KARL MARX FRIEDRICH ENGELS GESAMTAUSGABE ERSTE A B T E I L U NG WERKE · ARTIKEL · E N T W Ü R FE B A ND 2 Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands KARL MARX WERKE ARTIKEL E N T W Ü R FE MÄRZ 1843 BIS AUGUST 1844 TEXT DIETZ VERLAG BERLIN 1982 Redaktionskommission der Gesamtausgabe: Günter Heyden und Anatoli Jegorow (Leiter), Erich Kundel und Alexander Malysch (Sekretäre), Rolf Dlubek, Heinrich Gemkow, Lew Golman, Michail Mtschedlow, Richard Speri. Redaktionskommission der Ersten Abteilung: Rolf Dlubek (Leiter), Erich Kundel, Alexander Malysch, Richard Speri, Inge Taubert. Bearbeitung des Bandes: Inge Taubert (Leiter), Deana Bauer und Bernhard Dohm, unter Mitarbeit von Johanna Dehnert, Christa Krause und Rosemarie Lüdemann. Gutachter: Rolf Dlubek, Georgi Bagaturija und Velta Pospelowa. Text und Apparat Mit 45 Abbildungen © Dietz Verlag Berlin 1982 Lizenznummer 1 LSV0O46 Technische Redaktion: Friedrich Hackenberger, Heinz Ruschinski und Waltraud Schulze Korrektur: Hanna Behrendt, Jutta Knopp und Renate Kröhnert Einband: Albert Kapr Typografie: Albert Kapr/Horst Kinkel Schrift: Times-Antiqua und Maxima Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: INTERDRUCK Graphischer Großbetrieb Leipzig Papierherstellung: VEB Druck- und Spezialpapiere Golzern Best.-Nr.: 7448048 DDR 1 3 5 -M Inhalt Einleitung Editorische Hinweise Verzeichnis der Abkürzungen, Siglen und Zeichen Zur publizistischen Arbeit Die Herausgabe der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" Die Mitarbeit an der Redaktion d es „Vorwärts!" KARL MARX: WERKE · ARTIKEL · ENTWÜRFE MÄRZ 1843 BIS AUGUST 1844 Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechtsphilosophie A. Das innere Staatsrecht I) Innere Verfassung für sich a) Die fürstliche Gewalt b) Die Regierungsgewalt c) Die g e s e t z g e b e n de Gewalt Index zum Manuskript „Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechts philosophie" Zur Judenfrage I. Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843 II. Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu w e r d e n. Von Bruno Bauer. (Einundzwanzig Bogen pag. 56-71.) Zur Kritik der H e g e i s c h en Rechtsphilosophie. Einleitung Text Apparat 11* 57* 525 529 529 555 571 646 648 668 5* 3 5 19 20 44 58 138 141 141 163 170 Inhalt Text Apparat Annales Françaises et Allemandes. Programme Erklärung Ökonomisch-philosophische Manuskripte (Erste Wiedergabe) Heft I I (I III IV V Heft II Heft III I II III IV V VI VII Vili Vorrede IX Ökonomisch-philosophische Manuskripte gabe) (Zweite Wieder Vorrede (aus Heft III) Heft I Arbeitslohn Gewinn d es Kapitals Grundrente Entfremdete Arbeit und Privateigentum Heft II (überlieferter Teil) Das Verhältnis d es Privateigentums Heft III Ergänzung zu Heft II, Seite XXXVI Privateigentum und Arbeit Ergänzungen zu Heft II, Seite XXXIX Privateigentum und Kommunismus Kritik der H e g e i s c h en Dialektik und Philosophie über haupt Privateigentum und Bedürfnisse Zusätze Fragmente Teilung der Arbeit Geld 6* 678 683 685 685 184 185 187 189 189 208 216 227 234 248 257 257 260 261 284 286 292 306 314 318 323 325 327 327 338 351 363 376 376 383 383 383 386 386 399 418 424 429 429 434 Inhalt Konspekt zu Georg Wilhelm Friedrich H e g e ls „Phänomeno logie d es Geistes". Kapitel „Das absolute W i s s e n" Text Apparat 439 918 Kritische Randglossen zu dem Artikel „ D er König von Preu ßen und die Sozialreform. Von einem Preußen" 445 923 Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. 464 934 BRIEFE AUS DEN „DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN JAHRBÜCHERN" Ein Briefwechsel von 1843. Briefe von Karl Marx, Arnold Ruge, Michail Alexandrowitsch Bakunin und Ludwig Feuerbach. Zusammengestellt und redigiert von Arnold Ruge M. an R. Auf der Treckschuit nach D. im März 1843 R. an M. Berlin, im März 1843 M. an R. Köln, im Mai 1843 B. an R. Petersinsel im Bieler S e e, Mai 1843 R. an B. Dresden, im Juni 1843 F. an R. Bruckberg, im Juni 1843 R. an M. Paris, im August 1843 M. an R. Kreuznach, im September 1843 ANHANG Von Marx unterzeichnete oder veranlaßte Erklärungen Zur Nachricht Déclaration Motive d es Untergangs der „Deutsch-Französischen Jahr bücher" Von Marx redigierte oder mit seiner Hilfe verfaßte Veröffentlichungen Aus dem Briefe einer deutschen Dame. Brief von Jenny Marx. 939 471 471 472 475 480 482 485 485 486 495 496 957 958 497 960 Redigiert von Karl Marx Georg W e b e r: Negersklaven und freie Sklaven Georg W e b e r: Offizielle preußische Wohltätigkeit 501 502 506 963 965 969 7* Inhalt Georg W e b e r: Die Kolonie Ostwald im Elsaß Georg W e b e r: Das Geld Text Apparat 510 512 974 976 REGISTER Literaturregister I. Arbeiten von Marx und Engels II. Arbeiten anderer Autoren III. Periodica Namenregister Sachregister Verzeichnis der Abbildungen Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Bogen XII. Seite 45 Bogen XXXIV. Seite [130] Bogen XXIII. Seite 87 Bogen XXIII. Seite [90] Bogen XXIV. Seite [91] Bogen XXIV. Seite [92] Bogen XXIV. Seite [93] Deutsch-Französische Jahrbücher. 1 ./2. Lieferung. Paris 1844. Titel blatt ökonomisch-philosophische Manuskripte Heft II. Seite XLII (Original und obere linke Ecke des Negativs) Heft III. Seite V Heft III. Seite XIX Heft III. Seite XXXIV Heft III. Seite XXXIX Heft III. Seite XL Beginn des Artikels „Kritische Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und die Sozialreform'". Vorwärts! Nr.63, 7. August 1844 Arnold Ruge an Zacharias Löwenthal, zwischen 29. Februar und 2. März 1844. Seite 1 ökonomisch-philosophische Manuskripte Heft I. Erste Seite Heft I. Dritte Seite Heft I. Seite I 8* 983 983 983 990 992 1001 41 42 75 81 82 83 84 139 251 265 287 307 315 316 447 679 711 712 713 Heft 1. Seite II Heft 1. Seite III Heft 1. Seite IV Heft 1. Seite V Heft 1. Seite VI Heft 1. Seite VII Heft 1. Seite VIII Heft 1. Seite IX Heft 1. Seite X Heft 1. Seite XI Heft 1. Seite XII Heft 1. Seite XIII Heft 1. Seite XIV Heft 1. Seite XV Heft 1. Seite XVI Heft 1. Seite XVII Heft 1. Seite XVIII Heft 1. Seite XIX Heft 1. Seite XX Heft 1. Seite XXI Heft 1. Seite XXII Heft 1. Seite XXIII Heft 1. Seite XXIV Heft 1. Seite XXV Heft 1. Seite XXVI Heft 1. Seite XXVII Inhalt Text Apparat 714 715 716 717 718 719 720 721 722 723 724 725 726 727 728 729 730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 9* Einleitung Der vorliegende Band enthält die überlieferten Manuskripte und Artikel, die Marx zwischen Mitte März 1843, dem Zeitpunkt des Austritts aus der Redaktion der „Rheinischen Zeitung", und gegen Ende August 1844, dem Beginn der Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, verfaßte. Bestimmend für den Inhalt des Bandes sind das Manuskript „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" und die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" sowie jene Beiträge, die aus Marx' Mitarbeit an den „Deutsch-Französi schen Jahrbüchern" und am Pariser „Vorwärts!" entsprangen. Zusammen mit dem Briefwechsel aus dieser Zeit, der im Band 1 der Dritten Abteilung veröffentlicht ist, sowie mit den Exzerptheften aus Kreuznach und Paris, die im Band 2 der Vierten Abteilung aufgenommen sind, widerspiegelt dieser Teil des literarischen Erbes von Marx einen Abschnitt in seiner poli tischen und theoretischen Entwicklung, der von folgenreichen neuen Er kenntnissen und wichtigen Erfahrungen geprägt ist. Mit der Entdeckung der historischen Rolle der Arbeiterklasse und der leidenschaftlichen Par teinahme für diese Klasse war der Übergang auf materialistische und kommunistische Positionen endgültig vollzogen, und es begann der Prozeß der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Kommunismus. Die politischen Erfahrungen, die Marx aus der publizistischen Tätigkeit und aus dem Kampf gegen das Verbot der „Rheinischen Zeitung" gewonnen hatte, veranlaßten ihn im März 1843, seine theoretischen Studien sowie Inhalt und Form seiner politischen Wirksamkeit neu zu durchdenken. Die ser Prozeß fiel in eine Zeit, in der sich die antifeudale Oppositionsbewegung in Deutschland weiter formierte und zugleich differenzierte. Die Bour geoisie verfocht immer nachdrücklicher ihren Anspruch auf Teilnahme an der politischen Macht, grenzte sich aber auch zugleich von der demokrati schen Strömung innerhalb der antifeudalen Oppositionsbewegung ab. Ihr 11* Editorische Hinweise Rechtsphilosophie" und des Sachregisters). An der Vorbereitung des Bandes wirkten weiter mit: Bernhard Dohm („Ökonomisch-philosophische Manuskripte" und Artikel aus dem „Vorwärts!"), Johanna Dehnert („Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie"), Rosemarie Lüdemann (Artikel aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern" und Sachregister), Christa Krause (Literatur- und Namenregister sowie Ausführung der wissenschaft lich-technischen Arbeiten), Jelena Butter (wissenschaftlich-technische Ar beiten) und Lotti Reiher (Entzifferung der Handschriften). Der Band wurde seitens der Redaktionskommission betreut und begut achtet von Rolf Dlubek. Gutachter des IML beim ZK der KPdSU waren Georgi Bagaturija und Velta Pospelowa. Teilgutachten zu einzelnen Arbeiten erfolgten durch den Wissenschaftlichen Rat für die Marx-Engels-Forschung der DDR, durch Joachim Höppner (Berlin), Wolf gang Jahn (Halle), Hermann Klenner (Berlin), Hermann Lehmann (Berlin), Ingrid Pepperle (Berlin). Die Herausgeber danken allen wissenschaftlichen Einrichtungen, die bei der Vorbereitung des Bandes Unterstützung gewährten. Die Einsichtnahme in die Originale von Marx und Engels ermöglichte das Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam. Verschiedene Archivmaterialien stellten darüber hinaus zur Verfügung: die Zentralbibliothek Zürich, das Zentral archiv Zürich, das Zentrale Staatsarchiv Merseburg und die Sächsische Landesbibliothek Dresden. Ferner ist zu danken der Staatsbibliothek Berlin, der Universitätsbibliothek Berlin und dem Stadtarchiv Trier. 64* KARL M A RX WERKE · ARTIKEL · E N T W Ü R FE M Ä RZ 1 8 43 BIS A U G U ST 1 8 44 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie [Α. D as i n n e re S t a a t s r e c h t] 5 10 15 20 [...] |ll.5| § 261. „Gegen die Sphären des Privatrechtes und Privatwohls, der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft, ist der Staat einerseits eine äusserliche Nothwendigkeit und ihre höhere Macht, deren Natur ihre Ge- setze, so wie ihre Interessen untergeordnet und davon abhängig sind; aber anderer Seits ist er ihr immanenter Zweck und hat seine Stärke in der Einheit seines allgemeinen Endzwecks und des besonderen Interesses der Indivi duen, darin, daß sie insofern Pflichten gegen ihn haben, als sie zugleich Rechte haben." Der vorige § belehrte uns dahin, daß die konkrete Freiheit in der Identität (seinsollenden, zwieschlächtigen) des Systems des Sonderinteresses (der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft) mit dem System des allgemeinen Interesses (des Staates) bestehe. Das Verhältniß dieser Sphären soll nun näher bestimmt werden. Einerseits der Staat gegen die Sphäre der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft eine „äusserliche Nothwendigkeit", eine Macht, wovon ihm „Gesetze" und „Interessen" „untergeordnet und abhängig" sind. Daß der Staat gegen Familie und bürgerliche Gesellschaft eine „äusserliche Nothwendigkeit" ist, lag schon theils in der Categorie des „Uebergangs", theils in ihrem bewußten Verhältniß zum Staat. Die „Unterordnung" unter den Staat entspricht noch vollständig diesem Verhältniß der „äusserlichen Nothwendigkeit". Was Hegel aber unter der „Abhängigkeit" versteht, zeigt folgender Satz der Anmerkung zu diesem §§: 25 „Daß den Gedanken der Abhängigkeit insbesondre auch der privatrecht- liehen Gesetze von dem bestimmten Charakter des Staats, und die philoso phische Ansicht, den Theil nur in seiner Beziehung auf das Ganze zu be trachten, vornehmlich Montesquieu in's Auge gefaßt etc." Hegel spricht also hier von der innern Abhängigkeit oder der wesentlichen Bestimmung des Privatrechts etc. vom Staate; zugleich aber subsumirt er 5 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie diese Abhängigkeit unter das Verhältniß der „äusser//cAen Nothwendigkeit" und stellt sie der andern Beziehung, worin sich Familie und bürgerliche Gesellschaft zum Staate als ihrem „immanenten Zwecke" verhalten als die andere Seite entgegen. Unter der „äusserlichen Nothwendigkeit" kann nur verstanden werden, daß „Gesetze" und „Interessen" der Familie und der Gesellschaft den „Gesetzen" und „Interessen" des Staats im Collisionsfall weichen müssen; ihm untergeordnet sind; ihre Existenz von der seinigen abhängig ist; oder auch sein Wille und seine Gesetze ihrem „Willen" und ihren „Gesetzen" als eine Nothwendigkeit erscheint. 5 10 15 Allein Hegel spricht hier nicht von empirischen Collisionen; er spricht vom Verhältniß der „Sphären des Privatrechts und Privatwohls, der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft" zum Staat; es handelt sich vom wesentlichen Verhältniß dieser Sphären selbst. Nicht nur ihre „Interessen" auch ihre „Gesetze", ihre wesentlichen Bestimmungen sind vom Staat „abhängig" und ihm „untergeordnet". Er verhält sich als „höhere Macht' zu ihren Gesetzen und Interessen. Ihr „Interesse" und „Gesetz" verhalten sich als sein „Untergeordneter". Sie leben in der „Abhängigkeit" von ihm. Eben weil „Unterordnung" und „Abhängigkeit" äussere, das selbstständige Wesen einengende und ihm zu wider laufende Verhältnisse sind, ist das Verhältniß 20 der „Familie" und der „bürgerlichen Gesellschaft" zum Staate das der „äusserlichen Nothwendigkeit", einer Nothwendigkeit, die gegen das innere Wesen der Sache angeht. Dieß selbst, daß „die privatrechtlichen Gesetze von dem bestimmten Charakter des Staats" abhängen, nach ihm sich modif iciren wird daher unter das Verhältniß der „äusserlichen Nothwendigkeit" sub- sumirt, eben weil „bürgerliche Gesellschaft und Familie" in ihrer wahren, d. i. in ihrer selbstständigen und vollständigen Entwicklung dem Staat als besondere „Sphären" voraus gesezt sind. „Unterordnung" und „Abhängig keit" sind die Ausdrücke für eine „äusserliche", erzwungene, scheinbare Identität, als deren logischen Ausdruck Hegel richtig die „äusserliche 30 Nothwendigkeit"gebraucht. In der „Unterordnung" und „Abhängigkeit" hat Hegel die eine Seite der zwiespältigen Identität weiterentwickelt und zwar die Seite der Entfremdung innerhalb der Einheit ||6| „aber anderer Seits ist er ihr immanenter Zweck und hat seine Stärke in der Einheit seines allgemeinen Endzwecks und des besonderen Interesses der Individuen, darin, daß sie insofern Pflichten gegen ihn haben, als sie zugleich Rechte haben". 25 35 Hegel stellt hier eine ungelöste Antinomie auf. Einerseits äusserliche Nothwendigkeit; andrerseits immanenter Zweck. Die Einheit des allgemei nen Endzwecks des Staats und des besonderen Interesses der Individuen soll darin bestehn, daß ihre Pflichten gegen den Staat und ihre Rechte an den- 40 6 Α. Das innere Staatsrecht selben identisch sind. (Also ζ. B. die Pflicht, das Eigenthum zu respectiren mit dem Recht auf Eigenthum zusammen fiele.) 5 Diese Identität wird in der Anmerkung also exphcirt: „Da die Pflicht zunächst das Verhalten gegen etwas für mich Substan- tielles, an und für sich Allgemeines ist, das Recht dagegen das Dasein über haupt dieses Substantiellen ist, damit die Seite seiner Besonderheit und meiner besondern Freiheit ist, so erscheint beides auf den formellen Stufen an verschiedene Seiten oder Personen vertheilt. Der Staat, als Sittliches, als Durchdringung des Substantiellen und Besondern, enthält, daß meine Ver io bindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Dasein meiner besondern Freiheit d.i. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind." ||7¡| 15 |8| § 262. „Die wirkliche Idee, der Geist, der sich selbst in die zwei ideellen Sphären seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als in seine Endlichkeit scheidet, um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein, theilt somit diesen Sphären das Material dieser seiner Wirklichkeit, die Individuen als die Menge zu, so daß diese Zutheilung am Einzelnen durch die Umstände, die Willkühr und die eigene Wahl seiner Bestimmung vermittelt erscheint." 20 Uebersetzen wir diesen Satz in Prosa, so folgt: Die Art und Weise, wie der Staat sich mit der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft vermittelt sind „die Umstände, die Willkühr und die eigne Wahl der Bestimmung". Die Staatsvernunft hat also mit der Zertheilung des Staatsmaterials an Familie und bürgerliche Gesellschaft nichts zu thun. Der 25 Staat geht auf eine unbewußte und willkührliche Weise aus ihnen hervor. Familie und bürgerliche Gesellschaft erscheinen als der dunkle Natur grund, woraus das Staatslicht sich entzündet. Unter dem Staatsmaterial sind die Geschäfte des Staats, Familie und bürgerliche Gesellschaft ver standen, insofern sie Theile des Staats bilden, am Staat als solchem Theil 30 nehmen. 35 In doppelter Hinsicht ist diese Entwicklung merkwürdig. 1) Familie und Bürgerliche Gesellschaft werden als Begriffssphären des Staats gefaßt und zwar als die Sphären seiner Endlichkeit, als seine End lichkeit. Der Staat ist es, der sich in sie scheidet, der sie voraussezt, und zwar thut er dieses „um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein". „Er scheidet sich, um". Er „theilt somit diesen Sphären das Material seiner Wirklichkeit zu, so daß diese Zutheilung etc. vermittelt erscheine. Die sogenannte „wirkliche Idee" (der Geist als unendlicher, wirklicher) wird so dargestellt, als ob sie nach einem bestimmten Princip und 40 zu bestimmter Absicht handle. Sie scheidet sich in endliche Sphären, sie thut 7 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie dieß „um in sich zurückzukehren, für sich zu sein" und sie thut dieß zwar so daß das grade ist, wie es wirklich ist. An dieser Stelle erscheint der logische, pantheistische Mysticismus sehr klar. 5 Das wirkliche Verhältniß ist: „daß die Zutheilung" des Staatsmaterials „am Einzelnen durch die Umstände, die Willkühr und die eigne Wahl seiner Bestimmung vermittelt ist". Diese Thatsache, dieß wkkliche Verhältnißwkd von der Spekulation als Erscheinung, als Phänomen ausgesprochen. Diese Umstände, diese Willkühr, diese Wahl der Bestimmung; diese wirkliche Vermittlung sind blos die Erscheinung einer Vermittlung, welche die wirk- liehe Idee mit sich selbst vornimmt, und welche hinter der Gardine vorgeht. Die Wirklichkeit wird nicht als sie selbst, sondern als eine andere Wirklich keit ausgesprochen. Die gewöhnliche Empirie hat nicht ihren eignen Geist, sondern einen fremden zum Geist, wogegen die wirkliche Idee nicht eine aus ihr selbst entwickelte Wirklichkeit, sondern die gewöhnliche Empirie zum 15 Dasein hat. | 10 |lll.9| Die Idee wird versubjektivirt und das wirkliche Verhältniß von Familie und bürgerlicher Gesellschaft zum Staat wird als ihre innere ima gínate Thätigkeit gefaßt. Familie und bürgerliche Gesellschaft sind die Voraussetzungen des Staats; sie sind die eigentlich thätigen; aber in der 20 Spekulation wird es umgekehrt. Wenn aber die Idee versubjektivirt wird, werden hier die wirklichen Subjekte, bürgerliche Gesellschaft, Familie, „Umstände, Willkühr etc." zu unwirklichen anderes bedeutenden, objekti ven Momenten der Idee. Die Zutheilung des Staatsmaterials „am Einzelnen durch die Umstände, 25 die Willkühr und die eigne Wahl seiner Bestimmung" werden nicht als das Wahrhafte, das Nothwendige, das An und für sich berechtigte schlechthin ausgesprochen; sie werden nicht als solche für das Vernünftige ausgegeben; aber sie werden es doch wieder andrerseits, nur so, daß sie für eine schein bare Vermittelung ausgegeben, daß sie gelassen werden, wie sie sind, 30 zugleich aber die Bedeutung einer Bestimmung der Idee erhalten, eines Resultats, eines Produkts der Idee. Der Unterschied ruht nicht im Inhalt, sondern in der Betrachtungsweise oder in der Sprechweise. Es ist eine doppelte Geschichte, eine esoterische und eine exoterische. Der Inhalt liegt im exoterischen Theil. Das Interesse des esoterischen ist immer das, 35 die Geschichte des logischen Begriffs im Staat wiederzufinden. An der exoterischen Seite aber ist es, daß die eigentliche Entwicklung vor sich geht. Rationell hiessen die Sätze von Hegel nur: Die Familie und die bürgerliche Gesellschaft sind Staatstheile. Das Staats- material ist unter sie vertheilt „durch die Umstände, die Willkühr und die 40 8 Α. Das innere Staatsrecht eigne Wahl der Bestimmung". Die Staatsbürger sind Familienglieder und Glieder der bürgerlichen Gesellschaft. „Die wirkliche Idee, der Geist, der sich selbst in die zwei ideellen Sphären seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als in seine 5 Endlichkeit scheidet" (also: Die Theilung des Staats in Familie und bürger liche Gesellschaft ist ideell, d. h. nothwendig, gehört zum Wesen des Staats; Familie und bürgerliche Gesellschaft sind wirkliche Staatstheile, wirkliche geistige Existenzen des Willens; sie sind Daseinsweisen des Staates; Familie und bürgerliche Gesellschaft machen sich selbst zum Staat. Sie sind das 10 Treibende. Nach Hegel sind sie dagegen gethan von der wirklichen Idee, es ist nicht ihr eigner Lebenslauf, der sie zum Staat vereint; sondern es ist der Lebenslauf der Idee, die sie von sich discernirt hat; und zwar sind sie Endlichkeit dieser Idee; sie | | ΐ θ| verdanken ihr Dasein einem andern Geist, als dem ihrigen; sie sind von einem Dritten gesezte Bestimmungen, keine 15 Selbstbestimmungen; deßwegen werden sie auch als „Endlichkeit", als die eigne Endlichkeit der „wirklichen Idee" bestimmt. Der Zweck ihres Daseins ist nicht dieß Dasein selbst, sondern die Idee scheidet diese Voraussetzungen von sich ab „um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein", d. h. der politische Staat kann nicht sein ohne die natürliche Basis der 20 Familie und die künstliche Basis der Bürgerlichen Gesellschaft; sie sind für ihn eine Conditio sine qua non; die Bedingung wird aber als das Bedingte, das Bestimmende wird als das Bestimmte, das Producirende wird als das Product seines Products gesezt; die wirkliche Idee erniedrigt sich nur in die „Endlichkeit" der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft, um durch ihre 25 Aufhebung seine Unendlichkeit zu gemessen und hervorzubringen;) „theilt somit (um seinen Zweck zu erreichen) diesen Sphären das Material dieser seiner endlichen Wirklichkeit, (dieser? welcher? diese Sphären sind ja „seine endliche Wirklichkeit", sein „Material") die Individuen als die Menge zu" (das Material des Staats sind hier „die Individuen, die Menge", „aus ihnen 30 besteht der Staat", dieses sein Bestehn wird hier als eine That der Idee, als eine „Vertheilung", die sie mit ihrem eignen Material vornimmt, aus gesprochen; das Faktum ist, daß der Staat aus der Menge, wie sie als Fa- milienglieder und Glieder der bürgerlichen Gesellschaft existiré hervorgehe; die Speculation spricht dieß Factum als That der Idee aus, nicht als die Idee 35 der Menge, sondern als That einer subjektiven von dem Factum selbst unterschiednen Idee) „so daß diese Zutheilung am Einzelnen" (früher war nur von der Zutheilung der Einzelnen an die Sphären der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft die Rede) „durch die Umstände, die Willkühr etc. vermittelt erscheint." Es wird also die empirische Wirklichkeit aufgenom- 40 men, wie sie ist; sie wird auch als vernünftig ausgesprochen; aber sie ist nicht vernünftig wegen ihrer eigenen Vernunft, sondern weil die empirische 9 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Thatsache in ihrer empirischen Existenz eine andre Bedeutung hat, als sich selbst. Die Thatsache, von der ausgegangen wird, wird nicht als solche, sondern als mystisches Resultat gefaßt. | | l l| Das Wirkliche wird zum Phänomen; aber die Idee hat keinen andern Inhalt als dieses Phänomen. Auch hat die Idee keinen andern Zweck, als den logischen: „für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein". In diesem § ist das ganze Mysterium der Rechts philosophie niedergelegt und der hegel'sehen Philosophie überhaupt. § 263. „In diesen Sphären, in denen seine Momente, die Einzelnheit und die Besonderheit, ihre unmittelbare und reflectirte Realität haben, ist der Geist als ihre in sie scheinende objektive Allgemeinheit, als die Macht des Vernünftigen in der Nothwendigkeit, nämlich als die im Vorherigen be trachteten Institutionen." § 264. „Die Individuen der Menge, da sie selbst geistige Naturen und damit das gedoppelte Moment, nämlich das Extrem der für sich wissenden und wollenden Einzelnheit und das Extrem der das Substantielle wissenden und wollenden Allgemeinheit in sich enthalten, und daher zu dem Rechte dieser beiden Seiten nur gelangen, insofern sie sowohl als Privat- wie als sub stantielle Personen wirklich sind; — erreichen in jenen Sphären Theils un mittelbar das Erstere, Theils das Andere so, daß sie in den Institutionen als dem an sich seienden Allgemeinen ihrer besonderen Interessen ihr wesent- liches Selbstbewußtsein haben, Theils daß sie in ihnen ein auf einen all gemeinen Zweck gerichtetes Geschäft und Thätigkeit in der Korporation errichten." 5 10 15 20 § 265. „Diese Institutionen machen die Verfassung, d. i. die entwickelte und verwirklichte Vernünftigkeit, im Besondern aus, und sind darum die 25 feste Basis des Staats, so wie des Zutrauens und der Gesinnung der In dividuen für denselben, und die Grundsäulen der öffentlichen Freiheit, da in ihnen die besondre Freiheit realisirt und vernünftig, damit in ihnen selbst an sich die Vereinigung der Freiheit und Nothwendigkeit vorhanden ist." I/12/ 30 |rV.13| § 266. ,^Allein der Geist ist nicht nur als diese (welche?) Nothwendig keit, sondern als die Idealität derselben und als ihr Inneres sich objektiv und wirklich; so ist diese substantielle Allgemeinheit sich selbst Gegenstand und Zweck und jene Nothwendigkeit hierdurch sich ebensosehr in der Gestalt der Freiheit." 35 Der Uebergang der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft in den politischen Staat ist also der, daß der Geist jener Sphären, der an sich der Staatsgeist ist, sich nun auch als solcher zu sich verhält und als ihr Inneres sich wirklich ist. Der Uebergang wird also nicht aus dem besondern Wesen der Familie etc. und dem besondern Wesen des Staats, sondern aus dem 40 10 Α. Das innere Staatsrecht allgemeinen Verhältniß von Nothwendigkeit und Freiheit hergeleitet. Es ist ganz derselbe Uebergang, der in der Logik aus der Sphäre des Wesens in die Sphäre des Begriffs bewerkstelligt wird. Derselbe Uebergang wird in der Naturphilosophie aus der unorganischen Natur in das Leben gemacht. Es sind immer dieselben Categorien, die bald die Seele für diese, bald für jene Sphäre hergeben. Es kommt nur darauf an für die einzelnen, konkreten Bestimmungen die entsprechenden abstrakten aufzufinden. 5 § 267. „Die Nothwendigkeit in der Idealität ist die Entwickelimg der Idee innerhalb ihrer selbst; sie ist als subjektive Substantialität die politische 10 Gesinnung, als objektive in Unterscheidung von jener der Organismus des Staats, der eigentlich politische Staat und seine Verfassung." 15 Subjekt ist hier die „Nothwendigkeit in der Idealität", die „Idee innerhalb ihrer selbst", Prädicat die politische Gesinnung und die politische Verfas sung. Heißt zu deutsch: Die politische Gesinnung ist die subjektive, die politische Verfassung ist die objektive Substanz des Staats. Die logische Entwicklung von Familie und bürgerlicher Gesellschaft zum Staat ist also reiner Schein, denn es ist nicht entwickelt wie die Famihengesinnung, die bürgerliche Gesinnung, die Institution der Familie und die socialen Institu tionen als solche sich zur politischen Gesinnung und politischen Verfassung 20 verhalten, und mit ihnen zusammenhängen. | 114| Der Uebergang, daß der Geist „nicht nur als diese Nothwendigkeit und als ein Reich der Erscheinung ist" sondern als „die Idealität derselben" als die Seele dieses Reiches für sich wirklich ist und eine besondere Existenz hat, ist gar kein Uebergang, denn die Seele der Familie existirt für sich als 25 Liebe etc. Die reine Idealität einer wirklichen Sphäre könnte aber nur als Wissenschaft existiren. Wichtig ist, daß Hegel überall die Idee zum Subjekt macht, und das eigentliche, wirkliche Subjekt, wie die „politische Gesinnung" zum Prädicat. Die Entwicklung geht aber immer auf Seite des Prädicats vor. 30 § 268 enthält eine schöne Exposition über die politische Gesinnung, den Patriotismus; die mit der logischen Entwicklung nichts gemein hat, nur daß Hegel sie „nur" als „Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchen die Vernünftigkeit wirklich vorhanden ist" bestimmt, während umgekehrt diese Institutionen ebensosehr eine Vergegenständlichung der 35 politischen Gesinnung sind. Cf. die Anmerkung zu diesem §. § 269. „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den verschiedenen Seiten des Organismus des Staats. Dieser Organismus ist die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit. Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Ge- 40 walten, und deren Geschäfte und Wirksamkeiten, wodurch das Allgemeine sich fortwährend, und zwar, indem sie durch die Natur des Begriffes be- 11 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie stimmt sind, auf nothwendige Weise hervorbringt, und indem es ebenso seiner Production vorausgesezt ist, sich erhält; — dieser Organismus ist die politische Verfassung." Die politische Verfassung ist der Organismus des Staats oder der Organis mus des Staats ist die politische Verfassung. Daß die unterschiedenen Seiten eines Organismus in einem nothwendigen, aus der Natur des Organismus hervorgehenden Zusammenhang stehn, ist—reine Tautologie. Daß, wenn die politische Verfassung als Organismus bestimmt ist, die verschiedenen Seiten der Verfassung, die verschiedenen Gewalten, sich als organische Bestim mungen verhalten und in einem vernünftigen Verhältniß zu einander stehn, ist ebenfalls — Tautologie. Es ist ein grosser Fortschritt den politischen Staat als Organismus, daher die Verschiedenheit der Gewalten ||l5| nicht mehr als organische, sondern als lebendige und vernünftige Unterscheidung zu be trachten. Wie stellt Hegel aber diesen Fund dar? 5 10 15 „Dieser Organismus ist die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit." Es heißt nicht: Dieser Organismus des Staats ist seine Entwicklung zu Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit. Der eigentliche Gedanke ist: Die Entwicklung des Staats oder der politischen Verfassung zu Unterschieden und deren Wirklichkeit ist eine organische. Die Voraussetzung, das Subjekt sind die wirklichen Unter- 20 schiede oder die verschiednen Seiten der politischen Verfassung. Das Prä- dicat ist ihre Bestimmung als organisch. Statt dessen wird die Idee zum Subjekt gemacht, die Unterschiede und deren Wirklichkeit als ihre Ent wicklung, ihr Resultat gesezt, während umgekehrt aus den wirklichen Unter schieden die Idee entwickelt werden muß. Das Organische ist grade die Idee 25 der Unterschiede, ihre ideelle Bestimmung. Es wird hier aber von der Idee als einem Subjekt gesprochen, die sich zu ihren Unterschieden entwickelt. Ausser dieser Umkehrung von Subjekt und Prädicat wird der Schein her vorgebracht, als sei hier von einer andern Idee als dem Organismus die Rede. Es wird von der abstrakten Idee ausgegangen, deren Entwicklung im Staat 30 politische Verfassung ist. Es handelt sich also nicht von der politischen Idee, sondern von der abstrakten Idee im politischen Element. Dadurch daß ich sage: „Dieser Organismus (sc. des Staats, die politische Verfassung) ist die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden etc." weiß ich noch gar nichts von der spezifischen Idee der politischen Verfassung; derselbe Satz kann mit derselben Wahrheit von dem thierischen Organismus, als von dem politischen ausgesagt werden. Wodurch unterscheidet sich also der thieri sche Organismus vom politischen! Aus dieser allgemeinen Bestimmung geht es nicht hervor. Eine Erklärung, die aber nicht die differentia specifica giebt, ist keine Erklärung. Das einzige Interesse ist „die Idee" schlechthin, die 40 „logische Idee" in jedem Element, sei es des Staates, sei es der Natur 35 12 Α. Das innere Staatsrecht wiederzufinden und die wirklichen Subjekte, wie ||l6| hier die „politische Verfassung" werden zu ihren blosen Namen, so daß nur der Schein eines wirklichen Erkennens vorhanden ist, denn es bleiben unbegriffne, weil nicht in ihrem spezifischen Wesen begriffne Bestimmungen. „Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Gewalten, und deren Geschäfte und Wirksamkeit." Durch das Wörtchen „so" wird der Schein einer Consequenz, einer Ableitung und Entwicklung hereingebracht. Man muß vielmehr fragen: „Wie so?" daß die „verschiedenen Seiten des Organismus des Staats" die „verschiedenen Gewalten" sind und „deren Geschäfte und Wirksamkeit" ist eine empirische Thatsache. Daß sie Glieder eines „Organismus" sind, ist das philosophische „Prädicat". Wir machen hier auf eine stylistische Eigenthümlichkeit Hegels auf merksam, die sich oft wiederholt und welche ein Product des Mysticismus ist. Der ganze § lautet: „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den ver schiedenen Seiten des Organismus des Staats. Dieser Organismus ist die Entwicklung der Idee zu ihren Un terschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit. Diese unterschiedenen Seiten sind so die verschiedenen Gewalten, und deren Geschäfte und Wirksamkeiten, wodurch das All gemeine sich fortwährend, und zwar indem sie durch die Natur des Be griffes bestimmt sind, auf notwen dige Weise hervorbringt, und indem es ebenso seiner Production vor- ausgesezt ist, sich erhält; — dieser Organismus ist die politische Ver fassung." 1) „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den verschiedenen Seiten des Organis mus des Staats." „Diese unterschie denen Seiten sind . .. die verschie denen Gewalten und deren Ge schäfte und Wirksamkeiten." 2) „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den verschiedenen Seiten des Organis mus des Staats. Dieser Organismus ist die Entwickelung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit. . .. wo durch das Allgemeine sich fort während, und zwar indem sie durch die Natur des Begriffs bestimmt sind, auf nothwendige Weise her vorbringt und indem es ebenso sei ner Production vorausgesezt ist, sich erhält; — dieser Organismus ist die Verfassung." politische Man sieht: Hegel knüpft an zwei Subjekte, an die „verschiedenen Seiten des Organismus" und an den „Organismus" die weiteren Bestimmungen an. Im dritten Satz werden die „unterschiednen Seiten" als die „verschiedenen 13 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Gewalten" bestimmt. Durch das zwischengeschobene Wort „so" wird der Schein hervorgebracht als seien diese „verschiedenen Gewalten" aus dem Zwischensatz über den Organismus als die Entwicklung der Idee abgelei tet. Es wird dann fortgesprochen über die „verschiedenen Gewalten". Die Bestimmung, daß das Allgemeine sich fortwährend „hervorbringt" und sich dadurch erhält ist nichts Neues, denn es liegt schon in ihrer Bestimmung als „Seiten des Organismus", als „organische" Seiten. Oder vielmehr diese Bestimmung der „verschiedenen Gewalten" ist nichts als eine Umschreibung davon, daß der Organismus ist „die Entwicklung der Idee zu ihren Unter- 10 schieden etc". | 5 15 |V.17| Die Sätze: Dieser Organismus ist: „die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden und zu deren objektiven Wirklichkeit" oder zu Unter schieden, wodurch: „das Allgemeine (das Allgemeine ist hier dasselbe, was die Idee) sich fortwährend, und zwar indem sie durch die Natur des Begriffs bestimmt sind, erhält, auf nothwendige Weise hervorbringt, und indem es ebenso seiner Production vorausgesezt ist, sich erhält" sind identisch. Der leztere ist blos eine nähere Explication über „die Entwicklung der Idee zu ihren Unterschieden". Hegel ist dadurch noch keinen Schritt über den all gemeinen Begriff „der Idee" und höchstens des „Organismus" überhaupt, 20 (denn eigentlich handelt es sich nur von dieser bestimmten Idee) hinaus gekommen. Wodurch wird er also zum Schlußsatz berechtigt: „Dieser Organismus ist die politische Verfassung"? Warum nicht: „Dieser Organis mus ist das Sonnensystem"! Weil er „die verschiedenen Seiten des Staats" später als die „verschiedenen Gewalten" bestimmt hat. Der Satz, daß „die 25 verschiedenen Seiten des Staats die verschiedenen Gewalten sind" ist eine empirische Wahrheit und kann für keine philosophische Entdeckung aus gegeben werden, ist auch auf keine Weise als Resultat einer früheren Ent wicklung hervorgegangen. Dadurch daß aber der Organismus als die „Ent wicklung der Idee" bestimmt, von den Unterschieden der Idee gesprochen, 30 dann das Concretum der „verschiedenen Gewalten" eingeschoben wird, kömmt der Schein herein, als sei ein bestimmter Inhalt entwickelt worden. An den Satz: „Ihren besonders bestimmten Inhalt nimmt die Gesinnung aus den verschiedenen Seiten des Organismus des Staats" durfte Hegel nicht anknüpfen: „dieser Organismus", sondern „der Organismus ist die Entwick- lung der Idee etc". Wenigstens gilt das, was er sagt, von jedem Organismus und es ist kein Prädicat vorhanden, wodurch das Subjekt: „dieser" gerecht fertigt würde. Das eigentliche Resultat, wo er hin will ist zur Bestimmung des Organismus als der politischen Verfassung. Es ist aber keine Brücke geschlagen, wodurch man aus der allgemeinen Idee des Organismus zu der bestimmten Idee des Staatsorganismus oder der politischen Verfassung 35 40 14 Α. Das innere Staatsrecht 5 käme und es wird in Ewigkeit keine solche Brücke geschlagen werden | können. In dem Anfangssatz wird gesprochen von „den verschiedenen Seiten des Staatsorganismus", die später als „die verschiedenen Gewalten" bestimmt werden. Es wird also blos gesagt: „Die verschiedenen Gewalten des Staatsorganismus" oder der „Staatsorganismus der verschiedenen Gewalten" ist — die „politische Verfassung" des Staats. Nicht aus dem „Organismus", „der Idee", ihren „Unterschieden" etc. sondern aus dem vorausgesezten Begriff „verschiedene Gewalten", „Siaaisorganismus" ist die Brücke zur „politischen Verfassung" geschlagen. | 10 |l8| Der Wahrheit nach hat Hegel nichts gethan, als die „politische Ver fassung" in die allgemeine abstrakte Idee des „Organismus" aufgelöst, aber dem Schein und seiner eignen Meinung nach hat er aus der „allgemeinen Idee" das Bestimmte entwickelt. Er hat zu einem Product, einem Prädicat der Idee gemacht, was ihr Subjekt ist. Er entwickelt sein Denken nicht aus 15 dem Gegenstand, sondern den Gegenstand nach einem mit sich fertig und in der abstrakten Sphäre der Logik mit sich fertig gewordnen Denken. Es handelt sich nicht darum, die bestimmte Idee der politischen Verfassung zu entwickeln, sondern es handelt sich darum, der politischen Verfassung ein Verhältniß zur abstrakten Idee zu geben, sie als ein Glied ihrer Lebens- 20 geschichte (der Idee) zu rangiren; eine offenbare Mystification. Eine andre Bestimmung ist daß die „verschiedenen Gewalten" „durch die Natur des Begriffes bestimmt sind" und darum das Allgemeine sie „auf nothwendige Weise hervorbringt". Die verschiedenen Gewalten sind also nicht durch ihre „eigne Natur" bestimmt, sondern durch eine fremde. Ebenso ist die Nothwendigkeit nicht aus ihrem eignen Wesen geschöpft, noch weniger kritisch bewiesen. Ihr Schicksal ist vielmehr prädestinirt durch die „Natur des Begriffs", versiegelt in der Santa Casa (der Logik) heiligen Registern. Die Seele der Gegenstände, hier des Staats, ist fertig, prädestinirt vor ihrem Körper, der eigentlich nur Schein ist. Der „Begriff" ist der Sohn in der „Idee", dem Gott Vater, das agens, das determinirende, unter scheidende Princip. „Idee" und „Begriff" sind hier verselbstständigte Ab straktionen. 25 30 35 1) abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität; aber sie § 270. „Daß der Zweck des Staats das allgemeine Interesse als solches und darin als ihrer Substanz die Erhaltung der besonderen Interessen ist, ist seine ist 2) seine Noth wendigkeit, als sie sich in die Begriffs- Unterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestim mungen, Gewalten sind; 3) eben diese Substantialität ist aber der als durch die Form der Bildung hindurch gegangne sich wissende und wollende Geist. 40 Der Staat weiß daher, was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als Gedachtes; er wirkt und handelt deßwegen nach gewußten Zwecken, ge- 15 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie kannten Grundsätzen, und nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern für's Bewußtsein sind; und ebenso, insofern seine Handlungen sich auf vorhandene Umstände und Verhältnisse beziehn, nach der bestimmten Kenntniß derselben." (Die Anmerkung zu diesem § über das Verhältniß von Staat und Kirche später.) | |l9| Die Anwendung dieser logischen Categorien verdient ein ganz spe zielles Eingehn. „Daß der Zweck des Staats das allgemeine frteresse als solches und darin als ihrer Substanz die Erhaltung der besondern Interessen ist, ist seine 1) abstrakte Wtklichkeit oder Substantialität." Daß das allgemeine Interesse als solches und als Bestehn der besondern Interessen, Staatszweck ist — ist seine Wirklichkeit, sein Bestehn, abstrakt definirt. Der Staat ist nicht wirklich, ohne diesen Zweck. Es ist dieß das wesentliche Objekt seines Wollens, aber zugleich nur eine ganz allgemeine Bestimmung dieses Objekts. Dieser Zweck als Sein ist das Element des Bestehns für den Staat. „Aber sie (die abstrakte Wirklichkeit, Substantialität) ist 2) seine Nothwendigkeit, als sie sich in die Begriffs- Unterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestim mungen, Gewalten sind." Sie (die abstrakte Wirklichkeit, die Substantialität) ist seine (des Staats) Nothwendigkeit, als seine Wirklichkeit sich in unterschiedene Wirksam keiten theilt, deren Unterschied ein vernünftig bestimmter, die dabei feste Bestimmungen sind. Die abstrakte Wirklichkeit des Staats, die Substantia lität desselben ist Nothwendigkeit, insofern der eine Staatszweck und das eine Bestehn des Ganzen nur in dem Bestehn der unterschiedenen Staats gewalten realisirt ist. Versteht sich: Die erste Bestimmung seiner Wirklichkeit war abstrakt; der Staat kann nicht als einfache Wirklichkeit, er muß als Wirksamkeit, als eine unterschiedene Wirksamkeit betrachtet werden. „Seine abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität ist seine Nothwendig keit, als sie sich in die Begriffs-Unterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestimmungen, Gewalten sind." Das Substantialitätsverhältniß ist Nothwendigkeitsverhältniß; d.h. die Substanz erscheint getheilt in selbstständige, aber wesentlich bestimmte Wirklichkeiten oder Wirksamkeiten. Diese Abstraktionen werde ich auf jede Wirklichkeit anwenden können. Insofern ich den Staat zuerst unter dem Schema der „abstrakten" werde ich ihn nachher unter dem Schema der „konkreten Wirklichkeit", der „Nothwendigkeit", des erfüllten Unter schieds betrachten müssen. 16 Α. Das innere Staatsrecht 3) „eben diese Substantialität ist aber der als durch die Form der Bildung hindurch gegangene sich wissende und wollende Geist. Der Staat weiß daher, was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als Gedachtes; er wirkt und handelt deßwegen nach gewußten Zwecken, gekannten Grundsätzen und 5 nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern f ür's Bewußtsein sind ; und ebenso insofern seine Handlungen sich auf vorhandene Umstände und Verhältnisse beziehen, nach der bestimmten Kenntniß Derselben." | |20| Uebersetzen wir nun diesen ganzen § zu deutsch. Also: 1) Der sich wissende und wollende Geist ist die Substanz des Staates; (der gebildete, selbstbewußte Geist ist das Subjekt und das Fundament, ist die Selbstständigkeit des Staats.) 10 2) Das allgemeine Interesse und in ihm die Erhaltung der besondern Inter essen ist der allgemeine Zweck und Inhalt dieses Geistes, die seiende Sub stanz des Staats; die Staatsnatur des sich wissenden und wollenden Gei- 15 stes; 3) Die Verwirklichung dieses abstrakten Inhaltes erreicht der sich wis sende und wollende Geist, der selbstbewußte, gebildete Geist nur als eine unterschiedene Wirksamkeit, als das Dasein verschiedener Gewalten, als eine gegliederte Macht. 20 Ueber die hegelsche Darstellung ist zu bemerken: a) Zu Subjekten werden gemacht: die abstrakte Wirklichkeit, die Nothwendigkeit (oder der substantielle Unterschied), die Substantialität; also die abstrakt logischen Categorien. Zwar werden die „abstrakte Wirk lichkeit" und „Nothwendigkeit" als „seine", des Staats, Wirklichkeit und 25 Nothwendigkeit bezeichnet, allein 1) ist „sie" „die abstrakte Wirklichkeit" oder „Substantialität" seine „Nothwendigkeit". 2) Sie ist es „die sich in die Begriffsunterschiede seiner Wirksamkeit dirimirt". Die „Begriffs-Unter schiede" sind „durch jene Substantialität ebenso wirkliche feste Bestim mungen, Gewalten". 3) wird die „Substantialität" nicht mehr als eine ab- strakte Bestimmung des Staats, als „seine" Substantialität genommen; sie wird als solche zum Subjekt gemacht, denn es heißt schließlich: „eben diese Substantialität ist aber der durch die Form der Bildung hindurch gegangene sich wissende und wollende Geist". 