer sucht bei der Stipulation der Pachtklauseln, +möglicherweise dem Pächter nicht mehr zu lassen, als hinreicht, um das +Capital zu ersetzen, welches d[en] Saamen liefert, die Arbeit bezahlt, Thiere +und andre Instrumente kauft und unterhält und ausserdem den gewöhnlichen +Gewinn der übrigen Pachtungen im Canton abwirft. Offenbar ist dieß der +kleinste Theil, womit der Pächter sich befriedigen kann, ohne in Verlust zu +gerathen und der Grundeigenthümer ist selten der Ansicht, ihm mehr zu +lassen. Alles, was vom Product oder seinem Preisse über diese Portion bleibt, +wie auch der Rest beschaffen sei, sucht sich der Proprietär als Grundrente +zu reserviren, die stärkste, die der Pächter bei dem jetzigen Zustand der Erde +zahlen ||IV| kann. Dieses surplus kann immer als die natürliche Grundrente +betrachtet werden, oder als die Rente zu welcher die meisten Grundstücke +natürlicherweise vermiethet werden." Smith. 1.1, p. 299, 300. + +„Die Grundeigenthümer", sagt Say „üben eine gewisse Art von Monopol +gegen d[ie] Pächter. Die Nachfrage nach ihrer Waare, dem Grund und Boden, +kann sich unaufhörlich ausdehnen; aber die Quantität ihrer Waare erstreckt +sich nur bis zu einem gewissen Punkt. . .. Der Handel, der sich zwischen +Grundeigenthümer und Pächter abschließt, ist immer so vortheilhaft wie +mögüch für den ersten . .. ausser dem Vortheü, den er aus der Natur der +Dinge zieht, zieht er einen andern aus semer SteUung, grösserem Vermögen, +Credit, Ansehn; aUein schon d[er] erste reicht dazu hin, daß er immer befähigt +ist allein von den günstigen Umständen des Grund und Bodens zuprofitiren. +Die Eröffnung eines Canals, Wegs, der Fortschritt der Bevölkerung und des +Wohlstandes eines Cantons erheben immer den Pachtpreiß +Der Pächter +selbst kann zwar den Boden auf seine Kosten verbessern; aber von diesem +Capital zieht er nur Vortheü während der Dauer seiner Pacht, und mit ihrem +Ablauf bleibt es dem Grundeigenthümer; von diesem Moment an zieht dieser +die Interessen davon, ohne die Avancen gemacht zu haben, denn die Miethe +erhebt sich nun verhältmßmässig." Say, t. Π, p. 142,43. + +„Die Grundrente, betrachtet als der Preiß, der für den Gebrauch der Erde +bezahlt wüd, ist daher natürÜcher Weise der höchste Preiß, den der Pächter +zu zahlen im Stande ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Grund +und Bodens." Smith, t . I, p.299. + +„Die Grundrente der Oberfläche der Erde beträgt daher meistens . .. den +3l Theü des Gesammtprodukts und meistens ist das eine fixe und von den +zufäüigen Schwankungen ||V| der Erndte unabhängige Rente." Smith. t.I, + +353 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +p.351. „Selten beträgt diese Rente weniger als 74 des Gesammtprodukts." +ib.t.11, p.378. + +Nicht bei allen Waaren kann die Grundrente bezahlt werden. Ζ. B. in + +manchen Gegenden wird für die Steine keine Grundrente bezahlt. + +„Gewöhnlich kann man nur die Produkte der Erde auf den Markt bringen, +die Theile des Erdproduktes, deren gewöhnlicher Preiß hinreicht, um das +Capital, weiches man zu dieser Transportation braucht, und die gewöhn +lichen Gewinne dieses Capitals zu ersetzen. Reicht der Preiß mehr als aus +hiefür, so geht d[as] surplus natürlich zur Grundrente. Ist er nur hinreichend, +so kann die Waare wohl auf den Markt gebracht werden, aber sie reicht nicht 1 o +hin, um dem Landbesitzer die Grundrente zu zahlen. Wird oder wird nicht +der Preiß mehr als hinreichend sein? Das hängt von der Nachfrage ab." +Smith. t . I, p.302, 303. + +5 + +„Die Grundrente geht in die Composition des Preisses der Waaren auf eine +ganz andere Art ein, als der Arbeitslohn und der Gewinn des Capitals. Die 15 +hohe oder niedre Taxe der Salate und Gewinne ist die Ursache des hohen +oder niedern Preisses der Waaren: die hohe oder niedre Taxe der Grundrente +ist die Wtkung des Preisses." t.I, p.303, 304. Smith. + +Zu den Produkten, die immer eine Grundrente bringen, gehört die Nah + +rung. + +20 + +„Da die Menschen, wie alle Thiere, sich im Verhältniß zu ihren Subsistenz- +mitteln vermehren, so giebt es immer mehr oder weniger Nachfrage nach +Nahrung. Die Nahrung wird immer einen grössern oder kleinern ||VI| Theil +von Arbeit kaufen können, und es werden sich immer Leute aufgelegt finden, +etwas zu thun, um sie zu gewinnen. Die Arbeit, welche die Nahrung kaufen 25 +kann ist zwar nicht immer gleich der Arbeit, die von ihr subsistiren könnte, +wenn sie auf die ökonomischste Weise vertheilt wäre und dieß wegen der +zuweilen hohen Arbeitssalaire. Aber die Nahrung kann immer so viel Arbeit +kaufen, als sie nach der Taxe, auf welche diese Arbeitsart gewöhnlich im +Lande steht, Arbeit subsistiren machen kann. Die Erde producirt fast in allen 30 +möglichen Situationen mehr Nahrung als zur Subsistenz aller Arbeit nöthig, +welche dazu beiträgt, diese Nahrung auf den Markt zu bringen. Das Mehr +dieser Nahrung ist immer mehr als hinreichend, um mit Gewinn das Capital +zu ersetzen, welches diese Arbeit in Bewegung sezt. Also bleibt immer etwas, +um dem Grundeigenthümer eine Rente zu geben." 1.1, p. 305,6. Smith. „Die 35 +Grundrente zieht nicht nur ihren ersten Ursprung von der Nahrung, sondern +auch wenn ein anderer Theil des Erdproduktes in der Folge dazu kömmt, +eine Rente abzuwerfen, so verdankt die Rente diese Zufügung von Werth +dem Wachsthum der Macht, welche die Arbeit erlangt hat, um Nahrung zu +produciren, vermittelst (au moyen) der Cultur und Verbesserung der Erde." 40 +p.345, L I. Smith. „Die Nahrung d[es] Menschen reicht also immer zur + +354 + + Grundrente + +Zahlung der Grundrente aus." 1.1, p. 337. „Die Länder bevölkern sich nicht +im Verhältniß der Zahl, welches ihr Product kleiden und logiren kann, +sondern im Verhältniß dessen, was ihr Product nähren kann." Smith. t . I, +p.342. + +„Die 2 größten menschlichen Bedürfnisse nach der Nahrung sind Klei +dung, Logie, Heitzung. Sie werfen meistens eine Grundrente ab, nicht immer +nothwendig." 1.1, ib. p. 338. | + +j v mj Sehn wir nun, wie der Grundeigenthümer alle Vortheile der Ge + +sellschaft exploitirt. + +1) „Die Grundrente vermehrt sich mit der Bevölkerung." Smith. 1.1, + +p.335. + +2) Wir haben schon von Say gehört, wie die Grundrente mit Eisenbahnen, +etc mit der Verbesserung und Sicherheit und Vervielfachung der Com- +munikationsmittel steigt. + +3) „Jede Verbesserung im Zustand der Gesellschaft strebt entweder direkt +oder indirekt, die Grundrente zu steigern, den Realreichthum des Proprietärs +zu erhöhn, d.i. seine Macht, fremde Arbeit oder ihr Product zu k a u f e n— +Die Zunahme in Verbesserung der Ländereien und der Cultur strebt direkt +dahin. Der Theil d[es] Proprietärs am Product vermehrt sich nothwendig mit +Das Steigen in dem Realpreiß dieser Arten +der Vermehrung des Products +von Rohstoffen, z. B. das Steigen im Preiß des Viehs strebt auch direkt dahin +die Grundrente zu steigern und in einer noch stärkeren Proportion. Nicht nur +vermehrt sich der Realwerth des Theils des Grundeigenthümers, die reale +Macht, die ihm dieser Theil auf fremde Arbeit giebt, nothwendig mit dem +Realwerth des Products, sondern auch die Grösse dieses Theils im Verhältniß +zum Totalprodukt vermehrt sich mit diesem Werth. Nachdem der Realpreiß +dieses Produkts gestiegen ist, erfordert es keine grössere Arbeit, um geliefert +zu werden und um das angewandte Capital sammt seinen gewöhnlichen +Gewinnen zu ersetzen. Der übrigbleibende Theil des Products, welcher dem +Grundeigenthümer gehört, wird also in Bezug auf das Gesammtprodukt viel +grösser sein als er vorher war." Smith, t. II, p. 157—59. | + +|IX| Die grössere Nachfrage nach Rohprodukten und daher die Erhöhung +des Werths kann theils aus der Vermehrung der Bevölkerung und der Ver +mehrung ihrer Bedürfnisse hervorgehn. Aber jede neue Erfindung, jede neue +Anwendung, welche die Manuf actur von einem bisher gar nicht oder wenig +gebrauchten Rohstoff macht, vermehrt die Grundrente. So ist z. B. die Rente +der Kohlengruben mit den Eisenbahnen, Dampfschiffen etc ungeheuer +gestiegen. + +Ausser diesem Vortheil, den der Grundeigenthümer von der Manuf actur, +den Entdeckungen, der Arbeit zieht, werden wir gleich noch einen andern +sehn. + +355 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +4) „Die Arten von Verbesserungen in der Productivkraft der Arbeit, +welche direkt darauf zielen, den Realpreiß der Manufacturprodukte zu +erniedrigen, streben indirekt dahin, die reale Grundrente zu erhöhn. Gegen +Manufacturprodukt vertauscht nämlich der Grundeigenthümer den Theü +seines Rohstoffes, der seine persönliche Consumtion überschreitet oder den +Preiß dieses Theils. Alles was den Realpreiß der ersten Art von Product +vermindert, vermehrt den Realpreiß der 2t e n. Dieselbe Quantität von Roh +produkt entspricht von nun an einer grössern Quantität von Manufactur +produkt und der Grundeigenthümer findet sich befähigt, eine grössere +Quantität von Bequemlichkeits, Schmuck und Luxussachen sich zu ver- 10 +schaffen." Smith. t.II, p. 159. + +5 + +Wenn aber nun Smith daraus, daß der Grundeigenthümer alle Vortheile +der Gesellschaft exploitirt, darauf ||X| schließt (p. 1611. H) daß das Interesse +des Grundeigentümers immer mit dem der Gesellschaft identisch ist, so ist +das albern. In der Nationalökonomie, unter der Herrschaft des Privat- 15 +eigenthums ist das Interesse, was einer an der Gesellschaft hat, grad im +umgekehrten Verhältniß zu dem Interesse, was die Gesellschaft an ihm hat, +wie das Interesse des Wucherers an dem Verschwender durchaus nicht +identisch mit dem Interesse des Verschwenders ist. + +Wir erwähnen nur im Vorübergehn die Monopolsucht des Grundeigen- 20 + +thümers gegen das Grundeigenthum fremder Länder, woher z. B. die Korn +gesetze datiren. Ebenso Übergehn wir hier die mittelaltrige Leibeigenschaft, +die Sklaverei auf den Colonien, das Elend der Landleute \Landtaglöhner in +Großbrittannien. Halten wir uns an die Sätze der Nationalökonomie selbst. + +1) Der Grundeigenthümer ist am Wohl der Gesellschaft interessirt, heißt +nach nationalökonomischen Grundsätzen, er ist an ihrer fortschreitenden +Bevölkerung, Kunstproduktion, Vermehrung ihrer Bedürfnisse, mit einem +Wort am Wachsthum des Reichthums interessirt und dieß Wachsthum ist +nach unseren bisherigen Betrachtungen identisch mit dem Wachsthum des +Elends und der Sklaverei. Das wachsende Verhältniß der Miethe mit dem +Elend ist ein Beispiel vom Interesse des Grundeigentümers an der Ge +sellschaft, denn mit der Miethe wächst die Grundrente, der Zins des Bodens, +worauf das Haus steht. + +2) Nach d[em] Nationalökonomen selbst ist das Interesse des Grund + +25 + +30 + +eigentümers der feindliche Gegensatz des Interesses des Pächters; also 35 +schon eines bedeutenden Theils der Gesellschaft. | + +|Xl| 3) Da der Grundeigenthümer [von] d[em] Pächter um so mehr Rente +fordern kann, um so weniger Arbeitslohn der Pächter zahlt und da der +Pächter um so mehr den Arbeitslohn herabdrückt, je mehr Grundrente der +E i g e n t ü m er fordert, so steht das Interesse des Grundeigentümers grade 40 +so feindlich zum Interesse der Ackerknechte, wie das der Manufactur- + +356 + + Grundrente + +herrn zu ihren Arbeitern. Er drückt ebenfalls den Arbeitslohn auf ein Mini +mum. + +5 + +4) Da die reale Erniedrigung im Preiß der Manuf acturprodukte die +Grundrente erhöht, so hat also der Grundbesitzer ein direktes Interesse an +der Herabdrückung des Arbeitslohns der Manufakturarbeiter, an der Con +currenz unter den Capitalisten, an der Ueberproduktion, am ganzen Ma- +nufacturelend. + +5) Wenn also das Interesse des Grundeigenthümer s, weit entfernt mit dem +Interesse der Gesellschaft identisch zu sein, im feindlichen Gegensatz mit +10 dem Interesse der Pächter, der Ackerknechte, der Manufacturarbeiter und +d[er] Capitalisten steht, so ist nicht einmal das Interesse des einen Grund- +eigenthümers mit dem d[es] andern identisch von wegen der Concurrenz, die +wir nun betrachten wollen. + +Allgemein schon verhalten sich grosses Grundeigenthum und kleines, wie +15 grosses und kleines Capital. Es kommen aber noch spezielle Umstände +hinzu, welche die Accumulation des grossen Grundeigenthums und die +Verschlingung des kleinen durch dasselbe unbedingt herbeiführen. | + +|XIl| 1) nimmt nirgends mehr die verhältnißmässige Arbeiter und In +strumentenzahl mit der Grösse d[er] fonds ab, als beim Grundbesitz. Ebenso +20 nimmt nirgends mehr die Möglichkeit der allseitigen Ausbeutung, Ersparung +der Productionskosten und geschickte Arbeitstheilung mit der Grösse d[er] +fonds mehr zu, als beim Grundbesitz. Ein Acker mag so klein sein, wie er +will, die Arbeitsinstrumente, die er nöthig macht, wie Pflug, Säge etc. er +reichen eine gewisse Grenze, an der sie nicht mehr vermindert werden +25 können, während die Kleinheit des Grundbesitzes weit über diese Gränze + +hinausgehn kann. + +2) Der grosse Grundbesitz accumulüt sich die Zinsen, die das Capital des +Pächters auf die Verbesserung des Grund und Bodens angewandt hat. Der +kleine Grundbesitz muß sein eignes Capital anwenden. Für um fällt dieser + +30 ganze Profit also weg. + +3) Während jede gesellschaftliche Verbesserung dem grossen Grund +eigenthum nüzt, schadet sie dem kleinen, weil sie ihm immer mehr baares +Geld nöthig macht. + +35 + +4) Es sind noch 2 wichtige Gesetze für diese Concurrenz zu betrachten: +cc) Die Rente der Ländereien, die zur Produktion von Nahrungsmitteln +d[er] Menschen cultivüt werden, regelt die Rente der Mehrzahl der übrigen +angebauten Ländereien. Smith. t.I, p.331. + +Nahrungsmittel, wie Vieh etc kann zulezt nur der grosse Grundbesitz +producüen. Er regelt also die Rente der übrigen Ländereien und kann sie + +40 auf ein Minimum herabdrücken. + +Der kleine selbstarbeitende Grundeigenthümer bef indet sich dann zu dem + +357 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +grossen Grundeigenthümer in dem Verhältniß eines Handwerkers, der ein +eignes Instrument besizt, zu dem Fabrikherrn. Der kleine Grundbesitz ist +zum blossen Arbeitsinstrument geworden. //XVI/ Die Grundrente ver +schwindet ganz für den kleinen Grundbesitzer, es bleibt ihm höchstens der +Zins seines Capitals und sein Arbeitslohn; denn die Grundrente kann durch +die Concurrenz dahin getrieben werden, daß sie eben nur noch der Zins des +nicht selbst angelegten Capitals ist. + +ß) Wir haben übrigens schon gehört, daß bei gleicher Fruchtbarkeit und +gleichgeschickter Exploitation der Ländereien, Minen und Fischereien das +Product im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien steht. Also Sieg des +grossen Grundeigenthümers. Ebenso bei gleichen Capitalien im Verhältniß +zur Fruchtbarkeit. Also bei gleichen Capitalien siegt der Grundeigenthümer +des fruchtbareren Bodens. + +5 + +10 + +7) „Man kann von einer Mine im Allgemeinen sagen, daß sie fruchtbar +oder unfruchtbar ist, je nachdem die Quantität des Minerals, welche aus ihr 15 +durch eine gewisse Quantität Arbeit gezogen werden kann, grösser oder +kleiner ist, als dieselbe Quantität Arbeit aus der Mehrzahl der andren Minen +von derselben Art ziehen kann." 1.1, p. 345,46. Smith. „Der Preiß der frucht +barsten Mine regelt den Preiß der Kohle für alle andern Minen der Nach +barschaft. Grundeigenthümer und Unternehmer finden beide, daß sie der 20 +eine eine stärkere Rente, der andre einen stärkern Profit haben werden, wenn +sie die Sache niedriger als ihre Nachbarn verkaufen. Die Nachbarn sind nun +gezwungen zu demselben Preiß zu verkaufen, obgleich sie weniger dazu im +Stande sind und obgleich dieser Preiß sich immer mehr vermindert, und ihnen +manchmal die ganze Rente und den ganzen Profit fortnimmt. Einige Ex- 25 +ploitations finden sich dann ganz verlassen, andere tragen keine Rente mehr +und können nur weiter bearbeitet werden durch d[en] Grundeigenthümer +selbst." p.350, t.I. Smith. „Nach der Entdeckung der Minen von Pérou +wurden die meisten Silberminen von Europa aufgegeben. . .. Dasselbe ge +schah in Bezug auf die Minen von Cuba und St. Domingo, und selbst in Bezug +auf die alten Minen von Pérou nach der Entdeckung derer von Potosí." +p. 353, 1.1. Ganz dasselbe, was Smith hier von den Minen sagt, gilt mehr +oder weniger von dem Grundbesitz überhaupt. + +30 + +δ) „Es ist zu bemerken, daß immer der Preißcourant der Ländereien von +der couranten Taxe des Zinsfusses a b h ä n g t . .. fiele die Grundrente unter 35 +den Geldzins um eine sehr starke Differenz, so würde niemand Länder +kaufen wollen, was bald wieder ihren Preißcourant zurückführen würde. Im +Gegentheil würden die Vortheile der Grundrente den Geldzins viel mehr als +compensiren, so würde alle Welt Länder kaufen wollen, was ebenfalls ihren +Courantpreiß bald wieder herstellen würde." t. II, p. 367,68. Aus diesem 40 +Verhältniß der Grundrente zum Geldzins folgt, daß die Grundrente immer + +358 + + Grundrente + +mehr fallen muß, sodaß zulezt nur noch die reichsten Leute von der +Grundrente leben können. Also die Concurrenz unter d[en] nichtverpach- +tenden Grundeigenthümern immer grösser: Ruin eines Theils derselben. +Abermalige accumulation des großen Grundeigenthums. | + +|XVn| Diese Concurrenz hat ferner zur Folge, daß ein grosser Theil des +Grundeigenthums in die Hände d[er] Capitalisten fällt und die Capitalisten +so zugleich Grundeigenthümer werden, wie dann überhaupt schon die +kleineren Grundeigenthümer nur mehr Capitalisten sind. Ebenso wird ein +Theil des grossen Grundeigenthums zugleich industriell. + +Die lezte Folge ist also die Auflösung des Unterschieds zwischen Capitaüst +und Grundeigenthümer, sodaß es also im Ganzen nur mehr 2 Klassen der +Bevölkerung giebt, die Arbeiterklasse und die Klasse d[er] Capitalisten. +Diese Verschacherung des Grundeigenthums, die Verwandlung des Grund +eigenthums in eine Waare ist der lezte Sturz der alten und die lezte VoU- +endung der Geldaristokratie. + +1) Die sentimentalen Thränen, welche die Romantik hierüber weint, +theilen wir nicht. Sie verwechselt immer die Schändlichkeit, die in der +Verschacherung der Erde liegt mit der ganz vernünftigen, innerhalb des +Privateigenthums nothwendigen und wünschenswerthen Consequenz, +welche in der Verschacherung des Privateigenthums an der Erde enthalten +ist. Erstens ist das feudale Grundeigenthum schon seinem Wesen nach die +verschacherte Erde, die d[em] Menschen entfremdete und daher in der +Gestalt einiger weniger grossen Herrn ihm gegenübertretende Erde. + +Schon im Feudalgrundbesitz liegt die Herrschaft der Erde als einer frem +den Macht über d[en] Menschen. Der Leibeigene ist das Accidenz der Erde. +Ebenso gehört der Majoratsherr, der erstgeborne Sohn, der Erde. Sie erbt +ihn. Ueberhaupt fängt mit dem Grundbesitz die Herrschaft des Privat +eigenthums an, er ist seme Basis. Aber im feudalen Grundbesitz scheint +wenigstens der Herr als König des Grundbesitzes. Ebenso existirt noch der +Schern eines innigem Verhältnisses zwischen dem Besitzer und der Erde, +ist. Das Grundstück in- +als das des blossen sachlichen Reichthums +dividualisüt sich mit seinem Herrn, es hat seinen Rang, ist freiherrlich oder +gräflich mit ihm, hat seine Privilegien, seine Gerichtsbarkeit, seinpoütisches +Verhältniß etc. Es erscheint als der unorganische Leib seines Herrn. Daher +das Sprüchwort: nulle terre sans maître, worin das Verwachsensein der +Herrlichkeit und des Grundbesitzes ausgesprochen ist. Ebenso erscheint die +Herrschaft des Grundeigenthums nicht unmittelbar als Herrschaft des blos +sen Capitals. Seme Zugehörigen stehn mehr zu ihm im Verhältniß ihres +Vaterlandes. Es ist eine engbrüstige Art von Nationaütät. | + +|XVIII¡ Ebenso giebt das feudale Grundeigenthum seinem Herrn den +Namen, wie ein Königreich seinem König. Seine Famüiengeschichte, die + +359 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Geschichte seines Hauses etc. alles dieß individualisirt ihm den Grundbesitz +und macht ihn f örmlich zu seinem Haus, zu einer Person. Ebenso haben die +Bearbeiter des Grundbesitzes nicht das Verhältniß von Taglöhnern, sondern +theils sind sie selbst sein Eigenthum, wie d[er] Leibeigne, theils stehn sie in +Respects, Unterthanen und Pf lichtverhältniß zu ihm. Seine Stellung zu ihnen 5 +ist daher unmittelbar politisch und hat ebenso eine gemüthliche Seite. Sitten, +Charakter etc ändert sich von einem Grundstück zum andern und scheint +mit der Parcelle eins, während später nur mehr der Beutel d[es] Menschen, +nicht sein Charakter, seine Individualität ihn auf das Grundstück bezieht. +Endlich sucht er nicht den möglichsten Vortheil von seinem Grundbesitz zu +ziehn. Vielmehr verzehrt er, was da ist und überläßt die Sorge des Her +beischaffens ruhig den Leibeignen und Pächtern. Das ist das adlige Ver +hältniß des Grundbesitzes, welches eine romantische Glorie auf seinen Herrn +wirft. + +10 + +Es ist nöthig, daß dieser Schein aufgehoben wird, daß das Grundeigen- 15 + +thum, die Wurzel des Privateigenthums, ganz in die Bewegung des Privat +eigenthums hereingerissen und zur Waare wird, daß die Herrschaft des +Eigenthümers als die reine Herrschaft des Privateigenthums, des Capitals, +abgezogen von aller politischen Tinktur, erscheint, daß das Verhältniß +zwischen Eigenthümer und Arbeiter sich auf das Nationalökonomische 20 +Verhältniß von Exploiteur und Exploitirtem reducirt, daß alles persönliche +Verh��ltniß des Eigenthümers mit seinem Eigenthum aufhört und dasselbe +zum nur sachlichen materiellen Reichthum wird, daß an die Stelle der +Ehrenehe mit der Erde die Ehe des Interesses tritt und die Erde ebenso zum +Schacherwerth herabsinkt, wie der Mensch. Es ist nothwendig, daß, was die 25 +Wurzel des Grundeigenthums ist, der schmutzige Eigennutz, auch in seiner +cynischen Gestalt erscheint. Es ist nothwendig, daß das ruhende Monopol +in das bewegte und beunruhigte Monopol, die Concurrenz, der nichtsthuende +Genuß des fremden Blutschweisses in den vielgeschäftigen Handel mit +denselben umschlägt. Es ist endlich nothwendig, daß in dieser Concurrenz 30 +das Grundeigenthum unter der Gestalt des Capitals seine Herrschaft sowohl +über die Arbeiterklasse als über die Eigenthümer selbst zeigt, indem die +Gesetze der Bewegung des Capitals sie ruiniren oder erheben. Damit tritt +dann an die Stelle des mittelaltrigen Sprichworts: nulle terre sans seigneur, +das moderne Sprichwort: l'argent n'a pas de maître, worin die ganze Herr- 35 +schaft der todtgeschlagnen Materie über d[en] Menschen ausgesprochen +ist. I + +|XTX| 2) Was den Streit betrifft über Theilung oder Nichttheilung des + +Grundbesitzes, so ist folgendes zu bemerken. + +Die Theilung des Grundbesitzes verneint das grosse Monopol des Grund- +eigenthums, hebt es auf, aber nur dadurch, daß sie dieses Monopol ver- + +40 + +360 + + Grundrente + +5 + +allgemeinert. Sie hebt den Grund des Monopols, das Privateigenthum, nicht +auf. Sie greift die Existenz aber nicht das Wesen des Monopols an. Die Folge +davon ist, daß sie den Gesetzen des Privateigenthums zum Opfer fällt. Die +Theilung des Grundbesitzes entspricht nämlich der Bewegung der Con- +currenz auf +industriellem Gebiet. Ausser den nationalökonomischen +Nachtheilen dieser Theilung von Instrumenten und der voneinander ge +trennten Arbeit, (wohl zu unterscheiden von der Theilung der Arbeit; die +Arbeit wird nicht unter viele vertheilt, sondern dieselbe Arbeit von jedem +für sich betrieben, es ist eine Vervielfachung derselben Arbeit) schlägt diese + +10 Theilung, wie jene Concurrenz nothwendig wieder in Accumulation um. + +15 + +Wo also die Theilung des Grundbesitzes stattfindet, bleibt nichts übrig, +als zum Monopol in noch gehässiger Gestalt zurückzukehren oder die +Theilung des Grundbesitzes selbst zu negiren \ aufzuheben. Das ist aber nicht +die Rückkehr zum Feudalbesitz, sondern die Aufhebung des Privateigen- +thums an Grund und Boden überhaupt. Die erste Aufhebung des Monopols +ist immer seine Veraügemeinerung, die Erweiterung seiner Existenz. Die +Aufhebung des Monopols, welches seine möglichst breite und umfassende +Existenz erlangt hat, ist seine vollständige Vernichtung. Die Association, auf +Grund und Boden angewandt, theüt den Vortheü des grossen Grundbesitzes +in nationalökonomischer Hinsicht und realisirt erst die ursprüngüche Ten +denz der Theüung, nämlich die Gleichheit, wie sie denn auch auf eine ver +nünftige und nicht mehr durch Leibeigenschaft, Herrschaft und eine alberne +Eigenthumsmystik vermittelte Weise die gemüthliche Beziehung d[es] +Menschen zur Erde herstellt, indem die Erde aufhört, ein Gegenstand des +25 Schachers zu sein und durch die freie Arbeit und den freien Genuß wieder +ein wahres, persönüches Eigenthum d[es] Menschen wüd. Ein grosser +Vortheü der Theüung ist, daß seme Masse, in andrer Weise als die Industrie, +am Eigenthum zu Grunde geht, eine Masse, welche nicht mehr zur Knecht +schaft sich entschliessen kann. + +20 + +30 + +35 + +Was den grossen Grundbesitz angeht, so haben seine Vertheidiger immer +auf eine sophistische Weise die nationalökonomischen Vortheile, welche die +Agricultur +im Grossen darbietet, mit dem grossen Grundeigenthum +identificirt, als wenn dieser Vortheil nicht eben erst durch die Aufhebung +des Eigenthums theüs seme (|XX| möglichst grosse Ausdehnung erhielte, +theüs erst von socialem Nutzen würde. Ebenso haben sie den Verschache- +rungsgeist des kleinen Grundbesitzes angegriff en, als wenn nicht der grosse +Grundbesitz selbst schon in seiner feudalen Form, den Schacher in sich latent +enthielte, gar nicht zu Reden von der modernen englischen Form, wo +Feudalismus dies] Grundherrn und Industrieschacher des Pächters verbun- + +40 den sind. + +Wie das grosse Grundeigenthum den Vorwurf des Monopols, den ihm die + +361 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +Theilung des Grundbesitzes macht, zurückgeben kann, da auch die Theilung +auf dem Monopol des Privateigenthums basirt, so kann die Theilung des +Grundbesitzes dem grossen Grundbesitz den Vorwurf der Theilung zurück +geben, denn auch hier herrscht die Theilung, nur in starrer festgefrorner +Form. Ueberhaupt beruht ja das Privateigenthum auf dem Getheiltsein. + +Uebrigens, wie die Theilung des Grundbesitzes zum grossen Grundbesitz +als Capitalreichthum zurückführt, so muß das feudale Grundeigenthum +nothwendig zur Theilung f ortgehn oder wenigstens in die Hände d[er] Ca +pitalisten fallen, es mag sich drehn oder wenden, wie es will. + +5 + +Denn das grosse Grundeigenthum, wie in England, treibt die überwiegende 10 + +Mehrzahl der Bevölkerung der Industrie in die Arme und reducirt seine +eignen Arbeiter auf völliges Elend. Es erzeugt und vergrössert also die Macht +seines Feindes, des Capitals, d[er] Industrie, indem es Arme und eine völlige +und ganze Thätigkeit des Landes auf die andre Seite wirft. Es macht die +Majorität des Landes industriell, also zum Gegner des grossen Grund- 15 +eigenthums. Hat die Industrie nun eine hohe Macht erreicht, wie jezt in +England, so zwingt sie nach und nach dem grossen Grundeigenthum seine +Monopole gegen d[as] Ausland ab und wirft es in die Concurrenz mit dem +Grundbesitz des Auslandes. Unter der Herrschaft der Industrie konnte das +Grundeigenthum nämlich seine feudale Grösse nur durch Monopole gegen 20 +das Ausland sichern, um sich so vor den allgemeinen Gesetzen des Handels, +die seinem Feudalwesen widersprechen, zu schützen. Einmal in die Con +currenz geworfen, folgt es den Gesetzen der Concurrenz, wie jede andre +Waare, die ihr unterworfen ist. Es wird eben so schwankend, ab und zu +nehmend, aus einer Hand in die andre f hegend und kein Gesetz kann es mehr 25 +in wenigen prädesünirten Händen erhalten. ||XXl| Die unmittelbare Folge +ist Zersplitterung in viele Hände, jedenfalls Anheimfall an die Macht der +industriellen Capitalien. + +Endlich führt der grosse Grundbesitz, welcher dergestalt gewaltsam er +halten worden ist und neben sich eine furchtbare Industrie erzeugt hat, noch +schneller zur Krise, wie die Theilung des Grundbesitzes, neben welcher die +Macht der Industrie immer v[on] zweitem Rang bleibt. + +30 + +Der grosse Grundbesitz hat, wie wir in England sehn, seinen feudalen +Charakter schon insofern abgelegt und einen industriellen Charakter an +genommen, als er möglichst viel Geld machen will. Er [gibt] d[em] Eigen- 35 +thümer die möglichste Grundrente, d[em] Pächter den möglichsten Profit von +seinem Capital. Die Landarbeiter sind daher bereits auf das Minimum re +ducirt und die Pächterklasse vertritt schon innerhalb des Grundbesitzes die +Macht der Industrie und des Capitals. Durch die Concurrenz mit dem +Ausland hört die Grundrente größtentheüs auf ein selbstständiges Einkorn- 40 +men bilden zu können. Ein grosser Theil der Grundeigenthümer muß an die + +362 + + w + +Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +5 + +Stelle der Pächter treten, die auf diese Weise theilweise zum Proletariat +herabsinken. Andrerseits werden sich auch viele Pächter des Grundeigen +thums bemächtigen, denn die grossen Eigenthümer, die bei ihrer bequemen +Revenu sich größtentheüs der Verschwendung ergeben haben und meistens +auch unbrauchbar zur Leitung der Agrikultur im Grossen sind, besitzen +theüweise weder Capital noch Befähigung, um den Grund und Boden zu +exploitüen. Also auch ein Theil von diesen wird vollständig ruinüt. Endüch +muß der auf ein Minimum reducüte Arbeitslohn noch mehr reducüt werden, +um die neue Concurrenz zu bestehn. Das führt dann nothwendig zur Re- + +10 volution. + +Das Grundeigenthum mußte sich auf jede der beiden Weisen entwickeln, +um in beiden seinen nothwendigen Untergang zu erleben, wie auch die +Industrie in der Form des Monopols und in der Form der Concurrenz sich +ruüiüen mußte, um an d[en] Menschen glauben zu lernen. | + +15 + +, + +[Entfremdete Arbeit und Privateigentum] + +|XXIl| Wü sind ausgegangen von den Voraussetzungen der Nationalöko +nomie. Wü haben ihre Sprache und ihre Gesetze acceptirt. Wü untersteüten +das Privateigenthum, die Trennung von Arbeit, Capital und Erde, ebenso von +Arbeitslohn, Profit des Capitals und Grundrente, wie die Theilung der Arbeit, +20 die Concurrenz, den Begriff des Tauschwerthes etc. Aus der National +ökonomie selbst, mit ihren eignen Worten, haben wü gezeigt, daß der Ar +beiter zur Waare und zur elendsten Waare herabsinkt, daß das Elend des +Arbeiters im umgekehrten Verhältniß zur Macht und zur Grösse seiner +Production steht, daß das nothwendige Resultat der Concurrenz die +25 Accumulation des Capitals in wenigen Händen, also die fürchterüchere +Wiederherstellung des Monopols ist, daß endlich der Unterschied von +Capitaüst und Grundrentner, wie von Ackerbauer und Manufacturarbeiter +verschwindet und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigen +thümer und Eigenthumslosen Arbeiter zerfallen muß. + +30 + +Die Nationalökonomie geht vom Factum des Privateigehthums aus. Sie +erklärt uns dasselbe nicht. Sie faßt den materiellen Prozeß des Privat +eigenthums, den es in der Wüklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte +Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begrenzt diese Gesetze nicht, +d.h. sie zeigt nicht nach, wie sie aus dem Wesen des Privateigenthums +35 hervorgehn. Die Nationalökonomie giebt uns keinen Aufschluß über den +Grund der Theüung von Arbeit und Capital, von Capital und Erde. Wenn +sie ζ. B. das Verhältniß des Arbeitslohns zum Profit des Capitals bestimmt, + +363 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +so gilt ihr als lezter Grund das Interesse d[es] Capitalisten; d. h. sie unterstellt, +was sie entwickeln soll. Ebenso kömmt überall die Concurrenz hinein. Sie +wird aus äusseren Umständen erklärt. Inwiefern diese äusseren, scheinbar +zufälligen Umstände, nur der Ausdruck einer notwendigen Entwicklung +sind, darüber lehrt uns die Nationalökonomie nichts. Wir haben gesehn, wie +ihr der Austausch selbst als ein zufälliges Factum erscheint. Die einzigen +Räder, die der Nationalökonom in Bewegung sezt, sind die Habsucht und +der Krieg unter den Habsüchtigen, die Concurrenz. \ + +5 + +I Eben weil die Nationalökonomie den Zusammenhang der Bewegung nicht +begreift, darum konnte sich ζ. B. die Lehre von der Concurrenz der Lehre 10 +vom Monopol, die Lehre von der Gewerbfreiheit der Lehre von der Cor­ +poration, die Lehre von der Theilung des Grundbesitzes der Lehre vom +grossen Grundeigenthum wieder entgegenstellen, denn Concurrenz, Ge­ +werbfreiheit, Theilung des Grundbesitzes waren nur als zufällige, absicht +liche, gewaltsame, nicht als nothwendige, unvermeidliche, natürliche Con- 15 +S e q u e n z en des Monopols, der Corporation und des Feudaleigenthums ent +wickelt und begriffen. + +Wir haben also jezt den wesentlichen Zusammenhang zwischen dem +Privateigenthum, der Habsucht, der Trennung von Arbeit, Capital und +Grundeigenthum, von Austausch und Concurrenz, von Werth und Ent- 20 +werthung d[es] Menschen, von Monopol und Concurrenz etc., von dieser +ganzen Entfremdung mit dem Geld'system zu begreifen. + +Versetzen wir uns nicht wie der Nationalökonom, wenn er erklären will, +in einen erdichteten Urzustand. Ein solcher Urzustand erklärt nichts. Er +schiebt blos die Frage in eine graue, nebelhafte Ferne. Er unterstellt in der 25 +Form der Thatsache, des Ereignisses, was er deduciren soll, nämlich das +nothwendige Verhältniß zwischen zwei Dingen, z. B. zwischen Theilung der +Arbeit und Austausch. So erklärt d[er] Theologe den Ursprung des Bösen +durch den Sündenfall, d. h. er unterstellt als ein Factum, in der Form der +Geschichte, was er erklären soll. + +30 + +Wir gehn von einem Nationalökonomischen, gegenwärtigen Factum + +aus. + +Der Arbeiter wird um so ärmer, je mehr Reichthum er producirt, je mehr +seine Production an Macht und Umfang zunimmt. Der Arbeiter wird eine +um so wohlfeilere Waare, je mehr Waaren er schafft. Mit der Verwerthung 35 +der Sachenwelt, nimmt die Entwerthung der Menschenwelt in direktem +Verhältniß zu. Die Arbeit producirt nicht nur Waaren; sie producirt sich +selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare und zwar in dem Verhältniß, in +welchem sie überhaupt Waaren producirt. + +Dieß Factum drückt weiter nichts aus, als : Der Gegenstand, den die Arbeit 40 + +producirt, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von d[em] + +364 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +Producenten unabhängige Macht gegenüber. Das Product der Arbeit ist die +Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixirt, sachlich gemacht hat, es ist die +Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre +Vergegenständli||chung. Diese Verwirküchung der Arbeit erscheint in dem +nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Ver +gegenständlichung als Verlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter +dem Gegenstand, die Aneignung als Entfremdung, als Entäusserung. + +Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, daß +der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht wird. Die Vergegenständ- +lichung erscheint so sehr als Verlust des Gegenstandes, daß der Arbeiter der +nothwendigsten Gegenstände, nicht nur des Lebens, sondern auch der +Arbeitsgegenstande beraubt ist. Ja die Arbeit selbst wird zu einem Gegen +stand, dessen er nur mit der größten Anstrengung und mit den unregelmäs- +sigsten Unterbrechungen sich bemächtigen kann. Die Aneignung des Gegen- +standes erscheint so sehr als Entfremdung, daß je mehr Gegenstände der +Arbeiter producirt, er um so weniger besitzen kann und um so mehr unter +die Herrschaft seines Products, des Capitals, geräth. + +In der Bestimmung, daß der Arbeiter zum Product seiner Arbeit als einem +fremden Gegenstand sich verhält, liegen alle diese Consequenzen. Denn es +ist nach dieser Voraussetzimg klar. Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, +um so mächtiger wird die fremde, gegenständliche Welt, die er sich gegen +über schafft, um so ärmer wird er selbst, seine innre Welt, um so weniger +gehört ihm zu eigen. Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in +Gott sezt, je weniger behält er in sich selbst. Der Arbeiter legt sein Leben +in den Gegenstand; aber nun gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Gegen +stand. Je grösser also diese Thätigkeit, um so gegenstandsloser ist der Ar +beiter. Was das Produkt seiner Arbeit ist ist er nicht. Je grösser also dieß +Produkt, je weniger ist er selbst. Die Entäusserung des Arbeiters in seinem +Produkt hat die Bedeutung, nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, +zu einer äussern Existenz wird, sondern daß sie ausser ihm, unabhängig, +fremd von ihm existirt und eine selbstständige Macht ihm gegenüber wird, +daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehn hat, ihm feindlich und fremd +gegenübertritt. | + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +|XXHl| Betrachten wir nun näher die Vergegenständlichung, die Pro- +duction des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegen +standes, seines Products. + +Der Arbeiter kann nichts schaffen ohne die Natur, ohne die sinnliche +Aussenwelt. Sie ist der Stoff, an welchem sich seine Arbeit verwirklicht, in +welchem sie thätig ist, aus welchem und mittelst welchem sie producirt. + +40 + +Wie aber die Natur d[as] Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, +daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausgeübt + +365 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +wird, so bietet sie andrerseits auch d[as] Lebensnüttel in dem engern Sinn +dar, nämlich d[as] Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters selbst. + +Je mehr also der Arbeiter sich die Aussenwelt, die sinnliche Natur durch +seine Arbeit sich aneignet, um so mehr entzieht er sich Lebensmittel nach +der doppelten Seite hin, erstens daß immer mehr die sinnliche Aussenwelt +aufhört, ein seiner Arbeit angehöriger Gegenstand, ein Lebensmittel seiner +Arbeit zu sein; zweitens, daß sie immer mehr aufhört Lebensmittel im +unmittelbaren Sinn, Mittel für die physische Subsistenz des Arbeiters zu +sein. + +5 + +Nach dieser doppelten Seite hin wird der Arbeiter also ein Knecht seines 10 + +Gegenstandes, erstens daß er einen Gegenstand der Arbeit, d. h. daß er Arbeit +erhält und zweitens daß er Subsistenzmittel erhält. Erstens also daß er als +Arbeiter und zweitens, daß er als physisches Subjekt existiren kann. Die +Spitze dieser Knechtschaft ist, daß er nur mehr als Arbeiter sich als phy +sisches Subjekt erhalten [kann] und nur mehr als physisches Subjekt Arbeiter +ist. + +15 + +(Die Entfremdung des Arbeiters in seinem Gegenstand drückt sich nach +nationalökonomischen Gesetzen so aus, daß je mehr der Arbeiter producirt, +er um so weniger zu consummiren hat, daß je mehr Werthe er schafft, er +um so werthloser und so unwürdiger wird, daß je geformter sein Produkt 20 +um so mißförmiger der Arbeiter, daß je civilisirter sein Gegenstand um so +barbarischer der Arbeiter, daß um so mächtiger die Arbeit, um so ohn +mächtiger der Arbeiter wird, daß je geistreicher die Arbeit um so mehr +geistloser und Naturknecht der Arbeiter wird.) | + +25 + +\Die Nationalökonomie verbirgt die Entfremdung in dem Wesen der Ar- +beit dadurch, daß sie nicht das u n m i t t e l b a re Verhältniß zwischen dem +A r b e i t e r, (der Arbeit) und der Production betrachtet. Allerdings. Die +Arbeit producirt Wunderwerke für d[en] Reichen, aber sie producirt Ent- +blössung für d[en] Arbeiter. Sie producirt Paläste, aber Höhlen für d[en] +Arbeiter. Sie producirt Schönheit, aber Verkrüppelung für d[en] Arbeiter. 30 +Sie er sezt die Arbeit durch Maschinen, aber sie wirf t einen Theil der Arbeiter +zu einer barbarischen Arbeit zurück und macht den andren Theil zur Ma +schine. Sie producirt Geist, aber sie producirt Blödsinn, Creünismus für d[en] +Arbeiter. + +Das unmittelbare Verhältniß der Arbeit zu ihren Producten ist das Ver- +hältniß des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Production. Das Verhält +niß d[es] Vermögenden zu den Gegenständen der Production und zu ihr +selbst ist nur eine Consequenz dieses ersten Verhältnisses. Und bestätigt es. +Wir werden diese andre Seite später betrachten. Wenn wir also fragen: +Welches ist das wesentüche Verhältniß der Arbeit, so fragen wir nach dem 40 +Verhältniß des Arbeiters zur Production. + +35 + +366 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +5 + +Wir haben bisher die Entfremdung, die Entäusserung des Arbeiters nur +nach der einen Seite hin betrachtet, nämlich sein Verhältniß zu den Pro +dukten seiner Arbeit. Aber die Entfremdung zeigt sich nicht nur im Resultat, +sondern im Akt der Produktion, innerhalb der producirenden Thätigkeit +selbst. Wie würde d[em] Arbeiter d[as] Produkt seiner Thätigkeit fremd +gegenübertreten können, wenn er im Akt der Production selbst sich nicht +sich selbst entfremdete? Das Product ist ja nur das Resumé der Thätigkeit, +d[er] Production. Wenn also das Product der Arbeit die Entäusserung ist, +so muß die Production selbst die thätige Entäusserung, die Entäusserung der +10 Thätigkeit, die Thätigkeit der Entäusserung sein. In der Entfremdung des +Gegenstandes der Arbeit resumirt sich nur die Entfremdung, die Entäus +serung in der Thätigkeit der Arbeit selbst. + +20 + +Worin besteht nun die Entäusserung der Arbeit? +Erstens, daß die Arbeit dem Arbeiter äusserlich ist, d. h. nicht zu seinem +15 Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern +verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und +geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist +ruinirt. Der Arbeiter fühlt sich daher erst ausser der Arbeit bei sich und in +der Arbeit ausser sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet und wenn er +arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern +gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Be +dürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse ausserihr zu || be +friedigen. Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer +oder sonstiger Zwang existirt, die Arbeit als eine Pest geflohen wüd. Die +äusserüche Arbeit, die Arbeit, in welcher der Mensch sich entäussert, ist eine +Arbeit der Selbstaufopferung, der Kasteiung. Endlich erscheint die Aüs +serlichkeit der Arbeit für den Arbeiter darin, daß sie nicht sein eigen, sondern +eines andern ist, daß sie ihm nicht gehört, daß er in ihr nicht sich selbst, +sondern einem andern angehört. Wie in der Reügion die Selbstthätigkeit der +30 menschlichen Phantasie, des menschlichen Hüns und des menschlichen +Herzens unabhängig vom Individuum, d. h. als eine fremde, göttüche oder +teuflische Thätigkeit auf es wükt, so ist die Thätigkeit des Arbeiters nicht +seine Selbstthätigkeit. Sie gehört einem andern, sie ist der Verlust seiner +selbst. + +25 + +35 + +Es kömmt daher zu dem Resultat, daß der Mensch, (d[er] Arbeiter) nur +mehr in seinen thierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höch +stens noch Wohnung, Schmuck, etc. sich als freithätig fühlt, und in seinen +menschüchen Funktionen nur mehr als Thier. Das Thierische wüd das +Menschliche und das Menschliche das Thierische. + +40 + +Essen, Trinken und Zeugen etc. sind zwar auch echt menschliche Funk +tionen. In der Abstraktion aber, die sie von dem übrigen Umkreis mensch- + +367 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +licher Thätigkeit trennt und zu lezten und alleinigen Endzwecken macht, sind +sie thierisch. + +Wir haben den Akt der Entfremdung der praktischen menschlichen +Thätigkeit, d. Arbeit, nach zwei Seiten hin betrachtet. 1) Das Verhältniß des +Arbeiters zum Product der Arbeit als fremden und über ihn mächtigen +Gegenstand. Dieß Verhältniß ist zugleich das Verhältniß zur sinnlichen +Aussenwelt, zu den Naturgegenständen als einer fremden ihm feindlich +gegenüberstehenden Welt. 2) Das Verhältniß der Arbeit zum Akt der Pro +duction, innerhalb der Arbeit. Dieß Verhältniß ist das Verhältniß des Ar +beiters zu seiner eignen Thätigkeit als einer fremden, ihm nicht angehörigen, +d[ie] Thätigkeit als Leiden, d[ie] Kraft als Ohnmacht, d[ie] Zeugung als +Entmannung. Die eigne physische und geistige Energie des Arbeiters, sein +persönliches Leben, — denn was ist Leben als Thätigkeit — als eine wider +ihn selbst gewendete, von ihm unabhängige, ihm nicht gehörige Thätigkeit. +Die Selbstentfremdung, wie oben die Entfremdung der Sache. | + +|XXTV| Wir haben nun noch eine dritte Bestimmung der entfremdeten + +5 + +10 + +15 + +Arbeit aus den beiden bisherigen zu ziehn. + +Der Mensch ist ein Gattungswesen, nicht nur indem er praktisch und +theoretisch die Gattung, sowohl seine eigne als die der übrigen Dinge zu +seinem Gegenstand macht, sondern — und dieß ist nur ein andrer Ausdruck 20 +für dieselbe Sache — sondern auch indem er sich zu sich selbst als der +gegenwärtigen, lebendigen Gattung verhält, indem er sich zu sich als einem +universellen, darum freien Wesen verhält. + +Das Gattungsleben, sowohl beim Menschen als beim Thier, besteht +physisch einmal darin, daß der Mensch (wie das Thier), von der unorga- 25 +nischen Natur lebt, und um so universeller der Mensch als das Thier, um so +universeller ist der Bereich der unorganischen Natur, von der er lebt. Wie +Pflanzen, Tbiere, Steine, Luft, Licht etc. theoretisch einen Theil des +menschlichen Bewußtseins, theils als Gegenstände der Naturwissenschaft, +theils als Gegenstände der Kunst bilden — seine geistige unorganische Natur, 30 +geistige Lebensmittel, die er erst zubereiten muß zum Genuß und zur Ver +dauung — so bilden sie auch praktisch einen Theil des menschlichen Lebens +und der menschlichen Thätigkeit. Physisch lebt der Mensch nur von diesen +Naturprodukten, mögen sie nun in der Form der Nahrung, Heitzung, Klei +dung, Wohnung etc. erscheinen. Die Universalität des Menschen erscheint 35 +praktisch eben in der Universalität, die die ganze Natur zu seinem un +organischen Körper macht, sowohl insofern sie 1) ein unmittelbares Lebens +mittel, als inwiefern sie d. Gegenstand \ Materie und das Werkzeug seiner +Lebensthätigkeit ist. Die Natur ist der unorganische Leib d[es] Menschen, +nämlich die Natur, so weit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der 40 +Mensch lebt von der Natur, heißt: die Natur ist sein Leib, mit dem er in + +368 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische +und geistige Leben d[es] Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat +keinen andern Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn +der Mensch ist ein Theil der Natur. + +5 + +Indem die entfremdete Arbeit dem Menschen 1) die Natur entfremdet, + +2) sich selbst, seine eigne thätige Funktion, seine Lebensthätigkeit, so + +entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungs +leben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das +Gattungsleben und das individuelle Leben und zweitens macht sie das leztere +in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten +und entfremdeten Form. + +10 + +Denn erstens erscheint d[em] Menschen die Arbeit, die Lebensthätigkeit, +das produktive Leben selbst nur als ein Mittel zur Befriedigung eines Be +dürfnisses, des Bedürfnisses der Erhaltung der physischen Existenz. Das +15 produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende +Leben. In der Art der Lebensthätigkeit liegt der ganze Charakter einer +species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Thätigkeit ist der +Gattungscharakter || d[es] Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als +Lebensmittel. + +20 + +Das Thier ist unmittelbar eins mit seiner Lebensthätigkeit. Es unter +scheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebens +thätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. +Er hat bewußte Lebensthätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er +unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet +25 d[en] Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur +dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein Bewußtes Wesen, d. h. +sein eignes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. +Nur darum ist seine Thätigkeit freie Thätigkeit. Die Entfremdete Arbeit kehrt +das Verhältniß dahin um, daß der Mensch eben, weil er ein bewußtes Wesen +ist, seine Lebensthätigkeit, sein Wesen nur zu einem Mittel für seine Existenz + +30 + +macht. + +35 + +Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitungaex +unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten +Gattungswesens, d. h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem +eignen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar producirt auch +das Thier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise +etc. Allein es producirt nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges +bedarf; es producirt einseitig, während der Mensch universell producirt; es +producirt nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürf - +40 nisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfniß producirt +und erst wahrhaft producirt, in der Freiheit von demselben; es producirt nur + +369 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproducirt; sein Product +gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei +seinem Product gegenübertritt. Das Thier formirt nur nach dem Maaß und +dem Bedürfniß der species, der es angehört, während der Mensch nach dem +Maaß jeder species zu produciren weiß und überall das inhärente Maaß dem +Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formirt daher auch nach den +Gesetzen der Schönheit. + +5 + +Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der +Mensch daher erst wirklich als Gattungswesen. Diese Production ist sein +Werkthätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk 10 +und seine Wirldichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegen +ständlichung des Gattungslebens des Menschen; indem er sich nicht nur, wie +im Bewußtsein, intellektuell, sondern werkthätig, wirklich verdoppelt, und +sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher +die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Production +entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungs- +gegenständhchkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Thier in den +Nachtheil, daß seift unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird. + +15 + +Ebenso indem die entfremdete Arbeit die Selbsttätigkeit, die freie +Thätigkeit zum Mittel herabsezt, macht sie das Gattungsleben des Menschen +zum Mittel seiner physischen Existenz. | + +20 + +I Das Bewußtsein, welches der Mensch von seiner Gattung hat, verwandelt +sich durch die Entfremdung also dahin, daß das Gattungsl[eben] ihm zum +Mittel wird. + +Die entfremdete Arbeit macht also: +3) das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur, als seingeistige[s] +Gattungsvermögen zu einem ihm fremden Wesen, zum M í í ei seiner in +dividuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eignen Leib, wie +die Natur ausser ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches Wesen. + +25 + +4) Eine unmittelbare Consequenz davon, daß der Mensch dem Product 30 + +seiner Arbeit, seiner Lebensthätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet +ist, ist die Entfremdung d[es] Menschen von d[em] Menschen. Wenn der +Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegen +über. Was von dem Verhältniß des Menschen zu seiner Arbeit, zum Product +seiner Arbeit und zu sich selbst, das gut von dem Verhältniß d[es] Menschen 35 +zum andern Menschen, wie zu der Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit +d[es] andern Menschen. + +Ueberhaupt der Satz, daß dem Menschen sein Gattungswesen entfremdet +ist, heißt daß ein Mensch d[em] andern, wie jeder von ihnen dem mensch +lichen Wesen entfremdet ist. + +40 + +Die Entfremdung d[es] Menschen, überhaupt jedes V[er]hältniß, in dem + +370 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +der Mensch zu sich selbst steht[,] ist erst verwirklicht, drückt sich aus in dem +Verhältniß, in welchem der Mensch zu d[em] andern Menschen steht. + +Also betrachtet in dem Verhältniß der entf remdete[n] Arbeit jeder Mensch +d[en] andern nach dem Maaßstab und dem Verhältniß in welchem er selbst, + +5 als Arbeiter sich befindet. | + +|XXV| Wir gingen aus von einem nationalökonomischen factum, d[er] +Entfremdung des Arbeiters und seiner Production. Wir haben den Begriff +dieses factums ausgesprochen, die entfremdete, entäusserte Arbeit. Wü +haben diesen Begriff analysirt, also blos ein nationalökonomisches factum + +10 analysirt. + +Sehn wir nun weiter, wie sich der Begriff der entfremdeten, entäusserten + +Arbeit in der Wirküchkeit aussprechen und darstellen muß. + +Wenn das Produkt der Arbeit mir fremd ist, mir als fremde Macht gegen + +übertritt, wem gehört es dann? + +15 Wenn meine eigne Thätigkeit nicht mir gehört, eine fremde, eine + +erzwungne Thätigkeit ist, wem gehört sie dann? + +20 + +Einem andern Wesen als mir. +Wer ist dieß Wesen? +Die Götterl Allerdings erscheint in den ersten Zeiten die Hauptproduk- +tion, wie ζ. B. der Tempelbau etc in Aegypten, Indien, Mexiko, sowohl im +Dienst der Götter, wie auch das Product den Göttern gehört. Allein die Götter +allein waren nie die Arbeitsherrn. Ebensowenig die Natur. Und welcher +Widerspruch wäre es auch, daß je mehr der Mensch die Natur durch seine +Arbeit sich unterwirft, je mehr die Wunder der Götter überflüssig werden +25 durch die Wunder der Industrie, der Mensch diesen Mächten zu lieb auf die +Freude an der Production und auf den Genuß des Productes verzichten +sollte. + +Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Product der Arbeit gehört, in +dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Product der Arbeit steht, + +30 kann nur der Mensch selbst sein. + +Wenn das Product der Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, eme fremde +Macht ihm gegenüber ist, so ist dieß nur dadurch mögüch, daß es einem +andern Menschen ausser dem Arbeiter gehört. Wenn seme Thätigkeit ihm +Qual ist, so muß sie einem andern Genuß und die Lebensfreude eines andern +sein. Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese +fremde Macht über d[en] Menschen sein. + +Man bedenke noch den vorher aufgestellten Satz, daß das Verhältniß des +Menschen zu sich selbst ihm erst gegenständlich, wirklich ist durch sein +Verhältniß zu d[em] andern Menschen. || Wenn er sich also zu dem Product +seiner Arbeit, zu seiner vergegenständÜchten Arbeit als einem fremden, +feindlichen, mächtigen, von ihm unabhängigen Gegenstand verhält, so ver- + +35 + +40 + +371 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +hält er sich zu ihm so, daß ein anderer, ihm fremder, feindlicher, mächtiger, +von ihm unabhängiger Mensch der Herr dieses Gegenstandes ist. Wenn er +sich zu seiner eignen Thätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich +zu ihr als der Thätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und +dem Joch eines andern Menschen. + +Jede Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur erscheint +in dem Verhältniß, welches er sich und der Natur zu andern, von ihm unter- +schiednen Menschen giebt. Daher die religiöse Selbstentfremdung nothwen +dig in dem Verhältniß des Laien zum Priester erscheint, oder auch, da es sich +hier von der intellektuellen Welt handelt, zu einem Mittler etc. In der +praktischen wirklichen Welt kann die Selbstentfremdung nur durch das +praktische wirkliche Verhältniß zu andern Menschen erscheinen. Das Mittel, +wodurch die Entfremdung vorgeht, ist selbst ein praktisches. Durch die +entfremdete Arbeit erzeugt der Mensch also nicht nur sein Verhältniß zu dem +Gegenstand und dem Akt der Produktion als fremden und ihm feindüchen +Menschen; er erzeugt auch das Verhältniß in welchem andre Menschen zu +seiner Production und seinem Product stehn und das Verhältniß, in welchem +er zu diesen andern Menschen steht. Wie er seine eigne Production zu seiner +Entwirkhchung, zu seiner Strafe, wie er sein eignes Product zu dem Verlust, +zu einem ihm nicht gehörigen Product, so erzeugt er die Herrschaft dessen, +der nicht producirt, auf die Production und auf das Product. Wie er seine +eigne Thätigkeit sich entfremdet, so eignet er dem Fremden die ihm nicht +eigne Thätigkeit an. + +5 + +10 + +15 + +20 + +Wir haben bis jezt das Verhältniß nur von Seiten des Arbeiters, wir werden + +es später auch von Seiten des NichtArbeiters betrachten. + +25 + +Also durch die entfremdete, entäusserte Arbeit erzeugt der Arbeiter das +Verhältniß eines der Arbeit fremden und ausser ihr stehenden Menschen zu +dieser Arbeit. Das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit erzeugt das Verhältniß +d[es] Capitalisten zu derselben oder wie man sonst den Arbeitsherrn nennen +will. + +Das Privateigenthum ist also das Produkt, das Resultat, die nothwendige +Consequenz d[er] entäusserten Arbeit, des äusserlichen Verhältnisses des +Arbeiters || zu der Natur und zu sich selbst. + +30 + +Das Privateigenthum ergiebt sich also durch Analyse aus dem Begriff der +entäusserten Arbeit, d. i. d[es] entäusserten Menschen, der entfremdeten +Arbeit, des entfremdeten Lebens, d[es] entfremdeten Menschen. + +35 + +Wir haben allerdings den Begriff der entäusserten Arbeit, (des entäus +serten Lebens) aus der Nationalökonomie als Resultat aus der Bewegung des +Privateigenthums gewonnen. Aber es zeigt sich bei Analyse dieses Begriffes, +daß, wenn das Privateigenthum als Grund, als Ursache der entäusserten 40 +Arbeit erscheint, es vielmehr eine Consequenz der selben ist, wie auch die + +372 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +Götter ursprünglich nicht die Ursache, sondern die Wirkung der menschli +chen Verstandesverirrung sind. Später schlägt dieß Verhältniß in Wechsel +wirkung um. + +5 + +Erst auf dem lezten Culminationspunkt der Entwicklung des Privat- +eigenthums tritt dieses sein Geheimniß wieder hervor, nämlich, einerseits, +daß es das Produkt der entäusserten Arbeit und zweitens daß es das Mittel +ist, durch welches sich die Arbeit entäussert, die Realisation dieser Ent +äusserung. + +Diese Entwicklung giebt sogleich Licht über verschiedne bisher ungelöste + +10 Collisionen. + +1) Die Nationalökonomie geht von der Arbeit als der eigentlichen Seele +der Production aus und dennoch giebt sie der Arbeit nichts und dem Privat +eigenthum Alles. Proudhon hat aus diesem Widerspruch zu Gunsten der +Arbeit wider das Privateigenthum geschlossen. Wir aber sehn ein, daß dieser +scheinbare Widerspruch der Widerspruch der entfremdeten Arbeit mit sich +selbst ist, und daß die Nationalökonomie nur die Gesetze der entfremdeten +Arbeit ausgesprochen hat. + +15 + +Wir sehn daher auch ein, daß Arbeitslohn und Privateigentum identisch +sind: denn der Arbeitslohn, wo das Product, der Gegenstand der Arbeit die +20 Arbeit selbst besoldet, ist nur eine nothwendige Consequenz von der Ent +fremdung der Arbeit, wie denn im Arbeitslohn auch die Arbeit nicht als +Selbstzweck, sondern als der Diener des Lohns erscheint. Wir werden dieß +später ausführen und ziehen jezt nur noch einige Conse||[XX]Vl|[que]nzen. +Eine gewaltsame Erhöhung des Arbeitslohns, (von allen andern Schwierig- +25 keiten abgesehn, abgesehn davon, daß sie als eine Anomalie auch nur ge +waltsam aufrecht zu erhalten wäre) wäre also nichts als eine bessere Sa- +larirung d[es] Sklaven und hätte weder dem Arbeiter, noch der Arbeit ihre +menschliche Bestimmung und Würde erobert. + +Ja selbst die Gleichheit der Salate, wie sie Proudhon fordert, verwandelt +30 nur das Verhältniß des jetzigen Arbeiters zu seiner Arbeit in das Verhältniß +aller Menschen zur Arbeit. Die Gesellschaft wird dann als abstrakter Capi +talist gefaßt. + +Arbeitslohn ist eine unmittelbare Folge der entfremdeten Arbeit und die +entfremdete Arbeit ist die unmittelbare Ursache des Privateigenthums. Mit + +35 der einen muß daher auch die andere Seite fallen. + +2) Aus dem Verhältniß der entfremdeten Arbeit zum Privateigenthum folgt +ferner, daß die Emancipation der Gesellschaft vom Privateigenthum etc, von +der Knechtschaft in der politischen Form der Arbeiteremancipation sich +ausspricht, nicht als wenn es sich nur um ihre Emancipation handelte, +sondern weil in ihrer Emancipation die allgemein menschliche enthalten ist, +diese ist aber darin enthalten, weü die ganze menschüche Knechtschaft in + +40 + +373 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I + +dem Verhältniß des Arbeiters zur Production involvirt ist und alle +Knechtsschaftsverhältnisse nur Modificai|tionen und (Konsequenzen dieses +Verhältnisses sind. + +Wie wir aus dem Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeit den Begriff + +des Privateigenthums durch Analyse gefunden haben, so können mit Hülfe +dieser beiden factoren alle nationalökonomischen Categorien entwickelt +werden und wir werden in jeder Categorie, wie z. B. d[em] Schacher, d[er] +Concurrenz, d[em] Capital, d[em] Geld, nur einen bestimmten und ent +wickelten Ausdruck dieser ersten Grundlagen wiederfinden. + +5 + +Bevor wir jedoch diese Gestaltung betrachten, suchen wir noch zwei 10 + +Aufgaben zu lösen. + +1) Das allgemeine Wiesen des Privateigenthums, wie es sich als Resultat +der entfremdeten Arbeit ergeben hat, in seinem Verhältniß zum wahrhaft +menschlichen und socialen Eigenthum zu bestimmen; + +2) Wir haben die Entfremdung der Arbeit, ihre Entäusserung als ein +Factum angenommen und dieß factum analysirt. Wie, fragen wir nun, kömmt +der Mensch dazu, seine Arbeit zu entäussern, zu entfremden? Wie ist diese +Entfremdung im Wesen der menschlichen Entwicklung begründet? Wir +haben schon viel für die Lösung der Aufgabe gewonnen, indem wir die Frage +nach dem Ursprung des Privateigenthums in die Frage nach dem Verhältniß +der entäusserten Arbeit zum Entwicklungsgang der Menschheit verwandelt +haben. Denn wenn man v[om] Privateigenthum spricht, so glaubt man es mit +einer Sache ausser d[em] Menschen zu thun zu haben. Wenn man von der +Arbeit spricht, so hat man es unmittelbar mit d[em] Menschen selbst zu thun. +Diese neue Stellung der Frage ist inclusive schon ihre Lösung. + +ad.l Allgemeines Wesen des Privateigenthums und sein Verhältniß zum + +wahrhaft menschlichen Eigenthum. \ + +/ in zwei Bestandteile, die sich wechselseitig bedingen, oder die nur +verschiedne Ausdrücke eines und desselben Verhältnisses sind, hat sich uns +die entäusserte Arbeit aufgelöst, die Aneignung erscheint als Entfremdung, +als Entäusserung und die Entäusserung als Aneignung, die Entfremdung als +die wahre Einbürgerung. + +15 + +20 + +25 + +30 + +Wir haben die eine Seite betrachtet, die entäusserte Arbeit in Bezug auf +d[en] Arbeiter selbst, d. h. das Verhältniß der entäusserten Arbeit zu sich +selbst. Als Produkt, als nothwendiges Resultat dieses Verhältnisses haben 35 +wir das Eigenthumsverhältniß des NichtArbeiters zum Arbeiter und der +Arbeit gefunden. Das Privateigenthum, als der materielle, resumirte Aus +druck der entäusserten Arbeit umfaßt beide Verhältnisse, das Verhältniß des +Arbeiters zur Arbeit und zum Product seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter +und das Verhältniß des Nichtarbeiters, zum Arbeiter, und dem Product seiner +Arbeit. + +40 + +374 + + Entfremdete Arbeit und Privateigentum + +Wenn wir nun gesehn haben, daß in Bezug auf den Arbeiter, welcher sich +durch die Arbeit die Natur aneignet, die Aneignung als Entfremdung er +scheint, die Selbstthätigkeit als Thätigkeit für einen andern und als Thätigkeit +eines andern, die Lebendigkeit als Aufopferung des Lebens, die Production +des Gegenstandes als Verlust des Gegenstandes an eine fremde Macht, an +einen fremden Menschen, so betrachten wir nun das Verhältniß dieses der +Arbeit und dem Arbeiter fremden Menschen zum Arbeiter, zur Arbeit und +ihrem Gegenstand. + +Zunächst ist zu bemerken, daß alles, was bei dem Arbeiter als Thätigkeit +der Entäusserung, der Entfremdung, bei dem Nichtarbeiter als Zustand der +Entäusserung, der Entfremdung erscheint. + +Zweitens, daß das wkkliche, praktische Verhalten des Arbeiters in der +Production und zum Product (als Gemüthszustand,) bei dem ihm gegen +überstehenden Nichtarbeiter als theoretisches Verh[a]lten erscheint. | + +|XXVIl| Drittens. Der Nichtarbeiter thut alles gegen d[en] Arbeiter, was +der Arbeiter gegen sich selbst thut, aber er thut nicht gegen sich selbst, was +er gegen d[en] Arbeiter thut. + +Betrachten wir näher diese drei Verhältnisse. | + +375 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) + +[Heft II ( ü b e r l i e f e r t er Teil)] + +[Das Verhältnis des Privateigentums] + +[...] |XL| Zinsen seines Capitals bildet. An dem Arbeiter existirt es also +s[ub]jektiv, daß das Capital der sich ganz abhanden gekommene Mensch ist, +wie es am Capital objektiv existirt, daß die Arbeit der sich abhanden ge- +kommene Mensch ist. Der Arbeiter hat aber das Unglück ein lebendiges und +daher bedürftiges Capital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, +seine Zinsen und damit seine Existenz verliert. Als Capital steigt Werth des +Arbeiters nach Nachfrage und Zufuhr und auch physisch wird und wird +gewußt sein Dasein, sein Leben als eine Zufuhr von Waare, wie jeder andern +Waare. Der Arbeiter producirt das Capital, das Capital producirt ihn, er also +sich selbst, und der Mensch als Arbeiter, als Waare ist das Product der ganzen +Bewegung. Dem Menschen der nichts mehr ist als Arbeiter und als Arbeiter +sind seine menschlichen Eigenschaften nur da, insofern sie für das ihm +fremde Capital da sind. Weil sich aber beide fremd sind, daher in einem +gleichgültigen, äusserlichen und zufälligen Verhältnisse stehn, so muß diese +Fremdheit auch als wirklich erscheinen. Sobald es also dem Capital einfällt +— notwendiger oder willkührücher Einfall — nicht mehr für den Arbeiter +zu sein, ist er selbst nicht mehr für sich, er hat keine Arbeit, darum keinen +Lohn und da er nicht als Mensch, sondern als Arbeiter Dasein hat, so kann +er sich begraben lassen, verhungern etc. Der Arbeiter ist nur als Arbeiter da, +sobald er für sich als Capital da ist, und er ist nur als Capital da, sobald ein +Capital für ihn da ist. Das Dasein des Capitals ist sein Dasein, sein Leben, +wie es den Inhalt seines Lebens auf eine ihm gleichgültige Weise bestimmt. +Die Nationalökonomie kennt daher nicht den unbeschäftigten Arbeiter, den +Arbeitsmenschen, so weit er sich ausser diesem Arbeitsverhältniß befindet. +Der Spitzbube, Gauner, Bettler, der unbeschäftigte, der verhungernde, der +elende und verbrecherische Arbeitsmensch, sind Gestalten, die nicht für sie, + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +376 + + Das Verhältnis des Privateigentums + +5 + +sondern nur für andre Augen, für die des Arztes, des Richters, des Tod- +tengräbers und Bettelvogts etc existiren, Gespenster ausserhalb ihres Reichs. +Die Bedürfnisse des Arbeiters sind daher für sie nur das Bedürfniß ihn +während der Arbeit zu unterhalten und 11 so weit, daß das Arbeitergeschlecht +nicht ausst[kbt] Der Arbeitslohn hat daher ganz denselben Sinn, wie die +Unterhaltung, in Standerhaltung jedes andern produktiven Instruments, wie +die Consumtion des Capitals überhaupt, deren es bedarf, um sich mit Zinsen +zu reproduciren; wie das Oel, welches an die Räder verwandt wird, um sie +in Bewegung zu halten. Der Arbeitslohn gehört daher zu den nöthigenXosfen +10 des Capitals und d[es] Capitaüsten und darf das Bedürfniß dieser Noth nicht +überschreiten. Es war daher ganz consequent, wenn englische Fabrikherrn +vor d[er] Amendment bül von 1834 die öffentlichen Almosen, die der Ar +beiter vermittelst der Armentaxe empfing von seinem Arbeitslohn abzogen +und als einen integrirenden Theü desselben betrachteten. + +15 + +Die Production producüt den Menschen nicht nur als eine Waare, die +Menschenwaare, den Menschen in der Bestimmung der Waare, sie producüt +ihn, dieser Bestimmung entsprechend, als ein eben so geistigwie körperlich +entmenschtes Wesen, — Immoraütät, Mißgeburt, Hebetismus der Arbeiter +und d[er] Capitalisten. Ihr Product ist die selbstbewußte und selbsttätige +20 Waare,... die Menschen waare Grosser Fortschritt von Ricardo, Mül etc +gegen Smith und Say das Dasein d[es] Menschen — die größre oder kleinre +Menschenproduktivität der Waare als gleichgültig und sogar schädlich zu +erklären. Nicht, wie viel Arbeiter ein Capital unterhalte, sondern wie viel +Zinsen es bringe, die Summe der jährÜchen Ersparungen sei der wahre +25 Zweck der Production. Es war ebenfalls ein grosser und consequenter +Fortschritt der neuren ||XLl| engüschen Nationalökonomie, daß sie, — +welche die Arbeit zum einzigen Princip der Nationalökonomie erhebt — +zugleich mit völüger Klarheit das umgekehrte Verhältniß zwischen dem +Arbeitslohn und den Zinsen des Capitals auseinandersezte und daß der +30 Capitaüst in der Regel nur durch die Herabdrückung des Arbeitslohns, wie +umgekehrt, gewinnen könne. Nicht die Uebervortheüung d[er] Consumen- +ten, sondern die wechselseitige Uebervortheüung von Capitalist und Ar +beiter sei das normale Verhältniß. + +Das Verhältniß des Privateigenthums enthält in sich latent das Verhältniß +35 des Privateigenthums als Arbeit, wie das Verhältniß desselben als Capital +und die Beziehung dieser beiden Ausdrücke aufeinander. Die Production der +menschlichen Thätigkeit als Arbeit, also als einer sich ganz fremden, d[em] +Menschen und der Natur, daher dem Bewußtsein und der Lebensäusserung +auch fremden Thätigkeit, die abstrakte Existenz d[es] Menschen als eines +blosen Arbeitsmenschen, der daher täglich aus seinem erfüllten Nichts in das +absolute Nichts, sein gesellschaftüches und darum sein wüküches Nicht- + +40 + +377 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) + +dasein hinabstürzen kann—wie andrerseits die Production des Gegenstandes +der menschlichen Thätigkeit als Capital, worin alle natürliche und gesell +schaftliche Bestimmtheit des Gegenstands ausgelöscht ist, das Privat +eigenthum seine natürliche und gesellschaftliche Qualität (also alle poli +tischen und geselligen Dlusionen verloren hat und mit keinen scheinbar +menschlichen Verhältnissen vermischt ist) verloren hat — worin auch das- +selbe Capital in d[em] verschiedenartigsten natürlichen und gesellschaft +lichen Dasein dasselbe bleibt, vollkommen gleichgültig gegen seinen wirk +lichen Inhalt ist — dieser Gegensatz auf die Spitze getrieben ist nothwendig +die Spitze, die Höhe und der Untergang des ganzen Verhältnisses. Es ist +daher wieder eine grosse That der neuern englischen Nationalökonomie, die +Grundrente als den Unterschied der Zinsen des schlechtesten der Cultur +angehörigen Landes und der des besten Culturlandes angegeben, die ro +mantischen Einbildungen des Grundeigenthümers — seine angeblich sociale +Wichtigkeit und die Identität seines Interesses mit dem Interesse der Ge +sellschaft, II die noch nach den Physiokraten Adam Smith behauptet — +nachgewiesen] und die Bewegung der Wirklichkeit anticipirt und vorbereitet +zu [haben,] die den Grundeigenthümer in einen ganz gewöhnlichen, pro +saischen Capitalisten verwandeln, dadurch den Gegensatz vereinfachen, +zuspitzen und damit seine Auflösung beschleunigen wird. Die Erde als Erde, +die Grundrente als Grundrente haben damit ihren Standesunterschied ver +loren und sind zum nichtssagenden oder vielmehr nur Geldsaugenden Capital +und Meresse geworden. + +Der Unterschied von Capital und Erde, von Gewinn und Grundrente, wie +beider vom Arbeitslohn, von der Industrie und der Agricultur, von dem +unbeweglichen und beweglichen Privateigenthum ist ein noch historischer, +nicht im Wesen der* Sache begründeter Unterschied, ein fixirtes Bildungs +und Entstehungsmoment des Gegensatzes von Capital und Arbeit. In der +Industrie etc im Gegensatz zum unbeweglichen Grundeigenthum ist nur die +Entstehungsweise und der Gegensatz, in dem sich die Industrie zur Agri +kultur ausgebildet hat, ausgedrückt. Als eine besondre Art der Arbeit, als +ein wesentlicher, gewichtiger, das Leben umfassender Unterschied besteht +dieser Unterschied nur, so lange die Industrie (das Stadtleben) gegenüber +dem Landbesitz (dem adligen Leben \ Feudalleben) sich bildet und noch den +feudalen Charakter ihres Gegensatzes an sich selbst in der Form des Mono +pols, Zunft, Gilde, Corporation etc trägt, innerhalb welcher Bestimmungen +die Arbeit noch eine scheinbar gesellschaftliche Bedeutung, noch die Be +deutung des wtklichen Gemeinwesens hat, noch nicht zur Gleichgültigkeit +gegen ihren Inhalt und zum völligen Sein für sich selbst, d. h. zur Abstraktion +von allem andern Sein, und darum auch noch nicht zum freigelaßnen Capital +fortgegangen ist. ||XLIl| Aber die nothwendige Entwicklung der Arbeit ist + +378 + + w + +Das Verhältnis des Privateigentums + +die freigelaßne als solche für sich constituüte Industrie und das freigelaßne +Capital. Die Macht der Industrie über ihren Gegensatz zeigt sich sogleich +in der Entstehung der Agricultur als einer wüküchen Industrie, während sie +früher die Hauptarbeit dem Boden überließ und dem Sklaven dieses Bodens, +durch welchen dieser sich selbst baute. Mit der Verwandlung des Sklaven +in einen freien Arbeiter, d. h. in einen Söldling, ist der Grundherr an sich in +einen Industrieherrn, einen Capitalisten verwandelt, eme Verwandlung, die +zunächst durch das Mittelgüed des Pächters geschieht. Aber der Pächter ist +der Repräsentant, das offenbarte Geheimniß des Grundeigenthümer s ; nur +durch um ist sein nationalökonomisches Dasein, sein Dasein als Privat- +eigenthümer — denn die Grundrente seiner Erde ist nur durch die Concurrenz +der Pächter — also ist der Grundherr wesentüch schon im Pächter ein ge +meiner Capitaüst geworden. Und dieß muß sich auch in der Wüklichkeit +vollziehn, der Agricultur treibende Capitaüst — der Pächter — muß Gründ +herr werden oder umgekehrt. Der Industrieschacher des Pächters ist der +des Grundeigentümers, denn das Sein d[es] ersten sezt das Sein d[es] +zweiten. + +5 + +10 + +ls + +25 + +Als ihrer gegensätzlichen Entstehung sich erinnernd, ihrer Herkunft—der +Grundeigenthümer weiß den Capitaüsten als seinen übermüthigen, frei- +20 gelaßnen, bereicherten Sklaven von gestern und sieht sich selbst als Capi +talist durch jenen bedroht — der Capitaüst weiß den Grundeigenthümer als +den nichtsthuenden und grausamen \ egoistischen Herrn von gestern, er +weiß, daß er ihn als Capitaüst beeüiträchtigt, doch der Industrie seine ganze +jetzige gesellschaftliche Bedeutung, seme Habe und seinen Genuß verdankt, +er sieht in ihm einen Gegensatz der freien Industrie und des freien, von jeder +Naturbestimmung unabhängigen Capitals — dieser Gegensatz ist höchst +bitter und sagt sich wechselseitig die Wahrheit. Man braucht nur die Angriffe +des unbeweglichen Eigenthums auf das bewegliche und umgekehrt zu lesen, +um sich von ihrer wechselseitigen Nichtswürdigkeit ein anschauüches Bild +30 zu verschaffen. Der Grundeigenthümer macht den Geburtsadel seines +Eigenthums, die feudalen souvenus, \Rerniniscenzen, /| die Poesie der Er +innerung, sein Schwärmerisches Wesen, seme politische Wichtigkeit etc +geltend und wenn sie nationalökonomisch sprechen, der Landbau sei allein +produktiv. Er schüdert zugleich semen Gegner als einen schlauen, feü- +35 bietenden, mäkelnden, betrügerischen, habsüchtigen, verkäuflichen, empö +rungssüchtigen, Herz und Geistlosen, dem Gemeinwesen entfremdeten und +es verschachernden, wuchernden, kuppelnden, sklavischen, schönthuenden, +geschmeidigen, prellenden, +trocknen, die Concurrenz und daher den +Pauperismus und d[as] Verbrechen, die Auflösung aüer socialen Bande +40 erzeugenden, nährenden, hätschelnden Geldschurken ohne Ehre, ohne +Grundsätze, ohne Poesie, ohne Substanz, ohne aües. (Siehe unter andern den + +379 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) + +Physiokraten Bergasse, den schon Camille Desmoulins in seinem Journal: +„Revolutions de France et de Brabant" geisselt, siehe von Vincke, Lan- +cizolle, Haller, Leo, Kosegarten, //den gespreizten, althegelschen Theologen +Funke, der mit Thränen in den Augen, nach Herrn Leo erzählt, wie ein +Sklave, bei der Aufhebung der Leibeigenschaft, sich geweigert habe auf- +zuhören, ein adliges Eigenthum zu sein. (/ Siehe auch Justus Mosers patrio +tische Phantasien, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nicht einen Augen +blick den biedern, Weinbürgerlichen, +[bo]rnirten Horizont des Philisters verlassen und dennoch +Phantastereien sind. Dieser Widerspruch hat sie so ansprechend für das 10 +deutsche Gemüth gemacht. // Und sieh Sismondi.) + +|/ [„haus]backenen" gewöhnlichen, +reine + +5 + +15 + +Das bewegliche Eigenthum seiner Seits zeigt auf d[ie] Wunder der Indu +strie und der Bewegung, es ist das Kind der modernen Zeit und ihr be +rechtigter eingeborner Sohn; es bedauert seinen Gegner als einen über sein +Wesen unaufgeklärten (und das ist vollkommen richtig) Schwachkopf, der +an die Stelle des moralischen Capitals und der freien Arbeit die rohe un +moralische Gewalt und die Leibeigenschaft setzen wolle; es schildert ihn als +einen Don Quixotte, der unter dem Schein der Gradheit, Biederheit, des +allgemeinen +Interesses, des Bestandes, die Bewegungsunfähigkeit, die +Habsüchtige Genußsucht, die Selbstsucht, das Sonderinteresse, die 20 +schlechte Absicht verstecke; es erklärt ihn für einen durchtriebnen Mono +polisten ; seine Reminiscenzen, seine Poesie, seine Schwärmerei dämpft es +durch eine historische und sarkastische Aufzählung der Niederträchtigkeit, +Grausamkeit, Wegwerfung, Prostitution, Infamie, Anarchie, Empörung, +deren Werkstätte die romantischen Schlösser waren. /|XLIIl| Es habe der 25 +Welt die politische Freiheit verschafft, die Fesseln der bürgerlichen Ge +sellschaft gelöst, die Welten miteinander verbunden, den Menschenfreund +lichen Handel, die reine Moral, die gefällige Bildung geschaffen; es habe dem +Volk statt seiner rohen civilisirte Bedürfnisse und die Mittel ihrer Befrie +digung gegeben, während der Grundeigenthümer — dieser unthätige und nur 30 +genante Kornwucherer — dem Volk die ersten Lebensmittel vertheure, +dadurch d[en] Capitalisten zwinge den Arbeitslohn zu erhöhen, ohne die +Productionskraft erhöhen zu können, so das jährliche Einkommen der +Nation, die Accumulation der Capitalien, also die Möglichkeit d[em] Volk +Arbeit und d[em] Land Reichthum zu verschaffen, verhindre, endlich ganz 35 +aufhebe, einen allgemeinen Untergang herbeiführe und alle Vortheile der +modernen Civilisation wucherisch ausbeute, ohne das Geringste für sie zu +thun und gar ohne von seinen Feudalvorurtheilen abzulassen. Endlich solle +er nur auf seinen Pächter sehn—er, für den der Landbau und der Boden selbst +nur als eine ihm geschenkte Geldquelle existirt — und er solle sagen, ob er 40 +nicht ein biedrer, phantastischer, schlauer Schurke sei, der dem Herzen und + +380 + + Das Verhältnis des Privateigentums + +der Wirklichkeit nach der freien Industrie und dem lieblichen Handel schon +längst angehöre, so sehr er sich auch dagegen sträube und so viel er von +historischen Erinnerungen und sittlichen oder politischen Zwecken plaudre. +Alles, was er wirklich zu seinen Gunsten vorbringe, sei nur wahr für d[ie] +5 Landbauer (d[ie] Capitalisten und die Arbeitsknechte), deren Feind vielmehr +der Grundeigenthümer sei; er beweise also gegen sich selbst. Ohne Capital +sei das Grundeigenthum todte, werthlose Materie. Sein civilisirter Sieg sei +es eben, an die Stelle des todten Dings die menschliche Arbeit als Quelle des +Reichthums entdeckt und geschaffen zu haben. (Siehe Paul Louis Courier, +10 St. Simon, Ganilh, Ricardo, Mill, Mac-Culloch, Destutt de Tracy und Michel + +Chevalier.) + +Aus dem wirklichen Lauf der Entwicklung (hier einzufügen) folgt der +nothwendige Sieg d[es] Capitalisten, d.h. des ausgebildeten Privateigen +thums, über d[as] unausgebildete, halbe, d[en] Grundeigenthümer, wie über- +15 haupt schon die Bewegung über die Unbeweglichkeit, die offene selbst +bewußte Gemeinheit über die versteckte und bewußtlose, die Habsuchtüber +die Genußsucht, der eingestandne, weltkluge, rastlose, vielgewandte Eigen +nutz der Aufklärung über den lokalen, biedern, trägen und phantastischen +Eigennutz des Aberglaubens wie das Geld über die andre Form des Privat- + +20 eigenthums siegen muß. + +1 + +25 + +I Die Staaten, welche etwas von der Gefahr der vollendeten freien Indu +strie, der vollendeten reinen Moral und dem vollendeten menschenfreund +lichen Handel ahnen, suchen die Capitalisirung des Grundeigenthums—aber +ganz vergeblich — aufzuhalten. + +Das Grundeigenthum, in seinem Unterschied von dem Capital, ist das +Privateigenthum, das Capital noch von lokalen und politischen Vorurthei- +len behaftet, das noch nicht ganz aus seiner Verstrickung mit der Welt zu +sich selbst gekommene, das noch unvollendete Capital. Es muß im Laufe +seinem abstrakten, d.h. reinen Ausdruck ge- +seiner Weltbildung zu + +30 langen. + +Das Verhältniß des Privateigenthums ist Arbeit, Capital und die Beziehung +beider. Die Bewegung, die diese Glieder zu durchlaufen haben, sind: + +Erstens: unmittelbare oder vermittelte Einheit beider. +Capital und Arbeit erst noch vereint; dann zwar getrennt und entfremdet, + +35 + +aber sich wechselseitig als positive Bedingungen hebend und fördernd. + +Gegensatz beider. Schliessen sich wechselseitig aus und der Arbeiter weiß +d[en] Capitalisten und umgekehrt als sein Nichtdasein; jeder sucht dem +andern sein Dasein zu entreissen. + +Gegensatz jedes gegen sich selbst. Capital = aufgehäufter Arbeit = Arbeit. +40 Als solche zerfallend in sich und seine Zinsen, wie diese wieder in Zinsen + +381 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) + +und Gewinn. Restlose Aufopferung des Capitalisten. Er fällt in die Arbeiter +klasse, wie der Arbeiter — aber nur ausnahmsweise — Capitalist wird. Arbeit +als Moment des Capitals, seine Kosten. Also der Arbeitslohn ein Opfer des +Capitals. + +Arbeit zerfallen in sich und den Arbeitslohn. Arbeiter selbst ein Capital + +und Waare. + +Feindlicher wechselseitiger Gegensatz. \ + +382 + + Ergänzung zu Heft II. Privateigentum und Arbeit + +[Heft III] + +[Ergänzung zu Heft 11, Seite XXXVI] +[Privateigentum und Arbeit] + +5 + +15 + +|l| ad. pag. XXXVI. Das subjektive Wesen des Privateigenthums, das Privat- +eigenthum als für sich seiende Thätigkeit, als Subjefo, als Person, ist die +Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die +Arbeit als ihr Princip erkannte, — Adam Smith — also nicht mehr das Privat +eigenthum nur mehr als einen Zustand ausser dem Menschen wußte, — daß +diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie und +10 Bewegung des Privateigenthums (sie ist die für sich im Bewußtsein gewordne +selbstständige Bewegung des Privateigenthums, die moderne Industrie als +Selbst) zu betrachten ist, als ein-Produkt der modernen Industrie, wie sie +andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, +verherrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetisch- +diener, als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalöko +nomie, die das subjektive Wesen des Reichthums — innerhalb des Privat +eigenthums — entdeckt hat, die Anhänger des Geld und Merkantilsystems, +welche das Privateigenthum als ein nur gegenständliches Wesen für d[en] +Menschen wissen. Engels hat daher mit Recht Adam Smith den na- +tionalökonomischen Luther genannt. Wie Luther als das Wesen der äus- +serüchen Welt d[er] Religion den Glauben erkannte und daher dem katho +lischen Heidenthum gegenüber trat, wie er die äussere Religiosität aufhob, +indem er die Reügiosität zum innern Wesen d[es] Menschen machte, wie er +den ausser dem Laien vorhandnen Pfaffen negüte, weü er den Pfaffen in +25 das Herz des Laien versetzte, so wüd der ausser dem Menschen befindüche +und von ihm unabhängige—also nur auf eine äusserliche Weise zu erhaltende +und zu behauptende — Reichthum aufgehoben, d. h. diese seine äusserliche +gedankenlose Gegenständlichkeit wüd aufgehoben, indem sich das Privat- + +20 + +383 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +15 + +5 + +eigenthum incorporirt im Menschen selbst und der Mensch selbst als sein +Wesen erkannt — aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung des +Privateigenthums wie bei Luther der Religion gesezt wird. Unter dem Schein +einer Anerkennung d[es] Menschen, ist also die Nationalökonomie, deren +Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die conséquente Durchführung der Ver- +läugnung des Menschen, indem er selbst nicht mehr in einer äusserüchen +Spannung zu dem äusserüchen Wesen des Privateigenthums steht, sondern +er selbst dieß gespannte Wesen des Privateigenthums geworden ist. Was +früher sich Aüsserlichsein, reale Entäusserung d[es] Menschen, ist nur zur +That der Entäusserung, zur Veräusserung geworden. Wenn also jene Na- 10 +tionalökonomie unter dem Schein der Anerkennung des Menschen, seiner +Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit, etc beginnt und wie sie in das Wesen d[es] +Menschen selbst das Privateigenthum versezt, nicht mehr durch die lokalen, +nationalen etc Bestimmungen des Privateigenthums als eines ausser ihr +existirenden \\ Wesens bedingt sein kann, also eine kosmopolitische, all- +gemeine, jede Schranke, jedes Band umwerfende Energie entwickelt, um +sich als die einzige Politik, Allgemeinheit, Schranke und Band an die Stelle +zu setzen — so muß sie bei weitrer Entwicklung diese Scheinheiligkeit ab +werfen, in ihrem ganzen Cynismus hervortreten und sie thut dieß, indem sie +— unbekümmert um alle scheinbaren Widersprüche, worin diese Lehre sie 20 +verwickelt — viel einseitiger, darum schärfer und consequenter die Arbeit +als das einzige Wesen des Reichthums entwickelt, die Consequenzen dieser +Lehre im Gegensatz zu jener ursprünglichen Auffassung vielmehr als +Menschenfeindliche nachweist und endlich dem lezten, individuellen, natür +lichen, unabhängig von der Bewegung der Arbeit existirenden Dasein des +Privateigenthums und Quelle des Reichthums — der Grundrente, diesen +schon ganz nationalökonomisch gewordnen und daher gegen die National +ökonomie widerstandsunfähigen Ausdruck des Feudaleigenthums — den +Todesstoß giebt. (Schule des Ricardo.) Nicht nur wächst der Cynismus der +Nationalökonomie relativ von Smith über Say bis zu Ricardo, Mill etc; 30 +insofern die Consequenzen der Industrie den leztern entwickelter und wider +spruchsvoller vor die Augen treten; sondern auch positiv gehn sie immer und +mit Bewußtsein weiter in der Entfremdung gegen d[en] Menschen als ihr +Vorgänger, aber nur, weil ihre Wissenschaft sich consequenter und wahrer +entwickelt. Indem sie das Privateigenthum in seiner thätigen Gestalt zum 35 +Subjekt machen, also zugleich d[en] Menschen zum Wesen und zugleich den +Menschen als ein Unwesen zum Wesen machen, so entspricht der Wider +spruch der Wirklichkeit vollständig dem widerspruchsvollen Wesen, das sie +als Princip erkannt haben. Die zerrißne ||n| Wirklichkeit der Industrie be +stätigt ihr in sich zerrißnes Princip, weit entfernt, es zu widerlegen. Ihr 40 +Princip ist ja das Princip dieser Zerrissenheit. + +25 + +384 + + Ergänzung zu Heft II. Privateigentum und Arbeit + +5 + +15 + +Die physiokratische Lehre von Dr. Quesnay bildet den Uebergang aus dem +Mercantilsystem zu Adam Smith. Die Physiokratie ist unmittelbar die na +tionalökonomische Auflösung des Feudaleigenthums, aber darum eben so +unmittelbar die nationalökonomische Umwandlung, Wiederherstellung des- +selben, nur daß seine Sprache nun nicht mehr feudal, sondern ökonomisch +wird. Aller Reichthum wird aufgelöst in die Erde und den Landbau; +(Agrikultur) die Erde ist noch nicht Capital, sie. ist noch eine besondre +Daseinsweise desselben, die in ihrer und um ihrer natürlichen Besonderheit +willen gelten soll; aber die Erde ist doch ein allgemeines natürliches Element, +10 während das Merkantüsystem nur das edle Metall als Existenz des Reich +thums kennt. Der Gegenstand des Reichthums, seine Materie, hat also so +gleich die höchste Allgemeinheit innerhalb der Naturgrenze, — insofern er +noch als Natur unmittelbar gegenständlicher Reichthum ist — erhalten. Und +die Erde ist nur durch die Arbeit, die Agrikultur für den Menschen. Also wird +schon das subjektive Wesen des Reichthums in die Arbeit versezt. Aber +zugleich ist die Agricultur die einzig produktive Arbeit. Also ist die Arbeit +noch nicht in ihrer Allgemeinheit und Abstraktion gefaßt, sie ist noch an ein +besondres Naturelement als ihre Materie gebunden, sie ist daher auch nur +noch in einer besonderen Naturbestimmten Daseinsweise erkannt. Sie ist +daher erst eine bestimmte, besondre Entäusserung d[es] Menschen, wie ihr +Product auch als ein bestimmter, — mehr noch der Natur als ihr selbst +anheimfallender Reichthum — gefaßt ist. Die Erde wird hier noch als von +Menschen unabhängiges Naturdasein anerkannt, noch nicht als Capital, d. h. +als ein Moment der Arbeit selbst. Vielmehr erscheint die Arbeit als ihr +25 Moment. Indem aber der Fetischismus des alten äusserlichen nur als Gegen +stand existirenden Reichthums auf ein sehr einfaches Naturelement reducirt +und sein Wesen schon, wenn auch erst theilweise auf eine besondre Weise, +in seiner subjektiven Existenz anerkannt ist, ist der nothwendige Fortschritt, +daß das allgemeine Wesen des Reichthums erkannt und daher die Arbeit in +ihrer vollständigen Absolutheit, d. h. Abstraktion, zum Princip erhoben wird. +Es wird der Physiokratie bewiesen, daß die Agrikultur in ökonomischer +Hinsicht, also d[er] einzig berechtigten von keiner andern Industrie ver +schieden sei, also nicht eine bestimmte Arbeit, eine an ein besondres Ele +ment II gebundne, eine besondre Arbeitsäusserung, sondern die Arbeit über- +haupt das Wesen des Reichthums sei. + +30 + +20 + +35 + +Die Physiokratie läugnet den besondren äusserlichen nur gegenständlichen +Reichthum, indem sie die Arbeit für sein Wesen erklärt. Aber zunächst ist +die Arbeit für sie nur das subjektive Wesen des Grundeigenthums (sie geht +von der Art des Eigenthums aus, welche historisch als die herrschende und +anerkannte erscheint); sie läßt nur das Grundeigenthum zum entäusserten +Menschen werden. Sie hebt seinen Feudalcharakter auf, indem sie die In- + +40 + +385 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +dustrie (Agrikultur) für sein Wesen erklärt; aber sie verhält sich läugnend +zur Welt der Industrie, sie erkennt das Feudalwesen an, indem sie die +Agricultor für die einzige Industrie erklärt. + +Es versteht sich, daß sobald nun das subjektive Wesen der im Gegensatz +zum Grundeigenthum, d. h. als Industrie sich constituirenden Industrie —, +gefaßt wird, dieses Wesen jenen seinen Gegensatz in sich einschließt. Denn +wie die Industrie das aufgehobne Grundeigenthum, so umfaßt ihr subjektives +Wesen zugleich sein subjektives Wesen. + +5 + +Wie das Grundeigenthum die erste Form des Privateigenthums ist, wie die +Industrie ihr blos als eine besondre Art des Eigenthums zunächst historisch 10 +entgegentritt — oder vielmehr der freigelaßne Sklave des Grundeigenthums +ist — so wiederholt sich bei der wissenschaftlichen Erfassung des subjektiven +Wesens des Privateigenthums, der Arbeit dieser Proceß und die Arbeit +erscheint zunächst nur als Landbauarbeit, macht sich dann aber als Arbeit +überhaupt geltend. /|lll| Aller Reichthum ist zum industriellen Reichthum, 15 +zum Reichthum der Arbeit geworden und die Industrie ist die vollendete +Arbeit, wie das Fabrikwesen das ausgebildete Wesen der Industrie, d. h. der +Arbeit ist und das industrielle Capital die vollendete objektive Gestalt des +Wir sehn wie auch nun erst das Privat +Privateigenthums ist. +eigenthum seine Herrschaft über den Menschen vollenden und in all- 20 +gemeinster Form zur weltgeschichtlichen Macht werden kann. + +[Ergänzungen zu Heft II, Seite XXXIX] +[Privateigentum und Kommunismus] + +25 + +X ad. p. XXXIX. Aber der Gegensatz von Eigenthumslosigkeit und Eigen +thum ist ein noch indifferenter, nicht in seiner thätigen Beziehung, seinem +innern Verhältniß, noch nicht als Widerspruch gefaßter Gegensatz, solange +er nicht als der Gegensatz der Arbeit und des Capitals begriffen wird. Auch +ohne die fortgeschrittne Bewegung des Privateigenthums, im alten Rom, in +der Türkei etc kann dieser Gegensatz in der ersten Gestalt sich aussprechen. +So erscheint er noch nicht als durch das Privateigenthum selbst gesezt. Aber 30 +die Arbeit, das subjektive Wesen des Privateigenthums, als Ausschliessung +des Eigenthums und das Capital, die objektive Arbeit als Ausschliessung +der Arbeit ist das Privateigenthum als sein entwickeltes Verhältniß des +Widerspruchs, darum ein energisches, zur Auflösung treibendes Verhält +niß. + +35 + +386 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +5 + +io + +20 + +15 + +xx ad ibidem Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg, +wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigenthum nur in seiner +objektiven Seite, — aber doch die Arbeit als sein Wesen — betrachtet. Seine +Daseinsform ist daher das Capital, das „als solches" aufzuheben ist. +(Proudhon.) Oder die besondre Weise der Arbeit — als nivellirte, parcellirte +und darum unfreie Arbeit wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privat +eigenthums und seines Menschenentfremdeten Daseins gefaßt—Fourier, der +d[en] Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens +als die ausgezeichnete faßt, während St. Simon im Gegensatz die Industrie- +arbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft +der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der +Communismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privat +eigenthums, zunächst das allgemeine Privateigenthum. Indem er dieß Ver +hältniß in seiner Allgemeinheit faßt, ist er 1) in seiner ersten Gestalt nur eine +Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in +doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigenthums so +groß ihm gegenüber, daß er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als +Privateigenthum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame +Weise v[on] Talent, etc abstrahiren, der physische, unmittelbare Besitz gilt +ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Ar +beiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; || das +Verhältniß des Privateigenthums bleibt das Verhältniß der Gemeinschaft zur +Sachenwelt; endlich spricht sich diese Bewegung, dem Privateigenthum das +allgemeine Privateigenthum entgegenzustellen, in der thierischen Form aus, +daß der Ehe (welche allerdings eine Form des exclusiven Privateigenthums +ist) die Weibergemeinschaft, wo also das Weib zu einem gemeinschaftlichen +und gemeinen Eigenthum wird, entgegengestellt wird. Man darf sagen, daß +dieser Gedanke der Weibergemeinschaft das ausgesprochne Geheimniß +dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Communismus ist. Wie das Weib +30 aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des +Reichthums, d. h. des gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, aus dem +Verhältniß der exclusiven Ehe mit dem Privateigenthümer in das Verhältniß +der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft. Dieser Communismus +— indem er die Persönlichkeit d[es] Menschen überall negirt — ist eben nur +35 der conséquente Ausdruck des Privateigenthums, welches diese Negation +ist. Der allgemeine und als Macht sich constituirende Neid ist die versteckte +Form, in welcher die Habsucht sich herstellt und nur auf eine andre Weise +sich befriedigt. Der Gedanke jedes Privateigenthums als eines solchen ist +wenigstens gegen das reichere Privateigenthum als Neid und Nivellirungs- +sucht gekehrt, so daß diese sogar das Wesen der Concurrenz ausmachen. +Der rohe Communist ist nur die Vollendung dieses Neides und dieser Ni- + +25 + +40 + +387 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +vellirung von dem vorgestellten Minimum aus. Er hat ein bestimmtes be +grenztes Maaß. Wie wenig diese Aufhebung des Privateigenthums eine +wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen +Welt der Bildung und der Civilisation; die Rückkehr zur unnatiir- +lichen \\TV\ Einfachheit des armen und bedürfnißlosen Menschen, der nicht +über das Privateigenthum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben +angelangt ist. + +5 + +Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und der Gleichheit +des Salairs, den das gemeinschaftliche Capital, die Gemeinschaft als der +allgemeine Capitalist auszahlt. Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine 10 +vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit, als die Bestimmung, in +welcher jeder gesezt ist, das Capital, als die anerkannte Allgemeinheit und +Macht der Gemeinschaft. + +15 + +In dem Verhältniß zum Weib, als dem Raub und d[er] Magd der ge +meinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in +welcher der Mensch für sich selbst existirt, denn das Geheimniß dieses +Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, ent +hüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der +Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattungsverhältniß gefaßt wird. Das +unmittelbare, natürliche, nothwendige Verhältniß d[es] Menschen zum 20 +Menschen ist das Verhältniß des Mannes zum Weibe. // In diesem natür +lichen Gattungsverhältniß ist das Verhältniß des Menschen zur Natur un +mittelbar sein Verhältniß zum Menschen wie das Verhältniß zum Menschen +unmittelbar sein Verhältniß zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung +ist. In diesem Verhältniß erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares +Factum reducirt inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur +oder die Natur zum menschlichen Wesen d[es] Menschen geworden ist. Aus +diesem Verhältniß kann man also die ganze Bildungsstufe d[es] Menschen +beurtheilen. | / Aus dem Charakter dieses Verhältnisses—folgt, inwieweit der +Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; +das Verhältniß des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältniß d[es] +Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also inwieweit das natürliche +Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschlichenresen +ihm zum Natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur +Natur geworden ist. In diesem Verhältniß zeigt sich auch, inwieweit das 35 +Bedürfniß des Menschen zum menschlichen Bedürfniß, inwieweit ihm also +der andre Mensch als Mensch zum Bedürfniß geworden ist, inwieweit er in +seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist. + +30 + +25 + +Die erste positive Aufhebung des Privateigenthums, der rohe Communis +mus ist also nur eine Erscheinungsform von der Niedertracht des Privat- +eigenthums, das sich als das positive Gemeinwesen setzen will. + +40 + +388 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +2) Der Communismus α) noch politischer Natur, demokratisch oder des­ +potisch; ß) mit Aufhebung des Staats, aber zugleich noch unvollendetes, +immer noch mit dem Privateigenthum, d. h. der Entfremdung d[es] Menschen +afficirtem Wesen. In beiden Formen weiß sich der Communismus schon als +5 Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich, als Aufhebung der +menschlichen Selbstentfremdung, aber indem er das positive Wesen des +Privateigenthums noch nicht || erfaßt hat und ebensowenig die menschliche +Natur des Bedürfnisses verstanden hat, ist er auch noch von demselben +befangen und inf icirt. Er hat zwar seinen Begriff erfaßt, aber noch nicht sein + +10 Wesen. + +15 + +3) Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als +menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des +menschlichen Wesens durch und für d[en] Menschen; darum als vollstän +dige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichthums der bisherigen Entwick- +lung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, +d.h. menschlichen Menschen. Dieser Communismus ist als vollendeter +Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, +er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur +und mit d[em] Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz +20 und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwi +schen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er +ist das aufgelöste Räthsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung. / + +25 + +|V| Die ganze Bewegung der Geschichte ist daher, wie sein wirklicher +Zeugungsakt — der Geburtsakt seines empirischen Daseins—so auch für sein +denkendes Bewußtsein die begriffne und gewußte Bewegung seines Wer +dens, während jener noch unvollendete Communismus aus einzelnen dem +Privateigenthum entgegenstehenden Geschichtsgestalten einen historischen +Beweis, einen Beweis in dem Bestehenden für sich sucht, indem er einzelne +Momente aus der Bewegung (Cabet, Villegardelle, etc reiten besonders auf +30 diesem Roß) herausreißt und als Beweise seiner historischen Vollblütigkeit +fixirt, womit er eben darthut, daß die unverhältnißmässig grössere Parthie +dieser Bewegung seinen Behauptungen widerspricht und daß, wenn er einmal +gewesen ist, eben sein vergangnes Sein die Prätention des Wesens wider +legt. + +35 + +Daß in der Bewegung des Privateigenthums, eben d[er] Oekonomie, die +ganze revolutionaire Bewegung sowohl ihre empirische, als theoretische +Basis findet, davon ist die Nothwendigkeit leicht einzusehn. + +Das materielle, unmittelbar sinnliche Privateigenthum, ist der materielle +sinnliche Ausdruck des entfremdeten menschlichen Lebens. Seine Be- +40 wegung — die Production und Consumtion — ist die sinnliche Offenbarung +von der Bewegung aller bisherigen Production, d. h. Verwirklichung oder + +389 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +5 + +Wirklichkeit d[es] Menschen. Religion, Familie, Staat, Recht, Moral, Wis +senschaft, Kunst etc sind nur besondre Weisen der Production und fallen +unter ihr allgemeines Gesetz. Die positive Aufhebung des Privateigenthums +als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Auf +hebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, +Familie, Staat etc in sein menschliches d. h. gesellschaftliches Dasein. Die +religiöse Entfremdung als solche geht nur in dem Gebiet des Bewußtseins, +des menschlichen Innern vor, aber die ökonomische Entfremdung ist die des +wirklichen Lebens, — ihre Aufhebung umfaßt daher beide Seiten. Es versteht +sich, daß die Bewegung bei den verschiednen Völkern ihren ersten Beginn 10 +danach nimmt, ob das wahre anerkannte Leben des Volkes mehr im Be +wußtsein oder in der äussern Welt vorsichgeht, mehr das ideelle oder reelle +Leben ist. Der Communismus beginnt sogleich (Owen) mit dem Atheismus, +der Atheismus ist zunächst noch weit entfernt Communismus zu sein, wie +jener Atheismus mehr noch eine Abstraktion +das Atheismus ist daher zuerst nur eine || philosophische abstrakte Philan +thropie, die des Communismus sogleich reell und unmittelbar zur Wtkung +gespannt. + +ist. Die Philanthropie 15 + +Wir haben gesehn, wie unter Voraussetzung des positiv aufgehobnen +Privateigenthums, der Mensch d[en] Menschen producirt, sich selbst und den 20 +andern Menschen; wie der Gegenstand, welcher die unmittelbare Bethäti- +gung seiner Individualität zugleich sein eignes Dasein für den andern +Menschen dessen Dasein und dessen Dasein für ihn ist. Ebenso sind aber +sowohl das Material der Arbeit, als der Mensch als Subjekt, wie Resultat so +Ausgangspunkt der Bewegung (und daß sie dieser Ausgangspunkt sein 25 +müssen, eben darin liegt die geschichthche Nothwendigkeit des Privat +eigenthums). Also ist der gesellschaftliche Charakter der allgemeine Cha +rakter der ganzen Bewegung; wie die Gesellschaft selbst den Menschen als +Menschen producirt, so ist sie durch ihn producirt. Die Thätigkeit und der +Genuß, wie ihrem Inhalt, sind auch der Existenzweisenachgesellschaftliche +Thätigkeit und gesellschaftlicher Genuß. Das menschliche Wesen der Natur +ist erst da für den gesellschaftlichen Menschen; denn erst hier ist sie für ihn +da als Band mit dem Menschen, als Dasein seiner für d[en] andern und des +andern für ihn, erst hier ist sie da als Grundlage seines eignen menschlichen +Daseins, wie als Lebenselement der menschlichen Wirklichkeit. Erst hier ist 35 +ihm sein natürliches Dasein sein menschliches Dasein und die Natur für ihn + +30 + +Die Prostitution nur ein besondrer Ausdruck der allgemeinen Prostitution +des Arbeiters und da die Prostitution ein Verhältniß ist, worin nicht nur d[ie] +Prostituirte, sondern auch der Prostituirende fällt — dessen Niedertracht 40 +noch grösser ist — so fällt auch der Capitalist, etc in diese Categorie. | + +390 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +5 + +10 + +15 + +zum Menschen geworden. Also die Gesellschaft ist die vollendete We +senseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, +der durchgeführte Naturalismus d[es] Menschen und der durchgeführte +Humanismus der Natur. / + +|Vl| Die geseüschaftliche Thätigkeit und der gesellschaftliche Genuß +existiren keineswegs alleinìn der Form einer unmittelbargemeinschaftüchen +Thätigkeit und unmittelbar gemeinschaftlichen Genusses, obgleich die ge +meinschaftliche Thätigkeit und der gemeinschaftliche Genuß, d.h. die +Thätigkeit und der Genuß, die unmittelbar in wirklicher Gesellschaft mit +andern Menschen sich äussert und bestätigt, überall da stattfinden werden, +wo jener unmittelbare Ausdruck der Gesellschaftlichkeit im Wesen ihres +Inhalts begründet und seiner Natur angemessen ist. + +Auein auch wenn ich wissenschaftlich etc thätig bin, eme Thätigkeit, die +ich selten in unmittelbarer Gemeinschaft mit andern ausführen kann, so bin +ich gesellschaftlich, weü als Mensch thätig. Nicht nur das Material meiner +Thätigkeit ist mir — wie selbst die Sprache, in der der Denker thätig ist—als +gesellschaftliches Product gegeben, mein eignes Dasein ist gesellschaftliche +Thätigkeit; darum das was ich aus mü mache, ich aus mü für die GeseUschaft +mache und mit dem Bewußtsem meiner als eines geseUschaftlichen We- + +20 sens. + +Mein allgemeines Bewußtsein ist nur die + +theoretische Gestalt dessen, +wovon das reelle Gemeinwesen, gesellschaftüche Wesen, die lebendige +Gestalt ist, während heut zu Tag das allgemeine Bewußtsein eme Abstraktion +vom wüküchen Leben ist und als solche ihm feindüch gegenübertritt. Daher +ist auch die Thätigkeit meines allgemeinen Bewußtsems — als eine solche — +mein theoretisches Dasein als gesellschaftüches Wesen. + +25 + +30 + +Es ist vor aUem zu vermeiden die „GeseUschaft" wieder als Abstraktion +dem Individuum gegenüber zu f ixüen. Das Individuum ist das gesellschaft +liche Wesen. Seine Lebensäusserung — erscheine sie auch nicht in der +unmittelbaren Form einer gemeinschaftlichen, mit andern zugleich voU- +brachten Lebensäusserung — ist daher eine Äusserung und Bestätigung des +gesellschaftlichen Lebens. Das +individuelle und das Gattungsleben des +Menschen sind nicht verschieden, so sehr auch — und dieß nothwendig — die +Daseinsweise des individueUen Lebens eine mehr besondre oder mehr all- +35 gemeine Weise des Gattungslebens ist, oder je mehr das Gattungsleben ein + +mehr besondres oder allgemeines individueUes Leben ist. + +Als Gattungsbewußtsein bestätigt der Mensch sein reelles Gesellschafts +leben und wiederholt nur sein wüküches Dasein im Denken, wie umgekehrt +das Gattungssein sich im Gattungsbewußtsein bestätigt und in seiner All- + +40 gemeinheit, als denkendes Wesen für sich ist. | + +I Der Mensch — so sehr er daher ein besondres Individuum ist und grade + +391 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +seine Besonderheit macht ihn zu einem Individuum und zum wirklichen +individuellen Gemeinwesen — ebenso sehr ist er die Totalität, die ideale +Totalität, das subjektive Dasein d[er] Gedachten und empfundnen Gesell +schaft für sich, wie er auch in der Wirklichkeit, sowohl als Anschauung und +wirklicher Genuß des gesellschaftlichen Daseins, wie als eine Totalität +menschlicher Lebensäusserung da ist. + +Denken und Sein sind also zwar unterschieden, aber zugleich in Einheit + +5 + +miteinander. + +Der Tod erscheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte +Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte In- 10 +dividuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich. + +4) Wie das Privateigenthum nur der sinnliche Ausdruck davon ist, daß der +Mensch zugleich gegenständlich für sich wird und zugleich vielmehr sich als +ein fremder und unmenschlicher Gegenstand wird, daß seine Lebensäus +serung seine Lebensentäusserung ist, seine Verwirküchung seine Ent- 15 +wirklichung, eine fremde Wirklichkeit ist, so ist die positive Aufhebung des +Privateigenthums, d. h. die sinnliche Aneignung des menschlichen Wesens +und Lebens, des gegenständlichen Menschen, der menschlichen Werke für +und durch den Menschen, nicht nur im Sinne des unmittelbaren, einseitigen +Genusses zu fassen, nicht nur im Sinne des Besitzens, im Sinne des Habens. +Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also +als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, +Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, empfin +den, wollen, thätig sein, lieben, kurz alle Organe seiner Individualität, wie +die Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe 25 +sind, ||VIl| sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten +zum Gegenstand die Aneignung desselben, die Aneignung der menschlichen +Wirklichkeit; +ist die Bethätigung der +menschlichen Wirklichkeit (sie ist daher eben so vielfach, wie die mensch +lichen Wesensbestimmungen und Thätigkeiten vielfach sind), menschliche +Wirksamkeit und menschliches Leiden, denn das Leiden, menschlich gefaßt, +ist ein Selbstgenuß des Menschen. + +ihr Verhalten zum Gegenstand + +20 + +30 + +Das Privateigenthum hat uns so dumm und einseitig gemacht, daß ein +Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Capital für uns +existirt, oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem 35 +Leib getragen, von uns bewohnt etc kurz gebraucht wird. Obgleich das +Privateigenthum alle diese unmittelbaren Verwirklichungen des Besitzes +selbst wieder nur als Lebensmittel faßt und das Leben, zu dessen Mittel sie +dienen, ist das Leben des Privateigenthums, Arbeit und Capitalisirung. + +An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache 40 + +Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten. Auf diese + +392 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +absolute Armuth mußte das menschliche Wesen reducirt werden, damit es +seinen innern Reichthum aus sich herausgebäre. (Ueber die Categorie des +Habens siehe Heß in den 21 Bogen.) + +5 + +Die Aufhebung des Privateigenthums ist daher die vollständige Eman- +cipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; aber,sie ist diese +Emancipation grade dadurch daß diese Sinne und Eigenschaften menschlich, +sowohl subjektiv als objektiv geworden sind. Das Auge ist zum menschlichen +Auge geworden, wie sein Gegenstand zu einem gesellschaftlichen, mensch +lichen vom Menschen für d[en] Menschen herrührenden Gegenstand ge- +10 worden ist. Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker +geworden. Sie verhalten sich zu der Sache um der Sache willen, aber die +Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst +und zum Menschen und umgekehrt. Ich kann mich praktisch nur menschlich +zu der Sache verhalten, wenn die Sache sich zum Menschen menschlich +verhält. Das Bedürfniß oder der Genuß haben darum ihre egoistische Natur +und die Natur ihre blose Nützlichkeit verloren, indem der Nutzen zum +Menschlichen \\ Nutzen geworden ist. + +15 + +20 + +Ebenso sind die Sinne und der Geist d[es] andern Menschen meine eigne +Aneignung geworden. Ausser diesen unmittelbaren Organen bilden sich +daher gesellschafüiche Organe, in der Form der Gesellschaft, also z. B. die +Thätigkeit in unmittelbarer Gesellschaft mit andern etc. ist ein Organ meiner +Lebensäusserung geworden und eine Weise der Aneignung des menschli +chen Lebens. + +Es versteht sich, daß das menschliche Auge anders genießt, als das rohe, + +25 unmenschliche Auge, das menschliche Ohr anders als das rohe Ohr etc. + +Wir haben gesehn. Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem +Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder Gegen +ständlicher Mensch wird. Dieß ist nur möglich indem er ihm als gesellschaft +licher Gegenstand, er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die + +30 Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird. + +35 + +Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft, die +gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesens +kräfte als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen +Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständ- +lichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirk +lichenden Gegenstände, als seine Gegenstände; d.h. Gegenstand wird er +selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegen +standes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben +die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise +40 der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr und der +Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit + +393 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +jeder Wesenskraft ist grade ihr eigenthümliches Wiesen, also auch die eigen +thümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlichen wirk +lichen lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, ||VIIl| sondern mit allen +Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht. + +Andrerseits: Subjektiv gefaßt: Wie erst die Musik den musikalischen Sinn +d[es] Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik +keinen Sinn hat, kein Gegenstand ist, weil mein Gegenstand nur die Bestä +tigung einer meiner Wesenskräfte sein kann, also nur so für mich sein kann, +wie meine Wesenskraft als subjektive Fähigkeit für sich ist, weil der Sinn +eines Gegenstandes für mich (nur Sinn für einen ihm entsprechenden Sinn +hat) grade so weit geht als mein Sinn geht, darum sind die Sinne d[es] ge +sellschaftlichen Menschen andre Sinne, wie die des ungesellschaftlichen; +erst durch den gegenständlich entfalteten Reichthum des menschlichen +Wesens wird der Reichthum der subjektiven menschlichen Sinnlichkeit, wird +ein musikalisches Ohr, ein Auge für die Schönheit der Form, kurz werden +erst menschlicher Genüsse fähige Sinne, Sinne, welche als menschliche +Wesenskräfte sich bestätigen, theils erst ausgebildet, theils erst erzeugt. +Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, +die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc), mit einem Wort der menschliche +Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegen +standes, durch die vermenschlichte Natur. + +Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Welt +geschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfniß befangne Sinn hat +auch nur einen bornirten Sinn. Für d[en] ausgehungerten Menschen existirt +nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein +als Speise; eben so gut könnte sie in rohster Form vorliegen und es ist nicht +thierischen +zu sagen, wodurch sich diese Nahrungsthätigkeit von der +Nahrungsthätigkeit unterscheide. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat +keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineralienkrämer sieht nur den +merkantilischen Werth, aber nicht die Schönheit und eigenthümliche Natur +des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständ +lichung des menschlichen || Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer +Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne d[es] Menschen menschlich zu +machen, als um für den ganzen Reichthum des menschlichen und natürlichen +Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen. + +Wie durch die Bewegung des Privateigenthums und seines Reichthums, +wie Elends — oder materiellen und geistigen Reichthums und Elends — die +werdende Gesellschaft zu dieser Bildung alles Material vorfindet, so pro +ducirt die gewordne Gesellschaft den Menschen in diesem ganzen Reichthum +seines Wesens, den reichen all und tiefsinnigen Menschen als ihre stete +Wirklichkeit. + +394 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +Man sieht wie Subjektivismus und Objektivismus, Spiritualismus und +Materialismus, Thätigkeit und Leiden erst im geseüschaftüchen Zustand +ihren Gegensatz, und damit ihr Dasein als solche Gegensätze verlieren; man +sieht, wie die Lösung der theoretischen Gegensätze selbst nur auf eine +5 praktische Art, nur durch die praktische Energie d[es] Menschen möglich +ist und ihre Lösung daher keineswegs nur eine Aufgabe der Erkennt- +niß, sondern eine wirkliche Lebensaufgabe ist, welche die Philosophie +nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische Aufgabe +faßte. + +10 + +Man sieht, wie die Geschichte der Industrie und das gewordne gegen +ständliche Dasein der Industrie das aufgeschlagne Buch der menschlichen +Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie ist, die +bisher nicht in ihrem Zusammenhang mit dem Wesen des Menschen, sondern +immer nur in einer äussern Nützlichkeitsbeziehung gefaßt wurde, weil man +15 — innerhalb der Entfremdung sich bewegend — nur das allgemeine Dasein +d[es] Menschen, die Religion, oder die Geschichte in ihrem abstrakt-all +gemeinen Wesen, als Politik, Kunst, Litteratur etc ||IX| als Wirklichkeit der +menschlichen Wesenskräfte und als menschliche Gattungsakte zu fassen +wußte. In der gewöhnlichen, materiellen Industrie (— die man eben so wohl +20 als einen Theil jener allgemeinen Bewegung fassen, wie man sie selbst als +einen besondern Theil der Industrie fassen kann, da alle menschliche +Thätigkeit bisher Arbeit, also Industrie, sich selbst entfremdete Thätigkeit +war —) haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher Gegen +stände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten Wesens- +kräfte des Menschen vor uns. Eine Psychologie, für welche dieß Buch, also +grade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Theil der Geschichte, zuge +schlagen ist, kann nicht zur wirklichen Inhaltsvollen und reellen Wissen +schaft werden. Was soll man überhaupt von einer Wissenschaft denken, die +von diesem grossen Theü der menschüchen Arbeit vornehm abstrahirt und +30 nicht in sich selbst ihre Unvoüständigkeit fühlt, so lange ein so ausgebreiteter +Reichthum des menschüchen Wirkens ihr nichts sagt, als etwa, was man in +einem Wort sagen kann: „Bedürfniß" „gemeines Bedürfniß!" + +25 + +Die Naturwissenschaften haben eine enorme Thätigkeit entwickelt und +sich ein stets wachsendes Material angeeignet. Die Phüosophie ist ihnen +indessen eben so fremd geblieben, wie sie der Phüosophie fremd blieben. +Die momentane Vereinigung war nur eine phantastische Illusion. Der Wüle +war da, aber das Vermögen fehlte. Die Geschichtschreibung selbst nimmt +auf die Naturwissenschaft nur beüäufig Rücksicht, als Moment der Auf +klärung, Nützlichkeit, einzelner grosser Entdeckungen. Aber desto prakti- +scher hat die Naturwissenschaft vermittelst der Industrie in das menschüche +Leben eingegriffen und es umgestaltet und die menschliche Emancipation + +35 + +40 + +395 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +vorbereitet, so sehr sie unmittelbar die Entmenschung vervollständigen +mußte. Die Industrie ist das wirkliche geschichtliche Verhältniß der Natur +und daher der Naturwissenschaft zum Menschen; wird sie daher als exote- +rische Enthüllung der menschlichen Wesenskräfte gefaßt, so wird auch das +menschliche Wesen der Natur oder das natürliche Wesen d[es] Menschen +verstanden, daher die || Naturwissenschaft ihre abstrakt materielle oder +vielmehr idealistische Richtung verüeren und die Basis der menschlichen +Wissenschaft werden, wie sie jezt schon — obgleich in entfremdeter Gestalt +— zur Basis des wirklich menschlichen Lebens geworden ist; eine andre Basis +für das Leben, eine andre für die Wissenschaft, ist von vornherein eine Lüge. +Die in der menschlichen Geschichte—dem Entstehungsakt der menschlichen +Gesellschaft werdende Natur — ist die wirkliche Natur d[es] Menschen, +darum die Natur, wie sie durch die Industrie, wenn auch in entfremdeter +Gestalt wird, die wahre anthropologische Natur ist. + +5 + +10 + +15 + +Die Sinnlichkeit (siehe Feuerbach) muß die Basis aller Wissenschaft sein. +Nur, wenn sie von ihr, in der doppelten Gestalt, sowohl des sinnlichen +Bewußtseins als des sinnlichen Bedürfnisses ausgeht, — also nur wenn die +Wissenschaft von der Natur ausgeht — ist sie wirkliche Wissenschaft. Damit +der „Mensch" zum Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins und das Be +dürfniß des „Menschen als Menschen" zum Bedürfniß werde, dazu ist die 20 +ganze Geschichte die Vorbereitungsgeschichte \ Entwicklungsgeschichte. +Die Geschichte selbst ist ein wkkhcher Theil der Naturgeschichte, des +Werdens der Natur zum Menschen. Die Naturwissenschaft wird später eben +so wohl die Wissenschaft von d[em] Menschen, wie die Wissenschaft von +d[em] Menschen die Naturwissenschaft unter sich subsumiren: es wird eine 25 +Wissenschaft sein. ||X| Der Mensch ist der unmittelbare Gegenstand der +Naturwissenschaft; denn die unmittelbare sinnliche Natur für d[en] Men +schen ist unmittelbar die menschliche Sinnüchkeit, (ein identischer Aus +druck) unmittelbar als der andere sinnlich für ihn vorhandene Mensch; denn +seine eigne Sinnüchkeit ist erst durch den andren Menschen als menschüche 30 +Sinnlichkeit für ihn selbst. Aber die Natur ist der unmittelbare Gegenstand +der Wissenschaft vom Menschen. Der erste Gegenstand d[es] Menschen — +der Mensch — ist Natur, Sinnlichkeit und die besondern menschlich sinn- +üchen Wesenskräfte, wie sie nur in Natürlichen Gegenständen ihre gegen +ständliche Verwirklichung, können nur in der Wissenschaft des Naturwesens +überhaupt ihre Selbsterkenntniß finden. Das Element des Denkens selbst, +das Element der Lebensäusserung des Gedankens, die Sprache ist sinnlicher +Natur. Die gesellschaftliche Wirküchkeit der Natur und die menschliche +Naturwissenschaft oder die natürliche Wissenschaft vom Menschen sind +identische Ausdrücke. + +35 + +40 + +Man sieht, wie an die Stelle des nationalökonomischen Reichthums und + +396 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus + +Elendes der reiche Mensch und das reiche menschliche Bedürfniß tritt. Der +reiche Mensch ist zugleich der einer Totalität der menschlichen Lebensäus +serung bedürftige Mensch. Der Mensch, in dem seine eigne Verwüküchung, +als innere Nothwendigkeit, als Noth existirt. Nicht nur der Reichthum, auch +die Armuth des Menschen erhält gleichmässig — unter Voraussetzung des +Sociaüsmus — eine menschliche und daher geseUschaftliche Bedeutung. Sie +ist das passive Band, welches dem Menschen den größten Reichthum, den +andern Menschen, als Bedürf niß empf inden läßt. Die Herrschaft des gegen- +ständüchen Wesens in mü, der sinnliche Ausbruch meiner Wesensthätig- +keit ist die Leidenschaft, welche hier damit die Thätigkeit meines Wesens + +5 + +10 + +wüd. + +5) Ein Wiesen gilt sich erst als selbstständiges, sobald es auf eignen Füssen +steht und es steht erst auf eignen Füssen, sobald es sein Dasein sich selbst +verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade eines andern lebt, betrachtet sich +15 als ein Abhängiges Wesen. Ich lebe aber voüständig von der Gnade eines +andern, wenn ich ihm nicht nur die Unterhaltung mêmes Lebens verdanke, +sondern wenn er noch ausserdem mein Leben geschaffen hat; wenn er der +Quell meines Lebens ist, und mein Leben hat nothwendig einen solchen +Grund ausser sich, wenn es nicht meine eigne Schöpfung ist. Die Schöpfung +ist daher eme sehr j| schwer aus dem Volksbewußtsein zu verdrängende +VorsteUung. Das Durchsichselbstseüi der Natur und d[es] Menschen ist ihm +unbegreiïlich, weü es aUen Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens +widerspricht. + +20 + +Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geo- +25 gnosie, d.h. durch die Wissenschaft, welche die Erdbüdung, das Wer +den der Erde als einen Proceß, als Selbsterzeugung darstellte. Die gene- +ratio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungs +theorie. + +30 + +Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles +schon sagt: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat +in dü die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt d[es] Menschen +den Menschen producüt. Du siehst also daß der Mensch auch physisch sein +Dasein d[em] Menschen verdankt. Du mußt also nicht nur die eine Seite im +Auge behalten, den unendlichen Progreß, wonach du weiter fragst: Wer hat +35 meinen Vater, wer semen Großvater etc gezeugt. Du mußt auch die Kreis +bewegung, welche in jenem Progreß sinnüch anschaubar ist, festhalten, +wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch +immer Subjekt bleibt. + +AUein du wüst antworten: Diese Kreisbewegung dü zugestanden, so +40 gestehe du mü den Progreß zu, der mich immer weiter treibt, bis ich frage, +wer hat d[en] ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? ν + +397 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Ich kann dir nun antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Ab +straction. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob Deine +Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beant +worten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich ob jener Progreß als +solcher für ein vernünftiges Denken existirt? Wenn du nach der Schöpfung +der Natur und d[es] Menschen fragst, so abstrahirst du also vom Menschen +und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß ich sie als +seiend dir beweise. Ich sage dir nun: gieb deine Abstraktion auf, so giebst +du auch Deine Frage auf oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so +sei consequent, und wenn du d[en] Menschen und die Natur als nichtseiend 10 +denkend ||Xl| denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch +Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst +und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und d[es] Men +schen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts +sezt und selbst sein willst1? + +5 + +15 + +Du kannst mir erwiedern: Ich will nicht das Nichts der Natur etc setzen; +ich frage dich nach ihrem Entstehungsakt, wie ich den Anatom nach den +Knochenbildungen frage, etc. + +Indem aber für den socialistischen Menschen die ganze sogenannte + +20 + +Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die +menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für d[en] Menschen, so hat +er also den anschaulichen, unwiderstehlichen Beweis von seiner Geburt +durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß. Indem die Wesenhaftig- +keit d[es] Menschen und der Natur, indem der Mensch für den Menschen +als Dasein der Natur, und die Natur für d[en] Menschen als Dasein d[es] 25 +Menschen praktisch, sinnlich anschaubar geworden ist, ist die Frage nach +einem fremden Wesen, nach einem Wesen über der Natur und d[em] +Menschen — eine Frage, welche das Geständniß von der Unwesentlichkeit +der Natur und d[es] Menschen einschließt — praktisch unmöglich geworden. +Der Atheismus, als Läugnung dieser Unwesentlichkeit, hat keinen Sinn +mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und sezt durch diese +Negation das Dasein des Menschen; aber der Socialismus als Socialismus +bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch +und praktisch sinnlichen Bewußtsein d[es] Menschen und der Natur als des +Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Religion +vermitteltes Selbstbewußtsein d[es] Menschen, wie das wirkliche Leben +positive, nicht mehr durch die Aufhebung des Privateigenthums, den +Communismus, vermittelte Wirküchkeit d[es] Menschen ist. Der Communis +mus ist die Position als Negation der Negation, darum das wfrklichefür die +nächste geschichtliche Entwicklung nothwendige Moment der menschlichen 40 +Emancipation und Wiedergewinnung. Der Communismus ist die nothwen- + +35 + +30 + +398 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt + +dige Gestalt und das Energische Princip der nächsten Zukunft, aber der +Communismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung, +— die Gestalt der menschlichen Gesellschaft. + +1 + +5 + +[Kritik der Hegeischen Dialektik +und Philosophie überhaupt] + +16) An diesem Punkte ist vielleicht der Ort, sowohl zur Verständigung und +Berechtigung über die hegelsche Dialektik überhaupt, als namentlich über +ihre Ausführung in der Phänomenologie und Logik, endlich über das +Verhältniß der neuern kritischen Bewegung einige Andeutungen zu + +10 geben. + +20 + +15 + +Die Beschäftigung mit dem Inhalt der alten Welt, die von dem Stoff +befangne Entwicklung der modernen deutschen Kritik war so gewaltsam, +daß ein völlig kritikloses Verhalten zur Methode des Kriticirens, und eine +völlige Bewußtlosigkeit über die scheinbar formelle, aber wirklich wesent- +liehe Frage statt fand, wie halten wir es nun mit der hegel'schen Dialektik! +Die Bewußtlosigkeit über das Verhältniß der modernen Kritik zur +hegel'schen Philosophie überhaupt und zur Dialektik namentlich war so groß, +daß Kritiker wie Strauß und Bruno Bauer, der erstere vollständig, der zweite +in seinen „Synoptikern" (wo er dem Strauß gegenüber das „Selbstbewußt- +sein" d[es] abstrakten Menschen an die Stelle der Substanz der „abstrakten +Natur" stellt) und selbst noch im „entdeckten Christenthum" wenigstens der +Potenz nach noch vollständig innerhalb der hegel'schen Logik befangen sind. +So heißt es ζ. B. in dem entdeckten Christenthum: „Als ob nicht das Selbst­ +bewußtsein, indem es die Welt, den Unterschied sezt, und in dem, was es +25 hervorbringt, sich selbst hervorbringt, da es den Unterschied des Hervor +gebrachten von ihm selbst wieder aufhebt, da es nur im Hervorbringen und +in der Bewegung es selber ist — als ob es nicht in dieser Bewegung seinen +Zweck hätte" etc oder: „Sie (die französischen Materialisten) haben noch +nicht sehn können, daß die Bewegung des Universums erst als die Bewegung +30 des Selbstbewußtseins wirklich für sich geworden und zur Einheit mit ihr +selbst zusammengegangen ist", Ausdrücke, die auch nicht einmal in der +Sprache einen Unterschied von der hegel'schen Auffassung zeigen, sondern +sie vielmehr wörtlich wiederholen. | + +|XIl| Wie wenig während d[em] Akt der Kritik (Bauer, die Synoptiker) ein +35 Bewußtsein vorhanden war über das Verhältniß zur Hegel'schen Dialektik, +wie wenig dieses Bewußtsein auch nach dem Akt der stofflichen Kritik +entstand, beweist Bauer, wenn er in seiner „guten Sache der Freiheit" die + +399 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +vorlaute Frage des Herrn Gruppe, „was nun mit der Logik" dadurch abweist, +daß er ihn auf kommende Kritiker verweist. + +Aber auch nun, nachdem Feuerbach — sowohl in seinen „Thesen" in den +Anecdotis, als ausf ührlich in der „Philosophie der Zukunft" die alte Dialektik +und Philosophie dem Keim nach umgeworfen hat — nachdem dagegen jene +Kritik, welche diese That nicht zu vollbringen wußte, dagegen die That +vollbrachte sich „als reine, entschiedne, absolute, mit sich ins Klare ge- +kommne Kritik" auszurufen; nachdem sie in ihrem spiritualistischen Hoch- +muth die ganze geschichtliche Bewegung auf das Verhältniß der übrigen Welt +— die ihr gegenüber unter die Categorie der „Masse" fallt — zu ihr selbst +reducirt und alle dogmatischen Gegensätze in den einen dogmatischen +Gegensatz ihrer eignen Klugheit und der Dummheit der Welt, des kritischen +Christus und der Menschheit, als dem „Haufen", aufgelöst hat; nachdem sie +ihre eigne Vortrefflichkeit täglich und stündlich an der Geistlosigkeit der +Masse bewiesen hat, nachdem sie endlich das kritische jüngste Gericht unter +der Gestalt verkündigt hat, daß der Tag herannahe, wo die ganze verfallende +Menschheit ihr gegenüber sich schaaren werde, von ihr in Gruppen sondirt +und jeder besondre Haufen sein testimonium paupertatis erhalten werde, +nachdem sie ihre Erhabenheit übermenschliche Empfindungen, wie über die +Welt, über welche sie in erhabner Einsamkeit thronend nur von Zeit zu Zeit +das Gelächter der olympischen Götter von ihren sarkastischen Lippen +schallen läßt, hat drucken lassen — nach allen diesen ergötzlichen Gebah- +rungen des unter der Form der Kritik verscheidenden Idealismus (des Jung +hegelthums) hat er auch nicht einmal die Ahnung ausgesprochen, daß man +sich nun kritisch mit seiner Mutter, der hegelschen Dialektik auseinan +derzusetzen habe, ja selbst über kein kritisches Verhältniß zur Feuer +bachischen Dialektik anzugeben gewußt. Ein völliges unkritisches Verhal +ten zu sich selbst. | + +I Feuerbach ist der einzige, der ein ernsthaftes, ein kritisches Verhältniß +zur hegel'schen Dialektik hat und wahrhafte Entdeckungen auf diesem +Gebiete gemacht hat, überhaupt der wahre Ueberwinder der alten Philoso +phie ist. Die Grösse der Leistung und die geräuschlose Einfachheit, womit +F. sie der Welt giebt, stehn in einem wunderlichen Gegensatz zu dem +umgekehrten Verhältniß. + +Feuerbachs grosse That ist: 1) der Beweis, daß die Philosophie nichts +andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Religion; +also ebenfalls zu verurtheilen ist; eine andre Form und Daseinsweise d[er] +Entfremdung des menschlichen Wesens. + +2) Die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, +indem Feuerbach das geseUschaftliche Verhältniß das „des Menschen zum +Menschen" — ebenso zum Grundprincip der Theorie macht; + +400 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt + +3) indem er der Negation der Negation, die das absolut positive zu sein +behauptet, das auf sich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete +Positive entgegenstellt. + +Feuerbach erklärt die hegel'sche Dialektik — (und begründet dadurch den + +Ausgang vom Positiven, vom Sinnlich-Gewissen) — folgendermassen: + +Hegel geht aus von der Entfremdung (Logisch: dem Unendlichen, abstrakt +Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und f ixirten Abstraktion, — d. h. +populär ausgedrückt, er geht von der Religion und Theologie aus. + +Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, sezt das Wirkliche, Sinnliche, +Reale, Endliche, Besondre. (Philosophie, Aufhebung der Religion und +Theologie.) + +Drittens. Er hebt das Positive wieder auf; stellt die Abstraktion, das + +Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie. + +Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der +Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie +(Transzendenz etc) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegen +satz zu sich selbst bejaht. + +Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Ne +gation der Negation liegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum +mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des +Beweises Bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als +nicht eingestandne ||XJIl| Position gefaßt und darum ihr direkt und unver +mittelt die sinnüchgewisse auf sich selbst gegründete Position entgegen +gestellt. + +Feuerbach faßt auch die Negation der Negation, den konkreten Begriff +als das sich im Denken überbietende und als Denken unmittelbar Anschau +ung, Natur, Wirklichkeit sein wollende Denken. + +Aber indem Hegel die Negation der Negation — der positiven Beziehung +nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive — der negativen +Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbst- +bethätigungsakt alles Seins — aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, lo +gischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, +die noch nicht wirkliche Geschichte d[es] Menschen als eines vorausgesezten +Subjekts, +sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Men +schen ist. — Sowohl die abstrakte Form werden wir erklären, als den Unter +schied, den diese Bewegung bei Hegel im Gegensatz zur modernen Kritik, +zu demselben Prozeß in Feuerbachs Wesen des Christenthums hat, oder +vielmehr die kritische Gestalt dieser bei Hegel noch unkritischen Bewe +gung. + +Ein Blick auf das hegelsche System. Man muß beginnen mit der +hegel'schen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimniß +der hegel'schen Philosophie. — + +401 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Selbstbewußtsein. + +Phänomenologie. +A) Das +I.) Bewußtsein, α) Sinnliche Gewißheit oder das Dieses und das Mei +nen, ß) Die Wahrnehmung oder das Ding mit seinen Eigenschaften und +die Täuschung, y) Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche +Welt. + +II.) Selbstbewußtsein. Die Wahrheit der Gewißheit + +selbst, +a) Selbstständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins, Herr +schaft und Knechtschaft, b) Freiheit des Selbstbewußtseins. Stoicismus, +Skepticismus, das unglückliche Bewußtsein. + +seiner + +III.) Vernunft. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft, a) beobachtende +Vernunft; Beobachtung der Natur und des Selbstbewußtseins, b) Ver +wirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst. Die Lust +und die Nothwendigkeit. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des +Eigendünkels. Die Tugend und der Weltlauf, c) die Individualität, welche +sich an und für sich reell ist. Das geistige Thierreich und der Betrug oder +die Sache selbst. Die gesetzgebende Vernunft. Die gesetzprüfende Ver +nunft. + +B) Der Geist. +I.) Der wahre Geist; die Sittlichkeit. II.) Der sich entfremdete Geist, die + +Bildung. III.) Der seiner selbst gewisse Geist, die Moralität. + +C) Die Religion, natürliche, Kunstretigion, offenbare Religion. +D) Das absolute Wissen. +Wie die Encyclopädie Hegels mit der Logik beginnt, mit dem reinen +spekulativen Gedankenund mit dem absoluten Wissen, dem selbstbewußten, +sich selbst erfassenden philosophischen oder absoluten, d. i. übermenschli +chen abstrakten Geist, aufhört, so ist die ganze Encyklopädie nichts als das +ausgebreitete Wesen des philosophischen Geistes, || seine Selbstvergegen- +ständlichung; wie der philosophische Geist nichts ist als der innerhalb seiner +Selbstentfremdung denkend, d. h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist +der Welt. — Die Logik — das Geld des Geistes, der spekulative, der Ge +dankenwerth des Menschen und der Natur — ihr gegen alle wirkliche Be +stimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes und darum unwirkliches +Wesen — das entäusserte, daher von der Natur und d[em] wirklichen +Menschen abstrabirende Denken ; das abstrakte Denken. — Die Aüsserlich- +keit dieses abstrakten Denkens ... die Natur, wie sie für dieß abstrakte +Denken ist. Sie ist ihm äusserlich, sein Selbstverlust; und es faßt sie auch +äusserlich, als abstrakten Gedanken, aber als entäussertes abstraktes +Denken. — Endlich der Geist, dieß in seine eigne Geburtsstätte heimkehrende +Denken, welches sich als anthropologischer, phänomenologischer, psycho +logischer, sittlicher, künstlicher, religiöser Geist immer noch nicht für sich + +402 + + ¥ + +Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt + +selbst gilt, bis es sich endlich als absolutes Wissen und darum absoluter i. e. +abstrakter Geist vorfindet und selbstbejaht, sein bewußtes und ihm ent +sprechendes Dasein erhält. Denn sein wirkliches Dasein ist die Abstrak +tion. + +... + +5 + +Ein doppelter Fehler bei Hegel. +1. tritt in der Phänomenologie, als der Geburtsstätte der hegelschen +Philosophie, am klarsten hervor. Wenn er ζ. B. Reichthum, Staatsmacht etc +als dem menschlichen Wesen entfremdete Wesen gefaßt, so geschieht dieß +nur in ihrer Gedankenform. . .. Sie sind Gedankenwesen — daher blos eine +10 Entfremdung des reinen, d.i. abstrakten Philosophischen Denkens. Die +ganze Bewegung endet daher mit dem absoluten Wissen. Wovon diese +Gegenstände entfremdet sind und wem sie mit der Anmassung der Wirk +lichkeit entgegentreten, das ist eben das abstrakte Denken. Der Philosoph +legt sich — also selbst eine abstrakte Gestalt d[es] entfremdeten Menschen +15 — als den Maaßstab der entfremdeten Welt an. Die ganze Entäusserungs- +geschichte und die ganze Zurücknahme der Entäusserung ist daher nichts +als die Productionsgeschichte des abstrakten, des absoluten |/XVIl/ (Siehe +p.XIII.) Denkens, des logischen, spekulativen Denkens. Die Entfremdung, +welche daher das eigentliche Interesse dieser Entäusserung und Aufhebung +dieser Entäusserung bildet, ist der Gegensatz von an sich und für sich, von +Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d. h. der Gegen +satz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der +wirklichen Sinnlichkeit innerhalb des Gedankens selbst. Alle andern Gegen +sätze und Bewegungen dieser Gegensätze sind nur der Schein, die Hülle, die +exoterische Gestalt dieser einzig interessanten Gegensätze, welche den Sinn +der andern profanen Gegensätze bilden. Nicht daß das menschliche Wesen +sich unmenschlich, im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht, +sondern, daß es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten +Denken sich vergegenständlicht, gilt als das gesezte und als das aufzuhe- + +20 + +25 + +30 bende Wesen der Entfremdung. | + +35 + +|XVIIl| Die Aneignung der zu Gegenständen und zu fremden Gegen +ständen gewordenen Wesenskräfte d[es] Menschen ist also erstens nur eine +Aneignung, die im Bewußtsein, im reinen Denken, i. e. in der Abstraktion +vor sich geht, die Aneignung dieser Gegenstände als Gedanken und Ge- +dankenbewegungen, weßhalb schon in der Phänomenologie — trotz ihres +durchaus negativen und kritischen Aussehns und trotz der wirklich in ihr +enthaltnen, oft weit der spätem Entwicklung vorgreifenden Kritik — schon +der unkritische Positivismus und der ebenso unkritische Idealismus der +spätem hegelschen Werke — diese philosophische Auflösung und Wieder- +40 herstellung der vorhandnen Empirie — latent liegt, als Keim, als Potenz, als +ein Geheimniß vorhanden ist. Zweitens. Die Vindicirung der gegenständ- + +403 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +5 + +10 + +liehen Welt für d[en] Menschen — ζ. B. die Erkenntniß, daß das sinnliche +Bewußtsein kein abstrakt sinnliches Bewußtsein, sondern ein menschlich +sinnliches Bewußtsein, daß die Religion, der Reichthum etc nur die ent +fremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung, der zum +Werk herausgebornen menschlichen Wesenskräfte und darum nur der Weg +zur wahren menschlichen Wirklichkeit sind —, diese Aneignung oder die +Einsicht in diesen Proceß erscheint daher bei Hegel so, daß Sinnlichkeit, +Religion, Staatsmacht etc geistige Wesen sind — denn nur der Geist ist das +wahre Wesen d[es] Menschen und die wahre Form des Geistes ist der +denkende Geist, der logische, spekulative Geist. Die Menschlichkeit der +Natur und d[er] von der Geschichte erzeugten Natur, d[er] Producte d[es] +Menschen, erscheint darin, daß sie Producte des abstrakten Geistes sind und +insofern also geistige Momente, Gedankenwesen. Die Phänomenologie ist +daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mysticirende Kritik; aber +insofern sie die Entfremdung d[es] Menschen — wenn auch der Mensch nur +in der Gestalt des Geistes erscheint—festhält liegen in ihr alle Elemente der +Kritik verborgen und oft schon in einer weit den hegel'schen Standpunkt +überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet. Das „unglückliche Be +wußtsein", das „ehrliche Bewußtsein", der Kampf des „edelmüthigen und +niederträch||tigen Bewußtseins" etc etc diese einzelnen Abschnitte enthalten 20 +die kritischen Elemente — aber noch in einer entfremdeten Form — ganzer +Sphären, wie der Religion, des Staats, des bürgerlichen Lebens etc. Wie also +das Wesen, der Gegenstand als Gedankenwesen, so ist das Subjekt immer +Bewußtsein oder Selbstbewußtsein, oder vielmehr der Gegenstand erscheint +nur als abstraktes Bewußtsein, der Mensch nur als Selbstbewußtsein, die +unterschiedenen Gestalten der Entfremdung, die auftreten sind daher nur +verschiedne Gestalten des Bewußtseins und Selbstbewußtseins. Wie an sich +das abstrakte Bewußtsein — als welches der Gegenstand gefaßt wird — blos +ein Unterscheidungsmoment des Selbstbewußtseins ist, — so tritt auch als +Resultat der Bewegung die Identität des Selbstbewußtseins mit dem Be- 30 +wußtsein, das absolute Wissen, die nicht mehr nach aussen hin, sondern nur +noch in sich selbst vorgehende Bewegung des abstrakten Denkens als Re +sultat auf, d. h. die Dialektik des reinen Gedankens ist das Resultat. (Siehe +Fortsetzung. p.XXII.)/ + +15 + +25 + +|XXIl| (Sieh p. XVIII.) Das Grosse an der Hegeischen Phänomenologie 35 + +und ihrem Endresultate — der Dialektik, der Negativität als dem bewegenden +und erzeugenden Princip — ist also, einmal daß Hegel die Selbsterzeugung +d[es] Menschen als einen Proceß faßt, die Vergegenständlichung als Ent- +gegenständlichung, als Entäusserung, und als Aufhebung dieser Entäusse +rung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen 40 +Menschen, wahren, weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen + +404 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +Arbeit begreift. Das wirkliche, thätige Verhalten des Menschen zu sich als +Gattungswesen, oder die Bethätigung seiner als eines wirklichen Gattungs +wesens, d.h. als menschlichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er +wirklich alle seine Gattungskräfte — was wieder nur durch das Gesammt- +5 wirken d[es] Menschen möglich ist, nur als Resultat der Geschichte—heraus +schafft, sich zu ihnen als Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur +in der Form der Entfremdung möglich ist. + +Die Einseitigkeit und die Grenze Hegels werden wir nun ausführlich an +dem Schlußkapitel der Phänomenologie — das absolute Wissen—ein Kapitel, +10 welches sowohl der zusammengefaßte Geist der Phänomenologie, ihr Ver +hältniß zur spekulativen Dialektik, als auch das Bewußtsein Hegels über +beide und ihr wechselseitiges Verhältniß enthält — darstellen. + +Vorläufig nehmen wir nur noch das vorweg: Hegel steht auf dem Stand +punkt der modernen Nationalökonomen. Er erfaßt die Arbeit als das Wesen, +als das sich bewährende Wesen d[es] Menschen; er sieht nur die positive +Seite der Arbeit, nicht ihre negative. Die Arbeit ist das Fürsich werden d[es] +Menschen innerhalb der Entäusserung oder als entäusserter Mensch. Die +Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt ist die abstrakt geistige. Was +also überhaupt das Wesen der Philosophie bildet, die Entäusserung des sich +wissenden Menschen oder die sich denkende entäusserte Wissenschaft, dieß + +erfaßt Hegel als ihr || Wesen, und er kann daher der vorhergehenden Phi +losophie gegenüber ihre einzelnen Momente zusammenfassen und seine +Philosophie als die Philosophie darstellen. Was die andern Philosophen +thaten — daß sie einzelne Momente der Natur und des menschlichen Lebens +als Momente des Selbstbewußtseins und zwar des abstrakten Selbstbewußt +seins fassen — das weiß Hegel als das Thun der Philosophie. Darum ist seine +Wissenschaft absolut. + +Gehn wir nun zu unserm Gegenstand über. +Das absolute Wissen. Leztes Capitel der Phänomenologie. + +Die Hauptsache ist, daß der Gegenstand des Bewußtseins nichts andres +als das Selbstbewußtsein oder daß der Gegenstand nur das vergegenständ +lichte Selbstbewußtsein, das Selbstbewußtsein als Gegenstand ist. (Setzen +d[es] Menschen = Selbstbewußtsein.) + +Es gilt daher den Gegenstand des Bewußtseins zu überwinden. Die Gegen- +ständlichkeit als solche gilt für ein entfremdetes, dem menschlichen Wesen, +dem Selbstbewußtsein nicht entsprechendes Verhältniß des Menschen. Die +Wiederaneignung des als fremd, unter der Bestimmung der Entfremdung +erzeugten gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, hat also nicht nur die +Bedeutung, die Entfremdung, sondern die Gegenständlichkeit aufzuheben, +d. h. also der Mensch gilt als ein nicht-gegenständliches, spiritualistisches + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +40 + +Wesen. + +405 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Die Bewegung der Ueberwindung des Gegenstandes des Bewußtseins + +beschreibt Hegel nun wie folgt: + +Der Gegenstand zeigt sich nicht nur (dieß ist nach Hegel die einseitige — +also die die eine Seite erfassende — Auffassung jener Bewegung) als zurück +kehrend in das Selbst. Der Mensch wird = Selbst gesezt. Das Selbst ist aber +nur der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der +Mensch ist selbstisch. Sein Auge, sein Ohr etc ist selbstisch ; jede seiner +Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deßweg[en] +ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr', +Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Qualität der mensch- 10 +liehen Natur-, des menschlichen Auges etc, nicht die menschliche Natur ist +eine Qualität des ||XXIV| Selbstbewußtseins. + +5 + +Das für sich abstrahirte und fixirte Selbst ist der Mensch als abstrakter +Egoist, der in seine reine Abstraktion, zum Denken erhobne Egoismus. (Wir +kommen später hierauf zurück.) + +15 + +Das menschliche Wesen, der Mensch gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. +Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfrem +dung des Selbstbewußtseins. Die Entfremdung des Selbstbewußtseins gilt +nicht als Ausdruck, im Wissen und Denken sich abspiegelnder Ausdruck der +wtklichen Entfremdung des menschlichen Wesens. Die wtkliche, als real +erscheinende Entfremdung vielmehr ist ihrem innersten verborgnen — und +erst durch die Philosophie ans Licht gebrachten — Wesen nach nichts andres +als die Erscheinung von der Entfremdung des wirklichen Menschlichen +Wesens, des Selbstbewußtseins. Die Wissenschaft welche dieß begreift heißt +daher Phänomenologie. Alle Wiederaneignung des entfremdeten gegen- 25 +ständlichen Wesens erscheint daher als eine Einverleibung in das Selbst +bewußtsein; der sich seines Wesens bemächtigende Mensch ist nur das der +gegenständlichen Wesen sich bemächtigende Selbstbewußtsein. Die Rück +kehr des Gegenstandes in das Selbst ist daher die Wiederaneignung des +Gegenstandes. + +20 + +30 + +Allseitig ausgedrückt ist die Ueberwindung des Gegenstandes des Be + +wußtseins: + +1) daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver +schwindend darstellt; 2) daß die Entäusserung des Selbstbewußtseins es ist, +welche die Dingheit sezt; 3) daß diese Entäusserung nicht nur negative, 35 +sondern positive Bedeutung hat, 4) sie nicht nur für uns oder an sich, sondern +für es selbst hat. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen +sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese +Nichtigkeit desselben, dadurch daß es sich selbst entäussert, denn in dieser +Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der 40 +untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits + +406 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und +Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenom +men hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 7) Dieß ist die +Bewegung des Bewußtseins und dieß ist darin die Totalität seiner Momente. +5 8) Es muß sich ebenso zu dem Gegenstand nach der Totalität seiner Be +stimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese +Totali||tät seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen und +für das Bewußtsem wüd dieß in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden +einzelnen derselben als des Selbsts oder durch das eben genannte geistige + +10 Verhalten zu ihnen. + +ad 1. Daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsem als ver +schwindend darstellt ist die oben erwähnte Rückkehr des Gegenstandes in +das Selbst. + +25 + +15 Mensch = Selbstbewußtsein, so + +ad 2. Die Entäusserung des Selbstbewußtseins sezt die Dingheit. Weü der +ist sein entäussertes gegenständüches +Wesen oder die Dingheit— (das was für ihn Gegenstand ist, und Gegenstand +ist wahrhaft nur für ihn was ihm wesentücher Gegenstand, was also sein +gegenständliches Wesen ist. Da nun nicht der wirkliche Mensch, darum auch +nicht die Natur — der Mensch ist die menschliche Natur— als solcher zum +20 Subjekt gemacht wüd, sondern nur die Abstraktion d[es] Menschen, das +Selbstbewußtsein, so kann die Dingheit nur das entäusserte Selbstbewußt +sein sein) = dem entäusserten Selbstbewußtsein und die Dingheit ist durch +diese Entäusserung gesezt. Daß ein lebendiges, natürÜches, mit gegenständ +lichen i. e. materiellen Wesenskräften ausgerüstetes und begabtes Wesen +auch sowohl wirkliche natürüche Gegenstände seines Wesens hat, als daß +seme Selbstentäusserung die Setzung einer wirklichen, aber unter der Form +der Aüsserlichkeit, also zu seinem Wesen nicht gehörigen, übermächtigen +gegenständlichen Welt ist, ist ganz natürlich. Es ist nichts Unbegreüliches +und Räthselhaf tes dabei. Vielmehr wäre das Gegentheü räthselhaft. Aber daß +ein Selbstbewußtsein durch seine Entäusserung nur die Dingheit, d. h. selbst +nur ein abstraktes Ding, ein Ding der Abstraktion und kein wirkliches Ding +setzen kann, ist eben so klar. Es ist | |XXVl| ferner klar, daß die Dingheit daher +durchaus nichts Selbstständiges, Wesentliches gegen das Selbstbewußtsein, +sondern ein bloses Geschöpf, ein von ihm Geseztes ist und das Gesezte, statt +sich selbst zu bestätigen, ist nur eine Bestätigung des Actes des Setzens, der +einen Augenblick seme Energie als das Product f ixüt und zum Schein ihm +die Rolle — aber nur für einen Augenbück—eines selbstständigen, wirküchen +Wesens ertheüt. + +30 + +35 + +Wenn der wükliche, leibliche, auf der festen wohlgerundeten Erde ste- +40 hende, alle Naturkräfte aus und einathmende Mensch seine wüküchen, +gegenständlichen Wesenskräfte durch seme Entäusserung als fremde Ge- + +407 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +II genstände sezt, so ist nicht das Setzen Subjekt; es ist die Subjektivität +gegenständlicher Wesenskräfte, deren Action daher auch eine gegenständ +liche sein muß. Das Gegenständliche Wesen wirkt Gegenständlich und es +würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner +Wesensbestimmung läge. Es schafft, sezt nur Gegenstände, weil es durch +Gegenstände gesezt ist, weil es von Haus aus Natur ist. In dem Akt des +Setzens fällt es also nicht aus seiner „reinen Thätigkeit" in ein Schaffen des +Gegenstandes, sondern sein gegenständliches Product bestätigt nur seine +gegenständliche Thätigkeit, seine Thätigkeit als die Thätigkeit eines gegen +ständlichen natürlichen Wesens. + +5 + +10 + +Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus sich +sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet und +zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist. Wir sehn zugleich, wie nur der +Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begreifen. + +15 + +Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als leben- +diges Naturwesen ist er theils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften +ausgerüstet, ein thätiges Naturwesen, diese Kräfte existiren in ihm als +Anlagen und Fähigkeiten, als Triebe; theils ist er als natürliches, leibliches, +sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränk +tes Wesen, wie es auch das Thier und die Pflanze ist; d. h. die Gegenstände 20 +seiner Triebe exis||tiren ausser ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; +aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses zur Bethä- +tigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche +Gegenstände. Daß der Mensch ein leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, +wirkliches, sinnliches Gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, 25 +sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäus- +serung hat oder daß er nur an wirklichen sinnlichen Gegenständen sein Leben +äussern kann. Gegenständlich, natürüch, sinnlich sein und sowohl Gegen +stand, Natur, Sinn ausser sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn +für ein drittes sein ist identisch. Der Hunger ist ein natürliches Bedürfniß ; +er bedarf also einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich, um +sich zu befriedigen, um sich zu stillen. Der Hunger ist das gestandne Be +dürfniß meines Leibes nach einem ausser ihm seienden, zu seiner Integrirung +und Wesensäusserung unentbehrlichen Gegenstand. Die Sonne ist der +Gegenstand der Pflanze, ein ihr unentbehrlicher, ihr Leben bestätigender 35 +Gegenstand, wie die Pflanze Gegenstand der Sonne ist, als Äusserung von +der Lebenserweckenden Kraft der Sonne, von der gegenständlichen We +senskraft der Sonne. + +30 + +Ein Wesen, welches seine Natur nicht ausser sich hat, ist kein natürliches +Wesen, nimmt nicht Theil am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen 40 +Gegenstand ausser sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, + +408 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen +zu seinem Gegenstand, d. h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist +||XXVIl| Ein ungegenständliches Wesen ist ein +kein Gegenständliches. +Unwesen. + +5 + +Sezt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist, noch einen Gegen +stand hat. Ein solches Wesen wäre erstens das einzige Wesen, es existirte +kein Wesen ausser ihm, es existirte einsam und allein. Denn sobald es +Gegenstände ausser mir giebt, so bald ich nicht allein bin, bin ich ein andres, +eine andre Wirklichkeit als der Gegenstand ausser mir. Für diesen 3t en +10 Gegenstand bin ich also eine andre Wirküchkeit als er, d. h. sein Gegenstand. +Ein Wesen, welches nicht Gegenstand eines andren Wesens ist, unterstellt +also, daß kein gegenständliches Wesen existirt. Sobald ich einen Gegenstand +habe, hat dieser Gegenstand mich zum Gegenstand. Aber ein ungegenständ +liches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, d.h. nur +eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion. Sinnlich sein, d. h. wirklich +sein, ist Gegenstand des Sinns sein, sinn/ic/jerGegenstand sein, also sinnliche +Gegenstände ausser sich haben, Gegenstände seiner Sinnlichkeit haben. +Sinnlich sein ist leidend sein. + +15 + +20 + +Der Mensch als ein gegenständliches sinnliches Wesen ist daher ein lei- +dendes und weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches +Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand +energisch strebende Wesenskraft d[es] Menschen. + +Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches +Naturwesen; d. h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als +25 welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und +bethätigen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Na +turgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche +Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnüchkeit, +menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur — objektiv — noch die +30 Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adaequat vor + +handen. + +Und wie aües Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch semen +Entstehungsakt d[ie] Geschichte, die aber für ihn, eine gewußte und darum +als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die +(Dar + +35 Geschichte ist die wahre Naturgeschichte d[es] Menschen. + +auf zurückzukommen.) | + +I Drittens, weü dieß Setzen der Dingheit selbst nur ein Schern, ein dem +Wesen der reinen Thätigkeit widersprechender Akt ist, muß es auch wieder +aufgehoben, die Dingheit geläugnet werden. + +40 + +ad3,4,5,6. 3.) Diese Entäusserung des Bewußtseins hat nicht nur negative +sondern auch positive Bedeutung und 4) diese positive Bedeutung nicht nur + +409 + + •ff + +Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +für uns oder an sich, sondern für es, d[as] Bewußtsein selbst. 5) Für es hat +das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch +die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, +daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung weiß es als +Gegenstand oder d[en] Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Für- +sichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits liegt hierin zugleich das andre +Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr +auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anders +sein als solchem bei sich ist. + +5 + +Wir haben schon gesehn. Die Aneignung des entfremdeten Gegenständ- 10 + +20 + +15 + +liehen Wesens oder die Aufhebung der Gegenständlichkeit unter der Be +stimmung der Entfremdung, — die von der gleichgültigen Fremdheit bis zur +wirklichen feindseeligen Entfremdung fortgehn muß—hat für Hegel zugleich +oder sogar hauptsächlich die Bedeutung, die Gegenständlichkeit auf zuheben, +weil nicht der bestimmte Charakter des Gegenstandes, sondern sein gegen- +ständlicher Charakter für das Selbstbewußtsein das Anstössige und die +Entfremdung ist. Der Gegenstand ist daher ein Negatives, ein sich selbst +aufhebendes, eine Nichtigkeit. Diese Nichtigkeit desselben hat für das Be +wußtsein nicht nur eine negative, sondern eine positive Bedeutung, denn jene +Nichtigkeit des Gegenstandes ist eben die Selbstbestätigung der Ungegen- +ständlichkeit, der ||XXVIIl| Abstraktion, seiner selbst. Für das Bewußtsein +selbst hat die Nichtigkeit des Gegenstandes darum eine positive Bedeutung, +daß es diese Nichtigkeit, das gegenständliche Wesen, als seine Selbstent- +äusserung weiß; daß es weiß, daß sie nur ist durch seine Selbstentäusserung. +. .. Die Art, wie das Bewußtsein ist, und wie etwas für es ist, ist das Wissen. +Das Wissen ist sein einziger Akt. Etwas wird daher für dasselbe, insofern +es dieß etwas weiß. Wissen ist sein einziges Gegenständliches Verhalten. — +Es weiß nun die Nichtigkeit des Gegenstandes, d. h. das Nichtunterschie- +densein des Gegenstandes von ihm, das Nichtsein des Gegenstandes für es +— dadurch — daß es den Gegenstand als seine Selbstentäusserung wein, d. h. 30 +sich — das Wissen als Gegenstand — dadurch weiß, daß der Gegenstand nur +der Schein eines Gegenstandes, ein vorgemachter Dunst ist, seinem Wesen +nach aber nichts andres als das Wissen selbst, welches sich sich selbst +entgegengestellt und daher sich eine Nichtigkeit, ein etwas entgegengestellt +hat, was keine Gegenständlichkeit ausser dem Wissen hat; oder das Wissen +weiß, daß es, indem es sich zu einem Gegenstand verhält, nur ausser sich +ist, sich entäussert; daß es selbst sich nur als Gegenstand erscheint, oder daß +das, was ihm als Gegenstand erscheint, nur es selbst ist. + +25 + +35 + +Andrerseits, sagt Hegel, liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es +diese Entäusserung und Gegenständlichkeit eben so sehr aufgehoben und in 40 +sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. + +410 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +Wir haben in dieser Auseinandersetzung alle Illusionen der Spekulation + +zusammen. + +Einmal.: Das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein ist in seinem Anderssein +als solchem bei sich. Es ist daher — oder wenn wir hier von der hegelschen +5 Abstraktion abstrahiren und statt d[as] Selbstbewußtsein das Selbstbewußt +sein d[es] Menschen setzen — es ist in seinem Anderssein als solchem bei +sich. + +Darin liegt einmal, daß das Bewußtsein — das Wissen — als Wissen — das +Denken als Denken — unmittelbar das andere seiner selbst, Sinnlichkeit, +10 Wirklichkeit, Leben zu sein vorgiebt, das im Denken sich überbietende +Denken. (Feuerbach.) Diese Seite ist hierin enthalten, insofern das Bewußt +sein als nur Bewußtsein nicht an der entfremdeten Gegenständlichkeit, +sondern an der Gegenständlichkeit als solcher seinen Anstoß hat. | + +I Zweitens liegt hierin, daß der selbstbewußte Mensch, insofern er die +15 geistige Welt — oder das geistige allgemeine Dasein seiner Welt als Selbst- +entäusserung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in +dieser entäusserten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgjebt, +sie wiederherstellt, in seinem Anderssein als solchem bei sich zu sein vor +giebt, also nach Aufhebung z.B. der Religion, nach der Erkennung der +20 Religion als eines Products der Selbstentäusserung dennoch in der Religion +als Reügion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivis +mus Hegels oder seines nur scheinbaren Kriticismus; was Feuerbach als +Setzen, Negiren und Wiederherstellen der Religion oder Theologie bezeich +net, was aber allgemeiner zu fassen ist. Also die Vernunft ist bei sich in der +25 Unvernunft als Unvernunft. Der Mensch, der in Recht, Politik etc ein ent +äussertes Leben zu führen erkannt hat, führt in diesem entäusserten Leben +als solchem sein wahres menschliches. Die Selbstbejahung, Selbstbestäti +gung im Widerspruch mit sich selbst, sowohl mit dem Wissen, als mit dem +Wesen des Gegenstandes, ist also das wahre Wissen und Leben. + +30 + +Von einer Accommodation Hegels gegen Religion, Staat etc kann also + +keine Rede mehr sein, da diese Lüge die Lüge seines Princips ist. | + +|XXIX| Wenn ich die Religion als entäussertes menschliches Selbst +bewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Religion nicht mein Selbst +bewußtsein, sondern mein entäussertes Selbstbewußtsein in ihr bestätigt. +35 Mein sich selbst, seinem Wesen angehöriges Selbstbewußtsein weiß ich also +dann nicht in der Religion, sondern vielmehr in der vernichteten, auf +gehobnen Religion bestätigt. + +Bei Hegel ist die Negation der Negation daher nicht die Bestätigung des +wahren Wesens, eben durch Negation des Scheinwesens, sondern die Be- +stäügung des Scheinwesens oder des sich entfremdeten Wesens in seiner +Verneinung oder die Verneinung dieses Scheinwesens als eines gegenständ- + +40 + +411 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +liehen, ausser dem Menschen hausenden und von ihm unabhängigen Wesens +und seine Verwandlung in das Subjekt. + +Eine eigenthümliche Rolle spielt daher das Aufheben, worin die Ver + +neinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind. + +ist + +So z.B. + +in Hegels Rechtsphilosophie das aufgehobne Privat- +recht = Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Fami +lie = bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche Gesellschaft +gleich Staat, der aufgehobne Staat = Weltgeschichte. In der Wkkhchkeit +bleiben Privatrecht, Moral, Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat, etc +bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseins- +weisen d[es] Menschen, die nicht isolirt gelten, sich wechselseitig auflösen +und erzeugen etc, Momente der Bewegung. / + +5 + +10 + +/ in ihrer wirklichen Existenz ist dieß ihr bewegliches Wesen verborgen. +Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philoso +phie und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphiloso- 15 +phisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophi +sches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische +Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, +mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Eben so ist +die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst = die Religions- Natur- 20 +Staats- Kunstphilosophie. Wenn aber mir die Religionsphilosophie etc nur +das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphilosoph +wahrhaft religiös ; so verläugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich +religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, theils innerhalb meines +eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegen 25 +setze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; theils in ihrer eigen +t ü m l i c h en ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare +Anderssein, als Allegorien, unter sinnlichen Hüllen verborgne Gestalten +ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins. | + +/Eben so ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne Quan- 30 + +tität = Maaß, das aufgehobne Maaß = Wesen, das aufgehobne We +sen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung = Wkkhchkeit, die auf +gehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, +die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute +Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne +subjektive Geist = sittlichem, objektivem Geist, der aufgehobne sittliche +Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Reli +gion = absolutem Wissen. + +35 + +Einerseits ist dieß Aufheben ein Aufheben des Gedachten Wesens, also +das gedachte Privateigenthum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und +weil das Denken sich einbildet, unmittelbar d[as] andre seines selbst zu sein, + +40 + +412 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +5 + +10 + +sinnliche Wirklichkeit, || also ihm seine Action auch für sinnliche wkkhche +Action gilt, so glaubt dieß denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand +in der Wirklichkeit stehn läßt, ihn wirklich überwunden zu haben, und +andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum gilt +er ihm auch in seiner Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des +Selbstbewußtseins, der Abstraktion. / + +|XXX| Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die +Philosophie aufhebt, daher nicht die wkkhche Religion, Staat, Natur, son +dern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, +so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach der einen +Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wkklichen Wesen als zu der +unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphiloso +phischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren +Begriffen. + +15 + +Andrerseits kann sich der religiöse etc Mensch in Hegel seine lezte Be + +stätigung finden. + +Es sind nun die positiven Momente der hegel'schen Dialektik — innerhalb + +der Bestimmung der Entfremdung — zu fassen, + +a) Das Aufheben, als gegenständliche, die Entäusserung in sich zurück- +20 nehmende Bewegung. — Es ist dieß die innerhalb der Entfremdung aus +gedrückte Einsicht von der Aneignung des gegenständlichen Wesens durch +die Aufhebung seiner Entfremdung, die entfremdete Einsicht in die wkkliche +Vergegenständlichung des Menschen, in die wirkliche Aneignung seines +gegenständlichen Wesens durch die Vernichtung der entfremdeten Bestim- +25 mung der Gegenständlichen Welt, durch ihre Aufhebung, in ihrem ent +fremdeten Dasein, wie der Atheismus als Aufhebung Gottes das Werden des +theoretischen Humanismus, der Communismus als Aufhebung des Privat +eigenthums die Vindication des wirküchen menschüchen Lebens als seines +Eigenthums ist, das Werden des praktischen Humanismus ist oder der +30 Atheismus ist der durch Aufhebung der Reügion, der Communismus der +durch Aufhebung des Privateigenthums mit sich vermittelte Humanismus. +Erst durch die Aufhebung dieser Vermittelung — die aber eine nothwendige +Voraussetzung ist—wüd der positiv von sich selbst beginnende, der positive +Humanismus. + +35 + +Aber Atheismus, Communismus sind kerne Flucht, kerne Abstraction, kern +Vertieren der von dem Menschen erzeugten gegenständüchen Welt, seiner +zur Gegenständlichkeit herausgebornen Wesenskräfte, kerne zur unnatür- +üchen, unentwickelten Einfachheit zurückkehrende Armuth. Sie sind viel +mehr erst das wükliche Werden, die wüküch für den Menschen gewordne + +40 Verwüküchung seines Wesens oder seines Wesens als eines wüküchen. j + +I Hegel faßt also, indem er den positiven Sinn der auf sich selbst bezognen + +413 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Negation — wenn auch wieder in entfremdeter Weise — faßt, die Selbst +entfremdung, Wesensentäusserung, Entgegenständlichung und Entwirkli +chung d[es] Menschen als Selbstgewinnung, Wesensäusserung, Vergegen +ständlichung, Verwirklichung. Kurz er faßt — innerhalb der Abstraktion — +die Arbeit als den Selbsterzeugungsakt des Menschen, das Verhalten zu sich +als fremdem Wesen und das Bethätigen seiner als eines fremden Wesens als +das werdende Gattungsbewußtsein und Gattungsleben. + +5 + +b) Bei Hegel — abgesehn oder vielmehr als Consequenz der schon ge +schilderten Verkehrtheit — erscheint dieser Akt aber einmal als ein nur +formeller, weil als ein abstrakter, weil das menschliche Wesen selbst nur als +abstraktes Denkendes Wesen, als Selbstbewußtsein gilt; und + +10 + +zweitens, weil die Fassung formell und abstrakt ist, darum wird die +Aufhebung der Entäusserung zu einer Bestätigung der Entäusserung oder +für Hegel ist jene Bewegung des Selbsterzeugens, des Selbstvergegenständ +lichens als Selbstentäusserung und Selbstentfremdung die absolute und +darum die lezte, sich selbst bezweckende und in sich beruhigte, bei ihrem +Wesen angelangte menschliche Lebensäusserung. [Diese Be]wegung in ihrer +abstrakten ||XXXl| Form als Dialektik gilt daher als das wahrhaft mensch +liche Leben und weü es doch eine Abstraktion, eine Entfremdung des +menschlichen Lebens ist, gilt es als göttlicher Proceß, aber als der göttliche +Proceß des Menschen, — ein Proceß, den sein von ihm unterschiednes ab +straktes, reines, absolutes Wesen selbst durchmacht. + +Drittens: Dieser Proceß muß einen Träger haben, ein Subjekt; aber das +Subjekt wird erst als Resultat; dieß Resultat, das sich als absolutes Selbst +bewußtsein wissende Subjekt, ist daher der Gott, absoluter Geist, die sich +wissende und bethätigende Idee. Der wirkliche Mensch und die wirkliche +Natur werden blos zu Prädicaten, zu Symbolen dieses verborgnen un- +wirkhchen Menschen und dieser unwirklichen Natur. Subjekt und Prädicat +haben daher das Verhältniß einer absoluten Verkehrung zu einander, my +stisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjektivität, +das absolute Subjefa als ein Proceß, als sich entäusserndes und aus der +Entäusserung in sich zurückkehrendes aber sie zugleich in sich zurück +nehmendes Subjekt und das Subjekt als dieser Proceß; das reine rastlose +Kreisen in sich. + +15 + +20 + +25 + +30 + +Einmal. Formelle und abstrakte Fassung des Selbsterzeugungs oder + +35 + +Selbstvergegenständlichungsaktes d[es] Menschen. + +Der entfremdete Gegenstand, die entfremdete Wesenswirklichkeit d[es] +Menschen ist — da Hegel d[en] Menschen = Selbstbewußtsein sezt — nichts +als Bewußtsein, nur der Gedanke der Entfremdung, ihr abstrakterund darum +Inhaltsloser und unwirklicher Ausdruck, die Negation. Die Aufhebung der 40 +Entäusserung ist daher ebenfalls nichts als eine abstrakte, inhaltslose Auf- + +414 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +hebung jener Inhaltslosen Abstraktion, die Negation der Negation. Die +inhaltsvolle, lebendige, sinnliche, konkrete Thätigkeit der Selbstvergegen- +ständlichung wird daher zu ihrer blosen Abstraktion, der absoluten Nega- +tivität, eine Abstraktion, die wieder als solche fixirt und als eine selbst- +ständige Thätigkeit, als die Thätigkeit schlechthin gedacht wird. Weil diese +sogenannte Negativität nichts andres ist als die abstrakte, Inhaltslose Form +jenes wirklichen lebendigen Aktes, darum kann auch ihr Inhalt blos ein +formeller, durch || die Abstraktion von allem Inhalt erzeugter Inhalt sein. Es +sind daher die allgemeinen abstrakten jedem Inhalt angehörigen, darum auch +sowohl gegen allen Inhalt gleichgültigen, als eben darum für jeden Inhalt +gültigen Abstraktionsformeln, die Denkformen, die logischen Categorien, los +gerissen vom wkkh'chen Geist und von der wirklichen Natur. (Wü werden +den logischen Inhalt der absoluten Negativität weiter unten entwickeln.) + +5 + +10 + +Das Positive, was Hegel hier vollbracht hat — in semer spekulativen Logik 11 + +20 + +25 + +15 — ist, daß die bestimmten Begriffe, die aUgemeinen fixen Denkformen in ihrer +Selbstständigkeit gegen Natur und Geist ein nothwendiges Resultat der +allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des mensch +lichen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktions +prozesses dargestellt und zusammengefaßt hat. Ζ. B. das aufgehobne Sein +ist Wesen, das aufgehobne Wesen Begriff, der aufgehobne Begrüf . .. ab +solute Idee. Aber was ist nun die absolute Idee? Sie hebt sich selbst wieder +auf, wenn sie nicht wieder von vorn den ganzen Abstraktionsakt durch +machen und sich damit begnügen wiU eine Totaütät von Abstraktionen oder +die sich erfassende Abstraktion zu sein. Aber die sich als Abstraktion er- +fassende Abstraktion weiß sich als nichts; sie muß sich, die Abstraktion +aufgeben und so kömmt sie bei einem Wesen an, welches grade ihr Gegen +theü ist, bei der Natur. Die ganze Logik ist also der Beweis, daß das abstrakte +Denken für sich nichts ist, daß die absolute Idee für sich nichts ist, daß erst +die Natur etwas ist. ||XXXIl| Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche +„nach ihrer Einheit mit sich betrachtet Anschauen ist", (Hegels Encyklopä- +die 3tó Ausgabe, p. 222) welche „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich +entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und +Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Wiederschein, sich als Natur +frei aus sich zu entlassen" (1. c ), diese ganze so sonderbar und barrock sich +35 gebarende Idee, welche den Hegeüanern ungeheure Kopfschmerzen ver +ursacht hat ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i. e. der abstrakte +Denker, die durch Erfahrung gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, +sich unter mancherlei — falschen und selbst noch abstrakten Bedingungen +— dazu entschüeßt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, +40 Bestimmte, an die Stelle ihres Beisichseins \ Nichts seins, ihrer Allgemeinheit +und ihrer Unbestimmtheit zu setzen; die Natur, die sie nur als Abstraktion, + +30 + +415 + + ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +als Gedankending, in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d. h. die Ab +straktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die +abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts anders +als das Abstrakte Denken, das sich auf giebt und zur Anscnauungentschließt. +Dieser ganze Uebergang der Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres +als der — dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher +so abentheuerlich von ihm beschriebne Uebergang aus dem Abstrahiren in +das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem ab +strakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht +nach einem Inhalt. + +5 + +10 + +15 + +(Der sich selbstentfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d. h. dem +natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken +sind daher ausser der Natur und d[em] Menschen hausende fixe Geister. +Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden +derselben einmal als Negation, d.h. als Entäusserung des menschlichen +Denkens, dann als Negation der Negation, d. h. als Aufhebung dieser Ent +äusserung, als wirkliche Äusserung des menschlichen Denkens gefaßt; || aber +— als selbst noch in der Entfremdung befangen — ist diese Negation der +Negation theils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, theils +das Stehnbleiben bei dem lezten Akt, d[em] Sichaufsichbeziehn in der 20 +Entäusserung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister, {(d. h. — Hegel +sezt den in sich kreisenden Akt der Abstraktion an die Stelle jener fixen +Abstraktionen; damit hat er einmal das Verdienst die Geburtsstätte aller +dieser — ihrem ursprüngüchen Datum nach einzelnen Philosophen zugehö +rigen ungehörigen Begriffe nachgewiesen, sie zusammengefaßt und statt 25 +einer bestimmten Abstraktion die in ihrem ganzen Umkreis erschöpfte +Abstraktion als Gegenstand der Kritik geschaffen zu haben) (warum Hegel +das Denken vom Subjekt trennt, werden wir später sehn; es ist aber jezt +schon klar, daß, wenn der Mensch nicht ist, auch seine Wesensäusserung +nicht menschlich sein kann, also auch das Denken nicht als Wesensäusserung 30 +des Menschen als eines menschlichen und natürlichen, mit Augen, Ohren etc +in der Gesellschaft und Welt und Natur lebenden Subjekts gefaßt werden +konnte)}, theils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich +selbst eine unendüche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Auf +geben des abstrakten nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohn' +Aug' ohn' Zahn ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschliessung die Natur als +Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen.) | + +35 + +|XXXIIl| Aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der +Trennung v[om] Menschen fixirt, ist für d[en] Menschen nichts. Daß der +abstrakte Denker, der sich zum Anschauen entschlossen hat, sie abstrakt 40 +anschaut versteht sich von selbst. Wie die Natur von dem Denker, in seiner + +416 + + Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt + +5 + +ihm selbst verborgnen und räthselhaften Gestalt, als absolute Idee, als +Gedankending eingeschlossen lag, so hat er in Wahrheit, indem er sie aus +sich entlassen hat, nur diese abstrakte Natur—aber nun mit der Bedeutung, +daß sie das Anderssein des Gedankens ist, daß sie die wirkliche angeschaute, +vom abstrakten Denken unterschiedne Natur ist — nur das Gedankending +der Natur aus sich entlassen. Oder, um eine menschliche Sprache zu reden, +bei seiner Naturanschauung erfährt der abstrakte Denker, daß die Wesen, +welche er in der göttlichen Dialektik als reine Producte der in sich selbst +webenden und nirgends in die Wirklichkeit hinausschauenden Arbeit des +10 Denkens aus dem Nichts, aus der puren Abstraktion zu schaffen meinte, +nichts andres sind, als Abstraktionen von Naturbestimmungen. Die ganze +Natur wiederholt ihm also nur in einer sinnlichen, äusserlichen Form die +logischen Abstraktionen. Er analysirt sie in diesen Abstraktionen wieder. +Seine Naturanschauung ist also nur der Bestätigungsakt seiner Abstraktion +15 von der Naturanschauung, der von ihm mit Bewußtsein wiederholte Zeu +gungsgang seiner Abstraktion. So ist ζ. B. die Zeit = Negativität, die sich auf +sich bezieht: (p. 238 1. c.) Dem aufgehobnen Werden als Dasein — entspricht +in natürlicher Form — die aufgehobne Bewegung als Materie. Das Licht ist +— die natürliche Form — d[er] Reflexion in sich. Der Körper als Mond und +20 Comet — ist die natürliche Form des — Gegensatzes, der nach der Logik +einerseits das auf sich selbst ruhende Positive, andrerseits das auf sich selbst +ruhende Negative ist. Die Erde ist die natürliche Form des logischen +Grundes, als negative Einheit des Gegensatzes etc. | + +I Die Natur als Natur, d. h. insofern sie sich sinnlich noch unterscheidet + +25 von jenem geheimen, in ihr verborgnen Sinn, die Natur getrennt, unter +schieden von diesen Abstraktionen ist Nichts, ein sich als Nichts bewäh +rendes Nichts, ist Sinnlos oder hat nur den Sinn einer Aüsserlichkeit, die +aufgehoben werden muß. + +30 + +„In dem endlich-teleologischen Standpunkt findet sich die richtige Vor- +aussetzung, daß die Natur den absoluten Zweck nicht in ihr selbst enthält." +p. 225. Ihr Zweck ist die Bestätigung der Abstraktion. „Die Natur hat sich +als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das +Negative ihrer selbst oder sich äusserlich ist, so ist die Natur nicht äusserlich +nur relativ gegen diese Idee, sondern die Aüsserlichkeit macht die Bestim- + +35 mung aus, in welcher sie als Natur ist." p. 227. + +Die Aüsserlichkeit ist hier nicht als die sich äussernde und dem Licht, +d[em] sinnlichen Menschen erschloßne Sinnlichkeit zu verstehn. Die Aüs +serlichkeit ist hier im Sinne der Entäusserung, eines Fehlers, eines Ge +brechens, daß nicht sein soll, zu nehmen. Denn das Wahre ist immer noch +die Idee. Die Natur ist nur die Form ihres Andersseins. Und da das abstrakte +Denken das Wesen ist, so ist das, was ihm äusserlich ist, seinem Wesennach + +40 + +417 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +ein nur Aüsserliches. Der abstrakte Denker erkennt zugleich an, daß die +Sinnlichkeit das Wesen der Natur ist, die Aüsserlichkeit im Gegensatz zu +dem in sich webenden Denken. Aber zugleich spricht er diesen Gegensatz +so aus, daß diese Aüsserlichkeit der Natur ihr Gegensatz zum Denken ihr +Mangel, daß sie, insofern sie sich von der Abstraktion unterscheidet, ein +mangelhaftes Wesen ist. ||XXXIV| Ein nicht nur für mich, in meinen Augen +mangelhaftes, ein an sich selbst mangelhaftes Wesen, hat etwas ausser sich, +was ihm mangelt. D. h. sein Wesen ist ein andres als es selbst. Die Natur muß +sich daher selbst aufheben für den abstrakten Denker, weil sie schon von +ihm als ein der Potenz nach aufgehobnes Wesen gesezt ist. + +„Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit +und damit deren absolutes Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur +verschwunden und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte +Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff'ist. Diese +Identität ist absolute Negativität, weil in der Natur der Begriff seine voll- +kommene äusserliche Objektivität hat, diese seine Entäusserung aber auf +gehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese +Identität somit nur als Zurückkommen aus der Natur." p. 392. + +„Das Offenbaren, welches als die abstrakte Idee unmittelbarer Uebergang, + +Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der +Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen +der Welt als selbstständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Er +schaffen derselben als seines Seins, in welchem er die Affirmation und +Wahrheit seiner Freiheit sich gibt." „Das Absolute ist der Geist; diß ist die +höchste Definition des Absoluten." / + +5 + +10 + +15 + +20 + +25 + +[Privateigentum und Bedürfnisse] + +| x r v| 7) Wir haben gesehn, welche Bedeutung unter der Voraussetzung des +Socialismus die Reichheit der menschlichen Bedürfnisse, und daher sowohl +eine neue Weise der Production, als auch ein neuer Gegenstand der Pro +duction hat. Neue Bethätigung der menschlichen Wesenskraft und neue +Bereicherung des menschlichen Wesens. Innerhalb des Privateigenthums die +umgekehrte Bedeutung. Jeder Mensch spekulirt darauf, dem andern ein +neues Bedürfniß zu schaffen, um ihn zu einem neuen Opfer zu zwingen, um +ihn in eine neue Abhängigkeit zu versetzen und ihn zu einer neuen Weise +des Genusses und damit des ökonomischen Ruins zu verleiten. Jeder sucht 35 +eine fremde Wesenskraft über d[en] andern zu schaffen, um darin die +Befriedigung seines eigenen eigennützigen Bedürfnisses zu finden. Mit der + +30 + +418 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse + +Masse der Gegenstände wächst daher das Reich der fremden Wesen, denen +der Mensch unterjocht ist und jedes neue Product ist eine neue Potenz des +wechselseitigen Betrugs und der wechselseitigen Ausplünderung. Der +Mensch wird um so ärmer als Mensch, er bedarf um so mehr des Geldes, +5 um sich des feindlichen Wesens zu bemächtigen und die Macht seines Geldes +fällt grade im umgekehrten Verhältniß als die Masse der Production, d. h. +seine Bedürftigkeit wächst, wie die Macht des Geldes zunimmt. — Das +Bedürfniß des Geldes ist daher das wahre, von der Nationalökonomie pro +ducirte Bedürfniß und das einzige Bedürfniß, das sie producirt. — Die +10 Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; +wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reducirt, so reducirt es sieh in seiner +eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maaßlosigkeit und Un- +mässigkeit wird sein wahres Maaß. — + +15 + +Subjektiv selbst erscheint dieß so, theils daß die Ausdehnung der Producte +und der Bedürfnisse zum erfinderischen und stets calcuärenden Sklaven +unmenschlicher, raffinirter, unnatürlicher und eingebildeter Gelüste wird — +das Privateigenthum weiß das rohe Bedürfniß nicht zum menschlichen +Bedürfniß zu machen; sein Idealismus ist die Einbildung, die Willkühr, die +Laune und ein Eunuche schmeichelt nicht niederträchtiger seinem Despoten +20 und sucht durch keine infameren Mittel seine abgestumpfte Genußfähigkeit +zu irritiren, um sich selbst eine Gunst zu erschleichen, || wie der Industrie- +eunuche, der Producent, um sich Silberpfennige zu erschleichen, aus der +Tasche des christlich geliebten Nachbarn die Goldvögel herauszulocken — +(jedes Product ist ein Köder, womit man das Wesen des andern, sein Geld, +25 an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfniß ist eine +Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird — all +gemeine Ausbeutung des gemeinschaftlichen menschlichen Wesens, wie +jede Unvollkommenheit d[em] Menschen ein Band mit dem Himmel ist, eine +Seite, wo sein Herz dem Priester zugänglich; jede Noth ist eine Gelegenheit, +30 um unter dem liebenswürdigsten Schein zum Nachbarn zu treten und ihm +zu sagen: Lieber Freund, ich gebe dir, was dir nöthig ist, aber du kennst d[ie] +conditio sine qua non; du weißt, mit welcher Tinte du dich mir zu ver +schreiben hast; ich prelle dich, indem ich dir einen Genuß verschaffe) — sich +seinen verworfensten Einfällen fügt, den Kuppler zwischen ihm und seinem +35 Bedürfniß spielt, krankhafte Gelüste in ihm erregt, jede Schwachheit ihm +ablauert, um dann das Handgeld für diesen Liebesdienst zu verlangen. — + +Theüs zeigt sich diese Entfremdung, indem die Raffinüung der Bedürf +nisse und ihrer Mittel auf der einen Seite, die viehische Verwildrung, +vollständige rohe abstrakte Einfachheit des Bedürfnisses auf der andern +40 Seite producüt; oder vielmehr nur sich selbst in semer gegentheüigen Be +deutung wieder gebiert. Selbst das Bedürfniß der freien Luft hört für den + +419 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +10 + +5 + +Arbeiter auf, ein Bedürfniß zu sein, der Mensch kehrt in die Höhlenwohnung +zurück, die aber nun von dem mephytischen Pesthauch der Civilisation +verpestet ist und die er nur mehr prekär, als eine fremde Macht, die sich ihm +täglich entziehn, aus der er täglich, wenn er ||XV| nicht zahlt, herausgeworfen +werden kann, bewohnt. Dieß Todtenhaus muß er bezahlen. Die Licht- +wohnung, welche Prometheus bei Aeschylus als eines der grossen Ge +schenke, wodurch er d[en] Wilden zum Menschen gemacht, bezeichnet, hört +auf, für d[en] Arbeiter zu sein. Licht, Luft, etc. die einfachste thierische +Reinlichkeit hört auf, ein Bedürfniß für d[en] Menschen zu sein. Der +Schmutz, diese Versumpfung, Verfaulung des Menschen, der Gossenablauf +(dieß ist wörtlich zu verstehn) der Civilisation wird ihm ein Lebenselement. +Die völlige unnatürliche Verwahrlosung, die verfaulte Natur wird zu seinem +Lebenselement. Keiner seiner Sinne existirt mehr, nicht nur nicht in seiner +menschlichen Weise, sondern in einer unmenschlichen, darum selbst nicht +einmal thierischen Weise. Die rohsten Weisen (Instrumente) der menschli- +chen Arbeit kehren wieder, wie die Tretmühle d[es] römischen Sklaven zur +Productionsweise, Daseinsweise vieler englischer Arbeiter geworden ist. +Nicht nur daß der Mensch keine menschlichen Bedürfnisse hat, selbst die +thierischen Bedürfnisse hören auf. Der Mander kennt nur mehr das Be +dürfniß des Essens und zwar nur mehr des Cartoffelessens und zwar nur der +Lumperkartoffel, der schlechtesten Art von Kartoffel. Aber England und +Frankreich haben schon in jeder Industriestadt ein kleines Irland. Der Wilde, +das Thier hat doch das Bedürfniß der Jagd, der Bewegung etc., der Ge +selligkeit. Die Vereinfachung der Maschine, der Arbeit wird dazu benuzt, +um den erst werdenden Menschen, den ganz unausgebildeten Menschen — 25 +das Kind— zum Arbeiter zu machen, wie der Arbeiter ein verwahrlostes Kind +geworden ist. Die Maschine bequemt sich der Schwäche d[es] Menschen, +um den schwachen Menschen zur Maschine zu machen. + +20 + +15 + +Wie die Vermehrung der Bedürfnisse und ihrer Mittel die Bedürfnißlosig- + +keit und die Mittellosigkeit erzeugt, beweist der Nationalökonom (und der 30 +Capitalist, überhaupt reden wir immer von den empirischen Geschäftleuten, +wenn wir uns an die Nationalökonomen—ihr wissenschaftliches Geständniß +und Dasein — adressiren) 1) indem er das Bedürfniß des Arbeiters auf den +nothwendigsten und jämmerlichsten Unterhalt des physischen Lebens und +seine Thätigkeit auf die abstrakteste mechanische Bewegung reducirt, also, 35 +sagt er: Der Mensch hat kein andres Bedürfniß weder der Thätigkeit, noch +des Genusses; denn auch dieß Leben erklärt er [als] menschliches Leben und +Dasein; indem || 2) er das möglichst dürftige Leben (Existenz) als Maaßstab +und zwar als allgemeinen Maaßstab ausrechnet: allgemein, wen für die +Masse der Menschen geltend; er macht den Arbeiter zu einem unsinnlichen 40 +und bedürfnißlosen Wesen, wie er seine Thätigkeit zu einer reinen Ab- + +420 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse + +5 + +15 + +10 + +straktion von aller Thätigkeit macht; jeder Luxus des Arbeiters erscheint ihm +daher als verwerflich und alles, was über das allerabstrakteste Bedürfniß +hinausgeht — sei es als passiver Genuß oder Thätigkeitsäusserung—erscheint +ihm als Luxus. Die Nationalökonomie, diese Wissenschaft des Reichthums +ist daher zugleich die Wissenschaft des Entsagens, des Darbens, der Er +sparung und sie kömmt wirklich dazu dem Menschen, sogar das Bedürfniß +einer reinen Luft oder der physischen Bewegung zu ersparen. Diese Wis +senschaft der wunderbaren Industrie ist zugleich die Wissenschaft der +Ascese und ihr wahres Ideal ist der ascetische aber wuchernde Geizhals und +der ascetische aber producirende Sklave. Ihr moralisches Ideal ist der Ar- +beiter, der in die Sparkasse einen Theil seines salaires bringt und sie hat +für // diesen ihren Lieblingseinfall sogar eme knechtische Kunst vorgefun +den. Man hat das sentimental aufs Theater gebracht. // Sie ist daher — trotz +ihres weltlichen und wollüstigen Aussehns — eme wüküch moralische Wis- +senschaft, die aüermoraüschste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die +Entsagung des Lebens, aller menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehr- +satz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Bau, +zum Wütshaus gehst, denkst, liebst, theoretisüst, singst, mahlst, fechtest etc +um so [mehr] sparst du, um so grösser wüd dein Schatz, den weder Motten, +noch Raub fressen, dem Capital. Je weniger du bist, je weniger du dem Leben +äusserst, um so mehr hast du, um so grösser ist dein entäussertes Leben, um +so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. AUes ||XVl| was +dü der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersezt +er dü in Geld und Reichthum. Und aUes das, was du nicht kannst, das kann +25 dein Geld: es kann essen, trinken, auf den Bau, ins Theater gehn, es weiß +sich die Kunst, die Gelehrsamkeit, die historischen Seltenheiten, die poli +tische Macht, es kann reisen, es kann dir das aUes aneignen; es kann das aUes +kaufen; es ist das wahre Vermögen. Aber es, was aU dieß ist, es mag nichts +als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn aUes andre ist ja sein Knecht +30 und wenn ich den Herrn habe, habe ich den Knecht und brauche ich semen +Knecht nicht. Aüe Leidenschaften und aUe Thätigkeit muß also untergehn +in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur so viel haben, daß er leben wül, und +darf nur leben wollen, um zu haben. + +20 + +35 + +Allerdmgs erhebt sich nun auf Nationalökonomischem Boden eine Con- +traverse. Die eine Seite (Lauderdale, Malthus etc) empfiehlt den Luxus und +verwünscht die Sparsamkeit; die andre (Say, Ricardo etc) empfiehlt die +Sparsamkeit und verwünscht den Luxus. Aber jene gesteht, daß sie den +Luxus wül, um die Arbeit, d. h. die absolute Sparsamkeit zu producüen; die +andre Seite gesteht, daß sie die Sparsamkeit empfiehlt um den Reichthum, + +40 d. h. den Luxus zu producüen. Die erstere Seite hat die romantische Ein- +büdung, die Habsucht dürfe nicht aUein die Consumtion d[es] Reichen + +421 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +bestimmen, und sie widerspricht ihren eignen Gesetzen, wenn sie die Ver +schwendung unmittelbar für ein Mittel der Bereicherung ausgjebt und von +der andern Seite wird ihr daher sehr ernstlich und umständlich bewiesen, daß +ich durch die Verschwendung meine Habe verringere und nicht vermehre; +die andre Seite begeht die Heuchelei nicht zu gestehn, daß grade die Laune +und der Einfall die Production bestimmt; sie vergißt die „verfeinerten +Bedürfnisse", sie vergißt, daß ohne Consumtion nicht producirt würde; sie +vergißt daß die Production durch die Concurrenz nur allseitiger, luxuriöser +werden muß; sie vergißt, daß der Gebrauch ihr den Werth der Sache be +stimmt und daß die Mode den Gebrauch bestimmt, sie wünscht nur „Nütz- 10 +liches" producirt zu sehn, aber sie vergißt, daß die Production von zu viel +Nützlichem zu viel unnütze Population producirt. Beide Seiten vergessen, +daß Verschwendung und Ersparung, || Luxus und Entblösung, Reichthum +und Armuth = sind. + +5 + +Und nicht nur deine unmittelbaren Sinne, wie Essen etc mußt du absparen, +auch Theilnahme mit allgemeinen Interessen, Mitleiden, Vertrauen etc das +alles mußt du dir ersparen, wenn du ökonomisch sein willst, wenn du nicht +an Illusionen zu Grunde gehn willst. + +15 + +Du mußt alles, was dein ist, feil, d. h. nützlich machen. Wenn ich den + +Nationalökonomen frage: Gehorche ich den ökonomischen Gesetzen, wenn 20 +ich aus der Preißgebung, Feilbietung meines Körpers an fremde Wollust Geld +ziehe, (die Fabrikarbeiter in Frankreich nennen die Prostitution ihrer Frauen +und Töchter die xte Arbeitsstunde, was wörtlich wahr ist) oder handle ich +nicht nationalökonomisch, wenn ich meinen Freund an die Marokkaner ver +kaufe (und der unmittelbare Menschenverkauf als Handel der Conscribirten 25 +etc findet in allen Culturländern statt) so antwortet mir der Nationalökonom: +meinen Gesetzen handelst du nicht zuwider; aber sieh' dich um, was Base +Moral und Base Religion sagt; meine nationalökonomische Moral und Re +ligion hat nichts gegen dich einzuwenden, aber—Aber wem soll ich nun mehr +glauben, der Nationalökonomie oder der Moral? — Die Moral der National- 30 +Ökonomie ist der Erwerb, die Arbeit und die Sparsamkeit, die Nüchternheit +— aber die Nationalökonomie verspricht mir meine Bedürfnisse zu befrie +digen. — Die Nationalökonomie der Moral ist der Reichthum an gutem +Gewissen, an Tugend etc, aber wie kann ich tugendhaft sein, wenn ich nicht +bin, wie ein gutes Gewissen haben, wenn ich nichts weiß? — Es ist dieß im 35 +Wesen der Entfremdung gegründet, daß jede Sphäre einen andern und +entgegengesezten Maaßstab an mich legt, ein[en] andern die Moral, einen +andern d[ie] Nationalökonomie,] weil jede eine bestimmte Entfremdung +d[es] Menschen ist und jede [JXVIIJ einen besondern Kreis der Entfremdeten +Wesensthätigkeit fixirt; jede sich entfremdet zu der andern Entfremdung 40 +verhält.... So wirft Herr Michel Chevalier dem Ricardo vor, daß er von der + +422 + + Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse + +5 + +Moral abstrahirt. Aber Ricardo läßt die Nationalökonomie ihre eigne Sprache +sprechen. Wenn diese nicht moralisch spricht, so ist es nicht die Schuld von +Ricardo. M. Ch. abstrahirt von der Nationalökonomie, so weit er moralisirt, +aber er abstrahirt nothwendig und wirklich von der Moral, so weit er Na- +tionalökonomie treibt. Die Beziehung d[es] Nationalökonomen auf die +Moral, wenn sie anders nicht willkührlich, zufällig und daher unbegründet +und unwissenschaftüch ist, wenn sie nicht zum Schein vorgemacht, sondern +als wesentlich gemeint wüd, kann doch nur die Beziehung der Na +tionalökonomischen Gesetze auf die Moral sein; wenn diese nicht oder +10 vielmehr das Gegentheü stattfindet, was kann Ricardo dafür? Uebrigens ist +auch der Gegensatz der Nationalökonomie und der Moral nur ein Schein und +wie er ein Gegensatz ist, wieder kern Gegensatz. Die Nationalökonomie +drückt nur in ihrer Weise die Moraüschen Gesetze aus. + +15 + +Die Bedürf mßlosigkeit als das Princip der Nationalökonomie zeigt sich am +glänzendsten in ihrer Bevölkerungstheorie. Es giebt zu viel Menschen. Sogar +das Dasein d[es] Menschen ist ein purer Luxus und wenn der Arbeiter +„moralisch" ist (MU1 schlägt öffentliche Belobungen für die vor, die sich +enthaltsam in geschlechtlicher Beziehung zeigen und öffentlichen Tadel für +die, die sich versündigen an dieser Unfruchtbarkeit der E h e . .. ist das nicht +20 Moral, Lehre von der Ascese?) wüd er sparsam sein an Zeugung. Die Pro + +duction d[es] Menschen erscheint als öffentüches Elend. + +Der Sinn, den die Production in Bezug auf d[en] Reichen hat, zeigt sich +offenbart in dem Sinne, den sie für d[en] Armen hat; nach oben ist die +Äusserung immer fein, versteckt, zweideutig, Schern, nach unten hin grob, +25 grad heraus, offenherzig, Wesen. Das rohe Bedürfniß des Arbeiters ist eine +viel grössere Queüe des Gewinns als das feine d[es] Reichen. Die Keüer- +wohnungen in London bringen ihren Vermiethern mehr ein, als die Paüäste, +d. h. sie sind in Bezug auf um ein größrer Reichthum, also, um national +ökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichthum. —1| Und + +30 wie die Industrie auf die Verfeüierung der Bedürfnisse, ebenso sehr spekulirt +sie auf ihre Rohheit, aber auf ihre künstüch hervorgebrachte Rohheit, deren +wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung +des Bedürfnisses, diese Civüisation innerhalb der rohen Barbarei des Be +dürfnisses. — Die englischen Schnapsläden sind darum sinnbildliche Dar- +steüungen des Privateigenthums. Ihr Luxus zeigt das wahre Verhältniß des +industrieüen Luxus und Reichthums zum Menschen. Sie sind daher mit +Recht auch die einzigen, wenigstens müd von der engüschen Poüzei be +handelten Sonntagsvergnügungen des Volkes. + +/ + +35 + +423 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +[Zusätze] + +/XVIII / Wir haben schon gesehn wie der Nationalökonom Einheit von Arbeit +und Capital auf vielfache Art sezt; 1) Das Capital ist aufgehäufte Arbeit; +2) Die Bestimmung des Capitals innerhalb der Production, theils die Re +production des Capitals mit Gewinn, theils das Capital als Rohstoff (Material +der Arbeit) theils als selbst arbeitendes Instrument — die Maschine ist das +unmittelbar mit der Arbeit identisch gesezte Capital — ist produktive Arbeit; +3) Der Arbeiter ist ein Capital; 4) Der Arbeitslohn gehört zu den Kosten des +Capitals; 5) in Bezug auf den Arbeiter ist die Arbeit die Reproduction seines +Lebenskapitals ; 6) in Bezug auf den Capitalisten ein Moment der Thätigkeit 10 +seines Capitals. + +5 + +Endlich 7) unterstellt der Nationalökonom die ursprüngliche Einheit +beider als die Einheit von Capitalist und Arbeiter, dieß ist der paradisische +Urzustand. Wie diese beiden Momente ||XTX| als 2 Personen sich entgegen +springen, ist für d[en] Nationalökfonomen] ein zufälliges und darum nur 15 +äusserlich zu erklärendes Ereigniß. (Sieh Mill.) + +Die Nationen, welche noch von dem sinnlichen Glanz der edlen Metalle +geblendet und darum noch Fetischdiener des Metallgeldes sind — sind noch +nicht die vollendeten Geldnationen. Gegensatz von Frankreich und Eng +land. + +'• + +20 + +Wie sehr die Lösung der theoretischen Räthsel eine Aufgabe der Praxis +und praktisch vermittelt ist, wie die wahre Praxis die Bedingung einer +wirklichen und positiven Theorie ist, zeigt sich ζ. B. am Fetischismus. Das +sinnliche Bewußtsein des Fetischdieners ist ein andres, wie das d[es] Grie +chen, weil sein sinnliches Dasein noch ein andres ist. Die abstrakte Feind- 25 +schaft zwischen Sinn und Geist ist nothwendig, so lang der menschliche Sinn +für die Natur, der menschliche Sinn der Natur, also auch der natürliche Sinn +d[es] Menschen noch nicht durch die eigne Arbeit d[es] Menschen producirt +ist. + +Die Gleichheit ist nichts andres als das deutsche Ich = Ich, in französische, 30 + +d. h. politische Form übersezt. Die Gleichheit als Grund des Communismus +ist seine politische Begründung und ist dasselbe, als wenn der Deutsche ihn +sich dadurch begründet, daß er d[en] Menschen als allgemeines Selbst +bewußtsein faßt. Es versteht sich, daß die Aufhebung der Entfremdung +immer von der Form der Entfremdung aus geschieht, welche die herrschende +Macht ist, in Deutschland das Selbstbewußtsein, in Frankreich die Gleich +heit, weil die Politik, in England das wirkliche materielle sich nur an sich +selbst messende praktische Bedürfniß. Von diesem Punkt aus ist Proudhon +zu kritisiren und anzuerkennen. + +35 + +424 + + Zusätze + +10 + +Wenn wir den Communismus selbst noch — weü als Negation der Nega +tion, als die Aneignung des menschüchen Wesens, die sich mit sich durch +Negation d[es] Privateigenth[ums vermi]ttelt, daher noch nicht als die wahre, +von sich selbst, sondern vielmehr vom Privateigenthum aus beginnende +5 Position — bezeichnen, [...] in altdeutscher Weise — nach Weise der +hegel'schen Phänomenologie — so aufzu[...] als ein überwundnes Moment +nun abgemacht sei und man [...] könne, und sich dabei beruhigen könne, um +in seinem Bewußtsein aufge[...] des menschüchen Wesens nur durch d. +wkkhche [...] Aufhebung semes Gedankens nach wie vor [...] da also mit +ihm die wüküche || Entfremdung des menschüchen Lebens bleibt und eine +um so grössere Entfremdung bleibt, je mehr man ein Bewußtsem über sie +als eine solche hat — voübracht werden kann, so ist sie also nur durch den +ins Werk gesezten Communismus zu vollbringen. Um d[en] Gedanken des +Privateigenthums aufzuheben, dazu reicht der gedachte Communismus +15 voüständig aus. Um das wüküche Privateigenthum aufzuheben, dazu gehört +eine wkkhche communistische Aktion. Die Geschichte wüd sie bringen und +jene Bewegung, die wü in Gedanken schon als eine sich selbst aufhebende +wissen, wüd in der Wüküchkeit einen sehr rauhen und weitläufigen Proceß +durchmachen. Als einen wüküchen Fortschritt müssen wü es aber be- +trachten, daß wü von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem +Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes Bewußtsem +erworben haben. + +20 + +Wenn die communistischen Handwerker sich vereinen, so gut ihnen +zunächst die Lehre, Propaganda etc als Zweck. Aber zugleich eignen sie sich +25 dadurch ein neues Bedürf riß, das Bedürfniß der Gesellschaft an und was +als Mittel erscheint, ist zum Zweck geworden. Diese praktische] Bewegung +kann man in ihren glänzendsten Resultaten anschaun, wenn man sociali- +stische französische ouvriers vereinigt sieht. Rauchen, Trinken, Essen etc +sind nicht mehr da als Mittel der Verbindung und als verbindende Mittel. Die +30 GeseUschaft, der Verein, die Unterhaltung, die wieder die Gesellschaft zum +Zweck hat, reicht ihnen hin, die Brüderlichkeit d[er] Menschen ist kerne +Phrase, sondern Wahrheit bei ihnen und der Adel der Menschheit leuchtet +un[s] aus den von der Arbeit verhärteten Gestalten entgegen. + +1 + +35 + +|XX| — Wenn die Nationalökonomie behauptet, daß Nachfrage und Zufuhr +sich immer decken, so vergißt sie sogleich, daß nach ihrer eignen Behauptung +die Zufuhr von Menschen (Bevölkerungstheorie) immer die Nachfrage +übersteigt, daß also bei dem wesentlichen Resultat der ganzen Production +— der Existenz d[es] Menschen—das Mißverhältniß zwischen Nachfrage und +Zufuhr semen entschiedensten Ausdruck erhält. + +40 + +Wie sehr das Geld das als Mittel erscheint, die wahre Machtxmá der einzige +Zweck ist — wie sehr überhaupt das Mittel, das mich zum Wesen macht, das + +425 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +mir das fremde gegenständliche Wesen aneignet, Selbstzweck ist, . .. das +kann man daraus ersehn, wie Grundeigenthum, da wo der Boden die Le +bensquelle, Pferd und Schwerdt, da wo sie das wahre Lebensmittel sind — +auch als die wahren poütischen Lebensmächte anerkannt sind. Im Mittelalter +ist ein Stand emancipirt, sobald er das Schwerdt tragen darf. Bei noma- +dischen Bevölkerungen ist das Roß das, was mich zum Freien, zum +Theilnehmer am Gemeinwesen macht. + +5 + +Wir haben oben gesagt, daß der Mensch zu der Höhlenwohnung etc aber +zu ihr unter einer entfremdeten, feindseeligen Gestalt zurückkehrt. Der +Wilde in seiner Höhle — diesem unbefangen sich zum Genuß und Schutz 10 +darbietenden Naturelement — fühlt sich nicht fremder, oder fühlt sich viel +mehr so heimisch, als der Fisch im Wasser. Aber die Kellerwohnung des +Armen ist eine feindliche als „fremde Macht an sich haltende Wohnung, die +sich ihm nur hingiebt, sofern er seinen Blutschweiß ihr hingiebt", die er nicht +als seine Heimath, — wo er endlich sagen könnte, hier bin ich zu Hause — 15 +betrachten darf, wo er sich vielmehr in dem Haus eines andern, in einem +fremden Hause befindet, der täglich auf der Lauer steht und ihn hinauswirft, +wenn er nicht die Miethe zahlt. Ebenso weiß er der Qualität nach seine +Wohnung im Gegensatz zur jenseitigen, im Himmel des Reichthums, re- +sidirenden menschlichen Wohnung. + +20 + +Die Entfremdung erscheint sowohl darin, daß mein Lebensmittel eines +andern ist, daß dieß, was mein Wunsch der unzugängliche Besitz eines +andern ist, als daß jede Sache selbst ein andres als sie selbst, als daß meine +Thätigkeit ein andres, als endlich, — und dieß gilt auch für den Capitalisten +— daß überhaupt die unmenschliche Macht her[rscht.] | + +25 + +I Die Bestimmung des sich nur zum Genuß preißgebenden, unthätigen und +verschwendenden Reichthums — worin der Geniessende zwar einerseits sich +als ein nur vergängliches, wesenlos sich austobendes Individuum bethätigt +und ebenso die fremde Sklavenarbeit, den menschlichen Blutschweiß als die +Beute seiner Begierde, und darum d[en] Menschen selbst, also auch sich 30 +selbst als ein aufgeopfertes nichtiges Wesen weiß, wobei die Menschen +verachtung als Uebermuth, als ein Wegwerfen dessen, was hundert mensch +liche Leben fristen kann, theils als die infame Illusion erscheint, daß seine +zügellose Verschwendung und haltlose, improduktive Consumtion die Arbeit +und damit die Subsistenz des andern bedingt, der die Verwirklichung der 35 +menschlichen Wesenskräfte nur als Verwirklichung seines Unwesens, seiner +Laune und willkührhch bizarren Einfälle weiß, dieser Reichthum, der aber +andrerseits den Reichthum als ein bloses Mittel und nur der Vernichtung +werthes Ding weiß, der also zugleich sein Sklave und sein Herr, zugleich +großmüthig und niederträchtig, launenhaft, dünkelhaft, eingebildet, fein, 40 +gebildet, geistreich ist, — dieser Reichthum hat noch nicht den Reichthum + +426 + + Zusätze + +als eine gänzlich fremde Macht über sich selbst erfahren; er sieht in ihm +vielmehr nur seine eigne Macht, und [nicht] d[er] Reichthum, sondern d[er] +Genuß [...]r lezter Endzweck. Dieser R[eichthum] [...]m [...] ||XXl| und der +glänzenden, durch den sinnlichen Schein geblendeten Illusion, über das +5 Wesen des Reichthums, tritt der arbeitende, nüchterne, prosaische \ ökono +mische —über das Wesen des Reichthums aufgeklärte Industrielle gegenüber +— und wie er jener Genußsucht einen größren Umkreis verschafft, ihm +schöne Schmeicheleien in seinen Productionen sagt, — seine Producte sind +eben so viel niedrige Complimente an die Gelüste des Verschwenders — so +10 weiß er die jenem verschwindende Macht auf die einzig nützliche Weise sich +selbst anzueignen. Wenn sonach der industrieüe Reichthum zunächst als +Resultat des verschwenderischen, phantastischen Reichthums erscheint, — +so verdrängt die Bewegung des erstem auch auf thätige Weise, durch ihm +eigne Bewegung den leztem. Das Faüen des Geldzinses ist nämüch eine +15 nothwendige Consequenz und Resultat der industriellen Bewegung. Die +Mittel des verschwenderischen Rentiers vermindern sich also tägüch, grade +im umgekehrten Verhältniß zur Vermehrung der Mittel und Faüstricke des +Genusses. Er muß also entweder sein Capital selbst verzehren, also zu +Grunde gehn oder selbst zum industriellen Capitalisten werden. . .. And- +rerseits steigt zwar die Grundrente unmittelbar beständig durch den Lauf der +industrieüen Bewegung, aber — wü haben es schon gesehn — es kömmt +nothwendig ein Zeitpunkt, wo das Grundeigenthum in die Categorie des mit +Gewinn sich reproducüenden Capitals, wie jedes andre Eigenthum faüen +muß — und zwar ist dieß das Resultat derselben industriellen Bewegung. Also +25 muß auch der verschwenderische Grundherr entweder sein Capital ver +zehren, also zu Grunde gehn — oder selbst der Pächter seines eignen Grund +stücks — ackerbauender Industrieller werden. + +20 + +Die Verminderung des Geldzinses — welche Proudhon als die Aufhebung +des Capitals und als Tendenz nach d[ie] Sociaüsirung des Capitals betrachtet +30 — ist daher vielmehr unmittelbar nur ein Symptom von dem voüständigen +Sieg des arbeitenden Capitals über den verschwenderischen Reichthum, d. h. +die Verwandlung aües Privateigenthums in industrielles Capital — der voU- +ständige Sieg des Privateigenthums über aüe dem Schein nach noch +menschlichen Qualitäten desselben und die vöüige Unterjochung desPrivat- + +35 eigenthümers unter das Wesen des Privateigenthums, — die Arbeit. \ + +I AUerdings genießt auch der industrieüe Capitaüst. Er kehrt keineswegs +zur unnatürüchen Einfachheit des Bedürfnisses zurück, aber sein Genuß ist +nur Nebensache, Erholung, untergeordnet der Production, dabei berech +neter, also selbst ökonomischer Genuß, denn er schlägt seinen Genuß zu den +40 Kosten des Capitals, und sein Genuß darf ihm daher nur so viel kosten, daß +das an ihm Verschwendete durch die Reproduction des Capitals mit Gewinn + +427 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +wieder ersezt wird. Der Genuß ist also unter das Capital, das geniessende +Individuum unter das Capitalisirende subsumirt, während früher das Gegen +theil stattfand. Die Abnehmung der Zinsen ist daher nur insofern ein Sym +ptom der Aufhebung des Capitals, als sie ein Symptom seiner sich voll +endeten Herrschaft, der sich vollendenden und daher ihrer Aufhebung +zueilenden Entfremdung ist. Dieß ist überhaupt die einzige Weise, wie das +Bestehende sein Gegentheil bestätigt. + +5 + +Der Zank d[er] Nationalökonomen über Luxus und Ersparung ist daher +nur der Zank der über das Wesen des Reichthums ins Klare gekommenen +Nationalökonomie mit derjenigen, die noch mit Romantischen antiindu- 10 +striellen Erinnerungen behaftet ist. Beide Theile wissen sich aber den Gegen +stand des Streits nicht auf seinen einfachen Ausdruck zu bringen und werden +daher nicht mit einander fertig. + +1 + +/XXXrv/ Die Grundrente wurde ferner qua Grundrente gestürzt — indem +von der neuern Nationalökonomie im Gegensatz zu dem Argument d[er] 15 +Physiokraten, der Grundeigenthümer sei der einzig wahre Producent, viel +mehr bewiesen wurde, daß der Grundeigenthümer als solcher vielmehr der +einzige ganz impro||duküve Rentier sei. Die Agricultur sei Sache des Ca +pitalisten, der seinem Capital diese Anwendung gebe, wenn er von ihr den +gewöhnlichen Gewinn zu erwarten habe. Die Aufstellung d[er] Physiocraten 20 +— daß das Grundeigenthum als das einzig produktive Eigenthum allein die +Staatssteuern zu zahlen, also auch allein sie zu bewilligen und Theil an dem +Staatswesen zu nehmen habe — verkehrt sich daher in die umgekehrte +Bestimmung, daß die Steuer auf Grundrente die einzige Steuer auf ein +improduktives Einkommen sei, daher die einzige Steuer, welche der natio- 25 +nalen Production nicht schädlich sei. Es versteht sich, daß so gefaßt, auch +das politische Vorrecht der Grundeigenthümer nicht mehr aus ihrer haupt +sächlichen Besteuerung folgt. + +Alles was Proudhon als Bewegung der Arbeit gegen das Capital faßt, ist + +nur die Bewegung der Arbeit in der Bestimmung des Capitals, des indu- 30 +striellen Capitals gegen das nicht als Capital, d.h. nicht industriell sich +consummirende Capital. Und diese Bewegung geht ihren siegreichen Weg, +d. h. den Weg des Sieges des industriellen Capitals. — Man sieht also, daß +erst indem die Arbeit als Wesen des Privateigenthums gefaßt wird, auch die +nationalökonomische Bewegung als solche in ihrer wirklichen Bestimmtheit +durchschaut werden kann. + +35 + +428 + + Fragmente. Teilung der Arbeit + +[Fragmente] + +[Teilung der Arbeit] + +5 + +Die Gesellschaft — wie sie für den Naüonalökonomen erscheint — ist die +bürgerliche Gesellschaft, worin jedes Individuum ein Ganzes von Bedürf - +nissen ist und es nur ||[XXX]V| für d[en] Andern, wie der Andre nur für es +da ist, insofern sie sich wechselseitig zum Mittel werden. Der National +ökonom — so gut, wie die Politik in ihren Menschenrechten — reducüt aües +auf d[en] Menschen, d. h. auf das Individuum, von welchem er aüe Bestimmt +heit abstreüt, um es als Capitaüst oder Arbeiter zu fixüen. + +10 + +Die Theilung der Arbeit ist der nationalökonomische Ausdruck von der +Gesellschaftlichkeit der Arbeit innerhalb der Entfremdung. Oder, da die +Arbeit nur ein Ausdruck der menschlichen Thätigkeit innerhalb der Ent +äusserung, der Lebensäusserung als Lebensentäusserung ist, so ist auch die +Theilung der Arbeit nichts andres als das entfremdete, entäusserte Setzen +15 der menschüchen Thätigkeit als einer realen Gattungsthätigkeit oder als + +Thätigkeit d[es] Menschen als Gattungswesen. + +Ueber das Wesen der Theilung der Arbeit — welche natürlich als ein +Hauptmotor der Production des Reichthums gefaßt werden mußte, sobald +die Arbeit als das Wesen des Privateigenthums erkannt war,—d. h. über diese +entfremdete und entäusserte Gestalt der menschüchen Thätigkeit als Gat +tungsthätigkeit sind die Nationalökonomen sehr unklar und sich wider +sprechend. + +20 + +30 + +Adam Smith: „Die Theüung der Arbeit verdankt nicht der menschlichen +Weisheit ihren Ursprung. Sie ist die nothwendige, langsame und stufenweise +25 Consequenz des Hangs zum Austausch und des wechselseitigen Verscha- +cherns der Producte. Dieser Hang zum Handel ist wahrscheinüch eine +nothwendige Folge des Gebrauchs der Vernunft und des Wortes. Er ist aüen +Menschen gemeinschaftüch, findet sich bei keinem Thier. Das Thier sobald +es erwachsen ist, lebt auf seme Faust. Der Mensch hat beständig die Unter- +Stützung von andern nöthig und vergebüch würde er sie blos von ihrem +Wohlwollen erwarten. Es wüd viel sicherer sein, sich an ihr persönliches +Interesse zu wenden und sie zu überreden, ihr eigner Vortheü erheische das +zu thun, was er von ihnen wünscht. Wü adressüen uns bei andern Menschen +nicht an ihre Menschheit, sondern an ihren Egoismus; wir sprechen ihnen +niemals von unsern Bedürfnissen, sondern immer von üirem Vortheü.... Da +wü also durch Tausch, Handel, Schacher die Mehrzahl der guten Dienste, +die uns wechselseitig nöthig sind, erhalten, so ist es diese Disposition zum +Schacher, welche der Theüung der Arbeit \\ ihren Ursprung gegeben hat. Z. B. + +35 + +429 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +5 + +In einem Tribus von Jägern oder Hirten macht ein Privatmann Bogen und +Sehnen mit mehr Geschwindigkeit und Geschicklichkeit als ein andrer. Er +vertauscht oft mit seinen Genossen diese Arten von Tagwerk gegen Vieh und +Wild, er bemerkt bald, daß er lezteres durch dieses Mittel sich leichter +verschaffen kann, als wenn er selbst auf die Jagd ginge. Aus interessirter +Berechnung macht er also aus der Fabrikation der Bogen etc seine Haupt +beschäftigung. Die Differenz der natürlichen Talente unter den Individuen +ist nicht sowohl die Ursache als der Effekt der Theilung der Arbeit +Ohne +die Disposition d[er] Menschen zu handien und tauschen, wäre jeder ver +pflichtet gewesen, sich selbst alle Notwendigkeiten und Bequemhchkeiten 10 +des Lebens zu verschaffen. Jeder hätte dasselbe Tagewerk zu erfüllen gehabt +und jene grosse Diïferenz der Beschäftigungen, welche allein eine grosse +Differenz der Talente erzeugen kann, hätte nicht Stattgefunden +Wie nun +dieser Hang zum Tauschen die Verschiedenheit der Talente erzeugt unter +den Menschen, so ist es auch derselbe Hang, der diese Verschiedenheit 15 +nützlich macht. — Viele Thierraçen, obgleich von derselben Species, haben +von der Natur unterschiedene Charaktere erhalten, die in Bezug auf ihre +Anlagen Augenf älliger sind, als man bei d[en] ungebildeten Menschen be +obachten könnte. Von Natur ist ein Philosoph nicht halb so verschieden von +einem Sackträger an Talent und Intelligenz als ein Haushund von einem 20 +Windhund, ein Windhund von einem Wachtelhund und dieser von einem +Schäferhund. Dennoch sind diese verschiednen Thierraçen, obgleich von +derselben species fast von gar keiner Nützlichkeit für einander. Der Hofhund +kann den Vortheilen seiner Stärke ||XXXVI| nichts hinzufügen, dadurch daß +er sich etwa der Leichtigkeit des Windhundes etc bediente. Die Wirkungen 25 +dieser verschiednen Talente oder Stufen der Intelligenz können, aus Mangel +der Fähigkeit oder des Hangs zum Handel und Austausch, nicht zusammen, +in Gemeinschaft geworfen werden und können durchaus nicht zum Vortheil +oder zur gemeinschaftlichen Bequemlichkeit der species beitragen— Jedes +Thier muß sich selbst unterhalten und beschützen, unabhängig von den 30 +andern, — es kann nicht den geringsten Nutzen von der Verschiedenheit der +Talente ziehn, welche die Natur unter seinesgleichen vertheilt hat. Unter den +Menschen dagegen, sind die disparatesten Talente einander nützlich, weil +die verschiednen Producte jeder ihrer respektiven Industriezweige, ver +mittelst dieses allgemeinen Hangs zum Handel und Austausch, sich so zu 35 +sagen, in eine gemeinschaftüche Masse geworfen finden, wo jeder Mensch +nach seinen Bedürfnissen kaufen gehn kann irgendeinen Theil des Products +der Industrie d[er] andern. — Weü dieser Hang zum Austausch der Theilung +der Arbeit ihren Ursprung giebt, so ist folglich das Wachsthum dieser +Theilung immer beschränkt durch die Ausdehnung der Fähigkeit auszutau- +sehen oder in andern Worten durch die Ausdehnung des Marktes. Ist der + +40 + +430 + + Fragmente. Teilung der Arbelt + +5 + +Markt sehr klein, so wird Niemand ermuthigt sein, sich gänzlich einer +einzigen Beschäftigung zu ergeben, aus Mangel das Mehr des Products seiner +Arbeit, welches seine eigne Consumtion übersteigt, gegen ein gleiches Mehr +des Products der Arbeit eines andern, das er sich zu verschaffen wünschte, +austauschen zu können . . ." Im fortgeschrittnen Zustand: ,Jeder Mensch +besteht von échanges, vom Austausch und wird eine Art von Handelsmann, +und die Gesellschaft selbstist eigentlich eine Handelstreibende Gesellschaft. +(Sieh Destutt de Tracy : die Gesellschaft ist eine Reihe v[on] wechselseitigem +Austausch, in dem Commerce liegt das ganze Wesen der Gesellschaft.)... +10 Die Accumulation der Capitaüen steigt mit der Theilung der Arbeit und + +wechselseitig." — So weit Adam Smith. + +„Wenn jede Familie die Totalität der Gegenstände ihrer Consumtion +erzeugte, könnte die Gesellschaft in Gang bleiben, obgleich sich keine Art +von Austausch bewerkstellig! |te — ohne fundamental zu sein, ist der Aus- +tausch unentbehrlich in dem avancüten Zustand unsrer GeseUschaft — die +Theüung der Arbeit ist eine geschickte Anwendung der Kräfte d[es] Men +schen—sie vermehrt also die Producte der Gesellschaft, ihre Macht und ihre +Genüsse, aber sie beraubt, vermindert die Fähigkeit jedes Menschen in- +dividueU genommen. — Die Production kann ohne den Austausch nicht +Stattfinden." - So J. B. Say. + +15 + +20 + +„Die dem Menschen inhärenten Kräfte sind: seme InteUigenz und seme +physische Anlage zur Arbeit; diejenigen, welche von dem GeseUschaf tüchen +Zustand ihren Ursprung ableiten, bestehn: in der Fähigkeit die Arbeit zu +theilen und die verschiednen Arbeiten unter die verschiednen Menschen + +25 + +auszutheilen. + +... und in dem Vermögen die wechselseitigen Dienste aus +Das Motiv +zutauschen und die Producte, welche diese Mittel constituüen +warum ein Mensch d[em] andern seme Dienste widmet, ist der Eigennutz +— der Mensch verlangt eine Recompens für die einem andern geleisteten +Dienste. — Das Recht des exclusiven Privateigenthums ist unentbehrlich, +30 damit sich der Austausch unter den Menschen etabüre." „Austausch und + +Theüung der Arbeit bedingen sich wechselseitig." So Skarbek. + +Mill steUt den entwickelten Austausch, den Handel, als Folge der Theilung + +der Arbeit dar. + +„Die Thätigkeit des Menschen kann auf sehr einfache Elemente reducirt +35 werden. Er kann in Wahrheit nichts mehr thun, als Bewegung producüen; +er kann die Sachen bewegen, um sie von einander zu ent||XXXVIl|fernen +oder einander zu nähern; die Eigenschaften der Materie thun das Uebrige. +Bei der Anwendung der Arbeit und der Maschinen findet man oft, daß die +Wükungen durch eine geschickte Vertheüung vermehrt werden können, +40 durch Trennung der Operationen, die sich entgegenstehn und durch Ver + +einigung aUer derjenigen, welche auf ügendeine Weise sich wechselseitig + +431 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +fördern können. Da im Allgemeinen die Menschen nicht viele verschiedne +Operationen mit gleicher Geschwindigkeit und Geschickhchkeit exekutiren +können, wie die Gewohnheit ihnen diese Fähigkeit für die Ausübung einer +kleinen Zahl verschafft — so ist es immer vortheilhaft, so viel als möglich +die Zahl der jedem Individuum anvertrauten Operationen zu beschränken. +— Zur Theilung der Arbeit und Vertheilung der Kräfte d[er] Menschen und +der Maschinen auf die vortheilhaf teste Art ist es nothwendig in einer Menge +von Fällen, auf einer grossen Stufenleiter zu operiren oder in andern Worten, +die Reichthümer in grossen Massen zu produciren. Dieser Vortheil ist der +Entstehungsgrund der grossen Manufacturen, von denen oft eine kleine, +unter günstigen Verhältnissen gegründete Anzahl, manchmal nicht nur ein +einziges, sondern mehre Länder approvisionirt mit der hier verlangten +Quantität von den durch sie producirten Objekten." So Mill. + +Die ganze moderne Nationalökonomie aber stimmt darin überein, daß +Theilung der Arbeit und Reichthum der Production, Theilung der Arbeit und +Accumulation des Capitals sich wechselseitig bedingen, wie daß das frei- +gelaßne, sich selbst überlaßne Privateigenthum, allein die nützüchste und +umfassendste Theilung der Arbeit hervorbringen kann. + +Adam Smiths Entwicklung läßt sich dahin resümiren: Die Theilung der +Arbeit giebt der Arbeit die unendliche Productionsf ähigkeit. Sie ist begründet +in dem Hang zum Austausch und Schacher, einem spezifisch menschlichen +Hang, der wahrscheinüch nicht zufällig, sondern durch den Gebrauch der +Vernunft und der Sprache bedingt ist. Das Motiv des Austauschenden ist +nicht die Menschheit, sondern der Egoismus. Die Verschiedenartigkeit der +menschlichen Talente ist mehr die Wirkung, als die Ursache der Theilung +der Arbeit, i. e. des Austausche. Auch macht lezterer erst diese Verschie +denheit nützlich. Die besondren Eigenschaften der verschiednen Raçen einer +Thierart sind von Natur schärfer als die Verschiedenheit menschlicher +Anlage und Thätigkeit. Weil die Thiere aber nicht auszutauschen vermögen, +nüzt keinem Thierindividuum die unterschiedne Eigenschaft eines Thieres +von der selben Art, aber von verschiedner Race. Die Thiere vermögen nicht +die unterschiednen Eigenschaften ihrer || species zusammenzulegen; sie +vermögen nichts zum gemeinschaftlichen Vortheil und Bequemlichkeit ihrer +species beizutragen. Anders der Mensch, wo die disparatesten Talente und +Thätigkeitsweisen sich wechselseitig nützen, weil sie ihre verschiednen +Producte zusammenwerfen können in eine gemeinschaftliche Masse, wovon +jeder kaufen kann. Wie die Theilung der Arbeit aus dem Hang des Aus- +tauschs entspringt, so wächst sie und ist begrenzt durch die Ausdehnung des +jeder Mensch +Im fortgeschrittenen Zustand +Austausches, des Marktes. +Handelsmann, die Gesellschaft eine Handelsgesellschaft. + +Say betrachtet den Austausch als zufällig und nicht fundamental. Die + +432 + + Fragmente. Teilung der Arbelt + +Gesellschaft könnte ohne ihn bestehn. Er wird unentbehrlich im avancirten +Zustand der Gesellschaft. Dennoch kann die Production ohne ihn nicht +Stattfinden. Die Theilung der Arbeit ist ein bequemes, nützüches Mittel, eine +geschickte Anwendung der menschlichen Kräfte für den gesellschaftlichen +5 Reichthum, aber sie vermindert die Fähigkeit jedes Menschen individuell + +genommen. Die lezte Bemerkung ist ein Fortschritt von Say. + +10 + +Skarbek unterscheidet die + +individuellen, d[em] Menschen + +inhärenten +Kräfte, Intelligenz und physische Disposition zur Arbeit, von den von der +Gesellschaft hergeleiteten Kräften, Austausch und Theilung der Arbeit, die +sich wechselseitig bedingen. Aber die nothwendige Voraussetzung des +Austausches ist das Privateigenthum. Skarbek drückt hier unter objektiver +Form aus, was Smith, Say, Ricardo etc sagen, wenn sie den Egoismus, das +Privatinteresse als Grund des Austausches oder den Schacher als die we +sentliche und adacquate Form des Austausches bezeichnen. + +15 + +Mill stellt den Handel als Folge der Theilung der Arbeit dar. Die mensch +liche Thätigkeit reducirt sich ihm auf eine mechanische Bewegung, Theilung +der Arbeit und Anwendung von Maschinen befördern den Reichthum der +Production. Man muß jedem Menschen einen möglichst kleinen Kreis von +Operationen anvertrauen. Ihrer Seits bedingen Theilung der Arbeit und +20 Anwendung von Maschinen die Production des Reichthums in Masse, also + +d[es] Products. Dieß der Grund der grossen Manufacturen. + +1 + +|XXXVIIl| Die Betrachtung der Theilung der Arbeit und des Austausches +ist vom höchsten Interesse, weil sie die sinnfällig entäusserten Ausdrücke +der menschlichen Thätigkeit und Wesenskraft, als einer Gattungsmässigen + +25 Thätigkeit und Wesenskraft sind. + +Daß die Theilung der Arbeit und der Austausch auf dem Privateigenthum +beruhen ist nichts anders als die Behauptung daß die Arbeit das Wesen des +Privateigenthums ist, eine Behauptung, die der Nationalökonom nicht be +weisen kann, und die wir für ihn beweisen wollen. Eben darin, daß Theilung +der Arbeit und Austausch Gestaltungen des Privateigenthums sind, eben +darin liegt der doppelte Beweis, sowohl daß das menschliche Leben zu seiner +Verwirklichung des Privateigenthums bedurfte, wie andrerseits, daß es jezt +der Aufhebung des Privateigenthums bedarf. + +30 + +Theilung der Arbeit und Austausch sind die beiden Erscheinungen, bei +35 denen der Nationalökonom auf die Gesellschaftlichkeit seiner Wissenschaft +pocht und den Widerspruch seiner Wissenschaft, die Begründung der Ge +seUschaft durch das ungeseUschaftüche Sonderinteresse in einem Athemzug +bewußtlos ausspricht. + +Die Momente die wü zu betrachten haben, sind: Einmal wüd der Hang +40 des Austauschs — dessen Grund im Egoismus gefunden wüd — als Grund +oder Wechselwükung der Theüung der Arbeit betrachtet. Say betrachtet den + +433 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Austausch als nicht fundamental für das Wesen der Gesellschaft. Der +Reichthum, die Production wird durch die Theilung der Arbeit und den +Austausch erklärt. Die Verarmung und Entwesung der individuellen Thätig +keit durch die Theilung der Arbeit wird zugestanden. Austausch und Thei +lung der Arbeit werden als Producenten der grossen Verschiedenheit der +menschlichen Talente anerkannt, eine Verschiedenheit, welche durch er- +steren auch wieder nützlich wird. Skarbek theilt die Productions oder pro +duktiven Wesenskräfte des Menschen in 2 Theile, 1) die individuellen und +ihm inhärenten, seine Intelligenz und specielle Arbeitsdisposition oder +Fähigkeit, 2) die von der Gesellschaft — nicht vom wirklichen Individuum +— abgeleiteten, die Theilung der Arbeit und den Austausch. — Ferner: Die +Theilung der Arbeit ist durch den Markt beschränkt. — Die menschliche +Arbeit ist einfache mechanische Bewegung; die Hauptsache thun die ma +teriellen Eigenschaften der Gegenstände. — Einem Individuum müssen +wenigst mögliche Operationen zugetheilt werden — Spaltung der Arbeit und +Concentrirung des Capitals, die Nichtigkeit der individuellen Production und +d[ie] Production des Reichthums in Masse — Verstand des freien Privat +eigenthums in der Theilung der Arbeit. | + +[Geld] + +|XL[I]| Wenn die Empfindungen, Leidenschaften etc d[es] Menschen nicht +nur anthropologische Bestimmungen im [eigne]n Sinn, sondern wahrhaft +ontologische Wesens(Natur)bejahungen sind — und wenn sie nur dadurch +wirklich sich bejahen, daß ihr Gegenstand sinnlich für sie ist, so versteht sich +1) daß die Weise ihrer Bejahung durchaus nichteine und dieselbe ist, sondern +vielmehr die unterschiedne Weise der Bejahung die Eigenthümüchkeit ihres +Daseins, ihres Lebens bildet; die Weise, wie der Gegenstand für sie, ist die +eigenthümliche Weise ihres Genusses; 2) da, wo die sinnliche Bejahung +unmittelbares Aufheben des Gegenstandes in seiner selbstständigen Form +ist (Essen, Trinken, Bearbeiten des Gegenstandes etc) ist dieß die Bejahung +des Gegenstandes; 3) insofern der Mensch menschlich, also auch seine +Empfindung etc menschUch ist, ist die Bejahung des Gegenstandes durch +einen andern, ebenfalls sein eigner Genuß; 4) erst durch die entwickelte +Industrie, i. e. durch die Vermittlung des Privateigenthums wird das ontolo +gische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität, als +in seiner Menschlichkeit; die Wissenschaft vom Menschen ist also selbst ein +Product der praktischen Selbstbetätigung d[es] Menschen; 5) der Sinn des +Privateigenthums — losgelöst von seiner Entfremdung — ist das Dasein der + +434 + + Fragmente. Geld + +5 + +wesentlichen Gegenstände für d[en] Menschen, sowohl als Gegenstand des +Genusses, wie der Thätigkeit. + +Das Geld, indem es die Eigenschaft besizt, alles zu kaufen, indem es die +Eigenschaft besizt, alle Gegenstände sich anzueignen, ist also der Gegen- +stand im eminenten Besitz. Die Universalität seiner Eigenschaft ist die +Allmacht seines Wesens; es gilt daher als allmächtiges W e s e n . . .. Das Geld +ist der Kuppler zwischen dem Bedürfniß und dem Gegenstand, zwischen +dem Leben und dem Lebensmittel d[es] Menschen. Was mü aber mein Leben +vermittelt, das vermittelt mir auch das Dasein d[es] andern Menschen für + +10 mich. Das ist für mich der andre Mensch. — + +15 + +20 + +25 + +30 + +35 + +„Was Henker? freüich Hand und Füsse +Und Kopf und Hintre, die sind dein! +Doch alles was ich frisch gemesse, +Ist das drum weniger mein? + +Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, +Sind ihre Kräfte nicht die meine? +Ich renne zu und bin ein rechter Mann, +Als hätt' ich vierundzwanzig Beine." + +Göthe. Faust. (Mephisto) | + +I Shakespeare im Timon von Athen: + +„Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? Nein, Götter! +Nicht eitel fleht' ich. +So viel hie von macht schwarz weiß, häßlich schön; +Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. +Dieß l o c k t . .. den Priester vom Altar; +Reißt Halbgenesnen weg das Schlummerkissen: +Ja dieser rothe Sklave löst und bindet +Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; +Er macht den Aussatz lieblich, ehrt den Dieb, +Und giebt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß, +Im Rath der Senatoren: dieser führt +Der über jähr'gen Wittwe Freier zu; +Sie von Spital und Wunden gütig eiternd +Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch +Zu Maienjugend dieß. Verdammt Metall, +Gemeine Hure du der Menschen, die +Die Völker thört." + +435 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +Und weiter unten: + +„Du süsser Königsmörder, edle Scheidung +Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler +Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! +Du ewig blüh'nder zartgeliebter Freier, +Deß rother Schein den heil'gen Schnee zerschmelzt +Auf Dianas reinem Schoos! sichtbare Gottheit, +Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, +Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache, | +|XLIl| Zu jedem Zweck! o du der Herzen Prüfstein! +Denk, es empört dein Sklave sich, der Mensch! +Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, +Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt!" + +5 + +10 + +Shakespeare schildert das Wesen des Geldes trefflich. Um ihn zu verstehn, + +beginnen wir zunächst mit der Auslegung der göthischen Stelle. + +15 + +20 + +Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen +kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des +Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine +— seines Besitzers — Eigenschaften und Wesenskräfte. Das was ich bin und +vermag ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin +häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht +häßlich, denn die Wirkung der Häßlichkeit, ihre abschreckende Kraft ist +durch das Geld vernichtet. Ich — meiner Individuaütät nach — bin lahm, aber +das Geld verschafft mir 24 Füsse; ich bin also nicht lahm; ich bin ein +schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist 25 +geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein +Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe unehrlich zu sein, +ich werde also als ehrlich präsumirt; ich bin geistlos, aber das Geld ist der +wtkliche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem +kann er sich die Geistreichen Leute kaufen und wer die Macht über d[en] +Geistreichen hat, ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch +das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze +ich nicht alle menschlichen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht alle +meine Unvermögen in ihr Gegentheil? + +30 + +Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mir +die Gesellschaft, das mich mit der Natur und d[em] Menschen verbindet, ist +das Geld nicht das Band aller Bande! Kann es nicht alle Bande lösen und +binden? Ist es darum nicht auch das allgemeine Scheidungsmitten Es ist die +wahre +|| Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die g[alvan]oche- +mische Kraft der Gesellschaft. + +35 + +40 + +436 + + Fragmente. Geld + +Shakespeare hebt an dem Geld besonders 2 Eigenschaften heraus. +1) Es ist die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aller menschlichen und +natürlichen Eigenschaften in ihr Gegentheü, die aügemeine Verwechslung +und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten; + +5 + +2) Es ist die aügemeine Hure, der aügemeine Kuppler der Menschen und + +Völker. + +Die Verkehrung und Verwechslung aller menschlichen und natürlichen +Quaütäten, die Verbrüderung der Unmögüchkeiten — die göttliche Kraft — +des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäussernden und +sich veräussernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäusserte +Vermögen der Menschheit. + +Was ich qua Mensch nicht vermag, was also alle meine individueUen +Wesenskräfte nicht vermögen, das vermag ich durch das Geld. Das Geld +macht also jede dieser Wesenskräfte zu etwas, was sie an sich nicht ist, d. h. +zu ihrem Gegentheü. + +Wenn ich mich nach einer Speise sehne oder den Postwagen brauchen wül, +weil ich nicht stark genug bin, den Weg zu Fuß zu machen, so verschafft +mü das Geld die Speise und den Postwagen, d.h. es verwandelt meine +Wünsche aus Wesen der VorsteUung, es übersezt sie aus ihrem gedachten, +vorgestellten, gewollten Dasein in ihr sümliches, wtkliches Dasein, aus der +Vorstellung in das Leben, aus dem vorgestellten Sein in das wüküche Sem. +Als diese Vermittlung ist es die wahrhaft schöpferische Kraft. + +10 + +15 + +20 + +Die demande existirt wohl auch für den, der kern Geld hat, aber seine +demande ist ein blosses Wesen der VorsteUung, das auf mich, auf d[en] 3t e n, +25 auf die [andern] |¡XLIIl| kerne Wükung, kerne Existenz hat, also für mich +selbst unwirküch, gegenstandlos bleibt. Der Unterschied der effectiven, auf +das Geld basüten und d[er] Effektlosen, auf mein Bedürfniß, meine Lei +denschaft, meinen Wunsch etc basüten demande ist der Unterschied zwi +schen Sem und Denken, zwischen der blosen i n mü existirenden Vorstellung +und der Vorstellung, wie sie als wtkücher Gegenstand ausser mü für mich + +30 + +ist. + +Ich, wenn ich kern Geld zum Reisen habe, habe kein Bedürfniß, d. h. kern +wüküches und sich verwüküchendes Bedürfniß zum Reisen. Ich, wenn ich +Beruf zum Studüen, aber kern Geld dazu habe, habe keinen Beruf zum +Studüen, d. h. keinen wtksamen, keinen wahren Beruf. Dagegen ich, wenn +ich wüküch kernen Beruf zum Studüen habe, aber den Wülen und das Geld, +habe einen wtksamen Beruf dazu. Das Geld — als das äussere, nicht aus +d[em] Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen GeseUschaft +als GeseUschaft herkommende aUgemeine — Mittel und Vermögen, die +VorsteUung in die Wirklichkeit, und die Wüklichkeit zu eher blosen Vor +steUung zu machen, verwandelt ebenso sehr die wirküchen menschüchen + +35 + +40 + +437 + + Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III + +und natürlichen Wesenskräfte in blos abstrakte Vorstellungen und darum +Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andrerseits die wirk +lichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, +nur in der Einbildung des Individuums existirenden Wesenskräfte desselben +zu wirklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser +Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der In +dividualitäten, die sie in ihr Gegentheil umkehrt und ihren Eigenschaften +widersprechende Eigenschaften beilegt. + +5 + +Als diese verkehrende Macht erscheint es dann auch gegen das Individuum +und gegen die gesellschaftlichen etc Bande, die für sich Wesen zu sein 10 +behaupten. Es verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß +in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in d[en] +Herrn, d[en] Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand +in Blödsinn. | + +|Da das Geld, als der existirende und sich bethätigende Begriff des 15 + +Werthes alle Dinge verwechselt, vertauscht, so ist es die allgemeine Ver +wechslung und Vertauschung aller Dinge, also die verkehrte Welt, die +Verwechslung und Vertauschung aller natürlichen und menschlichen +Qualitäten. + +Wer die Tapferkeit kaufen kann, der ist tapfer, wenn er auch feig ist. Da 20 + +das Geld nicht gegen eine bestimmte Qualität, gegen ein bestimmtes Ding, +menschliche Wesenskräfte, sondern gegen die ganze menschliche und natür +liche Gegenständliche Welt sich austauscht, so tauscht es also — vom Stand +punkt seines Besitzers angesehn — jede Eigenschaft gegen jede — auch ihr +widersprechende Eigenschaft und Gegenstand—aus ; es ist die Verbrüderung 25 +der Unmöglichkeiten, es zwingt das sich widersprechende zum Kuß. + +Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältniß zur Welt als ein +menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, +Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst gemessen willst, +mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein ; wenn du Einfluß auf andre 30 +Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf +andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum +Menschen und zu der Natur — muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines +Willens entsprechende Äusserung deines wirklichen individuellen Lebens +sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d. h. wenn dein Lieben 35 +als Lieben nicht die Gegenliebe producirt, wenn du durch deine Lebensäus- +serung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so +ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück. | + +438 + + Konspekt +zu Georg Wilhelm Friedrich Hegels +„Phänomenologie des Geistes" +Kapitel „Das absolute Wissen" + +|[1]| In der Phänomenologie wird das gewordne absolute Wissen also ge +schildert: + +5 + +1) In der offenbaren Religion ist das wirkliche Selbstbewußtsein des Gei +stes noch nicht der Gegenstand seines Bewußtseins; er und seine Momente +fallen in das Vorstellen und in die Form der Gegenständlichkeit. Der Inhalt +des Vorstellens ist der absolute Geist; es handelt sich noch um das Aufheben +dieser blosen Form. + +10 + +2) Diese Ueberwindung des Gegenstands des Bewußtseins . .. ist nicht nur +das Einseitige, daß der Gegenstand sich als in das Selbst zurückkehrend +zeigt, sondern bestimmter so ... daß er sowohl als solcher sich ihm ver +schwindend darstellt, als noch vielmehr, daß die Entäusserung des Selbst +bewußtseins es ist, welche die Dingheit sezt, und daß diese Entäusserung +nicht nur negative, sondern positive Bedeutung, sie nicht nur für uns oder +an sich, sondern für es selbst hat. Für es hat das Negative des Gegenstandes +15 oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung, oder es +weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch einerseits, daß es sich selbst +entäussert; — denn in dieser Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder +den Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich +selbst.... Andrerseits liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese +20 Entäusserung und Gegenständlichkeit ebensosehr auch aufgehoben und in +sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich +i s t . . .. + +3) Dieß ist die Bewegung des Bewußtseins und dieses ist darin die Totalität +seiner Momente. . .. Es muß sich ebenso zu dem Gegenstande nach der +25 Totalität seiner Bestimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so +erfaßt haben. Diese Totalität seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum +geistigen Wesen, und für das Bewußtsem wüd er dieß in Wahrheit durch das +Auffassen einer jeden einzelnen derselben, als des Selbsts oder durch das +eben genannte geistige Verhalten zu ihnen. + +30 4) Der Gegenstand also theüs unmittelbares Sem oder ein Ding überhaupt + +439 + + Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" + +— was dem unmittelbaren Bewußtsein entspricht; Theils ein Anderswerden +seiner, sein Verhältniß oder Sein für andres und Fürsichsein, die Bestimmt +heit — was der Wahrnehmung; theils Wesen oder als Allgemeines, was dem +Verstand entspricht. (Sein, Wesen, Begriff; Allgemeinheit, Besonderheit, +Einzelnheit. Position, Negation, Negation der Negation; einfacher Gegen- +Unmittelbarkeit. Vermittlung. Sich aufhe- +Unterschied Selbstunter- +satz,entschiedner, aufgehobner. Einheit. +bende Vermittlung. Beisichsein. Entäusserung. Rückkehr aus der Entäusse- +scheidung. +rung in sich. An sich. Für sich. An und für sich. + +Identität. Negation. + +Negativität. + +5 + +10 + +Logik. Natur. Geist. + +Reines Bewußtsein. Be +wußtsein. Selbstbewußtsein. Begriff. Urtheil. Schluß.) Er ist als Ganzes +der Schluß oder die Bewegung des Allgemeinen durch die Bestimmung +zur Einzelnheit, wie die umgekehrte von der Einzelnheit durch sie als auf +gehobne oder die Bestimmung zum Allgemeinen. — Nach diesen 3 Bestim- 15 +mungen also muß das Bewußtsein ihn als sich selbst wissen. Es ist dieß +jedoch nicht das Wissen als reines Begreifen des Gegenstandes, von dem +die Rede ist, sondern dieß Wissen soll nur in seinem Werden oder in seinen +Momenten nach der Seite aufgezeigt werden, die dem Bewußtsein als +solchem angehört und die Momente des eigentlichen Begriffs oder reinen 20 +Wissens in der Form von Gestaltungen des Bewußtseins. Darum erscheint +der Gegenstand im Bewußtsein noch nicht als die geistige Wesenheit, wie +sie von uns ausgesprochen wurde, und sein Verhalten zu ihm ist nicht die +Betrachtung desselben in dieser Totalität als solcher, noch in ihrer reinen +Begriffsform, sondern Theils Gestalt des Bewußtseins überhaupt, Theils +eine Anzahl solcher Gestalten, die wir zusammennehmen und in welchen +die Totalität der Momente des Gegenstands und des Verhaltens des Be +wußtseins nur aufgelöst in ihre Momente aufgezeigt werden kann. + +25 + +5) In Ansehung des Gegenstandes, insofern er unmittelbar, ein gleich +gültiges (sie) Sein ist, sahen wir die beobachtende Vernunft in diesem 30 +gleichgültigen Dinge sich selbst suchenund finden, d. h. ihres Thuns, als eines +ebenso äusserhehen sich bewußt sein, als sie des Gegenstandes nur als eines +unmittelbaren bewußt i s t . .. auf ihrer Spitze spricht sie ihre Bestimmung in +dem unendlichen Urtheil aus, daß das Sein des Ich ein Ding ist. Und zwar +ein sinnliches unmittelbares Ding; wenn Ich Seele genannt wird ist es zwar 35 +auch als Ding vorgestellt, aber als ein unsichtbares, unfühlbares; in der That +also nicht als unmittelbares Sein, was man mit einem Ding meint. Jenes +geistlose Urtheil dagegen ist ||[2]| seinem Begriffe nach das Geistreichste. +Nun zu sehn wie sein Innres ausgesprochen wird. Das Ding ist Ich; d. h. das +Ding aufgehoben; es ist nichts an sich; es hat nur Bedeutung im Verhältnisse, 40 +nur durch Ich und seine Beziehung auf dasselbe. — Dieß Moment hat sich + +440 + + Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" + +für das Bewußtsein [in] der reinen Einsicht und Aufklärung ergeben. Die +Dinge sind schlechthin nützlich und nur nach ihrer Nützlichkeit zu be +trachten. . .. Das gebildete Selbstbewußtsein, das die Welt des sich ent +fremdeten Geistes durchlaufen, hat durch seine Entäusserung das Ding als +sich selbst erzeugt, behält daher in ihm noch sich selbst, und weiß die +Unselbstständigkeit desselben oder daß das Ding wesentlich nur Sein für +Andres ist; oder vollständig das Verhältniß d. h. das, was die Natur des +Gegenstandes hier allein ausmacht, ausgedrückt, so gilt ihm das Ding als ein +Fürsichseiendes, es spricht die sinnliche Gewißheit als absolute Wahrheit +aus, aber dieß Fürsichsein selbst als Moment, das nur verschwindet, und in +sein Gegentheü, in das preißgegebne Sein für andres, übergeht. — Hierin ist +aber das Wissen des Dings noch nicht voUendet; es muß nicht nur nach der +Unmittelbarkeit des Seins und nach der Bestimmtheit, sondern auch als +Wesen oder Innres, als das Selbst gewußt werden. Dieß ist in dem morá +lischen Selbstbewußtsein vorhanden. Dieß weiß sein Wissen als die absolute +Wesenheit oder das Sein schlechthin als den reinen Wülen oder Wissen; es +ist nichts, als nur dieser Wülen oder Wissen; andrem kommt nur unwesent +liches Sem, d. h. nicht ansichseiendes, nur seme leere Hülse zu. Insofern das +moraüsche Bewußtsein das Dasein in seiner Weltvorstellung aus dem Selbst +entläßt, nimmt es dasselbe ebenso sehr wieder in sich zurück. Als Gewissen +ist es nicht mehr dieß noch abwechselnde Stellen und Verstellen des Daseins +und des Selbsts, sondern es weiß, daß sein Dasein als solches diese reme +Gewißheit seiner selbst ist; das gegenständliche Element, in welches es sich +als handelnd hinausstellt, ist nichts andres, als das reme Wissen des Selbsts +von sich. + +5 + +10 + +is + +20 + +25 + +30 + +6) Dieß sind die Momente, aus denen sich die Versöhnung des Geistes mit +seinem eigentüchen Bewußtsein zusammensezt; sie für sich sind einzeln und +ihre geistige Einheit aUem ist es, welche die Kraft dieser Versöhnung aus +macht. Das lezte dieser Momente ist diese Einheit selbst und verbindet sie +in der That aUe in sich. Der semer selbst in seinem Dasein gewisse Geisrhat +zum Elemente des Daseins nichts andres als dieß Wissen von sich; das +Aussprechen, daß was er thut, er nach Ueberzeugung von der Pflicht thut, +diese seine Sprache ist das Gelten (Geld) seines Handelns. — Das Handeln +ist das erst ansichseiende Trennen der Einfachheit des Begriffs und die +35 Rückkehr aus dieser Trennung. Diese erste Bewegung schlägt in die 2te um, +indem das Element des Anerkennens sich als einfaches Wissen von der +Pflicht gegen den Unterschied und die Entzweiung sezt, die im Handeln als +solchem liegt und auf diese Weise eine eiserne Wüklichkeit gegen das +Handeln bildet. In der Verzeihung sahen wü, wie diese Härte von sich selbst +40 abläßt und sich entäussert. Die Wüklichkeit hat also hier für das Selbst +bewußtsein sowohl als unmittelbares Dasein keine andre Bedeutung als das + +441 + + Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" + +reine Wissen zu sein; — ebenso als bestimmtes Dasein oder als Verhältniß, +ist das sich Gegenüberstehende ein Wissen Theils von diesem rein einzelnen +Selbst, theils von dem Wissen, als Allgemeinem. Hierin ist zugleich dieß +gesezt, daß das 3te Moment, die Allgemeinheit oder das Wesen jedem der +beiden Gegenüberstehenden nur als Wissen gilt; und den leeren noch übrigen +Gegensatz heben sie endlich ebenso auf und sind das Wissen des Ich = Ich, +dieses einzelne Selbst, das unmittelbar reines Wissen oder Allgemeines +ist. J + +5 + +|[3]| Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein darum auf +doppelte Weise zu Stande gekommen: 1) im religiösen Geist, 2) im Bewußt- 10 +sein selbst als solchem. 1) Versöhnung in der Form des Ansichseins; 2) in +der Form des Fürsichseins. Wie sie betrachtet worden, fallen sie aus ein +ander. Die Vereinigung beider Seiten ist nun aufzuzeigen: 1) Geist an sich, +absoluter Inhalt; 2) für sich, Inhaltslose Form oder nach der Seite des +Selbstbewußtseins; 3) der Geist an und für sich. + +15 + +7) Diese Vereinigung in der Religion, als d[ie] Rückkehr der Vorstellung +in das Selbstbewußtsein vorhanden, aber nicht in der eigentlichen Form, +denn die religiöse Seite ist die Seite des Ansich, welche der Bewegung des +Selbstbewußtseins gegenübersteht. Die Vereinigung gehört der andern Seite +an, die im Gegensatz die Seite der Reflexion in sich, also die, die sich selbst 20 +und ihr Gegentheü für sich, entwickelt und unterschieden, enthält. Der +Inhalt, so wie die andre Seite des Geistes als andere ist in ihrer Vollständig +keit vorhanden und aufgezeigt worden; die Vereinigung, welche noch fehlt, +ist die einfache Einheit des Begriffs. — Er ist als besondre Gestalt des +Bewußtseins die schöne Seele, die Gestalt des seiner selbst gewissen Geistes, +der bei seinem Begriff stehn bleibt. Als sich seiner Realisirung entgegen- +gesezt festhaltend, ist er die einseitige Gestalt, Verschwinden in leeren +Dunst; aber auch positive Entäusserung und Fortbewegung. Durch diese +Realisirung hebt sich die Bestimmtheit des Begriffs gegen seine Erfüllung +auf; sein Selbstbewußtsein gewinnt die Form der Allgemeinheit. Der 30 +wahrhafte Begriff, das Wissen von dem reinen Wissen als Wesen, das dieses +Wissen, dieses reine Selbstbewußtsein, das also zugleich wahrhafter Gegen +stand ist, denn er ist das fürsichseiende Selbst. + +25 + +Die Erfüllung dieses Begriffs theils im handelnden Geist, theils in der +Religion. . .. In jener ersten Gestalt ist die Form das Selbst selber, denn sie 35 +enthält den handelnden seiner selbst gewissen Geist, das Selbst führt das +Leben des absoluten Geistes durch. Diese Gestalt ist jener einfache Begriff, +der aber sein ewiges Wiesen auf giebt, daistoaex handelt. Das Entzweien oder +Hervortreten hat er an der Reinheit des Begriffs, denn sie ist die absolute +Abstraktion oder Negativität. Ebenso das Element des Seins oder seiner 40 +Wirklichkeit an ihn selbst, denn es ist die einfache Unmittelbarkeit, die + +442 + + Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" + +ebenso Sein und Dasein als Wesen ist, jenes das negative, dieß das positive +Denken selbst. Hegel entwickelt nun weiter den langweiligen Prozeß der +schönen Seele, deren Resultat reine Allgemeinheit des Wissens, welche +Selbstbewußtsein ist. — Der Begriff verbindet es, daß der Inhalt eignes Thun +des Selbst ist; denn dieser Begriff ist das Wissen des Thuns des Selbsts in +sich als aller Wesenheit und alles Daseins, das Wissen von diesem Subjekte +als der Substanz und von der Substanz als diesem Wissen seines Thuns. + +5 + +15 + +10 + +8) Der sich in seiner Geistesgestalt wissende Geisr, das begreifende Wis +sen. Die Wahrheit nicht nur an sich gleich der Gewißheit, sondern hat auch +die Gestalt der Gewißheit seiner selbst oder sie ist in ihrem Dasein, d. h. für +den wissenden Geist in der Form des Wissens seiner selbst. Die Wahrheit +ist der Inhalt, der in der Religion seiner Gewißheit noch ungleich ist. Diese +Gleichheit aber ist darin, daß der Inhalt die Gestalt des Selbsts erhalten. +Dadurch ist dasjenige zum Elemente des Daseins oder zur Form der Gegen- +ständlichkeit für das Bewußtsein geworden, was das Wesen selbst ist — der +Begriff. Der Geist in diesem Element dem Bewußtsein erscheinend oder +darin von ihm hervorgebracht, ist die Wissenschaft. Es ist das reine Für +sichsein des Selbstbewußtseins; es ist Ich, das dieses und kein andres Ich +und das ebenso unmittelbar vermittelt oder aufgehobnes allgemeines Ich ist. +20 Es hat einen Inhalt, den es von sich unterscheidet; denn es ist die reine +Negativität oder das sich Entzweien; es ist Bewußtsein. Dieser Inhalt ist in +seinem Unterschiede selbst das Ich, denn er ist die Bewegung des sich selbst +Aufhebens oder dieselbe reine Negativität, die Ich ist. Ich ist in ihm als +unterschiednem in sich ref lectirt; der Inhalt ist allein dadurch begriffen, daß +Ich in seinem Anderssein bei sich selbst ist. | + +25 + +|4| Dieser Inhalt, bestimmterangegeben, ist er nichts andres, als die so eben +ausgesprochne Bewegung selbst; denn er ist der Geist, der sich selbst und +zwar für sich als Geist durchläuft, dadurch, daß er die Gestalt des Begriffs +in seiner Gegenständlichkeit hat. Was das Dasein dieses Begriffs betrifft, so +erscheint in der Zeit und Wirklichkeit die Wissenschaft nicht eher, als bis +der Geist zu diesem Bewußtsein über sich gekommen ist. Als der Geist, der +weiß, was er ist, existirt er früher nicht und sonst nirgends als nach Voll +endung der Arbeit, seine unvollkommne Gestalt zu bezwingen, sich für sein +Bewußtsein die Gestalt seines Wesens zu verschaffen und auf diese Weise +sein Selbstbewußtsein mit seinem Bewußtsein auszugleichen. Siehe die +Fortsetzung p. 583 sqq. Selbstloses Sein verborgen, offenbar ist sich nur die +Gewißheit seiner selbst. Das Verhältniß der Zeit zur Geschichte. Der be +greifende Geist tilgt die Zeit. Erfahrung und Wissen, Verwandlung der +Substanz in Subjekt, des Gegenstandes des Bewußtseins in den Gegenstand +des Selbstbewußtseins, d.h. in ebenso sehr aufgehobnen Gegenstand oder +Begriff. Erst als dieß sich in sich reflectirende Werden, ist er in Wahrheit + +30 + +35 + +40 + +443 + + Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" + +der Geist. Insofern der Geist also nothwendig dieses Unterscheiden in sich +ist, tritt sein Ganzes angeschaut seinem einfachen Selbstbewußtsein gegen +über und da also jenes das Unterschiedene ist, so ist es unterschieden in +seinen angeschauten reinen Begriff, in die Zeit, und in den Inhalt, das Ansien ; +die Substanz hat als Subjekt, die erst innere Nothwendigkeit an ihr, sich an +ihr selbst als das darzustellen, was sie an sich ist, als Geist. Die vollendete +gegenständliche Darstellung ist erst zugleich die Reflexion derselben oder +das Werden derselben zum Selbst. Ehe daher der Geist nicht an sich, nicht +als Weltgeist sich vollendet, kann er nicht als selbstbewußter Geist seine +Vollendung erreichen. Der Inhalt der Religion spricht darum früher in der +Zeit als die Wissenschaft es aus, was der Geist ist, aber diese ist allein sein +Die Bewegung, die Form seines Wissens +wahres Wissen von ihm selbst +von sich I + +444 + + Kritische Randglossen +zu dem Artikel „Der König von Preußen +und die Sozialreform. +Von einem Preußen" + +Kritische Randglossen + +Vorwärts! Nr.63, +7. August 1844 + +zu dem Artikel: +„Der König von Preußen und die Socialreform. +Von einem Preußen." +(„Vorwärts" N. 60.) + +5 + +Von Karl Marx*). + +Die N. 60 des „Vorwärts" enthält einen Artikel, überschrieben: „Der König +von Preußen und die Socialreform", unterzeichnet: „Ein Preuße. " + +Zunächst ref erirt der angebliche Preuße den Inhalt der königlich preu- +10 ßischen Cabinetsordre über den schlesischen Arbeiteraufstand und die +Meinung des französischen Journals: la Réforme über die preußische Ca +binetsordre. Die „Reforme" halte den „Schrecken und das religiöse Gefühl" +des Königs für die Quelle der Cabinetsordre. Sie finde in diesem Document +sogar das Vorgefühl der großen Reformen, welche der bürgerlichen Ge +S e i l s c h a ft bevorstehn. Der „Preuße" belehrt die „Reforme", wie folgt: + +is + +„Der König und die deutsche Gesellschaft ist noch nicht bei dem V o r +gefühl ihrer Reform' angelangt**), selbst die schlesischen und böhmischen +Aufstände haben dies Gefühl nicht erzeugt. Es ist unmöglich, die partielle +Noth der Fabrikdistrikte einem unpolitischen Lande, wie Deutschland, als +20 eine allgemeine Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der + +*) Spezielle Gründe veranlassen mich zu der Erklärung, daß der vorstehende Artikel der erste +ist, den ich dem „Vorwärts" habe zukommen lassen. +**) Man bemerke den stylistischen und grammatikalischen Unsinn. „Der König von Preußen +und die Gesellschaft ist noch nicht bei dem Vorgefühl ihrer (auf wen bezieht sich das : „ihrer'"}) + +Κ. M. + +25 Reform angelangt." + +445 + + Kritische Randglossen. + +ganzen civilisirten Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereigniß hat für +die Deutschen denselben Charakter, wie irgend eine lokale Wassers- oder +Hungersnoth. Deshalb nimmt es der König als einen Verwaltungs- oder +Mildthätigkeitsmangel. Aus diesem Grunde und weil wenig Militär mit den +schwachen Webern fertig wurde, flößt das Demoliren der Fabriken und +Maschinen auch dem Könige und den Behörden keinen ,Schrecken'ein. Ja, +sogar das religiöse Gefühl hat die Cabinetsordre nicht dictirt: sie ist ein sehr +nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst und einer Doktrin, die vor +ihrer einzigen Medizin, der ,guten Gesinnung christlicher Herzen' keine +Schwierigkeiten bestehn läßt. Armuth und Verbrechen sind zwei große Übel ; 1 o +wer kann sie heilen? Der Staat und die Behörden? nein, aber die Vereinigung +aller christlichen Herzen." + +5 + +Der angebliche Preuße läugnet den „Schrecken" des Königs, unter an +deren aus dem Grunde, weil wenig Militär mit den schwachen Webern fertig +wurde. + +15 + +In einem Lande also, wo Festessen mit liberalen Toasten und liberalem +Champagnerschaum — man erinnere sich des Düsseldorfer Festes — eine +königliche Cabinetsordre provociren, wo es keines einzigen Soldaten be +durfte, um die Gelüste der ganzen liberalen Bourgeoisie nach Preßfreiheit +und Constitution niederzuschlagen; in einem Lande, wo der passive Ge- 20 +horsam à l'ordre du jour ist; in einem solchen Lande wäre die erzwungene +Anwendung der bewaffneten Macht gegen schwache Weber kein Ereigniß +und kein erschreckendes Ereigniß? Und die schwachen Weber siegten bei +dem ersten Zusammentreffen. Sie wurden unterdrückt durch eine nachträg +lich verstärkte Truppenzahl. Ist der Aufstand eines Arbeiterhaufens minder 25 +gefährlich, weil es keiner Armee bedarf, um ihn zu ersticken? Der kluge +Preuße vergleiche den schlesischen Weberaufstand mit den englischen +Arbeiteraufständen, und die schlesischen Weber werden ihm als starke +Weber erscheinen. + +Aus dem allgemeinen Verhältniß der Politikzu socialen Gebrechen werden +wir erklären, warum der Weberaufstand dem Könige keinen sonderlichen +„Schrecken "einflößen konnte. Vorläufig nur so viel: der Aufstand war nicht +unmittelbar gegen den König von Preußen, er war gegen die Bourgeoisie +gerichtet. Als Aristokrat und absoluter Monarch kann der König von Preußen +die Bourgeoisie nicht heben; er kann noch weniger darüber erschrecken, +wenn ihre Unterwürfigkeit und ihre Ohnmacht durch ein gespanntes und +schwieriges Verhältniß zum Proletariat gesteigert wird. Ferner: der ortho +doxe Katholik steht dem orthodoxen Protestanten feindlicher gegenüber als +dem Atheisten, wie der Legitimist dem Liberalen feindlicher gegenübersteht, +als dem Communisten. Nicht weil Atheist und Communist dem Katholiken +und Legitimisten verwandter, sondern weil sie ihm entfremdeter sind als der + +30 + +35 + +40 + +446 + + Beginn d es Artikels „Kritische Randglossen zu dem Artikel +,Der König von Preußen und die Sozialreform'". +Vorwärts! Nr.63, 7.August 1844 + + Kritische Randglossen. + +Protestant und der Liberale, weil sie außerhalb seines Kreises stehn. Der +König von Preußen, als Politiker, hat seinen unmittelbaren Gegensatz in der +Politik, in dem Liberalismus. Für den König existirt der Gegensatz des +Proletariats eben so wenig, wie der König für das Proletariat existirt. Das +5 Proletariat müßte schon eine entschiedene Macht erlangt haben, um die +Antipathien, die politischen Gegensätze zu ersticken und um die ganze +Feindschaft der Politik gegen sich zu lenken. Endlich: dem bekannten, nach +Interessantem und Bedeutendem lüsternen Charakter des Königs mußte es +sogar eine freudig aufregende Überraschung gewähren, jenen „interessan- +ten" und „viel berufenen" Pauperismus auf eignem Grund und Boden, und +damit eine Gelegenheit zu finden, auf's Neue von sich reden zu machen. Wie +wohlig mag ihm gewesen sein bei der Nachricht, nunmehr einen „eignen" +königlich preußischen Pauperismus zu besitzen! + +10 + +Unser „Preuße" ist noch unglücklicher, wenn er das religiöse Gefühl" + +15 + +als Quelle der königlichen Cabinetsordre läugnet. + +Warum ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle dieser Cabinetsordre? Weil +sie ein „sehr nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst" ist, ein +„nüchterner" Ausdruck der Doktrin, die „vor ihrer einzigen Medicin, der +guten Gesinnung christlicher Herzen keine Schwierigkeiten bestehen +läßt". + +20 + +Ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle der christlichen Staatskunst? +Basirt eine Doktrin, welche in der guten Gesinnung christlicher Herzen ihr +Universalmittel besitzt, nicht auf dem religiösen Gefühl? Hört ein nüchterner +Ausdruck des religiösen Gefühls auf, ein Ausdruck des religiösen Gefühls +25 zu sein? Noch mehr ! Ich behaupte daß es ein sehr von sich eingenommenes, +ein sehr trunkenes religiöses Gefühl ist, welches die „Heilunggroßer Übel", +die es dem „Staat und der Behörde" abspricht, in der „Vereinigung christ +licher Herzen" sucht. Es ist ein sehr trunkenes religiöses Gefühl, welches +— nach dem Zugeständniß des „Preußen" — das ganze Übel in dem Mangel +an christlichem Sinn findet, und daher die Behörden auf das einzige Mittel, +diesen Sinn zu stärken, auf die „Ermahnung" verweist. Die christliche +Gesinnung ist nach dem „Preußen" der Zweck der Cabinetsordre. Das re +ligiöse Gefühl, versteht sich wenn es betrunken, wenn es nicht nüchtern ist, +hält sich für das einzige Gut. Wo es Übel sieht, schreibt es sie seiner Ab- +35 Wesenheit zu, denn wenn es das einzige Gut ist, so kann es auch einzig das +Gute erzeugen. Die durch das religiöse Gefühl dictirte Cabinetsordre dictirt +also consequenter Weise das religiöse Gefühl. Ein Politiker von nüchternem +religiösem Gefühl würde in seiner „Rathlosigkeit" nicht an der „Ermahnung +des frommen Predigers zur christlichen Gesinnung" seine „Hülfe" suchen. + +30 + +40 + +Wie beweist also der angebliche Preuße der „Reforme", daß die Ca +binetsordre kein Ausfluß des religiösen Gefühls ist? Dadurch, daß er überall + +449 + + Kritische Randglossen. + +die Cabinetsordre als einen Ausfluß des religiösen Gefühls schildert. Ist von +einem so unlogischen Kopfe eine Einsicht in sociale Bewegungen zu er +warten? Hören wir, was er über das Verhältniß der deutschen Gesellschaft +zu der Arbeiterbewegung und zur socialen Reform überhaupt plaudert. + +Unterscheiden wir, was der „Preuße" vernachlässigt, unterscheiden wir +die verschiedenen Categorien, die unter dem Ausdrucke „deutsche Ge +sellschaft" zusammengefaßt worden: Regierung, Bourgeoisie, Presse, end +lich die Arbeiter selbst. Das sind die verschiedenen Massen, um die es sich +hier handelt. Der „Preuße" faßt diese Massen zusammen und verurtheilt sie +von seinem erhabenen Standpunkt aus in Masse. Die deutsche Gesellschaft +ist nach ihm „noch nicht einmal bei dem Vorgefühl ihrer ,Reform' an +gelangt". + +5 + +10 + +Warum fehlt ihr dieser Instinkt? +„In einem unpolitischen Lande wie Deutschland", antwortet der Preuße, +„ist es unmöglich die partielle Noth der Fabrikdistrikte als eine allgemeine 15 +Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der ganzen civilisirten +Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereigniß hat für die Deutschen +denselben Charakter wie irgend eine lokale Wassers- und Hungersnoth. Der +König nimmt es daher als einen Verwaltungs- und Mildthätigkeitsmangel." + +Der „Preuße" erklärt also diese verkehrte Auffassung der Arbeiternoth 20 + +aus der Eigenthümlichkeit eines unpolitischen Landes. + +Man wird zugeben: England ist ein politisches Land. Man wird ferner +zugeben: England ist das Land des Pauperismus, sogar dies Wort ist eng +lischen Ursprungs. Die Betrachtung Englands ist also das sicherste Ex +periment um das Verhältniß eines politischen Landes zum Pauperismus 25 +kennen zu lernen. In England ist die Arbeiternoth nicht partiell, sondern +universell ; nicht auf die Fabrikdistrikte beschränkt, sondern auf die Land +distrikte ausgedehnt. Die Bewegungen sind hier nicht im Entstehen, sie +kehren seit beinahe einem Jahrhundert periodisch wieder. + +Wie begreift nun die englische Bourgeoisie und die mit ihr zusammen- 30 + +hängende Regierung und Presse den Pauperismus! + +So weit die englische Bourgeoisie den Pauperismus als Schuld der Politik +eingesteht, betrachtet der Whig den Tory und der Tory den Whig als die +Ursache des Pauperismus. Nach dem Whig ist das Monopol des großen +Grundeigenthums und die Prohibitiv-Gesetzgebung gegen die Einführung 35 +des Getreides, die Hauptquelle des Pauperismus. Nach dem Tory liegt das +ganze Übel in dem Liberalismus, in der Concurrenz, in dem zu weit getriebe +nen Fabriksystem. Keine der Partheien findet den Grund in der Politik +überhaupt, sondern jede vielmehr nur in der Politik ihrer Parthei; von einer +Reform der Gesellschaft lassen sich beide Partheien nicht träumen. + +40 + +Der entschiedenste Ausdruck der englischen Einsicht in den Pauperismus + +450 + + Kritische Randglossen. + +— wir sprechen immer von der Einsicht der englischen Bourgeoisie und +Regierung — ist die englische National-Ökonomie, d. h. die wissenschaftliche +Wiederspiegelung der englischen national-ökonomischen Zustände. + +5 + +Einer der besten und berühmtesten englischen National-Ökonomen, der +die gegenwärtigen Verhältnisse kenntundeine Gesammtanschauungvonder +Bewegung der bürgerlichen Gesellschaft besitzen muß, ein Schüler des +cynischen Ricardo, Mac-Culloch, wagt noch in einer öffentlichen Vorlesung +und wagt es unter Beifallsbezeugungen, auf die National-Ökonomie an +zuwenden, was Baco von tier Philosophie sagt: „Der Mensch, welcher mit +10 wahrer und unermüdlicher Weisheit sein Urtheil suspendirt, stufenweise +vorwärts schreitet, eines der Hindernisse, welche wie Berge den Gang des +Studiums aufhalten, nach dem andern überwindet, wird mit der Zeit den +Gipfel der Wissenschaft erreichen, wo man der Ruhe und einer reinen Luft +genießt, wo die Natur sich dem Auge in ihrer ganzen Schönheit darbietet, +15 und von wo man, vermittelst eines bequem gesenkten Pfades, zu den letzten +Details der Praxis herabsteigen kann." Gute reine Luft die Pestatmosphäre +der englischen Kellerwohnungen! Große Naturschönheit die phantastische +Lumpenkleidung der englischen Armen und das welke, zusammen +geschrumpfte Fleisch der Weiber, die von Arbeit und Elend verzehrt sind; +20 die Kinder, die auf dem Mist liegen; die Mißgeburten, welche die Über +arbeitung in der einförmigen Mechanik der Fabriken erzeugt! Allerliebste +letzte Details der Praxis: die Prostitution, der Mord und der Galgen! + +Selbst der Theil der englischen Bourgeoisie, der von der Gefahr des +Pauperismus durchdrungen ist, faßt diese Gefahr, wie die Mittel zur Abhülfe, +in einer nicht nur particulären, sondern, um es ohne Umschweife zu sagen, +kindischen und albernen Weise auf. + +So reducirt z.B. der Dr. Kay in seiner Broschüre „Recent measures for +the promotion of education in England" alles auf die vernachlässigte +Erziehung. Man erratile, aus welchem Grunde! Aus Mangel an Erziehung +sehe nämlich der Arbeiter die „natürlichen Gesetze des Handels" nicht ein, +Gesetze, die ihn nothwendig auf den Pauperismus herabbringen. Darum +lehne er sich auf. Das könne „die Prosperität der englischen Manufacturen +und des englischen Handels geniren, das wechselseitige Vertrauen der +Geschäftsleute erschüttern, die Stabüität der politischen und socialen In- +stitutionen verringern". +So groß ist die Gedankenlosigkeit der englischen Bourgeoisie und ihrer + +Presse über den Pauperismus, über diese National-Epidémie Englands. + +Gesetzt also, die Vorwürfe, die unser „Preuße" an die deutsche Gesell +schaft richtet, seien begründet. Liegt der Grund in dem unpolitischen Zu- +stand Deutschlands? Aber wenn die Bourgeoisie des unpolitischen Deutsch +lands sich die allgemeine Bedeutung einer partiellen Noth nicht zur An- + +25 + +30 + +35 + +40 + +451 + + Kritische Randglossen... + +schauung zu bringen weiß, so versteht es dagegen die Bourgeoisie des +politischen Englands die allgemeine Bedeutung einer universellen Noth zu +verkennen, einer Noth, die ihre allgemeine Bedeutung theils durch die pe +riodische Wiederkehr in der Zeit, theils durch die Ausbreitung im Räume, +und theils durch die Vereitlung aller Versuche zur Abhülfe zur Anschauung +gebracht hat. + +Dem unpolitischen Zustand Deutschlands legt es der „Preuße" ferner zur +Last, wenn der König von Preußen in einem Verwaltungs- und Wohlthätig- +keits-Mangel den Grund des Pauperismus findet, und daher in Verwaltungs- +und Wohlthätigkeits-Maaßregeln die Mittel gegen den Pauperismus sucht. + +Ist diese Anschauungsweise dem König von Preußen eigenthümlich? Man +werfe einen raschen Blick auf England, das einzige Land, wo von einer +großen politischen Aktion auf den Pauperismus gesprochen werden kann. + +5 + +10 + +Die jetzige englische Armengesetzgebung datirt von dem Gesetz im 43. Akt +der Regierung der Elisabeth*). Worin bestehen die Mittel dieser Gesetz- 15 +gebung? In der Verpfüchtung der Pfarreien zur Unterstützung ihrer armen +Arbeiter, in der Armentaxe, in der legalen Wohlthätigkeit. Zwei Jahrhunderte +hat diese Gesetzgebung — die Wohlthätigkeit auf dem Wege der Verwaltung +— gedauert. Nach langen und schmerzlichen Erfahrungen, auf welchem +Standpunkte finden wir das Parlament in seiner Amendment-Bill von 20 +1834? + +Zunächst erklärt es die fürchterliche Zunahme des Pauperismus aus einem + +„ Verwaltungs-Mangel". + +25 + +Die Administration der Armentaxe, die aus Beamten der respektiven +Pfarreien bestand, wird daher reformirt. Man bildet Unionen von ungefähr +zwanzig Pfarreien, die in eine einzige Administration vereinigt sind. Ein +Bureau von Beamten — Board of Guardians — von Beamten, welche durch +die Steuerpflichtigen gewählt werden, versammelt sich an einem bestimmten +Tage in der Residenz der Union und entscheidet über die Zulässigkeit der +Unterstützung. Diese Bureau's werden gelenkt und überwacht von Ab- 30 +geordneten der Regierung, der Central-Commission von Sommerset-House, +dem Ministerium des Pauperismus, nach der treffenden Bezeichnung eines +Franzosen. Das Kapital, welches diese Administration überwacht, kommt +fast der Summe gleich, welche die Kriegs-Administration in Frankreich +kostet. Die Zahl der Lokal-Administrationen, welche sie beschäftigt, beläuft 35 +sich auf 500, und jede dieser Lokal-Administrationen setzt wenigstens +wieder zwölf Beamte in Thätigkeit. + +Das englische Parlament blieb nicht bei der formellen Reform der Ad + +ministration stehen. + +*) Es ist für unsern Zweck nicht nöthig, bis zum Statut der Arbeiter unter Eduard ΠΙ. zurück- +zugehen. + +40 + +452 + + Kritische Randglossen. + +Die Hauptquelle des acuten Zustandes des englischen Pauperismus fand +es in dem Armengesetz selbst. Das legale Mittel gegen das sociale Gebrechen, +die Wohlthätigkeit, begünstige das sociale Gebrechen. Was den Pauperismus +im Allgemeinen betreffe, so sei er ein ewiges Naturgesetz, nach der Theorie +von Malthus: „Da die Bevölkerung unaufhörlich die Subsistenzmittel zu +überschreiten strebt, so ist die Wohlthätigkeit eine Narrheit, eine öffentliche +Aufmunterung für das Elend. Der Staat kann daher nichts thun, als das Elend +seinem Schicksal überlassen, und höchstens den Tod der Elenden erleich +tern." Mit dieser menschenfreundlichen Theorie verbindet das englische +Parlament die Ansicht, daß der Pauperismus das selbstverschuldete Elend +der Arbeiter sei, dem man daher nicht als einem Unglück zuvorzukommen, +das man vielmehr als ein Verbrechen zu unterdrücken, zu bestrafen habe. + +5 + +10 + +So entstand das Regime der Workhouses, d. h. der Armenhäuser, deren +innere Einrichtung die Elenden abschreckt, eine Zuflucht vor dem Hun- +15 gertod zu suchen. In den Workhouses ist die Wohlthätigkeit sinnreich ver +flochten mit der Rache der Bourgeoisie an dem Elenden der an ihre Wohl +thätigkeit appellirt. + +England hat also zunächst die Vernichtung des Pauperismus durch Wohl +thätigkeit und Administrations-Maaßregeln versucht. Es erbückte sodann in +20 dem progressiven Fortschritt des Pauperismus nicht die nothwendige Con +sequenz der modernen Industrie, sondern vielmehr die Consequenz der +englischen Armentaxe. Es begriff die universeUe Noth nur als eine Particu- +larität der engüschen Gesetzgebung. Was früher aus einem Wohlthätigkeits- +Mangel, wurde nun aus einem Wohlthätigkeits-ÜberflußheTgeleitet. Endlich +25 wurde das Elend als die Schuld der Elenden betrachtet und als solche an + +ihnen bestraft. + +30 + +Die allgemeine Bedeutung, die das politische England dem Pauperismus +abgewonnen hat, beschränkt sich darauf, daß im Laufe der Entwicklung, +trotz der Verwaltungs-Maaßregeln, der Pauperismus zu einem National- +Institut sich heraufgebildet hat, und daher unvermeidücher Weise zum +Gegenstand einer verzweigten und weit ausgedehnten Administration ge +worden ist, einer Administration, die aber nicht mehr die Aufgabe hat, ihn +zu ersticken, sondern ihn zu discipliniren, zu verewigen. Diese Admini +stration hat es aufgegeben, durch positive Mittel die Quelle des Pauperismus +35 zu verstopfen; sie begnügt sich damit, so oft er an der Oberfläche des +of f iciellen Landes hervorsprudelt, mit poüzeiücher Milde ihm ein Todtenbett +zu graben. Der englische Staat, weit entfernt über die Administrations- und +Wohlthätigkeits-Maaßregeln hinauszugehen, ist weit unter sie herabgestie +gen. Er administrirt nur noch den Pauperismus, der die Verzweiflung besitzt, +sich einfangen und einsperren zu lassen. + +40 + +Bisher also hat der „Preuße" nichts Eigenthümliches im Verfahren des + +453 + + Kritische Randglossen. + +Königs von Preußen nachgewiesen. Warum aber, ruft der große Mann mit +einer seltenen Naivetät aus: „Warum ordnet der König von Preußen nicht +sogleich die Erziehung aller verwahrlosten Kinder an?" Warum wendet er +sich erst an die Behörden und erwartet ihre Pläne und Vorschläge? + +Der überkluge „Preuße" wird sich beruhigen, wenn er erfährt, daß der +König von Preußen hier eben so wenig Original ist, wie in seinen übrigen +Handlungen; daß er sogar den einzigen Weg eingeschlagen hat, den der Chef +eines Staats einschlagen kann. + +5 + +10 + +Napoleon wollte die Bettelei mit einem Schlag vernichten. Er trug seinen +Behörden auf, Pläne für die Austilgung der Bettelei in ganz' Frankreich +vorzubereiten. Das Projekt ließ auf sich warten ; Napoleon verlor die Geduld, +er schrieb an seinen Minister des Innern, Crétet; er befahl ihm, innerhalb +eines Monats die Bettelei zu vernichten; er sagte : „Man darf über diese Erde +nicht hinwegschreiten, ohne Spuren zu hinterlassen, die unser Andenken der +Nachwelt empfehlen. Fordert mir nicht noch drei oder vier Monate, um 15 +Nachweisungen zu erhalten: ihr habt junge Auditore, kluge Präfecten, +wohlunterrichtete Ingenieure der Brücken und Chausseen, setzt diese alle +in Bewegung, schlaft nicht ein in der gewöhnlichen Büreauarbeit." In we +nigen Monaten war Alles geschehen. Den 5. Juli 1808 wurde das Gesetz +erlassen, welches die Bettelei unterdrückt. Wodurch? Durch die Depots, 20 +welche sich so rasch in Strafanstalten verwandelten, daß der Arme bald nur +mehr durch den Weg des Zuchtpohzeigerìchts in diese Anstalten gelangte. +Und dennoch rief damals M. Noailles du Gard, Mitglied des gesetzgebenden +Corps, aus: „Ewige Erkenntlichkeit dem Heroen, welcher der Dürftigkeit +eine Zufluchtstätte und der Armuth Lebensmittel sichert: die Kindheit wird 25 +nicht mehr verlassen sein, die armen Familien werden nicht mehr der Res +sourcen, noch die Arbeiter der Ermuthigung und Beschäftigung entbehren. +Nos pas ne seront plus arrêtés par l'image dégoûtante des infirmités et de +la honteuse misère." Der letzte cynische Passus ist die einzige Wahrheit +dieser Lobrede. + +30 + +Wenn Napoleon sich an die Einsicht seiner Auditore, Präf ecte, Ingenieure + +adressirt, warum nicht der König von Preußen an seine Behörden? + +Warum ordnete Napoleon nicht sogleich die Aufhebung der Bettelei an? +Von demselben Werth ist die Frage des „Preußen": „Warum ordnet der +König von Preußen nicht sogleich die Erziehung der verwahrlos'ten Kinder 35 +an?" Weiß der „Preuße" was der König anordnen müßte? Nichts anders als +die Vernichtung des Proletariats. Um Kinder zu erziehen, muß man sie +ernähren und von der Erwerbsarbeit befreien. Die Ernährung und Erziehung +der verwahrlos'ten Kinder, d. h. die Ernährung und Erziehung des ganzen +aufwachsenden Proletariats, wäre die Vernichtung des Proletariats und des +Pauperismus. + +40 + +454 + + Kritische Randglossen. + +Der Convent hatte einen Augenblick den Muth, die Aufhebung des +Pauperismus anzuordnen, zwar nicht „sogleich", wie es der „Preuße" von +seinem König verlangt, sondern erst nachdem er das Comité du samt public +mit der Bearbeitung der nöthigen Pläne und Vorschläge beauftragt, und +5 nachdem dieses die weitläufigen Untersuchungen der Assemblée consti +tuante über den Zustand des französischen Elendes benützt, und durch +Barreré die Stiftung des Livre de la bienfaisance nationale, etc., vorge +schlagen. Welches war die Folge der Anordnung des Convents? Daß eine +Anordnung mehr in der Welt war und ein Jahr nachher verhungerte Weiber + +10 den Convent belagerten. + +Der Convent aber war das Maximum der politischen Energie, der poli + +tischen Macht, und des politischen Verstandes. + +is + +Sogleich, ohne Verständigung mit den Behörden, hat keine Regierung der +Welt Anordnungen über den Pauperismus getroffen. Das englische Par +lament schickte sogar Kommissäre nach allen Ländern Europas, um die +verschiedenen administrativen Heilmittel gegen denselben kennen zu lernen. +So weit sich die Staaten aber mit dem Pauperismus beschäftigt haben, sind +sie bei Verwaltungs- und Wohlthätigkeits-Maaßregeln stehen geblieben oder +unter die Verwaltung und unter die Wohlthätigkeit herabgestiegen. + +20 + +Kann der Staat anders verfahren? +Der Staat wird nie im „Staat und der Einrichtung der Gesellschaft', wie es +der Preuße von seinem König verlangt, den Grund socialer Gebrechen +finden. Wo es politische Partheien gibt, findet jede den Grund eines jeden +Übels darin, daß statt ihrer ihr Widerpart sich am Staatsruder befindet. Selbst +25 die radikalen und revolutionären Politiker suchen den Grund des Übels nicht +im Wesen des Staats, sondern in einer bestimmten Staatsform, an deren +Stelle sie eine andere Staatsform setzen wollen. + +Der Staat und die Einrichtung der Gesellschaft sind von dem politischen +Standpunkt aus nicht zwei verschiedene Dinge. Der Staat ist die Einrichtung +30 der Gesellschaft. So fern der Staat sociale Mißstände zugesteht, sucht er sie +entweder in Naturgesetzen, denen keine menschliche Macht gebieten kann, +oder in dem Privatleben, das von ihm unabhängig ist, oder in der Zweck +widrigkeit der Administration, die von ihm abhängt. So findet England das +Elend in dem Naturgesetz begründet, wonach die Bevölkerung stets das +35 Subsistenzmittel überschreiten muß. Nach einer andern Seite hin erklärt es +den Pauperismus aus dem schlechten Willen der Armen, wie ihn der König +von Preußen aus dem unchristlichen Gemüth der Reichen und wie ihn der +Convent aus der contre-revolutionären, verdächtigen Gesinnung der Eigen +thümer erklärt. England bestraft daher die Armen, der König von Preußen +ermahnt die Reichen und der Convent köpft die Eigenthümer. + +40 + +Endlich suchen alle Staaten in zufälligen oder absichtlichen Mängeln der + +455 + + Kritische Randglossen. + +Administration die Ursache, und darum in Maaßregeln der Administration +die Abhülfe seiner Gebrechen. Warum? Eben weil die Administration die +organistende Thätigkeit des Staats ist. + +5 + +10 + +Den Widerspruch zwischen der Bestimmung und dem guten Willen der +Administration einerseits, und ihren Mitteln wie ihrem Vermögen andrer- +seits, kann der Staat nicht aufheben, ohne sich selbst aufzuheben, denn er +beruht auf diesem Widerspruch. Er beruht auf dem Widerspruch zwischen +dem öffentlichen und dem Privatleben, auf dem Widerspruch zwischen den +allgemeinen Interessen und den Sonder-Interessen. Die Administration muß +sich daher auf eine formelle und negative Thätigkeit beschränken, denn wo +das bürgerliche Leben und seine Arbeit beginnt, eben da hat ihre Macht +aufgehört. Ja, gegenüber den Consequenzen, welche aus der unsocialen +Natur dieses bürgerlichen Lebens, dieses Privateigenthums, dieses Handels, +dieser Industrie, dieser wechselseitigen Plünderung der verschiedenen +bürgerlichen Kreise entspringen, diesen Consequenzen gegenüber ist die 15 +Ohnmacht das Naturgesetz der Administration. Denn diese Zerrissenheit, +diese Niedertracht, dies Sklaventhum der bürgerlichen Gesellschaft ist das +Naturfundament, worauf der moderne Staat ruht, wie die bürgerliche Ge +sellschaft des Sklaventhums das Naturfundament war, worauf der antike +Staat ruhte. Die Existenz des Staats und die Existenz der Sklaverei sind 20 +unzertrennüch. Der antike Staat und die antike Sklaverei — offenherzige +klassische Gegensätze — waren nicht inniger an einander geschmiedet als der +moderne Staat und die moderne Schacherwelt, — scheinheilige christiiche +Gegensätze. Wollte der moderne Staat die Ohnmacht seiner Administration +aufheben, so müßte er das jetzige Privatleben aufheben. Wollte er das 25 +Privatleben aufheben, so müßte er sich selbst aufheben, denn er existirt nur +im Gegensatz zu demselben. Kein Lebendiger aber glaubt die Mängel seines +Daseins im Prinzip seines Lebens, im Wesen seines Lebens begründet, +sondern in Umständen außerhalb seines Lebens. Der Selbstmord ist wider +natürlich. Also kann der Staat nicht an die inwendige Ohnmacht seiner +Administration, das heißt seiner selbst glauben. Er kann nur formelle, zu +fällige Mängel derselben einsehn und ihnen abzuhelfen suchen. Sind diese +Modifikationen fruchtlos, nun so ist das sociale Gebrechen eine natürliche, +vom Menschen unabhängige Unvollkommenheit, ein Gesetz Gottes, oder der +Wille der Privatleute ist zu verdorben, um den guten Zwecken der Admini- +stration entgegen zu kommen. Und welche verkehrte Privatleute? Sie murren +gegen die Regierung, so oft sie die Freiheit beschränkt, und sie verlangen +von der Regierung, die nothwendigen Folgen dieser Freiheit zu verhin +dern! + +35 + +30 + +Je mächtiger der Staat, je politischer daher ein Land ist, um so weniger +ist es geneigt, im Prinzip des Staats, also in der jetzigen Einrichtung der + +40 + +456 + + Kritische Randglossen. + +5 + +Gesellschaft, deren thätiger, selbstbewußter und offizieller Ausdruck der +Staat ist, den Grund der socialen Gebrechen zu suchen und ihr allgemeines +Prinzip zu begreifen. Der politische Verstand ist eben politischer Verstand, +weil er innerhalb der Schranken der Politik denkt. Je geschärfter, je leben- +diger, desto unfähiger ist er zur Auffassung socialer Gebrechen. Die klas +sische Periode des politischen Verstandes ist die französische Revolution. +Weit entfernt im Prinzip des Staats die Quelle der socialen Mängel zu +erbücken, erbücken die Heroen der französischen Revolution vielmehr in +den socialen Mängeln die Quelle politischer Übelstände. So sieht Robes- +10 pierre in der großen Armuth und dem großen Reichthume nur ein Hin- +derniß der reinen Demokratie. Er wünscht daher eine allgemeine spar +tanische Frugalität zu etabliren. Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je +einseitiger, das heißt also je vollendeter der politische Verstand ist, um so +mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die +natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also +die Quelle socialer Gebrechen zu entdecken. Es bedarf keiner weiteren +Ausführung gegen die alberne Hoffnung des „Preußen", wonach der „po +litische Verstand die Wurzel der geselligen Noth für Deutschland zu ent +decken" berufen ist. + +15 + +20 + +Es war thöricht, dem König von Preußen nicht nur eine Macht zu- +zumuthen, wie sie der Convent und Napoleon vereint nicht besaßen; es war +thöricht, ihm eine Anschauungsweise zuzumuthen, welche die Grenzen aller +Politik überspringt, eine Anschauungsweise, deren Besitz der kluge +„Preuße" selbst nicht näher steht als sein König. Diese ganze Declaration + +25 war um so thörichter, als der „Preuße" uns gesteht: + +„Die guten Worte und die gute Gesinnung sind wohlfeil, die Einsicht und +die erfolgreichen Thaten sind theuer; sie sind in diesem Fall mehr als theuer, +sie sind noch gar nicht zu haben. " + +Wenn sie noch gar nicht zu haben sind, so erkenne man jeden an, der das +30 von seiner Stellung aus Mögliche versucht. Ich überlasse es übrigens dem +Takt des Lesers, ob bei dieser Gelegenheit die merkantilische Zigeunerspra +che von „wohlfeil", „theuer", „mehr als theuer", „noch gar nicht zu haben" +zu der Categorie der „guten Worte" und der „guten Gesinnung" zu zählen +ist. + +35 + +40 + +Gesetzt also, die Bemerkungen des „Preußen" über die deutsche Regie +rung und die deutsche Bourgeoisie — letztere ist doch wohl einbegriffen in +der „deutschen Gesellschaft" — seien vollkommen begründet. Ist dieser Theil +der Gesellschaft rathloser in Deutschland, als in England und Frankreich? +Kann man rathloser sein, als z. B. in England, wo man die Rathlosigkeit in +ein System gebracht hat? Wenn heute Arbeiteraufstände in ganz England +ausbrechen, so ist die dortige Bourgeoisie und Regierung nicht besser be- + +457 + + Kritische Randglossen. + +rathen als im letzten Drittheil des achtzehnten Jahrhunderts. Ihr einziger +Rath ist die materielle Gewalt, und da die materielle Gewalt in demselben +Grade abnimmt, als die Ausbreitung des Pauperismus und die Einsicht des +Proletariats zunehmen, so wächst nothwendig die englische Rathlosigkeit in +geometrischer Proportion. + +5 + +Unwahr, faktisch unwahr ist es endlich, daß die deutsche Bourgeoisie die +allgemeine Bedeutung des schlesischen Aufstandes gänzlich verkennt. In +mehreren Städten versuchen die Meister sich mit den Gesellen zu associiren. +Alle liberalen deutschen Zeitungen, die Organe der liberalen Bourgeoisie +strömen über von Organisation der Arbeit, Reform der Gesellschaft, Kritik 10 +der Monopole und der Concurrenz etc. Alles in Folge der Arbeiter-Be +wegungen. Die Zeitungen von Trier, Aachen, Köln, Wesel, Mannheim, +Breslau, selbst von Berlin bringen häufig ganz verständige sociale Artikel, +aus denen der „Preuße" sich immerhin belehren kann. Ja, in Briefen aus +Deutschland spricht sich fortwährend die Verwunderung über den geringen 15 +Widerstand der Bourgeoisie gegen sociale Tendenzen und Ideen aus. + +Der „Preuße" — wäre er mit der Geschichte der socialen Bewegung ver +trauter — hätte seine Frage umgekehrt gesteUt. Warum deutet selbst die +deutsche Bourgeoisie die partielle Noth verhältnißmäßig so universell? +Woher die Animosität und der Cynismus der politischen, woher die Wider- +standslosigkeit und die Sympathien der unpolitischen Bourgeoisie in Bezug +auf das Proletariat? + +20 + +Vorwärts ! Nr. 64, +10. August 1844 + +Nun zu den Orakelsprüchen des „Preußen" über die deutschen Arbeiter. + +„Die deutschen Armen", witzelt er, „sind nicht klüger als die armen +Deutschen, d. h. sie sehen nirgends über ihren Heerd, ihre Fabrik, ihren 25 +Distrikt hinaus: die ganze Frage ist von der aües durchdringenden politischen +Seele bis jetzt noch verlassen." + +Um den Zustand der deutschen Arbeiter mit dem Zustand der franzö +sischen und engüschen Arbeiter vergleichen zu können, mußte der ���Preuße" +die erste Gestalt, den Beginn der englischen und französischen Arbeiter- +Bewegung mit der eben beginnenden deutschen Bewegung vergleichen. Er +versäumt dies. Sem Raisonnement läuft daher auf eine Trivialität hinaus, +etwa darauf, daß die Industrie in Deutschland noch nicht so entwickelt ist +wie in England, oder daß eine Bewegung in ihrem Beginn anders aussieht, +als in ihrem Fortschritt. Er woüte über die Eigentümlichkeit der deutschen +Arbeiter-Bewegung sprechen. Er sagt kern Wort über dies sein Thema. + +30 + +35 + +Der „Preuße" stelle sich dagegen auf den richtigen Standpunkt. Er wüd + +458 + + Kritische Randglossen. + +finden, daß kein einziger der französischen und englischen Arbeiter-Auf - +stände einen so +theoretischen und bewußten Charakter besaß, wie der +schlesische Weberaufstand. + +Zunächst erinnere man sich an das Weberlied, an diese kühne Parole des +5 Kampfes, worin Herd, Fabrik, Distrikt nicht einmal erwähnt werden, son +dern das Proletariat sogleich seinen Gegensatz gegen die Gesellschaft des +Privateigenthums in schlagender, scharfer, rücksichtsloser, gewaltsamer +Weise herausschreit. Der schlesische Aufstand beginnt grade damit, womit +die französischen und englischen Arbeiter-Auf stände enden, mit dem Be- +10 wußtsein über das Wesen des Proletariats. Die Action selbst trägt diesen +überlegenen Charakter. Nicht nur die Maschinen, diese Rivalen des Arbei +ters, werden zerstört, sondern auch die Kaufmannsbücher, die Titel des +Eigenthums, und während alle andern Bewegungen sich zunächst nur gegen +den Industrieherrn, den sichtbaren Feind kehrten, kehrt sich diese Bewegung +15 zugleich gegen den Banquier, den versteckten Feind. Endlich ist kein einziger +englischer Arbeiter-Aufstand mit gleicher Tapferkeit, Überlegung und +Ausdauer geführt worden. + +20 + +25 + +Was den Bildungsstand oder die Bildungsfähigkeit der deutschen Arbeiter +im Allgemeinen betrifft, so erinnere ich an Weitlings geniale Schriften, die +in theoretischer Hinsicht oft selbst über Proudhon binausgehn, so sehr sie +in der Ausführung nachstehen. Wo hätte die Bourgeoisie — ihre Philosophen +und Schriftgelehrten eingerechnet — ein ähnliches Werk, wie Weitlings: +„Garantien der Harmonie und Freiheit" in Bezug auf die Emancipation der +Bourgeoisie — die politische Emancipation — aufzuweisen? Vergleicht man +die nüchterne kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Littera- +tur mit diesem maaßlosen und brillanten literarischen Debüt der deutschen +Arbeiter; vergleicht man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats +mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der deutschen +Bourgeoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt + +30 prophezeihen. Man muß gestehen, daß das deutsche Proletariat der Theo +retiker des europäischen Proletariats, wie das englische Proletariat sein +Nationalökonom, und das französische Proletariat sein Politiker ist. Man +muß gestehen, daß Deutschland einen eben so klassischen Beruf zur socialen +Revolution besitzt, wie es zur politischen unfähig ist. Denn wie die Ohnmacht +der deutschen Bourgeoisie die politische Ohnmacht Deutschlands, so ist die +Anlage des deutschen Proletariats — selbst von der deutschen Theorie ab +gesehen — die sociale Anlage Deutschlands. Das Mißverhältniß zwischen der +philosophischen und der politischen Entwicklung in Deutschland ist keine +Abnormität. Es ist ein notwendiges Mißverhältniß. Erst in dem Socialismus +40 kann ein philosophisches Volk seine entsprechende Praxis, also erst im Pro + +35 + +letariat das thätige Element seiner Befreiung finden. + +459 + + Kritische Randglossen. + +Doch ich habe in diesem Augenblick weder Zeit noch Lust dem „Preußen" +das Verhältniß der „deutschen Gesellschaft" zur socialen Umwälzung und +aus diesem Verhältniß einerseits die schwache Reaktion der deutschen +Bourgeoisie gegen den Sociaüsmus, anderseits die ausgezeichneten Anlagen +des deutschen Proletariats für den Sociaüsmus zu erklären. Die ersten +Elemente zum Verständniß dieses Phänomens findet er in meiner Einleitung +zur Kritik der Hegel'schen Rechtsphilosophie („Deutsch-französische Jahr +bücher"). + +5 + +Die Klugheit der deutschen Armen steht also in umgekehrtem Verhältniß + +10 + +zur Klugheit der armen Deutschen. Aber Leute, welchen jeder Gegenstand +zu öffentlichen Stylübungen dienen muß, gerathen durch diese formelle +Thätigkeit auf einen verkehrten Inhalt, während der verkehrte Inhalt sei +nerseits wieder der Form den Stempel der Gemeinheit aufdrückt. So hat der +Versuch des „Preußen" sich bei Gelegenheit wie der schlesischen Arbeiter- +Unruhen in der Form der Antithese zu bewegen, ihn zu der größten Antithese 15 +gegen die Wahrheit verführt. Die einzige Aufgabe eines denkenden und +wahrheitsliebenden Kopfes, Angesichts eines ersten Ausbruchs des schle +sischen Arbeiter-Aufstandes, bestand nicht darin den Schulmeister dieses +Ereignisses zu spielen, sondern vielmehr seinen eigenthümlichen Charakter +zu studiren. Dazu gehört allerdings einige wissenschaftliche Einsicht und 20 +einige Menschenliebe, während zu der andern Operation eine fertige +Phraseologie, eingetunkt +in eine hohle Selbstliebe, vollständig hin +reicht. + +Warum beurtheilt der „Preuße" die deutschen Arbeiter so verächtlich? +Weil er die „ganze Frage" — nämlich die Frage der Arbeiternoth — „bis 25 +jetzt noch" von der „alles durchdringenden politischen Seele" verlassen +findet. Er führt seine platonische Liebe zu der politischen Seele näher dahin +aus: + +„Es werden alle Aufstände in Blut und Unverstand ersticken, die in dieser +heillosen Isolirung der Menschen von dem Gemeinwesen und ihrer Ge- +danken von den socialen Principien ausbrechen; erzeugt aber erst die Noth +den Verstand und entdeckt der politische Verstand der Deutschen die Wurzel +der geselligen Noth, alsdann werden auch in Deutschland diese Ereignisse +als Symptome einer großen Umwälzung empfunden werden." + +30 + +Zunächst erlaube uns der „Preuße" eine stylistische Bemerkung. Seine +Antithese ist unvollkommen. In der ersten Hälfte heißt es: Erzeugt die Noth +den Verstand, und in der zweiten Hälfte: entdeckt der politische Verstand +die Wurzel der geselligen Noth. Der einfache Verstand in der ersten Hälfte +der Antithese wird in der zweiten Hälfte zum politischen Verstand, wie die +einfache Noth der ersten Hälfte der Antithese in der zweiten Hälfte zur +geselligen Noth wird. Warum hat der Stylkünstler beide Hälften der Anti- + +35 + +40 + +460 + + Kritische Randglossen... + +these so ungleich beschenkt? Ich glaube nicht, daß er sich darüber Rechen +schaft abgelegt hat. Ich will ihm seinen richtigen Instinkt deuten. Hätte der +„Preuße" geschrieben: „Erzeugt die gesellige Noth den politischen Verstand +und entdeckt der politische Verstand die Wurzel der geselligen Noth", so +konnte keinem unbefangnen Leser der Unsinn dieser Antithese entgehn. +Zunächst hätte jeder sich gefragt, warum stellt der Anonyme nicht den +geselligen Verstand zur geselligen Noth und den politischen Verstand zur +politischen Noth, wie die einfachste Logik gebietet? Nun zur Sache! + +5 + +10 + +Es ist so falsch, daß die gesellige Noth den politischen Verstand erzeugt, +daß vielmehr umgekehrt das gesellige Wohlbefinden den politischen Ver +stand erzeugt. Der politische Verstand ist ein Spiritualist und wird dem +gegeben, der schon hat, der schon behaglich in seiner Wolle sitzt. Unser +„Preuße" höre darüber einen französischen Nationalökonomen, Herrn +Michel Chevalier: „Im Jahre 1789, als die Bourgeoisie sich erhob, fehlte ihr, +15 um frei zu sein, nur die Theilnahme an der Regierung des Landes. Die +Befreiung bestand für sie darin, die Leitung der öffentlichen Angelegen +heiten, die hohen bürgerlichen, militärischen und religiösen Funktionen den +Händen der Privilegirten, welche das Monopol dieser Funktionen besaßen, +zu entziehen. Reich und aufgeklärt, im Stande sich selbst genug zu sein und +sich selbst zu lenken, wollte sie sich dem régime du bon plaisir entziehen." + +20 + +Wie unfähig der politische Verstand ist, die Quelle der geselligen Noth zu +entdecken, haben wir dem „Preußen" schon nachgewiesen. Über diese seine +Ansicht noch ein Wort. Je ausgebildeter und allgemeiner der politische +Verstand eines Volkes ist, um so mehr verschwendet das Prolétariat — +25 wenigstens im Beginn der Bewegung — seine Kräfte an unverständige, +nutzlose und in Blut erstickte Erneuten. Weil es in der Form der Politik denkt, +erblickt es den Grund aller Übelstände im Willen und alle Mittel zur Abhülfe +in der Gewalt und dem Umsturz einer bestimmten Staatsform. Beweis: die +ersten Ausbrüche des französischen Proletariats. Die Arbeiter zu Lyon +glaubten nur politische Zwecke zu verfolgen, nur Soldaten der Republik zu +sein, während sie in Wahrheit Soldaten des Socialismus waren. So ver +dunkelte ihr politischer Verstand ihnen die Wurzel der geselligen Noth, so +verfälschte er ihre Einsicht in ihren wirklichen Zweck, so belog ihr politi +scher Verstand ihren socialen Instinkt. + +30 + +35 + +40 + +Wenn aber der „Preuße" die Erzeugung des Verstandes durch die Noth +erwartet, warum wirft er die „Erstickungen in Blut" und die „Erstickungen +in Unverstand" zusammen? Ist die Noth überhaupt ein Mittel, so ist die +blutige Noth sogar ein sehr acutes Mittel zur Erzeugung des Verstandes. Der +„Preuße" mußte also sagen: Die Erstickung im Blut wird den Unverstand +ersticken und dem Verstände einen gehörigen Luftzug verschaffen. +Der „Preuße" prophezeit die Erstickung der Aufstände, die in der „heil- + +461 + + Kritische Randglossen. + +losen Isoärung der Menschen vom Gemeinwesen und in der Trennung ihrer +Gedanken von den socialen Principien" ausbrechen. + +Wir haben gezeigt, daß der schlesische Aufstand keineswegs in der +Trennung der Gedanken von den socialen Principien statt fand. Wir haben +es nur noch mit der „heillosen Isoltung der Menschen vom Gemeinwesen" +zu thun. Unter Gemeinwesen ist hier das politische Gemeinwesen, das +ist das alte Lied von dem unpolitischen +Staatswesen zu verstehn. Es +Deutschland. + +Brechen aber nicht alle Aufstände ohne Ausnahme in der heillosen Iso +lirung des Menschen vom Gemeinwesen aus? Setzt nicht jeder Aufstand +diese Isolirung nothwendig voraus? Hätte die Revolution von 1789 statt +gefunden ohne die heillose Isolirung der französischen Bürger vom Ge +meinwesen? Sie war eben dazu bestimmt, diese Isolirung aufzuheben. + +5 + +10 + +Das Gemeinwesen aber, von welchem der Arbeiter isolirt ist, ist ein +Gemeinwesen von ganz andrer Realität und ganz andrem Umfang als das 15 +politische Gemeinwesen. Dies Gemeinwesen, von welchem ihn seine eigene +Arbeit trennt, ist das Leben selbst, das physische und geistige Leben, die +menschliche Sittlichkeit, die menschliche Thätigkeit, der menschüche +Genuß, das menschliche Wesen. Das menschliche Wesen ist das wahre +Gemeinwesen der Menschen. Wie die heülose Isolüung von diesem Wesen +unverhältnißmäßig allseitiger, unerträgücher, fürchterücher, widerspruchs +voller ist, als die Isolüung vom politischen Gemeinwesen, so ist auch die +Aufhebung dieser Isolirung und selbst eine partieüe Reaction, ein Aufstand +gegen dieselbe um so viel unendlicher, wie der Mensch unendlicher ist als +der Staatsbürger, und das menschliche Leben als das politische Leben. Der +industrielle Aufstand mag daher noch so partiell sein, er verschließt in sich +eine universelle Seele: der politische Aufstand mag noch so universell sein, +er verbügt unter der colossalsten Form einen engherzigen Geist. + +20 + +25 + +Der „Preuße" schließt semen Aufsatz würdig mit folgender Phrase: +„Eine Social-Revolution ohne politische Seele + +(d.h. ohne die or- + +30 + +ganisüende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen aus) ist unmögüch." + +Man hat gesehn. Eme sociale Revolution befindet sich deßwegen auf dem +Standpunkt des Ganzen, weü sie — fände sie auch nur in einem Fabrikdistrikt +statt—weü sie eine Protestation des Menschen gegen das entmenschte Leben +ist, weil sie vom Standpunkt des einzelnen wirklichen Individuums ausgeht, +weü das Gemeinwesen, gegen dessen Trennung von sich das Individuum +reagüt, das wahre Gemeinwesen des Menschen ist, das menschliche Wesen. +Die politische Seele einer Revolution besteht dagegen in der Tendenz der +poütisch einflußlosen Klassen ihre Isolirung vom Staatswesen und von der +Herrschaft aufzuheben. Ihr Standpunkt ist der des Staats, eines abstrakten +Ganzen, das nur durch die Trennung vom wüküchen Leben besteht, das + +35 + +40 + +462 + + Kritische Randglossen. + +undenkbar ist ohne den organisirten Gegensatz zwischen der allgemeinen +Idee und der individuellen Existenz des Menschen. Eine Revolution von +politischer Seele organisirt daher auch, der beschränkten und zwiespältigen +Natur dieser Seele gemäß, einen herrschenden Kreis in der Gesellschaft, auf + +5 Kosten der Gesellschaft. + +Wir wollen dem „Preußen" anvertrauen, was eine „sociale Revolution mit +einer politischen Seele" ist; wir vertrauen ihm damit zugleich das Geheimniß, +daß er selbst nicht einmal in Redensarten sich über den bornirten politischen +Standpunkt zu erheben weiß. + +Eine „sociale" Revolution mit einer politischen Seele ist entweder ein +zusammengesetzter Unsinn, wenn der „Preuße" unter „socialer" Revolution +eine „sociale" Revolution im Gegensatz zu einer politischen versteht, und +nichts desto weniger der socialen Revolution statt einer socialen eine poli +tische Seele verleiht. Oder eine „sociale Revolution mit einer politischen +Seele" ist nichts als eine Paraphrase von dem, was man sonst eine „politische +Revolution" oder eine „Revolution schechthin" nannte. Jede Revolution +lös't die alte Gesellschaft auf; insofern ist sie social. Jede Revolution stürzt +die alte Gewalt; insofern ist sie politisch. + +Der „Preuße" wähle zwischen der Paraphrase und dem Unsinn ! So para- +phrastisch oder sinnlos aber eine sociale Revolution mit einer pohtischen +Seele, eben so vernünftig ist eine politische Revolution mit einer socialen +Seele. Die Revolution überhaupt—der Umsturz der bestehenden Gewalt und +die Auflösung der alten Verhältnisse — ist ein politischer Akt. Ohne Revo- +lution kann sich aber der Socialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses +politischen Aktes, so weit er der Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo +aber seine organisirende Thätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine +Seele hervortritt, da schleudert der Socialismus die politische Hülle weg. + +10 + +15 + +20 + +25 + +So vieler Weitläufigkeiten bedurfte es, um das Gewebe von Irrthümern, +die sich in eine einzige Zeitungsspalte verstecken, zu zerreißen. Nicht alle +30 Leser können die Bildung und die Zeit besitzen, sich Rechenschaft über +solche literarische Charlatanerie abzulegen. Hat also der anonyme „Preuße" +dem lesenden Publikum gegenüber nicht die Verpflichtung vorläufig aller +Schrif tstellerei in politischer und socialer Hinsicht, wie den Deklamationen +über die deutschen Zustände zu entsagen, und vielmehr mit einer gewis- + +35 senhaf ten Selbstverständigung über seinen eigenen Zustand zu beginnen? + +Paris, den 31. Juli 1844. + +Karl Marx. + +463 + + Illustrationen +zu der neuesten Kabinettsstilübung +Friedrich Wilhelms IV. + +Vorwärts! Nr.66, +17. August 1844 + +Illustrationen +zu der neuesten Cabinetsstylübung +Friedrich Wilhelm IV. + +5 + +„Ich kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit, +verlassen, ohne öffentlich den tiefgefühlten Dank in Meinem und der Kö- +nigin Namen auszusprechen, von dem Unser Herz bewegt ist. Er ist durch +die unzähligen mündlichen und schriftlichen Beweise der Liebe zu Uns +erzeugt worden, die das Attentat vom 26. Juli hervorgerufen hat,—der Liebe, +die Uns im Augenblicke des Verbrechens selbst entgegenjauchzte, als die +Hand des Allmächtigen das tödtliche Geschoß von Meiner Brust zu Boden 10 +geworfen hatte. Im Aufblick zu dem göttlichen Erretter gehe Ich mit frischem +Muthe an Mein Tagewerk, Begonnenes zu vollenden, Vorbereitetes aus +zuführen, das Böse mit neuer Sieges-Gewißheit zu bekämpfen, und Meinem +Volke das zu sein, was Mein hoher Beruf Mir auflegt, und Meines Volkes +Liebe verdient. + +15 + +Erdmannsdorf, den 5. August 1844. + +(gez.) Friedrich Wilhelm." + +Der unmittelbare Affect ist ein schlechter Schriftsteller. Der Brief, den der +Liebende in großer Aufregung der Geliebten schreibt, ist kein stylistisches +Muster, aber eben diese Confusion des Ausdrucks ist der klarste, sinn- 20 +fälligste, herzergreifendste Ausdruck von der Macht der Liebe über den +Briefsteller. Die Macht der Liebe über den Briefsteller ist die Macht der +Geliebten über ihn. Jene leidenschaftliche Unklarheit und haltlose Ver +wirrung des Styls schmeichelt daher dem Herzen der Geliebten, indem das +reflectirte, allgemeine und daher unzuverlässige Wesen der Sprache einen 25 +unmittelbar individuellen, sinnlich-gewaltsamen und darum absolut-zuver- + +464 + + Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. + +lässigen Charakter angenommen hat. Der verdachtslose Glauben an die +Wahrheit der Liebe, welche der Geliebte für sie äußert, ist aber der höchste +Selbstgenuß der Geliebten, ihr Glauben an sich selbst. + +5 + +Aus diesen Vordersätzen folgt: Wir erweisen dem preußischen Volke +einen unermeßlichen Dienst, wenn wir die innere Wahrheit des königüchen +Dankes über allen Zweifel erheben. Wir erheben diese Wahrheit aber über +allen Zweifel, indem wir die Gewalt der dankbaren Empfindung über den +königlichen Schriftsteller beweisen, und wir beweisen die Gewalt dieser +Empfindung über den königüchen SchriftsteUer, indem wir die stylistische +10 Confusion der danksagenden Cabinetsordre beweisen. Man wird also den + +Zweck unserer patriotischen Analyse nicht mißdeuten. + +„Ich kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit +verlassen, ohne öffentüch den tiefgefühlten Dank in Meinem und der Kö +nigin Namen auszusprechen, von dem Unser Herz bewegt ist." + +15 + +25 + +20 + +Nach der Satzstellung glaubt man im ersten Augenblick, die königlichen +Busen seien von ihrem eigenen Namen bewegt. Schärft die Verwunderung +über diese sonderbare Bewegung das Nachdenken, so findet man, daß sich +die relative Verbindung „von dem unser Herz bewegt ist", nicht auf den +Namen, sondern auf den weiter abstehenden Dank bezieht: Der Singularis +„unser Herz" für das Herz des Königs und das Herz der Königin kann als +poetische Kühnheit, als herzlicher Ausdruck der herzlichen Einheit des +herzüchen hohen Paars gerechtfertigt werden. Die lakonische Kürze: „in +Meinem und der Königin Namen" statt: „in meinem Namen und im Namen +der Königin" verführt leicht zu einer falschen Deutung. Unter „meinem und +der Königin Namen" läßt sich der einfache Name des Königs verstehen, da +der Name des Manns, des Mannes und der Frau Name ist. Nun ist es zwar +ein Privilegium der großen Männer und der Kinder, statt ihres „Ich" ihren +Namen zum Subjekt zu machen. So darf Cäsar statt: „Ich siegte" sagen: +„Cäsar siegte." So sagen die Kinder nicht: „Ich wül in die Schule nach Wien +30 gehn", sondern: „Friedrich, Karl, Wühelm etc. wül in die Schule nach Wien +gehn." Eine gefährliche Neuerung aber wäre, sein „Ich" zum Subjekt zu +machen, und zugleich zu versichern, dies „Ich" spreche in seinem „eignen" +Namen. Eine solche Versicherung könnte das Geständniß, daß man ge- +wöhnüch nicht aus eigener Inspiration spreche, zu enthalten scheinen. „Ich +35 kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit, ver +lassen" ist eine nicht ganz geschickte und nicht eben das Verständniß er +leichternde Umschreibung von: „Ich kann den vaterländischen Boden selbst +auf kurze Zeit nicht verlassen, ohne etc." Diese Schwierigkeit entstand durch +die Combination der drei Gedanken: 1) daß der König seinen Boden verläßt, +40 2) daß er ihn nur auf kurze Zeit verläßt, 3) daß er das Bedürfniß fühlt, dem +Volke zu danken. Die zu gedrängte Veröffentlichung dieser drei Gedanken + +465 + + Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. + +bringt den Schein hervor, als spreche der König seinen Dani: nur aus, weil +er seinen Boden verläßt. War aber der Dank ein ernstgemeinter, strömte +er aus dem Herzen, so konnte seine Äußerung unmöglich an einen sol +chen Zufall geknüpft sein. Voll Herz macht sich unter allen Umständen +Luft. + +„Er (der Dank) ist durch die unzähligen mündlichen und schriftlichen +Beweise der Liebe zu Uns erzeugt worden, die das Attentat vom 26. Juli +hervorgerufen hat — der Liebe, die Uns im Augenblick des Verbrechens +selbst entgegenjauchzte, als die Hand des Allmächtigen das tödtliche Ge +schoß von Meiner Brust zu Boden geworfen hatte." + +5 + +10 + +Man weiß nicht, ob das Attentat die Liebe oder die Beweise der Liebe +hervorgerufen hat, um so weniger als der Genitivus „der Liebe" nach der +Parenthese wieder als der herrschende und accentuirte Redetheil des Satzes +erscheint. Die stylistische Kühnheit in der Wiederholung dieses Genitivus +springt in die Augen. Die Schwierigkeit wächst, wenn wir den Inhalt des 15 +Satzes betrachten. Durfte die Liebe, welche sprach und schrieb, unmittelbar +als das Subjekt bezeichnet werden, welches auf der Straße lärmte? Er +heischte nicht die chronologische Wahrheit, mit der Liebe zu beginnen, die +sich sogleich in Gegenwart des Ereignisses äußerte, und dann erst zu den +späteren Äußerungen der Liebe in Schrift und Rede überzugehn? + +20 + +War nicht der Verdacht zu vermeiden, als wolle der König zugleich der +Aristokratie und dem Volke schmeicheln? der Aristokratie, indem ihre +schriftlichen und mündlichen Liebesäußerungen, obgleich der Zeit nach +später als die populären Liebesäußerungen, doch der Wirkung nach früher +den Dank im königlichen Herzen zu erzeugen wußten; dem Volke, indem +seine jauchzende Liebe für ein und dasselbe Wesen wie jene schreibende +und redende Liebe erklärt, also der Geburtsadel der Liebe auf gehoben wird? +Es scheint endlich nicht ganz geeignet, Gotteshand unmittelbar das „Ge +schoß" pariren zu lassen, indem einigermaaßen conséquentes Denken auf +diese Weise zu dem Trugschluß gelangen wird, Gott habe die Hand des 30 +Frevlers zugleich auf den König geleitet und zugleich das Geschoß von dem +König abgeleitet; denn wie kann man eine einseitige Aktion Gottes vor +aussetzen? + +25 + +„Im Aufblick zu dem göttlichen Erretter gehe ich mit frischem Muth an +mein Tagewerk, Begonnenes zu vollenden, Vorbereitetes auszuführen, das +Böse mit Sieges-Gewißheit zu bekämpfen und meinem Volke das zu sein, +was mein hoher Beruf mir auflegte und meines Volkes Liebe verdient." + +35 + +Man kann nicht wohl sagen: „Ich gehe, etwas zu sein." Allenfalls kann +man gehen „etwas zu werden". Die Bewegung im Werden erscheint we +nigstens als Resultat der Bewegung des Gehns, obgleich wir auch die letztere 40 +Wendung nicht als korrekt empfehlen wollen. Daß Seine Majestät „im + +466 + + Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. + +Aufblick zu Gott geht", das „Begonnene zu vollenden, das Vorbereitete +auszuführen", scheint weder der Vollendung noch der Ausführung günstige +Chancen zu versprechen. Um Begonnenes zu vollenden und Vorbereitetes +auszuführen, dazu muß man den Bück fest auf das Begonnene und Vor +bereitete richten, und nicht von diesen Gegenständen weg in die blaue Luft +schauen. Wer wahrhaft „im Aufbück zu Gott geht", wird der „nicht im +Anblick Gottes aufgehn"! Werden dem nicht alle weltlichen Pläne und +Einfäüe vergehnl Der isoürte, durch ein Comma auf sich selbst verwiesene +Schlußsatz: „und meines Volkes Liebe verdient", scheint auf einen un +ausgesprochenen, versteckten Nachsatz zu deuten, wie etwa: „Verdient die +Knute des Schwagers Nikolaus und die Politik des Gevatters Metternich"; +oder auch: „verdient das Constitutionchen des Ritters Bunsen". + +467 + + BRIEFE + +A US DEN + +„ D E U T S C H - F R A N Z Ö S I S C H EN + +J A H R B Ü C H E R N" + + Ein Briefwechsel von 1843 + +Briefe von Karl Marx, Arnold Ruge, +Michail Alexandrowitsch Bakunin und Ludwig Feuerbach +Zusammengestellt und redigiert von Arnold Ruge + +Deutsch-Französische Jahrbücher. +Lfg.1/2. 