30 b) Es wird auch schließlich nicht gesagt: „der gebildete etc. Geist ist die 35 Substantialität" sondern umgekehrt: „die Substantialität ist der gebildete etc. Geist". Der Geist wird also zum Prädicat seines Prädicates. c) Die Substantialität, nachdem sie 1) als der allgemeine Staatszweck, dann 2) als die unterschiedenen Gewalten bestimmt war, wird 3) als der gebildete, sich wissende und wollende, wirkliche Geist bestimmt. Der wahre Aus- 40 gangspunkt, der sich wissende und wollende Geist, ohne welchen der „Staatszweck" und die „Staatsgewalten" haltungslose Einbildungen, Es- 17 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie senzlose, sogar unmögliche Existenzen wären, erscheint nur als das lezte Prädicat der Substantialität, die vorher schon als allgemeiner Zweck und als die verschiedenen Staatsgewalten bestimmt war. Wäre von dem wirklichen Geist ausgegangen worden, so war der „allgemeine Zweck" sein Inhalt, die verschiednen Gewalten seine Weise, sich zu verwirklichen, sein reelles oder materielles Dasein, deren Bestimmtheit eben aus der Natur seines Zweckes zu entwickeln gewesen wäre. Weil aber von der „Idee" oder der „Substanz" als dem Subjekt, dem wirklichen Wesen ausgegangen wird, so erscheint das wirkliche Subjekt nur als leztes Prädicat des abstrakten Prädicates. | 5 |VI.2l| Der „Staatszweck" und die „Staatsgewalten" werden mystificirt, 10 indem sie als „Daseinsweisen" der „Substanz" dargestellt und getrennt von ihrem wirklichen Dasein, „dem sich wissenden und wollenden Geist, dem gebildeten Geist" erscheinen. d) Der konkrete Inhalt, die wirkliche Bestimmung erscheint als formell; die ganz abstrakte Formbestimmung erscheint als der konkrete Inhalt. Das 15 Wesen der staatlichen Bestimmungen ist nicht, daß sie staatliche Bestim mungen, sondern, daß sie in ihrer abstraktesten Gestalt als logisch-meta physische Bestimmungen betrachtet werden können. Nicht die Rechtsphi losophie, sondern die Logik ist das wahre Interesse. Nicht daß das Denken sich in politischen Bestimmungen verkörpert, sondern daß die vorhandenen 20 politischen Bestimmungen in abstrakte Gedanken verflüchtigt werden, ist die philosophische Arbeit. Nicht die Logik der Sache, sondern die Sache der Logik ist das philosophische Moment. Die Logik dient nicht zum Beweis des Staats, sondern der Staat dient zum Beweis der Logik. 1) Das allgemeine Interesse und darin die Erhaltung der besonderen Inter- 25 essen als Staatszweck, 2) die verschiedenen Gewalten als Verwtklichungdieses Staatszwecks, 3) der gebildete, selbstbewußte, wollende und handelnde Geist als das Subjekt des Zwecks und seiner Verwirklichung, diese konkreten Bestimmungen sind äusserlich aufgenommen, hors 30 d'œuvres; ihr philosophischer Sinn ist, daß der Staat in ihnen den logischen Sinn hat: 1) als abstrakte Wirklichkeit oder Substantialität; 2) daß das Substantialitätsverhältniß in das Verhältniß der Nothwendig keit, der substantiellen Wirklichkeit übergeht; 35 3) daß die substantielle Wirklichkeit in Wahrheit Begriff, Subjectivität ist. Mit Auslassung der konkreten Bestimmungen, welche ebenso gut für eine andere Sphäre, ζ. B. die Physik, mit andern konkreten Bestimmungen ver­ tauscht werden können, also unwesentlich sind, haben wir ein Kapitel der 40 Logik vor uns. 18 I. Innere Verfassung für sich Die Substanz muß „sich in Begriffs-Unterschiede dirimiren, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche, feste Bestimmungen sind". Dieser Satz, das Wesen, gehört der Logik und ist vor der Rechtsphilosophie fertig. Daß diese Begriffsunterschiede hier Unterschiede „seiner (des Staats) 5 Wirksamkeit" und die „festen Bestimmungen" Staats „Gewalten" sind, diese Parenthese gehört der Rechtsphilosophie, der politischen Empirie. So ist die ganze Rechtsphilosophie nur Parenthese zur Logik. Die Parenthese ist wie sich von selbst versteht nur hors d'oeuvre der eigentüchen Entwick lung, ι 10 15 20 |22| Cf. zum Beispiel p. 347. „Die Nothwendigkeit besteht darin, daß das Ganze in die Begriffsun terschiede dirimirt sei, und daß dieses DWmirte eine feste und aushaltende Bestimmtheit abgebe, die nicht todtfest ist, sondern in der Auflösung sich immer erzeugt." Cf. auch die Logik. § 271. „Die politische Verfassung ist fit's Erste: die Organisation des Staats und der Proceß seines organischen Lebens in Beziehung auf sich selbst, in welcher er seine Momente innerhalb seiner selbst unterscheidet und sie zum Bestehen entfaltet. Zweitens ist er als eine Individualität ausschliessendes Eins, welches sich damit zu Andern verhält, seine Unterscheidung also nach Aussen kehrt und nach dieser Bestimmung seine bestehenden Unterschiede innerhalb seiner selbst in ihrer Idealität sezt." Zusatz. „Der innerliche Staat als solcher ist die Civilgewalt, die Richtung nach Aussen die Militairgewalt, die aber im Staate eine bestimmte Seite in ihm selbst ist." 25 I) Innere Verfassung für sich. § 272. „Die Verfassung ist vernünftig, insofern der Staat seine Wirksamkeit nach der Natur des Begriffs in sich unterscheidet und bestimmt, und zwar so, daß jede dieser Gewalten selbst in sich die Totalität dadurch ist, daß sie 30 die anderen Momente in sich wirksam hat und enthält, und daß sie, weil sie den Unterschied des Begriffs ausdrücken, schlechthin in seiner Idealität bleiben und nur Ein individuelles Ganzes ausmachen." Die Verfassung ist also vernünftig, insofern seine Momente in die abstrakt logischen aufgelöst werden können. Der Staat hat seine Wirksamkeit nicht 35 nach seiner spezifischen Natur zu unterscheiden und zu bestimmen, sondern nach der Natur des Begriffs, welcher das mystificirte Mobile des abstrakten Gedankens ist. Die Vernunft der Verfassung ist also die abstrakte Logik und 19 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie nicht der Staatsbegriff. Statt des Begriffs der Verfassung, erhalten wir die Verfassung des Begriffs. Der Gedanke richtet sich nicht nach der Natur des Staats, sondern der Staat nach einem fertigen Gedanken. § 273. „Der politische Staat dirimirt sich somit (wie so?) in die substan tiellen Unterschiede a) die Gewalt, das Allgemeine zu bestimmen und festzusetzen, die ge setzgebende Gewalt; | |23| b) der Subsumtion der besondern Sphären und einzelnen Fälle unter das Allgemeine — die Regierungsgewalt; c) Der Subjectivität als der lezten Willensentscheidung, die fürstliche Gewalt, — in der die unterschiedenen Gewalten zur individuellen Einheit zusammengefaßt sind, die also die Spitze und der Anfang des Ganzen, — der konstitutionellen Monarchie, ist." Wir werden auf diese Eintheilung zurückkommen, nachdem wir ihre Ausführung im Besondern geprüft. § 274. „Da der Geist nur als das wirklich ist, als was er sich weiß, und der Staat, als Geist eines Volkes zugleich das alle seine Verhältnisse durch dringende Gesetz, die Sitte und das Bewußtsein seiner Individuen ist, so hängt die Verfassung eines bestimmten Volkes überhaupt von der Weise und Bildung des Selbstbewußtseins desselben ab; in diesem liegt seine subjektive Freiheit, und damit die Wirklichkeit der Verfassung. ... Jedes Volk hat deßwegen die Verfassung, die ihm angemessen ist und für dasselbe ge hört." Aus Hegels Raisonnement folgt nur, daß der Staat, worin „Weise und 5 10 15 20 Bildung des Selbstbewußtseins" und „Verfassung" sich widersprechen, kein 25 wahrer Staat ist. Daß die Verfassung, welche das Product eines vergangnen Bewußtseins war, zur drückenden Fessel für ein fortgeschrittnes werden kann etc étc, sind wohl Trivialitäten. Es würde vielmehr nur die Forderung einer Verfassung folgern, die in sich selbst die Bestimmung und das Princip hat mit dem Bewußtseinfortzuschreiten; fortzuschreiten mit dem wirklichen Menschen, was erst möglich ist, sobald der „Mensch" zum Princip der Verfassung geworden ist. Hegel hier Sophist. 30 a) Die fürstliche Gewalt. § 275. „Die fürstliche Gewalt enthält selbst die 3 Momente der Totalität in sich, die Allgemeinheit der Verfassung und der Gesetze, die Berathung als Beziehung des Besondern auf das Allgemeine, und das Moment der lezten Entscheidung, als der Selbstbestimmung, in welche alles Uebrige zurück geht, und wovon es den Anfang der Wirklichkeit nimmt. Dieß absolute 35 20 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt Selbstbestimmen macht das unterscheidende Princip der fürstlichen Gewalt als solcher aus, welches zuerst zu entwickeln ist." 5 Der Anfang dieses §§ heißt zunächst nichts, als: „Die Allgemeinheit der Verfassung und der Gesetze" sind — die fürstliche Gewalt; die Berathung oder die Beziehung des Besondern auf das Allgemeine ist — die fürstliche Gewalt. Die fürstliche Gewalt steht nicht ausserhalb der Allgemeiriheit der Verfassung und der Gesetze, sobald unter der fürstlichen Gewalt die des Monarchen (constitutionellen) verstanden ist. | |24| Was Hegel aber eigentlich will ist nichts als daß: die „Allgemeinheit der Verfassung und der Gesetze" — die fürstliche Gewalt, die Souverainetät des Staats ist. Es ist dann unrecht, die fürstliche Gewalt zum Subjekt zu machen und da unter fürstlicher Gewalt auch die Gewalt des Fürsten verstanden werden kann, den Schein hervorzubringen, als sei er Herr dieses Moments; das Subjekt desselben. Doch wenden wir uns zunächst zu dem, was Hegel als „das unterscheidende Princip der fürst 10 15 lichen Gewalt als solcher*' ausgiebt, so ist es: „das Moment der lezten Entscheidung, als der Selbstbestimmung, in welche alles Uebrige zurückgeht und wovon es den Anfang der Wirklichkeit nimmt", dieses: 20 „absolute Selbstbestimmen". Hegel sagt hier nichts, als: der wirkliche, d.h. individuelle Wille ist die fürstliche Gewalt. So heißt es § 12: „Daß der Wille s i c h . .. die Form der Einzelnheitgiebt, ist er beschliessend und nur als beschliessender Wille ist er wirklicher Wille." 25 Insofern dieß Moment der „lezten Entscheidung" oder der „absoluten Selbstbestimmung" getrennt ist von der „Allgemeinheit" des Inhalts und der Besonderheit der Berathung, ist es der wirkliche Wille als Willkühr. Oder: „Die Willkühr ist die fürstliche Gewalt." oder „Die fürstliche Gewalt ist die Willkühr." 30 § 276. „Die Grundbestimmung des politischen Staats ist die substantielle Einheit als Idealität seiner Momente, in welcher: α) die besonderen Gewalten und Geschäfte desselben ebenso aufgelöst als erhalten, und nur so erhalten sind, als sie keine unabhängige, sondern allein eine solche und so weit gehende Berechtigung haben, als in der Idee des 35 Ganzen bestimmt ist, von seiner Macht ausgehen und flüssige Glieder des selben, als ihres einfachen Selbsts sind." Zusatz. „Mit dieser Idealität der Momente ist es, wie mit dem Leben im organischen Körper." Versteht sich: Hegel spricht nur von der Idee „der besondern Gewalten und Geschäfte". Sie sollen nur eine „so weit gehende Berechtigung haben, 40 als in der Idee des Ganzen bestimmt ist", sie sollen nur „von seiner Macht ausgehen". Daß dieß so sein soll liegt in der Idee des Organismus. Es wäre 21 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie aber eben zu entwickeln gewesen, wie dieß zu bewerkstelligen ist. Denn im Staat muß bewußte Vernunft herrschen; die substantielle blos innere und darum blos äussere Nothwendigkeit, die zufällige Verschränkung der „Ge walten und Geschäfte" kann ||VIL25| nicht für das vernünftige ausgegeben werden. § 277. ß) „Die besonderen Geschäfte und Wirksamkeiten des Staats sind als die wesentlichen Momente desselben ihm eigen, und an die Individuen, durch welche sie gehandhabt und bethätigt werden, nicht nach deren un mittelbaren Persönlichkeit, sondern nur nach ihren allgemeinen und objek tiven Qualitäten geknüpft und daher mit der besonderen Persönlichkeit als solcher äusserlicher und zufälligerweise verbunden. Die Staatsgeschäfte und Gewalten können daher nicht Privat-Eigenthum sein." 5 10 Es versteht sich von selbst, daß wenn besondere Geschäfte und Wirk samkeiten als Geschäfte und Wirksamkeit des Staats, als Staatsgeschäftxmd Staatsgewalt bezeichnet werden, sie nicht Privat-Eigenthum, sondern Staats- Eigenthum sind. Das ist eine Tautologie. 15 Die Geschäfte und Wirksamkeiten des Staats sind an Individuen geknüpft (der Staat ist nur wirksam durch Individuen) aber nicht an das Individuum als physisches, sondern als staatliches, an die Staatsqualität des Individuums. Es ist daher lächerlich, wenn Hegel sagt: sie seien „mit der besondern 20 Persönlichkeit als solcher äusserlicher und zu fälliger weise verbunden". Sie sind vielmehr durch ein vinculum substantiale, durch eine wesentliche Qualität desselben mit ihm verbunden. Sie sind die natürliche Aktion seiner wesentlichen Qualität. Es kömmt dieser Unsinn dadurch herein, daß Hegel die Staatsgeschäfte und Wirksamkeiten abstrakt für sich und im Gegensatz dazu die besondere Individualität faßt; aber er vergißt, daß die besondere Individualität eine menschliche und die Staatsgeschäfte und Wirksamkeiten menschliche Funktionen sind; er vergißt daß das Wesen der „besondern Persönlichkeit" nicht ihr Bart, ihr Blut, ihre abstrakte Physis, sondern ihre sociale Qualität ist und daß die Staatsgeschäfte etc. nichts als Daseins und Wirkungsweisen der socialen Qualitäten des Menschen sind. Es versteht sich also, daß die Individuen, insofern sie die Träger der Staatsgeschäfte und Gewalten sind, ihrer socialen und nicht ihrer privaten Qualität nach be trachtet werden. | 25 30 |26| § 278. „Diese beiden Bestimmungen, daß die besonderen Geschäfte 35 und Gewalten des Staats weder für sich, noch in dem besondren Willen von Individuen selbstständig und fest sind, sondern in der Einheit des Staats als ihrem einfachen Selbst ihre lezte Wurzel haben, macht die Souverainetät des Staats aus." „Der Despotismus bezeichnet überhaupt den Zustand der Gesetzeslosig- 40 keit, wo der besondere Wille als solcher, es sei nun eines Monarchen oder 22 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt eines Volks, als Gesetz oder vielmehr statt des Gesetzes gilt, da hingegen die Souverainetät gerade im gesetzlichen, konstitutionellen Zustande das Mo ment der Idealität der besondern Sphären und Geschäfte ausmacht, daß nämlich eine solche Sphäre nicht ein Unabhängiges, in ihren Zwecken und 5 Wirkungsweisen Selbstständiges und sich nur in sich Vertiefendes, sondern in diesen Zwecken und Wirkungsweisen vom Zwecke des Ganzen (den man im Allgemeinen mit einem unbestimmten Ausdrucke das Wohl des Staats genannt hat) bestimmt und abhängig sei. Diese Idealität kommt auf die gedoppelte Weise zur Erscheinung. — Im friedlichen Zustande gehn die 10 besondern Sphären und Geschäfte den Gang der Befriedigung ihrer be sondern Geschäfte fort, und es ist Theils nur die Weise der bewußtlosen Nothwendigkeit der Sache, nach welcher ihre Selbstsucht in den Beitrag zur gegenseitigen Erhaltung und zur Erhaltung des Ganzen umschlägt, Theils aber ist es die direkte Einwirkung von oben, wodurch sie sowohl zu dem 15 Zwecke des Ganzen fortdauernd zurückgeführt und darnach beschränkt als angehalten werden, zu dieser Erhaltung direkte Leistungen zu machen; — im Zustande der Noth aber, es sei innerer oder äusserlicher, ist es die Souverainetät, in deren einfachen Begriff der dort in seinen Besonderheiten bestehende Organismus zusammengeht, und welcher die Rettung des Staats 20 mit Aufopferung dieses sonst Berechtigten anvertraut ist, wo denn jener 25 Idealismus zu seiner eigentümlichen Wirklichkeit kommt." Dieser Idealismus ist also nicht entwickelt zu einem gewußten, vernünf tigen System. Er erscheint im friedlichen Zustande entweder nur als ein äusserlicher Zwang, der der herrschenden Macht, dem Privatleben durch „direkte Einwirkung von oben" angethan ||27| wird, oder als blindes un- gewußtes Resultat der Selbstsucht. Seine „eigenthümliche Wirklichkeit" hat dieser Idealismus nur im „Kriegs oder Nothzustand" des Staats, so daß sich hier sein Wesen als „Kriegs und Nothzustand" des wirklichen bestehenden Staats ausspricht, während sein „friedticher" Zustand eben der Krieg und 30 die Noth der Selbstsucht ist. Die Souverainetät, der Idealismus des Staats existirt daher nur als innere Nothwendigkeit: als Idee. Auch damit ist Hegel zufrieden, denn es handelt sich nur um die Idee. Die Souverainetät existirt also einerseits nur als be wußtlose, blinde Substanz. Wir werden sogleich ihre andere Wirklichkeit 35 kennen lernen. § 279. „Die Souverainetät, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idealität, existirt nur als die ihrer selbstgewisse Subjectivität und als 40 die abstrakte, insofern grundlose 1) „Die Souverainetät, zunächst nur der allgemeine Gedanke dieser Idea- lität, existirt nur als die ihrer selbst- gewisse Subjectivität. Die Subjeeti- vität aber ist in ihrer Wahrheit nur als 23 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung liegt. Es ist dieß das Individuelle des Staats als solches, der selbst darin nur Einer ist. Die Subjectivität aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subject, die Persönlichkeit nur als Person, und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffs für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung. Dieß absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die In dividualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch." Subject, die Persönlichkeit nur als Person . .. in der zur reellen Ver nünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffs für sich wirkliche ausge- sonderte Gestaltung." 5 2) Die Souverainetät „existirt nur als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung 1 o liegt. Es ist dieß das Individuelle des Staats als solches, der selbst darin nur Einer ist . .. (und in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Mo- 15 mente des Begriffs seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestal tung.) Dieß absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, son- 20 dern Ein arch." Individuum, der Mon Der erste Satz heißt nichts, als daß der allgemeine Gedanke dieser Ideali tät, dessen traurige Existenz wir eben gesehn haben, das selbstbewußte Werk der Subjekte sein und als solches für sie und in ihnen existiren 25 müßte. I |28| Wäre Hegel von den wirklichen Subjekten, als den Basen des Staats ausgegangen, so hätte er nicht nöthig auf eine mystische Weise den Staat sich versubjektiviren zu lassen. „Die Subjektivität", sagt Hegel „aber ist in ihrer Wahrheit nur als Subjekt, die Persönlichkeit nur als Person." Auch dieß ist eine Mystification. Die Subjektivität ist eine Bestimmung des Subjekts, die Persönlichkeit eine Bestimmung der Person. Statt sie nun als Prädicate ihrer Subjekte zu fassen, verselbstständigt Hegel die Prädicate und läßt sie hinterher auf eine mystische Weise in ihre Subjekte sich verwandeln. 30 Die Existenz der Prädicate ist das Subject: also das Subject die Existenz 35 der Subjectivität etc. Hegel verselbstständigt die Prädicate, die Objekte, aber er verselbstständigt sie getrennt von ihrer wirklichen Selbstständigkeit, ihrem Subjekt. Nachher erscheint dann das wirkliche Subjekt als Resultat, während vom wirklichen Subjekt auszugehn und seine Objektivation zu betrachten ist. Zum wirklichen Subject wird daher die mystische Substanz 40 24 ψ- I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt und das reelle Subjekt erscheint als ein andres, als ein Moment der my stischen Substanz. Eben weil Hegel von den Prädicaten, der allgemeinen Bestimmung statt von dem reellen Ens (ύποκείμενον, Subjekt) ausgeht und doch ein Träger dieser Bestimmung da sein muß, wird die mystische Idee 5 dieser Träger. Es ist dieß der Dualismus, daß Hegel das Allgemeine nicht als das wirkliche Wesen des Wirklich Endlichen, d. i. Existirenden, Bestimm ten betrachtet oder das wirkliche Ens nicht als das wahre Subjekt des Unendlichen. 10 So wird hier die Souverainetät, das Wesen des Staats, zuerst als ein selbstständiges Wesen betrachtet, vergegenständlicht. Dann versteht sich, muß Dieß Objektive wieder Subjekt werden. Dieß Subjekt erscheint aber dann als eine Selbstverkörperung der Souverainetät, während die Souverai netät nichts anders ist, als der vergegenständlichte Geist der Staatssub jekte. 15 Abgesehn von diesem Grundmangel der Entwicklung, betrachten wir diesen ersten Satz des §§, wie er da liegt, so heißt er nichts als die Sou verainetät, der Idealismus des Staats als Person, als Subjekt existirt, versteht sich als viele Personen, viele Subjekte, da keine einzelne Person die Sphäre der Persönlichkeit, kein einzelnes Subjekt die Sphäre der Subjektivität in sich absorbirt. Was sollte das auch für ein Staatsidealismus sein, der statt als das wirkliche Selbstbewußtsein der Staatsbürger, als die gemeinsame Seele des Staats, eine Person, ein Subjekt wäre. Mehr hat Hegel auch nicht an diesem Satz entwickelt. Aber betrachten wir nun ||VIII.29| den mit diesem Satz verschränkten zweiten Satz. Es ist Hegeln darum zu thun, den Mon- 25 archen als den wirklichen Gottmenschen, als die wirkliche Verkörperung der 20 Idee darzustellen. 30 „Die Souverainetät... existirt mir... als die abstrakte, insofern grundlose Selbstbestimmung des Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung hegt. Es ist dieß das Individuelle des Staats als solches, der selbst nur darin Einer i s t . .. in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung hat jedes der drei Momente des Begriffes seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestal tung. Dieß absolut entscheidende Moment des Ganzen ist daher nicht die Individualität überhaupt, sondern Ein Individuum, der Monarch." Wir haben vorhin schon auf den Satz aufmerksam gemacht: Das Moment 35 des Beschhessens, der willkührlichen, weil bestimmten Entscheidung ist die fürstliche Gewalt des Willens überhaupt. Die Idee der fürstlichen Gewalt, wie sie Hegel entwickelt ist nichts anders als die Idee des Willkührlichen, der Entscheidung des Willens. 40 Während Hegel aber eben die Souverainetät als den Idealismus des Staats, als die wirkliche Bestimmung der Theile durch die Idee des Ganzen auffaßte, macht er sie jezt zur „abstrakten, insofern grundlosen Selbstbestimmung des 25 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 5 Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung ist. Es ist dieß das In dividuelle des Staats als solches." Vorhin war von der Subjektivität, jezt ist von der Individualität die Rede. Der Staat als Souverainer muß Einer, Ein Individuum sein, Individualität besitzen. Der Staat ist „nicht nur" darin, in dieser Individualität Einer; die Individualität ist nur das natürliche Moment seiner Einheit; die Naturbestimmung des Staats. „Dieß absolut ent scheidende Moment ist daher nicht die Individualität überhaupt; sondern Ein Individuum, der Monarch." Woher? Weil „jedes der drei Momente des Begriffs in der zur reellen Vernünftigkeit gediehenen Verfassung seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung" hat. Ein Moment des Begriffs ist die „Einzelnheit"; allein dieß ist noch nicht Ein Individuum. Und was sollte das auch für eine Verfassung sein, wo die Allgemeinheit, die Besonderheit, die Einzelnheit, jede „seine für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung" hätte? Da es sich überhaupt von keinem abstractum, sondern vom Staat, von der Gesellschaft handelt, so kann man selbst die Classification Hegels an- 15 nehmen. Was folgte daraus? Der Staatsbürger als das Allgemeine be stimmend ist Gesetzgeber, als das Einzelne entscheidend, als wirklich wollend, ist Fürst; was sollte das heissen: Die Individualität des Staatswillens ist „ein Individuum", ein besonderes von allen anderen ||30| unterschiedenes Individuum? Auch die Allgemeinheit, die Gesetzgebung hat eine „für sich wirkliche ausgesonderte Gestaltung". Könnte man daher schliessen: „Die Gesetzgebung sind diese besondern Individuen." 10 20 Der gemeine Mann: 2) Der Monarch hat die souveraine Hegel: 2) Die Souverainetät des Staats ist Gewalt, die Souverainetät. der Monarch. 25 3) Die Souverainetät thut, was sie will. 3) Die Souverainetät ist „die ab strakte, insofern grundlose Selbst bestimmung des Willens, in welcher das Lezte der Entscheidung liegt". Alle Attribute des constitutionellen Monarchen im jetzigen Europa macht 30 Hegel zu absoluten Selbstbestimmungen des Willens. Er sagt nicht: Der Wille des Monarchen ist die lezte Entscheidung, sondern die lezte Entscheidung des Willens ist — der Monarch. Der erste Satz ist empirisch. Der zweite verdreht die empirische Thatsache in ein metaphysisches Axiom. Hegel verschränkt die beiden Subjekte, die Souverainetät „als die ihrer 35 selbstgewisse Subjectivität" und die Souverainetät „als die grundlose Selbst bestimmung des Willens", als den individuellen Willen durch einander, um die „Idee" als „Ein Individuum" heraus zu construiren. Es versteht sich, daß die selbstgewisse Subjectivität auch wtklich wollen, 26 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt auch als Einheit, als Individuum wollen muß. Wer hat aber auch je be zweifelt, daß der Staat durch Individuen handelt? Wollte Hegel entwickeln: Der Staat muß ein Individuum als Repräsentanten seiner individuellen Ein heit haben, so brachte er den Monarchen nicht heraus. Wir halten als po- sitives Resultat dieses § nur fest: 5 Der Monarch ist im Staat das Moment des Individuellen Willens, der grundlosen Selbstbestimmung, der Willkühr. Die Anmerkung Hegels zu diesem § ist so merkwürdig, daß wir sie näher beleuchten müssen. 10 „Die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ableitung ihres ganzen Inhaltes aus dem einfachen Begriffe zeigt das EigenthümHche, daß der eine und derselbe Begriff, hier der Wille, der Anfangs, weil es der Anfang ist, abstrakt ist, sich erhält, aber seine Bestimmungen und zwar ebenso nur durch sich selbst verdichtet und auf diese Weise einen konkreten Inhalt 15 gewinnt. So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte abstrakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von Subjektivität fortgebildet hat, ||3l| und hier im absoluten Rechte, dem Staate, der vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlich keit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst — dieses Lezte, was alle 20 Besonderheiten in dem einfachen Selbst aufhebt, das Abwägen der Gründe und Gegengründe, zwischen denen sich immer herüber und hinüber schwanken läßt, abbricht, und sie durch das: Ich will, beschließt und alle Handlung und Wirklichkeit anfängt." Zunächst ist es nicht die „Eigenthümlichkeit der Wissenschaft", daß der 25 Fundamentalbegriff der Sache immer wiederkehrt. Dann hat aber auch kein Fortschritt stattgefunden. Die abstrakte Per sönlichkeit war das Subjekt des abstrakten Rechts; sie hat sich nicht ver ändert; sie ist wieder als abstrakte Persönlichkeit die Persönlichkeit des Staats. Hegel hätte sich nicht darüber verwundern sollen, daß die wirkliche 30 Person — und die Personen machen den Staat — überall als sein Wesen wiederkehrt. Er hätte sich über das Gegentheil wundern müssen, noch mehr aber darüber, daß die Person als Staatsperson in derselben dürftigen Ab straktion wiederkehrt, wie die Person des Privatrechts. Hegel def inirt hier den Monarchen als „die Persönlichkeit des Staats, seine 35 Gewißheit seiner selbst". Der Monarch ist die „personificirte Souveraine tät", die „Menschgewordne Souverainetät", das leibliche Staatsbewußtsein, wodurch also alle andern von dieser Souverainetät und von der Persönlich keit und vom Staatsbewußtsein ausgeschlossen sind. Zugleich weiß aber Hegel dieser «Souveraineté Personne" keinen andern Inhalt zu geben, als 40 das: „Ich will", das Moment der Willkühr im Willen. Die „Staatsvernunft" und das „Staatsbewußtsein" ist eine „einzige" empirische Person mit Aus- 27 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Schluß aller andern, aber diese personificirte Vernunft hat keinen andern Inhalt, als die Abstraktion des: „Ich will." L'état c'est moi. „Die Persönlichkeit und die Subjectivität überhaupt hat aber ferner, als unendliches sich auf sich Beziehendes, schlechthin nur Wahrheit und zwar seine nächste unmittelbare Wahrheit als Person, für sich seiendes Subjekt, und das für sich Seiende ist ebenso scMechthin nur Eins." Es versteht sich von selbst, da Persönlichkeit und Subjectivität nur Prädicate der Person und des Subjects sind, so existiren sie nur als Person und Subjekt, und zwar ist die Person Eins. Aber mußte Hegel fortfahren, das Eins hat schlechthin nur Wahrheit als viele Eins. Das Prädicat, das Wesen erschöpft die Sphäre seiner Existenz nie in einem Eins, sondern in den vielen Eins. \ 5 10 |32| Statt dessen schließt Hegel: „Die Persönlichkeit des Staates ist nur als eine Person, der Monarch wirklich." Also weil die Subjectivität nur als Subjekt, und das Subjekt nur als Eins, ist die Persönlichkeit des Staats nur als eine Person wirklich. Ein 15 schöner Schluß. Hegel konnte eben so gut schliessen: Weil der einzelne Mensch ein Eins ist, ist die Menschengattung nur Ein einziger Mensch. „Persönlichkeit drückt den Begriff als solchen aus, die Person enthält zugleich die Wirklichkeit desselben, und der Begriff ist nur mit dieser Be stimmung Idee, Wahrheit." Die Persönlichkeit ist allerdings nur eine Ab- straktion ohne die Person; aber die Person ist nur die wirkliche Idee der Persönlichkeit in ihrem Gattungsdasein, als die Personen. 20 „Eine sogenannte moralische Person, Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so konkret sie in sich ist, hat die Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; sie ist darin nicht zur Wahrheit ihrer Existenz gekommen, der Staat aber ist 25 eben diese Totalität, in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit nach ihrer eigenthümlichen Wahrheit gelangen." Es herrscht eine grosse Confusion in diesem Satz. Die moralische Person, Gesellschaft etc. wird abstrakt genannt, also eben die Gattungsgestaltungen, in welchen die wirk liche Person ihren wirklichen Inhalt zum Dasein bringt, sich verobjektivirt und die Abstraktion der „Person quand même" aufgiebt. Statt diese Verwirklichung der Person als das Konkretste anzuerkennen, soll der Staat den Vorzug haben, daß „das Moment des Begriffs", die „Einzelnheit" zu einem mystischen „Dasein" gelangt. Das Vernünftige besteht nicht darin, daß die Vernunft der wirklichen Person, sondern darin, daß die Momente 35 des abstrakten Begriffs zur Wirklichkeit gelangen. 30 „Der Begriff des Monarchen ist deswegen der schwerste Begriff für das Raisonnement, d. h. für die reflektirende Verstandesbetrachtung, weil es in den vereinzelten Bestimmungen stehen bleibt, und darum dann auch nur Gründe, endliche Gesichtspunkte und das Ableiten aus Gründen kennt. So 40 stellt es dann die Würde des Monarchen als etwas nicht nur der Form, 28 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt 5 10 15 sondern ihrer Bestimmung nach Abgeleitetes dar; vielmehr ist sein Begriff, nicht ein Abgeleitetes, sondern das schlechthin aus sich Anfangende zu sein. Am nächsten (freilich) trifft daher hiermit die Vorstellung zu, das Recht des Monarchen als auf göttliche Autorität gegründet zu betrachten, denn darin ist das Unbedingte desselben enthalten." „Schlechthin aus sich anfangend" ist in gewissem Sinn jedes Dasein; in dieser Hinsicht die Laus des Monarchen so gut, als der Monarch. Hegel hätte damit also nichts besondres über den Monarchen gesagt. Soll aber etwas von allen Uebrigen Objekten der Wissenschaft und der Rechtsphilosophie spezifisch verschiednes vom Monarchen gelten, so ist das eine wirkliche Narrheit; blos in sofern richtig als die „eine Person-Idee" allerdings etwas nur aus der Imagination und nicht aus dem Verstände Abzuleitendes ist. | ¡IX.33J „Volks-Souverainetät kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein Volk überhaupt nach Aussen ein Selbstständiges sei und einen eignen Staat ausmache etc." Das ist eine Trivialität. Wenn der Fürst die „wirkliche Staatssouverainetät" ist, so müßte auch nach Aussen „der Fürst" für einen „selbstständigen Staat" gelten können; auch ohne das Volk. Ist er aber souverain, insofern er die Volks Einheit repräsentirt, so ist er also selbst nur Repräsentant, Symbol der Volkssouverainetät. Die Volkssouverainetät ist 20 nicht durch ihn, sondern er durch sie. „Man kann so auch von der Souverainetät nach Innen sagen, daß sie im Volke residiré, wenn man nur überhaupt vom Ganzen spricht, ganz so wie vorhin (§ 277,278) gezeigt ist, daß dem Staate Souverainetät zukomme." Als wäre nicht das Volk der wirkliche Staat. Der Staat ist ein Abstractum. Das 25 Volk allein ist das Concretum. Und es ist merkwürdig, daß Hegel, der ohne Bedenken dem Abstractum, nur mit Bedenken und Klauseln dem Concretum eine lebendige Qualität, wie die der Souverainetät beilegt. „Aber Volks-Souverainetät als im Gegensatz gegen die im Monarchen existirende Souverainetät genommen, ist der gewöhnliche Sinn, in welchem 30 man in neueren Zeiten von Volks-Souverainetät zu sprechen angefangen hat, — in diesem Gegensatze gehört die Volks-Souverainetät zu den verworrenen Gedanken, denen die wüste Vorstellung des Volkes zu Grunde liegt." Die „verworrenen Gedanken" und die „wüste Vorstellung" befindet sich hier allein auf der Seite Hegels. Allerdings: wenn die Souverainetät im 35 Monarchen existirt, so ist es eine Narrheit von einer gegensätzlichen Souverainetät im Volke zu sprechen, denn es hegt im Begriff der Souverai netät, daß sie keine doppelte und gar entgegengesezte Existenz haben kann. Aber: 40 1) ist grade die Frage: Ist die Souverainetät, die im Monarchen absorbirt ist, nicht eine Illusion? Souverainetät des Monarchen oder des Volkes, das ist die question; 29 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 2) kann auch von einer Souverainetät des Volkes im Gegensatz gegen die im Monarchen existirende Souverainetät gesprochen werden. Aber dann handelt es sich nicht um eine und dieselbe Souverainetät, die auf zwei Seiten entstanden, sondern es handelt sich um ||34| zwei ganz entgegengesezte Begräfe der Souverainetät, von denen die eine eine solche ist, die in einem Monarchen, die andre eine solche, die nur in einem Volke zur Existenz kommen kann. Ebenso wie es sich fragt: Ist Gott der Souverain oder ist der Mensch der Souverain. Eine von beiden ist eine Unwahrheit, wenn auch eine existirende Unwahrheit. 5 „Das Volk ohne seinen Monarchen und die eben damit nothwendig und unmittelbar zusammenhängende Gegliederung des Ganzen genommen, ist die formlose Masse, die kein Staat mehr ist, und der keine der Bestimmungen, die nur in dem in sich geformten Ganzen vorhanden sind, — Souverainetät, Regierung, Gerichte, Obrigkeit, Stände und was es sei, mehr zukommt. Damit daß solche auf eine Organisation, das Staatsleben, sich beziehende Momente 15 in einem Volke hervortreten, hört es auf, dieß unbestimmte Abstraktum zu sein, das in der blos allgemeinen Vorstellung Volk heißt." 10 Dieß Ganze eine Tautologie. Wenn ein Volk einen Monarchen und eine mit ihm nothwendig und unmittelbar zusammenhängende Gliederung hat, d. h. wenn es als Monarchie gegliedert ist, so ist es allerdings, aus dieser 20 Gliederung herausgenommen, eine formlose Masse und blos allgemeine Vorstellung. „Wird unter der Volks-Souverainetät die Form der Republik und zwar bestimmter der Demokratie verstanden, so—kann gegen die entwickelte Idee nicht mehr von solcher Vorstellung die Rede sein." 25 Das ist allerdings richtig, wenn man nur eine „solche Vorstellung" und keine „entwickelte Idee" von der Demokratie hat. Die Demokratie ist die Wahrheit der Monarchie, die Monarchie ist nicht die Wahrheit der Demokratie. Die Monarchie ist nothwendig Demokratie als Inconsequenz gegen sich selbst, das monarchische Moment ist keine In- 30 consequenz in der Demokratie. Die Monarchie kann nicht, die Demokratie kann aus sich selbst begriffen werden. In der Demokratie erlangt keins der Momente eine andere Bedeutung als ihm zukommt. Jedes ist wirklich nur Moment des ganzen Demos. In der Monarchie bestimmt ein Theil den Charakter des Ganzen. Die ganze Verfassung muß sich nach dem festen 35 Punkt modificiren. Die Demokratie ist die Verfassungsgattung. Die Mon archie ist eine Art und zwar eine schlechte Art. Die Demokratie ist Inhalt und Form. Die Monarchie soll nur Form sein, aber sie verfälscht den In halt, ι |35| In der Monarchie ist das Ganze, das Volk, unter eine seiner Daseins- 40 weisen, die politische Verfassung subsumirt; in der Demokratie erscheint die 30 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt Verfassung selbst nur als eine Bestimmung und zwar Selbstbestimmung des Volks. In der Monarchie haben wir das Volk der Verfassung; in der De mokratie die Verfassung des Volks. Die Demokratie ist das aufgelöste Räthsel aller Verfassungen. Hier ist die Verfassung nicht nur an sich, dem 5 Wesen nach, sondern der Existenz, der Wirklichkeit nach in ihren wirklichen Grund, den wtklichen Menschen, das wirkliche Volk, stets zurückgeführt und als sein eignes Werk gesezt. Die Verfassung erscheint als das, was sie ist, freies Produkt des Menschen; man könnte sagen, daß dieß in gewisser Beziehung auch von der konstitutionellen Monarchie gelte, allein der spe lo zifische Unterschied der Demokratie ist, daß hier die Verfassung überhaupt nur ein Daseinsmoment des Volkes, daß nicht die politische Verfassung für sich den Staat bildet. Hegel geht vom Staat aus und macht den Menschen zum versubjektivirten Staat; die Demokratie geht vom Menschen aus und macht den Staat zum 15 verobjektivirten Menschen. Wie die Religion nicht den Menschen, sondern wie der Mensch die Religion schafft, so schafft nicht die Verfassung das Volk, sondern das Volk die Verfassung. Die Demokratie verhält sich in gewisser Hinsicht zu allen übrigen Staatsformen, wie das Christenthum sich zu allen übrigen Religionen verhält. Das Christentum ist die Religion κατ' 20 εξοχήν, das Wesen der Religion, der deif icirte Mensch, als eine besondre Religion. So ist die Demokratie das Wesen aller Staatsverfassung, der so- cialisirte Mensch, als eine besondre Staatsverfassung; sie verhält sich zu den übrigen Verfassungen, wie die Gattung sich zu ihren Arten verhält, nur daß hier die Gattung selbst als Existenz, darum gegenüber den dem Wesen nicht entsprechenden Existenzen selbst als eine besondre Art erscheint. Die Demokratie verhält sich zu allen übrigen Staatsformen als ihrem alten Testament. Der Mensch ist nicht des Gesetzes, sondern das Gesetz ist des Menschen wegen da, es ist menschliches Dasein, während in den andern der Mensch das gesetzliche Dasein ist. Das ist die Grunddifferenz der De- 25 30 mokratie. | |36| Alle übrigen Staatsbildungen sind eine gewisse, bestimmte, besondere Staats/orm. In der Demokratie ist das formelle Princip zugleich das ma terielle Princip. Sie ist daher erst die wahre Einheit des Allgemeinen und Besondern. In der Monarchie ζ. B., in der Republik als einer nur besondern 35 Staatsform, hat der politische Mensch sein besondres Dasein neben dem unpolitischen, dem Privatmenschen. Das Eigenthum, der Vertrag, die Ehe, die bürgerliche Gesellschaft erscheinen hier, (wie dieß Hegel für diese abstrakten Staatsformen ganz richtig entwickelt, nur, daß er die Idee des Staats zu entwickeln meint) als besondre Daseinsweisen neben dem poli tischen Staat, als der Inhalt, zu dem sich der politische Staat als die or ganistende Form verhält, eigentlich nur als der bestimmende, be- to 31 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie schränkende, bald bejahende, bald verneinende, in sich selbst Inhaltslose Verstand. In der Demokratie ist der politische Staat, so weit er sich neben diesen Inhalt stellt und von ihm unterscheidet, selbst nur ein besondrer Inhalt, wie eine besondre Daseinsform des Volkes. In der Monarchie z.B. hat dieß Besondre, die politische Verfassung, die Bedeutung des alles Be- sondere beherrschenden und bestimmenden Allgemeinen. In der Demokratie ist der Staat als Besondres nur Besondres, als Allgemeines das wirkliche Allgemeine, d. h. keine Bestimmtheit im Unterschied zu dem andern Inhalt. Die neueren Franzosen haben dieß so aufgefaßt, daß in der wahren De mokratie der politische Staat untergehe. Dieß ist in sofern richtig, als er qua politischer Staat, als Verfassung, nicht mehr für das Ganze gilt. 5 10 In allen von der Demokratie unterschiednen Staaten ist der Staat, das Gesetz, die Verfassung das Herrschende, ohne daß er wirklich herrschte, d. h. den Inhalt der übrigen nicht politischen Sphären materiell durchdringe. In der Demokratie ist die Verfassung, das Gesetz, der Staat selbst nur eine 15 Selbstbestimmung des Volks und ein bestimmter Inhalt desselben, so weit er poütische Verfassung ist. Es versteht sich übrigens von selbst, daß alle Staatsformen zu ihrer Wahrheit die Demokratie haben und daher eben so weit sie nicht die De mokratie sind, unwahr sind. 20 In den alten Staaten bildet der politische Staat den Staatsinhalt mit Aus schliessung der andern Sphären; der moderne Staat ist eine Accommodation zwischen dem politischen und dem unpolitischen Staat. | |X.37| In der Demokratie hat der abstrakte Staat aufgehört das Herrschende Moment zu sein. Der Streit zwischen Monarchie und Republik 25 ist selbst noch ein Streit innerhalb des abstrakten Staats. Die politische Republik ist die Demokratie innerhalb der abstrakten Staatsform. Die ab strakte Staatsform der Demokratie ist daher die Republik; sie hört hier aber auf die nur politische Verfassung zu sein. Das Eigenthum etc. kurz der ganze Inhalt des Rechts und des Staats ist 30 mit wenigen Modificationen in Nordamerika dasselbe, wie in Preussen. Dort ist also die Republik eine blose Staats/oroi, wie hier die Monarchie. Der Inhalt des Staats liegt ausserhalb dieser Verfassungen. Hegel hat daher Recht, wenn er sagt: Der politische Staat ist die Verfassung; d. h. der ma terielle Staat ist nicht politisch. Es findet hier nur eine äussere Identität, eine Wechselbestimmung statt. Von den verschiedenen Momenten des Volks lebens war es am schwersten, den politischen Staat, die Verfassung, her auszubilden. Sie entwickelte sich als die allgemeine Vernunft gegenüber den andern Sphären, als ein Jenseitiges derselben. Die geschichtliche Aufgabe bestand dann in ihrer Revindication, aber die besondern Sphären haben dabei nicht das Bewußtsein, daß ihr privates Wesen mit dem jenseitigen Wesen 35 40 32 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt der Verfassung oder des politischen Staats fällt und daß sein jenseitiges Dasein nichts andres als der Affirmativ ihrer eignen Entfremdung ist. Die politische Verfassung war bisher die religiöse Sphäre, die Religion des Volkslebens, der Himmel seiner Allgemeinheit gegenüber dem irdischen 5 Dasein seiner Wirklichkeit. Die politische Sphäre war die einzige Staats sphäre im Staat, die einzige Sphäre worin der Inhalt, wie die Form Gattungs inhalt, das wahrhaft Allgemeine war, aber zugleich so, daß weil diese Sphäre den andern gegenüberstand, auch ihr Inhalt zu einem formellen und be sondern wurde. Das politische Leben im modernen Sinn ist der Scholasticis- 10 mus des Volkslebens. Die Monarchie ist der vollendete Ausdruck dieser Entfremdung. Die Republik ist die Negation derselben innerhalb ihrer eignen Sphäre. Es versteht sich, daß da erst die politische Verfassung als solche ausgebildet ist, wo die Privatsphären eine selbstständige Existenz erlangt haben. Wo Handel und Grundeigenthum unfrei, noch nicht ver selbstständigt sind, ist es auch noch nicht die politische Verfassung. Das Mittelalter war die Demokratie der Unfreiheit. \ 15 |38| Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört. Die Abstraktion des politischen Staats ist ein modernes Produkt. Im Mittelalter gab es Leibeigene, Feudalgut, Gewerbe-Corporation, Ge- lehrten-Corporation etc. ; d. h. im Mittelalter ist Eigenthum, Handel, Societät, Mensch politisch; der materielle Inhalt des Staats ist durch seine Form gesezt; jede Privatsphäre hat einen politischen Charakter oder ist eine politische Sphäre; oder die Politik ist auch der Charakter der Privatsphären. Im Mittelalter ist die politische Verfassung die Verfassung des Privat eigenthums, aber nur, weil die Verfassung des Privateigenthums politische Verfassung ist. Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der Mensch ist das wirkliche Princip des Staats, aber der unfreie Mensch. Es ist also die Demokratie der Unfreiheit, die durchgeführte Entfremdung. Der abstrakte reflektirte Gegensatz gehört erst der modernen Welt. Das Mittel alter ist der wirkliche, die moderne Zeit ist abstrakter Dualismus. 20 25 30 „Auf der vorhin bemerkten Stufe, auf welcher die Eintheilung der Ver fassungen in Demokratie, Aristokratie und Monarchie gemacht worden ist, dem Standpunkte der noch in sich bleibenden substantiellen Einheit, die noch 35 nicht zu ihrer unendlichen Unterscheidung und Vertiefung in sich gekommen ist, tritt das Moment der lezten sich selbst bestimmenden Willensentschei dung nicht als immanentes organisches Moment des Staats für sich in eigen- thümliche Wirklichkeit heraus." In der unmittelbaren Monarchie, Demokratie, Aristokratie giebt es noch 40 keine politische Verfassung im Unterschied zu dem wirklichen, materiellen Staat oder dem übrigen Inhalt des Volkslebens. Der politische Staat erscheint 33 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie noch nicht als die Form des materiellen Staats. Entweder ist, wie in Griechen land, die respublica, die wirkliche Privatangelegenheit, der wirkliche Inhalt der Bürger und der Privatmensch ist Sklave; der politische Staat als politi scher ist der wahre einzige Inhalt ihres Lebens und Wollens; oder, wie in der asiatischen Despotie, der politische Staat ist nichts als die Privatwülkühr eines Einzelnen Individuums oder der politische Staat, wie der materielle ist Sklave. Der Unterschied des modernen Staats ||39| von diesen Staaten der substantiellen Einheit zwischen Volk und Staat, besteht nicht darin, daß die verschiedenen Momente der Verfassung zu besonderer Wirklichkeit aus gebildet sind, wie Hegel will, sondern darin, daß die Verfassung selbst zu 10 einer besondern Wirklichkeit neben dem wirklichen Volksleben ausgebildet ist, daß der politische Staat zur Verfassung des übrigen Staats geworden ist. 5 § 280. „Dieses lezte Selbst des Staatswillens ist in dieser seiner Abstraktion einfach und daher unmittelbare Einzelnheit; in seinem Begriffe selbst liegt hiermit die Bestimmung der Natürlichkeit; der Monarch ist daher wesentlich als dieses Individuum, abstrahirt von allem andern Inhalte, und dieses In dividuum auf unmittelbare natürliche Weise, durch die natürliche Geburt, zur Würde des Monarchen bestimmt." 15 Wir haben schon gehört, daß die Subjektivität Subjekt und das Subjekt 20 nothwendig empirisches Individuum, Eins ist. Wir erfahren jezt, daß im Begriff der unmittelbaren Einzelnheit die Bestimmung der Natürlichkeit, der Leiblichkeit liegt. Hegel hat nichts bewiesen, als was von selbst spricht, daß die Subjektivität nur als leibliches Individuum existirt und versteht sich zum leiblichen Individuum gehört die natürliche Geburt. 25 Hegel meint bewiesen zu haben, daß die Staatssubjektivität, die Sou verainetät, der Monarch „wesentlich" ist „als dieses Individuum, abstrahirt von allem andern Inhalte, und dieses Individuum auf unmittelbare natürliche Weise, durch die natürliche Geburt, zur Würde des Monarchen bestimmt". Die Souverainetät, die monarchische Würde würde also geboren. Der Leib 30 des Monarchen bestimmte seine Würde. Auf der höchsten Spitze des Staats entschiede also statt der Vernunft die blose Physis. Die Geburt bestimmte die Qualität des Monarchen, wie sie die Qualität des Viehs bestimmt. Hegel hat bewiesen, daß der Monarch geboren werden muß, woran niemand zweifelt; aber er hat nicht bewiesen, daß die Geburt zum Monarchen 35 macht. Die Geburt des Menschen zum Monarchen läßt sich ebenso wenig zu einer metaphysischen Wahrheit machen, wie die unbefleckte Empfängniß der Mutter Maria. So gut sich aber die leztere Vorstellung, dieß Faktum des Bewußtseins, so gut läßt sich jenes Faktum der Empirie aus der menschli- chen Illusion und den Verhältnissen begreifen. 40 34 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt In der Anmerkung, die wir näher betrachten, überläßt sich Hegel dem Vergnügen, das Unvernünftige als absolut vernünftig demonstrirt zu haben. | s |40| „Dieser Uebergang vom Begriff der reinen Selbstbestimmung in die 5 Unmittelbarkeit des Seins und damit in die Natürlichkeit ist rein spekulativer Natur; seine Erkenntniß gehört daher der logischen Philosophie an." Allerdings ist das rein spekulativ, nicht daß aus der reinen Selbstbestim mung, einer Abstraktion, in die reine Natürlichkeit, (den Zufall der Geburt) in das andere Extrem übergesprungen wird, car les extrêmes se touchent. 10 Das Spekulative besteht darin, daß dieß ein „Uebergang des Begriffs" ge nannt und der vollkommne Widerspruch als Identität, die höchste Incon- sequenz für Consequenz ausgegeben wird. Als positives Bekenntniß Hegels kann angesehn werden, daß mit dem erblichen Monarchen an die Stelle der sich selbstbestimmenden Vernunft 15 die abstrakte Naturbestimmtheit, nicht als das, was sie ist, als Natur bestimmtheit, sondern als höchste Bestimmung des Staats tritt, daß dieß der positive Punkt ist, wo die Monarchie den Schein nicht mehr retten kann, die Organisation des vernünftigen Willens zu sein. 20 „Es ist übrigens im Ganzen derselbe (?) Uebergang, welcher als die Natur des Willens überhaupt bekannt und der Prozeß ist, einen Inhalt aus der Subjectivität (als vorgestellten Zweck) in das Dasein zu übersetzen. Aber die eigenthümliche Form der Idee und des Ueberganges, der hier betrachtet wird, ist das unmittelbare Umschlagen der reinen Selbstbestimmung des Willens (des einfachen Begriffes selbst) in ein Dieses und natürliches Dasein 25 ohne die Vermittelung durch einen besonderen Inhalt — (einen Zweck im Handeln)." Hegel sagt, daß das Umschlagen der Souverainetät des Staats (einer Selbstbestimmung des Willens) in den Körper des gebornen Monarchen (in das Dasein) im Ganzen der Uebergang des Inhalts überhaupt ist, den der 30 Wille macht, um einen gedachten Zweck zu verwirklichen, ins Dasein zu übersetzen. Aber Hegel sagt im Ganzen. Der eigenthümliche Unterschied, den er angiebt, ist so eigentümlich alle Analogie aufzuheben und die Magie an die Stelle der „Natur des Willens überhaupt" zu setzen. 35 Erstens ist das Umschlagen des vorgestellten Zwecks in das Dasein hier unmittelbar, magisch. Zweitens ist hier das Subjekt: die reine Selbstbestim mung des Willens, der einfache Begriff selbst; es ist das Wesen des Willens, was als mystisches Subjekt bestimmt; es ist kein wirkliches, individuelles, bewußtes Wollen; es ist die Abstraktion des Willens, die in ein natürliches Dasein umschlägt, die reine Idee, die sich als ein Individuum verkör- 40 pert. ||XI.4l| Drittens, wie die Verwirklichung des Willens in natürliches Dasein unmittelbar, d.h. ohne Mittel geschieht, die sonst der Wille bedarf, 35 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie um sich zu vergegenständlichen, so fehlt sogar ein besonderer, d. i. bestimm ter Zweck, es findet nicht statt „die Vermittelung durch einen besondern Inhalt, einen Zweck im Handeln", versteht sich, denn es ist kein handelndes Subjekt vorhanden und die Abstraktion, die reine Idee des Willens, um zu handeln, muß sie mystisch handeln. Ein Zweck, der kein besonderer ist, ist kein Zweck, wie ein Handeln ohne Zweck ein Zweckloses, sinnloses Handeln ist. Die ganze Vergleichung mit dem teleologischen Akt des Willens gesteht sich also zu guter Lezt selbst als eine Mystification ein. Ein Inhaltsloses Handeln der Idee. 5 Das Mittel ist der absolute Wille und das Wort des Philosophen; der 10 besondre Zweck ist wieder der Zweck des philosophirenden Subjekts, den erblichen Monarchen aus der reinen Idee zu construiren. Die Verwirklichung des Zwecks ist die einfache Versicherung Hegels. „Im sogenannten ontologischen Beweise vom Dasein Gottes ist es das selbe Umschlagen des absoluten Begriffs in das Sein, (dieselbe Mystifica- tion) was die Tiefe der Idee in der neueren Zeit ausgemacht hat, was aber in der neuesten Zeit für das Unbegreifliche (mit Recht) ausgegeben worden ist." „Aber indem die Vorstellung des Monarchen, als dem gewöhnlichen (sc. dem verständigen) Bewußtsein ganz anheimfallend angesehn wird, so bleibt hier um so mehr der Verstand bei seiner Trennung und den daraus flies senden Ergebnissen seiner raisonnirenden Gescheutheit stehen, und läugnet dann, daß das Moment der lezten Entscheidung im Staate an und für sich (d.i. im Vernunftbegriff) mit der unmittelbaren Natürlichkeit verbunden sei." Man läugnet, daß die 7ezie Entscheidung geboren werde, und Hegel behauptet, daß der Monarch die geborne lezte Entscheidung sei; aber wer hat je gezweifelt, daß die lezte Entscheidung im Staate an wirkliche leibliche Individuen geknüpft sei, also „mit der unmittelbaren Natürlichkeit verbun den sei"?| 15 20 25 |42| § 281. „Beide Momente in ihrer ungetrennten Einheit, das lezte grund- 30 lose Selbst des Willens und die damit ebenso grundlose Existenz, als der Natur anheimgestellte Bestimmung — diese Idee des von der Willkühr Un bewegten macht die Majestät des Monarchen aus. In dieser Einheit liegt die wirkliche Einheit des Staats, welche nur durch diese ihre innere und äussere Unmittelbarkeit der Möglichkeit, in die Sphäre der Besonderheit, deren 35 Willkühr, Zwecke und Ansichten herabgezogen zu werden, dem Kampf der Faktionen gegen Faktionen um den Thron, und der Schwächung und Zertrümmerung der Staatsgewalt, entnommen ist." Die beiden Momente sind: der Zufall des Willens, die Willkühr und der Zufall der Natur, die Geburt, also Seine Majestät der Zufall. Der Zufall ist also die wirkliche Einheit des Staats. 40 36 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt In wiefern eine „innere und äussere Unmittelbarkeit" der Collision etc. entnommen sein soll, ist von Hegel eine unbegreifliche Behauptung, da grade sie das Preißgegebne ist. Was Hegel vom Wahlreich behauptet, gilt in noch höherem Grade vom 5 erbüchen Monarchen: „Die Verfassung wird nämlich in einem Wahlreich durch die Natur des Verhältnisses, daß in ihm der partikulare Wille zum lezten Entscheidenden gemacht ist, zu einer Wahl-Kapitulation etc etc." „zu einer Ergebung der Staatsgewalt auf die Diskretion des partikulairen Willens, woraus die Ver io Wandlung der besonderen Staatsgewalten in Privateigenthum etc. hervor geht." § 282. „Aus der Souverainetät des Monarchen fließt das Begnadigungs recht der Verbrecher, denn ihr nur kommt die Verwirklichung der Macht des Geistes zu, das Geschehene ungeschehn zu machen, und im Vergeben und 15 Vergessen das Verbrechen zu vernichten." Das Begnadigungsrecht ist das Recht der Gnade. Die Gnade ist der höchste Ausdruck der zufälligen Willkühr, die Hegel sinnvoll zum eigentlichen Attribut des Monarchen macht. Hegel bestimmt im Zusatz selbst als ihren Ursprung „die grundlose Entscheidung". \ 20 |43| § 283. „Das zweite in der Fürstengewalt Enthaltene ist das Moment der Besonderheit, oder des bestimmten Inhalts und der Subsumtion desselben unter das Allgemeine. Insofern es eine besondere Existenz erhält, sind es oberste berathende Stellen und Individuen, die den Inhalt der vorkommen den Staatsangelegenheiten oder der aus vorhandnen Bedürfnissen nöthig 25 werdenden gesetzlichen Bestimmungen, mit ihren objektiven Seiten, den Entscheidungsgründen, darauf sich beziehenden Gesetzen, Umständen u. s. f. zur Entscheidung vor den Monarchen bringen. Die Erwählung der Individuen zu diesem Geschäfte wie deren Entfernung fällt, da sie es mit der unmittelbaren Person des Monarchen zu thun haben, in seine unbeschrankte 30 Willkühr." §284. „Insofern das Objektive der Entscheidung, die Kenntniß des Inhalts und der Umstände, die gesetzlichen und andere Bestimmungsgründe, allein der Verantwortung, d. i. des Beweises der Objektivität fähig ist und daher einer von dem persönlichen Willen des Monarchen als solchem unterschie- 35 denen Berathung zukommen kann, sind diese berathenden Stellen oder Individuen allein der Verantwortung unterworfen, die eigenthümliche Ma jestät des Monarchen, als die lezte entscheidende Subjectivität, ist aber über alle Verantwortlichkeit für die Regierungshandlungen erhoben." 40 Hegel beschreibt hier ganz empirisch die Ministergewalt, wie sie in con- stitutionellen Staaten meistens bestimmt ist. Das einzige, was die Philo sophie hinzuthut, ist, daß sie dieses „empirische Faktum" zur Existenz, 37 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie zum Prädicat des „Momentes der Besonderheit in der fürstlichen Gewalt" macht. (Die Minister repräsentiren die vernünftige objektive Seite des souverai- nen Willens. Ihnen kommt daher auch die Ehre der Verantwortung zu; während der Monarch mit der eigenthümlichen Imagination der „Majestät" abgefunden wird.) Das spekulative Moment ist also sehr dürftig. Dagegen beruht die Entwicklung im Besondern auf ganz empirischen und zwar sehr abstrakten, sehr schlechten empirischen Gründen. So ist z.B. die Wahl der Minister in „die unbeschränkte Willkühr" des Monarchen gestellt „da sie es mit der unmittelbaren Person des Monarchen zu thun haben", d. h. da sie Minister sind. Ebenso kann die „unbeschränkte Wahl" des Kammerdieners des Monarchen aus der absoluten Idee entwickelt werden. Besser ist schon der Grund für die Verantwortlichkeit der Minister, „in sofern das Objektive der Entscheidung, die Kenntniß des Inhalts und der Umstände, die gesetzlichen und anderen Bestimmungsgründe allein der Verantwortung, d. i. des Beweises der Objektivität fähig ist". Versteht sich „die lezte entscheidende Subjectivität", die reine Subjectivität, die reine Willkühr ist nicht objektiv, also auch keines Beweises der Objektivität, also keiner Verantwortung Individuum die geheiligte, sanktionirte Existenz der Willkühr ist. Hegels Beweis ist schlagend, wenn man von den constitutionellen Voraussetzungen aus||44|geht, aber Hegel hat diese Voraussetzung damit nicht bewiesen, daß er sie in ihre Grundvor stellung analysirt. In dieser Verwechslung liegt die ganze Unkritik der he- gelschen Rechtsphilosophie. fähig, sobald ein § 285. „Das dritte Moment der fürstlichen Gewalt betrifft das an und für sich Allgemeine, welches in subjektiver Rücksicht in dem Gewissen des Monarchen, in objektiver Rücksicht im Ganzen der Verfassung und in den Gesetzen besteht; die fürstliche Gewalt sezt insofern die andern Momente voraus, wie jedes von diesen sie voraussezt." § 286. „Die objektive Garantie der fürstlichen Gewalt, der rechtlichen Succession nach der Erblichkeit des Thrones u. s. f. liegt darin, daß wie diese Sphäre ihre von den andern durch die Vernunft bestimmten Momente aus geschiedene Wirklichkeit hat, ebenso die andern für sich, ihre eigenthüm lichen Rechte und Pflichten ihrer Bestimmung haben; jedes Glied, indem es sich für sich erhält, erhält im vernünftigen Organismus eben damit die andern in ihrer Eigentümlichkeit." Hegel sieht nicht, daß er mit diesem dritten Moment, dem „an und für sich Allgemeinen" die beiden ersten in die Luft sprengt oder umgekehrt. „Die fürstliche Gewalt sezt insofern die andern Momente voraus, wie jedes von diesen sie voraussezt." Wird dieses Setzen nicht mystisch, sondern realiter 5 10 15 20 25 30 35 40 38 I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt genommen, so ist die fürstliche Gewalt nicht durch die Geburt, sondern durch die andern Momente gesezt, also nicht erblich, sondern fliessend, d. h. eine Bestimmung des Staats, die abwechselnd an Staatsindividuen nach dem Organismus der andern Momente vertheilt wird. In einem vernünftigen 5 Organismus kann nicht der Kopf von Eisen und der Körper von Fleisch sein. Damit die Glieder sich erhalten, müssen sie ebenbürtig, von einem Fleisch und Blut sein. Aber der erbliche Monarch ist nicht ebenbürtig, er ist aus anderm Stoff. Der Prosa des rationalistischen Willens der andern Staats glieder tritt hier die Magie der Natur gegenüber. Zudem, Glieder können sich 10 nur insofern wechselseitig erhalten, als der ganze Organismus flüssig und jedes derselben in dieser Flüssigkeit aufgehoben, also keines, wie hier der Staatskopf „unbewegt", „inalterabel" ist. Hegel hebt durch diese Bestim mung also die „geborne Souverainetät" auf. Zweitens die Unverantwortlichkeit. Wenn der Fürst das „Ganze der 15 Verfassung", die „Gesetze" verlezt, hört seine Unverantwortlichkeit, weil sein Verfassungsmäßiges Dasein auf; aber eben diese Gesetze, diese Ver fassung machen ihn unverantwortlich. Sie widersprechen also sich selbst und diese eine Klausel hebt Gesetz und Verfassung auf. ||XH.45| Die Verfassung des constitutionellen Monarchen ist die Unverantwortlichkeit. 20 Begnügt sich Hegel aber damit „daß, wie diese Sphäre ihre von den andern durch die Vernunft bestimmten Momenten ausgeschiedene Wirklichkeit [hat], ebenso die andern für sich die eigentümlichen Rechte und Pflichten ihrer Bestimmung haben", so müßte er die Verfassung des Mittelalters eine Organisation nennen; so hat er blos mehr eine Masse besonderer Sphären, 25 die in dem Zusammenhang einer äussern Nothwendigkeit zusammenstehn und allerdings paßt auch nur hierhin ein leiblicher Monarch. In einem Staat, worin jede Bestimmung für sich existirt, muß auch die Souverainetät des Staats als ein besondres Individuum befestigt sein. Resumé über Hegels Entwicklung der fürstiichen Gewalt oder der Idee der 30 Staatssouverainetät. § 279 Anmerkung S.367 heißt es: „Volks-Souverainetät kann in dem Sinn gesagt werden, daß ein Volk überhaupt nach Aussen ein Selbstständiges sei und einen eigenen Staat ausmache, wie das Volk von Großbrittannien, aber das Volk von England 35 oder Schottland, Irland, oder von Venedig, Genua, Ceylon u. s.f. kein souveraines Volk mehr sei, seitdem sie aufgehört haben, eigene Fürsten oder oberste Regierungen für sich zu haben." Des Volkes Souverainetät ist also hier die Nationalität; die Souverainetät des Fürsten ist die Nationalität, oder das Princip des Fürstenthums ist die 39 Bogen XII. Seite 45 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Nationalität, die für sich und ausschließlich die Souverainetät eines Volkes bildet. Ein Volk, dessen Souverainetät nur in der Nationalität besteht, hat einen Monarchen. Die verschiedne Nationalität der Völker kann sich nicht besser befestigen und ausdrücken als durch verschiedne Monarchen. Die Kluft, die zwischen einem absoluten Individuum und dem andern, ist zwischen diesen Nationalitäten. Die Griechen (und Römer) waren national, weil und insofern sie das souveräne Volk waren. Die Germanen sind souverain, weil und insofern sie national sind. (vid. pag. XXXIV.) | |[130]| (ad. pag. XII.) „Eine sogenannte moralische Person" heißt es ferner in derselben An merkung „Gesellschaft, Gemeinde, Familie, so konkret sie in sich ist, hat die Persönlichkeit nur als Moment, abstrakt in ihr; sie ist darin nicht zur Wahrheit ihrer Existenz gekommen, der Staat aber ist eben diese Totalität, in welcher die Momente des Begriffs zur Wirklichkeit nach ihrer eigenthüm- liehen Wahrheit gelangen." Die moralische Person, Gesellschaft, Familie etc. hat die Persönlichkeit nur abstrakt in ihr; dagegen im Monarchen hat die Person den Staat in sich. 5 10 15 In Wahrheit hat die abstrakte Person erst in der moralischen Person, Gesellschaft, Familie etc. ihre Persönlichkeit zu einer wahren Existenz 20 gebracht. Aber Hegel faßt Gesellschaft, Familie etc., überhaupt die mora lische Person nicht als die Verwirklichung der wirklichen, empirischen Person, sondern als v/irkliche Person, die aber das Moment der Persönlich keit erst abstrakt in ihr hat. Daher kommt bei ihm auch nicht die wirkliche Person zum Staat, sondern der Staat muß erst zur wirklichen Person 25 kommen. Statt daß daher der Staat als die höchste Wirklichkeit der Person, als die höchste sociale Wirklichkeit des Menschen, wird ein einzelner em pirischer Mensch, wird die empirische Person als die höchste Wirklichkeit des Staats hervorgebracht. Diese Verkehrung des Subjektiven in das Objektive und des Objektiven in das Subjektive, (die daher rührt, daß Hegel 30 die Lebensgeschichte der abstrakten Substanz, der Idee schreiben will, daß also die menschliche Thätigkeit etc. als Thätigkeit und Resultat eines andern erscheinen muß, daß Hegel das Wesen des Menschen für sich, als eine imaginaire Einzelnheit, statt in seiner wirklichen, menschlichen Existenz wirken lassen will) hat nothwendig das Resultat, daß unkritischer' W'eise eine 35 empirische Existenz als die wirkliche Wahrheit der Idee genommen wird; denn es handelt sich nicht davon, die empirische Existenz zu ihrer Wahrheit, sondern die Wahrheit zu einer empirischen Existenz zu bringen und da wird denn die zunächstliegende als ein reales Moment der Idee entwickelt. (Ueber dieses nothwendige Umschlagen von Empirie in Speculation und von 40 Speculation in Empirie später mehr.) | 40 B o g en XXXIV. Seite [130] I. Innere Verfassung für sich, a) Die fürstliche Gewalt 5 |[131]| Auf diese Weise wird denn auch der Eindruck des Mystischen und Tiefen hervorgebracht. Es ist sehr vulgär, daß der Mensch geboren werden muß; und daß dieß durch die physische Geburt gesezte Dasein zum socialen Menschen etc. wird bis zum Staatsbürger herauf; der Mensch wird durch seine Geburt alles, was er wird. Aber es ist sehr tief, es ist frappant daß die Staatsidee unmittelbar geboren wird, in der Geburt des Fürsten sich selbst zum empirischen Dasein heraus geboren hat. Es ist auf diese Weise kein Inhalt gewonnen, sondern nur die Form des alten Inhalts ver ändert. Er hat eine philosophische Form erhalten, ein philosophisches 10 Attest. Eine andere Consequenz dieser mystischen Speculation ist, daß ein be sondres empirisches Dasein, ein einzelnes empirisches Dasein im Unter schied von den andern als das Dasein der Idee gefaßt wird. Es macht wieder einen tiefen, mystischen Eindruck, ein besondres empirisches Dasein von der Idee gesezt zu sehn und so auf allen Stufen einer Menschwerdung Gottes zu begegnen. 15 20 Werden ζ. B. bei der Entwicklung von Familie, bürgerlicher Gesellschaft, Staat etc., diese socialen Existentialweisen des Menschen als Verwirkli chung, Verobjektivirung seines Wesens betrachtet, so erscheinen Familie etc. als einem Subjekt inhärente Qualitäten. Der Mensch bleibt immer das Wesen aller dieser Wesen, aber diese Wesen erscheinen auch als seine wirkliche Allgemeinheit, daher auch als das Gemeinsame. Sind dagegen Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat etc. Bestimmungen der Idee, die Substanz als Subjekt, so müssen sie eine empirische Wirklichkeit erhalten 25 und die Menschenmasse, in der sich die Idee der bürgerlichen Gesellschaft entwickelt ist Bürger, die andere Staatsbürger. Da es eigentlich nur um eine Allegorie, nur darum zu thun ist, irgend einer empirischen Existenz die Bedeutung der verwirklichten Idee beizulegen, so versteht es sich, daß diese Gefässe ihre Bestimmung erfüllt haben, sobald sie zu einer bestimmten Incorporation eines Lebensmomentes der Idee geworden sind. Das All gemeine erscheint daher überall als ein Bestimmtes Besonderes, wie das Einzelne nirgends zu seiner wahren Allgemeinheit kömmt. 30 35 Am tiefsten, spekulativsten erscheint es daher nothwendig, wenn die abstraktesten, noch durchaus zu keiner wahren socialen Verwirklichung gereiften Bestimmungen, die Naturbasen des Staats, wie die Geburt (beim Fürsten) oder das Privat||[132]|eigenthum (im Majorat) als die höchsten, unmittelbar Menschgewordnen Ideen erscheinen. Und es versteht sich von selbst. Der wahre Weg wird auf den Kopf gestellt. Das Einfachste ist das Verwickeltste und das Verwickeltste das Einfachste. 40 Was Ausgang sein sollte, wird zum mystischen Resultat, und was rationales Resultat sein sollte, wird zum mystischen Ausgangspunkt. 43 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Wenn aber der Fürst die abstrakte Person ist, die den Staat in sich hat, so heißt das überhaupt nichts, als daß das Wesen des Staats die abstrakte, die Privatperson ist. Bios in seiner Blüthe spricht er sein Geheimniß aus. Der Fürst ist die einzige Privatperson, in der sich das Verhältniß der Privat person überhaupt zum Staat verwirklicht. / |46| Die Erblichkeit des Fürsten ergiebt sich aus seinem Begriff. Er soll die specifisch von der ganzen Gattung, von allen andern Personen unter schiedene Person sein. Welches ist nun der lezte feste Unterschied einer Person von allen andern? Der Leib. Die höchste Funktion des Leibes ist die Geschlechtsthätigkeit. Der höchste constitutionelle Akt des Königs ist daher seine Geschlechtsthätigkeit, denn durch diese macht er einen König und sezt seinen Leib fort. Der Leib seines Sohnes ist die Reproduction seines eigenen Leibes, die Schöpfung eines königlichen Leibes. ||47|| |48|| 5 10 |XIII.49¡ b) Die Regierungsgewalt. § 287. „Von der Entscheidung ist die Ausführungxmd Anwendungder fürst- liehen Entscheidungen, überhaupt das Fortführen und im Stande Erhalten des bereits Entschiednen, der vorhandenen Gesetze, Einrichtungen, An stalten für gemeinschaftliche Zwecke u. dergl. unterschieden. Dieß Geschäft der Subsumtion begreift die Regierungsgewalt in sich, worunter ebenso die richterlichen und polizeilichen Gewalten begriffen sind, welche unmittel- barer auf das Besondere der bürgerlichen Gesellschaft Beziehung haben, und das allgemeine Interesse in diesen Zwecken geltend machen." 15 20 Die gewöhnliche Erklärung der Regierungsgewalt. Als Hegel eigenthüm- lich kann nur angegeben werden, daß er Regierungsgewalt, polizeiliche Gewalt und gerichtliche Gewalt coordinirt, während sonst administrative und richterliche Gewalt als Gegensätze behandelt werden. 25 § 288. „Die gemeinschaftlichen besonderen Interessen, die in die bürger liche Gesellschaft fallen, und ausser dem An und für sich seienden All gemeinen des Staats selbst liegen (§ 256), haben ihre Verwaltung in den Korporationen (§ 251) der Gemeinden und sonstiger Gewerbe und Stände, und deren Obrigkeiten, Vorsteher, Verwalter und dergleichen. Insofern diese Angelegenheiten, die sie besorgen, einerseits Privateigenthum und Interesse dieser besonderen Sphären sind, und nach dieser Seite ihre Autorität mit auf dem Vertrauen ihrer Standesgenossen und Bürgerschaften beruht, anderer Seits diese Kreise den höheren Interessen des Staats untergeordnet sein 35 müssen, wird sich für die Besetzung dieser Stellen im Allgemeinen eine Mischung von gemeiner Wahl dieser Interessenten und von einer höheren Bestätigung und Bestimmung ergeben." 30 44 F I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt Einfache Beschreibung des empirischen Zustandes in einigen Ländern. § 289. „Die Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetz lichen in diesen besonderen Rechten und die Zurückführung derselben auf jenes erfordert eine Besorgung durch Abgeordnete der Regierungsgewalt, die exekutiven Staatsbeamten und die höheren berathenden insofern kolle- gialisch konstituirten Behörden, welche in den obersten, den Monarchen berührenden Spitzen, zusammenlaufen." Hegel hat die Regierungsgewalt nicht entwickelt. Aber selbst dieß unter stellt, so hat er nicht bewiesen, daß sie mehr als eine Funktion, eine Be Stimmung des Staatsbürgers überhaupt ist, er hat sie als eine besondere separine Gewalt nur dadurch deducirt, daß er die „besonderen Interessen der bürgerlichen Gesellschaft" als solche betrachtet, die „ausser dem An und für sich seienden Allgemeinen des Staats liegen". 5 lo 15 „Wie die bürgerliche Gesellschaft der Kampfplatz des individuellen Privatinteresses Allergegen Alle ist, so hat hier der Conflikt desselben gegen die gemeinschaftlichen besondern Angelegenheiten und dieser zusammen mit jenem gegen die höheren Gesichtspunkte und Anordnungen des Staates seinen Sitz. Der Korporationsgeist, der sich in der Berechtigung der be sondern Sphären erzeugt, schlägt in sich selbst zugleich in den Geist des 20 Staates um, indem er an dem Staate das Mittel der Erhaltung der besonderen Zwecke hat. Dieß ist das Geheimniß des Patriotismus der Bürger nach dieser Seite, daß sie den Staat als ihre Substanz wissen, weil er ihre besonderen Sphären, deren Berechtigung und Autorität wie deren Wohlfahrt, erhält. In dem Korporationsgeist, da er die Einwurzelung des Besonderen in das 25 Allgemeine unmittelbar enthält, ist insofern die Tiefe und die Stärke des Staats, die er in der Gesinnung hat." Merkwürdig 1) wegen der Definition der bürgerlichen Gesellschaft als des bellum omnium contra omnes; | |50| 2) weil der Privategoismus als das „Geheimniß des Patriotismus der 30 Bürger" verrathen wird und als die „Tiefe und Stärke des Staats in der Gesinnung"; 3) weil der „Bürger", der Mann des besonderen Interesses im Gegensatz zum Allgemeinen, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft als „fixes Individuum" betrachtet wird, wogegen ebenso der Staat in „fixen Indivi- 35 duen" den „Bürgern" gegenübertritt. Hegel, sollte man meinen, mußte die „bürgerliche Gesellschaft" wie die „Familie" als Bestimmung jedes Staatsindividuums, also auch die späteren „Staatsqualitäten" ebenso als Bestimmung des Staatsindividuums überhaupt bestimmen. Aber es ist nicht dasselbe Individuum, welches eine neue Be- S t i m m u ng seines socialen Wesens entwickelt. Es ist das Wesen des Willens, welches seine Bestimmungen angeblich aus sich selbst entwickelt. Die 40 45 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie bestehenden verschiedenen und getrennten, empirischen Existenzen des Staats werden als unmittelbare Verkörperungen einer dieser Bestimmungen betrachtet. Wie das Allgemeine als solches verselbstständigt wird, wird es unmittelbar mit der Empirischen Existenz conf undirt, wird das Beschränkte unkritischer 5 Weise sofort für den Ausdruck der Idee genommen. Mit sich selbst geräth Hegel hier nur in sofern in Widerspruch, als er den „Familienmenschen'' nicht gleichmässig wie den Bürger als eine fixe, von den übrigen Qualitäten ausgeschloßne Race betrachtet. § 290. „In dem Geschäfte der Regierung findet sich gleichfalls die Thei- lung der Arbeit ein. Die Organisation der Behörden hat insofern die formelle, aber schwierige Aufgabe, daß von unten, wo das bürgerliche Leben kon kret ist, dasselbe auf konkrete Weise regiert werde, daß dieß Geschäft aber in seine abstrakte Zweige getheilt sei, die von eigenthümlichen Behörden als unterschiedenen Mittelpunkten behandelt werden, deren Wirksamkeit 15 nach unten, so wie in der obersten Regierungsgewalt in eine konkrete Ueber- sicht wieder zusammenläuft." 10 Der Zusatz hierzu später zu betrachten. § 291. „Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich ihrer Substanz nach bereits entschiedener Natur (§ 287) und durch Individuen zu vollführen . 20 und zu verwirklichen. Zwischen beiden liegt keine unmittelbare natürliche Verknüpfung; die Individuen sind daher nicht durch die natürliche Per sönlichkeit und die Geburt dazu bestimmt. Für ihre Bestimmung zu demselben ist das objektive Moment die Erkenntniß und der Erweis ihrer Befähigung, — ein Erweis, der dem Staate sein Bedürfniß, und als die einzige 25 Bedingung zugleich jedem Bürger die Möglichkeit, sich dem allgemeinen Stande zu widmen, sichert." | |5l| § 292. „Die subjektive Seite, daß dieses Individuum aus Mehreren, deren es, da hier das Objektive nicht (wie ζ. B. bei der Kunst) in Genialität liegt, nothwendig unbestimmt Mehrere giebt, unter denen der Vorzug nichts absolut Bestimmbares ist, zu einer Stelle gewählt und ernannt und zur Führung des öffentlichen Geschäftes bevollmächtigt wird, diese Verknüp fung des Individuums und des Amtes, als zweier für sich gegeneinander immer zufälliger Seiten, kommt der fürstlichen als der entscheidenden und souverainen Staatsgewalt zu." § 293. „Die besonderen Staatsgeschäfte, welche die Monarchie den Be hörden übergiebt, machen einen Theil der objektiven Seite der dem Mon archen innewohnenden Souverainetät aus; ihr bestimmter Unterschied ist ebenso durch die Natur der Sache gegeben; und wie die Thätigkeit der Behörden eine Pflichterfüllung, so ist ihr Geschäft auch ein der Zufälligkeit entnommenes Recht." 30 35 40 46 F I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt Nur aufzumerken auf die „objektive Seite der dem Monarchen inne wohnenden Souverainetät". 5 § 294. „Das Individuum, das durch den Souverainen Akt (§ 292) einem amtlichen Berufe verknüpft ist, ist auf seine Pflichterfüllung, das Sub- stantielle seines Verhältnisses, als Bedingung dieser Verknüpfung angewie sen, in welcher es als Folge dieses substantiellen Verhältnisses das Ver mögen und die gesicherte Befriedigung seiner Besonderheit (§ 264) und Befreiung seiner äussern Lage und Amtsthätigkeit von sonstiger subjektiver Abhängigkeit und Einfluß findet." 10 „Der Staatsdienst" heißt es in der Anmerkung „fordert die Aufopferung selbstständiger und beliebiger Befriedigung subjektiver Zwecke, und giebt damit eben das Recht, sie in der pflichtmässigen Leistung aber nur in ihr zu finden. Hierin liegt nach dieser Seite die Verknüpfung des allgemeinen und besonderen Interesses, welche den Begriff und die innere Festigkeit des 15 Staats ausmacht. (§ 260.)" „Durch die gesicherte Befriedigung des beson deren Bedürfnisses ist die äussere Noth gehoben, welche, die Mittel dazu auf Kosten der Amtsthätigkeit und Pflicht zu suchen, veranlassen kann. In der allgemeinen Staatsgewalt finden die mit seinen Geschäften Beauftragten Schutz gegen die andere subjektive Seite, gegen die Privatleidenschaften der 20 Regierten, deren Privatinteresse u. s. f. durch das Geltendmachen des All gemeinen dagegen beleidigt wird." § 295. „Die Sicherung des Staats und der Regierten gegen den Mißbrauch der Gewalt von Seiten der Behörden und ihrer Beamten liegt einer Seits unmittelbar in ihrer Hierarchie und Verantwortlichkeit, anderer Seits in der 25 Berechtigung der Gemeinden, Corporationen, als wodurch die Einmischung subjektiver Willkühr in die den Beamten anvertraute Gewalt für sich ge hemmt und die in das einzelne Benehmen nicht reichende Kontrolle von Oben, von Unten ergänzt wird." | |52| § 296. „Daß aber die Leidenschaftslosigkeit, Rechtlichkeit und Milde 30 des Benehmens Sitte werde, hängt Theils mit der direkten sittlichen und Gedankenbildung zusammen, welche dem, was die Erlernung der sogenann ten Wissenschaften der Gegenstände dieser Sphären, die erforderliche Geschäftseinübung, die wirkliche Arbeit u. s.f. von Mechanismus und der gleichen in sich hat, das geistige Gleichgewicht hält; Theils ist die Grösse 35 des Staats ein Hauptmoment, wodurch sowohl das Gewicht von Fami lien und anderen Privatverbindungen geschwächt, als auch Rache, Haß und andere solche Leidenschaften ohnmächtiger und damit stumpfer werden; in der Beschäftigung mit [den in] dem grossen Staate vorhan denen grossen Interessen gehen für sich diese subjektiven Seiten unter und 40 erzeugt sich die Gewohnheit allgemeiner Interessen, Ansichten und Ge schäfte." 47 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie § 297. „Die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten machen den Haupttheil des Mittelstandes aus, in welchen die gebildete Intelligenz und das rechtliche Bewußtsein der Masse des Volkes fällt. Daß er nicht die isolirte Stellung einer Aristokratie nehme, und Bildung und Geschicklichkeit nicht zu einem Mittel der Willkühr und einer Herrenschaft werde, wird durch die Institutionen der Souveränetätvon Obenherab und die der Korporations rechte von Unten herauf bewirkt." 5 Zusatz. „In dem Mittelstande, zu dem die Staatsbeamten gehören, ist das Bewußtsein des Staats und die hervorstechendste Bildung. Deßwegen macht er auch die Grundsäule desselben in Beziehung auf Rechtlichkeit und In- 10 telligenz aus." „Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber dieß kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ unabhängig sind, und durch eine Beamtenwelt, deren Willkühr sich an solchen Berechtigten bricht. Das Handeln nach allgemeinem 15 Rechte und die Gewohnheit dieses Handelns ist eine Folge des Gegensatzes, den die für sich selbstständigen Kreise bilden." | |XIV.53| Was Hegel über die „Regierungsgewalt" sagt, verdient nicht den Namen einer philosophischen Entwicklung. Die meisten §§ könnten wörtlich im preussischen Landrecht stehn und doch ist die eigentliche Administration der schwierigste Punkt der Entwicklung. 20 Da Hegel die „polizeiliche" und die „richterliche" Gewalt schon der Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft vindicirt hat, so ist die Regierungs gewalt nichts anderes als die Administration, die er als Bureaucratie ent wickelt. Der Bureaucratie sind zunächst voraus geseztdie „Selbstverwaltung" der bürgerlichen Gesellschaft in „Korporationen". Die einzige Bestimmung, die hinzukömmt, ist, daß die Wahl der Verwalter, Obrigkeiten derselben etc. eine gemischte ist, ausgehend von den Bürgern, bestätigt von der eigentlichen Regierungsgewalt; {„höhere Bestätigung", wie Hegel sagt). Ueber dieser Sphäre, zur „Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen" stehn abgeordnete der Regierungsgewalt", die „exekutiven Staatsbeamten" und die „kollegialischen Behörden" welche im „Monarchen" zusammenlaufen. 25 30 In dem „Geschäfte der Regierung" findet „Theilung der Arbeit" Statt. Die Individuen müssen ihre Fähigkeit zu Regierungsgeschäften beweisen, d. h. Examina ablegen. Die Wahl der bestimmten Individuen zu Staatsämtern kommt der fürstlichen Staatsgewalt zu. Die Eintheilung dieser Geschäfte ist „durch die Natur der Sache gegeben". Das Amtsgeschäft ist die Pflicht, der Lebensberuf der Staatsbeamten. Sie müssen daher besoldet werden vom 35 40 48 I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt Staat. Die Garantie gegen den Mißbrauch der Bureaucratie ist theils ihre Hierarchie und Verantwortlichkeit, anderer Seits die Berechtigung der Gemeinden, Corporationen; ihre Humanität hängt theils mit der „direkten sittlichen und Gedankenbildung", theils mit der „Grösse des Staats" zusam- 5 men. Die Beamten bilden den „Haupttheil des Mittelstandes". Gegen ihn als „Aristokratie und Herrenschaft" schützen theils die „Institutionen der Souverainetät von oben herab", theils „die der Korporationsrechte von unten herauf". Der „Mittelstand" ist der Stand der „Bildung". Voilà tout. Hegel giebt uns eine empirische Beschreibung der Bureaucratie, theils 10 wie sie wirklich ist, theils der Meinung, die sie selbst von ihrem Sein hat. Und damit ist das schwierige Kapitel von der „Regierungsgewalt" er ledigt. Hegel geht von der Trennung des „Staats" und der „bürgerlichen" Ge sellschaft, der „besondern Interessen" und dem „An und für sich seienden 15 Allgemeinen" aus und allerdings basirt die Bureaucratie auf dieser Trennung. Hegel geht von der Voraussetzung der „Corporationen" aus und allerdings sezt die Bureaucratie die „Corporationen" voraus, wenigstens den „Cor- porationsgeist". Hegel entwickelt keinen Inhalt der Bureaucratie, sondern nur einige allgemeine Bestimmungen ihrer „formellen" Organisation und allerdings ist die Bureaucratie nur der „Formalismus" eines Inhalts, der ausserhalb derselben liegt. 20 Die Corporationen sind der Materialismus der Bureaucratie und die Bureaucratie ist der Spirítualismus der Corporationen. Die Corporation ist die Bureaucratie der bürgerlichen Ge||54¡sellschaft; die Bureaucratie ist die 25 Korporation des Staats. In der Wirklichkeit tritt sie daher als die „bürgerliche Gesellschaft des Staats" dem „Staat der bürgerlichen Gesellschaft", den Corporationen gegenüber. Wo die «Bureaucratie" neues Princip ist, wo das allgemeine Staatsinteresse anfängt, für sich ein „apartes", damit ein „wirk liches" Interesse zu werden, kämpft sie gegen die Corporationen, wie jede 30 Consequenz gegen die Existenz ihrer Voraussetzungen kämpft. Sobald dagegen das wirkliche Staatsleben erwacht und die bürgerliche Gesellschaft sich von den Corporationen aus eignem Vernunfttrieb befreit, sucht die Bureaucratie sie zu restauriren, denn sobald der „Staat der bürgerlichen Gesellschaft" fällt, fällt die „bürgerliche Gesellschaft des Staats". Der 35 Spiritualismus verschwindet mit dem ihm gegenüberstehenden Materialis mus. Die Consequenz kämpft für die Existenz ihrer Voraussetzungen, sobald ein neues Princip nicht gegen die Existenz, sondern gegen das Princip dieser Existenz kämpft. Derselbe Geist, der in der Gesellschaft die Korporation schafft im Staat die Büreaukratie. Sobald also der Korporationsgeist, wird 40 der Geist der Bureaucratie angegriffen und wenn sie früher die Existenz der Korporationen bekämpfte, um ihrer eignen Existenz Raum zu schaffen, so 49 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie sucht sie jezt gewaltsam die Existenz der Korporationen zu halten, um den Korporationsgeist, ihren eignen Geist zu retten. 5 Die «Bureaucratie" ist der „Staatsformalismus" der bürgerlichen Ge sellschaft. Sie ist das „Staatsbewußtsein", der „Staatswille", die „Staats macht" als eine Corporation, (Das „Allgemeine Interesse" kann sich dem Besondern gegenüber nur als ein „Besonderes" halten, so lange sich das Besondere dem Allgemeinen gegenüber als ein „Allgemeines" hält. Die Bureaucratie muß also die imaginaire Allgemeinheit des Besondern Inter esses, den Corporationsgeist beschützen, um die imaginaire Besonderheit des allgemeinen Interesses, ihren eigenen Geist zu beschützen. Der Staat 10 muß Corporation sein, so lang die Corporation Staat sein will.) als eine besondere, geschlossene Gesellschaft im Staat. Die Bureaucratie will aber die Korporation als eine imaginaire Macht. Allerdings hat auch die einzelne Corporation diesen Willen für ihr besonderes Interèsse gegen die Bureau cratie, aber sie will die Bureaucratie gegen die andere Corporation, gegen 15 das andere besondere Interesse. Die Bureaucratie als die vollendete Cor poration trägt daher den Sieg davon über die Corporation als die unvollendete Bureaucratie. Sie sezt dieselbe zum Schein herab, und will sie zum Schein herabsetzen, aber sie will daß dieser Schein existiré und an seine eigne Existenz glaube. Die Korporation ist der Versuch der bürgerlichen Ge- 20 S e i l s c h a ft Staat zu werden; aber die Bureaucratie ist der Staat, der sich wirk||55|lich zur bürgerlichen Gesellschaft gemacht hat. Der „Staatsformalismus" der die Bureaucratie ist, ist der „Staat als Formalismus" und als solchen Formalismus hat sie Hegel beschrieben. Da dieser „Staatsformalismus" sieh als wirkliche Macht constituirt und sich 25 selbst zu einem eignen materiellen Inhalt wird, so versteht es sich von selbst, daß die «Bureaucratie" ein Gewebe von praktischen Illusionen oder die „Illusion des Staats" ist. Der büreaucratische Geist ist ein durch und durch jesuitischer, theologischer Geist. Die Bureaucraten sind die Staatsjesuiten und Staatstheologen. Die Bureaucratie ist la république prêtre. 30 Da die Bureaucratie der „Staat als Formalismus" ihrem Wesen nach ist, so ist sie es auch ihrem Zweck nach. Der wirkliche Staatszweck erscheint also der Bureaucratie als ein Zweck wider den Staat. Der Geist der Bureau cratie ist der „formelle Staatsgeist". Sie macht daher den „formellen Staats geist" oder die wtkliche Geistlosigkeit des Staats zum kategorischen Im- perativ. Die Bureaucratie gilt sich selbst als der lezte Endzweck des Staats. Da die Bureaucratie ihre „formellen" Zwecke zu ihrem Inhalt macht, so geräth sie überall in Conflict mit den „reellen" Zwecken. Sie ist daher ge- nöthigt, das Formelle für .den Inhalt und den Inhalt für das Formelle aus zugeben. Die Staatszwecke verwandeln sich in Bureauzwecke oder die 40 Bureauzwecke in Staatszwecke. Die Bureaucratie ist ein Kreis, aus dem 35 50 I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt Niemand herausspringen kann. Ihre Hierarchie ist eine Hierarchie des Wissens. Die Spitze traut den untern Kreisen die Einsicht ins Einzelne zu, wogegen die untern Kreise der Spitze die Einsicht in das Allgemeine zutrauen und so täuschen sie sich wechselseitig. 5 10 Die Bureaucratie ist der imaginaire Staat neben dem reellen Staat, der Spiritualismus des Staats. Jedes Ding hat daher eine doppelte Bedeutung, eine reelle und eine büreaucratische, wie das Wissen ein doppeltes ist, ein reelles und ein büreaucratisches (so auch der Wille). Das reelle Wesen wird aber behandelt nach seinem büreaukratischen Wesen, nach seinem jensei- tigen, spirituellen Wesen. Die Bureaucratie hat das Staatswesen, das spi rituelle Wesen der Gesellschaft in ihrem Besitz, es ist ihr Privateigenthum. 