1844 + +|17| Ein Briefwechsel von 1843. + +M. an R. + +Auf der Treckschuit nach D. im März 1843. +Ich reise jetzt in Holland. So viel ich aus den hiesigen und französischen +5 Zeitungen sehe, ist Deutschland tief in den Dreck hineingeritten und wird +es noch immer mehr. Ich versichere Sie, wenn man auch nichts weniger als +Nationalstolz fühlt, so fühlt man doch Nationalscham, sogar in Holland. +Der kleinste Holländer ist noch ein Staatsbürger gegen den größten Deut +schen. Und die Urtheile der Ausländer über die preußische Regierung! Es +10 herrscht eine erschreckende Uebereinstimmung, niemand täuscht sich mehr +über dies System und seine einfache Natur. Etwas hat also doch die neue +Schule genützt. Der Prunkmantel des Liberalismus ist gefallen und der wider +wärtigste Despotismus steht in seiner ganzen Nacktheit vor aller Welt +Augen. + +15 + +20 + +Das ist auch eine Offenbarung, wenn gleich eine umgekehrte. Es ist eine +Wahrheit, die uns zum wenigsten die Hohlheit unsers Patriotismus, die Un +natur unsers Staatswesens kennen und unser Angesicht verhüllen lehrt. Sie +sehen mich lächelnd an und fragen, was ist damit gewonnen? Aus Scham +macht man keine Revolution. Ich antworte: die Scham ist schon eine Revo- +lution; sie ist wirklich der Sieg der französischen Revolution über den deut +schen Patriotismus, durch den sie 1813 besiegt wurde. Scham ist eine Art +Zorn, der in sich gekehrte. Und wenn eine ganze Nation sich wirklich +schämte, so wäre sie der Löwe, der sich zum Sprunge in sich zurückzieht. +Ich gebe zu, sogar die Scham ist in Deutschland noch nicht vorhanden; im +25 Gegentheil, diese Elenden sind noch Patrioten. Welches System sollte ihnen +aber den Patriotismus austreiben, wenn nicht dieses lächerliche des neuen +Ritters? Die Komödie des Despotismus, die mit uns aufgeführt wird, ist für + +471 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +ihn eben so gefährlich, als es einst den Stuarts und Bourbonen die ||l8| Tra +gödie war. Und selbst, wenn man diese Komödie lange Zeit nicht für das +halten sollte, was sie ist, so wäre sie doch schon eine Revolution. Der Staat +ist ein zu ernstes Ding, um zu einer Harlekinade gemacht zu werden. Man +könnte vielleicht ein Schiff voll Narren eine gute Weile vor dem Winde +treiben lassen; aber seinem Schicksal trieb' es entgegen eben darum, weil +die Narren dies nicht glaubten. Dieses Schicksal ist die Revolution, die uns +bevorsteht. + +5 + +R. an M. + +Berlin, im März 1843. 10 + +„Es ist ein hartes Wort und dennoch sag' ich's, weil es Wahrheit ist: ich kann kein +Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, +aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Herren und Knechte, Jungen +und gesetzte Leute, aber keine Menschen. — Ist das nicht ein Schlachtfeld, wo Hände +und Arme und alle Glieder zerstückelt unter einander liegen, indeß das vergossene 15 +Lebensblut im Sande zerrinnt?" Hölderlin im Hyperion. — Dies das Motto meiner +Stimmung und leider ist sie nicht neu; derselbe Gegenstand wirkt von Zeit zu Zeit +ähnlich auf die Menschen. Ihr Brief ist eine Illusion. Ihr Muth entmuthigt mich nur +noch mehr. + +Wir werden eine politische Revolution erleben? wir, die Zeitgenossen dieser 20 + +Deutschen? Mein Freund, Sie glauben was Sie wünschen. O, ich kenne das ! Es ist sehr +süß zu hoffen und sehr bitter, alle Täuschungen abzuthun. Es gehört mehr Muth zur +Verzweiflung, als zur Hoffnung. Aber es ist der Muth der Vernunft, und wir sind auf +dem Punkte angekommen, wo wir uns nicht mehr täuschen dürfen. Was erleben wir +in diesem Augenblick? Eine zweite Auflage der Karlsbader Beschlüsse, eine durch 25 +das Weglassen der versprochenen Preßfreiheit vermehrte und durch das Versprechen +der Censur verbesserte, — ein zweites Mißlingen der politischen Freiheitsversuche, +und diesmal ohne Leipzig und Bellealliance, ohne Anstrengungen, von denen aus- +zuruhn wir Ursache hätten. Jetzt ruhen wir aus vom Ausruhn; und zur Ruhe bringt +uns die einfache Wiederholung der alten despotischen Maxime, das Abschreiben ihrer 30 +Urkunden. Wir fallen aus einer Schmach in die andere. Ich habe vollkommen dasselbe +Gefühl des Drucks und der Entwürdigung, wie zur ||19| Zeit der Napoleonischen +Eroberung, wenn Rußland der deutschen Presse eine strengere Censur verordnet; +und wenn Sie darin einen Trost finden, daß wir jetzt dieselbe Offenherzigkeit, wie +damals genießen, so tröstet mich das durchaus nicht. Als Napoleon in Erfurt zu den 35 +deutschen Gratulanten, die ihn mit notre prince anredeten, sagte: je ne suis pas votre +prince, je suis votre maître; wurde er mit rauschendem Beifall aufgenommen. Und +hätte ihm der russische Schnee nicht darauf geantwortet, die deutsche Entrüstung +schliefe noch. Sagen Sie mir nicht, dieses unverschämte Wort sei blutig gerächt +worden, reden Sie mir nicht ein, die zufällige Rache wäre nothwendig erfolgt, alle 40 +Völker seien abgefallen von dem nackten und bloßen Despotismus, sobald er sich + +472 + + R. an M. Berlin, im März 1843 + +ganz enthüllt hätte. Ich will ein Volk sehen, das ohne alle andere Völker seine +Schmach fühlt; ich nenne Revolution die Umkehr aller Herzen und die Erhebung aller +Hände für die Ehre des freien Menschen, für den freien Staat, der keinem Herrn +gehört, sondern das öffentliche Wesen selbst ist, das nur sich angehört. So weit +5 bringen es die Deutschen nie. Sie sind längst historisch zu Grunde gegangen. Daß +sie überall mit zu Felde gelegen, beweist nichts. Es wird den eroberten und be +herrschten Völkern nicht erspart, sich zu schlagen, aber sie sind nur Gladiatoren, die +sich für einen fremden Zweck schlagen und, wenn ihre Herren den Daumen nieder +drücken, sich erwürgen. „Seht, wie das Volk sich für uns schlägt!"' sagte 1813 der +10 König von Preußen. Deutschland ist nicht der überlebende Erbe, sondern die an +zutretende Erbschaft. Die Deutschen zählen nie nach kämpfenden Partheien, sondern +nach der Seelenzahl, die dort zu verkaufen ist. + +Sie sagen, die liberale Heuchelei ist entlarvt. Es ist wahr, es ist sogar noch mehr +geschehn. Die Menschen fühlen sich verstimmt und beleidigt, man hört Freunde und +15 Bekannte unter einander räsonniren, überall redet man hier von dem Schicksal der +Stuarts und wer sich fürchtet, unvorsichtige Worte zu sagen, der schüttelt wenigstens +den Kopf, um anzuzeigen, daß eine gewisse Bewegung in ihm vorgeht. Aber alles +redet und redet nur: ist auch nur Einer da, der seinem Unwillen zutraute, daß er +allgemein sei? Ist ein Einziger so thörigt, unsre Spießbürger und ihre unvergängliche +20 Schaafsgeduld zu verkennen? — Fünfzig Jahre nach der französischen Revolution +und die Erneuerung aller Unverschämtheiten des alten Despotismus, das haben wir +erlebt. Sagen Sie nicht, das neunzehnte Jahrhundert erträgt ihn nicht. Die Deutschen +haben dies Problem ||20| gelös't. Sie ertragen ihn nicht nur, sie ertragen ihn mit +Patriotismus, und wir, die wir darüber erröthen, grade wir wissen, daß sie ihn ver- +25 dienen. Wer hätte nicht gedacht, dieser schneidende Rückfall vom Reden ins +Schweigen, vom Hoffen in die Hoffnungslosigkeit, von einem menschenähnlichen +in einen völlig sklavischen Zustand würde alle Lebensgeister aufregen, jedem das +Blut zum Herzen treiben und einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervorrufen! +Der Deutsche hatte nichts, als die Geisterfreiheit, die der Mensch, der einem andern +leibeigen ist, immer noch haben kann, und auch diese ist ihm nun entrissen; die +deutschen Philosophen waren schon früher Diener der Menschen, sie redeten und +schwiegen auf Befehl, Kant hat uns die Dokumente mitgetheilt; aber man duldete +die Kühnheit, daß sie in abstracto den Menschen für frei erklärten. Jetzt ist auch diese +Freiheit, die sogenannte wissenschaftliche oder die principielle, die sich bescheidet, +35 nicht realisirt zu werden, aufgehoben und es haben sich natürlich Leute genug ge + +30 + +funden, die Tasso's Glauben predigen: + +40 + +Glaubt nicht, daß mir + +Der Freiheit wilder Trieb den Busen blähe. +Der Mensch ist nicht geboren frei zu sein. +Und für den Edlen ist kein schöner Glück, +Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen. + +Wollten wir einwenden: und wenn er ihn nicht ehrt? so wiederholen sie: frei zu +sein, ist er nicht geboren. Es handelt sich um seinen Begriff, nicht um sein Glück. +Ja, Tasso hat recht, ein Mensch der einem Menschen dient, und den man einen + +473 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +Sklaven nennt, kann sich glücklich fühlen, er kann sich sogar adelig fühlen, die +Geschichte und die Türkei beweisen es. Zugegeben also, daß nicht Mensch und freies +Wesen, sondern Mensch und Diener ein Begriff ist, so ist die alte Welt gerecht +fertigt. + +Gegen das Factum, daß die Menschen zum Dienen geboren und ein Besitzthum +ihrer angebornen Herren seien, hatten die Deutschen 25 Jahre nach der Revolution +nichts einzuwenden. Im deutschen Bunde sind die deutschen Fürsten zusammen +getreten, um ihren Privatbesitz von Land und Leuten wieder herzustellen und die +„Menschenrechte" wieder abzuschaffen. Das war antifranzösisch, man jauchzte +ihnen zu. Nun kommt die Theorie dieses Factum s hinterher und warum sollte 10 +Deutschland sie nicht ohne Unwillen anhören! Warum sich nicht über sein Schicksal +mit dem Gedanken ||2l| trösten, es muß so sein, der Mensch ist nicht geboren, frei +zu + +sein? + +5 + +Und so ist es, dies Geschlecht ist wirklich nicht geboren frei zu sein. Dreißig Jahre, + +politisch verödet und unter einem so entwürdigenden Druck, daß selbst die Gedanken 15 +und die Gefühle der Menschen von der geheimen Polizei der Censur beaufsichtigt +und geregelt wurden, haben Deutschland politisch nichtiger hinterlassen, als es je +gewesen. Sie sagen, das Narrenschiff, welches ein Spiel von Wind und Wellen ist, +wird seinem Schicksal nicht entgehn und dieses Schicksal ist die Revolution. Aber +Sie setzen nicht hinzu, diese Revolution ist die Genesung der Narren, im Gegentheü, 20 +ihr Bild führt nur auf den Gedanken des Unterganges. Aber ich gebe Ihnen auch den +Untergang nicht zu, der noch erst zu erwarten wäre. Physisch geht dies brauchbare +Volk nicht unter, und geistig oder mit seiner Existenz als freies Volk ist es längst am +Ende. + +Wenn ich Deutschland nach seiner bisherigen und nach seiner gegenwärtigen 25 + +Geschichte beurtheüe; so werden Sie mü nicht einwerfen seine ganze Geschichte sei +verfälscht und seine ganze jetzige Oeffentlichkeit stelle nicht den eigentlichen Zu +stand des Volkes dar. Lesen Sie die Zeitungen, welche Sie wollen, überzeugen Sie +sich, daß man nicht aufhört — und Sie werden zugeben, daß die Censur niemanden +hindert aufzuhören, — die Freiheit und das Nationalglück zu loben, welches wü 30 +besitzen; und dann sagen Sie einem Engländer, einem Franzosen oder auch nur einem +Holländer, daß dies nicht unsre Sache und unser Character wäre. + +Der deutsche Geist, so weit er zum Vorschein kommt, ist niederträchtig, und ich +trage kein Bedenken zu behaupten, wenn er nicht anders zum Vorschein kommt, so +ist dies lediglich die Schuld seiner niederträchtigen Natur. Oder wollen Sie seine 35 +Privatexistenz, seine stillen Verdienste, seine ungedruckten Tischgespräche, seine +Faust in der Tasche so hoch anschlagen, daß ihm die Schmach seiner gegenwärtigen +Erscheinung durch die Ehre seiner Zukunft noch einmal abgewaschen werden +könnte? O, diese deutsche Zukunft! Wo ist ihr Same gesät? Etwa in der schmach +vollen Geschichte, die wü bisher durchlebt? Oder in der Verzweiflung derer, die von 40 +Freiheit und geschichüichen Ehren einen Begriff haben? Oder gar in dem Hohn, den +fremde Völker über uns ausschütten und grade dann aufs empfindlichste uns zu +fühlen geben, wenn sie es am besten mit uns meinen? Denn den Grad politischer +Fühllosigkeit und Verkommenheit, zu dem wir wirklich herabgesunken sind, können +jene ||22| sich gar nicht vorstellen. Lesen Sie nur die Times über die Unterdrückung 45 + +474 + + M. an R. Köln, im Mai 1843 + +der Presse in Preußen. Lesen Sie, wie freie Männer reden, lesen Sie, wie viel Selbst +gefühl sie uns noch zutrauen, uns, die wir gar keins besitzen, und bedauern Sie +Preußen, bedauern Sie Deutschland. Ich weiß, daß ich dazu gehöre; glauben Sie nicht, +daß ich mich der allgemeinen Schmach entziehn will. Werfen Sie mir vor, daß ich +es nicht besser mache, als die andern, fordern Sie mich auf, mit dem neuen Princip +eine neue Zeit heraufzuführen und ein Schriftsteller zu sein, dem ein freies Jahr +hundert folgt, sagen Sie mir jede Bitterkeit, ich bin darauf gefaßt. Unser Volk hat +keine Zukunft, was liegt an unserm Ruf? + +M. an R. + +Köln, im Mai 1843. + +5 + +10 + +Ihr Brief, mein theurer Freund, ist eine gute Elegie, ein athemversetzender +Grabgesang; aber politisch ist er ganz und gar nicht. Kein Volk verzweifelt, +und sollt' es auch lange Zeit nur aus Dummheit hoffen, so erfüllt es sich +doch nach vielen Jahren einmal aus plötzlicher Klugheit alle seine frommen + +15 Wünsche. + +20 + +25 + +Doch, Sie haben mich angesteckt, Ihr Thema ist noch nicht erschöpft, ich +will das Finale hinzufügen, und wenn Alles zu Ende ist, dann reichen Sie +mir die Hand, damit wir von vorne wieder anfangen. Laßt die Todten ihre +Todten begraben und beklagen. Dagegen ist es beneidenswerth, die ersten +zu sein, die lebendig ins neue Leben eingehen; dies soll unser Loos sein. + +Es ist wahr, die alte Welt gehört dem Philister. Aber wir dürfen ihn nicht +wie einen Popanz behandeln, von dem man sich ängstlich wegwendet. Wir +müssen ihn vielmehr genau ins Auge fassen. Es lohnt sich, diesen Herrn der +Welt zu studiren. + +Herr der Welt ist er freilich nur, indem er sie, wie die Würmer einen +Leichnam, mit seiner Gesellschaft ausfüllt. Die Gesellschaft dieser Herren +braucht darum nichts weiter als eine Anzahl Sklaven und die Eigenthümer +der Sklaven brauchen nicht frei zu sein. Wenn sie wegen ihres Eigenthums +an Land und Leuten Herren im eminenten Sinne genannt werden, sind sie + +30 darum nicht weniger Philister, als ihre Leute. | + +|23| Menschen, das wären geistige Wesen, freie Männer Republikaner. +Beides wollen die Spießbürger nicht sein. Was bleibt ihnen übrig, zu sein +und zu wollen? + +Was sie wollen, leben und sich fortpflanzen (und weiter, sagt Göthe, +35 bringt es doch keiner), das will auch das Thier, höchstens würde ein deut +scher Politiker noch hinzuzusetzen haben, der Mensch wisse aber, daß er +es wolle, und der Deutsche sei so besonnen, nichts weiter zu wollen. + +Das Selbstgefühl des Menschen, die Freiheit, wäre in der Brust dieser +Menschen erst wieder zu erwecken. Nur dies Gefühl, welches mit den + +475 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +Griechen aus der Welt und mit dem Christenthum in den blauen Dunst des +Himmels verschwindet, kann aus der Gesellschaft wieder eine Gemeinschaft +der Menschen für ihre höchsten Zwecke, einen demokratischen Staat +machen. + +Die Menschen dagegen, welche sich nicht als Menschen fühlen, wachsen +ihren Herren zu, wie eine Zucht von Sklaven oder Herden. Die angestamm +ten Herren sind der Zweck dieser ganzen Gesellschaft. Diese Welt gehört +ihnen. Sie nehmen sie, wie sie ist und sich fühlt. Sie nehmen sich selbst, wie +sie sich vorfinden; und stellen sich hin, wo ihre Füße gewachsen sind, auf +die Nacken dieser politischen Thiere, die keine andere Bestimmung kennen, 10 +als ihnen „unterthan, hold und gewärtig" zu sein. + +5 + +Die Philisterwelt ist die politische Thierwelt, und wenn wir ihre Existenz +anerkennen müssen, so bleibt uns nichts übrig, als dem status quo einfacher +Weise recht zu geben. Barbarische Jahrhunderte haben ihn erzeugt und aus +gebildet, und nun steht er da als ein conséquentes System, dessen Princip 15 +die entmenschte Welt ist. Die vollkommenste Philisterwelt, unser Deutsch +land, mußte also natürlich weit hinter der französischen Revolution, die den +Menschen wieder herstellte, zurückbleiben; und der deutsche Aristoteles, +der seine Politik aus unsern Zuständen abnehmen wollte, würde an ihre +Spitze schreiben: „der Mensch ist ein geselliges, jedoch völlig unpolitisches 20 +Thier", den Staat aber könnte er nicht richtiger erklären, als dies Herr +Zöpfl, der Verfasser des „konstitutionellen Staatsrechts in Deutschland", +bereits gethan hat. Er ist nach ihm ein „Verein von Familien", welcher, +fahren wir fort, einer allerhöchsten Familie, die man Dynastie nennt, erb- +und eigenthümüch zugehört. Je fruchtbarer die Familien sich zeigen, desto 25 +glücklicher die Leute, desto größer der Staat, desto mächtiger die Dynastie, +weßwegen denn auch in dem normaldespo||24|tischen Preußen auf den +siebenten Jungen eine Prämie von 50 Rthlrn gesetzt ist. + +30 + +Die Deutschen sind so besonnene Realisten, daß alle ihre Wünsche und +ihre hochfliegendsten Gedanken nicht über das kahle Leben hinausreichen. +Und diese Wirkhchkeit, nichts weiter, acceptiren die, welche sie beherr +schen. Auch diese Leute sind Realisten, sie sind sehr weit von allem Denken +und von aller menschlichen Größe entfernt, gewöhnliche Offiziere und +Landjunker, aber sie irren sich nicht, sie haben Recht, sie, so wie sie sind, +reichen vollkommen aus, dieses Thierreich zu benutzen und zu beherrschen, 35 +denn Herrschaft und Benutzung ist Ein Begriff, hier wie überall. Und wenn +sie sich huldigen lassen und über die wimmelnden Köpfe dieser hirnlosen +Wesen hinsehen, was liegt ihnen näher, als der Gedanke Napoleons an der +Beresina? Man sagt ihm nach, er habe hinuntergewiesen auf das Gewimmel +der Ertrinkenden und seinem Begleiter zugerufen: Voyez ces crapauds! 40 +Diese Nachrede ist wahrscheinlich eine Lüge, aber wahr ist sie nichts desto + +476 + + M. an R. Köln, im Mai 1843 + +weniger. Der einzige Gedanke des Despotismus ist die Menschenverach +tung, der entmenschte Mensch, und dieser Gedanke hat vor vielen andern +den Vorzug, zugleich Thatsache zu sein. Der Despot sieht die Menschen +immer entwürdigt. Sie ersaufen vor seinen Augen und für ihn im Schlamm +des gemeinen Lebens, aus dem sie auch, gleich den Fröschen, immer wieder +hervorgehen. Drängt sich nun selbst Menschen, die großer Zwecke fähig +waren, wie Napoleon vor seiner Dynastietollheit, diese Ansicht auf, wie +sollte ein ganz gewöhnlicher König in einer solchen Realität Idealist sein? + +5 + +1 o + +Das Prinzip der Monarchie überhaupt ist der verachtete, der verächtliche, +der entmenschte Mensch; und Montesquieu hat sehr unrecht, die Ehre dafür +auszugeben. Er hilft sich mit der Unterscheidung von Monarchie, Despotie +und Tyrannei. Aber das sind Namen Eines Begriffs, höchstens eine Sitten +verschiedenheit bei demselben Prinzip. Wo das monarchische Prinzip in der +Majorität ist, da sind die Menschen in der Minorität, wo es nicht bezweifelt +15 wird, da gibt es keine Menschen. Warum soll nun ein Mann, wie der König +von Preußen, der keine Proben davon hat, daß er problematisch wäre, nicht +lediglich seiner Laune folgen? Und nun er es thut, was kommt dabei heraus? +Widersprechende Absichten? Gut, so wird nichts daraus. Ohnmächtige +Tendenzen? Sie sind immer noch die einzige politische Wirklichkeit. Bla- +20 magen und Verlegenheiten? Es gibt nur Eine Blamage und nur Eine Ver +legenheit, das Heruntersteigen |¡25| vom Thron. So lange die Laune an ihrem +Platze bleibt, hat sie Recht. Sie mag dort so unbeständig, so kopflos, so +verächtlich sein, wie sie will; sie ist immer noch gut genug, ein Volk zu +regieren, welches nie ein anderes Gesetz gekannt hat, als die Willkür seiner +25 Könige. Ich sage nicht, ein kopfloses System und der Verlust der Achtung +im Innern und nach Außen werde ohne Folgen bleiben, ich nehme die +Assecurranz des Narrenschiffes nicht auf mich; aber ich behaupte, der +König von Preußen wird so lange ein Mann seiner Zeit sein, als die verkehrte +Welt die wirkliche ist. + +30 + +35 + +40 + +Sie wissen, ich beschäftige mich viel mit diesem Manne. Schon damals, +als er nur noch das Berliner politische Wochenblatt zu seinem Organe hatte, +erkannte ich seinen Werth und seine Bestimmung. Er rechtfertigte schon +bei der Huldigung in Königsberg meine Vermuthung, daß nun die Frage rein +persönlich werden würde. Er erklärte sein Herz und sein Gemüth für das +künftige Staatsgrundgesetz der Domäne Preußen, seines Staates; und in der +That, der König ist in Preußen das System. Er ist die einzige politische Per +son. Seine Persönlichkeit bestimmt das System so oder so. Was er thut, +oder was man ihn thun läßt, was er denkt, oder was man ihm in den Mund +legt, das ist es, was in Preußen der Staat denkt oder thut. Es ist also wirk- +lieh ein Verdienst, daß der jetzige König dies so unumwunden erklärt hat. + +Nur darin irrte man sich eine Zeit lang, daß man es für erheblich hielt, + +477 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +welche Wünsche und Gedanken der König nun zum Vorschein brächte. +Dies konnte in der Sache nichts ändern, der Philister ist das Material der +Monarchie und der Monarch immer nur der König der Philister; er kann +weder sich noch seine Leute zu freien wirklichen Menschen machen, wenn +beide Theile bleiben was sie sind. + +5 + +Der König von Preußen hat es versucht, mit einer Theorie, die wirklich +sein Vater so nicht hatte, das System zu ��ndern. Das Schicksal dieses Ver +suches ist bekannt. Er ist vollkommen gescheitert. Ganz natürlich. Ist man +einmal bei der poütischen Thierwelt angelangt, so gibt es keine weitere +Reaktion, als bis zu ihr, und kern anderes Vordringen, als das Verlassen ihrer ι o +Basis und den Uebergang zur Menschenwelt der Demokratie. + +Der alte König wollte nichts Extravagantes, er war ein Phüister und machte +keinen Anspruch auf Geist. Er wußte, daß der Dienerstaat und sein Besitz +nur der prosaischen, ruhigen Existenz bedurfte. Der junge König war mun +terer und aufgeweckter, von der AUmacht des Monarchen, der nur durch 15 +sem Herz und semen Verstand ||26| beschränkt ist, dachte er viel größer. Der +alte verknöcherte Diener- und Sklavenstaat widerte ihn an. Er wollte ihn +lebendig machen und ganz und gar mit semen Wünschen, Gefühlen und +Gedanken durchdringen; und er konnte das verlangen, er in seinem Staate, +wenn es nur gelingen wollte. Daher seine liberalen Reden und Herzens- 20 +ergießungen. Nicht das todte Gesetz, das voüe lebendige Herz des Königs +soüte aüe seme Unterthanen regieren. Er wollte aüe Herzen und Geister +für seine Herzenswünsche und langgenährten Pläne in Bewegung setzen. +Eme Bewegung ist erfolgt; aber die übrigen Herzen schlugen nicht wie das +seinige, und die Beherrschten konnten den Mund nicht aufthun, ohne von 25 +der Aufhebung der alten Herrschaft zu reden. Die Idealisten, welche die +Unverschämtheit haben, den Menschen zum Menschen machen zu woüen, +ergriffen das Wort, und während der König altdeutsch phantasüte, meinten +sie, neudeutsch philosophüen zu dürfen. AUerdings war dies unerhört in +Preußen. Einen Augenblick schien die alte Ordnung der Dinge auf den Kopf 30 +gesteüt zu sein, ja, die Dinge fingen an, sich in Menschen zu verwandeln, +es gab sogar namhafte Menschen, obgleich die Namensnennung auf den +Landtagen nicht erlaubt ist; aber die Diener des alten Despotismus machten +diesem undeutschen Treiben bald ein Ende. Es war nicht schwer, die +Wünsche des Königs, der für eine große Vergangenheit voll Pfaffen, Ritter 35 +und Hörige schwärmt, mit den Absichten der Idealisten, welche lediglich +die Folgen der französischen Revolution, also zuletzt doch immer Republik +und eine Ordnung der freien Menschheit statt der Ordnung der todten Dinge +woüen in fühlbaren Conflikt zu bringen. Als dieser Confükt schneidend und +unbequem genug geworden und der jähzornige König hinlänglich aufgeregt 40 +war, da traten die Diener zu ihm, die früher den Gang der Dinge so leicht + +478 + + M. an R. Köln, im Mai 1843 + +5 + +geleitet hatten und erklärten: der König thäte nicht wohl, seine Unterthanen +zu unnützen Reden zu verleiten, sie würden das Geschlecht der redenden +Menschen nicht regieren können. Auch der Herr aller Hinterrussen war +über die Bewegung in den Köpfen der Vorderrussen unruhig geworden und +verlangte Wiederherstellung des alten ruhigen Zustandes. Und es erfolgte +eine neue Auflage der alten Aechtung aller Wünsche und Gedanken der +Menschen über menschliche Rechte und Pflichten d.h. die Rückkehr zu +dem alten verknöcherten Dienerstaat, in welchem der Sklave schweigend +dient und der Besitzer des Landes und der Leute lediglich durch eine wohl- + +10 gezogene, stillfolgsame Dienerschaft mög||27[üchst schweigsam herrscht. +Beide können, was sie wollen, nicht sagen, weder die einen daß sie Menschen +werden wollen, noch der andere, daß er keine Menschen in seinem Lande +brauchen könne. Schweigen ist daher das einzige Auskunftsmittel. Muta +pecora, prona et ventri obedientia. + +15 + +25 + +Dies ist der verunglückte Versuch, den Philisterstaat auf seiner eigenen +Basis aufzuheben: er ist dazu ausgeschlagen, daß er die Nothwendigkeit +der Brutalität und die Unmöglichkeit der Humanität für den Despotismus +aller Welt anschauüch gemacht hat. Ein brutales Verhältniß kann nur mit +Brutalität aufrecht erhalten werden. Und hier bin ich nun mit unserer ge- +20 meinsamen Aufgabe, den Philister und seinen Staat ins Auge zu fassen, +fertig. Sie werden nicht sagen, ich hielte die Gegenwart zu hoch, und wenn +ich dennoch nicht an ihr verzweifle, so ist es nur ihre eigene verzweifelte +Lage, die mich mit Hoffnung erfüllt. Ich rede gar nicht von der Unfähigkeit +der Herren und von der Indolenz der Diener und Unterthanen, die alles gehn +lassen, wie es Gott gefällt; und doch reichte beides zusammen schon hin, +um eine Katastrophe herbeizuführen. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, +daß die Feinde des Philisterthums, mit einem Wort alle denkenden und alle +leidenden Menschen zu einer Verständigung gelangt sind, wozu ihnen früher +durchaus die Mittel fehlten, und daß selbst das passive Fortpflanzungs- +system der alten Unterthanen jeden Tag Rekruten für den Dienst der neuen +Menschheit wirbt. Das System des Erwerbs und Handels, des Besitzes und +der Ausbeutung der Menschen führt aber noch viel schneller, als die Ver +mehrung der Bevölkerung zu einem Bruch innerhalb der jetzigen Gesell +schaft, den das alte System nicht zu heilen vermag, weil es überhaupt nicht +heilt und schafft, sondern nur existirt und genießt. Die Existenz der leidenden +Menschheit, die denkt, und der denkenden Menschheit, die unterdrückt +wird, muß aber nothwendig für die passive und gedankenlos genießende +Thierwelt der Philisterei ungenießbar und unverdaulich werden. + +30 + +35 + +Von unserer Seite muß die alte Welt vollkommen ans Tageslicht gezogen +40 und die neue positiv ausgebildet werden. Je länger die Ereignisse der den +kenden Menschheit Zeit lassen, sich zu besinnen und der leidenden, sich + +479 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +zu sammeln, um so vollendeter wird das Produkt in die Welt treten, welches +die Gegenwart in ihrem Schooße trägt. | + +|28|A anR. + +Petersinsel im Bielersee, Mai 1843. + +5 + +Ihren Brief aus Berlin hat mir unser Freund M. mitgetheilt. Sie scheinen über +Deutschland unmuthig geworden zu sein. Sie sehen nur die Familie und den Philister, +der in ihre engen vier Pfähle mit all seinen Gedanken und Wünschen eingepfercht +ist, und wollen an den Frühling nicht glauben, der ihn hervorlocken wird. Lieber +Freund, verlieren Sie nur den Glauben nicht, nur Sie nicht. Bedenken Sie, ich, der +Russe, der Barbar geb' ihn nicht auf, ich gebe Deutschland nicht auf und Sie, der Sie 10 +mitten in seiner Bewegung stehn, Sie, der Sie die Anfänge derselben erlebt haben, +und von ihrem Aufschwung überrascht wurden, Sie wollen jetzt dieselben Gedanken +zur Ohnmacht verurtheilen, denen Sie früher, als ihre Macht noch nicht erprobt war, +alles zutrauten? O, ich geb' es zu, es ist noch weit hin bis das deutsche 1789 tagt! +wann wären die Deutschen nicht um Jahrhunderte zurück gewesen? Aber es ist darum 15 +jetzt nicht die Zeit die Hände in den Schooß zu legen und feig zu verzweifeln. Wenn +Männer, wie Sie, nicht mehr an Deutschlands Zukunft glauben, nicht mehr an ihr +arbeiten wollen, wer wird denn glauben, wer handeln? Ich schreibe diesen Brief auf +der Rousseau-Insel im Bielersee. Sie wissen, ich lebe nicht von Phantasieen und +Phrasen; aber es zuckt mir durch Mark und Bein bei dem Gedanken, daß ich grade 20 +heute, wó ich Ihnen und über einen solchen Gegenstand schreibe, an diesen Ort +geführt bin. O, es ist gewiß, mein Glaube an den Sieg der Menschheit über Pfaffen +und Tyrannen ist derselbe Glaube, den der große Verbannte in so viel Millionen +Herzen goß, den er auch hieher mit sich genommen. Rousseau und Voltaire, diese +Unsterblichen, werden wieder jung; in den begabtesten Köpfen der deutschen Nation 25 +feiern sie ihre Auferstehung; eine große Begeisterung für den Humanismus und für +den Staat, dessen Prinzip nun endlich wirklich der Mensch ist, ein glühender Haß +gegen die Priester und ihre freche Beschmutzung alles Menschlichgroßen und +Wahren durchdringt wieder die Welt. Die Philosophie wird noch einmal die Rolle +spielen, die sie in Frankreich so glorreich durchgeführt; und es beweist nichts gegen +sie, daß ihre Macht und Furchtbarkeit den Gegnern früher klar geworden, als ihr +selber. Sie ist naiv und erwartet zuerst keinen Kampf und keine Verfolgung, denn +sie nimmt alle Menschen als vernünftige Wesen und wendet ||29| sich an ihre Ver +nunft, als wäre diese ihr unumschränkter Gebieter. Es ist ganz in der Ordnung, daß +unsere Gegner, welche die Stirn haben zu erklären, wir sind unvernünftig und wollen 35 +es bleiben, den praktischen Kampf, den Widerstand gegen die Vernunft durch un +vernünftige Maßregeln eröffnen. Dieser Zustand beweist nur die Uebermacht der +Philosophie, dies Geschrei gegen sie ist schon der Sieg. Voltaire sagt einmal: Vous, +petits hommes, +revêtus d'un petit emploi, qui vous donne une petite autorité dans +un petit pays, vous criez contre la philosophie? Wir leben für Deutschland in dem +Zeitalter Rousseau's und Voltaire's und „diejenigen unter uns, welche jung genug + +30 + +40 + +480 + + Β. an R. Petersinsel im Bielersee, Mai 1843 + +sind, um die Früchte unserer Arbeit zu erleben, werden eine große Revolution und +eine Zeit sehen, in der es der Mühe lohnt geboren zu sein". Wir dürfen auch diese +Worte Voltaire's wiederholen ohne zu befürchten, daß sie das zweite Mal weniger, +als das erste durch die Geschichte bestätigt würden. + +5 + +Jetzt sind die Franzosen noch unsere Lehrer. Sie haben in politischer Hinsicht +einen Vorsprung von Jahrhunderten. Und was folgt alles daraus! Diese gewaltige +Litteratur, diese lebendige Poesie und bildende Kunst, diese Durchbildung und +Vergeistigung des ganzen Volkes, lauter Verhältnisse, die wir nur von ferne verstehn! +„ Wir müssen nachholen, wir müssen unserm metaphysischen Hochmuthe, der die Welt + +10 nicht warm macht, die Ruthe geben, wir müssen lernen, wir müssen Tag und Nacht +arbeiten, um es dahin zu bringen, wie Menschen mit Menschen zu leben, frei zu sein +und frei zu machen — wir müssen — ich komme immer darauf zurück, unsere Zeit +mit unseren Gedanken in Besitz nehmen. Dem Denker und Dichter ist es vergönnt, +die Zukunft vorweg zu nehmen und eine neue Welt der Freiheit und Schönheit mitten +in den Wust des Untergangs und des Moders, der uns umgiebt, hineinzubauen. + +15 + +Und Angesichts alles dessen, eingeweiht in das Geheimniß der ewigen Mächte, +welche die Zeit aus ihrem Schoose neu gebären, wollen Sie verzweifeln? Verzweifeln +Sie an Deutschland, so verzweifeln Sie nicht nur an sich selbst, Sie geben die Macht +der Wahrheit auf, der Sie sich gewidmet. Wenig Menschen sind edel genug, sich ganz +20 und ohne Rückhalt dem Weben und Wirken der befreienden Wahrheit hinzugeben, +wenige vermögen diese Bewegung des Herzens und des Kopfes ihren Zeitgenossen +mitzutheilen; wem es aber einmal gelang der Mund der Freiheit zu werden und die +Welt mit den Silbertönen ihrer Stimme zu fesseln, ||30| der hat eine Bürgschaft für +den Sieg seiner Sache, die ein anderer nur durch eine gleiche Arbeit und ein gleiches + +25 Gelingen erreichen kann. + +Nun geb' ich es zu, wir müssen mit unsrer eignen Vergangenheit brechen. Wir sind +geschlagen worden und wenn es auch nur die rohe Gewalt war, die der Bewegung +des Denkens und Dichtens ein Hinderniß in den Weg warf, so wäre diese Rohheit +selbst unmöglich gewesen, wenn wir nicht ein abgesondertes Leben im Himmel der +30 gelehrten Theorie geführt, wenn wir das Volk auf unserer Seite gehabt hätten. Wir +haben seine Sache nicht vor ihm selbst geführt. Anders die Franzosen. Man würde +ja auch ihre Befreier unterdrückt haben, wenn man es vermocht hätte. — + +35 + +Ich weiß, Sie lieben die Franzosen, Sie fühlen ihre Ueberlegenheit. Das ist genug +für einen starken Willen in einer so großen Sache, um ihnen nachzueifern und sie +zu erreichen. Welch ein Gefühl! Welch' eine namenlose Seligkeit, dieses Streben und +diese Macht! O, wie beneid' ich Sie um Ihre Arbeit, ja selbst um Ihren Zorn, denn +auch dieser ist das Gefühl aller Edlen in Ihrem Volk. Vermocht' ich es nur mit +zuwirken! Mein Blut und Leben für seine Befreiung! Glauben Sie mir, es wird sich +erheben und das Tageslicht der Menschengeschichte erreichen. Es wird nicht immer +40 die Schmach der Germanen, die besten Diener aller Tyrannei zu sein, für seinen Stolz +rechnen. Sie werfen ihm vor, es sei nicht frei, es sei nur ein Privatvolk. Sie sagen +nur was es ist; wie wollen Sie damit beweisen, was es sein wird? + +War es in Frankreich nicht ganz derselbe Fall, und wie bald ist ganz Frankreich +ein öffentliches Wesen und seine Söhne politische Menschen geworden. Wir dürfen +45 die Sache des Volks, auch wenn es selbst sie verließe, nicht aufgeben. Sie fallen + +481 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +von uns ab, diese Philister, sie verfolgen uns ; desto treuer werden ihre Kinder unserer +Sache sich hingeben. Ihre Väter suchen die Freiheit zu morden, sie Werden für die +Freiheit in den Tod gehn. + +Und welch' einen Vorzug haben wir vor den Männern des 18ten Jahrhunderts? Sie +sprachen aus einer öden Zeit heraus. Wir haben die ungeheuren Resultate ihrer Ideen +lebendig vor Augen, wir können practisch mit ihnen in Berührung kommen. Gehn +wir nach Frankreich, setzen wir den Fuß über den Rhein, und wir stehn mit Einem +Schlage mitten in den neuen Elementen, die in Deutschland noch gar nicht geboren +sind. Die Ausbreitung des ||3l| politischen Denkens in alle Kreise der Gesellschaft, +die Energie des Denkens und Redens, die in den hervorstechenden Köpfen nur darum 10 +zum Ausbruch kommt, weil die Wucht eines ganzen Volks in jedem schlagenden +Worte empfunden wird — alles das können wir jetzt aus lebendiger Anschauung +kennen lernen. Eine Reise nach Frankreich und selbst ein längerer Aufenthalt in Paris +würde uns von dem größten Nutzen sein. + +5 + +Die deutsche Theorie hat diesen Sturz aus allen ihren Himmeln, der ihr jetzt 15 + +widerfahrt, indem rohe Theologen und dumme Landjunker sie wie einen Jagdhund +an den Ohren schütteln und ihrem Lauf die Wege weisen, reichlich verdient. Gut für +sie, wenn dieser Sturz sie von ihrem Hochmuthe heilt. Es wird ganz auf sie an +kommen, ob sie sich nun aus ihrem Schicksale die Lehre ziehen will, daß sie in +einsamer dunkler Höhe verlassen und nur im Herzen des Volks gesichert ist. Wer 20 +gewinnt das Volk, wir oder ihr? das rufen diese obscuren Castraten den Philosophen +zu. O Schande über diese Thatsache! aber auch Heil und Ehre den Männern, die nun +die Sache der Menschheit siegreich hinausführen. + +Hier, erst hier beginnt der Kampf, und so stark ist unsere Sache, daß wir wenige +zerstreute Männer mit gebundenen Händen durch unsern bloßen Schlachtruf ihre +Myriaden in Furcht und Schrecken setzen. Wohlan, es gilt! und eure Banden will ich +lösen, ihr Germanen, die ihr Griechen werden wollt, ich der Scythe. Sendet mir eure +Werke ! Auf Rousseaus Insel will ich sie drucken und mit feurigen Lettern noch einmal +an den Himmel der Geschichte schreiben: Untergang den Persern! + +R. an B. + +Dresden, im Juni 1843. + +25 + +30 + +Erst jetzt erhalt ich Ihren Brief; aber sein Inhalt veraltet nicht so schnell. Sie haben +Recht. Wir Deutsche sind wirklich noch so weit zurück, daß wir nur erst wieder eine +menschliche Litteratur hervorbringen müssen, um die Welt theoretisch zu gewinnen, +damit sie nachher Gedanken hat, nach denen sie handelt. Vielleicht können wir in 35 +Frankreich, vielleicht sogar mit den Franzosen eine gemeinsame Publication unter +nehmen. Ich will mit unsern Freunden darüber correspondiren. Uebrigens haben Sie +sichs mit Unrecht so ||32| sehr zu Herzen genommen, daß ich in Berlin verstimmt war. +Alle andern sind desto selbstzufriedener; und ein einziger Wunsch, den sich der erste +Berliner, der König, erfüllt, wiegt eine Welt voll Verstimmung auf. Glauben Sie nicht, +daß ich diese umfangreichen Wünsche verkenne. Das Christenthum z. E. ist doch so +zu sagen Alles. Nun ist es wiederhergestellt, der Staat ist christlich, ein wahres + +40 + +482 + + R. an Β. Dresden, im Juni 1843 + +Kloster, der König ist sehr christlich und die königlichen Beamten sind am allerchrist- +lichsten. Ich geb' es zu, diese Leute sind nur fromm, weil sie an Einer Knechtschaft +nicht genug haben. Sie müssen zu dem irdischen Hof dienst noch einen himmlischen +hinzufügen; die Knechtschaft soll nicht nur ihr Amt, sie soll auch ihr Gewissen sein. +5 Und wenn die nordamerikanischen Wilden sich selbst ihre Sünden ausprügeln, so +hoff' ich werden auch wohl die Völker noch einmal dieselbe Pròcedur an diesen +Hunden des Himmels exekutiren. Aber für den Augenblick, wer sollte nicht finden, +daß es gut steht im Reiche Gottes? und ich hätte gewiß an der aligemeinen Herrlichkeit +den heitersten Antheil genommen, wenn ich nicht bedacht hätte, daß eine enttäuschte + +15 + +10 Verstimmung allemal besser ist, als eine enttäuschte Selbstzufriedenheit. Sie werden +sagen, ich hätte den Eulenspiegel, der schon über den kommenden Berg verstimmt +war, mit Nutzen gelesen; die Berliner haben ihn auch gelesen, sie lesen ihn immer, +wenn sie ihre Geschichte lesen, aber ohne Nutzen: und so bleiben sie denn dabei daß +ihre Eulenspiegeleien gute Witze wären. Selbst ihr Christenthum interessirt sie nur +als ein guter Witz, als eine geniale Wendung. Es ist pikant, sich zu allen Verrückt +heiten des Aberglaubens zu bekennen und dabei einen heilen Rock zu tragen; es ist +pikant jetzt sich reden zu hören im Stil des heiligen römischen Reichs mit „Gruß und +Handschlag zuvor", oder in dieser unheiligen Zeit mit dem Datum von irgend einem +heiligen Tage zu unterzeichnen, und da es nicht möglich ist, auch aus den heiligen +20 Oettern, etwa von St. Johann im Lateran und vom Vatikan zu datiren, so ist es +wenigstens pikant, die Bulle zur Wiederherstellung der barmherzigen Schwestern +oder zur Stiftung der Kapelle des heiligen Adelbert aus dem Schloß des unheiligen +Friedrich zu erlassen. + +Doch ich wül nicht noch einmal die Gefahr laufen, unter Palmen zu wohnen, auch +25 in der Phantasie nicht. Lebewohl, Berlin. Ich lobe mir Dresden. Hier ist Alles erreicht, +hier wird Alles genossen, was Preußen mit der ganzen Anstrengung seines of f ieieüen +Witzes nicht wiedergewinnen kann. Die Stände, die Innungen, die alten ||33| Gesetze, +die Geistlichkeit neben der Weltlichkeit, der katholische Prälat in der Kammer der +Reichsräthe, die kurzen Hosen und schwarzen Strümpfe auch der lutherischen +30 Geistlichen, die Ehescheidungen mit geistlichem Zuspruch und die Macht des Con- +sistoriums bei solchen Gelegenheiten, die Sonntagsfeier und 16 Groschen bis +5 Reichsthaler Strafe für jeden Sabbathschänder, der grobe Arbeit verrichtet, ein +Verein gegen die Thierquälerei aber keiner gegen die Schornsteinfegerei, keiner +gegen die Verwahrlosung der Menschen — doch nein, um nicht ungerecht zu sein, +so muß man sich erinnern, daß ein ehrlicher Christ, der Ernst mit dem Humanismus +machte und die Kinderquälerei der Armen durch ein sehr ingeniöses Mittel theilweise +abschaffte, nicht an seiner Unfähigkeit, sondern an der Vortrefflichkeit des bereits +Bestehenden gescheitert ist. Sachsen trägt alle Herrlichkeit der Vorzeit verjüngt in +seinem Schöße; man studirt es lange nicht genug, dieses Eldorado der alten Juristerei +40 und Theologie, dieses heilige römische Reich en miniature, dessen verschiedene +Kreisdirektionen und Amtshauptmannschaften sich bald unabhängig von einander +erklären werden und dessen Universität Leipzig längst unabhängig war von dem +eitlen Lauf der geistigen Bildung in dem wüsten, weiten Deutschland, geschweige +denn in Europa. Aber ich sage ja nicht, daß die sächsische Nation keine Fortschritte +45 macht. Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen. Die Juden sind schlechte Christen, + +35 + +483 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +10 + +sie nehmen daher keinen Theil an den Freiheiten des übrigen sächsischen Volkes, +sie haben keine Ehrenrechte und dürfen dies und das nicht thun, was getaufte +Menschen dürfen. Nun war vor diesem die Brühische Terrasse der Brühische Garten. +Er hatte bei der Brücke, wo jetzt die Treppe ist, eine schroffe Mauerwand, und war +von der andern Seite geschlossen. Eine Schüdwache ließ an vielen Tagen Niemanden 5 +hinein, an allen aber keine Juden und keine Hunde. Eines Tages kam eine Generals +frau mit einem Hunde auf dem Arm und wurde von der Schildwache wegen des +Hundes zurückgewiesen. Entrüstet beschwerte sich die Frau bei ihrem Manne, dem +General, und es erschien ein Parolebefehl, welcher die Instruction der Schüdwachen +gegen die Hunde aufhob. Die Hunde gingen nun von Zeit zu Zeit in den Brühischen +Garten ; aber die Juden?—nein, die Juden noch nicht. Nun beschwerten sich die Juden +und verlangten den Hunden gleichgestellt zu sein. Der General war in der größten +Verlegenheit. Sollte er seinen Befehl zurückziehn, dessen revolutionäre Consequenz +er nicht geahndet hatte? Seine Frau bestand auf dem Rechte ||34| ihres Hundes und +auch der Hunde ihrer Freundinnen. Die Sache war schon zur Sitte geworden und die +Juden, das sah der General vor Augen, würden furchtbar schreien, wenn man ihnen +das Privilegium der Hunde, welches sie doch im ganzen Mittelalter genossen, jetzt +im 19ten Jahrhundert nicht zugestände. Der General entschloß sich also, auf seine +Verantwortung auch die Juden in den Brühlschen Garten zu lassen, wenn er nicht +wegen Anwesenheit des Hofes geschlossen war. Die Indignation war groß, aber der +alte Krieger bot ihr Trotz. Nun kamen die Russen. Der Generalgouverneur Repnin +fand 1813 gar keinen Hof vor. Er dachte auch wohl, es käme vielleicht keiner wieder, +und machte aus dem Brühlsehen Garten die Brühische Terrasse mit der großen +Treppe und dem freien Zugange, den sie jetzt hat. Dies empörte das Herz aller +Normalsachsen; und wären die Russen nicht so viel populärer gewesen, als die +Preußen, es wäre eine Empörung ausgebrochen. So aber ließ das Volk sich hinreißen, +ja es schoß sogar die herrschaftlichen Fasanen im großen Garten todt und ließ sichs +gefallen, daß die Russen auch diesen Spaziergang, der früher den Fasanen reservirt +war, den Menschen eröffneten. Einer aber, der normalste von allen Sachsen, ein +churfürstlicher Geheimer Rath, der noch lebt, hat den Russen ihre unpassende, alles +zerstörende Neuerungssucht nie vergessen. Er erkennt weder die Brühische Terrasse +noch den großen Garten an. Er geht nie „die russische Treppe" hinauf oder hinab, +er kommt immer durch das legitime Pfortchen des ehemaligen „Brühlschen Gartens", +bringt nie einen Hund oder einen Juden mit und geht in der „Fasanerie" nie anders +als auf dem Mittelwege, der auch in der alten guten Zeit dem Publikum zu Fuß, außer 35 +der Brutzeit der Fasanen, offen stand. + +25 + +20 + +15 + +30 + +Gewiß ist der conservative Christ vernünftig, und wären alle Deutsche Nor +malsachsen Oder gab' es keine Russen, die von Zeit zu Zeit kommen, um ihnen ihre +Spaziergänge zu eröffnen öder gab' es keine Franzosen, die ihnen bei Jena die Zöpfe +abschnitten, oder endlich gab' es keine Preußen und keine Neuerungssucht in den 40 +Köpfen ihrer christlichen und heidnischen Könige; — man lebte nirgends ruhiger als +in Dresden. So aber sind für unser sächsisches Vaterland bei aller Herrlichkeit von +Innen immer noch große Ersch��tterungen von Außen zu fürchten. — + +Die Welt ist vollkommen überall, +ι +Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. | + +45 + +484 + + F. an R. Bruckberg, im Juni 1843 · R. an M. Paris, im August 1843 + +|35|F. an R. + +Bruckberg, im Juni 1843. + +5 + +Die Briefe und litterarischen Pläne, die sie mir mittheilen, haben mir viel zu Denken +gegeben. Meine Einsamkeit bedarf dergleichen, versäumen Sie nicht,Ihre Sendungen +zu wiederholen. Der Untergang der deutschen Jahrbücher erinnert mich an den +Untergang Polens. Die Anstrengungen weniger Menschen waren umsonst in dem +allgemeinen Sumpf eines verfaulten Volkslebens. + +Wir kommen in Deutschland so bald auf keinen grünen Zweig. Es ist Alles in Grund +und Boden hinein verdorben, das eine auf diese, das andre auf jene Weise. Neue +10 Menschen brauchten wir. Aber sie kommen diesmal nicht, wie bei der Völker +wanderung aus den Sümpfen und Wäldern, aus unsern Lenden müssen wir sie er +zeugen. Und dem neuen Geschlecht muß die neue Welt zugeführt werden in Ge +danken und im Gedicht. Alles ist von Grund aus zu erschöpfen. Eine Riesenarbeit +vieler vereinten Kräfte. Kein Faden soll am alten Regimenté ganz bleiben. Neue + +15 Liebe, neues Leben, sagt Göthe; neue Lehre, neues Leben heißt es bei uns. + +Der Kopf ist nicht immer voraus; er ist das mobilste und schwerfälligste Ding +zugleich. Im Kopfe entspringt das Neue, aber im Kopf haftet auch am längsten das +Alte. Dem Kopf ergeben sich mit Freuden Hände und Füße. Also vor allen Dingen +den Kopf gesäubert und purgirt. Der Kopf ist Theoretiker, ist Philosoph. Er muß nur +20 das herbe Joch der Praxis, in das wir ihn herunterziehn, tragen und menschlich in +dieser Welt auf den Schultern thätiger Menschen hausen lernen. Dies ist nur ein +Unterschied der Lebensart. Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unter +schied? Theoretisch ist, was nur noch in meinem Kopfe steckt, practisch was in vielen +Köpfen spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit Platz +in der Welt. Läßt sich ein neues Organ für das neue Princip schaffen, so ist das eine +Praxis, die nicht versäumt werden darf. + +25 + +R. anM. + +Paris, im August 1843. + +Der neue Anacharsis und der neue Philosoph haben mich überzeugt. Es ist wahr; +30 Polen ist untergegangen, aber noch ist Polen nicht ||36| verloren, so klingt es fort +dauernd aus den Ruinen hervor und wollte Polen sein Schicksal sich zur Lehre dienen +lassen und sich der Vernunft und der Demokratie in die Arme werfen, das hieße +freilich aufhören Polen zu sein, es wäre wohl zu retten. „Neue Lehre, neues Leben", +ja! wie Polen der katholische Glaube und die adelige Freiheit nicht rettet, so konnte +35 uns die theologische Philosophie und die vornehme Wissenschaft nicht befreien. Wir +können unsere Vergangenheit nicht anders fortführen, als durch entschiedensten +Bruch mit ihr. Die Jahrbücher sind untergegangen, die hegelsche Philosophie hört +der Vergangenheit an. Wir wollen hier in Paris ein Organ gründen, in dem wir uns +selbst und ganz Deutschland völlig frei und mit unerbittlicher Aufrichtigkeit be- +40 urtheilen. Nur das ist eine wirkliche Verjüngung, es ist ein neues Princip, eine neue + +485 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +Stellung, eine Befreiung von dem engherzigen Wesen des Nationalismus und ein +scharfer Gegenstoß gegen die brutale Reaction der wüsten Volksungethüme, welche +mit dem Tyrannen Napoleon auch den Humanismus der Revolution verschlangen. +Philosophie und nationale Beschränktheit, wie war es möglich auch nur im Namen +und im Titel eines Journals beide zusammenzubringen? Noch einmal, der deutsche +Bund hat die Wiederherstellung der deutschen Jahrbücher mit Recht verboten, er ruft +uns zu: keine Restauration! Wie vernünftig! Wir müssen etwas Neues unternehmen, +wenn wir überhaupt etwas thun wollen. Ich bemühe mich um das Merkantilische bei +der Sache. Wir zählen auf Sie. Schreiben Sie mir über den Plan der neuen Zeitschrift, +den ich Ihnen beilege. + +5 + +10 + +M. an R. + +Kreuznach, im September 1843. + +Es freut mich, daß Sie entschlossen sind, und von den Rückblicken auf das +Vergangene Ihre Gedanken zu einem neuen Unternehmen vorwärts wenden. +Also in Paris, der alten Hochschule der Philosophie, absit omen! und der +neuen Hauptstadt der neuen Welt. Was nothwendig ist, das fügt sich. Ich +zweifle daher nicht, daß sich alle Hindernisse, deren Gewicht ich nicht ver +kenne, beseitigen lassen. | + +15 + +|37| Das Unternehmen mag aber zu Stande kommen oder nicht; jedenfalls +werde ich Ende dieses Monats in Paris sein, da die hiesige Luft leibeigen 20 +macht und ich in Deutschland durchaus keinen Spielraum für eine freie +Thätigkeit sehe. + +In Deutschland wird Alles gewaltsam unterdrückt, eine wahre Anarchie +des Geistes, das Regiment der Dummheit selbst ist hereingebrochen und +Zürich gehorcht den Befehlen aus Berlin; es wird daher immer klarer, daß 25 +ein neuer Sammelpunkt für die wirklich denkenden und unabhängigen +Köpfe gesucht werden muß. Ich bin überzeugt, durch unsern Plan würde +einem wirküchen Bedürfnisse entsprochen werden und die wüküchen Be +dürfnisse müssen sich doch auch wüküch erf M en lassen. Ich zweifle also +nicht an dem Unternehmen, sobald Ernst damit gemacht wüd. + +30 + +Größer noch als die äußern Hindernisse, scheuten beinahe die inneren +Schwierigkeiten zu sein. Denn wenn auch kern Zweifel über das „Woher", +so herrscht desto mehr Confusion über das „Wohin". Nicht nur, daß eine +allgemeine Anarchie unter den Reformern ausgebrochen ist, so wüd jeder +sich selbst gestehen müssen, daß er keine exacte Anschauung von dem hat, 35 +was werden soll. Indessen ist das gerade wieder der Vorzug der neuen Rich +tung, daß wü nicht dogmatisch die Welt anticipüen, sondern erst aus der +Kritik der alten Welt die neue finden woüen. Bisher hatten die Phüosophen +die Auflösung aüer Räthsel in ihrem Pulte liegen und die dumme exoterische + +486 + + M. an R. Kreuznach, im September 1843 + +5 + +Welt hatte nur das Maul aufzusperren, damit ihr die gebratenen Tauben der +absoluten Wissenschaft in den Mund flogen. Die Philosophie hat sich ver +weltlicht und der schlagendste Beweis dafür ist, daß das phüosophische +Bewußtsein selbst in die Qual des Kampfes nicht nur äußerlich, sondern +auch innerlich hineingezogen ist. Ist die Construction der Zukunft und das +fertig werden für alle Zeiten nicht unsere Sache; so ist desto gewisser, was +wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtiose Kritik +alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich +nicht vor ihren Resultaten fürchtet und eben so wenig vor dem Conflikte + +10 mit den vorhandenen Mächten. + +Ich bin daher nicht dafür, daß wir eine dogmatische Fahne aufpflanzen, +im Gegentheil. Wir müssen den Dogmatikern nachzuhelfen suchen, daß sie +ihre Sätze sich klar machen. So ist namentlich der Communismus eine dog +matische Abstraction, wobei ich aber nicht irgend einen eingebildeten und +15 möglichen, sondern den ||38| wirklich existirenden Communismus, wie ihn +Cabet, Dézamy, Weitung etc., lehren, im Sinn habe. Dieser Communismus +ist selbst nur eine aparte von seinem Gegensatz, dem Privatwesen, inficirte +Erscheinung des humanistischen Princips. Aufhebung des Privateigenthums +und Communismus sind daher keineswegs identisch und der Communismus +20 hat andre socialistische Lehren, wie die von Fourier, Proudhon, etc., nicht +zufällig sondern nothwendig sich gegenüber entstehn sehn, weil er selbst nur +eine besondre, einseitige Verwirklichung des socialistischen Princips ist. + +25 + +Und das ganze socialistische Princip ist wieder nur die eine Seite, welche +die Realität des wahren menschlichen Wesens betrifft. Wir haben uns eben +so wohl um die andre Seite, um die theoretische Existenz des Menschen +zu kümmern, also Religion, Wissenschaft etc., zum Gegenstande unserer +Kritik zu machen. Außerdem wollen wir auf unsere Zeitgenossen wirken, +und zwar auf unsre deutschen Zeitgenossen. Es fragt sich, wie ist das anzu +stellen? Zweierlei Facta lassen sich nicht abläugnen. Einmal die Religion, +30 dann die Politik sind Gegenstände, welche das Hauptinteresse des jetzigen +Deutschlands bilden. An diese, wie sie auch sind, ist anzuknüpfen, nicht +irgend ein System wie etwa die Voyage en Icarìe ihnen fertig entgegenzu +setzen. + +Die Vernunft hat immer existirt, nur nicht immer in der vernünftigen Form. +35 Der Kritiker kann also an jede Form des theoretischen und praktischen +Bewußtseins anknüpfen und aus den eigenen Formen der existirenden Wirk +lichkeit die wahre Wirküchkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck ent +wickeln. Was nun das wirkliche Leben betrifft, so enthält grade der poli +tische Staat, auch wo er von den socialistischen Forderungen noch nicht +bewußter Weise erfüllt ist, in allen seinen modernen Formen die Forderun +gen der Vernunft. Und er bleibt dabei nicht stehn. Er unterstellt überall die + +40 + +487 + + Ein Briefwechsel von 1843 + +Vernunft als realisirt. Er geräth aber eben so überall in den Widerspruch +seiner ideellen Bestimmung mit seinen realen Voraussetzungen. + +5 + +Aus diesem Conflikt des politischen Staates mit sich selbst läßt sich daher +überall die sociale Wahrheit entwickeln. Wie die Religion das Inhaltsver- +zeichniß von den theoretischen Kämpfen der Menschheit, so ist es der +politische Staat von ihren practischen. Der politische Staat drückt also inner +halb seiner Form sub specie reipublicx alle socialen Kämpfe, Bedürfnisse, +Wahrheiten aus. Es ist also durchaus nicht unter der hauteur des principes +die spezieüste politische Frage — etwa den Unterschied von ständischem +und repräsen||39|tativem System — zum Gegenstand der Kritik zu machen. 