15 20 Oer allgemeine Geist der Bureaucratie ist das Geheimniß, das Mysterium; innerhalb ihrer selbst durch die Hierarchie, nach aussen als geschloßne Corporation bewahrt. Der offenbare Staatsgeist, auch die Staatsgesinnung erscheinen daher der Bureaucratie als ein Verrath an ihrem Mysterium. Die Autorität ist daher das Princip ihres Wissens und die Vergötterung der Autorität ist ihre Gesinnung. Innerhalb ihrer selbst aber wird der Spiritualis mus zu einem krassen Materialismus, dem Materialismus des passiven Gehorsams, des Autoritätsglaubens, des ||56| Mechanismus eines fixen formellen Handlens, fixer Grundsätze, Anschauungen, Ueberlieferungen. Was den einzelnen Bureaucraten betrifft, so wird der Staatszweck zu seinem Privatzweck, zu einem Jagen nach höheren Posten, zu einem Machen von Carriere. Erstens betrachtet er das wirkliche Leben als ein materielles, denn der Geist dieses Lebens hat seine für sich abgesonderte Existenz in der 25 Bureaucratie. Die Bureaucratie muß daher dahin gehn, das Leben so mate riell wie möglich zu machen. Zweitens ist es für ihn selbst, d. h. so weit es zum Gegenstand der büreaucratischen Behandlung wird, materiell, denn sein Geist ist ihm vorgeschrieben, sein Zweck liegt ausser ihm, sein Dasein ist das Dasein des Bureaus. Der Staat existirt nur mehr als verschiedene fixe 30 Bureaugeister, deren Zusammenhang die Subordination und der passive Gehorsam ist. Die wirkliche Wissenschaft erscheint als Inhaltslos, wie das wirkliche Leben als todt, denn dieß imaginaire Wissen und dieß imaginaire Leben gelten für das Wesen. Der Bureaukrat muß daher jesuitisch mit dem Wirklichen Staat verfahren, sei dieser Jesuitismus nun ein bewußter oder 35 bewußtloser. Es ist aber nothwendig, daß er, sobald sein Gegensatz Wissen ist, ebenfalls zum Selbstbewußtsein gelangt und nun absichtlicher Jesuitis mus wird. Während die Bureaucratie einerseits dieser krasse Materialismus ist, zeigt sich ihr krasser Spiritualismus darin, daß sie Alles machen will, d. h. daß sie 40 den Wülen zur causa prima macht, weil sie blos thätiges Dasein ist und ihren Inhalt von aussen empfängt, ihre Existenz also nur durch Formiren, Be- 51 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie schränken dieses Inhalts beweisen kann. Der Bureaukrat hat in der Welt ein bloses Objekt seiner Behandlung. Wenn Hegel die Regierungsgewalt die objektive Seite der dem Monarchen innewohnenden Souverainetät nennt, so ist das richtig, in demselben Sinn, wie die katholische Kirche das reelle Dasein der Souverainetät, des Inhalts und Geistes der heiligen Dreieinigkeit war. In der Bureaucratie ist die Identität des Staatsinteresses und des besondern Privatzwecks so gesezt, daß das Staatsinteresse zu einem besondern Privatzweck gegenüber den andern Privatzwecken wird. 5 Die Aufhebung der Bureaucratie kann nur sein, daß das Allgemeine Inter- esse wirklich und nicht wie bei Hegel blos im Gedanken, in der Abstraction zum besondern Interesse wird, was nur dadurch möglich ist, daß das be sondere Interesse wirklich zum Allgemeinen wird. Hegel geht ||XV.57| von einem unwirklichen Gegensatz aus und bringt es daher nur zu einer ima- ginairen, in Wahrheit selbst wieder gegensätzlichen Identität. Eine solche 15 Identität ist die Bureaucratic 10 Verfolgen wir nun im Einzelnen seine Entwicklung. Die einzige philosophische Bestimmung, die Hegel über die Regierungs gewalt gjebt, ist die der „Subsumtion" des Einzelnen und Besonderen unter das Allgemeine etc. Hegel begnügt sich damit. Auf der einen Seite: Categorie „Subsumtion" des Besondern etc. Die muß verwirklicht werden. Nun nimmt er irgend eine der empirischen Existenzen des preussischen oder modernen Staats, (wie sie ist mit Haut und Haar) welche unter anderm auch diese Categorie ver wirklicht, obgleich mit derselben nicht ihr spezifisches Wesen ausgedrückt ist. Die angewandte Mathematik ist auch Subsumtion etc. Hegel fragt nicht, ist dieß die vernünftige, die adaequate Weise der Subsumtion? Er hält nur die eine Categorie fest und begnügt sich damit, eine entsprechende Existenz für sie zu finden. Hegel gjebt seiner Logik einen politischen Körper: er giebt nicht die Logik des politischen Körpers. (§ 287.) Ueber das Verhältniß der Korporationen, Gemeinden zu der Regierung erfahren wir zunächst, daß ihre Verwaltung, (die Besetzung ihrer Magistra tur) „im Allgemeinen eine Mischung von gemeiner Wahl dieser Interessenten und von einer höheren Bestätigung und Bestimmung" erheischt. Die ge mischte Wahl der Gemeinde und Corporationsvorsteher wäre also das erste Verhältniß zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat oder Regierungs gewalt, ihre erste Identität. (§ 288.) Diese Identität ist nach Hegel selbst sehr oberflächlich, ein Mixtum Compositum, eine „Mischung". So oberflächlich diese Identität ist, so scharf ist der Gegensatz. „Insofern diese Angelegen heiten (sc. der Corporation, Gemeinde etc.) einerseits Privateigenthum und Interesse dieser besondern Sphären sind und nach dieser Seite ihre Autorität 20 25 30 35 40 52 I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt mit auf dem Vertrauen ihrer Standesgenossen und Bürgerschaften beruht, anderer Seits diese Kreise dem höheren Interesse des Staats untergeordnet sein müssen", ergiebt sich die bezeichnete „gemischte Wahl". Die Verwaltung der Corporation hat also den Gegensatz: 5 Privateigenthum und Interesse der besondern Sphären gegen das höhere Interesse des Staats: Gegensatz zwischen Privateigenthum und Staat. Es braucht nicht bemerkt zu werden, daß die Auflösung dieses Gegen satzes in der gemischten Wahl eine blose Accommodation, ein Traktat, ein Geständniß des unaufgelösten Dualismus, selbst ein Dualism us, „Mischung" 10 ist. 1158| Die besonderen Interessen der Corporationen und Gemeinden haben innerhalb ihrer eignen Sphäre einen Dualismus, der ebenso sehr den Cha rakter ihrer Verwaltung bildet. 15 20 Der entschiedne Gegensatz tritt aber erst hervor in dem Verhältniß dieser „gemeinschaftlichen besondern Interessen" etc., die „ausser dem An und für sich seienden Allgemeinen des Staates selbst liegen" und diesem „An und für sich seienden Allgemeinen des Staats". Zunächst wieder innerhalb dieser Sphäre. „Die Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen in diesen besonderen Rechten und die Zurückführung derselben auf jenes erfordert eine Besorgung durch Abgeordnete der Regierungsgewalt, die exekutiven Staatsbeamten und die höheren b e r a t e n d en insofern kollegia- lisch konstituirten Behörden, welche in den obersten, den Monarchen be rührenden Spitzen zusammenlaufen." (§ 289.) Beiläufig machen wir aufmerksam auf die Construction der Regierungs- 25 Collégien, die man z. B. in Frankreich nicht kennt. „Insofern" Hegel diese Behörden als „berathende" anführt, „insofern" versteht sich es allerdings von selbst, daß sie „kollegialisch konstituirt" sind. Hegel läßt den „Staat selbst", die „Regierungsgewalt" zur „Besorgung" des „allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen etc." innerhalb der 30 bürgerlichen Gesellschaft per „Abgeordnete" hineintreten und nach ihm sind eigentlich diese „Regierungsabgeordneten", die „exekutiven Staatsbeam ten" die wahre „Staatsrepräsentation", nicht „der", sondern „gegen" die „bürgerliche Gesellschaft". Der Gegensatz von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist also fixirt; der Staat residirt nicht in, sondern ausserhalb der bürgerlichen Gesellschaft; er berührt sie nur durch seine „Abgeordneten", denen die „Besorgung des Staats" innerhalb dieser Sphären anvertraut ist. Durch diese „Abgeordneten" ist der Gegensatz nicht aufgehoben, sondern zu einem „gesetzlichen" „fixen" Gegensatz geworden. Der „Staat" wird als ein dem Wesen der bürgerlichen Gesellschaft fremdes und jenseitiges von 40 Deputirten dieses Wesens gegen die bürgerliche Gesellschaft geltend ge macht. Die „Polizei" und das „Gericht" und die „Administration" sind nicht 35 53 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Deputirte der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die in ihnen und durch sie ihr eignes allgemeines Interesse verwalten, sondern Abgeordnete des Staats, um den Staat gegen die bürgerliche Gesellschaft zu verwalten. Hegel explicit! diesen Gegensatz weiter ||59| in der mehr oben betrachteten, offenherzigen Anmerkung. „Die Regierungsgeschäfte sind objektiver, für sich bereits entschiedner 5 Natur." (§ 291.) Schließt Hegel daraus, daß sie deßwegen um so leichter keine „Hierarchie des Wissens" erfordern, daß sie vollständig von der „bürgerlichen Gesell schaft selbst" exekutirt werden können? Im Gegentheil. 10 Er macht die tiefsinnige Anmerkung, daß sie durch „Individuen" zu vollführen sind und daß „zwischen ihnen und diesen Individuen keine un mittelbare natürliche Verknüpfung liegt". Anspielung auf die Fürstengewalt, welche nichts anders ist, als die „natürliche Gewalt der Willkühr", also „geboren" werden kann. Die „fürstliche Gewalt" ist nichts als der Reprä- 15 sentant des Naturmoments im Willen, der „Herrschaft der physischen Natur im Staat". Die „exekutiven Staatsbeamten" unterscheiden sich in der Erwerbung ihrer Aemter daher wesentlich vom „Fürsten". „Für ihre Bestimmung zu demselben (sc. dem Staatsgeschäft) ist das 20 objektive Moment die Erkenntniß (die subjektive Willkühr entbehrt dieses Moments) und der Erweis ihrer Befähigung, — ein Erweis, der dem Staate sein Bedürfniß, und als die einzige Bedingung zugleich jedem Bürger die Möglichkeit, sich dem allgemeinen Stande zu widmen, sichert." Diese Möglichkeit jedes Bürgers Staatsbeamter zu werden, ist also das zweite affirmative Verhältniß zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat, die zweite Identität. Sie ist von sehr oberflächlicher und dualistischer Natur. Jeder Katholik hat die Möglichkeit Priester zu werden (d. h. sich von den Laien, von der Welt zu trennen). Steht darum weniger das Pfaffenthum dem Katholiken als eine jenseitige Macht gegenüber? Daß jeder die Mög- 30 lichkeit hat, das Recht einer andern Sphäre zu erwerben, beweist nur daß seine eigne Sphäre nicht die Wirklichkeit dieses Rechts ist. 25 Im wahren Staat handelt es sich nicht um die Möglichkeit jedes Bürgers sich dem allgemeinen als einem besondern Stand zu widmen, sondern um die Fähigkeit des allgemeinen Standes wirklich allgemein, d. h. der Stand 35 jedes Bürgers zu sein. Aber Hegel geht ||60| von der Voraussetzung des pseudo-allgemeinen, des ülusorisch-allgemeinen Standes, der besonderen ständigen Allgemeinheit aus. Die Identität, die er zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat con struct hat, ist die Identität zweier feindlichen Heere, wo jeder Soldat die „Möglichkeit" hat durch „Desertion" Mitglied des „feindlichen" Heeres 40 54 I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt 5 zu werden und allerdings beschreibt Hegel damit richtig den jetzigen em pirischen Zustand. Ebenso verhält es sich mit seiner Construction der „Examina". In einem vernünftigen Staat gehört eher ein Examen dazu, Schuster zu werden als exekutiver Staatsbeamter; denn die Schusterei ist eine Fertigkeit, ohne die man ein guter Staatsbürger, ein socialer Mensch sein kann; aber das nöthige „Staatswissen" ist eine Bedingung, ohne die man im Staat ausser dem Staat lebt, von sich selbst, von der Luft abgeschnitten ist. Das „Examen" ist nichts als eine Freimaurerei-Formel, die gesetzliche Anerkennung des staatsbür- 10 gerlichen Wissens als eines Privilegiums. Die „Verknüpfung" des „Staatsamts" und des „Individuums", dieses objektive Band zwischen dem Wissen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Wissen des Staats, das Examen ist nichts anders als die büreaucratische Taufe des Wissens, die offideile Anerkenntnis von der Transsubstantiation 15 des profanen Wissens in das heilige ; (es versteht sich bei jedem Examen von selbst, daß der Examinator alles weiß). Man hört nicht, daß die griechischen oder römischen Staatsleute Examina abgelegt. Aber allerdings, was ist auch ein römischer Staatsmann contra einen preussischen Regierungsmann! Neben dem objektiven Band des Individuums mit dem Staatsamt, neben 20 dem Examen findet sich ein andres Band, die fürstliche Willkühr. „Die subjektive Seite, daß dieses Individuum aus Mehreren, deren es, da hier das Objektive nicht (wie z. B. bei der Kunst) in Genialität liegt, nothwendig unbestimmt Mehrere giebt, unter denen der Vorzug nichts absolut Bestimm bares ist, zu einer Stelle gewählt und ernannt und zur Führung des öffent- liehen Geschäftes bevollmächtigt wird, diese Verknüpfung des Indivi duums und des Amtes, als zweier sich gegeneinander immer zufälligen Seiten, kommt der fürstlichen als der entscheidenden und souverainen Staatsgewalt zu." Der Fürst ist überall der Repräsentant des Zufalls. Ausser dem objektiven Moment des büreaucratischen Glaubensbekennt- 3o nisses (Examens) gehört noch das subjektive der fürstlichen Gnade hinzu, 25 damit der Glaube Früchte trage. | |XVI.6l| „Die besonderen Staatsgeschäfte, welche die Monarchie den Behörden übergiebt" (die Monarchie vertheilt, übergiebt die besonderen Staatsthätigkeiten als Geschäfte an die Behörden, vertheilt den Staat unter 35 die Büreaucraten; sie übergiebt das, wie die heilige römische Kirche die Weihen, die Monarchie ist ein System der Emanation; die Monarchie ver pachtet die Staatsfunktionen) „machen einen Theil der objektiven Seite der dem Monarchen innewohnenden Souverainetät aus." Hegel unterscheidet hier zuerst die objektive Seite der dem Monarchen innewohnenden Sou- 40 verainetät von der subjektiven. Früher warf er beide zusammen. Die dem Monarchen innewohnende Souverainetät wird hier förmlich mystisch ge- 55 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie nommen, so wie die Theologen den persönlichen Gott in der Natur finden. Hieß es noch, der Monarch ist die subjektive Seite der dem Staate inne wohnenden Souverainetät. (§ 293.) 5 Im § 294 entwickelt Hegel die Besoldung der Beamten aus der Idee. Hier in der Besoldung des Beamten, oder daß der Staatsdienst zugleich die Si- cherheit der empirischen Existenz garantirt, ist die wirkliche Identität der bürgerüchen Gesellschaft und des Staats gesezt. Der Sold des Beamten ist die höchste Identität, welche Hegel herausconstruirt. Die Verwandlung der Staatsthätigkeiten in Aemter, die Trennung des Staats von der Gesell schaft vorausgesezt. Wenn Hegel sagt: „Der Staatsdienst fordert die Auf- 10 Opferung selbstständiger und beliebiger Befriedigung subjektiver Zwecke", so erfordert das jeder Dienst „und giebt damit eben das Recht, sie in der pflichtmässigen Leistung aber nur in ihr zu finden. Hierin liegt nach dieser Seite die Verknüpfung des allgemeinen und besonderen Interesses, welche den Begriff der inneren Festigkeit des Staats ausmacht", so gilt das 1) von 15 jedem Bedienten, 2) ist es richtig, daß die Besoldung4er Beamten die innere Festigkeit der tiefen modernen Monarchien ausmacht. Nur die Existenz der Beamten ist garantirt, im Gegensatz zu dem Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft. Es kann Hegel nun nicht entgehn, daß er die Regierungsgewalt als einen 20 Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft und zwar als ein herrschendes Extrem construirt hat. Wie stellt er nun ein identisches Verhältniß her? 25 Nach § 295 liegt „die Sicherung des Staats und der Regierten gegen den Mißbrauch der Gewalt von Seiten der Behörden und ihrer Beamten" theils in ihrer „Hierarchie", (als wenn nicht die Hierarchie der Hauptmißbrauch wäre und die paar persönlichen Sünden der Beamten gar nicht mit ihren notwendigen hierarchischen Sünden zu vergleichen wären; die Hierarchie straft den Beamten, insoweit er gegen die Hierarchie sündigt oder eine der Hierarchie überflüssige Sünde begeht; aber sie nimmt ihn in Schutz, sobald die Hierarchie in ihm sündigt; zudem überzeugt sich die Hierarchie schwer 30 von den Sünden ihrer Glieder) ||62| und „in der Berechtigung der Gemeinden, Corporationen, als wodurch die Einmischung subjektiver Wülkühr in die den Beamten anvertraute Gewalt für sich gehemmt und die in das einzelne Benehmen nicht reichende Controlle (als wenn diese Controlle nicht aus dem Gesichtspunkt der Hierarchie\Bureaucratie geschähe) von Oben, 35 von Unten ergänzt wird". Die zweite Garantie gegen die Willkühr der Bureaucratie sind also die Corporationsprivilegien. Fragen wir also Hegel, was ist der Schutz der bürgerlichen Gesellschaft gegen die Bureaucratie, so antwortet er: 1) Die „Hierarchie" der Bureau- 40 cratie. Der Mißbrauch selbst. Die Controlle. Dieß daß der Gegner selbst 56 I. Innere Verfassung für sich, b) Die Regierungsgewalt an Händen und Füssen gebunden wird, und wenn er nach unten Hammer, nach oben Amboß ist. Wo ist nun der Schutz gegen die „Hierarchie"? Das kleinere Uebel wird durch das grössere allerdings insofern aufgehoben, als es dagegen verschwindet. 5 2) Der Conflict, der unaufgelöste Conflict zwischen Bureaucratie und Korporation. Der Kampf, die Möglichkeit des Kampfes ist die Garantie gegen das Unterliegen. Später (§ 297) fügt Hegel als Garantie noch die „Institutionen der Souverainetät von Oben herab" hinzu, worunter wieder die Hierarchie verstanden ist. 10 Aber Hegel bringt noch zwei Momente bei. (§ 296.) In dem Beamten selbst — und dieß soll ihn humanisiren, die „Leiden schaftslosigkeit, Rechtlichkeit und Müde des Benehmens" zur „Sitte" machen — sollen die „direkte sittliche und Gedankenbildung" dem Mechanis mus seines Wissens und seiner „wirklichen Arbeit" „das geistige Gleich- 15 gewicht" halten. Als wenn nicht auch der „Mechanismus" seines „büreau- cratischen" Wissens und seiner „wirklichen Arbeit" seiner „sittlichen und Gedankenbildung" das „Gleichgewicht" hielte? Und wird nicht sein wirk licher Geist und seine wirkliche Arbeit als Substanz über das Accidenz seiner sonstigen Begabung siegen? Sein „Amt" ist ja sein „substantielles Verhält- 20 niß" und sein „Brod". Schön nur, daß Hegel die „direkte sittliche und Ge dankenbildung" dem „Mechanismus des büreaucratischen Wissens und Arbeitens" entgegenstellt! Der Mensch im Beamten soll den Beamten gegen sich selbst sichern. Aber welche Einheit! Geistiges Gleichgewicht. Welche dualistische Categorie! 25 Hegel führt noch die „Grösse des Staats" an, welche in Rußland nicht gegen die Willkühr der „exekutiven Staatsbeamten" garantirt, jedenfalls ein Umstand ist, der „ a u s s e r" dem „Wesen" der Bureaucratie liegt. | |63| Hegel hat die „Regierungsgewalt" als „Staatsbediententhum" ent wickelt. 30 Hier in der Sphäre des „An und für sich Seienden Allgemeinen des Staates selbst" finden wir nichts als unaufgelöste Conflicte. Examen und Brod der Beamten sind die lezten Synthesen. Die Ohnmacht der Bureaucratie, ihren Conflict mit der Corporation führt Hegel als lezte Weihe derselben an. 35 In § 297 wird eine Identität gesezt insofern „die Mitglieder der Regierung und die Staatsbeamten den Haupttheü des Mittelstandes" ausmachen. Diesen „Mittelstand" rühmt Hegel als die „Grundsäule" des Staats „in Beziehung auf Rechtlichkeit und Intelligenz". (Zusatz zum citirten§§.) „Daß dieser Mittelstand gebildet werde, ist ein Hauptinteresse des Staates, aber 40 dieß kann nur in einer Organisation, wie die ist, welche wir gesehen haben, geschehen, nämlich durch die Berechtigung besonderer Kreise, die relativ 57 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie unabhängig sind und durch eine Beamten welt, deren Willkühr sich an solchen Berechtigten bricht." Allerdings kann nur in einer solchen Organisation das Volk als ein Stand, der Mittelstand erscheinen, aber ist das eine Organisation, die durch das Gleichgewicht der Privilegien sich in Gang hält? Die Regie rungsgewalt ist am schwersten zu entwickeln. Sie gehört noch in viel hö- herem Grad als die gesetzgebende dem ganzen Volk. Hegel spricht später § 308 Anmerkung den eigentlichen Geist der Bureau cratie aus, wenn er ihn als „Geschäftsroutine" und den „Horizont einer beschränkten Sphäre" bezeichnet. ||64|| 5 |XVII.65| c) Die gesetzgebende Gewalt. 10 § 298. „Die gesetzgebende Gewalt betrifft die Gesetze als solche, insofern sie weiterer Fortbestimmung bedürfen, und die ihrem Inhalt nach ganz all gemeinen (sehr allgemeiner Ausdruck) inneren Angelegenheiten. Diese Gewalt ist selbst ein Theil der Verfassung, welche ihr vorausgesezt ist und insofern an und für sich ausser deren direkten Bestimmung liegt, aber 15 in der Fortbildung der Gesetze und in dem fortschreitenden Charakter der allgemeinen Regierungsangelegenheiten ihre weitere Entwickelung er hält." . Zunächst fällt es auf, daß Hegel hervorhebt, wie „diese Gewalt selbst ein Theil der Verfassung" ist „welche ihr vorausgesezt ist und an und für sich 20 ausser deren direkten Bestimmung Hegt", da Hegel diese Bemerkung weder bei der fürstlichen, noch der Regierungsgewalt, wo sie ebenso wahr ist, angebracht hatte. Dann aber construirt Hegel erst das Ganze der Verfassung und kann es insofern nicht voraussetzen; allein darin eben erkennen wir die Tiefe bei ihm, daß er überall mit dem Gegensatz der Bestimmungen (wie sie in unsren Staaten sind) beginnt und den Accent darauf legt. 25 Die „gesetzgebende Gewalt ist selbst ein Theil der Verfassung, welche „an und für sich ausser deren direkten Bestimmung liegt". Aber die Ver fassung hat sich doch auch nicht von selbst gemacht, die Gesetze, die „weiterer Fortbestimmung bedürfen" müssen doch formirt worden sein. Es 30 muß eine gesetzgebende Gewalt vor der Verfassung und ausser der Ver fassung bestehn oder bestanden haben; es muß eine gesetzgebende Gewalt bestehn ausser der wirklichen, emptischen, gesezten gesetzgebenden Ge walt. Aber wird Hegel antworten: Wir setzen einen bestehenden Staat voraus! Allein Hegel ist Rechtsphilosoph und entwickelt die Staatsgattung. 35 Er darf nicht die Idee am Bestehenden, er muß das Bestehende an der Idee messen. Die Collision ist einfach. Die gesetzgebende Gewalt ist die Gewalt, das 58 Ρ I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Allgemeine zu organisiren. Sie ist die Gewalt der Verfassung. Sie greift über über die Verfassung. Allein andrerseits ist die gesetzgebende Gewalt eine Verfassungsmässige Gewalt. Sie ist also unter die Verfassung subsumirt. Die Verfassung ist 5 Gesetz für die gesetzgebende Gewalt. Sie hat der Gesetzgebenden Gewalt Gesetze gegeben und giebt sie ihr beständig. Die gesetzgebende Gewalt ist nur gesetzgebende Gewalt innerhalb der Verfassung und die Verfassung stände hors de loi, wenn sie ausserhalb der gesetzgebenden Gewalt stände. Voilà la collision. Innerhalb der jüngsten französischen Geschichte ist 10 mancherlei herum geknuspert worden. Wie löst Hegel diese Antinomie? | |66| Zunächst heißt es: Die Verfassung ist der gesetzgebenden Gewalt „vorausgesezt"; sie liegt „insofern an und für sich ausser deren direkten Bestimmung". 15 „Aber" aber „in der Fortbildung der Gesetze" „und in dem fortschreiten den Charakter der allgemeinen Regierungsangelegenheiten" „erhält" sie „ihre weitere Entwickelung". D.h. also: Direkt liegt die Verfassung ausserhalb dem Bereich der ge setzgebenden Gewalt; aber indirekt verändert die gesetzgebende Gewalt die 20 Verfassung. Sie thut auf einem Wege, was sie nicht auf gradem Wege thun kann und darf. Sie zerpflückt sie en detail, weil sie dieselbe nicht en gros verändern kann. Sie thut durch die Natur der Dinge und der Verhältnisse, was sie nach der Natur der Verfassung nicht thun sollte. Sie thut materiell, faktisch, was sie nicht formell, gesetzlich, verfassungsmässig thut. 25 Hegel hat damit die Antinomie nicht gehoben; er hat sie in eine andre Antinomie verwandelt; er hat das Wfrken der gesetzgebenden Gewalt, ihr Verfassungsmässiges Wirken in Widerspruch gestellt mit ihrer Verfassungs mässigen Bestimmung. Es bleibt der Gegensatz zwischen der Verfassung und der gesetzgebenden Gewalt. Hegel hat das Faktische und das Legale 30 Thun der Gesetzgebenden Gewalt als Widerspruch definirt oder auch den Widerspruch zwischen dem, was die Gesetzgebende Gewalt sein soll und dem, was sie wirklich ist; zwischen dem, was sie zu thun meint und dem was sie wirklich thut. Wie kann Hegel diesen Widerspruch für das Wahre aus geben? „Der fortschreitende Charakter der allgemeinen Regierungsangele- 35 genheiten" erklärt ebenso wenig, denn eben dieser fortschreitende Charakter soll erklärt werden. In dem Zusatz trägt Hegel zwar nichts zur Lösung der Schwierigkeit bei. Wohl aber stellt er sie noch klarer heraus. „Die Verfassung muß an und für sich der feste geltende Boden sein, auf 40 dem die gesetzgebende Gewalt steht, und sie muß deßwegen nicht erst gemacht werden." „Die Verfassung ist also, aber eben so wesentlich wird 59 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie sie, das heißt, sie schreitet in der Bildung fort. Dieses Fortschreiten ist eine Veränderung, die unscheinbar ist, und nicht die Form der Veränderung hat." D. h. die Verfassung ist dem Gesetz (der Illusion) nach, aber sie wird der Wirkhchkeit (der Wahrheit) nach. Sie ist ihrer Bestimmung nach unverän- derlich, aber sie verändert sich wirklich, nur ist ||67| diese Veränderung unbewußt, sie hat nicht die Form der Veränderung. Der Schein widerspricht dem Wesen. Der Schein ist das bewußte Gesetz der Verfassung und das Wesen ist ihr bewußtloses, dem ersten widersprechendes Gesetz. Es ist nicht im Gesetz, was in der Natur der Sache ist. Es ist vielmehr das Gegentheil im Gesetz. 5 10 Ist das nun das Wahre, daß im Staat, nach Hegel dem höchsten Dasein der Freiheit, dem Dasein der selbstbewußten Vernunft, nicht das Gesetz, das Dasein der Freiheit, sondern die blinde Naturnothwendigkeit herrscht? Und wenn nun das Gesetz der Sache als widersprechend der gesetzlichen De- finition erkannt wird, warum nicht das Gesetz der Sache, der Vernunft auch als das Staatsgesetz anerkennen, wie nun den Dualismus mit Bewußtsein festhalten? Hegel will überall den Staat als die Verwirklichung des freien Geistes darstellen, aber re vera löst er alle schwierigen Collisionen durch eine Naturnothwendigkeit, die im Gegensatz zur Freiheit steht. So ist auch der 20 Uebergang des Sonderinteresses in das Allgemeine kein bewußtes Staats gesetz, sondern per Zufall vermittelt, wider das Bewußtsein sich vollziehend und Hegel will überall im Staat die Realisation des freien Willens! (Hierin zeigt sich der substantielle Standpunkt Hegels.) 15 Die Beispiele, die Hegel über die allmählige Veränderung der Verfassung anführt, sind unglücklich gewählt. So daß das Vermögen der deutschen Fürsten und ihrer Familien aus Privatgut in Staatsdomänen, das Persönliche Rechtsprechen der deutschen Kaiser in Rechtsprechen durch Abgeordnete sich verwandelt hat. Der erste Uebergang hat sich nur so gemacht, daß alles Staatseigenthum sich in fürstliches Privateigenthum umsezte. 25 30 Dabei sind diese Veränderungen partikular. Ganze Staatsverfassungen haben sich allerdings so verändert, daß nach und nach neue Bedürfnisse entstanden, daß das Alte zerfiel etc.; aber zu der neuen Verfassung hat es immer einer förmlichen Revolution bedurft. „So ist also die Fortbildung eines Zustandes" schließt Hegel „eine schein- bar ruhige und unbemerkte. Nach langer Zeit kommt auf diese Weise eine Verfassung zu einem ganz anderen Zustande als vorher." Die Categorie des allmähligen Ueberganges ist erstens historisch falsch und zweitens erklärt sie nichts. Damit der Verfassung nicht nur die Veränderung angethan wird, damit also dieser illusorische Schein nicht zulezt gewaltsam zertrümmert wird, damit der Mensch mit Bewußtsein thut, was er sonst ohne Bewußtsein 35 40 60 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt durch die Natur der Sache gezwungen wird zu thun, ||68| ist es nothwendig, daß die Bewegung der Verfassung, daß der Fortschritt zum Princip der Verfassung gemacht wird, daß also der wirkliche Träger der Verfassung, das Volk, zum Princip der Verfassung gemacht wird. Der Fortschritt selbst ist dann die Verfassung. 5 Soll also die „Verfassung" selbst in den Bereich der „gesetzgebenden Gewalt" gehören? Diese Frage kann nur aufgeworfen werden 1) wenn der politische Staat als bioser Formalismus des wirklichen Staats existirt, wenn der politische Staat eine aparte Domaine ist, wenn der politische Staat als 10 „Verfassung" existirt; 2) wenn die gesetzgebende Gewalt anderen Ursprungs ist als die Regierungsgewalt etc. Die gesetzgebende Gewalt hat die französische Revolution gemacht; sie hat überhaupt, wo sie in ihrer Besonderheit als das Herrschende auftrat, die grossen, organischen allgemeinen Revolutionen gemacht; sie hat nicht die 15 Verfassung, sondern eine besondre, antiquirte Verfassung bekämpft, eben weil die gesetzgebende Gewalt der Repräsentant des Volkes, des Gattungs willens war. Die Regierungsgewalt dagegen hat die kleinen Revolutionen, die retrograden Revolutionen, die Reactionen gemacht; sie hat nicht für eine neue Verfassung gegen eine alte, sondern gegen die Verfassung revolutionirt; 20 eben weil die Regierungsgewalt der Repräsentant des besondern Willens, der subjektiven Willkühr, des magischen Theils des Willens war. Wird die Frage richtig gestellt, so heißt sie nur: Hat das Volk das Recht, sich eine neue Verfassung zu geben? Was unbedingt bejaht werden muß, indem die Verfassung, sobald sie aufgehört hat, wirklicher Ausdruck des 25 Volkswillens zu sein, eine praktische Illusion geworden ist. 30 Die Collision zwischen der Verfassung und der gesetzgebenden Gewalt ist nichts als ein Conflict der Verfassung mit sich selbst, ein Widerspruch im Begriff der Verfassung. Die Verfassung ist nichts als eine Accommodation zwischen dem poli- tischen und unpolitischen Staat; sie ist daher nothwendig in sich selbst ein Traktat wesentlich heterogener Gewalten. Hier ist es also dem Gesetz un möglich auszusprechen, daß eine dieser Gewalten, ein Theil der Verfassung, das Recht haben solle, die Verfassung selbst, das Ganze zu modificiren. Soll von der Verfassung als einem Besondern gesprochen werden, so muß 35 sie vielmehr als ein Theil des Ganzen betrachtet werden. | |XVIII.69| Werden unter der Verfassung, den allgemeinen Bestimmungen, die Fundamentalbestimmungen des vernünftigen Willens verstanden, so versteht sich, daß jedes Volk (Staat) diese zu seiner Voraussetzung hat und daß sie sein politisches Credo bilden müssen. Das ist eigentlich Sache des 40 Wissens und nicht des Willens. Der Wille eines Volkes kann eben so wenig über die Gesetze der Vernunft hinaus, als der Wille eines Individuums. Bei 61 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie einem unvernünftigen Volk kann überhaupt nicht von einer vernünftigen Staatsorganisation die Rede sein. Hier in der Rechtsphilosophie ist überdem der Gattungswille unser Gegenstand. Die gesetzgebende Gewalt macht das Gesetz nicht, sie entdeckt und formulirt es nur. 5 Man hat diese Collision zu lösen gesucht durch die Unterscheidung zwischen assemblée constituante und assemblée constituée. [|7θ|| jXIX.7l| § 299. „Diese Gegenstände" (die Gegenstände der gesetzgebenden Gewalt) „bestimmen sich in Beziehung auf die Individuen näher nach den zwei Seiten: α) was durch den Staat ihnen zu Gute kommt, und sie zu ge- 10 niessen und ß) was sie demselben zu leisten haben. Unter jenem sind die privatrechtlichen Gesetze überhaupt, die Rechte der Gemeinden und Kor porationen und ganz allgemeine Veranstaltungen und indirekt (§ 298) das Ganze der Verfassung begriffen. Das zu Leistende aber kann nur, indem es auf Geld, als den existirenden allgemeinen Werth der Dinge und der Lei- 15 stungen, reducirt wird, auf eine gerechte Weise und zugleich auf eine Art bestimmt werden, daß die besonderen Arbeiten und Dienste, die der Einzelne leisten kann, durch seine Willkühr vermittelt werden." Ueber diese Bestimmung der Gegenstände der gesetzgebenden Gewalt bemerkt Hegel selbst in der Anmerkung zu diesem §: 20 „Was Gegenstand der allgemeinen Gesetzgebung und was der Bestim mung der Administrativ-Behörden und der Regulirung der Regierung über haupt anheim zu stellen sei, läßt sich zwar im Allgemeinen so unterscheiden, daß in jene nur das dem Inhalte nach ganz Allgemeine, die gesetzlichen Bestimmungen, in diese aber das Besondere und die Art und Weise der Exekution falle. Aber völlig bestimmt ist diese Unterscheidung schon da durch nicht, daß das Gesetz, damit es Gesetz, und nicht ein blosses Gebot überhaupt sei, (wie: „du sollst nicht tödten") in sich bestimmt sein muß; je bestimmter es aber ist, desto mehr nähert sich sein Inhalt der Fähigkeit, so wie es ist, ausgeführt zu werden. Zugleich aber würde die so weit gehende 30 Bestimmung den Gesetzen eine empirische Seite geben, welche in der wirklichen Ausführung Abänderungen unterworfen werden müßte, was dem Charakter von Gesetzen Abbruch thäte. In der organischen Einheit der Staatsgewalten hegt es selbst, daß es Ein Geist ist, der das Allgemeine fest- sezt, und der es zu seiner bestimmten Wirklichkeit bringt und ausführt." 35 25 Aber eben diese organische Einheit ist es, die Hegel nicht construirt hat. Die verschiedenen Gewalten haben ein verschiedenes Princip. Sie sind dabei feste Wirldichkeit. Von ihrem wirklichen Conflict an die imaginaire „orga nische Einheit" sich flüchten, statt sie als Momente einer organischen Ein heit entwickelt zu haben, ist daher eine leere mystische Ausflucht. 40 62 w to I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Die erste ungelöste Collision war die zwischen der ganzen Verfassungund der gesetzgebenden Gewalt. Die zweite ist die zwischen der gesetzgebenden und der Regierungsgewalt, zwischen dem Gesetz und der Exekution. | |72| Die zweite Bestimmung des § ist, daß die einzige Leistung, die der Staat 5 von den Individuen fordert, das Geld ist. Die Gründe, die Hegel dafür anführt, sind: 1) Das Geld ist der existirende allgemeine Werth der Dinge und der Leistungen; 2) Das zu Leistende kann nur durch diese Reduktion auf eine gerechte Art 10 bestimmt werden; 15 3) Nur dadurch kann die Leistung auf eine solche Art bestimmt werden, daß die besonderen Arbeiten und Dienste, die der Einzelne leisten kann, durch seine Wülkühr vermittelt werden. Hegel bemerkt in der Anmerkung: ad 1. „Es kann im Staate zunächst auffallen, daß von den vielen Ge schicklichkeiten, Besitzthümern, Thätigkeiten, Talenten, und darin liegen den unendlich mannigfaltigen lebendigen Vermögen, die zugleich mit Ge sinnung verbunden sind, der Staat keine direkte Leistung fordert, sondern nur das eine Vermögen in Anspruch nimmt, das als Geld erscheint. — Die 20 Leistungen, die sich auf die Vertheidigung des Staats gegen Feinde beziehen, gehören erst zu der Pflicht der folgenden Abtheilung. (Nicht der folgenden Abtheüung, aber anderer Gründe wegen, werden wir erst später auf die persönliche Pflicht zum Militairdienst kommen.) In der That ist das Geld aber nicht ein besonderes Vermögen neben den 25 übrigen, sondern es ist das Allgemeine derselben, insofern sie sich zu der Aüsserlichkeit des Daseins produciren, in der sie als eine Sache gefaßt werden können." „Bei u n s" heißt es weiter in dem Zusatz „kauftest Staat, was er braucht." ad 2. „Nur an dieser äußerlichsten Spitze (sc. worin die Vermögen sich 30 zu der Aüsserlichkeit des Daseins produciren, in der sie als eine Sache gefaßt werden können) ist die quantitative Bestimmtheit und damit die Gerechtig keit und Gleichheit der Leistungen möglich." Im Zusatz heißt es: „Durch Geld kann die Gerechtigkeit der Gleichheit weit besser durchgeführt wer den." „Der Talentvolle würde sonst mehr besteuert sein als der Talentlose, 35 wenn es auf die konkrete Fähigkeit ankäme." ad 3. „Plato läßt in seinem Staate die Individuen den besonderen Ständen durch die Oberen zutheüen und ihnen ihre besonderen Leistungen auflegen; in der Feudalmonarchie hatten Vasallen ebenso unbestimmte Dienste, aber auch in ihrer Besonderheit ζ. B. das Richteramt u. s. f. zu leisten; die Lei- 40 stungen im Orient, Aegypten für die unermeßlichen Architekturen u. s. f. sind ebenso von besonderer Qualität u. s. f. In diesen Verhältnissen mangelt das 63 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Prinzip der subjektiven Freiheit, daß das substantielle Thun des Individu- ' ums, das in solchen Leistungen ohnehin seinem Inhalte nach ein Besonderes ist, durch seinen besonderen Willen vermittelt sei; — ein Recht, das allein durch die Forderung der Leistungen in der Form des allgemeinen Werthes möglich, und das der Grund ist, der diese Verwandelung herbeigeführt hat." Im Zusatz heißt es: „Bei uns kauft der Staat, was er braucht und dieß kann zunächst als abstrakt, todt und gemüthlos erscheinen und es kann auch aussehen, als wenn der Staat 1|73| dadurch heruntergesunken wäre, daß er sich mit abstrakten Leistungen befriedigt. Aber es liegt in dem Principe des neueren Staates, daß Alles, was das Individuum thut, durch seinen Willen 10 vermittelt s e i . " . .. „Nun aber wird eben dadurchi?especr vor der subjektiven Freiheit an den Tag gelegt, daß man jemanden nur an dem ergreift, an welchem er ergriffen werden kann." 5 Thut, was ihr wollt. Bezahlt was ihr sollt. Der Eingang des Zusatzes lautet: „Die zwei Seiten der Verfassung be- 15 ziehen sich auf die Rechte und Leistungen der Individuen. Was nun die Leistungen betrifft, so reduciren sie sich jezt fast alle auf Geld. Die Militair- pflicht ist jezt fast nur die einzige persönliche Leistung." ||74|| |XX.75| § 300. „In der gesetzgebenden Gewalt als Totalität sind zunächst die zwei andern Momente wirksam, das monarchische, als dem die höchste 20 Entscheidung zukommt, — die Regierungsgewalt als das, mit der konkreten Kenntniß und Uebersicht des Ganzen in seinen vielfachen Seiten und den darin festgewordnen wirklichen Grundsätzen, so wie mit der Kenntniß der Bedürfnisse der Staatsgewalt insbesondere, berathende Moment, — endlich das ständische Element." 25 Die monarchische Gewalt und die Regierungsgewalt sind . .. gesetz gebende Gewalt. Wenn aber die gesetzgebende Gewalt die Totalität ist, müßten vielmehr monarchische Gewalt und Regierungsgewalt Momente der gesetzgebenden Gewalt sein. Das hinzutretende ständische Element ist nur gesetzgebende Gewalt oder die gesetzgebende Gewalt im Unterschiedzu der monarchischen und Regierungsgewalt. § 301. „Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich, d. i. daß das Moment der subjektiven formellen Freiheit, das öffentliche Bewußtsein als empiri sche Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen, darin zur Existenz komme." Das ständische Element ist eine Deputation der bürgerlichen Gesellschaft an den Staat, dem sie als die „Vielen" gegenüberstehn. Die Vielen sollen einen Augenblick die allgemeinen Angelegenheiten mit Bewußtsein als ihre eigenen behandeln, als Gegenstände des öffentlichen Bewußtseins, welches 30 35 40 64 r I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt nach Hegel nichts ist als die „empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen"; (und in Wahrheit ist es in den modernen, auch den konstitutionellen, Monarchien nichts Anders.) Es ist bezeichnend, daß Hegel, der so grossen Respect vor dem Staatsgeist, dem sittlichen Geist, dem 5 Staatsbewußtsein hat, es da, wo es ihm in wirklicher empirischer Gestalt gegenübertritt, förmlich verachtet. Dieß ist das Räthsel des Mysticismus. Dieselbe phantastische Abstraktion, die das Staatsbewußtsein in der unangemeßnen Form der Bureaucratie, einer Hierarchie des Wissens wiederfindet und diese unangemeßne Existenz 10 unkritisch für die wirkliche Existenz hinnimmt als vollgültig, dieselbe my stische Abstraction gesteht ebenso unbefangen, daß der wirkliche empirische Staatsgeist, das öffentliche Bewußtsein ein bloses Potpourri von „Gedanken und Ansichten der Vielen" sei. Wie sie der Bureaucratie ein fremdes Wesen unterschiebt, so läßt sie dem wahren Wesen die unangemeßne Form der 15 Erscheinung. Hegel idealisirt die Bureaucratie und empirisirt das öffentliche Bewußtsein. Hegel kann das wirkliche öffentliche Bewußtsein sehr à part behandeln, eben weil er das à part Bewußtsein als das öffentliche behandelt hat. Er braucht sich um so weniger um die wirkliche Existenz des Staats geistes zu kümmern, als er schon in seinen soi-disant Existenzen ihn gehörig realisirt zu haben meint. Solange der Staatsgeist mystisch im Vorhof spukte, wurden ihm viel Reverenzen gemacht. Hier, wo wir ihn [i n] persona gehascht, wird er kaum angesehn. | 20 |76| „Das ständische Element hat die Bestimmung, daß die allgemeine Angelegenheit nicht nur an sich, sondern auch für sich darin zur Existenz 25 komme." Und zwar kömmt sie für sich zur Existenz als das „öffentliche Bewußtsein", als „empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen". 30 Das Subjektwerden der „allgemeinen Angelegenheit", die auf diese Weise verselbstständigt wird, wird hier als ein Moment des Lebensprozesses der „allgemeinen Angelegenheit" dargestellt. Statt, daß die Subjekte sich in der „allgemeinen Angelegenheit" vergegenständlichten, läßt Hegel die „all gemeine Angelegenheit" zum „Subjekt" kommen. Die Subjekte bedürfen nicht der „allgemeinen Angelegenheit" als ihrer wahren Angelegenheit, sondern die allgemeine Angelegenheit bedarf der Subjekte zu ihrer formellen 35 Existenz. Es ist eine Angelegenheit der „allgemeinen Angelegenheit", daß sie auch als Subjekt existiré. Es ist hier besonders der Unterschied zwischen dem „Ansichsein" und dem „Fürsichsein" der allgemeinen Angelegenheit ins Auge zu fassen. 40 Die „allgemeine Angelegenheit" existirt schon „an sich"ais das Geschäft der Regierung etc; sie existirt ohne wirklich die allgemeine Angelegenheit zu sein; sie ist nichts weniger als dieß, denn sie ist nicht die Angelegenheit 65 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie der „bürgerlichen Gesellschaft". Sie hat schon ihre wesentliche, an sich seiende Existenz gefunden. Daß sie nun auch wirklich „öffentliches Be wußtsein" „empirische Allgemeinheit" wird, ist rein formell und kömmt gleichsam nur symbolisch zur Wirklichkeit. Die „formelle" Existenz oder die „empirische" Existenz der allgemeinen Angelegenheit ist getrennt von ihrer substantiellen Existenz. Die Wahrheit davon ist: Die an sich seiende „allgemeine Angelegenheit" ist nicht wirklich allgemein; und die wirkliche empirische allgemeine Angelegenheit ist nur formell. Hegel trennt Inhalt und Form, Ansichsein und Fürsichsein und läßt das leztere als ein formelles Moment äusserlich hinzutreten. Der Inhalt ist fertig und existirt in vielen Formen, die nicht die Formen dieses Inhaltes sind; wogegen es sich von selbst versteht, daß die Form, die nun für die wirkliche Form des Inhalts gelten soll, nicht den wirklichen Inhalt zu ihrem Inhalt hat. 5 10 15 Die allgemeine Angelegenheit ist fertig, ohne daß sie wirkliche Angelegen- heit des Volks wäre. Die wirkliche Volkssache ist ohne Thun des Volks zu Stande gekommen. Das ständische Element ist die Illusorische Existenz der Staatsangelegenheiten als einer Volkssache. Die Illusion daß die allgemeine Angelegenheit allgemeine Angelegenheit, öffentliche Angelegenheit sei oder die Illusion, daß die Sache des Volks allgemeine Angelegenheit sei. So weit 20 ist es sowohl in unseren Staaten, als in der hegelschen Rechtsphilosophie gekommen, daß der tautologische Satz: „Die allgemeine Angelegenheit ist Illusion des praktischen die allgemeine Angelegenheit" nur als eine 2?e||77| wußtseins erscheinen kann. Das ständische Element ist die politische Illusion der bürgerlichen Gesellschaft. Die subjektive Freiheit erscheint bei Hegel als formelle Freiheit, (Es ist allerdings wichtig, daß das Freie auch frei gethan werde, daß die Freiheit nicht als bewußtloser Naturinstinkt der Gesellschaft herrsche.) eben weil er die objektive Freiheit nicht als Ver wirklichung, als Bethätigung der subjektiven hingestellt hat. Weil er dem präsumtiven oder wirklichen Inhalt der Freiheit einen mystischen Träger 30 gegeben hat, so bekömmt das wirkliche Subjekt der Freiheit eine formelle Bedeutung. 25 Die Trennung des Ansichs und des Fürsichs, der Substanz und des Sub jektes ist abstrakter Mysticismus. Hegel sezt in der Anmerkung das „ständische Element" recht sehr als ein 35 „Formelles", „Illusorisches" auseinander. Sowohl das Wissen, als der Wille des „ständischen Elementes" sind theils unbedeutend, theils verdächtig; d.h. das ständische Element ist kein In haltsvolles Complement. 1) „Die Vorstellung, die das gewöhnliche Bewußtsein über die 40 Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Konkurrenz von Ständen zunächst 66 w I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt vor sich zu haben pflegt, ist vornehmlich etwa, daß die Abgeordneten aus dem Volk oder gar das Volk es am Besten verstehn müsse, was zu seinem Besten diene, und daß es den ungezweifelt besten Willen für dieses Beste habe. Was das Erstere betrifft, so ist vielmehr der Fall, daß das Volk, insofern 5 mit diesem Worte ein besonderer Theil der Mitglieder eines Staates be zeichnet ist, den Theü ausdrückt, der nicht weiß, was er will. Zu wissen, was man will, und noch mehr, was der an und für sich seiende Wille, die Vernunft, will, ist die Frucht tiefer Erkenntniß (die wohl in den Bureaus steckt) und Einsicht, welche eben nicht die Sache des Volks ist." Mehr unten heißt es in Bezug auf die Stände selbst: „Die höchsten Staatsbeamten haben nothwendig tiefere und umfassendere Einsicht in die Natur der Einrichtun gen und Bedürfnisse des Staats, so wie die grössere Gewohnheit und Ge schicklichkeit dieser Geschäfte, und können ohne Stände das Beste thun, wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das Beste thun müssen." 10 15 Und es versteht sich, daß bei der von Hegel beschriebnen Organisation dieß vollständig wahr ist. 2) „Was aber den vorzüglich guten Willen der Stände für das allgemeine Beste betrifft, so ist schon oben bemerkt worden, daß es zu der Ansicht des 20 Pöbels, dem Standpunkte des Negativen überhaupt gehört, bei der Regierung einen bösen oder weniger guten Willen vorauszusetzen; — eine Vorausset zung, die zunächst, wenn in gleicher Form geantwortet werden sollte, die ||78| Rekrimination zur Folge hätte, daß die Stände, da sie von der Einzelnheit, dem Privat-Standpunkte und den besonderen Interessen her- 25 kommen, für diese auf Kosten des allgemeinen Interesses ihre Wirksamkeit zu gebrauchen geneigt seien, da hingegen die anderen Momente der Staats gewalt, schon für sich auf den Standpunkt des Staats gestellt, und dem allgemeinen Zwecke gewidmet sind." Also Wissen und Willen der Stände sind theils überflüssig, theils ver- 30 dächtig. Das Volk weiß nicht, was es will. Die Stände besitzen nicht die Staatswissenschaft im Maasse der Beamten, deren Monopol sie ist. Die Stände sind überflüssig zum Vollbringen der „allgemeinen Angelegen heit". Die Beamten können sie ohne Stände vollbringen, ja sie müssen trotz der Stände das Beste thun. Was also den Inhalt betrifft, so sind die 35 Stände reiner Luxus. Ihr Dasein ist daher im wörtlichsten Sinne eine blose: Form. Was ferner die Gesinnung, den Willen der Stände betrifft, so ist er ver dächtig, denn sie kommen vom Privatstandpunkt und den Privatinteressen her. In Wahrheit ist das Privatinteresse ihre allgemeine Angelegenheit und 40 nicht die allgemeine Angelegenheit ihr Privatinteresse. Aber welche Manier der „allgemeinen Angelegenheit" Form zu gewinnen als allgemeine An- 67 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie gelegenheit in einem Willen, der nicht weiß, was er will, wenigstens nicht ein besondres Wissen des Allgemeinen besizt und in einem Willen, dessen eigentlicher Inhalt ein entgegenstehendes Interesse ist! In den modernen Staaten, wie in Hegels Rechtsphilosophie ist die bewußte, die wahre Wirklichkeit der allgemeinen Angelegenheit nur formell oder nur das Formelle ist wirkliche allgemeine Angelegenheit. 5 Hegel ist nicht zu tadeln, weil er das Wesen des modernen Staats schildert, wie es ist, sondern weil er das, was ist, für das Wiesen des Staats ausgiebt. Daß das Vernünftige wirklich ist, beweist sich eben im Widerspruch der unvernünftigen Wtklichkeit, die an allen Ecken das Gegentheil von dem ist, was sie aussagt und das Gegentheil von dem aussagt, was sie ist. 10 Statt daß Hegel zeigte, wie die „allgemeine Angelegenheit" für sich, subjektiv, daher wirklich als solche existiré, daß sie auch die Form der allgemeinen Angelegenheit hat, zeigt er nur, daß die Formlosigkeit ihre Subjektivität ist und eine Form ohne Inhalt muß formlos sein. Die Form, 15 welche die allgemeine Angelegenheit in einem Staat gewinnt, der nicht der Staat der allgemeinen Angelegenheit ist, kann nur eine Unf orm, eine sich selbst täuschende, eine sich selbst widersprechende Form sein, eine Schein form, die sich als dieser Schein ausweisen wird. | |XXI.79| Hegel will den Luxus des ständischen Elements nur der Logik 20 zulieb. Das Fürsichsein der allgemeinen Angelegenheit als empirische All gemeinheit soll ein Dasein haben. Hegel sucht nicht nach einer adaequaten Verwirklichung des „Fürsichseins der allgemeinen Angelegenheit"; er be gnügt sich, eine empirische Existenz zu finden, die in diese logische Cate gorie aufgelöst werden kann; das ist dann das ständische Element; wobei 25 er nicht verfehlt, selbst anzumerken, wie erbärmlich und widerspruchsvoll diese Existenz ist. Und dann wirft er noch dem gewöhnlichen Bewußtsein vor, daß es sich mit dieser logischen Satisfaktion .nicht begnügt, daß es nicht die Wirklichkeit durch willkührliche Abstraktion in Logik aufgelöst, sondern die Logik in wahre Gegenständlichkeit verwandelt sehn will. 30 Ich sage: willkührliche Abstraktion. Denn da die Regierungsgewalt die allgemeine Angelegenheit will, weiß, verwirklicht, aus dem Volk hervorgeht und eine empirische Vielheit ist, (daß es sich nicht um Allheit handelt, belehrt uns H. ja selbst) warum sollte die Regierungsgewalt nicht als das „Für sichsein der allgemeinen Angelegenheit" bestimmt werden können? Oder 35 warum nicht die „Stände" als ihr Ansichsein, da die Sache erst in der Re gierung Licht und Bestimmtheit und Ausführung und Selbstständigkeit gewinnt? Aber der wahre Gegensatz ist: „Die allgemeine Angelegenheit" muß doch irgendwo im Staat als „wirkliche" also „empirische allgemeine Angelegen- 40 heit" repräsentirt sein; sie muß irgendwo in der Krone und dem Talar des 68 r I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Allgemeinen erscheinen; wodurch es von selbst zu einer Rolle, einer Illusion wird. Es handelt sich hier um den Gegensatz. Das „Allgemeine" als „Form", in der „Form der Allgemeinheit" und das „Allgemeine als Inhalt". 5 10 Ζ. Β. in der Wissenschaft kann ein „Einzelner" die allgemeine Angelegen­ heit vollbringen und es sind immer Einzelne, die sie vollbringen. Aber wirklich Allgemein wird sie erst, wenn sie nicht mehr die Sache des Ein­ zelnen, sondern die der Gesellschaft ist. Das verändert nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt. Hier aber handelt es sich um den Staat, wo das Volk selbst die allgemeine Angelegenheit ist; hier handelt es sich um den Willen, der sein wahres Dasein als Gattungswille nur im selbstbewußten Willen des Volkes hat. Und hier handelt es sich überdem von der Idee des Staats. Der moderne Staat, in dem die „allgemeine Angelegenheit" und die Be schäftigung mit derselben ein Monopol ist, und dagegen die Monopole die 15 wirklichen allgemeinen Angelegenheiten sind, hat die sonderbare Erfindung gemacht, die „allgemeine Angelegenheit" als eine Wose Form sich an zueignen. (Das Wahre ist, daß nur die Form allgemeine Angelegenheit ist.) Er hat damit ||8θ| die entsprechende Form für seinen Inhalt gefunden, der nur scheinbar die wirkliche allgemeine Angelegenheit ist. 20 25 30 Der constitutionelle Staat ist der Staat, in dem das Staatsinteresse als wirkliches Interesse des Volkes nur formell, aber als eine bestimmte Form neben dem wirklichen Staat vorhanden ist; das Staatsinteresse hat hier formell wieder Wirklichkeit erhalten als Volksinteresse, aber es soll auch nur diese formeile Wirklichkeit haben. Es ist zu einer Formalität, zu dem haut goût des Volkslebens geworden, eine Cérémonie. Das ständische Element ist die sanktiomrte, gesetzliche Lüge der constitutionellen Staaten, daß der Staat das Interesse des Volks oder daß das Volk das Staatsinteresse ist. Im Inhalt wird sich diese Lüge enthüllen. Als gesetzgebende Gewalt hat sie sich etablirt, eben weil die gesetzgebende Gewalt das Allgemeine zu ihrem Inhalt hat, mehr Sache des Wissens als des Willens, die metaphysische Staatsgewa/f ist, während dieselbe Lüge als Regierurigsgewalt etc. entweder sich sofort auflösen oder in eine Wahrheit verwandeln müßte. Die metaphysische Staatsgewalt war der geeignetste Sitz der metaphysischen, allgemeinen Staatsillusion. 35 40 „Die Gewährleistung, die für das allgemeine Beste und die öffentliche Freiheit in den Ständen hegt, findet sich bei einigem Nachdenken nicht in der besonderen Einsicht derselben, sondern sie liegt Theils wohl in einer Zuthat (!!) von Einsicht der Abgeordneten, vornehmlich in das Treiben der den Augen der höheren Stellen ferner stehenden Beamten, und insbesondere in dringendere und speziellere Bedürfnisse und Mängel, die [sie] in konkreter Anschauung vor sich haben, Theils aber in derjenigen Wirkung, welche die 69 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie zu erwartende Censur Vieler und zwar eine öffentliche Censur mit sich führt, schon im Voraus die beste Einsicht auf die Geschäfte und vorzulegenden Entwürfe zu verwenden und sie nur den reinsten Motiven gemäß ein zurichten, — eine Nöthigung, die ebenso für die Mitglieder der Stände selbst wirksam ist." „Was hiermit die Garantie überhaupt betrifft, welche besonders in den Ständen liegen soll, so theilt auch jede andere der Staatsinstitutionen dieß mit ihnen, eine Garantie des öffentlichen Wohls und der vernünftigen Freiheit zu sein, und es giebt darunter Institutionen, wie die Souverainetät des Monarchen, die Erblichkeit der Thronfolge, Gerichtsverfassung u. s. f., in welchen diese Garantie noch in viel stärkerem Grade liegt. Die eigen thümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deßhalb darin zu suchen, daß in ihnen das subjektive Moment der allgemeinen Freiheit, die eigene Einsicht und der eigene Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt. Daß dieß Moment eine Bestimmung der zur Totalität ||8l| entwik- kelten Idee ist, diese innere Nothwendigkeit, welche nicht mit äusseren Notwendigkeiten und Nützlichkeiten zu verwechseln ist, folgt, wie überall aus dem philosophischen Gesichtspunkt." 5 10 15 Die öffentliche, allgemeine Freiheit ist in den andern Staatsinstitutionen angeblich garantirt; die Stände sind ihre angebliche Selbstgarantirung. Daß das Volk in die Stände, in denen es selbst sich zu versichern glaubt, mehr Gewicht legt, als auf die Institutionen, die ohne sein Thun die Assecuranzen seiner Freiheit sein sollen, Bethätigungen seiner Freiheit ohne Bethätigungen seiner Freiheit zu sein. Die Coordination, welche Hegel den Ständen neben 25 den andern Institutionen anweist, widerspricht ihrem Wesen. 20 Hegel löst das Räthsel, wenn er die „eigenthümliche Begriffsbestimmung der Stände" darin findet, daß in ihnen „die eigene Einsicht und der eigene Wille der bürgerlichen Gesellschaft in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt". Es ist die Reflection der bürgerlichen Gesellschaft auf den Staat. Wie die Bureaucraten Abgeordnete des Staats an die bürgerliche Gesell schaft, so sind die Stände Abgeordnete der bürgerlichen Gesellschaft an den Staat. Es sind also immer Transactionen zweier gegensätzlicher Willen. Im Zusatz zu diesem § heißt es: „Die Stellung der Regierung zu den Ständen soll keine wesentlich feind- liehe sein, und der Glaube an die Nothwendigkeit dieses feindseeligen Verhältnisses ist ein trauriger Irrthum"; ist eine „traurige Wahrheit". „Die Regierung ist keine Parthei, der eine andere gegenübersteht." Umge kehrt. 30 35 „Die Steuern, die die Stände bewilligen, sind ferner nicht wie ein Geschenk anzusehen, das dem Staate gegeben wird, sondern sie werden zum Besten 40 70 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 10 15 20 der Bewilligenden selbst bewilligt." Die Steuerbewilligung ist im consti- tutionellen Staat der Meinung nach nothwendig ein Geschenk. „Was die eigentliche Bedeutung der Stände ausmacht, ist, daß der Staat dadurch in das subjektive Bewußtsein des Volks tritt, und daß es an demselben Theil zu haben anfängt." Das leztere ist ganz richtig. Das Volk in den Ständen fängt an Theil zu haben am Staat, ebenso tritt er als ein jenseitiger in sein subjektives Bewußtsein. Wie kann Hegel diesen Anfang aber für die volle Realität ausgeben? | |82| § 302. „Als vermittelndes Organ betrachtet, stehen die Stände zwi- sehen der Regierung überhaupt einer Seits, und dem in die besondern Sphären und Individuen aufgelösten Volk anderer Seits. Ihre Bestimmung fordert an sie so sehr den Sinn und die Gesinnung des Staats und der Re gierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen. Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisirten Regie- rungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung, daß weder die fürstliche Gewalt als Extrem isolirt, und dadurch als blose Herrschergewalt und Willkühr erscheine, noch daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isoliren, oder noch mehr daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, und zur blos massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen." Staat und Regierung werden immer als identisch auf die eine Seite; das in die besondren Sphären und Individuen aufgelöste Volk auf die andere Seite gesezt. Die Stände stehn als vermittelndes Organ zwischen beiden. Die 25 Stände sind die Mitte, worin „Sinn und Gesinnung des Staats und der Re gierung" zusammentreffen, vereinigt sein sollen mit „Sinn und Gesinnung der besonderen Kreise und der Einzelnen". Die Identität dieser beiden „entgegen gesezten Sinne und Gesinnungen", in deren Identität eigentlich der Staat liegen sollte, erhält eine symbolische Darstellung in den Ständen. 30 Die Transaction zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft erscheint als eine besondre Sphäre. Die Stände sind die Synthese zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft. Wie die Stände es aber anfangen sollen, zwei widersprechende Gesinnungen in sich zu vereinen, ist nicht angegeben. Die Stände sind der gesezte Widerspruch des Staats und der bürgerlichen Ge- Seilschaft im Staate. Zugleich sind sie die Forderung der Auflösung dieses 35 Widerspruches. „Zugleich hat diese Stellung die Bedeutung einer mit der organisirten Regierungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung etc." 40 Die Stände vermitteln nicht nur Volk und Regierung. Sie verhindern die „fürstliche Gewalt" als isolirtes „Extrem", die damit als „blose Herrscherge walt und Willkühr" erscheinen würde; ebenso die „Isolirung" der „be- 71 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 10 5 sondern" Interessen etc. ebenso die „Darstellung der Einzelnen als Menge und Haufen". Diese Vermittelung ist den Ständen mit der organisirten Regierungsgewalt gemeinschaftlich. In einem Staat, worin die „Stellung" der „Stände" verhindert „daß die Einzelnen nicht zur Darstellung einer Menge oder eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, und zur blos massenhaften Gewalt gegen den organischen Staat kommen" existirt der „organische Staat" ausser der „Menge" und dem „Haufen", oder da gehört die „Menge" und der „Haufen" zur Organisation des Staats; blos soll sein „unorganisches Meinen und Wollen" nicht zum „Meinen und Wollen gegen den Staat" kommen, durch welche bestimmte Richtung es „organi- sches" Meinen und Wollen würde. Ebenso soll diese „massenhafte Gewalt" nur „massenhaft" bleiben, so daß der Verstand ausser der Masse ist und sie daher nicht sich selbst in Bewegung setzen, sondern nur von den Mono polisten des „organischen Staates" in Bewegung gesezt werden kann und als massenhafte Gewalt exploitirt ||XXII.83| werden kann. Wo nicht „die 15 besondern Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Einzelnen" sich gegen den Staat isoliren, sondern die „Einzelnen zur Darstellung einer Menge und eines Haufens, zu einem somit unorganischen Meinen und Wollen, und zur blos massenhaften Gewalt gegen den Staat kommen", da zeigt es sich eben, daß kein „besonderes Interesse" dem Staat widerspricht, sondern daß der „wirkliche organische allgemeine Gedanke der Menge und des Haufens" nicht der „Gedanke des organischen Staats" ist der nicht in ihm seine Realisation findet. Wodurch erscheinen nun die Stände als Ver mittelung gegen dieß Extrem? Nur dadurch, „daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich isoliren" oder da- durch, daß ihre isolirten Interessen ihre Rechnung mit dem Staat durch die Stände abschliessen; zugleich dadurch, daß das „unorganische Meinen und Wollen der Menge und des Haufens" in der Schöpfung der Stände seinen Willen (seine Thätigkeit) und in der Beurtheilung der Thätigkeit der Stände sein „Meinen" beschäftigt und die Täuschung seiner Vergegenständlichung genossen hat. Die „Stände" präserviren den Staat vor dem unorganischen Haufen nur durch die Desorganisation dieses Haufens. 25 20 30 Zugleich aber sollen die Stände dagegen vermitteln „daß die besonderen Interessen der Gemeinden, Korporationen und der Individuen sich" nicht „isoliren". Sie vermitteln dagegen 1) indem sie mit dem „Staatsinteresse" 35 transigjren 2) indem sie selbst die „politische Isolirung" dieser besondern Interessen sind; diese Isolirung als politischer Akt; indem durch sie diese „isolirten Interessen" den Rang des „allgemeinen" erhalten. Endlich sollen die Stände gegen die „Isoltung" der fürstlichen Gewalt als eines „Extrems" (die „dadurch als blose Herrschergewalt und Willkühr erschiene") vermitteln. Dieß ist insofern richtig, als das Prinzip der fürst- 40 72 F 1 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt liehen Gewalt (die Willkühr) durch sie begränzt ist, wenigstens nur in Fesseln sich bewegen kann und als sie selbst Theilnehmer, Mitschuldige der fürst lichen Gewalt werden. Die f ürstliche Gewalt hört entweder wirklich dadurch auf das Extrem der fürstlichen Gewalt zu sein (und die fürstliche Gewalt existirt nur als ein Extrem, als eine Einseitigkeit, weü sie kein organisches Prinzip ist), sie wird zu einer Scheingewalt, einem Symbol oder sie verliert nur den Schein der Willkühr und blosen Herrschergewalt. 5 Sie vermitteln gegen die „Isolirung" der Sonderinteressen, indem sie diese Isolirung als politischen Akt vorstellen. Sie vermitteln gegen die Isolirung 10 der fürsüichen Gewalt als eines Extrems, theils indem sie selbst zu einem Theil der fürstlichen Gewalt werden, theils indem sie die Regierungsgewalt zu einem Extrem machen. In den „Ständen" laufen alle Widersprüche der modernen Staatsorgani sation zusammen. Sie sind die „Mittler" nach allen Seiten hin, weü sie nach 15 allen Seiten hin „Mitteldinge" sind. Zu bemerken ist, daß Hegel weniger den Inhalt der ständischen Thätigkeit, die gesetzgebende Gewalt, als die Stellungáer Stände, ihren politischen Rang entwickelt. | 20 ]84| Zu bemerken ist noch, daß während nach Hegel zunächst die Stände „zwischen der Regierung überhaupt einerseits, und dem in die besonderen Sphären und Individuen aufgelösten Volk andrer Seits" stehn, ihre Stellung, wie sie oben entwickelt „die Bedeutung einer mit der organisirten Regie rungsgewalt gemeinschaftlichen Vermittelung hat". Was die erste Stellung betrifft, so sind die Stände das Volk gegen die 25 Regierung, aber das Volken miniature. Das ist ihre oppositionelle Stellung. 30 35 Was die zweite betrifft, so sind sie die Regierung gegen das Volk, aber die amplificirte Regierung. Das ist ihre conservative Stellung. Sie sind selbst ein Theil der Regierungsgewalt gegen das Volk, aber so daß sie zugleich die Bedeutung haben, das Volk gegen die Regierung zu sein. Hegel hat oben die „gesetzgebende Gewalt als Totalität" (§ 300) bezeich net. Die Stände sind wirklich diese Totalität, der Staat im Staate, aber eben in ihnen erscheint es, daß der Staat nicht die Totalität, sondern ein Dualismus ist. Die Stände stellen den Staat in einer Gesellschaft vor, die kein Staat ist. Der Staat ist eine blose Vorstellung. In der Anmerkung sagt H.: „Es gehört zu den wichtigsten logischen Einsichten, daß ein bestimmtes Moment, das als im Gegensatz stehend die Stellung eines Extrems hat, es dadurch zu sein aufhört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte ist." 40 (So ist das ständische Element erstens das Extrem des Volkes gegen die Regierung, aber 2) zugleich Mitte zwischen Volk und Regierung oder es ist 73 Bogen XXIII. Seite 87 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie der Gegensatz im Volk selbst. Der Gegensatz von Regierung und Volk vermittelt sich durch den Gegensatz zwischen Ständen und Volk. Die Stände haben nach der Seite der Regierung hin die Stellung des Volks, aber nach der Seite des Volks hin die Stellung der Regierung. Indem das Volk als Vorstellung, als Phantasie, Illusion, Repräsentation zu Stande kommt — das vorgestellte Volk oder die Stände, das sich als eine besondre Gewalt sogleich in der Trennung vom wirklichen Volk befindet, hebt den wirklichen Gegen satz zwischen Volk und Regierung auf. Das Volk ist hier schon so zubereitet, wie es in dem betrachteten Organismus zubereitet sein muß, um keinen entschiednen Charakter zu haben.) 5 10 „Bei dem hier betrachteten Gegenstand ist es um so wichtiger, diese Seite herauszuheben, weil es zu den häufigen, aber höchst gefährlichen Vor- urtheilen gehört, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als ob dieß ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen. Organisch, d. i. in die Totalität aufgenommen, beweist sich das ständische 15 Element nur durch die Funktion der Vermittelung. Damit ist der Gegensatz selbst ||85¡ zu einem Schein herabgesezt. Wenn er, insofern er seine Er scheinung hat, nicht blos die Oberfläche beträfe, sondern wirklich ein sub stantieller Gegensatz würde, so wäre der Staat in seinem Untergang be griffen. — Das Zeichen, daß der Widerstreit nicht dieser Art ist, ergiebt sich 20 der Natur der Sache nach dadurch, wenn die Gegenstände desselben nicht die wesentlichen Elemente des Staatsorganismus, sondern speziellere und gleichgültigere Dinge betreffen, und die Leidenschaft, die sich doch an diesen Inhalt knüpft, zur Partheisucht um ein blos subjektives Interesse, etwa um die höheren Staatsstellen, wird." 25 Im Zusatz heißt es: „Die Verfassung ist wesentlich ein System der Verm/r£e/ung."||86|| |XXIII.(1) p.87| §303. „Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierungsich widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung, das Allgemeine zum Zwecke seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben; in dem ständischen Ele- mente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer poli tischen Bedeutung und Wirksamkeit. Derselbe kann nun dabei weder als bloße ungeschiedene Masse, noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen, sondern als das, was er bereits ist, nämlich unterschieden in den auf das substantielle Verhältniß und in den auf die besonderen Bedürfnisse und die sie vermittelnde Arbeit sich gründenden Stand. Nur so knüpft sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an." 30 35 Hier haben wir die Lösung des Räthsels. „In dem ständischen Elemente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen 40 74 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Bedeutimg." Versteht sich, daß der Privatstand nach dem, was er ist, nach seiner Gliederung in der bürgerlichen Gesellschaft (den allgemeinen Stand hat Hegel schon als den der Regierung sich widmenden bezeichnet; der allgemeine Stand ist also durch die Regierungsgewalt in der gesetzgebenden 5 Gewalt vertreten) zu dieser Bedeutung kommt. Das ständische Element ist: die politische Bedeutung des Privatstandes, des unpolitischen Standes, eine contradictio in adjecto. Oder in dem von Hegel beschriebenen Stand hat der Privatstand (weiter überhaupt der Unter schied des Privatstandes) eine poütische Bedeutung. Der Privatstand gehört zum Wesen, zur Politik dieses Staates. Er giebt ihm daher auch eine poli tische Bedeutung, d. h. eine andre Bedeutung, als seine wirkliche Bedeu tung. 10 15 In der Anmerkung heißt es: „Dieß gehet gegen eine andere gangbare Vorstellung, daß indem der Privat-Stand zur Theilnahme an der allgemeinen Sache in der gesetzgeben den Gewalt erhoben wird, er dabei in der Form der Einzelnen erscheinen müsse, sei es, daß sie Stellvertreter für diese Funktion wählen, oder daß gar selbst jeder eine Stimme dabei exerciren solle. Diese atomistische abstrakte Ansicht verschwindet schon in der Familie, wie in der bürgerlichen Ge- 20 Seilschaft, wo der Einzelne nur als Mitglied eines Allgemeinen zur Erschei nung kommt. Der Staat aber ist wesentlich eine Organisation von solchen Gliedern, die für sich Kreise sind, und in ihm soll sich kein Moment als eine unorganische Menge zeigen. Die Vielen als Einzelne, was man gerne unter Volk versteht, sind wohl ein Zusammen, aber nur als die Menge, — eine formlose Masse, deren Bewegung und Thun eben damit nur elementarisch, vernunftlos, wild und fürchterlich wäre." | 25 30 35 |[88]| „Die Vorstellung, welche die in jenen Kreisen schon vorhandenen Gemeinwesen, wo sie in's Politische, d. i. in den Standpunkt der höchsten konbeten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von Individuen auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben von einander getrennt, und stellt dieses, so zu sagen, in die Luft, da seine Ba sis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkühr und Meinung, somit das Zu fällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage sein würde." „Obgleich in der Vorstellung sogenannter Theorien die Stände der bürger lichen Gesellschaft überhaupt und die Stände in politischer Bedeutung weit auseinander liegen, so hat doch die Sprache noch diese Vereinigung erhalten, die früher ohnehin vorhanden war." „Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende 40 Stand." Hegel geht von der Voraussetzung aus, daß der allgemeine Stand im 77 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie „Dienst der Regierung" steht. Er unterstellt die allgemeine Intelligenz als „ständisch und ständig". „in dem ständischen Elemente etc". Die „politische Bedeutung und Wirksamkeit" des Privatstandes ist eine besondere Bedeutung und Wirk samkeit desselben. Der Privatstand verwandelt sich nicht in den politischen Stand, sondern als Privatstand tritt er in seine politische Wirksamkeit und Bedeutung. Er hat nicht politische Wirksamkeit und Bedeutung schlechthin. Seine politische Wirksamkeit und Bedeutung ist die politische Wirksamkeit und Bedeutung des Privatstandes als Privatstand. Der Privatstand kann also nur nach dem Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft in die poli tische Sphäre treten. Der Ständeunterschied der bürgerlichen Gesellschaft wird zu einem politischen Unterschied. Schon die Sprache, sagt Hegel, drückt die Identität der Stände der bürger lichen Gesellschaft und der Stände in politischer Bedeutung aus, eine „Ver einigung", „die früher ohnehin vorhanden war" also sollte man schliessen, jezt nicht mehr vorhanden ist. Hegel findet, daß „sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirk liche Besondere an das Allgemeine an"knüpft. Die Trennung des „bürger lichen und des politischen Lebens" soll auf diese Weise aufgehoben, und ihre „Identität" gesezt sein. Hegel stüzt sich darauf: „In jenen Kreisen" (Familie und bürgerliche Gesellschaft) „sind schon Gemeinwesen vorhanden." Wie kann man diese da, „wo sie in's Politische, d. i. in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten" „wieder in eine Menge von Individuen auflösen" wollen? | |[89]| Es ist wichtig, diese Entwicklung genau zu verfolgen. Die Spitze der hegelschen Identität war, wie er selbst gesteht, das Mittel alter. Hier waren die Stände der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt und die Stände in politischer Bedeutung identisch. Man kann den Geist des Mittelalters so aussprechen: Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft und die Stände in politischer Bedeutung waren identisch, weil die bürgerliche Gesellschaft die politische Gesellschaft war; weü das organische Princip der bürgerlichen Gesellschaft das Princip des Staats war. Allein Hegel geht von der Trennung der „bürgerlichen Gesellschaft" und des „politischen Staates" als zweier fester Gegensätze, zweier wirklich verschiednen Sphären aus. Diese Trennung ist allerdings wkklich im mo dernen Staat vorhanden. Die Identität der bürgerlichen und politischen Stände war der Ausdruck der Identität der bürgerlichen und politischen Gesellschaft. Diese Identität ist verschwunden. Hegel sezt sie als ver schwunden voraus. Die Identität der bürgerlichen und politischen Stände, wenn sie die Wahrheit ausdrückte, könnte also nur mehr ein Ausdruck der 78 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Trennung der bürgerlichen und politischen Gesellschaft sein ! oder vielmehr : nur die Trennung der bürgerlichen und politischen Stände drückt das wahre Verhältniß der bürgerlichen und politischen modernen Gesellschaft aus. 5 Zweitens: Hegel handelt hier von politischen Ständen in einem ganz anderen Sinne, als jene politischen Stände des Mittelalters waren, von denen die Identität mit den Ständen der bürgerlichen GeseZ/sc/iafr ausgesagt wird. 10 Ihr ganzes Dasein war politisch; ihr Dasein war das Dasein des Staats. Ihre gesetzgebende Thätigkeit, ihre Steuerbewilligung für das Reich war nur ein besonderer Ausfluß ihrer allgemeinen politischen Bedeutung und Wirk- samkeit. Ihr Stand war ihr Staat. Das Verhältniß zum Reich war nur ein Transactionsverhältniß dieser verschiedenen Staaten mit der Nationalität, denn der politische Staat im Unterschied von der bürgerlichen Gesellschaft war nichts andres als die Repräsentation der Nationalität. Die Nationalität war der point d'honneur, der κατ' εξοχήν politische Sinn dieser verschie- 15 denen Korporationen etc. und nur auf sie bezogen sich die Steuern etc. Das war das Verhältniß der gesetzgebenden Stände zum Reich. Aehnlich ver hielten sich die Stände innerhalb der besondern Fürstenthümer. Das Für stenthum, die Souverainetät war hier ein besonderer Stand, der gewisse Privilegien hatte, aber eben so sehr von den Privilegien der andern Stände genirt wurde. (Bei den Griechen war die bürgerliche Gesellschaft Sklave der politischen.) Die allgemeine gesetzgebende Wirksamkeit der Stände der bürgerlichen Gesellschaft war keineswegs ein Kommen des Privatstandes zu einer politischen Bedeutung und Wirksamkeit, sondern vielmehr ein bioser Ausfluß ihrer wirklichen und allgemeinen politischen Bedeutung und 25 Wirksamkeit; ihr Auftreten als gesetzgebende Macht war blos ein Comple ment ihrer souverainen und regierenden (executiven) Macht; es war vielmehr ihr Kommen zu der ganz allgemeinen Angelegenheit als einer Privatsache, ihr Kommen zur Souverainetät als einem Privatstand. Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft waren im Mittelalter als solche Stände zugleich 30 gesetzgebend, weil sie keine Privatstände ||[90]| oder weil die Privatstände 20 politische Stände waren. Die mittelaltrigen Stände kamen als politisch ständisches Element zu keiner neuen Bestimmung. Sie wurden nicht poli- öscn-ständisch, weil sie Theil an der Gesetzgebung hatten ; sondern sie hatten Theil an der Gesetzgebung, weil und in so fern sie pol/ö'scA-ständisch waren. 35 Was hat das nun mit Hegels Privatstand gemein, der als gesetzgebendes Element zu einer politischen Bravourarie, zu einem extatischen Zustand, zu einer aparten, frappanten, ausnahmsweisen politischen Bedeutung und Wirksamkeit kommt? In dieser Entwicklung findet man alle Widersprüche der hegelschen 40 Darstellung zusammen. 1) hat er die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen 79 B o g e n X X I I I . S e i t e [ 9 0 ] .. .... .. · ·-....• ·. ' ..•. ·.-• .. ·.··.•.· -.·· e { · .. ·- ;J..·· ... -.--. ·.··• ··i-··.· ·. ·.· ... · t · .. · ..• :: . :· ···. t · · ' ' , -. , . f' .-/' ' > • · , ·i .... , • r , cC : ~•:> c. ••. ,, ;- ,,, • · · , · · •1 , · ' { .~ • J' ·' ~ •. ' ~ ·. n · .... ··· ·Tl'·.·· .. t.. ·. f., •. u - ·::.:; .. · ft .. ·~:.' ~·.·:-.f).;t·~;w~-1 t l1.'; ! 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" I • • I ' . • ' f t; '.;.. .... ·.. • Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Staats, (einen modernen Zustand) vorausgesezt und als nothwendiges Moment der Idee entwickelt; als absolute Vernunftwahrheit. Er hat den politischen Staat in seiner modernen Gestalt der Trennung der verschiedenen Gewalten dargestellt. Er hat dem wirklichen handelnden Staat die Bureau cratie zu seinem Leib gegeben und sie als den wissenden Geist dem Ma terialismus der bürgerlichen Gesellschaft supraordinirt. Er hat das an und für sich seiende Allgemeine des Staats den besondern Interessen und dem Bedürfniß der bürgerlichen Gesellschaft gegenübergestellt. Mit einem Wort: Er stellt überall den Conflict der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates dar. 2) Hegel stellt die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand dem politischen Staat gegenüber. 3) Er bezeichnet das ständische Element der gesetzgebenden Gewalt als den blosen politischen Formalismus der bürgerlichen Gesellschaft. Er be zeichnet es als ein Reflectionsverhältniß der bürgerlichen Gesellschaft auf den Staat und als ein Reflectionsverhältniß, was das Wesen des Staates nicht alterirt. Ein Reflectionsverhältniß ist auch die höchste Identität zwischen wesentlich Verschiedenen. Andrerseits will Hegel: 1) die bürgerliche Gesellschaft bei ihrer Selbstconstituirung als gesetz gebendes Element weder als blosse, ungeschiedene Masse, noch als eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen lassen. Er will keine Trennung des bürgerlichen und politischen Lebens. 2) Er vergißt, daß es sich um ein Reflectionsverhältniß handelt und macht die bürgerlichen Stände als solche zu politischen Ständen, aber wieder nur nach der Seite der gesetzgebenden Gewalt hin, so, daß ihre Wirksamkeit selbst der Beweis der Trennung ist. Er macht das ständische Element zum Ausdruck der Trennung, aber zugleich soll es der Repräsentant einer Identität sein, die nicht vorhanden ist. Hegel weiß die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des poli tischen Staats, aber er will, daß innerhalb des Staats die Einheit desselben ausgedrückt sei und zwar soll dieß der Gestalt bewerkstelligt werden, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft zugleich als solche das ständische Element der gesetzgebenden Gesellschaft bilden, (cf. XXIV.X.) ¡ |[93]|X. Das Tiefere bei Hegel liegt darin, daß er die Trennung der bürger lichen Gesellschaft und der politischen als einen Widerspruch empfindet. Aber das Falsche ist, daß er sich mit dem Schein dieser Auflösung begnügt und ihn für die Sache selbst ausgiebt, wogegen die von ihm verachteten „sogenannten Theorien", die „Trennung" der bürgerlichen und politischen Stände fordern und mit Recht, denn sie sprechen eine Consequenz der modernen Gesellschaft aus, indem hier das politisch-ständische Element 5 10 15 20 25 30 35 40 80 Bogen XXIV. Seite [91] Bogen XXIV. Seite [92] F I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt eben nichts anders als der faktische Ausdruck des wirklichen Verhältnisses von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist, ihre Trennung. Hegel hat die Sache, worum es sich hier handelt, nicht bei ihrem bekannten Namen genannt. Es ist die Streitfrage zwischen repräsentativer und stän- 5 discher Verfassung. Die repräsentative Verfassung ist ein grosser Fort schritt, weil sie der offene, unverfälschte, conséquente Ausdruck des mo dernen Staatszustandes ist. Sie ist der unverholene Widerspruch. Ehe wir auf die Sache selbst eingehn, werfen wir noch einmal einen Blick auf die hegel'sche Darstellung. 10 „In dem ständischen Elemente der gesetzgebenden Gewalt kommt der Privatstand zu einer politischen Bedeutung." Früher (§ 301 Anmerkung) hieß es: „Die eigenthümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deßhalb darin zu suchen, daß in ihnen . .. die eigene Einsicht und der eigene Wille der Sphäre, die in dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden 15 ist, in Beziehung auf den Staat zur Existenz kommt." Fassen wir diese Bedeutung zusammen, so folgt: „Die bürgerliche Ge sellschaft ist der Privatstand" oder der Privatstand ist der unmittelbare, wesentliche, konkrete Stand der bürgerlichen Gesellschaft. Erst in dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt erhält sie „politische 20 Bedeutung und Wirksamkeit"; es ist dieß etwas Neues, was zu ihr hinzu kömmt, eine besondere Funktion, denn eben ihr Charakter als Privatstand drückt ihren Gegensatz zur politischen Bedeutsamkeit und Wirksamkeit, die Privation des politischen Charakters aus, drückt aus, daß die bürgerliche Gesellschaft an und für sich ohne politische Bedeutung und Wirksamkeit ist. 25 Der Privatstand ist der Stand der bürgerlichen Gesellschaft oder die bürger liche Gesellschaft ist der Privatstand. Hegel schließt daher auch consequent den „allgemeinen Stand" von dem „ständischen Element der gesetzgeben den Gewalt" aus. „Der allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar in seiner Bestimmung das Allgemeine zum 30 Zweck seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben." Die bürgerliche Gesell schaft oder der Privatstand hat dieß nicht zu seiner Bestimmung; seine wesentliche Thätigkeit hat nicht die Bestimmung, das Allgemeine zum Zweck zu haben oder seine wesentliche Thätigkeit ist keine Bestimmung des Allgemeinen, keine allgemeine Bestimmung. Der Privatstand ist der Stand der bürgerlichen Gesellschaft gegen den Stand. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft ist kein politischer Stand. 35 Indem Hegel die bürgerliche Gesellschaft als Privatstand bezeichnet hat er die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft für n/c/jípoUtische Unterschiede erklärt, hat er das bürgerliche Leben und das politische für 40 heterogen, sogar für Gegensätze erklärt. Wie fährt ||[94]| er nun fort? „Derselbe kann nun dabei weder als blose ungeschiedene Masse, noch als 85 Bogen XXIV. Seite [93] 1 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie eine in ihre Atome aufgelöste Menge erscheinen, sondern als das, was er bereits ist, nämlich unterschieden in den auf das substantielle Verhältniß, und in den auf die besonderen Bedürfnisse und die sie vermittelnde Arbeit sich gründenden Stand. (§ 201 ff.) Nur so knüpft sich in dieser Rücksicht wahrhaft das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an." 5 10 Als eine „blose ungeschiedne Masse" kann die bürgerliche Gesellschaft, (der Prívatstand) in ihrer gesetzgeberisch-ständischen Thätigkeit allerdings nicht erscheinen, weil die „blose ungeschiedne Masse" nur in der „Vor stellung", der „Phantasie", nicht aber in der Wtklichkeit existirt. Hier gjebt es nur grössere und kleinere zufällige Massen. (Städte, Flecken etc.) Diese Massen oder diese Masse erscheint nicht nur, sondern ist überall realiter „eine in ihre Atome aufgelöste Menge" und als diese Atomistik muß sie in ihrer ροΔ'ί/scn-ständischen Thätigkeit erscheinen und auftreten. „Als das, was er bereits isi" kann der Privatstand, die bürgerliche Gesellschaft, nicht hier erscheinen. Denn was ist er bereits? Prívatstand, d.h. Gegensatz und Trennung vom Staat. Um zur „politischen Bedeutung und Wirksamkeit" zu kommen, muß er sich vielmehr aufgeben, als das, was er bereits ist, als Privatstand. Dadurch erhält er eben erst seine „politische Bedeutung und Wirksamkeit". Dieser politische Akt ist eine völlige Transsubstantiation. In ihm muß sich die bürgerliche Gesellschaft völlig von sich als bürgerlicher 20 Gesellschaft, als Privatstand los sagen, eine Parthie seines Wesens geltend machen, die mit der wirklichen bürgerlichen Existenz seines Wesens nicht nur keine Gemeinschaft hat, sondern ihr direkt gegenübersteht. 15 Am Einzelnen erscheint hier, was das allgemeine Gesetz ist. Bürgerliche 25 Gesellschaft und Staat sind getrennt. Also ist auch der Staatsbürger und der Bürger, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft getrennt. Er muß also eine wesentliche Diremtion mit sich selbst vornehmen. Als wirklichen Bürger findet er sich in einer doppelten Organisation, der büreaucratischen — die ist eine äussere formelle Bestimmung des jenseitigen Staats, der Regierungs gewalt, die ihn und seine selbstständige Wirklichkeit nicht tangirt — der 30 socialen, der Organisation der bürgerlichen Gesellschaft. Aber in dieser steht er als Privatmann ausser dem Staat; die tangirt den politischen Staat als solchen nicht. Die erste ist eine Staatsorganisation, zu der er immer die Materie abgiebt. Die zweite ist eine bürgerliche Organisation, deren Materie nicht der Staat ist. In der ersten verhält sich der Staat als formeller Gegensatz zu ihm, in der zweiten verhält er sich selbst als materieller Gegensatz zum Staat. Um also als wirklicher Staatsbürger sich zu verhalten, politische Bedeutsamkeit und Wirksamkeit zu erhalten, muß er aus seiner bürgerlichen Wirklichkeit heraus treten, von ihr abstrahiren, von dieser ganzen Organi sation in seine Individualität sich zurückziehn; denn die einzige Existenz, 40 die er für sein Staatsbürgerthum findet, ist seine pure, blanke Individualität, 35 86 ψ to I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 10 denn die Existenz des Staats, als Regierung, ist ohne ihn fertig und seine Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft ist ohne den Staat fertig. Nur im Widerspruch mit diesen einzig vorhandnen ||XXV.[95]| Gemeinschaften, nur als Individuum kann er Staatsbürger sein. Seine Existenz als Staatsbürger ist eine Existenz, die ausser seinen gemeinschaftlichen Existenzen liegt, die also rein individuell ist. Die „gesetzgebende Gewalt" als „Gewalt" ist ja erst die Organisation, der Gemeinkörper,,den sie erhalten soll. Vorder „gesetz gebenden Gewalt" existirt die bürgerliche Gesellschaf t, der Privatstand nicht als Staatsorganisation und damit er als solche zur Existenz komme, muß seine wirkliche Organisation, das wirkliche bürgerliche Leben als nicht vorhanden gesezt werden, denn das ständische Element der gesetzgebenden Gewalt hat eben die Bestimmung, den Privatstand, die bürgerliche Gesell schaft als nicht vorhanden zu setzen. Die Trennung der bürgerlichen Ge sellschaft und des Politischen Staates erscheint nothwendig als eine Tren- nung des politischen Bürgers, des Staatsbürgers von der bürgerlichen Ge sellschaft, von seiner eignen wirklichen, empirischen Wirklichkeit, denn als Staatsidealist ist er ein ganz anderes, von seiner Wirklichkeit verschiedenes, unterschiedenes, entgegen geseztes Wesen. Die bürgerliche Gesellschaft bewerkstelligt hier innerhalb ihrer selbst das Verhältniß des Staats und der 20 bürgerlichen Gesellschaft, welches andrerseits schon als Bureaucratie existirt. In dem ständischen Element wird das Allgemeine wirklich für sich, was es an sich ist, nähmlich Gegensatz zum Besondern. Der Bürger muß seinen Stand, die bürgerliche Gesellschaft, den Privatstand von sich abthun, um zu politischer Bedeutung und Wirksamkeit zu kommen; denn eben dieser 15 25 Stand steht zwischen dem Individuum und dem politischen Staat. Wenn Hegel schon das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft als Privat stand dem politischen Staat entgegenstellt, so versteht es sich von selbst, daß die Unterscheidungen innerhalb des Privatstandes, die verschiednen bürger lichen Stände, nur eine Privatbedeutung in Bezug auf den Staat, keine 30 politische Bedeutung haben. Denn die verschiedenen bürgerlichen Stände sind blos die Verwirklichung, die Existenz des Prinzips, des Privatstandes als des Principe der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn aber das Princip auf gegeben werden muß, so versteht es sich von selbst, daß noch mehr die Diremtionen innerhalb dieses Princips nicht vorhanden sind für den poli- tischen Staat. 35 „Nur so" schließt Hegel den § „knüpft sich in dieser Rücksicht das im Staate wirkliche Besondere an das Allgemeine an." Aber Hegel verwechselt hier den Staat als das Ganze des Daseins eines Volkes mit dem politischen Staat. Jenes Besondere ist nicht das „Besondere im", sondern vielmehr 40 „ausser dem Staate", nähmlich dem politischen Staate. Es ist nicht nur nicht „das im Staate wirkliche Besondere", sondern auch die „Unwirklichkeit 87 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie des ||[96]| Staates". Hegel will entwickeln, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft die politischen Stände sind und um dieß zu beweisen, unterstellt er, daß die Stände der bürgerlichen Gesellschaft die „Besonderung des politischen Staats", d.i. daß die bürgerliche Gesellschaft die politische Gesellschaft ist. Der Ausdruck: „Das Besondere im Staate", kann hier nur Sinn haben als: „Die Besonderung des Staates". H. wählt aus einem bösen Gewissen den unbestimmten Ausdruck. Er selbst hat nicht nur das Gegen theil entwickelt, er bestätigt es noch selbst in diesem §, indem er die bürger liche Gesellschaft als „Privatstand" bezeichnet. Sehr vorsichtig ist auch die Bestimmung, daß sich das Besondere an das Allgemeine „anknüpft". An- knüpfen kann man die heterogensten Dinge. Es handelt sich hier aber nicht um einen aümähligen Uebergang, sondern um eine Transsubstantiation und es nüzt nichts diese Kluft, die übersprungen und durch den Sprung selbst demonstrirt wird, nicht sehn zu wollen. 5 10 Hegel sagt in der Anmerkung: „Dieß gehet gegen eine andere gangbare Vorstellung etc." Wir haben eben gezeigt, wie diese gangbare Vorstellung consequent, n o t w e n d i g, eine „notwendige Vorstellung der jetzigen Volksentwicklung" und wie H's Vorstellung, obgleich sie auch in gewissen Kreisen sehr gangbar, nichts destoweniger eine Unwahrheit ist. Auf die gangbare Vorstellung zurück- 20 kommend, sagt Hegel: 15 „Diese atomistische, abstrakte Ansicht verschwindet schon in der Familie etc. etc. Der Staat aber ist etc." Abstrakt ist diese Ansicht allerdings, aber sie ist die „Abstraktion" des politischen Staates, wie ihn Hegel selbst ent wickelt. Atomistisch ist sie auch, aber sie ist die Atomistik der Gesellschaft selbst. Die „Ansicht" kann nicht konkret sein, wenn der Gegenstand der Ansicht „abstrakt" ist. Die Atomistik, in die sich die bürgerliche Gesellschaft in ihrem politischen Akt stürzt, geht n o t w e n d ig daraus hervor, daß das Gemeinwesen, das Communistische Wesen, worin der Einzelne existirt, die bürgerliche Gesellschaft getrennt vom Staat oder der politische Staat eine Abstraktion von ihr ist. 25 30 Diese atomistische Ansicht, obschon bereits in der Familie und vielleicht (??) auch in der bürgerlichen Gesellschaft verschwunden, kehrt im poli tischen Staate wieder, eben weil er eine Abstraktion von der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft ist. Ebenso verhält es sich umgekehrt. Dadurch, 35 daß Hegel das Befremdliche dieser Erscheinung ausspricht, hat er die Entfremdung nicht gehoben. | |[97]| „Die Vorstellung" heißt es weiter „welche die in jenen Kreisen schon vorhandnen Gemeinwesen, wo sie ins Politische, d. i. in den Standpunkt der höchsten konkreten Allgemeinheit eintreten, wieder in eine Menge von Individuen auflöst, hält eben damit das bürgerliche und das politische Leben 40 88 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 10 15 20 von einander getrennt, und stellt dieses, so zu sagen, in die Luft, da seine Basis nur die abstrakte Einzelnheit der Willkühr und Meinung, somit das Zufällige, nicht eine an und für sich feste und berechtigte Grundlage ist." Jene Vorstellung hält nicht das bürgerliche und politische Leben getrennt; sie ist blos die Vorstellung einer wirklich vorhandenen Trennung. Jene Vorstellung stellt nicht das politische Leben in die Luft; sondern das politische Leben ist das Luftleben, die ätherische Region der bürgerlichen Gesellschaft. Wir betrachten nun das ständische und das repräsentative System. Es ist ein Fortschritt der Geschichte, der die politischen Stände in sociale Stände verwandelt hat, so daß, wie die Christen gleich im Himmel, ungleich auf der Erde, so die einzelnen Volksglieder gleich in dem Himmel ihrer politischen Welt, ungleich in dem irdischen Dasein der Societät sind. Die eigentliche Verwandlung der politischen Stände in bürgerliche ging vor sich in der absoluten Monarchie. Die Bureaucratie machte die Idee der Einheit gegen die verschiedenen Staaten im Staate geltend. Indessen blieb selbst neben der Bureaucratie der absoluten Regierungsgewalt der sociale Unter schied der Stände ein politischer, ein politischer innerhalb und neben der Bureaucratie der absoluten Regierungsgewalt. Erst die französische Revo- lution vollendete die Verwandlung der politischen Stände in sociale oder machte die Ständeunterschiede der bürgerlichen Gesellschaft zu nur socialen Unterschieden, zu Unterschieden des Privatlebens, welche in dem poli tischen Leben ohne Bedeutung sind. Die Trennung des politischen Lebens und der bürgerlichen Gesellschaft war damit vollendet. 