10 +Denn diese Frage drückt nur auf politische Weise den Unterschied von der +Herrschaft des Menschen und der Herrschaft des Privateigenthums aus. +Der Kritiker kann also nicht nur, er muß in diese politischen Fragen (die nach +der Ansicht der krassen Sociaüsten unter aüer Würde sind) eingehn. Indem +er den Vorzug des repräsentativen Systems vor dem ständischen entwickelt, 15 +interessiti er praktisch eine große Parthei. Indem er das repräsentative +System aus semer politischen Form zu der aUgemeinen Form erhebt und die +wahre Bedeutung, die ihm zu Grunde üegt, geltend macht, zwingt er zugleich +diese Parthei über sich selbst hinauszugehn, denn ihr Sieg ist zugleich ihr +Verlust. + +20 + +Es hüidert uns also nichts, unsre Kritik an die Kritik der Politik, an die +Partheinahme in der Poütik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit +ümen zu identificüen. Wü treten dann nicht der Welt doctrinar mit einem +neuen Princip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wü ent +wickeln der Welt aus den Principien der Welt neue Principien. Wü sagen 25 +ihr nicht: laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wü woüen +dü die wahre Parole des Kampfes zuschrem. Wü zeigen ihr nur, warum sie +eigentüch kämpft, und das Bewußtsem ist eine Sache, die sie sich aneignen +muß, wenn sie auch nicht wül. + +Die Reform des Bewußtsems besteht nur darin, daß man die Welt ihr 30 + +Bewußtsein inne werden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst +aufweckt, daß man ihre eignen Actionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck +kann in nichts anderem bestehn, wie dies auch bei Feuerbachs Kritik der +Reügion der FaU ist, als daß die reügiösen und poütischen Fragen in die +selbstbewußte menschliche Form gebracht werden. + +35 + +Unser Wahlspruch muß also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch +Dogmen, sondern durch Analysirung des mystischen sich selbst unklaren +Bewußtseins, trete es nun reügiös oder poütisch auf. Es wüd sich dann +zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie +nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wüküch zu besitzen. Es wüd sich 40 +zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Ver- + +488 + + M. an R. Kreuznach, im September 1843 + +gangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken +der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine +neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zu Stande +bringt. + +I + +5 |40| Wir können also die Tendenz unsers Blattes in Ein Wort fassen: Selbst +verständigung (kritische Philosophie) der Zeit über ihre Kämpfe und +Wünsche. Dies ist eine Arbeit für die Welt und für uns. Sie kann nur das +Werk vereinter Kräfte sein. Es handelt sich um eine Beichte, um weiter +nichts. Um sich ihre Sünden vergeben zu lassen, braucht die Menschheit +sie nur für das zu erklären was sie sind. | + +10 + +489 + + A N H A NG + + Von Marx unterzeichnete oder veranlaßte Erklärungen + + Zur Nachricht + +I Zur Nachricht. + +Die deutsch-französische Buchhandlung in Paris ist eine Gründung deutscher Pa +trioten, welche es für nothwendig hielten, der neusten Philosophie und Poesie die +Möglichkeit zu sichern, frei und unverkümmert zu erscheinen. + +5 + +Die Leitung der Geschäfte haben wir dem Chef des litherarischen Comptoirs in +Zürich und Winterthur, Prof. Jul. Fröbel anvertraut und die an uns bereits gezahlten +Beiträge und respective Darlehen zu seiner Disposition gestellt. Der Verlag beginnt +mit den deutsch-französischen Jahrbüchern; und eine nicht unwichtige, wir wagen +vorherzusagen, die klassische Litheratur der neuen Aufklärung wird diesem Vor- +10 gange sich anschließen. Weder die vollendete Poesie, noch die entschiedenen Ge +danken können fremde Censur und Correctur ertragen, sind daher jetzt auf diese +Zuflucht angewiesen, sobald sie wirklich unsre Zeit ausdrücken wollen. + +Für die Richtung des neuen Institutes mögen die Präcedenzien des Verlegers und + +unsre eignen Bürgschaft leisten. + +15 + +Unsre Freunde in Deutschland und Frankreich, welche diese Richtung zu der +ihrigen machen und zur Befestigung und Ausdehnung ihrer Gründung, welche nur +durch ein weitverbreitetes thätiges Interesse zu einer reellen Macht erhoben werden +kann, noch weitere Zuschüsse bestimmt haben oder bestimmen wollen, ersuchen wir, +diese Summen entweder durch Leipziger Häuser an das Litherarische Comptoir in + +20 Winterthur oder durch Pariser Banquiers an uns zahlen zu lassen. + +Paris den + +November 1843 + +Dr. Arnold Ruge rue Vanneau No +Dr. Karl Marx rue Vanneau No 23. | + +495 + + Déclaration + +La Démocratie Pacifique. +Nr133, 11. Dezember 1843 + +Le numéro 28 du Bien public contient les lignes suivantes : + +«La Gazette de Cologne publie une lettre de Leipzig où il est dit qu'une Revue, en +langue française et allemande, doit paraître sous peu à Paris, sous la direction de M. +le docteur Ruge, auquel M. de Lamartine et M. de Lamennais auraient promis leur +concours.» + +5 + +Il est faux que M. de Lamartine se soit engagé à écrire dans aucune Revue, et + +notamment dans celle dont il est question, avec M. de Lamennais. + +«M. de Lamartine, entièrement absorbé par ses travaux parlementaires, réserve + +à son Histoire des Girondins le peu de loisir que la politique lui laisse.» + +Il est vrai que M. de Lamartine ne s'est pas engagé à écrire dans la Revue en 10 + +question avec M. de Lamennais, mais nous affirmons qu'il nous à fait espérer son +concours pour la Revue que nous nous proposons de fonder. + +En nous adressant séparément à ces deux célébrités, nous avons cru que pour une +œuvre telle que celle d'une alliance intellectuelle entre la France et l'Allemagne, on +doit rechercher l'appui de tous les représentants éminents du progrès en France. + +15 + +Nous déclarons, au reste, que la lettre de Leipzig, publiée par la Gazette de Cologne, +qui a donné sujet à l'article du Bien public, n'émane ni de nous ni de quelqu'un de +nos amis. + +A r n o ld R u g e, ancien rédacteur des Annales allemandes; +C h a r l es M a r x, ancien rédacteur de la Gazette rhénane. + +20 + +Paris, le 10 décembre 1843. + +496 + + Motive des Untergangs +der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" + +Mannheimer Abendzeitung. +Nr. 83, 7. April 1844 + +t t* Vom Rhein, 4. April. Wie uns eben aus sicherer Quelle mitgetheilt wird, hören +die deutschfranzösischen Jahrbücher von Dr. Ruge und Marx zu erscheinen auf. Die +Ungeheuern Kosten einer solchen Publikation in Paris, und eine Menge äußerer +Schwierigkeiten haben das Haus, das zu den zwei ersten Lieferungen die Fonds +vorgeschossen hatte, bestimmt, sich zurückzuziehen. Die Auflage der beiden ersten +Lieferungen w ar 3000, die wohl demnächst vergriffen sein wird. 300 Exemplare +ungefähr wurden von der baierischen Mauth in Schweigen beim Verzollen auf +gehalten, und man verzweifelt daran, sie je zurückzuerhalten. In Paris selber wurden +über 300 Exemplare verkauft, und fast jeder Deutsche, der dort ankömmt, nimmt sich +ein Exemplar mit. + +5 + +10 + +497 + + Von Marx redigierte +oder mit seiner Hilfe verfaßte Veröffentlichungen + + Aus dem Briefe einer deutschen Dame +Brief von Jenny Marx +Redigiert von Karl Marx + +Vorwärts! Nr.64, +10. August 1844 + +Aus dem Briefe einer deutschen Dame. + +Mein Theurer! Ich erhielt Deinen Brief grade in dem Moment, als alle Glocken +läuteten, Geschütze feuerten und die fromme Schaar in die Tempel wallte, dem +himmlischen Herrn ein Halleluja zu bringen, daß er den irdischen Herrn so wun- +5 dersam gerettet. Du kannst Dir denken, mit welch eigener Empfindung ich während +der Feier die Heine'schen Lieder las, und auch mein Hosannah mit anstimmte. Hat +denn auch Dein Preußenherz vor Entsetzen gebebt bei der Kunde jenes Frevels, jenes +unerhörten, undenkbaren Frevels? O! über die verlorne Jungfrauschaft, die verlorne +Ehre! Das sind so die preußischen Stichwörter. Als ich das kleine grüne Heupferd, +10 den Cavalleriehauptmann X., von verlorner Jungfrauschaft declamiren hörte, glaubte +ich nicht anders, als er meine die heilige unbefleckte Jungfrauschaft der Mutter Maria, +denn das ist doch einmal die einzige off iciell constatirte—aber von der Jungfrauschaft +des preußischen Staats! Nein, davon hatte ich das Bewußtsein längst verloren. Ein +Trost bleibt noch beim Entsetzlichen dem reinen Preußenvolke, nämlich: daß kein +15 politischer Fanatismus der Beweggrund der That war, sondern rein persönliche +Rachlust. Sie trösten sich damit — wohl ihnen — grade hierin liegt von Neuem der +Beweis, daß in Deutschland eine politische Revolution unmöglich ist, zu einer so +cialen aber alle Keime vorhanden sind. Hat es dort niemals einen politischen +Schwärmer gegeben, der das Äußerste gewagt, so ist dagegen der erste, der einen +20 Mordversuch gewagt, aus Noth, aus materieller Noth dazu getrieben worden. Der +Mann hat unter beständiger Gefahr des Hungertodes drei Tage in Berlin vergebens +gebettelt — also ein socialer Mordversuch! Geht es einmal los, so bricht es aus von +dieser Seite — das ist der empfindlichste Fleck und an dem ist auch ein deutsches +Herz verwundbar! + +501 + + Georg Weber +Negersklaven und freie Sklaven + +Negersclaven und freie Sclaven. + +Vorwärts! Nr.58, +20. Juli 1844 + +Wir haben neulich das Schauspiel gehabt, daß der Proletarier Frankreichs seine +Stimme erhob zur Verbesserung des Looses einer zahlreichen Negersclavenbevöl- +kerung in den französischen Kolonien. Man konnte dem lebendigen Mitgefühl dieser +leidenden Klasse für ihre farbigen Mitmenschen Achtung und Lob nicht versagen. +Auch ich bin weit entfernt da tadeln zu wollen, wo das Herz so rührend gesprochen. +Doch halte ich es an der Zeit nun auch den Kopf sich die Sache betrachten zu lassen. + +5 + +Was war der philanthropische Wunsch der französischen Ouvriers? Sie wollten +und konnten vor der Hand nichts anders wünschen, als daß der Neger in der Ge +sellschaft auf eine Stufe mit ihnen gestellt würde. Die französischen Arbeiter fühlen 10 +alle sehr wohl das ganze Elend welches auf ihnen lastet; und nicht nur die Arbeiter, +sondern auch andere menschenfreundliche Männer verlangen dringend Abhülfe vom +Staat. Die Zukunft, die sie von zweckmäßigen Maaßregeln für sich hoffen, wünschen +sie auch für die Neger. + +Stellen wir uns also die Frage: Was kann die Gesellschaft, bei der Basis, auf der 15 + +sie ruht, zur Änderung des Looses der Proletarier thun? + +Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, können wir uns an keine Wis +senschaft wenden, als an diejenige, welche den Nationen Reichthum und Glückselig +keit verheißt, an die Nationalökonomie. + +Es treten uns hier zwei Richtungen entgegen, die alte und die neue, das System 20 + +der Merkantilisten oder das Monopolsystem, und die liberale Nationalökonomie. + +Das alte System hat die Zeit gerichtet und in allen einigermaaßen vorgeschrittenen +Ländern findet man es nur noch in der historischen Rumpelkammer. Man hat dies +System der offenen Gewaltthat verlassen, da die rohe Gewalt der Humanität, oder +richtiger der humanthuenden Scheinheiligkeit unserer Tage nicht mehr entspricht. + +Die neuere Lehre verspricht, alle Wunden die das Monopolsystem geschlagen, +gründlich zu heilen. Wir kennen die Maueraffichen in Paris: Guérison radicale, +Consultations gratuites. — Jeder weiß, daß die guérison radicale nichts heilt, und daß +die consultations gratuites verdammt theuer sind. Werden sich die Versprechungen +der Nationalökonomen besser bewähren? Wir wollen sehen! + +Zuvörderst erklärt sie ihre Heilmethode für wesentlich allopathisch und sich im +Besitz einer unfehlbaren Morisonpille. Da sie für alle Leiden eine Ursache annimmt, + +25 + +30 + +502 + + Negersklaven und freie Sklaven + +das Monopol, so kann sie auch ein Universalmittel geben, und das ist die Con +currenz. + +Ehe wir die Concurrenz in ihren Wirkungen verfolgen, müssen wir aber die Basis +bezeichnen, auf der die Stellung des Capitalisten in der Gesellschaft beruht, denn das +5 Capitalistwerden ist das Ziel alles nationalökonomischen Strebens. Lassen wir die +Nationalökonomen sich selbst darüber aussprechen. Say erklärt das Kapital sei ein +gemeiner, im besten Fall ein vom Gesetz sanctionirter Diebstahl. Nach Ad. Smith +erhält der Besitzer eines Capitals, eben durch diesen Besitz, die Herrschaft über die +Arbeit und ihre Produkte, eine wahre Regierungsgewalt. Arbeiter aber ist jeder der +10 kein Kapital besitzt. Die Aufgabe ist, dies zu erlangen. — Nehmen wir darum vor der +Hand das Kapital als etwas sehr wünschenswerthes an, und sehen ganz von der oben +gegebenen Definition ab, so handelt es sich um die Möglichkeit sich dasselbe zu +verschaffen. Dazu muß die Concurrenz verhelfen. + +Der Arbeiter nun hat nach der Nationalökonomie keine andere Hülf squellen und +15 Mittel als die Arbeit und ihren Lohn. Hiemit muß folglich das Kapital erworben +werden. In welchem Verhältnisse aber steht der Arbeitslohn zu dem, was damit +erreicht werden soll? Wie wird zuerst der Arbeitslohn fixirt? + +Die Nationalökonomie lebt noch in den barbarischen Zeiten, wo der Krieg das +Normalmittel zur Erreichung gesellschaftlicher Zwecke, oder zur Ausgleichung aller +20 Differenzen ist. Der Kapitalist und der, der capital nichts ist, der Arbeiter, müssen +in Streit mit einander gerathen, um den Arbeitslohn zu fixiren. Der Arbeiter fordert +möglicherweise alles, und der Kapitalist bietet möglicherweise nichts. Das Resultat +dieses Kampfes zwischen dem Etwas und Nichts ist das quantum welches als Ar +beitslohn gezahlt wird. Ohne hier weiter untersuchen zu wollen, ob dieser Kampf +25 auch ein anderes Resultat hätte haben können, wollen wir uns damit begnügen das +anzuführen, was nach dem Zeugniß der Nationalökonomie wirklich als Resultat sich +herausgestellt hat. Wie groß also ist der Lohn des Arbeiters? Nach Say beschränkt +sich der Lohn des Arbeiters auf das Allernothwendigste zum Leben, auf so viel als +nöthig ist um die Arbeit fortsetzen zu können. Wenn er hinzufügt, daß noch ein kleines +30 Mehr hinzukäme, um die Kinder bis zum vierzehnten Jahre zu füttern, so sagt dies +eines Theils nicht viel, andern Theils ist es gar nicht wahr. Adam Smith führt selbst +eine Berechnung auf, wonach im günstigsten Falle der Arbeitslohn nur so hoch steigt, +daß von vier Kindern stets zwei aus Mangel des allernothwendigsten zu Grunde +gehen, und die Statistik weist sogar nach, wie schon vom achten Jahre an die Kinder +35 mitarbeiten müssen um die Eltern ernähren zu helfen. In den von Dampf und Wasser +getriebenen Spinnereien Englands arbeiteten im Jahr 1835: 20858 Kinder zwischen +8 und 12 Jahren, 35867 zwischen 12 und 13 Jahren und 108208 zwischen 14 und +18 Jahren, und zwar eine Arbeitszeit von täglich 8 bis 14 Stunden, also völlig die +Tagewerkzeit eines erwachsenen Mannes. Das Einkommen eines Arbeiters ist also +40 im günstigsten Fall, nach der Nationalökonomie, so groß, daß in gewöhnlichen Jahren +eben das nackte Leben gefristet werden kann. Tritt aber die geringste Theuerung ein, +so geht ein großer Theü der Bevölkerung zu Grunde (Say). Und von diesem Ein +kommen verlangt die Nationalökonomie, soll sich der Arbeiter ein Kapitalerwerben! +Die Unmöglichkeit liegt auf der Hand. + +45 + +Aber wir sind noch lange nicht an der Grenze des Elends angekommen. Unseren + +503 + + Georg Weber + +Tagen ist es aufbehalten worden, zu zeigen, wie tief der Mensch ins Elend sinken +kann; nachzuweisen, wie die gänzliche Beraubung aller Existenzmittel und Hun +germord des heranwachsenden Geschlechts dennoch nicht im Stande sind, ein Grab +aus der Erde zu machen; nachzuweisen, wie weit es möglich ist die bedürfnißlosen +Gespenster der Fantasie in die brutale Wirklichkeit zu versetzen. + +5 + +Das einzige Mittel in der heutigen Gesellschaft sich eine menschliche Existenz zu +verschaffen, ist die Erwerbung eines Kapitals. Das einzige Mittel, welches der +Arbeiter dazu besitzt, ist die Arbeit. Ich zeigte wie der Arbeiter auf diesem Wege +unmöglich zum Ziel kommt. Aber auch der letzte Traum muß fallen, und ich werde +darthun, daß diese Waffe, mit welcher er gegen den Druck der Gesellschaft kämpft, 10 +eine verfehmte ist, die sich stets gegen ihn selbst wendet. Die Arbeit bringt den +Arbeiter nicht nur dem Ziele nicht näher, sondern rückt es ihm immer ferner und +stürzt ihn fort und fort tiefer ins Elend. Es wird durch die Concurrenz nicht nur der +Arbeiter der Todfeind des andern, sondern sogar die eigne Arbeit ist das Gift an dem +der Arbeiter untergeht. Der Arbeiter kann sich nur das Grab erarbeiten. + +15 + +Da er einmal zur bloßen Waare herabgesunken ist, so folgt er allen Gesetzen die +für diese gelten. Übersteigt die Zufuhr die Nachfrage, so sinkt der Preis. Je mehr +Arbeiter sich anbieten, desto mehr wird freilich geschafft, aber alles was geschafft +wird, ist für den Arbeiter die schwellende Frucht am Baume über Tantalus Haupte, +stets nahe, nie erreichbar; denn ein zweiter, ein dritter Arbeiter, der sich anbietet, 20 +drückt den Arbeitslohn des ersten hinab; und die letzte Grenze bis zu der sie sich +wechselweise hinabstoßen, ist allein das Grab. Ein Arbeiter ist der Todfeind des +andern. In den Norddistrikten Englands ist der Arbeitslohn längst unter den Preis +des allernothwendigsten zum nackten Leben herabgesunken. Der Arbeiter ist schon +neben seinen Lohn auf Bettel oder Diebstahl angewiesen. + +25 + +Aber nicht bloß durch den Nebenarbeiter, nicht bloß trotz der Arbeit, sondern + +durch seine eigne Arbeit geht der unglückliche Industriesclave zu Grunde. + +Man hat gesagt: durch vermehrten Reiß, wie Say sehr naiv sagt: „durch Ver +doppelung seines Fleißes", ist es dem Arbeiter möglich, seine Lage zu verbessern. +Wer sechzehn Stunden täglich arbeitet, müßte aber erst die Kunst entdecken die 30 +Stunden des Tags zu verdoppeln, um dem bestialischen Rathe der Ökonomen folgen +zu können. So lange ihm dieses nicht gelungen, wollen wir uns begnügen die Folgen +der einfachen Vermehrung des Fleißes zu betrachten. + +Nehmen wir also eine Arbeiterclasse von 10 Arbeitern an, welche, wie gewöhnlich, + +arbeiten und gewöhnlichen Lohn bekommen. — 5 von diesen Arbeitern verlängern 35 +ihre Arbeitszeit von 14 auf 17 Stunden. Freilich erhalten sie nun etwas mehr Lohn. +Was aber ist die nächste Folge? Dieselben 10 Arbeiter produciren jetzt etwas mehr, +als früher 11 Arbeiter thaten. Es entsteht mehr Zufuhr an Produkt, und dieses sinkt +im Preise. Von nun an kann der Fabrikherr nicht mehr den früheren Lohn zahlen, +mit dem Producte sinkt auch die Arbeit im Preise. Nehmen wir an, daß dieser dahin 40 +fiele, daß etwa die 5 fleißigem Arbeiter nun für ihr 17stündiges Tagewerk nicht mehr +erhielten, als früher für ihr 14stündiges, so sind die übrigen Arbeiter, da dies eben +nur zum nothdürftigen Leben ausreichte, gezwungen, ebenfalls jetzt 17 Stunden zu +arbeiten. Neue Über-Production, neues Sinkendes Arbeitspreises, neue Vermehrung +der Arbeitszeit, stets sich wiederholender Zirkel, der nur mit dem Nichts, d. h. mit 45 + +504 + + Negersklaven und freie Sklaven + +dem Tode endet. Was wir für eine Arbeitsciasse von 10 Arbeitern angenommen +haben, hat in England sich schon im Großen herausgestellt. + +5 + +Ich glaube daß diese Betrachtungen hinreichen um zu zeigen, daß die Verspre +chungen der neuen Heilmethode das Übel an dem unsere Gesellschaft krankt, zu +vernichten, sich keiner bessern Erfolge rühmen können als die Versprechungen der +Maueraffichen. Und dennoch sind in der Nationalökonomie alle Mittel erschöpft, +welche die heutige Gesellschaft besitzt, um das Glück ihrer Mitglieder zu machen, +ohne sich selbst aufzuheben. + +Ich nahm zu diesen Bemerkungen Anlaß von der Arbeiterpetition. Die Petitioniren- +10 den wünschen, freilich ohne es zu wollen, den armen Negern nur ein noch viel +schlimmeres Loos, und die Arbeiter selbst haben von der heutigen Gesellschaft mx +auf eine Weise Änderung ihres Looses und Verbesserung zu erwarten, nämlich indem +sie sich in den Zustand der alten Sclaven zurückbegeben. + +20 + +Wohl war es ein hartes, ein unwürdiges Loos, welches die alten Sclaven zu tragen +15 hatten. Oft waren sie als freie Menschen geboren und kannten den Werth der Freiheit. +Ein unglückliches Ungefähr, eine Laune des Krieges raubte ihnen dieses höchste +menschliche Gut. Indessen es war die äußere Gewalt die sie zu Sclaven erniedrigt +hatte, glückliche Umstände konnten ihr Loos ändern. Wie ganz anders ist dies heute! +Nicht mit den Waffen in der Hand werden Sclaven erworben, nein, sie müssen sich +selbst anbieten; sie müssen sich abarbeiten, schinden und quälen um es nur sein zu +dürfen; der frei geborne Mensch muß sich seiner Menschheit entäußern, um nichts +als sein elendes thierisches Dasein zu fristen! Er arbeitet, und je mehr er arbeitet, +desto mehr sieht er die Möglichkeit verschwinden auch nur sein nacktes Leben davon +zu tragen. Der Neger arbeitet, aber er erhält seinen nothdürftigen Lebensunterhalt, +25 er verhungert nicht. Der Industrie-Sclave arbeitet, aber seine Arbeit schützt ihn nicht +vor dem Hungertode. Unter den sechs Millionen Irländern sind stets, nach authen +tischen Berichten, drei Millionen am Verhungern. Deshalb wünschen die Fabrikherrn +auch keineswegs die Sclaverei, weil sie mit sogenannten freien Menschen wohlfeiler +producieren können, weü sie die Sclaven füttern müssen, aber die freien Arbeiter +verhungern lassen können! Spätere Zeiten werden Mühe haben unsere Zustände zu +begreifen, nachdem einmal das Grundübel gehoben sein wird. Wo dies liegt, das hat +Proudhon zuerst ausgesprochen, und die deutsche Philosophie der neuesten Zeit in +größter Allgemeinheit nachgewiesen. Vor der Hand aber, Arbeiter, zwingt die +Reichen euch zu Sclaven zu machen, damit ihr nicht vor Elend umkommt! + +30 + +35 + +G. Weber. + +505 + + Georg Weber +Offizielle preußische Wohltätigkeit + +Officielle preußische Wohlthätigkeit. + +Vorwärts! Nr.62, +3. August 1844 + +Der König von Preußen hat es sich in den Kopf gesetzt, seinem Schwager den li +terarischen Kranz zu entreißen; während dieser Participial-Hexameter aus der Klasse +der millepedes œristruirt, schafft auch jener sich ein ganz originelles Genre: das der +wohlmeinenden Kabinetsordres. Auf diese seine geistigen Kinder verschwendet er +alle Sorgfalt, die er an leibliche nicht verschwenden kann. Es ist ein merkwürdiges +physiologisches Factum, daß man mitunter alle Fötustheile im männlichen Körper +findet, indeß war doch noch kein Mann wirklich niedergekommen. Das einzige +Beispiel ist bis jetzt der große Preußenkönig. Schade, daß er stets abortirt; das müßte +sonst ein Minervengeschlecht werden. Bei seiner letzten Niederkunft hat man alle 10 +mögliche Sorgfalt angewendet, und deutsche Ärzte glauben, daß dießmal das Kind +zwar noch etwas frühzeitig" aber doch lebensfähig sei. Ich bin darüber anderer +Meinung. Es wird diesem Kinde nicht besser gehen wie jenem vorletzten, welches +sogar singend auf die Welt kam, — aber es war sein Schwanengesang: Friede den +Schwänen! + +5 + +15 + +Emsthaft. Friedrich Wilhelm hat eine Kabinetsordre erlassen, worin er der +erstaunten Welt verkündet, daß der Pauperismus wirklich ein übel Ding sei, daß dieser +aber nunmehr definitiv durch seinen königlichen Willen aufhören solle. Das Mittel +ist jedoch nicht allein die Macht seines gesalbten Willens, sondern auch die Er +richtung von Wohlthätigkeitsgesellschaften. + +Verzeihen Ew. Majestät: Sie wissen, daß Xerxes den Hellespont peitschen ließ, +aber er kam doch nicht hinüber. Auch Sie, Majestät, werden nie auf einer christlichen +Brücke den Abgrund überschreiten. Die Sache will andere Mittel. + +Officielle Wohlthätigkeit hat 1) bis jetzt noch nie den Fortschritt der Armuth + +aufgehalten, noch ist sie überhaupt 2) im Stande dies zu thun. + +20 + +25 + +Der Raum gestattet nicht historische Thatsachen zu häufen, es mögen deßhalb +einige der sprechendsten genügen. Die legale Wohlthätigkeit hat nie zur Erleichterung +der Arbeitslosen, immer vielmehr zu größerem Drucke geführt. Das Beispiel Eng +lands liegt uns am nächsten. Hier ist das Elend auf den höchsten Gipfel in Europa +gestiegen. Ein Zug mag es, statt aller, charakterisiren: 1830 mußten fünfzig Familien 30 +in der City von London alle Habe, Betten eingerechnet, verkaufen — um die +Armentaxe zu bezahlen. Unter dieser Form der Taxe bestand die Unterstützung von + +506 + + Offizielle preußische Wohltätigkeit + +jeher in England. Das Elend stieg aber stets, wie man aus dem Steigen der Taxe +nachweisen kann: + +5 + +1776 war die Armentaxe +1801 +1812" +1830,, + +» +» +« « + +1720316Pf. St. +4780891 +11978875-, +» + +*) + +überlOMül. + +auf eine Bevölkerung von 14 Mill. Menschen. — England erschrak vor sich selbst; +die Taxe wurde am Ende unerschwinglich, aber das Elend taglich grausenhafter. Man +glaubte, wenn man das Mittel in einer andern Form reichte, ein anderes Mittel zu +10 geben, und so wurde 1834 im Parlament die Amendement-Bill angenommen. Dem +zufolge errichtete man Workhouses. Ich will keine Beschreibung dieser Anstalten +geben, sondern nur ihr Resultat. 1837 hatte man die Armentaxe um 3 809498 Pf. St. +reduciren können. Man jubelte über die herrliche Idee, denn die Abnahme der Taxe, +die Ersparniß der Reichen bewies den bornirten Krämerseelen, daß das Elend ab- +15 genommen habe. Das war aber nicht der Fall. Einige der Bedingungen zur Aufnahme +ins Werkhaus lauten: Trennung von Weib und Kind, in den Häusern Scheidung der +Geschlechter; verläßt der Aufgenommene das Haus, so darf er nicht wieder eintreten; +die Arbeit, in einigen: Hand- und Tretmühle (Straf arbeit der alten Sclaven); Kost: +Gerstensuppe, Gemüse und Wasser, zweimal wöchentlich Schweinefleisch (wir sind +in England und nicht in Italien!). Man sieht also im Ganzen, daß diese mildthätigen +Anstalten den travaux forcés sich würdig an die Seite stellen. Nun, diesem lebendigen +Tode zogen die hungernden Arbeiter den todten Tod vor; sie flohen diese Häuser +wie die Pest. Was aus ihnen würde, darum kümmerte sich das Parlament nicht, nahm +die Armentaxe doch ab! Die Geldbeiträge nahmen nicht ab, sondern dauerten unter +25 anderer Form fort. Die Workhouses wurden zuerst in Süd-England eingeführt. +Augenblicklich entflohen 500041 Arbeiter in die Nord-Distrikte. Ihre Übersiedelung +kostete den Pfarreien 28140 Pf. St. Im Norden nahm man sie mit offenen Armen auf, +weil sie den Arbeitslohn drückten. + +20 + +Aber bald wurde nun hier das Elend so schauderhaft, daß selbst die Kapitalisten +30 diesen Zuwachs wieder los sein wollten. Diese 500041 Arbeiter, vermehrt um ihre +gezeugten Kinder, wurden nun mit vermehrten Kosten nach ihrer Heimath zurück +geschickt. + +Wie sieht es jetzt hier aus? Müssen die Armen denn nicht endlich das Werkhaus +dem Hungertode vorziehen? 1836 war ein harter Winter und ungeheure Noth. In einer +35 Sitzung des Comités in einer Stadt der Grafschaft Lerny meldeten sich auf einmal +149 Arme um Unterstützung. 118 von ihnen bietet man die Aufnahme ins Werkhaus +an. Aber nur 6 von dieser Zahl nehmen diese an, die übrigen kehren sämmtlich auf +den Schnee, in die Verzweiflung zurück. In der folgenden Sitzung melden sich 60. +Dasselbe Anerbieten. 8 nehmen es an, aber schon nach 2 Tagen kehren 3 von diesen +zurück. Lieber vor Hunger als vor Kummer sterben! Setzt doch dem Sperling ein +herrliches Bauer mit schönem Futter auf den Schnee, wo er vor Hunger umkommt. +Er geht nicht hinein. Und Ihr wollt daß der Mensch in einen elenden Käfig mit eklem +Futter gehen soll? Und weil er das nicht thut, glaubt Ihr er sei nicht hungrig? Geht! + +40 + +*) In diesem Jahr besonders hoch wegen des Kriegs; deßhalb konnte sie später wieder fallen; + +45 doch ist die stets steigende Progression nicht zu verkennen. + +507 + + Georg Weber + +5 + +Doch auch einiges aus Frankreich. Ich will hier nur Thatsachen aus der Revolution +anführen. Sie wendete zu allem was sie sich vorgesetzt hatte, die gewaltsamsten +Mittel an — wenn es ihr nicht gelang von Staatswegen das Elend aufzuheben oder +zu lindern, so darf man annehmen, daß es der Staat überhaupt nicht kann und daß +am allerwenigsten ein bloßer königlicher Wille ohne einen Staat hier etwas zu ändern +vermag. Die Revolution also beginnt, die Assemblée constituante versammelt sich +und will das Elend aufheben. 1789 erklärt sie daß die Unglücklichen Recht auf +ist etwas, und zwar etwas was die liberale +Unterstützung und Arbeit hätten (das +National-Ökonomie noch heute in Zweifel zieht). Sie machte einen Zusatz, der sich +später und früher stets bei allen Gesetzen findet, welche der Armuth abhelfen sollen, +nämlich daß von nun an auch die Armuth als Verbrechen zu betrachten sei. Sie konnte +wohl Recht auf Arbeit, aber keine Arbeit geben. — Die Constitution von 1791 enthält +ein Gesetz zur Bildung von Unterstützungs-Etablissements. Alle politische Freiheit, +welche die droits de l'homme verkündeten, retteten den Armen nicht vor dem +Hungertode, und der Pauperismus griff reißend um sich. Wie viel Arbeit das Recht 15 +auf die Arbeit verschafft hatte, ergab sich daraus, daß alsbald mehrere Arbeiter- +Erneuten ausbrachen. Diese wurden immer augenblicklich beschwichtigt durch +augenblickliche Sättigung. Aber der Hunger kehrte stets mächtiger wieder, die Eigen +thümer fingen schon jetzt an sich zu fürchten, und am 14. Juni 1791 wurde, im Wider +spruch mit der Constitution, ein Décret gegen die Arbeiterverbindungen erlassen. — 20 +Wir kommen zum Convent. Dieser will alles Elend mit einem Schlage ausrotten. Er +konnte viel, aber dies vermochte er nicht. Zum größten Erstaunen zeigte sich der +Todtgeglaubte am 17. März 1795 sehr handgreiflich. Eine große Masse von Arbeitern +belagert den Convent und verlangt Brod. + +10 + +Auch Napoleon, der wohl den König von Preußen und noch etwas mehr vernichten 25 + +konnte, vermochte das Elend nicht zu tilgen. Am 5. Juli 1808 erließ er ein Décret, +worin er den Bettel als Verbrechen bestraft. Um es zum Verbrechen zu stempeln, +errichtete er Wohlthätigkeitshäuser. Wie in England, will hier Niemand hinein, ganz +dasselbe Resultat. — Wir brechen die Reihe der Thatsachen ab. Was in Frankreich +und England erreicht ist, Ihr sehts täglich. Das Zeugniß der Geschichte könnte wohl 30 +genügen einen Zweifel an die Macht der Wohlthätigkeitsanstalten gegen das Elend +zu begründen. Indeß dies scheint noch nicht geschehen zu sein; — deshalb noch eine +kurze Betrachtung, die vielleicht hinter diesen historischen Thatsachen hinreicht, die +nothwendige Machtlosigkeit derselben begreiflich zu machen. + +Wir haben also hauptsächlich zwei Arten von Unterstützung. Einmal muß der Arme 35 + +für die Unterstützung arbeiten, das andere mal nicht. Man hält im Allgemeinen die +erste Art für die vorzuziehende. Sehen wir ihre nothwendige Folge. Die Arbeit der +Unterstützten hat nur den Zweck die Armen ihren Unterhalt selbst verdienen zu +lassen. Die Arbeit der Fabrikarbeiter soll aber nebenbei den Gewinn des Fabrikherrn +herbeischaffen. Folglich kann die Arbeit der Unterstützten ihre Produkte billiger 40 +liefern. Die Produkte sinken im Preis, die Fabrikarbeiter bekommen weniger Lohn. +Der Lohn aber ist schon auf das Minimum reducirt, also fallt er unter das Minimum, +und die bisher noch nicht Unterstützten sinken jetzt zu der allertief sten Stufe, zu den +Unterstützung-Bedürfenden herab. Auf diese Weise also erhalten wir, statt Abhülfe +der Armuth, stets mehr Armuth. Das günstigste Resultat wäre eine stets wachsende 45 + +508 + + Offizielle preußische Wohltätigkeit + +5 + +Masse Armer, welche der Staat unterstützt. Aber auch dies Resultat ist noch nicht +einmal erreichbar, denn die zunehmende Menge Hungriger zwingt die Rationen zu +theilen, und da dieser Prozeß ins Unendliche geht, so kommen wir zuletzt am un +endlich kleinen an, was die Mathematik, wie bekannt, gleich 0 setzt. Also Vernich- +tung des Menschen. Lassen wir deshalb die Armen nicht produciren. Zuerst, welche +Ungerechtigkeit, daß ein Mensch sein Leben gefristet bekommt und nichts dafür +leistet, während ein anderer, der alles was er kann thun muß, doch nicht besser daran +ist. Die Erfahrung hat hier übrigens laut genug gesprochen. Alle so eingerichteten +Armenanstalten klagen über den stets wachsenden Zudrang, also über das stets +10 wachsende Übel. Natürlich. Wer Arbeit bekommen kann, wird sie nicht nehmen, weil +er sich besser ohne Arbeit steht. Die Industrie, welche doch nur die Kapitalisten zur +Unterstützung liefern kann, verfällt dann auf den Standpunkt wo wir heut zu Tage +angekommen sind; der Arbeitslohn ist schon unter das Niveau des zum Leben +Nothwendigsten herabgesunken; die Unterstützung aber bietet das zum Leben +15 Nothwendige. Sie macht also der Industrie eine Concurrenz, die diese nicht aushalten +kann, denn sie zahlt was sie zahlen kann. Sie wird also ruinirt, darum kann sie auch +kein Kapital mehr zur Unterstützung liefern, und diese hört auf, — der Arbeiter hört +auf. + +So führen beide Wege nothwendig zu einem, aber dem gewünschten entgegen- +20 gesetzten Resultate. Verlasse man sie also endlich, nachdem man Jahrhunderte auf +ihnen fortgestolpert ist, und beachte einmal die Wegweiser die der Menschheit Genius +schon so wohlwollend am Wege aufsteckt. + +Doch ich vergesse, Seine Majestät lieben den Witz, und ich schreibe ernsthaft. +Diesmal aber haben Höchstdieselben einen sehr alten Witz gemacht, und es ist nicht + +25 mehr möglich darüber zu lachen. + +G. Weber. + +509 + + Georg Weber +Die Kolonie Ostwald im Elsaß + +Die Colonie Ostwald im Elsaß. + +Vorwärts! Nr.64, +10. August 1844 + +Die Nr. 61 dieses Blattes enthält eine Beschreibung der Colonie Ostwald im Elsaß, +welche mit den Worten schließt: „Liegt nun nach diesem Allen nicht die Frage nahe, +ob dergleichen Unternehmungen nicht in jedem Lande in vergrößertem Maaßstabe +gegründet werden und gedeihen könnten?" + +5 + +Mit sichtlicher Freude beschreibt der Correspondent die Einrichtung dieser An +stalt, und wenn meine Antwort auf seine Frage auch verneinend ausfallen muß, so +möge er sich seine Freude nicht verkümmern lassen, die er bei dem Besuch in Ostwald +empfand. Ist eine solche Einrichtung auch nicht im Stande, das Elend, welches dem +falschen Prinzipe unserer Gesellschaft entsprossen ist, zu vernichten, so hat sie einen 10 +andern Werth, der uns unwillkürlich mit ihr befreundet. + +Unsere brutale Gesellschaft hat, indem sie einerseits in ihren Gesetzen die Armuth +zum Verbrechen stempelte, auf der andern Seite nicht ermangelt den Satz zu ver +breiten, daß nur der Taugenichts, der Faullenzer, der Lasterhafte, kurz der Ver +brecher, wirklich arm sei. + +15 + +Die Colonie Ostwald bei Straßburg hat das Erfreuliche, daß sie den Gegenbeweis +dieser schändlichen Annahme und eine Apologie der armen, verunglimpften, zu +Verbrechern gestempelten Unglücklichen liefert. Es hat sich dort der verfolgte la +sterhafte Vagabunde in menschlichere Verhältnisse gesetzt, in einen Menschen +verwandelt. Aber aus diesem Erfolge darf man nicht schließen, daß nun das Mittel 20 +gefunden sei, dem Elend abzuhelfen. Was wir so oft sehen, daß grade die Pflanze, +die am üppigsten zu wachsen scheint, keine Früchte trägt, das ist auch hier der Fall. + +Gründen lassen sich dergleichen Anstalten wohl, aber gedeihen können sie nicht, +sobald wir unter Gedeihen mit Louis Napoleon das verstehen, daß sie die kranke +Gesellschaft heilen, das Elend vernichten solle. + +25 + +Die Basis unserer bürgerlichen und rechtlichen Verhältnisse ist das Eigenthum. +Eine Gesellschaft, die auf dieser Grundlage sich aufbaute, konnte nothwendiger und +unabänderlicher Weise in ihrer Fortentwicklung nur bei ihrem heutigen Ausdruck +ankommen. Fassen wir diesen zusammen in den beiden Erscheinungsweisen des +Leidens und des Handelns, so ist unsere Gesellschaft mit den beiden Worten: Geld- 30 +herrschaft und Concurrenz charakterisirt. + +Keines dieser Prinzipe hat man bei der Einrichtung jener Colonie angetastet; alle + +510 + + Die Kolonie Ostwald im Elsaß + +5 + +io + +durch dieselbe gegebenen Consequenzen bleiben deßhalb auch für dieselbe in Kraft. +Die Colonie ist nichts Anderes, als wieder eine offizielle Unterstützungs-Anstalt, +welche den Armen für die ihm gereichte Unterstützung arbeiten läßt. Daß dieser Weg +nicht zum Ziele führt, habe ich in einer frühern Nummer dieses Blatts im Umrisse +ausgeführt. Das besondere folgt dem allgemeinen Gesetz. Da indeß diese Colonie +wesentlich eine ackerbauende ist, und von vielen Seiten die Ackerbau-Industrie für +eine von der Fabrik-Industrie specifisch verschiedene gehalten wird, so füge ich noch +eine kurze Betrachtung dieses speciellen Falls bei. + +Auch der Ackerbau, wie jede andere Industrie, unterliegt den Gesetzen der Con +currenz, auch der kleine Besitz wird vom großen verschlungen, und alles Grund +eigenthum, man mag, wie in Frankreich, die Erbschaften ins Unendliche theilen, oder, +wie in England, Majorate errichten, sammelt sich, ohne Unterschied, allmälig, aber +sicher, in wenigen Händen, so daß auch die Ackerbau-Industrie, wie jede andere, zur +endlichen Bildung der beiden Gegensätze, des Überflusses und des Elendes, führt. + +15 Halten wir uns nur an den gegebenen Fall. + +Es soll also in einem Lande dem hauptsächlich den Fortschritten der Fabrik-In +dustrie zu dankenden Pauperismus abgeholfen werden. Es bieten sich wüstliegende, +doch urbar zu machende Strecken Landes dar, welche man dazu benutzt, um die +Armen zu versammeln und diesem unbenutzten Boden Werth abzugewinnen. Die +20 Armen haben stets Lust zu dergleichen Unternehmungen, können sie aber nicht +ausführen, weil ihnen das nöthige Capital fehlt. Kapital kann nur vom Kapital ge +liefert werden. + +25 + +Wenn dieses auch zu einem vereinzelten Unternehmen sich gefunden hat, so kann +vernünftiger Weise gar nicht vorausgesetzt werden, daß dies je im Allgemeinen statt +finden könne. Das hieße an das Capital keine andere Forderung stellen als sich selbst +aufzugeben. Denn wenn wir wirklich unsern Zustand vermenschlichen wollen, so +müssen wir wenigstens das bezwecken, daß die größte Mehrzahl der in den Fabriken +schmachtenden Menschen diesen Mördergruben entzogen und in die Colonie auf +genommen werde. Wo bleibt da die ganze Fabrik-Industrie, eine Hauptquelle des +30 Reichthums? Gut wenn sie zu Grunde geht, antwortet ihr. Sie geht aber nicht zu +Grunde, denn sie ist stärker als bloße fromme Wünsche, sie bleibt, und ihr gründet +keine Colonien. Und sie hat Recht. Nur wenn wirklich eine Radical-Cur der Krank +heit, an der die ganze Gesellschaft leidet, vorgenommen wird, nur dann unterwirft +sich derjenige, dem seine Krankheit noch nicht fühlbar, lästig wurde, einem ihm +35 momentan unangenehmen Heilverfahren, und sollte die Unannehmlichkeit auch nur + +eine eingebildete sein. + +Übrigens ist diese Colonisationsidee, welche neuerdings Louis Napoleon aus +gebeutet hat, keineswegs neu. Auch ist es nicht bei der bloßen Idee geblieben; wohl +so ziemlich in allen Ländern findet man einzelne dergleichen Colonien. In größerm +40 Umfange hat man in Holland auf diesem Wege dem Pauperismus zu begegnen ge +sucht. Was hat man erreicht? daß das Elend von Holland sich dem von England als +ebenbürtiger Bruder an die Seite stellen darf. + +Alle theilweisen Reformationen haben nur den Nutzen der Nutzlosigkeit derselben +nachzuweisen und auf die endlich radicale Änderung hinzudrängen. Sparen wir uns + +45 aber lieber bittere Erfahrungen! + +G. Weber. + +511 + + Georg Weber +Das Geld + +Vorwärts! Nr.69, +28. August 1844 + +Das Geld. + +Furto laetamur in ipso. +Die Nationalökonomen möchten uns gerne überreden, daß das Geld eine ganz un +wesentliche Sache sei, daß Alles auch ohne das Geld dasselbe Aussehen haben würde. +Wollen sie dem Gelde das Lob nicht gönnen, zur Gestaltung unserer GeseEschaft +beigetragen zu haben, so wollen wir nicht anstehen es dessen anzuklagen. + +5 + +Immer mehr lastet der Mammon, wie ein drückender Alp auf den Bewegungen der +civilisirten Staaten. Die Politik, welche als Herrscherin der Welt proclamili ist, hat +nicht mehr Recht auf diesen Titel als Kaiser Ferdinand auf den seinigen; die Politik +ist zur Magd geworden; die diplomatischen Kabinette erhalten ihre Befehle aus den 10 +Comptoirs eines Rothschild und Consorten; Anfang und Ende von Krieg oder Frieden +hängen von einem Rechenexempel ab, in welchem das X der Zinsfuß der Staats +papiere ist*). So sehen wir im Großen die Menschen gerade da, wo sie sich am +freiesten dünken, zu Sklaven des schnöden Metalls herabgewürdigt. Der Politiker +aber, der heute selbst nicht mehr daran zweifelt, daß die Börse die Triebfeder ist, 15 +welche den politischen Mechanismus bewegt, ist dennoch so naiv sich nicht für +geknechtet zu halten. + +Das alltägliche Leben hat hier weit richtiger erkannt als die sogenannte Wissen +schaft. Wie oft hört man das Geld verfluchen als Hinderniß guter Vorsätze, als +Ursache so vieler Leiden ! Ich bin indeß weit entfernt das Geld als die Ursache unserer 20 +gegenwärtigen Misere anzusehen; vielmehr betrachte ich es als einen Theil derselben, +welcher dem gemeinsamen Grunde entsprungen ist. Es ist aber ein so integrirender +Theil, daß er einer Wiedererzeugung des Ganzen fähig ist, wenn man auch alles andere +weggeräumt hat, wie der kleinste Rest des Krebses, den die Operation stehen ließ, +dieselbe vereitelt und das alte Übel in scheußlicherer Gestalt wieder hervorruft. + +25 + +Diese Bösartigkeit im Wesen des Geldes ist bisher noch wenig erkannt worden, +so daß selbst von den socialen Schriftstellern ihm nur wenige den Krieg erklären. +Sogar Proudhon, während er schonungslos dem Eigenthum die Maske des Rechts +herunterreißt, läßt das Geldsystem gänzlich unangetastet. Und wenn auch Weitling's +Scharfblick die Wichtigkeit dieses Punktes nicht entgangen ist, so greift er doch mehr 30 + +*) Man sehe in den letzten Zeitungen den Einfluß des Bombardements von Tanger. In London +und Paris spiegelt sich dasselbe nur in Börsenschwankungen. + +512 + + Das Geld + +unser gegenwärtiges Geldsystem als das Wesen des Geldes an. Erst Marx (in den +„deutsch-französischen Jahrbüchern") erklärt das Geld für „den allgemeinen, für +sich selbst constituirten Werth aller Dinge". Und in diesem Ausspruch ist der Kern +dieses räthselhaften Pudels gegeben, den wir jetzt aus seiner Hülle herausschälen + +5 wollen. + +Wenn wir nach dem Werthe eines Gegenstandes fragen, so handelt es sich nicht +mehr um den absoluten Werth desselben, sondern lediglich um den Tauschwerth. Es +bleibt nur zu bestimmen, wie viel andere Sachen ich für eine gegebene eintauschen +kann, um die Bedeutung dieser zu bezeichnen: „Die immer gesteigerten Bedürfnisse +10 des Menschen und die dadurch vermehrte Produktion der Arbeiter hatten den +Tauschhandel bedeutend vervielfältigt und erweitert. Durch die Vermehrung und +Vervielfältigung der Produkte entstanden vielfache Verwirrungen und Irrthümer im +Austausch derselben. Der Eine hatte Leder zu Markte gebracht um Werkzeuge dafür +einzutauschen, der aber die Werkzeuge austauschen wollte brauchte oft kein Leder, +sondern Holz und Eisen; der das Eisen vertauschen wollte, weder Werkzeuge noch +Leder, sondern Stoffe, oder Früchte oder sonst dergleichen Waaren. Dadurch wurden +der Bequemlichkeit des freien Austausches bedeutende Hindernisse in den Weg +gelegt. Um diese nun zu heben kam man auf eine neue Erfindung, die des Geldes. +. .. Diese Stücke Metall, denen man einen eingebildeten Werth gegeben hatte, dienten + +15 + +20 nun als Werthbestimmung der umzutauschenden Waaren." (Weitling, Garantien.) + +Es gibt uns in der That die Verwandlung des Werthes in den Tauschwerth noch +keine vollkommne Anschauung unseres gegenwärtigen Zustandes. Man vergleicht +zwei Waaren nicht unmittelbar mit einander und bestimmt blos aus dieser Ver- +gleichung den Tauschwerth, sondern man stellt beide in Verhältniß zu einem dritten, +25 dem Gelde, so daß aufs neue endlich der Tauschwerth sich in den Preis auflöst. Der +Kaufmann giebt nur Waaren für Waaren in Bezahlung, wenn er über den Preis beider +Waaren im Reinen ist, und Weitling hat vollkommen Recht, daß die Werthbestim +mung der Sachen nur vom Gelde abhänge. + +Darin tritt das Wesen des Geldes als Werth schlechthin, als der abstrakte Werth +30 heraus, und diese Abstraktion ist der Schein den es für seine göttliche Natur beibringt. +Wie der Gott die Abstraktion des Menschen, so ist das Geld die Abstraktion des +Werthes ; wie in der Religion ein Wesen nur Bedeutung hat in so fern es nicht concret, +nicht wirklich, sondern abstrakt, unwirklich, in das göttliche Wesen aufgelöst er +scheint, so erhält in der bürgerlichen Gesellschaft ein Ding erst Werth, wenn es sich +entäußern, wenn es aufhören kann dies Ding zu sein und sich in Geld verwandelt. + +35 + +Wo sich aber einmal ein Gott eingenistet hat, da ruft er augenblicklich: Du sollst +keine anderen Götter haben neben mir! Und die sklavische Welt betet an. Der Gott +der Religion ist längst vom Schauplatz abgetreten und hat seinen Thron dem mo +dernen Gott überlassen müssen. Unsere Mönche kreuzigen ihr Heisch in der Zelle +40 des Comptoirs; unser Evangelium ist die letzte Spalte der Zeitungen, und willst Du +im Tempel die andächtige Gemeine dem Herrn ihr Loblied singen hören, so gehe in +die Börse. Wirst Du da nicht ergriffen und erbaut, so mußt Du eine gottlose Seele +sein. Anathema esto! + +Diese Abstraction, welche das Wesen des Geldes ausmacht, ist der Keim alles +45 Übels, welches er mit sich bringt, und von dem uns Weitling eine treffliche Schil- + +513 + + Georg Weber + +derung gegeben hat. Deshalb aber ist es auch nicht genug, diese Form des Geldes +aufzuheben, sondern man muß den Kern desselben vernichten; und hier hat Weitling +sich geirrt, indem er einen neuen abstracten Werth an die Stelle des alten setzt. Denn +seine Commerzstunden sind nichts anderes. Eine Arbeitsstunde hat eben nur den +Werth einer Arbeitsstunde, aber nie den Werth von etwas anderem, ja eine Arbeits- +stunde von A kann eben nur den Werth einer Arbeitsstunde von A, nicht aber von +Β haben. Weitling ist in diesen Irrthum verfallen, weil ihn die Frage der Werthbestim­ +mung beschäftigte. Diese national-ökonomische Frage aber wird gänzlich wegfallen, +sobald das Eigenthum weggefallen ist. Ich verlange etwas nicht seines Werthes +halber, sondern weil ich es bedarf. Schon Morelly macht die Forderung, daß der 10 +Einzelne nicht erhalten dürfe nach seinen Leistungen, sondern nach seinem Be +dürfniß: Puiser selon ses besoins. + +5 + +Um unsern Zustand zu vermenschlichen, ist vor allem nöthig, daß wir den wirk +lichen, ganzen Menschen als berechtigt anerkennen. Sein Bedürfniß gibt den Werth. +Sobald wir einen Werth außer dem Menschen zugeben, so wird die Befriedigung des 15 +Bedürfnisses von etwas anderem abhängig gemacht als von dem Dasein des Be +dürfnisses, so genügt das Dasein des Menschen nicht mehr zur Berechtigung seiner +Existenz, mit einem Worte, so kommen wir wieder auf den alten Standpunkt zurück, +wo wir mit Weitling sagen können: „In welchen Winkel des alten, morschen Bau's +der gesellschaftlichen Ordnung unsere Blicke (Iringen, überall stoßen wir auf Ver- 20 +brechen und Mängel, deren Ursache die Ungleichheit ist, und das Mittel diese +Ungleichheit zu erhalten, das ist das Geld!" Lassen wir eine Sache bestehen, die den +Werth an sich darstellt, so ist mit ihr jede andere zu erlangen. Dieser abstráete Werth +ist dann die Brücke, welche wieder zur Brutalität des Eigenthums hinunterführt. +Eigenthum und Geld stehen in dem Verhältniß zu einander, daß das Eigenthum nach 25 +Abschaffung des Geldes wieder das Geld, das Geld nach Vernichtung des Eigenthums +wieder das Eigenthum gebiert. Wir haben es mit einer vielköpfigen Hyder zu thun, +wo es nicht genügt einen Kopf abgehauen zu haben. Deshalb nannte ich das Geld +einen integrirenden Theil unserer allgemeinen Misere, aber nicht die Ursache der +selben. Die Ursache liegt tiefer. Wenn Marx in einer der vorigen Nummern dieses 30 +Journals aussprach: Das menschliche Wesen +ist das wahre Gemeinwesen der +Menschen, so ist darin der Grundgedanke einer Reorganisation der Gesellschaft +gegeben, und wir haben die jetzige Unmenschlichkeit der Gesellschaft nur in der +bisherigen Ungesellschaftlichkeit des Menschen zu suchen. + +Nach Feuerbach geht dem Erkennen das Leiden vorher. Jetzt stehen wir an der 35 + +Grenze dieser Entwicklungsstufe. Gelitten hat die Menschheit genug, jetzt wird sie +erkennen. + +Da wir den vergangenen Zustand nicht als einen zufälligen sondern nothwendigen +begreifen, so können wir mit Begeisterung der Zukunft entgegengehen und doch ohne +Haß von der Vergangenheit scheiden. Und die Gegenwart? Freilich der verunreinigte 40 +Most muß gähren, damit ein reiner Wein erscheine. Und gerade darin, daß in unseren +Tagen die Wahrheit heftigen Widerspruch erleidet, beurkundet es sich daß sie Macht +über die Gemüther gewinnt. Sie erscheint neu weil sie anfängt wahr zu erscheinen. +Das merkwürdige achtzehnte Jahrhundert hat schon manches verkündet was aber +damals überhört wurde. „Wenn aber, sagt George Sand, unser Jahrhundert erst dahin 45 + +514 + + Das Geld + +kommt sich selbst zu erfassen, dann wird es auch das Leben des achtzehnten Jahr +hunderts, seines Vaters, erfassen." Ich kann mich nicht enthalten bei dieser Ge +legenheit einiges anzuführen was schon 1755 Morelly in seinem Code de la nature +über das Eigenthum sagt: „Das einzige Laster der Welt, welches ich kenne, ist der +5 Geiz; alle anderen, wie sie heißen, sind nur Grade von diesem einen, dem Proteus, +dem Mercur, der Basis, dem Vehikel aller Laster +alles löst sich auf in die Sucht +zu haben; ihr findet es selbst wieder im Busen der Uneigennützigkeit. Hätte aber eine +so allgemeine Pest, ein solches schleichendes Fieber der ganzen GeseUschaft, wie +das Einzel-Interesse, je den Platz greifen können, wo es nicht nur keine Nahrung, +sondern nicht den geringsten Gährungsstoff gefunden? Ich glaube niemand wird die +Wahrheit dieses Satzes bestreiten: daß da, wo kein Eigenthum besteht, auch keine +seiner verderblichen Folgen auftreten kann;" oder später: „Jede gleiche oder un +gleiche Theilung der Güter, jedes Eigenthum des Einzelnen in der Gesellschaft an +diese Theile, ist was Horaz summi materia mali, die Quelle alles Übels, nennt." + +10 + +15 + +Wohl erhoben in den Stürmen der Revolution sich einzelne Stimmen zu Gunsten +dieser Wahrheit, sie wurde aber vom politischen Strudel verschlungen, und so tritt +sie heute noch als eine neue der Welt gegenüber. Nicht alles was gesagt ist, ist deshalb +bekannt. Man erinnere sich der Antwort des Aristoteles an Alexander. Deshalb +wiederhole ich hier gerne die Worte die schon vor Jahrhunderten Shakespeare seinem + +20 „Timon von Athen" in den Mund legt: + +. .. Was find ich hier? +Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? . .. + +So viel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön; +Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. +Ihr Götter! warum dies? warum dies, Götter? +Ha! dies lockt euch den Priester vom Altar; +Reißt Halbgenes'nen weg das Schlummerkissen: +Ja dieser rothe Sclave lös't und bindet +Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; +Er macht den Aussatz lieblich; ehrt den Dieb +Und gibt ihm Rang, gebeugtes Knie, und Einfluß +Im Rath der Senatoren: dieser führt +Der überjähr'gen Wittwe Freier zu; +Sie, von Spital und Wunden giftig eiternd +Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch +Zu Maienjugend dies. Verdammt Metall, +Gemeine Hure du der Menschen; die +Die Völker thört + +Du süß'ster Königsmörder, edle Scheidung +Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler +Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! +Du ewig blüh'nder, zartgeliebter Freier, +Deß rother Schein den heil'gen Schnee zerschmelzt + +25 + +30 + +35 + +45 + +515 + + Georg Weber + +Auf Diana's reinem Schoos! Sichtbare Gottheit, +Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, +Zum Kuß sie zwingst! Du sprichst in jeder Sprache, +Zu jedem Zweck! Du der Herzen Prüfstein! +Denk, es empört dein Sclave sich, der Mensch; +Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, +Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt! + +G. Weber. + +516 + + \ No newline at end of file