25 Die Stände der bürgerlichen Gesellschaft verwandelten sich ebenfalls damit: die bürgerliche Gesellschaft war durch ihre Trennung von der poli tischen eine andere geworden. Stand im mittelaltrigen Sinne blieb nur mehr innerhalb der Bureaucratie selbst, wo die bürgerliche und die politische Stellung unmittelbar identisch sind. Dem gegenüber steht die bürgerliche 30 Gesellschaft als Privatstand. Der Ständeunterschied ist hier nicht mehr ein Unterschied des Bedürfnisses und der Arbeit, als selbstständiger Körper. Der einzige allgemeine, oberflächliche und formelle Unterschied ist hier nur noch der von Stadt und Land. Innerhalb der Gesellschaft selbst aber büdete sich der Unterschied aus in beweglichen, nicht festen Kreisen, deren Princip die Willkühr ist. Geld und Bildung sind die Hauptcriterien. Doch wir haben dieß nicht hier, sondern in der Kritik von Hegels Dar Stellung der bürgerlichen Gesellschaft zu entwickeln. Genug. Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft hat weder das Bedürfniß, also ein natürliches Moment, noch die Politik zu seinem Princip. Es ist eine Theüung von Massen, die sich flüchtig bilden, 35 40 deren Büdung selbst eine willkührliche und keine Organisation ist. | |[98]| Das Charakteristische ist nur, daß die Besitzlosigkeit und der Stand 89 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie der unmittelbaren Arbeit, der konkreten Arbeit weniger einen Stand der bürgerlichen Gesellschaft, als den Boden bilden, auf dem ihre Kreise ruhen und sich bewegen. Der eigentliche Stand, wo politische und bürgerliche Stellung zusammenfallen, ist nur der der Mitglieder der Regierungsgewalt. Der jetzige Stand der Societät zeigt schon dadurch seinen Unterschied von dem ehemaligen Stand der bürgerlichen Gesellschaft, daß er nicht, wie ehemals, als ein Gemeinschaftliches, als ein Gemeinwesen das Individuum hält, sondern daß es theils Zufall, theils Arbeit etc. des Individuums ist, ob es sich in seinem Stande hält oder nicht; ein Stand, der selbst wieder nur eine äusserliche Bestimmung des Individuums, denn weder ist er seiner Arbeit inhärent, noch verhält er sich zu ihm als ein nach festen Gesetzen organisirtes und in festen Beziehungen zu ihm stehendes objektives Gemeinwesen. Er steht vielmehr in gar keiner wtklichen Beziehung zu seinem substantiellen Thun, zu seinem wtklichen Stand. Der Arzt bildet keinen besondren Stand in der bürgerlichen Gesellschaft. Der eine Kaufmann gehört einem andern Stand an, als der andere, einer andren socialen Stellung. Wie nämlich die bürgerliche Gesellschaft sich von der politischen, so hat sich die bürgerliche Gesellschaft innerhalb ihrer selbst getrennt, den Stand und die sociale Stellung, so manche Relationen auch zwischen beiden stattfinden. Das Princip des bürgerlichen Standes oder der bürgerlichen Gesellschaft ist der Genuß und die Fähigkeit zu gemessen. In seiner politischen Bedeutung macht sich das Glied der bürgerlichen Gesellschaft los von seinem Stande, seiner wirklichen Privatstellung; hier ist es allein, daß es als Mensch zur Bedeutung kommt oder daß seine Be stimmung als Staatsglied, als sociales Wesen als seine menschliche Bestim- mung erscheint. Denn alle seine anderen Bestimmungen in der bürgerlichen Gesellschaft erscheinen als dem Menschen, dem Individuum unwesentlich, als äussere Bestimmungen, die zwar n o t w e n d ig sind zu seiner Existenz im Ganzen, d. h. als ein Band mit dem Ganzen, ein Band, das es aber eben so sehr wieder fortwerfen kann. (Die jetzige bürgerliche Gesellschaft ist das durchgeführte Princip des Individualismus; die Individuelle Existenz ist der lezte Zweck: Thätigkeit, Arbeit, Inhalt etc. sind nur Mittel.) 5 10 15 20 25 30 Die ständische Verfassung, wo sie nicht eine Tradition des Mittelalters ist, ist der Versuch, theils in der politischen Sphäre selbst den Menschen in die Beschränktheit seiner Privatsphäre zurückzustürzen, seine Besonderheit zu 35 seinem substantiellen Bewußtsein zu machen und dadurch, daß politisch der Ständeunterschied existirt, ihn auch wieder zu einem socialen zu machen. Der wtkliche Mensch ist der Privatmensch der jetzigen Staatsverfas sung. Der Stand hat überhaupt die Bedeutung, daß der Unterschied, die Tren- nung das Bestehn des Einzelnen ist. Die Weise seines Lebens, Thätigkeit etc. 40 90 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt statt ihn zu einem Glied, zu einer Funktion der Gesellschaft zu machen, macht ihn zu einer Ausnahme von der Gesellschaft; ist sein Privilegium. Daß dieser Unterschied nicht nur ein individueller ist, sondern sich als Gemein wesen, Stand, Corporation befestigt, hebt nicht nur nicht seine exclusive 5 Natur auf, sondern ist vielmehr nur ihr Ausdruck. Statt daß die einzelne Funktion Funktion der Societät wäre, macht sie vielmehr die einzelne Funktion zu einer Societät für sich. | |XXVI.[99]| Nicht nur basirt der Stand auf der Trennung der Societät als dem herrschenden Gesetz, er trennt den Menschen von seinem allgemeinen 10 Wesen, er macht ihn zu einem Thier, das unmittelbar mit seiner Bestimmtheit zusammenfällt. Das Mittelalter ist die Thiergeschichte der Menschheit, ihre Zoologie. Die moderne Zeit, die Civilisation begeht den umgekehrten Fehler. Sie trennt das gegenständliche Wesen des Menschen, als ein nur äusserliches, 15 materielles von ihm. Sie nimmt nicht den Inhalt des Menschen als seine wahre Wirklichkeit. Das Weitere hierüber ist in dem Abschnitt: „bürgerliche Gesellschaft" zu entwickeln. Wir kommen zu § 304. „Den in den früheren Sphären bereits vorhandenen Unterschied der 20 Stände enthalt das politisch-ständische Element zugleich in seiner eigenen Bedeutung." Wir haben bereits gezeigt, daß der „in den früheren Sphären bereits vorhandene Unterschied der Stände" gar keine Bedeutung für die politische Sphäre oder nur die Bedeutung eines privaten, also eines nicht-politischen 25 Unterschiedes hat. Allein er hat nach Hegel hier auch nicht seine „bereits vorhandene Bedeutung", (die Bedeutung, die er in der bürgerlichen Ge sellschaft hat), sondern das „politisch-ständische Element" affirmirt, indem es ihn aufnimmt, sein Wesen und in die politische Sphäre eingetaucht erhält er eine „eigene", diesem Element und nicht ihm angehörige Bedeutung. 30 35 40 Als noch die Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft politisch oder der Politische Staat die bürgerliche Gesellschaft war, war diese Trennung und Verdopplung der Bedeutung der Stände nicht vorhanden. Sie bedeuteten nicht dieses in der bürgerlichen und ein anderes in der politischen Welt. Sie erhielten keine Bedeutung in der politischen Welt, sondern sie bedeuteten sich selbst. Der Dualismus der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staates, den die ständische Verfassung durch eine Reminiszenz zu lösen meint, tritt in ihr selbst so hervor, daß der Unterschied der Stände, (das Unterschiedensein der bürgerlichen Gesellschaft in sich) in der politischen Sphäre eine andre Bedeutung erhält, als in der bürgerlichen. Es ist hier anscheinend Identität, dasselbe Subject, aber in einer wesentlich verschie denen Bestimmung, also in Wahrheit ein doppeltes Subject und diese illuso- 91 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie rische Identität (sie ist schon deßhalb illusorisch, weil zwar das wirkliche Subjekt, der Mensch, in den verschiedenen Bestimmungen seines Wesens, sich selbst gleich bleibt, seine Identität nicht verliert; aber hier ist nicht der Mensch Subjekt, sondern der Mensch ist mit einem Prädicat, (dem Stand) identifient und zugleich wird behauptet, daß er in dieser bestimmten Be- stimmtheit in nun einer andern Bestimmtheit, daß er als dieß bestimmte ausschliessende Beschränkte ein anderes als dieses Beschränkte ist) wird dadurch künstlich durch die Reflection aufrecht erhalten, daß einmal der bürgerliche Ständeunterschied ||[100]| als solcher eine Bestimmung erhält, die ihm erst aus der politischen Sphäre erwachsen soll, das andremal umgekehrt 10 der Ständeunterschied in der politischen Sphäre eine Bestimmung erhält, die nicht aus der politischen Sphäre, sondern aus dem Subjekt der bürgerlichen hervorgeht. Um das eine beschränkte Subjekt, den bestimmten Stand, (den Ständeunterschied) als das wesentliche Subjekt beider Prädicate darzu stellen oder um die Identität beider Prädicate zu beweisen, werden sie beide 15 mystifient und in illusorischer Unbestimmter Doppelgestalt entwickelt. 5 Es wird hier dasselbe Subjekt in verschiedenen Bedeutungen genommen, aber die Bedeutung ist nicht die Selbstbestimmung, sondern eine allegorí- sche, untergeschobene Bestimmung. Man könnte für dieselbe Bedeutung ein andres konkretes Subjekt, man könnte für dasselbe Subjekt eine andere Bedeutung nehmen. Die Bedeutung, die der bürgerliche Ständeunterschied in der poütischen Sphäre erhält, geht nicht aus ihm, sondern aus der poli tischen Sphäre hervor und er könnte hier auch eine andere Bedeutung haben, was denn auch historisch der Fall war. Ebenso umgekehrt. Es ist dieß die unkritische, die mystische Weise eine alte Weltanschauung im Sinne einer neuen zu interpretiren, wodurch sie nichts als ein unglückliches Zwitterding wird, worin die Gestalt die Bedeutung und die Bedeutung die Gestalt belügt und weder die Gestalt zu ihrer Bedeutung und zur wirklichen Gestalt, noch die Bedeutung zur Gestalt und zur wirklichen Bedeutung wird. Diese Un- kritik, dieser Mysticismus ist sowohl das Räthsel der modernen Verfassun- gen (κατ' εξοχήν der ständischen) wie auch das Mysterium der hegelschen Philosophie, vorzugsweise der Rechts und Religionsphilosophie. Am besten befreit man sich von dieser Illusion, wenn man die Bedeutung als das nimmt, was sie ist, als die eigentliche Bestimmung, sie als solche zum Subjekt macht und nun vergleicht, ob das ihr angeblich zugehörige Subjekt ihr wirkliches Prädicat ist, ob es ihr Wesen und wahre Verwirklichung darstellt. 20 25 30 35 „Seine (des politisch-ständischen Elementes) zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empirischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Princip überhaupt,—in der nur die Möglichkeit ||[101 ]| der Uebereinstimmung, und damit ebenso die Möglichkeit feindlicherEntgegen- 40 92 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt setzung liegt, — diese abstrakte Stellung wird nur dadurch zum vernünftigen Verhältnisse (zum Schlüsse, vgl. Anmerkung zu § 302), daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt." Wir haben schon gesehn, daß die Stände gemeinschaftlich mit der Re- gierungsgewalt die Mitte zwischen dem monarchischen Princip und dem Volk büden, zwischen dem Staatswillen, wie er als ein empirischer Wille und wie er als viele empirische Willen existirt, zwischen der empirischen Ein zelnheit und der empirischen Allgemeinheit. Hegel mußte, wie er den Willen der bürgerlichen Gesellschaft als empirische Allgemeinheit, so den fürst- liehen als empirische Einzelnheit bestimmen; aber er spricht den Gegensatz nicht in seiner ganzen Schärfe aus. Hegel fährt fort: „Wie von Seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungs gewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als Moment der Mitte zu sein." 5 10 15 Allein die wahren Gegensätze sind Fürst und bürgerliche Gesellschaft. Und wir haben schon gesehn, dieselbe Bedeutung, welche die Regierungs gewalt von Seite des Fürsten, hat das ständische Element von Seiten des Volkes. Wie jene in einem verzweigten Kreislauf emanirt, so condensirt sich 20 dieses in eine Miniaturausgabe, denn die constitutionelle Monarchie kann sich blos mit dem Volk en miniature vertragen. Das ständische Element ist ganz dieselbe Abstraktion des politischen Staates von Seiten der bürger lichen Gesellschaft, welche die Regierungsgewalt von Seiten des Fürsten ist. Es scheint also die Vermittelung vollständig zu Stande gekommen zu sein. 25 Beide Extreme haben von ihrer Sprödigkeit abgelassen, das Feuer ihres besondren Wesens entgegengeschickt und die gesetzgebende Gewalt, deren Elemente ebenso wohl die Regierungsgewalt als die Stände sind, scheint nicht erst die Vermittelung zur Existenz kommen lassen zu müssen, sondern selbst schon die zur Existenz gekommene Vermittelung zu sein. Auch hat Hegel schon das ständische Element gemeinschaftlich mit der Regierungs gewalt als die Mitte zwischen Volk und Fürst, (ebenso das ständische Element als die Mitte zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Regierung etc) bezeichnet. Das vernünftige Verhältniß, der Schluß scheint also fertig zu sein. Die gesetzgebende Gewalt, die Mitte, ist ein Mixtum Compositum der beiden Extreme, des fürstlichen Principe und der bürgerlichen Gesellschaft; der empirischen Einzelnheit und der empirischen Allgemeinheit, des Sub jects und des Prädicats. Hegel ||[102]| faßt überhaupt den Schluß als Mitte, als ein Mixtum Compositum. Man kann sagen, daß in seiner Entwicklung des Vernunftschlusses die ganze Transcendenz und der mystische Dualis- 40 mus seines Systems zur Erscheinung kommt. Die Mitte ist das hölzerne 30 35 Eisen, der vertuschte Gegensatz zwischen Allgemeinheit und Einzelnheit. 93 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie Zunächst bemerken wir über diese ganze Entwicklung, daß die „Ver- mittelung" die Hegel hier zu Stande bringen will, keine Forderung ist, die er aus dem Wesen der gesetzgebenden Gewalt, aus ihrer eignen Bestimmung, sondern vielmehr aus Rücksicht auf eine ausser ihrer wesentlichen Bestim mung liegenden Existenz herleitet. Es ist eine Construction der Rücksicht. Die gesetzgebende Gewalt vorzugsweise wird nur mit Rücksicht auf ein drittes entwickelt. Es ist daher vorzugsweise die Construction ihres formel len Daseins, welche alle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Die gesetz gebende Gewalt wird sehr diplomatisch construirt. Es folgt dieß aus der falschen, illusorischen κατ' εξοχήν politischen Stellung, die die gesetz- 10 gebende Gewalt im modernen Staat, (dessen Interpret Hegel ist) hat. Es folgt daraus von selbst, daß dieser Staat kein wahrer Staat ist, weil in ihm die staatlichen Bestimmungen, deren eine die gesetzgebende Gewalt ist, nicht an und für sich, nicht theoretisch, sondern praktisch betrachtet werden müssen, nicht als selbstständige, sondern als mit einem Gegensatz behaftete 15 Mächte, nicht aus der Natur der Sache, sondern nach den Regeln der Con vention. 5 Also das ständische Element sollte eigentlich „gemeinschaftlich mit der Regierungsgewalt", die Mitte zwischen dem Willen der empirischen Einzeln heit, dem Fürsten, und dem Willen der empirischen Allgemeinheit, der 20 bürgerlichen Gesellschaft sein, allein in Wahrheit, realiter ist „seine Stel lung" eine „zunächst abstrakte Stellung, nämlich des Extrems der empi rischen Allgemeinheit gegen das fürstliche oder monarchische Prinzip über haupt, in der nur die Möglichkeit der Uebereinstimmung, und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt", eine, wie Hegel richtig bemerkt „abstrakte Stellung". 25 Zunächst scheint es nun, daß hier weder das „Extrem der empirischen Allgemeinheit", noch das „fürstliche oder monarchische Princip", das Extrem der empirischen Einzelnheit sich gegenüberstehn. | 30 |XXVII.[103]| Denn von Seiten der bürgerlichen Gesellschaft sind die Stände, wie von Seiten des Fürsten die Regierungsgewalt deputirt. Wie das fürstliche Princip in der deputirten Regierungsgewalt aufhört, das Extrem der empirischen Einzelnheit zu sein, und vielmehr in ihr den „grundlosen" Willen auf gjebt, sich zu der „Endlichkeit" des Wissens und der Verantwort lichkeit und des Denkens herabläßt, so scheint in dem ständischen Element 35 die bürgerliche Gesellschaft nicht mehr empirische Allgemeinheit, sondern ein sehr bestimmtes Ganzes zu sein, das ebenso sehr den „Sinn und die Gesinnung des Staates und der Regierung, als der Interessen der besonderen Kreise und der Einzelnen hat". (§ 302.) Die bürgerliche Gesellschaft hat in ihrer ständischen Miniaturausgabe aufgehört die „empirische Allgemein- 40 heit" zu sein. Sie ist vielmehr zu einem Ausschuß, zu einer sehr bestimmten 94 r ¡É I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Zahl herabgesunken und wenn der Fürst in der Regierungsgewalt sich empirische Allgemeinheit, so hat sich die bürgerliche Gesellschaft in den Ständen empirische Einzelnheit oder Besonderheit gegeben. Beide sind zu einer Besonderheit geworden. 5 Der einzige Gegensatz, der hier noch möglich ist, scheint der zwischen den beiden Repräsentanten der beiden Staatswillen, zwischen den beiden Emanationen, zwischen dem Regierungselement und dem ständischen Element der gesetzgebenden Gewalt, scheint also ein Gegensatz innerhalb der gesetzgebenden Gewalt selbst zu sein. Die „gemeinschaftliche" Ver io mittelung scheint auch recht geeignet, sich wechselseitig in die Haare zu fallen. In dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt hat sich die empirische, unzugängliche Einzelnheit des Fürsten verirdischt in einer Zahl beschränkter, faßbarer, verantwortlicher Personalitäten und in dem stän dischen Element hat sich die bürgerliche Gesellschaft verhimmlischt in eine 15 Zahl politischer Männer. Beide Seiten haben ihre Unfaßbarkeit verloren. Die fürstliche Gewalt das unzugängliche, ausschließliche empirische Eins, die bürgerliche Gesellschaft das unzugängliche, verschwimmende empirische All, die Eine ihre Sprödigkeit, die andere ihre Flüssigkeit. In dem ständischen Element einerseits, und dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt 20 andrerseits, welche zusammen bürgerliche Gesellschaft und Fürst vermitteln wollten, scheint also erst der Gegensatz zu einem Kampf gerechten Gegen satz, aber auch zu einem unversöhnlichen Widerspruch gekommen zu sein. I |[104]| Diese „ Vermittelung" hat es also auch erst recht nöthig, wie Hegel richtig entwickelt, „daß ihre Vermittelung zur Existenz kommt". Sie selbst 25 ist vielmehr die Existenz des Widerspruches als der Vermittelung. Daß diese Vermittelung von Seiten des ständischen Elementes bewirkt werde, scheint Hegel ohne Grund zu behaupten. Er sagt: „Wie von Seiten der fürstlichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon 30 diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus, ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existiren." 35 Allein wir haben schon gesehn, Hegel stellt hier wülkührlich und incon sequent Fürst und Stände als Extreme gegenüber. Wie von Seiten der fürst- liehen Gewalt die Regierungsgewalt, so hat von Seiten der bürgerlichen Gesellschaft das ständische Element diese Bestimmung. Sie stehn nicht nur mit der Regierungsgewalt gemeinschaftlich zwischen Fürst und bürgerlicher Gesellschaft, sie stehn auch zwischen der Regierung überhaupt und dem Volk. (§ 302.) Sie thun von Seiten der bürgerlichen Gesellschaft mehr, als 40 die Regierungsgewalt von Seiten der fürstlichen Gewalt thut, da diese ja sogar selbst als Gegensatz dem Volke gegenübersteht. Sie hat also das Maaß 95 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie der Vermittelung voll gemacht. Warum also diesen Esel mit noch mehr Säcken bepacken? Warum soll denn das ständische Element überall die Eselsbrücke bilden, sogar zwischen sich selbst und seinem Gegner? Warum ist es überall die Aufopferung selbst? Soll es sich selbst eine Hand abhauen, damit es nicht mit beiden seinem Gegenmann, dem Regierungselement der gesetzgebenden Gewalt Widerpart halten kann? 5 Es kömmt noch hinzu, daß Hegel zuerst die Stände aus den Korporationen, Standesunterschieden etc. hervorgehn ließ, damit sie keine „blose empiri sche Allgemeinheit" seien und daß er sie jezt umgekehrt zur „blosen em pirischen Allgemeinheit" macht, um den Standesunterschied aus ihnen 10 hervorgehn [zu] lassen! Wie der Fürst durch die Regierungsgewalt als ihren Christus mit der bürgerlichen Gesellschaft, so vermittelt sich die Gesell schaft durch die Stände als ihre Priester mit dem Fürsten. | j[105]| Es scheint nun vielmehr die Rolle der Extreme, der fürstlichen Gewalt (empirische Einzelnheit) und der bürgerlichen Gesellschaft (empi- 15 rische Allgemeinheit) sein zu müssen, vermittelnd zwischen „ihre Vermitte lung zu treten", um so mehr da es „zu den wichtigsten logischen Einsichten gehört, daß ein bestimmtes Moment,, das als im Gegensatz stehend die Stel lung eines Extrems hat, es dadurch zu sein aufhört und organisches Moment ist, daß es zugleich Mitte ist". (§ 302. Anmerk.) Die bürgerliche Gesellschaft 20 scheint diese Rolle nicht übernehmen zu können, da sie in der „gesetz gebenden Gewalt" als sie selbst, als Extrem keinen Sitz hat. Das andere Extrem, das sich als solches inmitten der gesetzgebenden Gewalt befindet, das fürstliche Princip, scheint also den Mittler zwischen dem ständischen und dem Regierungselement bilden zu müssen. Es scheint auch dazu quali- 25 ficirt [zu] sein. Denn einerseits ist in ihm das Ganze des Staats also auch die bürgerliche Gesellschaft repräsentirt und speziell hat es mit den Stän den die „empirische Einzelnheit" des Willens gemein, da die empirische Allgemeinheit nur wirklich ist, als empirische Einzelnheit. Es steht ferner der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur als Formel, als Staatsbewußtsein gegenüber, wie die Regierungsgewalt. Es ist selbst Staat, es hat das ma terielle, natürliche Moment mit der bürgerlichen Gesellschaft gemein. Andrerseits ist der Fürst die Spitze und der Repräsentant der Regierungs gewalt. (Hegel, der alles umkehrt, macht die Regierungsgewalt zum Re präsentanten, zur Emanation des Fürsten. Weil er bei der Idee, deren Dasein 35 der Fürst sein soll, nicht die wirkliche Idee der Regierungsgewalt, nicht die Regierungsgewalt als Idee, sondern das Subjekt der absoluten Idee vor Augen hat, die im Fürsten körperlich existirt, so wird die Regierungsgewalt zu einer mystischen Fortsetzung der in seinem Körper (dem fürstlichen Körper) existirenden Seele.) 30 40 Der Fürst mußte also in der gesetzgebenden Gewalt die Mitte zwischen 96 F I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt der Regierungsgewalt und dem ständischen Element bilden, allein die Re gierungsgewalt ist ja die Mitte zwischen ihm und der ständischen und die ständische zwischen ihm und der bürgerlichen Gesellschaft! Wie sollte er das untereinander vermitteln, dessen er zu seiner Mitte nöthig hat, um kein einseitiges Extrem zu sein? | 5 10 |[106]| Hier tritt das ganze Ungereimte dieser Extreme, die abwechselnd bald die Rolle des Extrems, bald der Mitte spielen hervor. Es sind Jánus- köpf e, die sich bald von vorn, bald von hinten zeigen und vorn einen andern Charakter haben, als hinten. Das, was zuerst als Mitte zwischen zwei Ex- tremen bestimmt, tritt nun selbst als Extrem auf und das eine der zwei Extreme, das durch es mit dem andern vermittelt war, tritt nun wieder als Extrem (weil in seiner Unterscheidung von dem andern Extrem) zwischen sein Extrem und seine Mitte. Es ist eine wechselseitige Bekomplimentirung. Wie wenn ein Mann zwischen zwei Streitende tritt, und nun wieder einer der 15 Streitenden zwischen den vermittelnden Mann und den Streitenden. Es ist die Geschichte von dem Mann und der Frau, die sich stritten und von dem Arzt, der als Vermittler zwischen sie treten wollte, wo nun wieder die Frau den Arzt mit ihrem Mann und der Mann seine Frau mit dem Arzt vermitteln mußte. Es ist, wie der Löwe im Sommernachtstraum, der ausruft: Ich bin 20 Löwe und ich bin nicht Löwe, sondern Squenz. So ist hier jedes Extrem bald der Löwe des Gegensatzes, bald der Squenz der Vermittlung. Wenn das eine Extrem ruft, jezt bin ich Mitte, so dürfen es die beiden andern nicht anrühren, sondern nur nach dem andern schlagen, das eben Extrem war. Man sieht, es ist eine Gesellschaft, die Kampflustig im Herzen ist, aber zu sehr die 25 blauen Flecke fürchtet, um sich wirklich zu prügeln und die beiden, die sich schlagen wollen, richten es so ein, daß der Dritte, der dazwischen tritt, die Prügel bekommen soll, aber nun tritt wieder einer der beiden als der Dritte auf und so kommen sie vor lauter Behutsamkeit zu keiner Entscheidung. Dieses System der Vermittlung kommt auch so zu Stande, daß derselbe 30 Mann, der seinen Gegner prügeln will, ihn nach der andern Seite gegen andre Gegner vor Prügeln beschützen muß und so in dieser doppelten Beschäfti gung nicht zur Ausführung seines Geschäftes kommt. Es ist merkwürdig, daß Hegel, der diese Absurdität der Vermittlung auf ihren abstrakt logischen, daher unverfälschten, untransigirbaren Ausdruck reducirt, sie zugleich als spekulatives Mysterium der Logik, als das ||XXVIII.[107]| vernünftige Ver hältniß, als den Vernunftschluß bezeichnet. Wirkliche Extreme können nicht mit einander vermittelt werden, eben weil sie wirkliche Extreme sind. Aber sie bedürfen auch keiner Vermittelung, denn sie sind entgegengesezten Wesens. Sie haben nichts mit einander gemein, sie verlangen einander nicht, sie ergänzen einander nicht. Das eine hat nicht in seinem eigenen Schoos die Sehnsucht, das Bedürfniß, die Anticipation des andern. (Wenn aber Hegel 35 40 97 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Allgemeinheit und Einzelnheit, die abstrakten Momente des Schlusses als wirkliche Gegensätze behandelt, so ist das eben der Grunddualismus sei ner Logik. Das Weitere hierüber gehört in die Kritik der hegel' sehen Lo gik.) Dem scheint entgegenzustehn: Les extrêmes se touchent. Nordpol und Südpol ziehen sich an; weibliches Geschlecht und männliches ziehn sich ebenfalls an und erst durch die Vereinigung ihrer extremen Unterschiede wird der Mensch. 5 Andrerseits. Jedes Extrem ist sein anderes Extrem. Der abstrakte Spi ritualismus ist abstrakter Materialismus; der abstrakte Materialismus ist der abstrakte Sptitualismus der Materie. 1 o 20 Was das erste betrifft, so sind Nordpol und Südpol beide Pol; ihr Wesen ist identisch; ebenso sind weibliches und männliches Geschlecht, beide eine Gattung, ein Wesen, menschliches Wesen. Nord und Süd sind entgegen gesezte Bestimmungen eines Wesens; der Unterschied eines Wesens auf 15 seiner höchsten Entwicklung. Sie sind das diïferenzirteWesen. Sie sind, was sie sind, nur als eine unterschiede Bestimmung und zwar als diese unter- schiedne Bestimmung des Wesens. Wahre wirkliche Extreme wären Pol und Nichtpol, menschliches und unmenschliches Geschlecht. Der Unterschied ist hier ein Unterschied der Existenz; dort ein Unterschied der Wesen, zwei Wesen. Was das zweite betrifft, so liegt hier die Hauptbestimmung darin, daß ein Begriff (Dasein etc.) abstrakt gefaßt wird, daß er nicht als selbst ständig, sondern als eine Abstraktion von einem andern und nur als diese Abstraktion Bedeutung hat; also z. B. der Geist nur die Abstraktion von der Materie ist. Es versteht sich dann von selbst, daß er eben, weil diese Form 25 seinen Inhalt ausmachen soll, vielmehr das abstrakte Gegentheil, der Gegen stand, von dem er abstrahirt, in seiner Abstraktion, also hier der abstrakte Materialismus sein reales Wesen ist. Wäre die Differenz ||[108]| innerhalb der Existenz eines Wesens, nicht verwechselt worden, theils mit der verselbst- ständigten Abstraktion (versteht sich nicht von einem andern, sondern eigentüch von sich selbst) theils mit dem wtklichen Gegensatz sich wechsel seitig ausschliessender Wesen, so wäre ein dreifacher Irrthum verhindert worden 1) daß, weil nur das Extrem wahr sei, jede Abstraktion und Einseitig keit sich für wahr hält, wodurch ein Princip statt als Totalität in sich selbst nur als Abstraktion von einem andern erscheint; 2) daß die Entschiedenheit 35 wtklicher Gegensätze, ihre Bildung zu Extremen, die nichts anderes ist, als sowohl ihre Selbsterkenntniß, wie ihre Entzündung zur Entscheidung des Kampfes, als etwas möglicher Weise zu verhinderndes oder schädliches gedacht wird; 3) daß man ihre Vermittelung versucht. Denn so sehr beide Extreme in ihrer Existenz als wirklich auftreten und als Extreme, so liegt 40 es doch nur in dem Wesen des einen, Extrem zu sein und es hat für das andre 30 98 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt nicht die Bedeutung der wahren Wirklichkeit. Das eine greift über das andre über. Die Stellung ist keine gleiche. Ζ. B. Christenthum oder Religion über haupt und Philosophie sind Extreme. Aber in Wahrheit bildet die Religion zur Philosophie keinen wahren Gegensatz. Denn die Philosophie begreift die 5 Religion in ihrer illusorischen Wirklichkeit. Sie ist also für die Philosophie, sofern sie eine Wirklichkeit sein will, in sich selbst aufgelöst. Es giebt keinen wirkliehen Dualismus des Wesens. Später mehr hierüber. 10 Es fragt sich, wie kömmt Hegel überhaupt zu dem Bedürfniß einer neuen Vermittelung von Seiten des ständischen Elementes? Oder theilt Hegel mit „das häufige, aber höchst gefährliche Vorurtheil, Stände hauptsächlich im Gesichtspunkte des Gegensatzes gegen die Regierung, als ob dieß ihre wesentliche Stellung wäre, vorzustellen"?? (§ 302 Anmerk.) Die Sache ist einfach die: Einerseits haben wir gesehn, daß in der „ge setzgebenden Gewalt" die bürgerliche Gesellschaft als „ständisches" Ele- 15 ment und die fürsüiche Macht als „Regierungselement" sich erst zum wirklichen unmittelbar praktischen Gegensatz begeistet haben. 20 Andrerseits: Die gesetzgebende Gewalt ist Totalität. Wir finden in ihr 1) die Deputation des fürstlichen Principe, die „Regierungsgewalt"; 2) die Deputation der bürgerlichen Gesellschaft, das „ständische" Element; aber ausserdem befindet sich in ihr 3) das eine Extrem als solches, das fürstliche Princip, während das andere Extrem, ||[109]| die bürgerliche Gesellschaft als solches sich nicht in ihr befindet. Dadurch wird erst das „ständische" Ele ment zu dem Extrem des „fürstlichen" Princips, das eigentlich die bürger liche Gesellschaft sein sollte. Erst als „ständisches" Element organisirt sich, 25 wie wir gesehn haben, die bürgerliche Gesellschaft zu einem politischen Da sein. Das „ständische" Element ist ihr politisches Dasein, ihre Transsubstan tiation in den politischen Staat. Die „gesetzgebende Gewalt" ist daher, wie wir gesehn, erst der eigentliche politische Staat in seiner Totalität. Hier ist also 1) fürstliches Princip, 2) Regierungsgewalt, 3) bürgerliche Gesellschaft. 30 Das „ständische" Element ist „die bürgerliche Gesellschaft des politischen Staates", der „gesetzgebenden Gewalt". Das Extrem, das die bürgerliche Gesellschaft zum Fürsten bilden sollte, ist daher das „ständische" Element. (Weil die bürgerliche Gesellschaft die Unwirklichkeit des politischen Da seins, so ist das politische Dasein der bürgerlichen Gesellschaft ihre eigne 35 Auflösung, ihre Trennung von sich selbst.) Ebenso büdet es daher einen Gegensatz zur Regierungsgewalt. Hegel bezeichnet daher auch das „ständische" Element wieder als das „Extrem der empirischen Allgemeinheit", das eigentlich die bürgerliche Gesellschaft selbst ist. (Hegel hat daher unnützer Weise das politisch-stän- 40 dische Element aus den Corporationen und unterschiednen Ständen her- vorgehn lassen. Dieß hätte blos Sinn, wenn nun die unterschiednen Stände 99 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 5 als solche die gesetzgebenden Stände wären, also der Unterschied der bürgerlichen Gesellschaft, die bürgerliche Bestimmung re vera die politische Bestimmung. Wir hätten dann nicht eine gesetzgebende Gewalt des Staats ganzen, sondern die gesetzgebende Gewalt der verschiednen Stände und Korporationen und Klassen über das Staatsganze. Die Stände der bürger- liehen Gesellschaft empfingen keine politische Bestimmung, sondern sie bestimmten den politischen Staat. Sie machten ihre Besonderheit zur be stimmenden Gewalt des Ganzen. Sie wären die Macht des Besondren über das Allgemeine. Wir hätten auch nicht eine gesetzgebende Gewalt, sondern mehre Gesetzgebende Gewalten, die unter sich und mit der Regierung trans- 10 igirten. Allein Hegel hat die moderne Bedeutung des ständischen Elements, die Verwirklichung des Staatsbürgerthums des bourgeois zu sein, vor Augen. Er will, daß das „An und für sich Allgemeine", der politische Staat nicht von der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt wird, sondern umgekehrt sie be stimmt. Während er also die Gestalt des mittelaltrig ständischen Elementes 15 aufnimmt, giebt er ihm die entgegengesezte Bedeutung, von dem Wesen des politischen Staates bestimmt zu werden. Die Stände, als Repräsentanten der Corporationen etc. wären nicht die „empirische Allgemeinheit", sondern die „empirische Besonderheit", die „Besonderheit der Empirie"!) Die „gesetz gebende Gewalt" bedarf daher in sich selbst der Vermittlung, ||[110]| d.h. einer Vertuschung des Gegensatzes, und diese Vermittlung muß vom „ständischen Element" ausgehn, weil das ständische Element innerhalb der gesetzgebenden Gewalt die Bedeutung der Repräsentation der bürgerlichen Gesellschaft verliert und zum primären Element wird, selbst die bürgerliche Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt ist. Die „gesetzgebende Gewalt" 25 ist die Totalität des politischen Staates, eben daher der zur Erscheinung getriebene Widerspruch desselben. Sie ist daher ebenso sehr seine gesezte Auflösung. Ganz verschiedene Principien karambuliren in ihr. Es erscheint dieß allerdings als Gegensatz der Elemente des fürstlichen Princips und des Prineips des ständischen Elements etc. In Wahrheit aber ist es die Antinomie 30 des politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft, der Widerspruch des abstrakten politischen Staates mit sich selbst. Die gesetzgebende Gewalt ist die gesezte Revolte. (Hegels Hauptfehler besteht darin, daß er den Widerspruch der Erscheinung als Einheit in der Idee \ im Wesen faßt, während er allerdings ein tieferes zu seinem Wesen hat, nähmlich einen 35 wesentlichen Widerspruch, wie z.B. hier der Widerspruch der gesetz gebenden Gewalt in sich selbst nur der Widerspruch des politischen Staats, also auch der bürgerlichen Gesellschaft mit sich selbst ist. 20 Die vulgäre Kritik verfällt in einen entgegengesezten, dogmatischen Irrthum. So critisirt sie z. B. die Constitution. Sie macht auf die Entgegen- 40 setzung der Gewalten aufmerksam etc. Sie findet überall Widersprüche. Das 100 Rutscher Bundestee 8íbHoth*k I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 10 15 20 ist selbst noch dogmatische Kritik, die mit ihrem Gegenstand kämpft, so wie man früher etwa das Dogma der heiligen Dreieinigkeit durch den Wider spruch von 1 und 3 beseitigte. Die wahre Kritik dagegen zeigt die innere Genesis der heiligen Dreieinigkeit im menschlichen Gehirn. Sie beschreibt ihren Geburtsakt. So weist die wahrhaft phüosophische Kritik der jetzigen Staatsverfassung nicht nur Widersprüche als bestehend auf, sie erklärt sie, sie begreift ihre Genesis, ihre Nothwendigkeit. Sie faßt sie in ihrer eigen- thiimlichen Bedeutung. Dieß Begreifen besteht aber nicht, wie Hegel meint, darin, die Bestimmungen des logischen Begriffes überall wieder zu erkennen, sondern die eigentümliche Logik des eigenthümlichen Gegenstandes zu fassen.) Hegel drückt dieß so aus, daß in der Stellung des politisch-ständischen Elementes zum fürstlichen „nur die Möglichkeit der Uebereinstimmung, und damit ebenso die Möglichkeit feindlicher Entgegensetzung liegt". | |XXIX.[111]| Die Möglichkeit der Entgegensetzung liegt überall, wo ver schiedene Willen zusammentreffen. Hegel sagt selbst, daß die „Möglichkeit der Uebereinstimmung" die „Möglichkeit der Entgegensetzung" ist. Er muß also jezt ein Element bilden, was die „ Unmöglichkeit der Entgegensetzung" und die „ Wkklichkeit der Uebereinstimmung" ist. Ein solches Element wäre also ohne die Freiheit der EntSchliessung und des Denkens, dem fürstlichen Willen und der Regierung gegenüber. Es gehörte also nicht mehr zum „ständisch politischen" Element. Es wäre vielmehr ein Element des fürst lichen Willens und der Regierung und befände sich in demselben Gegensatz zum wirklichen ständischen Element, wie die Regierung selbst. 25 Sehr wird diese Forderung schon herabgestimmt durch den Schluß des §: „Wie von Seiten der f ürsüichen Gewalt die Regierungsgewalt (§ 300) schon diese Bestimmung hat, so muß auch von der Seite der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt sein, wesentlich als das Moment der 30 Mitte zu existiren." Das Moment, was von Seite der Stände abgeschickt wird, muß die um gekehrte Bestimmung haben als die Regierungsgewalt von Seiten der Fürsten hat, da fürstliches und ständisches Element entgegen gesezte Extreme sind. Wie der Fürst sich in der Regierungsgewalt demokratisirt, so muß sich das „ständische" Element in seiner Deputation monarchisten. Was Hegel also will, ist ein fürstliches Moment von Seiten der Stände. Wie die Regierungs gewalt ein ständisches Moment von Seiten des Fürsten, so soll es auch ein fürstliches Moment von Seiten der Stände geben. 35 Die „Wirklichkeit der Uebereinstimmung" und die „Unmöglichkeit der 40 Entgegensetzung" verwandelt sich in folgende Forderung: Es „muß von Seiten der Stände aus ein Moment derselben nach der Bestimmung gekehrt 101 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie sein, wesentlich als das Moment der Mitte zu existiren". Nach der Bestim mung gekehrt sein! Diese „Bestimmung" haben nach § 302 die Stände überhaupt. Es müßte hier nicht mehr „Bestimmung", sondern „Bestimmt heit" sein. Und was ist das überhaupt für eine Bestimmung, „wesentlich als das Moment der Mitte zu existiren"? Seinem „Wesen" nach „Buridans Esel" sein. I 5 20 15 10 |[112]| Die Sache ist einfach die. Die Stände sollen „Vermittelung" zwischen Fürstund Regierung einerseits und Volk andrerseits sein, aber sie sind es nicht, sie sind vielmehr der or- ganisirte politische Gegensatz der bürgerlichen Gesellschaft. Die „gesetz gebende Gewalt" bedarf in sich selbst der Vermittelung und zwar, wie gezeigt, einer Vermittelung von Seiten der Stände aus. Die vorausgesezte moralische Uebereinstimmung der beiden Willen, von denen der eine der Staatswille als fürstlicher Wille und der andere der Staatswille als der Wille der bürgerlichen Gesellschaft ist, reicht nicht aus. Die gesetzgebende Gewalt ist zwar erst der organisirte, totale politische Staat, aber eben in ihr erscheint, weil in seiner höchsten Entwicklung, auch der unverhüllte Widerspruch des politischen Staates mit sich selbst. Es muß also der Schein einer wirklichen Identität zwischen fürstlichem und ständischem Willen gesezt werden. Das ständische Element muß als fürstlicher Wille oder der fürstliche Wille muß als ständisches Element gesezt werden. Das ständische Element muß sich als die Wirklichkeit eines Willens setzen, der nicht der Wille des ständischen Elementes ist. Die Einheit, die nicht im Wesen vorhanden ist, (sonst müßte sie sich durch die Whksamkeit, und nicht durch die Daseinsweise des ständischen Elementes beweisen) muß wenigstens als eine Existenz vor handen sein, oder eine Existenz der gesetzgebenden Gewalt (des ständischen Elementes) hat die Bestimmung diese Einheit des Nichtvereinten zu sein. Dieses Moment des ständischen Elements, Pairskammer, Oberhaus etc. ist die höchste Synthese des politischen Staates in der betrachteten Organi- sation. Es ist zwar nicht damit erreicht, was Hegel will, „die Wirklichkeit der Uebereinstimmung" und die „Unmöglichkeit feindlicher Entgegenset zung", vielmehr bleibt es bei der „Möglichkeit der Uebereinstimmung". Allein es ist die gesezte Illusion von der Einheit des politischen Staates mit sich selbst (des fürstlichen und ständischen Willens, weiter dem Princip des politischen Staates und der bürgerlichen Gesellschaft), von dieser Einheit als materiellem Prinzip, d. h. so daß nicht nur zwei entgegengesezte Prin cipien sich vereinen, sondern daß die Einheit derselben Natur, Existential- grund ist. Dieses Moment des ständischen Elementes ist die Romantik des poütischen Staates, der Traum seiner Wesenhaftigkeit oder seiner 40 Uebereinstimmung mit sich selbst. Es ist eine allegorische Existenz. 35 30 25 102 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Es hängt nun von dem wirklichen status quo des Verhältnisses zwischen ständischem Element und fürstlichem ab, ob diese Illusion wirksame Illusion oder bewußte Selbsttäuschung ist. So lange Stände und fürstliche Gewalt faktisch übereinstimmen, sich vertragen, ist die Illusion ihrer wesentlichen 5 Einheit eine wirkliche also wkksame Illusion. Im Gegenfall, wo sie ihre Wahrheit b e t ä t i g en sollte, wird sie zur bewußten Unwahrheit und ri dicule, ι 10 |XXX.[113]| § 305. „Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Princip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung constituirt zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich, der das Farnilienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grundbesitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes Wollen, und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließt, mit diesem gemein hat." 15 Wir haben schon die Inconsequenz H's. nachgewiesen, 1) das politisch ständische Element in seiner modernen Abstraktion von der bürgerlichen Gesellschaft etc. zu fassen, nachdem er es aus den Corporationen hat her- vorgehn lassen; 2) es jezt wieder nach dem Ständeunterschied der bürger lichen Gesellschaft zu bestimmen, nachdem er die politischen Stände als solche, als das „Extrem der empirischen Allgemeinheit" schon bestimmt hat. 20 Die Consequenz wäre nun: Die politischen Stände für sich zu betrachten, als neues Element und nun aus ihnen selbst die § 304geforderte Vermittelung zu construiren. 25 Allein sehn wir nun, wie H. den bürgerlichen Ständeunterschied wieder hereinzieht und zugleich den Schein hervorbringt, daß nicht die Wirklich keit und das besondere Wesen des bürgerlichen Ständeunterschiedes die höchste politische Sphäre, die gesetzgebende Gewalt bestimmt, sondern umgekehrt zu einem blosen Material herabsinkt, das die politische Sphäre 30 nach ihrem, aus ihr selbst hervorgehenden Bedürfniß, formirt und con- struirt. „Der eine der Stände der bürgerlichen Gesellschaft enthält das Princip, das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung constituirt zu werden, der Stand der natürlichen Sittlichkeit nämlich." (Der Bauernstand.) 35 Worin besteht nun diese principielle Fähigkeit oder diese Fähigkeit des Princips des Bauernstandes? Er hat „das Familienleben und in Rücksicht der Subsistenz den Grund besitz zu seiner Basis, somit in Rücksicht seiner Besonderheit ein auf sich beruhendes Wollen, und die Naturbestimmung, welche das fürstliche Ele- 40 ment in sich schließt, mit diesem gemein". Das „auf sich beruhende Wollen" bezieht sich auf die Subsistenz, den 103 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie „Grundbesitz", die mit dem fürstlichen Element gemeinschaftliche „Natur bestimmung" auf das „Familienleben" als Basis. Die Subsistenz des „Grundbesitzes" und ein „auf sich beruhendes Wollen" sind zwei verschiedne Dinge. Es müßte vielmehr von einem auf „Grund und Boden ruhenden Wollen" die Rede sein. Es müßte aber vielmehr von einem „auf der Staatsgesinnung", nicht von einem auf sich, sondern von einem im Ganzen ruhenden Willen die Rede sein. | |[114]| An die Stelle der „Gesinnung", des „Besitzes des Staatsgeistes" tritt 5 der „Grundbesitz". 10 Was ferner das „Familienleben " als Basis angeht, so scheint die „sociale" Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft höher zu stehn, als diese „natür liche Sittlichkeit". Ferner ist das „Familienleben" die „natürliche Sittlich keit" der andren Stände oder des Bürgerstandes der bürgerlichen Gesell schaft ebensowohl als des Bauernstandes. Daß aber das „Familienleben" bei dem Bauernstande nicht nur das Princip der Familie, sondern die Basis seines 15 socialen Daseins überhaupt ist, scheint ihn vielmehr für die höchste politi sche Aufgabe unfähig zu machen, indem er patriarchalische Gesetze auf eine nicht patriarchalische Sphäre anwenden wird und das Kind oder den Vater, den Herrn und den Knecht da geltend macht, wo es sich um den politischen Staat, um das Staatsbürgerthum handelt. 20 Was die Naturbestimmung des fürstlichen Elementes betrifft, so hat Hegel keinen patriarchalischen, sondern einen modern konstitutionellen König entwickelt. Seine Naturbestimmung besteht darin, daß er der körperliche Repräsentant des Staates ist und als König geboren, oder das Königthum seine Familienerbschaft ist, aber was hat das mit dem Familienleben als der Basis des Bauernstandes, was hat die natürliche Sittlichkeit mit der Naturbestimmung der Geburt als solcher gemein? Der König theilt das mit dem Pferd, daß wie dieses als Pferd, der König als König geboren wird. 25 30 Hätte Hegel den von ihm angenommenen Ständeunterschied als solchen zum politischen gemacht, so war ja schon der Bauernstand als solcher ein selbstständiger Theil des ständischen Elements und wenn er als solcher ein Moment der Vermittelung mit dem Fürstenthum ist, was bedurfte es dann der Construction einer neuen Vermittelung? Und warum ihn aus dem eigent lich ständischen Moment herausscheiden, da dieses ja nur durch die 35 Scheidung von ihm in die „abstrakte" Stellung zum fürstlichen Element geräth? Nachdem Hegel aber eben das politisch-ständische Element als ein eigentümliches Element, als eine Transsubstantiation des Privatstandes in das Staatsbürgerthum entwickelt hat und eben deßwegen der Vermittelung bedürftig gefunden hat, wie darf Hegel nun diesen Organismus wieder 40 auflösen in den Unterschied des Privatstandes, also in den Privatstand und 104 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt aus diesem die Vermittelung des politischen Staates mit sich selbst her holen? Ueberhaupt welche Anomalie, daß die höchste Synthese des politischen Staates nichts andres ist als die Synthese von Grundbesitz und Familien- leben! | 5 |[115]| Mit einem Wort: Sobald die bürgerlichen Stände als solche politische Stände sind, bedarf es jener Vermittlung nicht und sobald es jener Vermittlung bedarf, ist der bürgerliche Stand nicht politisch, also auch nicht jene Vermittelung. Der 10 Bauer ist dann nicht als Bauer, sondern als Staatsbürger ein Theil des po litisch-ständischen Elementes, während umgekehrt ([er] als Bauer Staats bürger oder als Staatsbürger Bauer ist) sein Staatsbürgerthum das Bauern thum, er nicht als Bauer Staatsbürger, sondern als Staatsbürger Bauer ist! Es ist hier also eine Inconsequenz H's. innerhalb seiner eignen Anschau- 15 ungsweise, und eine solche Inconsequenz ist Accommodation. Das politisch ständische Element ist im modernen Sinne, in dem von Hegel entwickelten Sinne, die gesezte\vollzogne Trennung der bürgerlichen Gesellschaft von ihrem Privatstand und seinen Unterschieden. Wie kann Hegel den Privat stand zur Lösung der Antinomien der gesetzgebenden Gewalt in sich selbst 20 machen? Hegel will das mittelaltrig Ständische System, aber in dem mo dernen Sinn der gesetzgebenden Gewalt und er will die moderne gesetz gebende Gewalt aber in dem Körper des mittelaltrig ständischen Systems! Es ist schlechtester Synkretismus. Anfang § 304 hieß es: „Den in den früheren Sphären bereits vorhandnen 25 Unterschied der Stände enthält das politisch-ständische Element zugleich in seiner eignen Bestimmung." Aber in seiner eignen Bestimmung enthält das politisch-ständische Element diesen Unterschied nur dadurch, daß es ihn annullirt, daß es ihn in sich vernichtigt, von ihm abstrahirt. Wird der Bauernstand oder, wie wir weiter hören werden, der potenzirte 30 Bauernstand, der adlige Grundbesitz, als solcher auf die beschriebene Weise zur Vermittelung des totalen politischen Staates, der gesetzgebenden Gewalt in sich selbst gemacht, so ist das allerdings die Vermittelung des ständisch politischen Elementes mit der fürstlichen Gewalt in dem Sinne, als es die Auflösung des politisch-ständischen Elementes als eines wirklichen poli- tischen Elementes ist. Nicht der Bauernstand, sondern der Stand, der Privat stand, die Analyse (Reduction) des poütisch-ständischen Elementes in den Privatstand ist hier die wiederhergestellte Einheit des politischen Staats mit sich selbst. (Nicht der Bauernstand als solcher ist hier die Vermittelung, sondern seine Trennung von dem politisch-ständischen Element in seiner 40 Qualität als bürgerlicher Privatstand; dieß daß sein Privatstand ihm eine gesonderte Stellung in dem politisch-ständischen Element giebt, also auch 35 105 ìk Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie der andre Theil des politisch-ständischen Elements die Stellung eines be sondren Privatstandes erhält, also aufhört das Staatsbürgerthum der bürger lichen Gesellschaft zu repräsentiren.) Es ist hier nun nicht mehr der politi sche Staat als zwei entgegen gesezte Willen vorhanden, sondern auf der einen Seite steht der politische Staat (Regierung und Fürst) und auf der andern die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Unterschied vom politischen Staat. (Die verschiedenen Stände.) Damit ist denn auch der politische Staat als Totalität aufgehoben. | 5 |[116]| Der nächste Sinn der Verdopplung des politisch-ständischen Ele mentes in sich selbst als einer Vermittlung mit der fürstlichen Gewalt ist überhaupt, daß die Trennung dieses Elementes in sich selbst, sein eigner Gegensatz in sich selbst seine wiederhergestellte Einheit mit der fürstlichen Gewalt ist. Der Grunddualismus zwischen dem fürstlichen und dem stän dischen Element der gesetzgebenden Gewalt wird neutraüsirt durch den Dualismus des ständischen Elementes in sich selbst. Bei Hegel aber ge- 15 schiebt diese Neutralisation dadurch daß das politisch-ständische Element sich von seinem politischen Element selbst trennt. 10 Was den Grundbesitz als Subsistenz, welche der Souverainetät des Willens, der fürstlichen Souverainetät und das Familienleben als Basis des Bauernstandes, welche der Naturbestimmung der Fürstlichen Gewalt ent- sprechen soll betrifft, so kommen wir später darauf zurück. Hier im § 305 ist das „Princip" des Bauernstandes entwickelt, „das für sich fähig ist, zu dieser politischen Beziehung constituirt zu werden". Im 20 § 306. wird die „Constituirung" „für die politische Stellung und Bedeu tung" vorgenommen. Sie reducirt sich darauf: „Das Vermögen wird" „ein 25 unveräusserliches, mit dem Majorat belastetes Erbgut."Das „Majorat"w'are also die politische Constituirung des Bauernstandes. „Die Begründung des Majorats", heißt es im Zusatz „liegt darin, daß der Staat nicht auf bloße Möglichkeit der Gesinnung, sondern auf ein Nothwen- diges rechnen soll. Nun ist die Gesinnung freilich an ein Vermögen nicht 30 gebunden, aber der relativ notwendige Zusammenhang ist, daß, wer ein selbstständiges Vermögen hat, von äussern Umständen nicht beschränkt ist, und so ungehemmt auftreten und für den Staat handeln kann." Erster Satz. Dem Staat genügt nicht „die bloße Möglichkeit der Gesin nung, er soll auf ein „Nothwendiges" rechnen. 35 Zweiter Satz. „Die Gesinnung ist an ein Vermögen nicht gebunden", d. h. die Gesinnung des Vermögens ist eine „bloße Möglichkeit". Dritter Satz. Aber es findet ein „relativ-nothwendiger Zusammenhang" statt; nämlich „daß, wer ein selbstständiges Vermögen hat etc für den Staat handeln kann", d. h. das Vermögen giebt die „Möglichkeit" der Staats- gesinnung, aber eben die „Möglichkeit" genügt nach dem ersten Satz nicht. 40 106 τ I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Zudem hat Hegel nicht entwickelt, daß der Grundbesitz das einzige „selbstständige Vermögen" ist. | /XXXI.[117]/Die Constituirung seines Vermögens zur Unabhängigkeit ist die Constituirung des Bauernstandes „für die politische Stellung und Be- 5 deutung". Oder „die Unabhängigkeit des Vermögens" ist seine „politische Stellung und Bedeutung". Diese Unabhängigkeit wird weiter so entwickelt: Sein „Vermögen" ist „unabhängig vom Staatsvermögen". Unter Staats vermögen wird hier offenbar die Regierungskasse verstanden. In dieser 10 Beziehung steht „der allgemeine Stand" „gegenüber" „als vom Siaar we sentlich abhängig". So heißt es in der Vorrede, p. 13: „Ohnehin" wird „bei uns die Philosophie nicht wie etwa bei den Griechen als eine private Kunst exercirt", „sondern, sie" hat „eine öffentliche, das Publicum berührende Existenz, vornehmlich oder allein im Staatsd/ensie." Also auch die Philoso- 15 phie „wesentlich" von der Regierungskasse abhängig. Sein Vermögen ist unabhängig „von der Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns und der Veränderlichkeit des Besitzes überhaupt". In dieser Hinsicht steht ihm der „Stand des Gewerbes" „als der vom Bedürf niß abhängige und darauf hingewiesene" gegenüber. 20 Dieß Vermögen ist so „wie von der Gunst der Regierungsgewalt, so von der Gunst der Menge" unabhängig. Er ist endlich „selbst gegen die eigene Willkühr dadurch festgestellt, daß die für diese Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes, des Rechts der andern Bürger, Theils über ihr ganzes Eigenthum frei zu disponiren, 25 Theils es nach der Gleichheit der Liebe zu den Kindern, an sie übergehend zu wissen, entbehren". Die Gegensätze haben hier eine ganz neue und sehr materielle Gestalt angenommen, wie wir sie in dem Himmel des politischen Staates kaum erwarten durften. 30 Der Gegensatz, wie ihn Hegel entwickelt, ist in seiner Schärfe aus gesprochen der Gegensatz von Privateigenthum und Vermögen. 35 Der Grundbesitz ist das Privateigenthum κατ' εξοχήν, das eigentliche Privateigenthum. Seine exakte frivamatur tritt hervor 1) als „Unabhängig keit vom Staatsvermögen", der „Gunst der Regierungsgewalt", dem Eigen- thum, wie es als „allgemeines Eigenthum des politischen Staats" existirt, ein nach der Construction des politischen Staates besonderes Vermögen neben anderen Vermögen; 2) als „Unabhängigkeit vom Bedürf niß" der Societät, oder dem „socialen Vermögen", der „Gunst der Menge". (Ebenso bezeich nend ist, daß der Antheil am Staatsvermögen als „Gunst der Regierungs- 40 gewalt", wie der Antheil am socialen Vermögen als „Gunst der Menge" gefaßt wird.) Das Vermögen des „allgemeinen Standes" und des „Gewer- 107 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie bestandes" ist kein eigentliches Privateigenthum, ||[118]| weil es dort dtekt, hier indirekt durch den Zusammenhang mit dem allgemeinen Vermögen oder dem Eigenthum als socialem Eigenthum bedingt ist, eine Participation an demselben ist, darum allerdings auf beiden Seiten durch „Gunst" d.h. durch den „Zufall des Willens" vermittelt ist. Dem gegenüber steht der Grundbesitz als das souveraine Privateigenthum, das noch nicht die Gestalt des Vermögens, d. h. eines durch den socialen Willen gesezten Eigenthums erreicht hat. Die politische Verfassung in ihrer höchsten Spitze ist also die Verfassung des Privateigenthums. Die höchste politische Gesinnung ist die Gesinnung des Privateigenthums. Das Majorat ist blos die äussere Erscheinung von der innem Natur des Grundbesitzes. Dadurch, daß er unveräusserlich ist, sind ihm die socialen Nerven abgeschnitten und seine Isolirung von der bürger lichen Gesellschaft gesichert. Dadurch, daß er nicht nach der „Gleichheit der Liebe zu den Kindern" übergeht, ist er sogar von der kleinern Societät, der natürlichen Societät, der Familie, ihrem Willen und ihren Gesetzen losgesagt, unabhängig, bewahrt also die schroffe Natur des Privateigenthums auch vor dem Uebergang in das Familienvermögen. Hegel hatte § 305 den Stand des Grundbesitzes fähig erklärt zu der 5 10 15 „politischen Beziehung" constituirt zu werden, weil das „Familienleben" 20 seine „Basis" sei. Er hat aber selbst die „Liebe" für die Basis, für das Princip, für den Geist des Familienlebens erklärt. In dem Stand, der das Familien leben zu seiner Basis hat, fehlt also die Basis des Familienlebens, die Liebe als das wirkliche, also wirksame und determinirende Princip. Es ist das geistlose Familienleben, die Illusion des Familienlebens. In seiner höchsten Entwicklung widerspricht das Princip des Privateigenthums dem Princip der Familie. Es kömmt also im Gegensatz zum Stand der natürlichen Sittlichkeit, des Familienlebens, vielmehr erst in der bürgerlichen Gesellschaft das Familienleben, zum Leben der Familie, zum Leben der Liebe. Jener ist vielmehr die Barbarei des Privateigenthums gegen das Familienleben. 25 30 Das wäre also die souveraine Herrlichkeit des Privateigenthums, des Grundbesitzes, worüber in neueren Zeiten so viele Sentimentalitäten statt gehabt haben und so viele buntfarbige Krokodilsthränen vergossen worden sind. Es nüzt H. nichts zu sagen, daß das Majorai blos eine Forderung der Politik 35 sei und in seiner politischen Stellung und Bedeutung gefaßt werden müsse. Es nüzt ihm nichts zu sagen: „Die Sicherheit und Festigkeit dieses Standes kann noch durch die Institution des Majorats vermehrt werden, welche jedoch nur in politischer Rücksicht wünschenswerth ist, denn es ist damit ein Opfer für den politischen Zweck verbunden, daß der Erstgeborene unabhängig leben könne." \ 40 108 Γ I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt |[119]| Es ist bei Hegel eine gewisse Decenz, der Anstand des Verstandes. Er will nicht das Majorat an und für sich, er will es nur in Bezug auf ein andres, nicht als Selbstbestimmung, sondern als Bestimmtheit eines andern, nicht als Zweck, sondern als Mittel zu einem Zweck rechtfertigen und construiren. In Wahrheit ist das Majorat eine Consequenz des exakten Grundbesitzes, das versteinerte Privateigenthum, das Privateigenthum (quand même) in der höchsten Selbstständigkeit und Schärfe seiner Ent wicklung und was Hegel als den Zweck, als das Bestimmende, als die prima causa des Majorats darstellt, ist vielmehr ein Effect desselben, eine Con sequenz, die Macht des abstrakten Privateigenthums über den poetischen Staat, während Hegel das Majorat als die Macht des politischen Staates über das Privateigenthum darstellt. Er macht die Ursache zur Wirkung und die Wirkung zur Ursache, das Bestimmende zum Bestimmten und das Be stimmte zum Bestimmenden. Allein was ist der Inhalt der politischen Constituirung, des politischen Zwecks, was ist der Zweck dieses Zwecks? Was seine Substanz? Das Majorat, der Superlativ des Privateigenthums, das souveraine Privat eigenthum. Welche Macht übt der politische Staat über das Privateigenthum im Majorat aus? Daß er es isolirt von der Familie und der Societät, daß er es zu seiner abstrakten Verselbstständigung bringt. Welches ist also die Macht des politischen Staates über das Privateigenthum? Die eigne Macht des Privateigenthums, sein zur Existenz gebrachtes Wesen. Was bleibt dem politischen Staat im Gegensatz zu diesem Wesen übrig? Die Illusion, daß er bestimmt, wo er bestimmt wird. Er bricht allerdings den Willen der Familie und der Societät, aber nur um dem Willen des Familien und Societätlosen Privateigenthums Dasein zu geben und dieses Dasein als das höchste Dasein des politischen Staates, als das höchste sittliche Dasein anzuerkennen. Betrachten wir die verschiedenen Elemente, wie sie sich hier in der ge setzgebenden Gewalt, dem totalen, dem zur Wirklichkeit und zur Con- sequenz, zum Bewußtsein gekommenen Staat, dem wtklichen politischen Staat verhalten mit der ideellen oder sein-sollenden, mit der logischen Bestimmung und Gestalt dieser Elemente. (Das Majorat ist nicht, wie Hegel sagt „eine Fessel, die der Freiheit des Privatrechts angelegt ist", es ist vielmehr die „Freiheit des Privatrechts, die sich von allen socialen und sittlichen Fesseln befreit hat".) („Die höchste politische Construction ist hier die Construction des abstrakten Privat eigenthums.") ι 5 io 15 20 25 30 35 |[120]| Ehe wir diese Vergleichung anstellen, ist noch ein näherer Blick auf eine Bestimmung des § zu werfen, nämlich darauf, daß durch das Majorat 40 das Vermögen des Bauernstandes, der Grundbesitz, das Privateigenthum „selbst gegen die eigene Willkühr dadurch festgestellt ist, daß die für diese 109 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Bestimmung berufenen Mitglieder dieses Standes, des Rechts der andern Bürger, über ihr ganzes Eigenthum frei zu disponiren, entbehren". Wir haben schon hervorgehoben, wie durch die „Unveräusserlichkeit" des Grundbesitzes die socialen Nerven des Privateigenthums abgeschnitten werden. Das Privateigenthum (der Grundbesitz) ist gegen die eigne Willkühr des Besitzers dadurch festgestellt, daß die Sphäre seiner Willkühr aus einer allgemein menschlichen zur spezifischen Willkühr des Privateigenthums umgeschlagen, das Privateigenthum zum Subjekt des Willens geworden ist; der Wille blos mehr das Prädikat des Privateigenthums ist. Das Privat eigenthum ist nicht mehr ein bestimmtes Objekt der Willkühr; sondern die Willkühr ist das bestimmte Prädicat des Privateigenthums. Doch vergleichen wir, was H. selbst innerhalb der Sphäre des Privatrechts sagt: 5 10 § 65. „Meines Eigenthums kann ich mich entäussern, da es das meinige nur ist, insofern ich meinen Willen darin lege, aber nur insofern die Sache ihrer Natur nach ein Aüsserliches ist." 15 § 66. „Unveräusserlich sind daher diejenigen Güter, oder vielmehr sub stantiellen Bestimmungen, so wie das Recht an sie unverjährbar, welche meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseins ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willens freiheit, Sittlichkeit, Religion." 20 Im Majorat wird also der Grundbesitz, das exakte Privateigenthum, ein unveräusserliches Gut, also eine substantielle Bestimmung, welche die „eigenste Person, das allgemeine Wesen des Selbstbewußtseins" des Ma joratsherrlichen Standes ausmachen, seine „Persönlichkeit überhaupt, seine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion". Es ist daher auch con- 25 sequent, daß wo das Privateigenthum, der Grundbesitz, unveräusserlich, dagegen die „allgemeine Willensfreiheit" (wozu auch die freie Disposition über ein Aüsserliches, wie der Grundbesitz ist, gehört) und die Sittlichkeit (wozu die Liebe, als der wirkliche, auch als das wirkliche Gesetz der Familie sich ausweisende Geist gehört) veräusserlich sind. Die „Unveräusserlich- 30 keit" des Privateigenthums ist in einem die „Veräusserlichkeit" der all gemeinen Willensfreiheit und Sittlichkeit. Das Eigenthum ist hier nicht mehr, in sofern „ich meinen Willen darin lege", sondern mein Wille ist „insofern er im Eigenthum liegt". Mein Wille besizt hier nicht, sondern ist besessen. | |XXXII.[121]| Das ist eben der romantische Kitzel der Majoratsherrlich- 35 keit, daß hier das Privateigenthum, also die Privatwillkühr, in ihrer ab straktesten Gestalt, daß der ganz bornirte, unsittliche, rohe Wille als die höchste Synthese des politischen Staates, als die höchste Entäusserung der Willkühr, als der härteste, aufopferndste Kampf mit der menschlichen Schwäche erscheint, denn als menschliche Schwäche erscheint hier die Humanisirung, die Vermenschlichungdes Privateigenthums. Das Majoratist 40 110 r I. innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt das sich selbst zur Religion gewordene, das in sich selbst versunkne, von seiner Selbstständigkeit und Herrlichkeit entzückte Privateigenthum. Wie das Majorat der direkten Veräusserung, so ist es auch dem Vertrage ent nommen. Hegel stellt den Uebergang vom Eigenthum zum Vertrage f ol- 5 gendermassen dar: 10 § 71. „Das Dasein ist als bestimmtes Sein wesentlich Sein für anderes; das Eigenthum, nach der Seite, daß es ein Dasein als äusserliche Sache ist, ist für andere Aüsserlichkeitenund im Zusammenhange dieser Nothwendigkeit und Zufälligkeit. Aber als Dasein des Willens ist es als für anderes nur für den Willen einer andern Person. Diese Beziehung von Willen auf Willen ist der eigentümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freiheit Dasein hat. Diese Vermittelung, Eigenthum nicht mehr nur vermittelst einer Sache und meines subjektiven Willens zu haben, sondern ebenso vermittelst eines andern Willens, und hiermit in einem gemeinsamen Willen zu haben, macht 15 die Sphäre des Vertrags aus." (Im Majorat ist es zum Staatsgesetz gemacht, das Eigenthum nicht in einem gemeinsamen Willen, sondern nur „vermittelst einer Sache und meines subjektiven Willens zu haben".) Während Hegel hier im Privatrecht die Veräusserlichkeitund die Abhängigkeit des Privateigenthums von einem gemeinsamen Willen als seinen wahren Idealismus auffaßt, wird umgekehrt im Staatsrecht die imaginaire Herrlichkeit eines unabhängigen Eigenthums im Gegensatz zu der „Unsicherheit des Gewerbes, der Sucht des Gewinns, der Veränderlichkeit des Besitzes, der Abhängigkeit vom Staatsvermögen" gepriesen. Welch ein Staat, der nicht einmal den Idealismus des Privatrechts ertragen kann? Welch eine Rechtsphilosophie, wo die Selbstständigkeit des Privateigenthums eine andere Bedeutung im Privatrecht als im Staatsrecht hat? Gegen die rohe Stupidität des unabhängigen Privateigenthums ist die Unsicherheit des Gewerbes elegisch, die Sucht des Gewinns pathetisch, (dramatisch), die Veränderlichkeit des Besitzes ein ernstes Fatum, (tragisch), die Abhängigkeit vom Staatsvermögen sittlich. Kurz in allen diesen Quali täten schlägt das menschliche Herz durch das Eigenthum durch, es ist Abhängigkeit des Menschen vom Menschen. Wie sie immerhin an und für sich beschaffen sei, ||[122]| sie ist menschlich gegenüber dem Sklaven, der sich frei dünkt, weü die Sphäre, die ihn beschränkt, nicht die Societät, son dern die Scholle ist; die Freiheit dieses Wülens ist seine Leerheit von anderem Inhalt, als dem des Privateigenthums. 20 25 30 35 Solche Mißgeburten, wie das Majorat als eine Bestimmung des Privat eigenthums durch den poütischen Staat zu definiren, ist überhaupt un- 40 umgänglich, wenn man eine alte Weltanschauung im Sinn einer neuen inter- pretirt, wenn man einer Sache, wie hier dem Privateigenthum, eine doppelte 111 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Bedeutung, eine andere im Gerichtshof des abstrakten Rechts, eine ent- gegengesezte im Himmel des politischen Staats giebt. Wir kommen nun zu der oben angedeuteten Vergleichung. §257 heißt es: „Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee, der sittliche Geist als der offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille . .. An der Sitte hat er seine unmittelbare, und an dem Selbstbewußtsein des Einzelnen... seine vermittelte Existenz, so wie dieses durch die Gesinnung in ihm, als seinem Wesen, Zweck und Produkte seiner Thätigkeit, seine substantielle Freiheit hat." § 268 heißt es: „Die politische Gesinnung, der Patriotism us überhaupt, als die in Wahrheit stehende Gewißheit und das zur Gewohnheit gewordene Wollen ist nur Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchen die Ver nünftigkeit wirkäch vorhanden ist, so wie sie durch das ihnen gemässe Handeln ihre Betätigung erhält. — Diese Gesinnung ist überhaupt das Zutrauen (das zu mehr oder weniger gebildeter Einsicht übergehen kann,) — das Bewußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse, im Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staats) als im Verhältniß zu mir als Einzelnen bewahrt und enthalten ist,—womit eben dieser unmittelbar kein Anderer für mich ist und Ich in diesem Bewußtsein frei bin." 5 10 15 20 25 Die Wirklichkeit der sittlichen Idee erscheint hier als die Religion des Privateigenthums. (Weil sich im Majorat das Privateigenthum zu sich selbst auf religiöse Weise verhält, so kommt es daß in unsren modernen Zeiten, die Religion überhaupt zu einer dem Grundbesitz inhärenten Qualität ge- worden ist und alle Majoratsherrlichen Schriften voll religiöser Salbung sind. Die Religion ist die höchste Denkform dieser Brutalität.) Der „offenbare, sich selbst deutliche, substantielle Wille" verwandelt sich in einen dunklen, an der Scholle gebrochnen Willen, da eben von der Undurchdringlichkeit des Elements, an dem er haftet, berauscht ist. „Die in Wahrheit stehende Ge- 30 wißheit", welche die „politische Gesinnung ist", ist die auf „eignem Boden" (im wörtlichen Sinne) stehende Gewißheit. Das zur „Gewohnheit geword ne" politische „Wollen" ist nicht mehr „nur Resultat etc.", sondern einer ausser dem Staat bestehenden Institution. Die politische Gesinnung ist nicht mehr das „Zutrauen", ||[123]| sondern vielmehr das „Vertrauen, das Be- 35 wußtsein, daß mein substantielles und besonderes Interesse unabhängig vom Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staats) im Verhältniß zu mir als Einzelnem" ist. Das ist das Bewußtsein meiner Freiheit vom Staate. Die „Festhaltung des allgemeinen Staatsinteresses etc." war (§ 289) die Aufgabe der „Regierungsgewalt". In ihr residirte „die gebildete Intelligenz 40 112 Γ I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 und das rechtliche Bewußtsein der Masse eines Volkes". (§ 297.) Sie machte eigentlich die Stände überflüssig, denn sie ,Jcönnen ohne Stände das Beste thun, wie sie auch fortwährend bei den ständischen Versammlungen das Beste thun müssen". (§ 301. Anmerk.) Der „allgemeine, näher dem Dienst der Regierung sich widmende Stand hat unmittelbar zu seiner Bestimmung, das Allgemeine zum Zwecke seiner wesentlichen Thätigkeit zu haben". Und wie erscheint der allgemeine Stand, die Regierungsgewalt jezt? „Als vom Staat wesentlich abhängig", als das „Vermögen, abhängig von der Gunst der Regierungsgewalt". Dieselbe Umwandlung ist mit der bürgerlichen Ge- 10 Seilschaft vorgegangen, die früher in der Korporation ihre Sittlichkeit er reicht hat. Sie ist ein Vermögen, abhängig „von der Unsicherheit des Ge werbes etc" von „der Gunst der Menge". Welches ist also die angeblich spezifische Qualität des Majoratsherrn? Und worin kann überhaupt die sittliche Qualität eines unveräusserlichen 15 Vermögens bestehn? In der Unbestechlichkeit. Die Unbestechlichkeit er scheint als die höchste politische Tugend, eine abstrakte Tugend. Dabei ist die Unbestechlichkeit in dem vom H. construirten Staat etwas so apartes, daß sie als eine besondere politische Gewalt construirt werden muß, also eben dadurch beweist, daß sie nicht der Geist des politischen Staates, nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist und als solche Ausnahme ist sie con struirt. Man besticht die Majoratsherrn durch ihr unabhängiges Eigenthum, um sie vor der Bestechlichkeit zu conserviren. 20 25 Während nach der Idee die Abhängigkeit vom Staat und das Gefühl dieser Abhängigkeit die höchste politische Freiheit sein sollte, weil sie die Emp- findung der Privatperson als einer abstrakten, abhängigen Person ist und diese vielmehr sich erst als Staatsbürger unabhängig fühlt und fühlen soll, wird hier die unabhängige Privatperson construirt. „Ihr Vermögen ist un abhängig vom Staatsvermögen, als von der Unsicherheit des Gewerbes etc." Ihr steht gegenüber „der Stand des Gewerbes, als der vom Bedürfniß ab- 30 hängige und darauf hingewiesene und der allgemeine Stand, als vom Staat wesentlich abhängig". Hier ist also Unabhängigkeit vom Staat und der bürgerlichen Gesellschaft und diese verwirklichte Abstraktion von beiden, die realiter die rohste Abhängigkeit von der Scholle ist, büdet in der gesetz gebenden Gewalt die Vermittlung und die Einheit beider. Das unabhängige 35 Privatvermögen, d.h. das abstrakte Privatvermögen und die ihm ent sprechende Privatperson sind die höchste ||[124]| Construction des poli tischen Staates. Die politische „Unabhängigkeit" ist construirt als das „Unabhängige Privateigenthum" und die „Person dieses unabhängigen Privateigenthums". Wir werden im nächsten § sehn, wie es mit der „Un- 40 abhängigkeit" und „Unbestechlichkeit" und der daraus hervorgehenden Staatsgesinnung re vera steht. 113 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Daß das Majorat Erbgut ist, spricht von selbst. Das nähere hierüber spä ter. Daß es, wie H. im Zusatz bemerkt, der Erstgeborne ist, ist rein histo risch. § 307. „Das Recht dieses Theils des substantiellen Standes ist auf diese Weise zwar einerseits auf das Naturprincip der Familie gegründet, dieses aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen Zweck ver kehrt, womit dieser Stand wesentlich an die Thätigkeit für diesen Zweck angewiesen, und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und berechtigt ist." 5 10 Inwiefern das Recht dieses substantiellen Standes auf das Naturprincip der Familie gegründet ist, hat Hegel nicht entwickelt, es sei denn, er verstehe hierunter, daß der Grundbesitz als Erbgut existirt. Damit ist kein Recht dieses Standes im politischen Sinne entwickelt, sondern nur das Recht der Ma joratsherrn auf den Grundbesitz per Geburt. „Dieses" das Naturprincip der Familie ist „aber zugleich durch harte Aufopferungen für den politischen 15 Zweck verkehrt". Wir haben allerdings gesehn, wie hier „das Naturprincip der Familie verkehrt" wird; wie dieß aber „keine harte Aufopferung für den politischen Zweck", sondern nur die verwtklichte Abstraktion des Privat eigenthums ist. Vielmehr wird durch diese Verkehrung des Naturprinzipes der Familie ebenso der politische Zweck verkehrt, „womit (?) dieser Stand wesentlich an die Thätigkeit für diesen Zweck angewiesen". Durch die Verselbstständigung des Privateigenthums? „und gleichfalls in Folge hiervon ohne die Zufälligkeit einer Wahl durch die Geburt dazu berufen und be rechtigt". 20 25 Hier ist also die Participation an der gesetzgebenden Gewalt ein an- gebornes Menschenrecht. Hier haben wir geborene Gesetzgeber, die ge borene Vermittlung des politischen Staates mit sich selbst. Man hat sich, besonders von Seiten der Majoratsherrn, sehr moquirt über die angebornen Menschenrechte. Ist es nicht komischer, daß einer besondern Menschenraçe das Recht der höchsten Würde der gesetzgebenden Gewalt anvertraut ist? 30 Nichts ist lächerlicher als daß Hegel die Berufung zum Gesetzgeber, zum Repräsentant des Staatsbürgerthums durch die „Geburt" der Berufung durch „die Zufälligkeit einer Wahl" entgegenstellt. Als wenn die Wahl, das bewußte Product des bürgerlichen Vertrauens nicht in einem ganz andern nothwen- digen Zusammenhang mit dem politischen Zweck stände, als der physische 35 Zufall der Geburt. Hegel sinkt überall von seinem politischen Spiritualismus in den krassesten Materialismus herab. Auf den Spitzen des politischen Staates ist es überall die Geburt, welche bestimmte Individuen zu Incor- porationen der höchsten Staatsauf gaben ||XXXIII.[125]| macht. Die höchsten Staatsthätigkeiten fallen mit den Individuen durch die Geburt zusammen, wie 40 die Stelle des Thiers, sein Charakter, Lebensweise etc. unmittelbar ihm 114 F I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt angeboren wird. Der Staat in seinen höchsten Funktionen erhält eine thie rische Wirklichkeit. Die Natur rächt sich an Hegel wegen der ihr bewiesenen Verachtung. Wenn die Materie nichts für sich mehr sein sollte gegen den menschlichen 5 Willen, so behält hier der menschliche Wille nichts mehr für sich ausser der Materie. 10 15 Die falsche Identität, die fragmentarische, stellenweise Identität zwischen Natur und Geist, Körper und Seele erscheint als Incorporation. Da die Geburt dem Menschen nur das individuelle Dasein giebt und ihn zunächst nur als natürliches Individuum sezt, die staatlichen Bestimmungen, wie die gesetz gebende Gewalt etc. aber sociale Produkte, Geburten der Societät und nicht Zeugungen des natürlichen Individuums sind, so ist eben die unmittelbare Identität, das unvermittelte Zusammenfallen zwischen der Geburt des In dividuums und dem Individuum als Individuation einer bestimmten socialen Stellung, Funktion etc das Frappante, das Wunder. Die Natur macht in diesem System unmittelbar Könige, sie macht unmittelbar Pairs etc, wie sie Augen und Nasen macht. Das Frappante ist als unmittelbares Product der physischen Gattung zu sehn, was nur das Produkt der selbstbewußten Gattung ist. Mensch bin ich durch die Geburt ohne die Uebereinstimmung 20 der Gesellschaft, Pair oder König wird diese bestimmte Geburt erst durch die allgemeine Uebereinstimmung. Die Uebereinstimmung macht die Geburt dieses Menschen erst zur Geburt eines Königs; also ist es die Uebereinstim mung und nicht die Geburt, die den König macht. Wenn die Geburt, im Unterschied von den andern Bestimmungen, dem Menschen unmittelbar 25 eine Stellung giebt, so macht ihn sein Körper zu diesem bestimm ten socialen Funktionair. Sein Körper ist sein sociales Recht. In diesem System erscheint die körperliche Würde des Menschen oder die Würde des menschlichen Körpers (was weiter ausgeführt lauten kann: Die Würde des physischen Naturelements des Staats) so, daß bestimmte und zwar die höchsten socialen 30 Würden die Würden bestimmter, durch die Geburt prädestinirter Körper sind. Es ist daher bei dem Adel natürlich der Stolz auf das Blut, die Ab stammung, kurz die Lebensgeschichte ihres Körpers; es ist natürlich diese zoologische Anschauungsweise, die in der Heraldik die ihr entsprechende Wissenschaft besizt. Das Geheimniß des Adels ist die Zoologie. | 35 |[126]| Es sind zwei Momente bei dem erblichen Majorat hervorzuheben: 1) Das Bleibende ist das Erbgut, der Grundbesitz. Es ist das Beharrende in dem Verhältniß, die Substanz. Der Majoratsherr, der Besitzer ist eigenüich nur Accidenz. Der Grundbesitz anthropomorphisirt sich in den verschiede nen Geschlechtern. Der Grundbesitz erbt gleichsam immer den Erstgebornen 40 des Hauses als das an es gefesselte Attribut. Jeder Erstgeborne in der Reihe der Grundbesitzer ist das Erbtheil, das Eigenthum des unveräusserlichen 115 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Grundbesitzes, die prädestinirte Substanz seines Willens und seiner Thätig keit. Das Subjekt ist die Sache und das Prädicat der Mensch. Der Wille wird zum Eigenthum des Eigenthums. 2) Die politische Qualität des Majoratsherrn ist die politische Qualität seines Erbguts, eine diesem Erbgut inhärente politische Qualität. Die poli- tische Qualität erscheint hier also ebenfalls als Eigenthum des Grund eigenthums, als eine Qualität, die unmittelbar der rein physischen Erde (Natur) zukommt. Was das erste angeht, so folgt daraus, daß der Majoratsherr der Leibeigene des Grundeigenthums ist und daß in den Leibeigenen, die ihm unterthan sind, nur die praktische Consequenz des theoretischen Verhältnisses erscheint, in welchem er selbst sich zu dem Grundbesitz befindet. Die Tiefe der germanischen Subjektivität erscheint überall als die Rohheit einer Geistlosen Objektivität. 5 10 Es ist hier auseinanderzusetzen das Verhältniß 1) zwischen Privat- 15 eigenthum und Erbschaft, 2) zwischen Privateigenthum, Erbschaft und dadurch dem Privilegium gewisser Geschlechter auf Theilnahme an der politischen Souverainetät; 3) das wirkliche historische Verhältniß oder das germanische Verhältniß. Wir haben gesehn, daß das Majorat die Abstraktion des „unabhängigen 20 Privateigenthums" ist. Es schließt sich eine zweite Consequenz hieran an. Die Unabhängigkeit, die Selbstständigkeit in dem politischen Staat, dessen Construction wir bisher verfolgt haben, ist das Privateigenthum, was auf seiner Spitze als unveräusserlicher Grundbesitzerscbeint. Die politische Un abhängigkeit fließt daher nicht ex proprio sinu des politischen Staats, sie 25 ist keine Gabe des politischen Staats an seine Glieder, sie ist nicht der ihn beseelende Geist, sondern die Glieder des politischen Staats empfangen ihre Unabhängigkeit von einem Wesen, welches nicht das Wesen des politischen Staats ist, von einem Wesen des abstrakten Privatrechts, vom abstrakten Privateigenthum. Die politische Unabhängigkeit ist ein Accidenz des Privat- eigenthums, nicht die Substanz des politischen Staats. Der politische Staat und in ihm die gesetzgebende Gewalt, wie wir gesehn, ist das enthüllte Mysterium von dem wahren Werth und Wesen der Staatsmomente. Die Bedeutung, die das Privateigenthum im politischen ||[127]| Staat hat ist seine wesentliche, seine wahre Bedeutung; die Bedeutung, die der Standesunter- schied im politischen Staat hat, ist die wesentliche Bedeutung des Standes unterschiedes. Ebenso kommt das Wesen der fürstlichen Macht und der Regierung in der „gesetzgebenden Gewalt" zur Erscheinung. Hier, in der Sphäre des politischen Staates, ist es, daß sich die einzelnen Staatsmomente zu sich als dem Wiesen der Gattung, als dem „Gattungswesen" verhalten; weil der politische Staat die Sphäre ihrer allgemeinen Bestimmung, ihre 30 40 35 116 r I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 religiöse Sphäre ist. Der politische Staat ist der Spiegelder Wahrheit für die verschiedenen Momente des konkreten Staats. Wenn also das „unabhängige Privateigenthum" im politischen Staat, in der gesetzgebenden Gewalt die Bedeutung der politischen Unabhängigkeit hat, so ist es die politische Unabhängigkeit des Staats. Das „unabhängige Privat eigenthum" oder das „wtkliche Privateigenthum" ist dann nicht nur die „Stütze der Verfassung", sondern „die Verfassung selbst". Und die Stütze der Verfassung ist doch wohl die Verfassung der Verfassungen, die primäre, die wirkliche Verfassung! 10 Hegel machte bei Construirung des erblichen Monarchen, gleichsam selbst überrascht über „die immanente Entwicklung einer Wissenschaft, die Ab leitung ihres ganzen Inhaltes aus dem einfachen Begriffe" (§ 279. Anmerk.) die Bemerkung: 15 20 25 „So ist es das Grundmoment der zuerst im unmittelbaren Rechte ab- strakten Persönlichkeit, welches sich durch seine verschiedenen Formen von Subjektivität fortgebildet hat, und hier im absoluten Rechte, dem Staat, der vollkommen konkreten Objektivität des Willens, die Persönlichkeit des Staats ist, seine Gewißheit seiner selbst." D. h. im politischen Staat kommt es zur Erscheinung, daß die „abstrakte Persönlichkeit" die höchste politische Persönlichkeit, die politische Basis des ganzen Staats ist. Ebenso kommt im Majorat das Recht dieser abstrakten Persönlichkeit, ihre Objektivität, das „abstrakte Privateigenthum" als die höchste Objektivität des Staates, als sein höchstes Recht zum Dasein. Der Staat ist erblicher Monarch, abstrakte Persönlichkeit heißt nichts als die Persönlichkeit des Staats ist abstrakt oder es ist der Staat der abstrakten Persönlichkeit, wie denn auch die Römer das Recht des Monarchen rein innerhalb der Normen des Privatrechts oder das Privatrecht als die höchste Norm des Staatsrechts entwickelt haben. Die Römer sind die Rationalisten, die Germanen die Mystiker des sou- 30 veranen Privateigenthums. | 35 |[128]| Hegel bezeichnet das Privatrecht als das J?ecnr der abstrakten Persönlichkeit oder als das abstrakte Recht. Und in Wahrheit muß es als die Abstraktion des Rechts und damit als das illusorische Recht der abstrakten Persönlichkeit entwickelt werden, wie die von Hegel entwickelte Moral das illusorische Dasein der abstrakten Subjectivität ist. Hegel entwickelt das Privatrecht und die Moral als solche Abstraktionen, woraus bei ihm nicht folgt, daß der Staat, die Sittlichkeit, die sie zu Voraussetzungen hat, nichts als die Societät (das sociale Leben) dieser Illusionen sein kann, sondern umgekehrt geschlossen wird, daß sie subalterne Momente dieses sittlichen 40 Lebens sind. Aber was ist das Privatrecht anders als das Recht und die Moral anders als die Moral dieser Staatssubjekte? Oder vielmehr die Person des 117 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Privatrechts und das Subject der Moral sind die Person und das Subject des Staats. Man hat Hegel vielfach angegriffen über seine Entwicklung der Moral. Er hat nichts gethan als die Moral des modernen Staats und des modernen Privatrechts entwickelt. Man hat die Moral mehr vom Staat trennen, sie mehr emancipiren wollen! Was hat man damit bewiesen? Daß die Trennung des jetzigen Staates von der Moral moralisch ist, daß die Moral unstaatlich und der Staat unmoralisch ist. Es ist vielmehr ein grosses, ob gleich nach einer Seite hin (nämlich nach der Seite hin, daß Hegel den Staat, der eine solche Moral zur Voraussetzung hat, für die Reale Idee der Sittlich keit ausgiebt) unbewußtes Verdienst Hegels, der modernen Moral ihre wahre 10 Stellung angewiesen zu haben. 5 In der Verfassung, worin das Majorat eine Garantie ist, ist das Privat eigenthum die Garantie der politischen Verfassung. Im Majorat erscheint das so, daß eine besondre Art von Privateigenthum diese Garantie ist. Das Majorat ist blos eine besondre Existenz des allgemeinen Verhältnisses von Privateigenthum und politischem Staat. Das Majorat ist der politische Sinn des Privateigenthums, das Privateigenthum in seiner politischen Bedeutung, d. h. in seiner allgemeinen Bedeutung. Die Verfassung ist also hier Verfas sung des Privateigenthums. Wo wir das Majorat in seiner klassischen Ausbildung antreffen, bei den germanischen Völkern, finden wir auch die Verfassung des Privateigen thums. Das Privateigenthum ist die allgemeine Categorie, das allgemeine Staatsband. Selbst die allgemeinen Funktionen erscheinen als Privateigen thum, bald einer Corporation, bald eines Standes. 15 20 Handel und Gewerbe sind in ihren besondern Nuancen das Privateigen- 25 thum besonderer Corporationen. Hofwürden, Gerichtsbarkeit etc. sind das Privateigenthum besonderer Stände. Die verschiedenen Provinzen sind das Privateigenthum einzelner Fürsten etc. Der Dienst für das Land etc. ist das Privateigenthum des Herrschers. Der Geist ist das Privateigenthum der Geistlichkeit. Meine pflichtge ||XXXIV.[129]| mässe Thätigkeit ist das Privat- 30 eigenthum eines andern, wie mein Recht wieder ein besondres Privat eigenthum ist. Die Souverainetät, hier die Nationalität, ist das Privat eigenthum des Kaisers. Man hat oft gesagt, daß im Mittelalter jede Gestalt des Rechts, der Freiheit, des socialen Daseins als ein Privilegium, als eine Ausnahme von der Regel erscheint. Man konnte das empirische Faktum dabei nicht übersehn, daß diese Privilegien alle in der Form des Privateigenthums erscheinen. Was ist der allgemeine Grund dieses Zusammenfallens? Das Privateigenthum ist das Gattungsdasein des Privilegiums, des Rechts als einer Ausnahme. 35 Wo die Fürsten, wie in Frankreich die Unabhängigkeit des Privateigen- 40 thums angriffen, attentirten sie das Eigenthum der Korporationen, ehe sie 118 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt das Eigenthum der Individuen attentirten. Aber indem sie das Privateigen thum der Korporationen angriffen, griffen sie das Privateigenthum als Kor poration, als das sociale Band an. In der Lehnsherrschaft erscheint es grade zu, daß die fürstliche Macht die Macht des Privateigenthums ist und in der fürstlichen Macht ist das My sterium niedergelegt, was die allgemeine Macht, was die Macht aller Staats kreise ist. (In dem Fürsten als dem Repräsentanten der Staatsmacht ist ausgespro chen, was das Mächtige des Staats ist. Der constitutionelle Fürst drückt daher die Idee des constitutionellen Staates in ihrer schärfsten Abstraktion aus. Er ist einerseits die Idee des Staats, die geheiligte Staatsmajestät und zwar als diese Person. Zugleich ist er eine blose Imagination, er hat als Person und als Fürst weder wirkliche Macht, noch wirkliche Thätigkeit. Es ist hier die Trennung der politischen und wirklichen, der formellen und materiellen, der allgemeinen und individuellen Person, des Menschen und des socialen Menschen, in ihrem höchsten Widerspruch ausgedrückt.) Das Privateigenthum ist römischen Verstandes und germanischen Ge- müths. Es wird an diesem Ort belehrend sein eine Vergleichung zwischen diesen beiden extremen Entwicklungen desselben anzustellen. Es wird uns dieß zur Lösung des besprochnen politischen Problems behülflich sein. | /[132]/ Die Römer haben eigentlich erst das Recht des Privateigenthums, das abstrakte Recht, das Privatrecht, das Recht der abstrakten Person aus gebildet. Das römische Privatrecht ist das Privatrecht in seiner klassischen Ausbildung. Wir finden aber nirgends bei den Römern, daß das Recht des Privateigenthums, wie bei den Deutschen, mystificirt worden wäre. Es wird auch nirgends zum Staatsrecht. Das Recht des Privateigenthums ist das yus utendi et abutendi, das Recht der Willkühr über die Sache. Das Hauptinteresse der Römer besteht darin, die Verhältnisse zu entwickeln und zu bestimmen, welche sich als abstrakte Verhältnisse des Privateigenthums ergeben. Der eigentliche Grund des Privateigenthums, der Besitz, ist ein Faktum, ein unerklärliches Faktum, kein Recht. Erst durch juristische Bestimmungen, die die Societät dem faktischen Besitz giebt, erhält er die Qualität des rechüichen Besitzes, des Privat eigenthums. Was bei den Römern den Zusammenhang zwischen Politischer Verfassung und Privateigenthum betrifft, so erscheint: l ) D er Mensch (als Sklave), wie bei den alten Völkern überhaupt als Gegenstand des Privateigenthums. Das ist nichts spezifisches. 2) Die eroberten Lander werden als Privateigenthum behandelt, das jus utendi et abutendi wird an ihnen geltend gemacht. 119 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 3) In ihrer Geschichte selbst erscheint der Kampf zwischen Armen und Reichen, Patriziern und Plebejern etc. Im Uebrigen macht sich das Privateigenthum im Ganzen, wie bei den alten klassischen Völkern überhaupt, als öffentliches Eigenthum geltend, ent weder, wie in den guten Zeiten, als Aufwand der Republik, oder als Luxu- riöse und allgemeine Wohlthat (Bäder etc) gegen den Haufen. | 5 |XXXV.[133]| Die Art und Weise, wie die Sklaverei erklärt wird, ist das Kriegsrecht, das Recht der Occupation; eben weil ihre politische Existenz vernichtet ist, sind sie Sklaven. Zwei Verhältnisse heben wir hauptsächlich im Unterschied von den 10 Germanen hervor. 1) Die kaiserliche Gewalt war nicht die Gewalt des Privateigenthums, sondern die Souverainetät des empirischen Willens als solchen, die weit entfernt war das Privateigenthum als Band zwischen sich und ihren Unter- thanen zu betrachten, sondern im Gegentheil mit dem Privateigenthum 15 schaltete, wie mit allen übrigen socialen Gütern. Die kaiserliche Gewalt war daher auch nicht anders, als faktisch erblich. Die höchste Ausbildung des Rechts des Privateigenthums, des Privatrechts, fällt zwar in die Kaiserzeit, aber sie ist vielmehr eine Consequenz der politischen Auflösung, als daß die politische Auflösung eine Consequenz des Privateigenthums wäre. Zudem, 20 als das Privatrecht in Rom zur vollen Entwicklung gelangt, ist das Staatsrecht aufgehoben, in seiner Auflösung begriffen, während es in Deutschland sich umgekehrt verhält. 2) Die Staatswürden sind niemals in Rom erblich; d. h. das Privateigen thum ist nicht die herrschende Staatskategorie. 25 3) Im Gegensatz zu dem germanischen Majorat etc., erscheint in Rom die Willkühr des Testirens als Ausfluß des Privateigentums. In diesem lezteren Gegensatz liegt der ganze Unterschied der römischen und germanischen Entwicklung des Privateigenthums. (Im Majorat erscheint dieß, daß das Privateigenthum das Verhältniß zur 30 Staatsfunktion ist so, daß das Staatsdasein eine Inhärenz, Accidenz des unmittelbaren Privateigenthums, des Grundbesitzes ist. Auf den höchsten Spitzen erscheint so der Staat als Privateigenthum, während hier das Privat eigenthum als Staatseigenthum erscheinen sollte. Statt das Privateigenthum zu einer staatsbürgerlichen Qualität, macht Hegel das Staatsbürgerthum und 35 Staatsdasein und Staatsgesinnung zu einer Qualität des Privateigen thums.) ||[134]|| |[135]|| |[136]|| |XXXVI.[137]| § 308. „In den andern Theil des ständischen Elements fällt die bewegliche Seite der bürgerlichen Gesellschaft, die äusserlich wegen der Menge ihrer Glieder, wesentlich aber wegen der Natur ihrer Bestimmung und 40 120 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 Beschäftigung, nur durch Abgeordnete eintreten kann. Insofern diese von der bürgerlichen Gesellschaft abgeordnet werden, liegt es unmittelbar nahe, daß dieß diese thut als das, was sie ist, — somit nifcht als] in die Einzelnen atomistisch aufgelöst und nur für einen einzelnen und temporären Akt, sich auf einen Augenblick ohne weitere Haltung versammelnd, sondern als in ihre ohnehin konstituirten Genossenschaften, Gemeinden und Korporationen gegliedert, welche auf diese Weise einen politischen Zusammenhang er halten. In ihrer Berechtigung zu solcher von der fürstlichen Gewalt auf gerufenen Abordnung, wie in der Berechtigung des ersten Standes zur 10 Erscheinung (§ 307) findet die Existenz der Stände und ihrer Versammlung eine constituirte eigenthümliche Garantie." Wir finden hier einen neuen Gegensatz der bürgerlichen Gesellschaft und der Stände, einen beweglichen, also auch einen unbeweglichen Theil der selben (den der Grundbesitzer). Man hat diesen Gegensatz auch als Gegen- satz von Raum und Zeit etc. conservativ und progressiv dargestellt. Darüber sieh den vorigen §. Uebrigens hat Hegel den beweglichen Theü der Ge sellschaft ebenfalls zu einem stabilen durch die Korporationen etc. ge macht. Der zweite Gegensatz ist, daß der erste, eben entwickelte Theü des stän- dischen Elementes, die Majoratsherrn als solche Gesetzgeber sind; daß die gesetzgebende Gewalt ein Attribut ihrer empirischen Person ist; daß sie keine Abgeordneten, sondern sie selbst sind; während bei dem zweiten Stand Wahl und Abordnung Statt findet. Hegel giebt zwei Gründe an, warum dieser bewegliche Theil der bürger- liehen Gesellschaft nur durch Abgeordnete in den politischen Staat, die gesetzgebende Gewalt eintreten kann. Den ersten, ihre Menge, bezeichnet er selbst als äusserüch und überhebt uns daher dieser Replique. 15 20 25 Der wesentliche Grund aber sei die „Natur ihrer Bestimmung und Be schäftigung". Die „politische Thätigkeit" und „Beschäftigung" ist ein der „Natur ihrer Bestimmung und Beschäftigung" Fremdes. | 30 |[138]| Hegel kömmt nun wieder auf sein altes Lied, auf diese Stände als „Abgeordnete der bürgerüchen Gesellschaft". Diese müsse „dieß thun als das, was sie ist'. Sie muß es vielmehr thun, als das, was sie nicht ist, denn sie ist unpolitische Gesellschaft und sie soll hier einen politischen Akt als einen ihr wesentlichen, aus ihr selbst hervorgehenden Akt vollziehn. Damit ist sie in die „Einzelnen atomistisch aufgelöst" „und nur für einen einzelnen und temporären Akt sich auf einen Augenblick ohne weitere Haltung ver sammelnd". Erstens ist ihr politischer Akt ein Einzelner und Temporärer und kann daher in seiner Verwirklichung nur als solcher erscheinen. Er ist ein Eclat machender Akt der politischen Gesellschaft, eine Extase derselben und als solcher muß er auch erscheinen. Zweitens. Hegel hat keinen Anstoß daran 35 40 121 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie genommen, es sogar als notwendig construirt, daß die bürgerliche Ge sellschaft materiell (nur als eine zweite, von ihr abgeordnete Gesellschaft, auftritt) sich von ihrer bürgerlichen Wirklichkeit trennt und das, was sie nicht ist, als sich sezt, wie kann er dieß nun formell verwerfen wollen? Hegel meint dadurch, daß die Gesellschaft in ihren Corporationen etc. abordnet, erhalten „ihre ohnehin constituirten Genossenschaften e t c— auf diese Weise einen politischen Zusammenhang". Sie erhalten aber entweder eine Bedeutung, die nicht ihre Bedeutung ist, oder ihr Zusammenhang als solcher ist der politische und „erhält" nicht erst die politische Teinture, wie oben entwickelt, sondern die „Politik" erhält aus ihm ihren Zusammen- 10 hang. 5 Dadurch, daß Hegel nur diesen Theil des ständischen Elements als das des „Abgeordneten" bezeichnet, hat er unbewußt das Wesen der beiden Kammern (da, wo sie wirklich das von ihm bezeichnete Verhältniß zuein ander haben) bezeichnet. Abgeordnetenkammer und Pairskammer (oder, wie 15 sie sonst heissen) sind hier nicht verschiedene Existenzen desselben Prin- cips, sondern zwei wesentlich verschiedenen Principien und socialen Zu ständen angehörig. Die Abgeordnetenkammer ist hier die politische Con stitution der bürgerlichen Gesellschaft im modernen, die Pairskammer im ständischen Sinn. Pairskammer und Abgeordnetenkammer stehn sich hier 20 gegenüber als ständische und als politische Repräsentation der bürgerlichen Gesellschaft. Die eine ist das existirende ständische Princip der bürgerlichen Gesellschaft, die andre ist die Verwirklichung ihres abstrakten politischen Daseins. Es versteht sich daher von selbst, daß die leztere nicht wieder als Repräsentation von Ständen, Corporationen etc. ||[139]| dasein kann, denn 25 sie repräsentirt eben nicht das ständische, sondern das politische Dasein der bürgerlichen Gesellschaft. Es versteht sich dann von selbst, daß in der ersten Kammer nur der ständische Theil der bürgerlichen Gesellschaft, der „souveraine Grundbesitz", der Erbgeseßne Adel Sitz hat, denn er ist nicht ein Stand unter andern Ständen, sondern das ständische Princip der bürger- 30 üchen Gesellschaft als wirkliches sociales, also politisches Princip, existirt nur mehr in ihm. Er ist der Stand. Die bürgerliche Gesellschaft hat dann in der ständischen Kammer den Repräsentant ihres mittelaltrigen, in der Abgeordnetenkammer ihres politischen (modernen) Daseins. Der Fortschritt besteht hier gegen das Mittelalter nur darin, daß die ständische Politik 35 zu einer besondern politischen Existenz neben der staatsbürgerlichen Politik herabgesezt ist. Die empirische politische Existenz, die Hegel vor Augen hat, (England) hat also einen ganz anderen Sinn, als er ihr unter schiebt. Die französische Constitution ist auch hierin ein Fortschritt. Sie hat zwar 40 die Pairskammer zur reinen Nichtigkeit herabgesezt, aber diese Kammer, 122 Γ I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt innerhalb des Princips des constitutionellen Königsthums, wie es Hegel zu entwickeln vorgab, kann seiner Natur [nach] nur eine Nichtigkeit sein, die fiktion der Harmonie zwischen Fürst und bürgerlicher Gesellschaft oder der gesetzgebenden Gewalt oder des politischen Staates mit sich selbst als eine besondre und dadurch eben wieder gegensätzliche Existenz. Die Franzosen haben die Lebenslänglichkeit der Pairs bestehn lassen, um ihre gleiche Unabhängigkeit von der Wahl der Regierung und des Volks auszudrücken. Aber sie haben den mittelaltrigen Ausdruck, die Erblichkeit abgeschafft. Ihr Fortschritt besteht darin, daß sie die Pairskammer ebenfalls nicht mehr aus der wkklichen bürgerlichen Gesellschaft hervorgehn lassen, sondern ebenfalls in der Abstraktion von ihr geschaffen haben. Ihre Wahl lassen sie von dem existirenden politischen Staat, vom Fürsten ausgehn, ohne ihn an eine sonstige bürgerliche Qualität gebunden zu haben. Die Pairs- würde ist in dieser Constitution wirklich ein Stand in der bürgerlichen Ge Seilschaft, der rein politisch ist, vom Standpunkt der Abstraktion des poli tischen Staates aus geschaffen ist; er erscheint aber mehr als politische Dekoration, wie als wirklicher, mit besondern Rechten ausgestatteter Stand. Die Pairskammer unter der Restauration war eine Reminiscenz. Die Pairskammer der Julirevolution ist ein wirkliches Geschöpf der consti- tutionellen Monarchie. | 5 10 is 20 25 |[140]| Da in der modernen Zeit die Staatsidee nicht anders als in der Abstraktion des „nur politischen Staates" oder der Abstraktion der bürger lichen Gesellschaft von sich selbst, von ihrem wirklichen Zustand erscheinen konnte, so ist es ein Verdienst der Franzosen, diese abstrakte Wirklichkeit festgehalten, producirt und damit das politische Princip selbst producirt zu haben. Was man ihnen als Abstraktion vorwirft, ist also wahrhafte Con sequenz und das Produkt der, wenn auch erst in einem Gegensatz, aber in einem nothwendigen Gegensatz wiedergefundnen Staatsgesinnung. Das Verdienst der Franzosen ist also hier, die Pairskammer als eigenthümliches 30 Product des politischen Staats gesezt oder überhaupt das politische Princip in seiner Eigentümlichkeit zum Bestimmenden und Wirksamen gemacht zu haben. Hegel bemerkt noch, daß bei der von ihm construirten Abordnung, in der „Berechtigung der Corporationen etc. zu solcher Abordnung" „die Existenz 35 der Stände und ihrer Versammlung eine constituirte, eigenthümliche Ga rantie findet". Die Garantie der Existenz der ständischen Versammlung, ihre wahre primitive Existenz wäre also das Privilegium der Corporationen etc. Hiermit ist Hegel ganz auf den mittelaltrigen Standpunkt herabgesunken und hat seine „Abstraktion des politischen Staats als der Sphäre des Staats als 40 Staats, das an und für sich Allgemeine" gänzlich aufgegeben. Im modernen Sinn ist die Existenz der ständischen Versammlung die 123 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie politische Existenz der bürgerlichen Gesellschaft; die Garantie ihres poli tischen Daseins. Das in Zweifel ziehn ihrer Existenz ist also der Zweifel am Dasein des Staats. Wie vorhin bei Hegel die „Staatsgesinnung", das Wesen der gesetzgebenden Gewalt ihre Garantie in dem „unabhängigen Privat eigenthum", so findet ihre Existenz die Garantie in den „Privilegien der Korporationen". 5 Aber das andre ständische Element ist vielmehr das politische Privilegium der bürgerlichen Gesellschaft, oder ihr Privilegium, politisch zu sein. Es kann also nirgends das Privilegium einer besondern bürgerlichen Weise ihres Daseins sein, noch weniger seine Garantie in ihm finden, da es vielmehr die 10 allgemeine Garantie sein soll. So sinkt Hegel überall dahin hinab, den „politischen Staat" nicht als die höchste an und für sich seiende Wirklichkeit des socialen Daseins zu schildern, sondern ihm eine prekäre, in Beziehung auf andres, abhängige Wirklichkeit zu geben; ihn nicht als das wahre Dasein der andern Sphären 15 zu schildern, sondern ihn vielmehr in den andern Sphären sein wahres Dasein finden zu lassen. Er bedarf überall der Garantie der Sphären, die ausser ihm liegen. Er ist nicht die verwirklichte Macht. Er ist die gestüzte Ohnmacht, er ist nicht die Macht über diese Stützen, sondern die Macht der Stütze. Die Stütze ist das mächtige. | 20 |XXXVH.[141]| Was ist das für ein hohes Dasein, dessen Existenz einer Garantie ausser sich selbst bedarf? und dabei soll es das allgemeine Dasein dieser Garantie selbst sein; also ihre wirkliche Garantie. Hegel sinkt über haupt überall in der Entwicklung der gesetzgebenden Gewalt von dem philosophischen Standpunkt auf den andren Standpunkt zurück, der die Sache nicht in Bezug auf sich selbst betrachtet. 25 Wenn die Existenz der Stände einer Garantie bedarf, so sind sie keine wirkliche, sondern nur eine fiktive Staatsexistenz. Die Garantie für die Existenz der Stände ist in den constitutionellen Staaten das Gesetz. Ihr Dasein ist also gesetzliches Dasein, vom allgemeinen Wesen des Staats und nicht von der Macht oder Ohnmacht einzelner Corporationen, Genossen schaften abhängig, sondern als Wirklichkeit der Genossenschaft des Staats. (Die Corporationen etc. die besondren Kreise der bürgerlichen Gesellschaft sollen ja eben erst hier ihr allgemeines Dasein erhalten und nun anticipirt Hegel wieder dieß allgemeine Dasein als Privilegium, als das Dasein dieser 35 Besonderheiten.) 30 Das politische Recht als Recht von Corporationen etc. widerspricht ganz dem politischen Recht als politischem, als Recht des Staats, des Staats bürgerthums; denn es soll ja eben nicht das Recht dieses Daseins als be sondern Daseins sein, nicht das Recht als dieß besondre Dasein. 40 Ehe wir nun die Categorie der Wahl als des politischen Akts, wodurch sich 124 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt die bürgerliche Gesellschaft in einen politischen Ausschuß secernirt, Über gehn, nehmen wir noch einige Bestimmungen aus der Anmerkung zu diesem § hinzu. „Daß Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die all- 5 gemeinen Angelegenheiten des Staats Antheü haben sollen, weil diese Alle, Mitglieder des Staats und dessen Angelegenheiten die Angelegenheiten Aller sind, bei denen sie mit ihrem Wissen und Wülen zu sein ein Recht haben, — diese Vorstellung, welche das demokratische Element ohne alle vernünf tige Form in den Staatsorganismus, der nur durch solche Form es ist, setzen 10 wollte, liegt darum so nahe, weü sie bei der abstrakten Bestimmung, Mitglied des Staats zu sein, stehen bleibt und das oberflächliche Denken sich an Abstraktionen hält." Zunächst nennt es Hegel eine „abstrakte Bestimmung, Mitglied des Staats zu sein", obgleich es selbst nach der Idee, der Meinung seiner eignen Ent- 15 wicklung die höchste, konfaeteste sociale Bestimmung der Rechtsperson, des Staatsmitgliedes ist. Bei der „Bestimmung, Mitglied des Staats zu sein" stehn bleiben und den Einzelnen in dieser Bestimmung fassen, das scheint daher nicht eben das „oberflächliche Denken zu sein, das sich an Abstrak tionen hält". Daß aber die „Bestimmung, Mitglied des Staates zu sein" eine 20 „abstrakte" Bestimmung ist, das ist nicht die Schuld dieses Denkens, son dern der hegel'schen ||[142]| Entwicklung und des wirklichen modernen Verhältnisses, welche die Trennung des wirklichen Lebens vom Staats leben voraussetzen und die Staatsqualität zu einer „abstrakten Bestim mung" des wirklichen Staatsmitgliedes machen. 25 Die unmittelbare Theünahme Aller an der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Staatsangelegenheiten nimmt nach Hegel „das de mokratische Element ohne alle vernünftige Form in den Staatsorganismus, der nur durch solche Form ist" auf; d.h. das demokratische Element kann nur als formelles Element in einen Staatsorganismus aufgenommen werden, 30 der nur der Formalismus des Staats ist. „Das demokratische Element" muß vielmehr das wirkliche Element sein, das sich in dem ganzen Staatsorganis mus seine vernünftige Form giebt. Tritt es dagegen als ein „besondres" Element in den Staatsorganismus oder Formalismus, so ist unter der „ver nünftigen Form" seines Daseins die Dressur, die Accommodation, eine Form 35 verstanden, in der es nicht die Eigentümlichkeit seines Wesens herauskehrt, oder daß es nur als formelles Princip hereintritt. Wir haben schon einmal angedeutet. Hegel entwickelt nur einen Staats formalismus. Das eigentliche materielle Princip ist ihm die Idee, die abstrakte Gedanken/br/n des Staats als ein Subjekt, die absolute Idee, die kein pas- sives, kein materielles Moment in sich hat. Gegen die Abstraktion dieser Idee erscheinen die Bestimmungen des wirklichen, empirischen Staats- 40 125 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie formalismus als Inhalt und daher der wirkliche Inhalt als formloser, un organischer Stoff. (Hier der wirkliche Mensch, die wirkliche Societät etc.) Hegel hatte das Wesen des ständischen Elements darin gelegt, daß hierin die „empirische Allgemeinheit" zum Subjekt des an und für sich seienden Allgemeinen wird. Heißt das nun was anders, als daß die Angelegenheiten des Staats „Angelegenheiten Aller sind, bei denen sie mit ihrem Wissen und Willen zu sein das Recht haben" und sollen nicht eben die Stände dieß ihr „verwirklichtes Recht" sein? Und ist es nun wunderbar, daß die Allen nun auch die „Wirklichkeit" dieses ihres Rechts wollen? 5 10 „Daß Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die all gemeinen Angelegenheiten des Staats Antheil haben sollen." In einem wirklich vernünftigen Staat könnte man antworten: „Es sollen nicht Alle einzeln an der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Angelegenheiten des Staats Antheil haben", denn die „Einzelnen" haben als 15 „Alle", d.h. innerhalb der Societät und als Glieder der Societät Antheil an der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Angelegenheiten. Nicht Alle einzeln, sondern die Einzelnen als Alle. | |[143]| Hegel stellt sich selbst das Dilemma. Entweder die bürgerliche Gesellschaft (die Vielen, die Menge) nimmt durch Abgeordnete Theil an 20 der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Staatsangelegen ist dieß kein Gegensatz des heiten oder Alle thun dieß Einzeln. Es Wesens, als welchen ihn Hegel später darzustellen sucht, sondern der Existenz und zwar der äusserlichsten Existenz, der Zahl, womit immer der Grund, den Hegel selbst als „äusserlich" bezeichnet hat, die Menge 25 der Glieder der lezte Grund gegen die unmittelbare Theilnahme Aller bleibt. Die Frage, ob die bürgerliche Gesellschaft so Theil an der gesetzgebenden Gewalt nehmen soll, daß sie entweder durch Abgeordnete eintritt oder so, daß „Alle einzeln" unmittelbar Theil nehmen, ist selbst eine Frage innerhalb 30 der Abstraktion des politischen Staats oder innerhalb des abstrakten poli tischen Staates; es ist eine abstrakte politische Frage. Es ist in beiden Fällen, wie Hegel dieß selbst entwickelt hat, die politische Bedeutung der „empirischen Allgemeinheit". Der Gegensatz in seiner eigentlichen Form ist: Die Einzelnen thun es Alle oder die Einzelnen thun es als Wenige, als Nicht Alle. In beiden Fällen bleibt die Allheit nur als die äusserliche Vielheit oder Totalität der Einzelnen. Die Allheit ist keine wesentliche, geistige, wirkliche Qualität des Einzelnen. Die Allheit ist nicht etwas, wodurch er die Bestimmung der abstrakten Einzeln heit verlöre; sondern die Allheit ist nur die volle Zahl der Einzelnheit. Eine Einzelnheit, viele Einzelnheiten, alle Einzelnheiten. Das Eins, Viele, Alle, 35 40 126 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt keine dieser Bestimmungen verwandelt das Wesen des Subjekts, der Ein zelnheit. „Alle" sollen „Einzeln an der Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Angelegenheiten des Staats Antheü nehmen"; d.h. also: Alle sollen nicht als Alle, sondern als „einzeln" diesen Antheü nehmen. 5 Die Frage scheint in doppelter Hinsicht in Widerspruch mit sich zu stehn. Die allgemeinen Angelegenheiten des Staats sind die Staatsangelegenheit, der Staat als wirkliche Angelegenheit. Die Berathung und Beschliessung ist 10 die Effectuirung des Staats als wirklicher Angelegenheit. Daß also alle Staatsgkeder ein Verhältniß zum Staat als ihrer wirklichen Angelegenheit haben, scheint sich von selbst zu verstehn. Schon in dem Begriff Staatsglied liegt, daß sie ein Glied des Staats, ein Theil desselben sind, daß er sie als seinen Theü nimmt. Wenn sie aber ein Antheil des Staats, so ist, wie sich von selbst versteht, ihr sociales Dasein schon ihre wirkliche Theilnahme an demselben. Sie sind nicht nur Antheü des Staats, sondern der Staat ist ihr Antheil. Bewußter Antheil von etwas sein, ist sich mit Bewußtsein einen Theü von ihm nehmen, bewußten Antheü ||[144]| an ihm nehmen. Ohne dieß Bewußtsein wäre das Staatsghed ein Thier. 15 20 Wenn man sagt: „Die aUgemeinen Angelegenheiten des Staats", so wird der Schein hervorgebracht, daß die „aUgemeinen Angelegenheiten" und der „Staat" etwas verschiedenes sind. Aber der Staat ist die „allgemeine An gelegenheit", also realiter die „allgemeinen Angelegenheiten". Theü an den allgemeinen Angelegenheiten des Staats und Theü am Staat 25 nehmen, ist also identisch. Daß also ein Staatsghed, ein Staatstheü Theil am Staat nimmt, und daß dieses Theünehmen nur als Berathung oder Beschlies sung oder in ähnlichen Formen erscheinen kann, daß also jedes Staatsglied an der Berathung und Beschliessung (wenn diese Funktionen als die Funk tionen der wirklichen Theünahme des Staats gefaßt werden) der allgemeinen 30 Angelegenheiten des Staats Theü nimmt, ist eine Tautologie. Wenn also von wirklichen Staatsgüedern die Rede ist, so kann von dieser Theilnahme nicht als einem Sollen die Rede sein. Es wäre sonst vielmehr von solchen Sub jekten die Rede, die Staatsglieder sein sollen und sein wollen, aber es nicht wirklich sind. 35 40 Andrerseits: wenn von bestimmten Angelegenheiten die Rede ist, von einem einzelnen Staatsakt, so versteht es sich wieder von selbst, daß nicht alle einzeln ihn vollbringen. Der Einzelne wäre sonst die wahre Societät und machte die Societät überflüssig. Der Einzelne müßte aUes auf einmal thun, während die Societät, wie ihn für die andern, so auch die andern für ihn thun läßt. Die Frage, ob Alle einzeln an der „Berathung und Beschliessung der 127 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie allgemeinen Angelegenheiten des Staats Theil nehmen sollen" ist eine Frage, welche aus der Trennung des politischen Staats und der bürgerlichen Ge sellschaft hervorgeht. Wir haben gesehn. Der Staat existirt nur als politischer Staat. Die Totalität des politischen Staats ist die gesetzgebende Gewalt. Theil an der gesetz- gebenden Gewalt nehmen ist daher Theil am politischen Staat nehmen, ist sein Dasein als Glied des politischen Staats, als Staatsglied beweisen und verwirklichen. Daß also Alle einzeln Antheil an der gesetzgebenden Gewalt nehmen wollen, ist nichts als der Wille Aller, wirkliche (aktive) Staatsglieder zu sein oder sich ein politisches Dasein zu geben oder ihr Dasein als ein politisches zu beweisen und zu effektuiren. Wir haben ferner gesehn, das ständische Element ist die bürgerliche Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt, ihr politisches Dasein. Daß also die bürgerliche Gesellschaft Mas senweise, wo möglich ganz, in die gesetzgebende Gewalt eindringen, daß sich die wirkliche bürgerliche Gesellschaft der fiktiven bürgerlichen Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt substituiren will, das ist nichts, als das Streben der bürgerlichen Gesellschaft, sich politisches ||XXXVIII.[145]| Dasein zu geben oder das politische Dasein zu ihrem wirklichen Dasein zu machen. Das Streben der bürgerlichen Gesellschaft sich in die politische Gesellschaft zu verwandeln oder die politische Gesellschaft zur wirklichen Gesellschaft zu machen, zeigt sich als das Streben der möglichst allgemeinen Theilnahme an der gesetzgebenden Gewalt. Die Zahl ist hier nicht ohne Bedeutung. Wenn schon die Vermehrung des ständischen Elements eine physische und intellektuelle Vermehrung einer der feindlichen Streitkräfte ist, (und wir haben gesehn, die verschiedenen Elemente der gesetzgebenden Gewalt stehn sich als feindliche Streitkräfte gegenüber —) so ist dagegen die Frage, ob Alle Einzeln Glieder der gesetz gebenden Gewalt sein oder ob sie durch Abgeordnete eintreten sollen, die in Frage Stellung des repräsentativen Princips innerhalb des repräsentativen Princips, innerhalb der Grundvorstellung des politischen Staats, der seine Existenz in der konstitutionellen Monarchie findet. 1) Ist es eine Vorstellung der Abstraktion des politischen Staats, daß die gesetzgebende Gewalt die Totalität des politischen Staates ist. Weil dieser eine Akt der einzige poli tische Akt der bürgerlichen Gesellschaft ist, so sollen und wollen Alle auf einmal an ihm Theil nehmen. 2) Alle als Einzelne. Im ständischen Element ist die gesetzgebende Thätigkeit nicht als sociale, als eine Funktion der Socialität betrachtet, sondern vielmehr als der Akt, wo die Einzelnen erst in wirklich und bewußtsociale Funktion, d. h. in eine politische Funktion treten. Die gesetzgebende Gewalt ist hier kein Ausfluß, keine Funktion der Societät, sondern erst ihre Bildung. Die Bildung zur gesetzgebenden Gewalt erheischt, daß alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als einzelne sich 5 10 15 20 25 30 35 40 128 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt betrachten, sie stehn wirklich als einzeln gegenüber. Die Bestimmung „Mitglieder des Staats zu sein" ist ihre „abstrakte Bestimmung", eine Be stimmung, die in ihrer lebendigen Wirklichkeit nicht verwirklicht ist. Entweder findet Trennung des politischen Staats und der bürgerlichen 5 GeseUschaft statt. Dann können nicht Alle einzeln an der gesetzgebenden Gewalt Theü nehmen. Der politsche Staat ist eine von der bürgerlichen GeseUschaft getrennte Existenz. Die bürgerUche GeseUschaft würde ei nerseits sich selbst aufgeben, wenn aUe Gesetzgeber wären, andrerseits kann der ihr gegenüberstehende poktische Staat sie nur in einer Form ertragen, die seinem Maaßstab angemessen ist. Oder eben die Theünahme der bürger- üchen GeseUschaft durch Abgeordnete am poütischen Staat ist eben der Ausdruck ihrer Trennung und nur dualistischen Einheit. | 10 15 20 25 |[146]| Oder umgekehrt. Die bürgerliche GeseUschaft ist wirkliche politi sche GeseUschaft. Dann ist es Unsinn, eine Forderung [zu] steUen, die nur aus der VorsteUung des politischen Staates, als der von der bürgerlichen GeseUschaft getrennten Existenz, die nur aus der theologischen VorsteUung des politischen Staats hervorgegangen ist. In diesem Zustand verschwindet die Bedeutung der gesetzgebenden Gewalt als einer repräsentativen Gewalt gänzlich. Die gesetzgebende Gewalt ist hier Repräsentativ in dem Sinne, wie jede Funktion repräsentativ ist, wie ζ. B. der Schuster, insofern er ein so­ ciales Bedürfniß verrichtet, mein Repräsentant ist, wie jede bestimmte sociale Thätigkeit als Gattungsthätigkeit nur die Gattung, d. h. eine Bestim mung meines eignen Wesens repräsentirt, wie jeder Mensch der Repräsen tant des andern ist. Er ist hier Repräsentant nicht durch ein andres, was er vorsteUt, sondern durch das, was er ist und thut. Die „gesetzgebende" Gewalt wird nicht wegen ihres Inhaltes, sondern wegen ihrer formellen poütischen Bedeutung angestrebt. An und für sich müßte ζ. B. die Regierungsgewalt Viel mehr das Ziel der Volkswünsche sein, als die gesetzgebende, die metaphysische Staatsfunktion. Oie gesetzgebende 30 Funktion ist der Wüle, nicht in seiner praktischen, sondern in seiner theo retischen Energie. Der Wille soUhier nicht síaírdes Gesetzes gelten; sondern es g u t, das wirkliche Gesetz zu entdecken und zu formuliren. Aus dieser Zwiespältigen Natur der Gesetzgebenden Gewalt, als wirkli cher gesetzgebender Funktion und als repräsentativer, abstrakt politischer 35 Funktion, geht eine Eigentümlichkeit hervor, die sich vorzugsweise in Frankreich, dem Land der poütischen Bildung, geltend macht. (Wir haben in der Regierungsgewalt mimer zwei, das wirkliche Thun und die Staatsraison dieses Thuns, als ein andres wirküches Bewußtsein, das in semer totalen Gliederung die Bureaucratie ist.) 40 Der eigentliche Inhalt der gesetzgebenden Gewalt wird, (so weit nicht die herrschenden Sonderinteressen in einen bedeutenden Conflict mit dem 129 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 5 objectum quaestionis gerathen) sehr à part, als Nebensache behandelt. Besondere Aufmerksamkeit erregt eine Frage erst, sobald sie politisch wird, d. h. entweder, sobald eine Ministerfrage, also die Macht der gesetzgebenden Gewalt über die Regierungsgewalt, daran angeknüpft werden kann oder sobald es sich überhaupt um Rechte handelt, die mit dem politischen For- malismus in Verbindung stehn. Woher diese Erscheinung? Weil die gesetz gebende Gewalt zugleich die Repräsentation des politischen Daseins | |[147]| der bürgerlichen Gesellschaft ist; weil das politische Wesen einer Frage überhaupt in ihrem Verhältniß zu den verschiednen Gewalten des politischen Staats besteht; weil die gesetzgebende Gewalt das politische 10 Bewußtsein repräsentirt und dieß sich nur im Conflict mit der Regierungs gewalt als potìtisch beweisen kann. Diese wesentliche Forderung, daß jedes sociale Bedürfniß, Gesetz etc. politisch, d. h. als bestimmt durch das Staats ganze, in seinem socialen Sinn eruirt werde, nimmt im Staat der politischen Abstraktion die Wendung, daß ihr eine formelle Wendung gegen eine andre Macht (Inhalt) ausser ihrem wirklichen Inhalt gegeben werde. Das ist keine Abstraktion der Franzosen, sondern das ist die nothwendige Consequenz, weil der wirkliche Staat nur als der betrachtete politische Staatsformalismus existirt. Die Opposition innerhalb der repräsentativen Gewalt, ist das κατ' εξοχήν politische Dasein der repräsentativen Gewalt. 15 20 Innerhalb der repräsentativen Verfassung nimmt indessen die eruirte Frage eine andre Wendung, als in welcher H. sie betrachtet hat. Es handelt sich hier nicht ob die bürgerliche Gesellschaft durch Abgeordnete oder Alle einzeln die gesetzgebende Gewalt ausüben sollen, sondern es handelt sich um die Ausdehnung und möglichste Verallgemeinerung der Wahl, sowohl des aktiven, als des passiven Wahlrechts. Das ist der eigentliche Streitpunkt der politischen Reform, sowohl in Frankreich als in England. 25 30 Man betrachtet die Wahl nicht philosophisch, d. h. nicht in ihrem eigen t ü m l i c h en Wesen, wenn man sie sogleich in Beziehung auf die fürstliche oder Regierungsgewalt faßt. Die Wahl ist das wirkliche Verhältniß der wirklichen bürgerlichen Gesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft der gesetzgebenden Gewalt, zu dem repräsentativen Element. Oder die Wahl ist das unmittelbare, das direkte, das nicht blos vorstellende, sondern seiende Verhältniß der bürgerlichen Gesellschaft zum politischen Staat. Es versteht sich daher von selbst, daß die Wahl das hauptsächliche politische Interesse 35 der wirklichen bürgerlichen Gesellschaft bildet. In der unbeschränkten, sowohl aktiven als passiven Wahl hat die bürgerliche Gesellschaft sich erst wirklich zu der Abstraktion von sich selbst, zu dem politischen Dasein als ihrem wahren allgemeinen wesentlichen Dasein erhoben. Aber die Voll endung dieser Abstraktion ist zugleich die Aufhebung der Abstraktion. 40 Indem die bürgerliche Gesellschaft ihr politisches Dasein wirklich als ihr 130 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt wahres gesezt hat, hat sie zugleich ihr bürgerliches ||[148]| Dasein, in seinem Unterschied von ihrem politischen, als unwesentlich gesezt; und mit dem einen Getrennten fällt sein Andres, sein Gegentheil. Die Wahlreform ist also innerhalb des abstrakten poütischen Staats die Forderung seiner Auflösung, 5 aber ebenso der Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft. Wir werden der Frage der Wahlreform später unter einer andern Gestalt begegnen; nämlich von der Seite der Interessen. Ebenso werden wir später die andern Conflicte erörtern, die aus der doppelten Bestimmung der ge setzgebenden Gewalt (einmal Abgeordneter, Mandatar der bürgerlichen 10 Gesellschaft, das andremal vielmehr erst ihr politisches Dasein und ein eigenthümliches Dasein innerhalb des poütischen Staatsf ormaüsmus zu sein) hervorgehn. 15 Wir kehren einstweüen zu der Anmerkung zu unsrem § zurück. „Die vernünftige Betrachtung, das Bewußtsem der Idee, ist konkret und trifft insofern mit dem wahrhaft praktischen Sinne, der selbst nichts Ande res, als der vernünftige Sinn, der Sinn der Idee ist, zusammen. Der konkrete Staat ist das in seine besonderen Kreise gegliederte Ganze; das MitgUed des Staates ist ein Mitglied eines solchen Standes; nur in dieser semer objektiven Bestimmung kann es im Staate in Betracht kommen." Hierüber ist schon 20 oben das Nöthige gesagt. „Seine (des Staatsmitgliedes) augemeine Bestim mung überhaupt enthält das gedoppelte Moment, Privatperson und als denkendes ebenso sehr Bewußtsein und Woüen des Allgemeinen zu sein; dieses Bewußtsein und Wollen aber ist nur dann nicht leer, sondern erfüllt und wirklich lebendig, wenn es mit der Besonderheit — und diese ist der 25 besondere Stand und Bestimmung — erfüüt ist; oder das Individuum ist Gattung, hat aber seme immanente aügemeine Wirklichkeit als nächste Gattung." AUes das was Hegel sagt, ist richtig, mit der Beschränkung, 1) daß er besondren Stand und Bestimmung als identisch sezt; 2) daß diese Bestim- 30 mung, die Art, die nächste Gattung auch wtklich, nicht nur an sich, sondern für sich, als Art der Allgemeinen Gattung, als ihre Besonderung gesezt sein mußte. Hegel aber begnügt sich im Staate, den er als das selbstbewußte Dasein des sittkchen Geistes demonstrirt, daß dieser sittüche Geist nur an sich, der allgemeinen Idee nach, das Bestimmende ist. Zum wirklichen 35 Bestimmen läßt er die Societät nicht kommen, weil dazu ein wirkliches Subject nöthig ist und er nur ein abstraktes, eme Imagination ist. | |XXXIX.[149]| §309. „Da die Abordnung zur Berathung und Beschliessung über die allgemeinen Angelegenheiten geschieht, hat sie den Sinn, daß durch das Zutrauen solche Individuen dazu bestimmt werden, die sich besser auf 40 diese Angelegenheiten verstehn, als die Abordnenden, wie auch, daß sie nicht das besondre Interesse einer Gemeinde, Korporation gegen das aügemeine, 131 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie sondern wesentlich dieses geltend machen. Sie haben damit nicht das Ver hältniß, kommittirte oder Instruktionen überbringende Mandatarien zu sein, um so weniger als die Zusammenkunft die Bestimmung hat, eine lebendige, sich gegenseitig unterrichtende und überzeugende, gemeinsam berathende Versammlung zu sein." 5 Die Abgeordneten sollen 1) keine „kommittirte oder Instruktionen über bringende Mandatarien sein", „weil sie nicht das besondre Interesse einer Gemeinde, Korporation gegen das allgemeine, sondern wesentlich dieß geltend" machen sollen. Hegel hat die Repräsentanten erst als Repräsen tanten der Korporationen etc. construirt, um dann wieder die andre politische ι o Bestimmung hereinzubringen, daß sie nicht das besondre Interesse der Korporation etc. geltend zu machen haben. Er hebt damit seine eigene Bestimmung auf; denn er trennt sie in ihrer wesentlichen Bestimmung als Repräsentant gänzlich von ihrem Korporationsdasein. Er trennt damit auch die Korporation von sich als ihrem wirklichen Inhalt, denn sie soll nicht aus ihrem Gesichtspunkt, sondern aus dem Staatsgesichtspunkt wählen, d.h. sie soll in ihrem Nicht-Dasein als Korporation wählen. In der materiellen Be stimmung erkennt er also an, was er in ihrer formellen verkehrte, die Ab straktion der bürgerlichen Gesellschaft von sich selbst in ihrem politischen Akt und ihr politisches Dasein ist nichts als diese Abstraktion. Hegel giebt als Grund an, weil sie eben zur Bethätigung der „allgemeinen Angelegen heiten" gewählt werden; aber die Corporationen sind keine Existenzen der allgemeinen Angelegenheiten. 15 20 2) soll die „Abordnung den Sinn" haben „daß durch das Zutrauen solche Individuen dazu bestimmt werden, die sich besser auf diese Angelegenheiten verstehn, als die Abordnenden", woraus abermals folgen soll, daß die De- putirten also nicht das Verhältniß der „Mandatarien" haben. 25 Daß sie dieses „besser" verstehn, und nicht „einfach" verstehn, kann Hegel nur durch ein Sophisma heraus bringen. Es könnte dieß nur dann geschlossen werden, wenn die Abordnenden die Wahl hätten, die all- 30 gemeinen Angelegenheiten selbst zu berathen und zu beschliessen; oder I/[150]/bestimmte Individuen zu ihrer Vollziehung abzuordnen; d.h. eben, wenn die Abordnung, die Repräsentation nicht wesentüch zum Charakter der gesetzgebenden Gewalt der bürgerlichen Gesellschaft gehörte, was eben ihr eigenthümliches Wesen, wie eben ausgeführt, in dem von Hegel construirten Staate ausmacht. 35 Es ist dieß Beispiel sehr bezeichnend dafür, wie Hegel die Sache innerhalb ihrer Eigentümlichkeit halb absichtlich aufgiebt und ihr in ihrer bornirten Gestalt den entgegengesezten Sinn dieser Bornirtheit unterschiebt. Den eigentlichen Grund giebt Hegel zulezt. Die Deputirten der burger- 40 liehen Gesellschaft constituiren sich zu einer „Versammlung" und diese 132 ν I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt Versammlung ist erst das wirkliche politische Dasein und Wollen der bürger lichen GeseUschaft. Die Trennung des poütischen Staats von der bürger lichen GeseUschaft erscheint als die Trennung der Deputirten von ihren Mandataren. Die GeseUschaft ordnet blos die Elemente zu ihrem poütischen 5 Dasein von sich ab. 10 15 20 Der Widerspruch erscheint doppelt: 1) formell. Die Abgeordneten der bürgerlichen Gesellschaft sind eme GeseUschaft, die nicht durch die Form der „Instruction", des Auftrages mit ihren Committenten in Verbindung stehn. Sie sind formell kommittirt, aber sobald sie wirklich sind, sind sie nicht mehr committirte. Sie sollen Ab geordnete sein und sind es nicht. 2) materiell. In Bezug auf die Interessen. Darüber hernach. Hier findet das Umgekehrte Statt. Sie sind als Repräsentanten der allgemeinen Angelegen heiten committirt, aber sie repräsentiren wirklich besondre Angelegenhei- ten. Bezeichnend ist, daß Hegel hier das Zutrauen als die Substanz der Ab ordnung bezeichnet, als das substantieüe Verhältniß zwischen Abordnenden und Abgeordneten. Zutrauen ist ein persönliches Verhältniß. Es heißt dar über weiter in dem Zusatz: „Repräsentation gründet sich auf Zutrauen, Zutrauen aber ist etwas Anderes, als ob ich als dieser meine Stimme gebe. Die Majorität der Stimmen ist ebenso dem Grundsatze zuwider, daß bei dem, was mich verpflichten muß, ich als dieser zugegen sein soü. Man hat Zutrauen zu einem Menschen, indem man seme Einsicht dafür ansieht, daß er meine Sache als seme Sache, 25 nach seinem besten Wissen und Gewissen, behandeln wird." | |[151]| § 310. „Die Garantie der diesem Zwecke entsprechenden Eigen schaften und der Gesinnung, — da das unabhängige Vermögen schon in dem ersten Theüe der Stände sein Recht verlangt, — zeigt sich bei dem zweiten Theile, der aus dem beweghchen und veränderüchen Elemente der bür- 30 gerlichen Gesellschaft hervorgeht, vornehmlich in der durch wirkliche Geschäftsführung, in obrigkeitlichen oder Staatsämtern erworbenen und durch die That bewährten Gesinnung, Geschicklichkeit und Kenntniß der Einrichtungen und Interessen des Staats, und der bürgerüchen Gesell schaft, und dem dadurch gebüdeten obrigkeitlichen Sinn und Sinn des 35 Staats" Erst wurde die erste Kammer, die Kammer des unabhängigen Privat eigenthums für den Fürsten und die Regierungsgewalt als Garantie gegen die Gesinnung der zweiten Kammer als dem politischen Dasein der empirischen AUgemeinheit construirt und jezt verlangt Hegel wieder eine neue Garantie, 40 welche die Gesinnung etc. der zweiten Kammer selbst garantiren soU. Erst war das Zutrauen die Garantie der Abordner, die Garantie der Ab- 133 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie geordneten. Jezt bedarf dieß Zutrauen selbst wieder der Garantie seiner Tüchtigkeit. Hegel hätte nicht übel Lust, die zweite Kammer zur Kammer der pen- sionirten Staatsbeamten zu machen. Er verlangt nicht nur „den Sinn des Staats" sondern auch „obrigkeitlichen" büreaucratischen Sinn. 5 Was er hier wirklich verlangt, ist, daß die gesetzgebende Gewalt die wirkliche regierende Gewalt sein soll. Er drückt dieß so aus, daß er die Bureaucratie Zweimal verlangt, einmal als Repräsentation der Fürsten und das anderemal als Repräsentation des Volkes. Wenn in constitutionellen Staaten auch Beamte zulässig sind als Deputirte, so ist dieß nur, weil überhaupt vom Stand, von der bürgerlichen Qualität abstrahirt und die Abstraktion des Staatsbürgerthums das Herrschende ist. 10 Hegel vergißt dabei, daß er die Repräsentation von den Korporationen ausgehn ließ und daß diesen direkt die Regierungsgewalt gegenübersteht. Er geht in diesem Vergessen, was er gleich in dem folgenden § wieder vergißt, 15 soweit, daß er einen wesentlichen Unterschied zwischen den Abgeordneten der Korporation und den ständischen Abgeordneten kreirt. | |[152]| In der Anmerkung zu diesem § heißt es: „Die subjektive Meinung von sich findet leicht die Forderung solcher Garantien, wenn sie in Rücksicht auf das sogenannte Volk gemacht wird, 20 überflüssig, ja selbst etwa beleidigend. Der Staat hat aber das Objektive, nicht eine subjektive Meinung und deren Selbstzutrauen zu seiner Bestim mung; die Individuen können nur das für ihn sein, was an ihnen objektiv erkennbar und erprobt ist, und er hat hierauf bei diesem Theil des ständischen Elements um so mehr zu sehn, als derselbe seine Wurzel in den auf das 25 Besondere gerichteten Interessen und Beschäftigungen hat, wo die Zufällig keit, Veränderlichkeit und Willkühr ihr Recht sich zu ergehn hat." Hier wird die gedankenlose Inconsequenz und der „obrigkeitliche" Sinn H's. wirklich ekelhaft. Am Schlüsse des Zusatzes zum frühren § hieß es: „Daß dieses (sc. ihre oben beschriebene Aufgabe) der Abgeordnete voll- 30 bringe und befördere, dazu bedarf es für die Wählenden der Garantie." Diese Garantie für die Wählenden hat sich unter der Hand in eine Garantie gegen die Wählenden, gegen ihr „Selbstzutrauen" entwickelt. In dem Stän dischen Element sollte die „empirische Allgemeinheit" zum Moment „der subjektiven formellen Freiheit" kommen. „Das öffentliche Bewußtsein" 35 sollte in ihm „als empirische Allgemeinheit der Ansichten und Gedanken der Vielen zur Existenz" kommen. (§ 301.) Jezt sollen diese „Ansichten und Gedanken" zuvor der Regierung eine Probe ablegen, daß sie „ihre" An sichten und Gedanken sind. Hegel spricht hier nämlich dummer Weise vom Staat als einer fertigen Existenz, obgleich er eben erst daran ist, im stän- 40 dischen Element den Staat fertig zu construiren. Er spricht vom Staat als 134 F I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt 5 konkretem Subjekt, das „sich nicht an die subjektive Meinung und deren Selbstzutrauen stört", für den die Individuen erst sich „erkennbar" gemacht und „erprobt" haben. Es fehlt nur noch, daß Hegel ein Examen der Stände abzulegen bei der Wobllöbüchen Regierung verlangt. H. geht hier fast bis zur Servüität. Man sieht ihn durch und durch angesteckt von dem elenden Hochmuth der preussischen Beamtenwelt, die vornehm in ihrer Bu- reaubornirtheit auf das „Selbstzutrauen" der „subjektiven Meinung des Volks zu sich" herab sieht. Der „Staat" ist hier überaü für Hegel identisch mit der „Regierung". 10 AUerdings kann in einem wirklichen Staate das „blose Zutrauen", die „subjektive Meinung" nicht genügen. Aber in dem von Hegel ||XL.[153]| con- struirten Staate ist die politische Gesinnung der bürgerlichen GeseUschaft eine blose Meinung, eben weü ihr poütisches Dasein eine Abstraktion von ihrem wirklichen Dasein ist; eben weü das Ganze des Staats nicht die 15 Objektivirung der politischen Gesinnung ist. WoUte Hegel consequent seni, so müßte er vielmehr alles aufbieten, um das ständische Element semer wesentlichen Bestimmung gemäß (§ 301) als das Fürsichsein der aUgemeinen Angelegenheit in den Gedanken etc. der Vielen, also eben ganz unabhängig von den andern Voraussetzungen des poütischen Staats zu construiren. 20 25 Eben so wie Hegel es früher als die Ansicht des Pöbels bezeichnete, den schlechten Wülen bei der Regierung etc. vorauszusetzen, ebenso sehr und noch mehr ist es die Ansicht des Pöbels den schlechten Wülen beim Volke vorauszusetzen. Hegel darf es dann auch bei den von ihm verachteten Theoretikern weder „überflüssig", noch „beleidigend" finden, wenn Ga- rantien „in Rücksicht auf den sogenannten" Staat, den soi-disant Staat, die Regierung verlangt, Garantien verlangt werden, daß die Gesinnung der Bureaucratie die Staatsgesinnung sei. § 311. „Die Abordnung, als von der bürgerlichen GeseUschaft ausgehend, hat femer den Sinn, daß die Abgeordneten mit deren specieUen Bedürf- 30 nissen, Hindernissen, besonderen Interessen bekannt seien, und ihnen selbst angehören. Indem sie nach der Natur der bürgerüchen GeseUschaft von ihren verschiedenen Korporationen ausgeht (§ 308), und die einf ache Weise dieses Ganges nicht durch Abstraktionen und die atomistischen VorsteUungen gestört wird, so erfüüt sie damit unmittelbar jenen Gesichtspunkt, und 35 Wählen ist entweder überhaupt etwas Ueberflüssiges oder reducirt sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Wülkühr." | |[154]| Zunächst knüpft Hegel die Abordnung in ihrer Bestimmung als „gesetzgebende Gewalt" (§ 309,10) an die Abordnung „als von der bürger lichen GeseUschaft ausgehend" d.h. an ihre repräsentative Bestimmung 40 durch ein einfaches „ferner" an. Die ungeheuren Widersprüche, die in diesem „ferner" liegen spricht er eben so gedankenlos aus. 135 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Nach § 309 sollen die Abordnenden „nicht das besondere Interesse einer Gemeinde, Korporation gegen das allgemeine, sondern wesentlich dieses geltend machen". Nach § 311 gehn sie von den Korporationen aus, repräsentiren diese besondern Interessen und Bedürfnisse und lassen sich nicht durch „Ab- straktionen" stören, als wenn das „allgemeine Interesse" nicht auch eine solche Abstraktion wäre, eine Abstraktion eben von ihren Korporations etc. Interessen. 5 Nach § 310 wird verlangt „daß sie durch wirkliche Geschäftsführung etc. sich obrigkeitlichen Sinn und den Sinn des Staats" erworben und bewährt 10 haben. In § 311 wird Korporations und bürgerlicher Sinn verlangt. In dem Zusatz zu § 309 heißt es: „Repräsentation gründet sich auf Zu trauen." Nach § 311 ist „Wählen", diese Realisirung des Zutrauens, diese Betätigung, Erscheinung desselben, „entweder überhaupt etwas Ueberflüs- siges oder reducirt sich auf ein geringes Spiel der Meinung und der Will- 15 kühr". Das, worauf sich die Repräsentation gründet, ihr Wesen, ist also der Repräsentation „entweder überhaupt etwas Ueberflüssiges etc". Hegel stellt also in einem Athem die absoluten Widersprüche auf: Die Repräsentation gründet sich auf Zutrauen, auf das Vertrauen des 20 Menschen zum Menschen, und sie gründet sich nicht auf das Zutrauen. Das ist vielmehr eine blose formelle Spielerei. Das besondere Interesse ist nicht das Objekt der Vertretung, sondern der Mensch und sein Staatsbürgerthum, das allgemeine Interesse. Andrerseits: Das besondere Interesse ist der Stoff der Vertretung, der Geist dieses Inter- esses ist der Geist des Repräsentanten. 25 In der Anmerkung zu diesem §, die wir nun betrachten, werden diese Widersprüche noch greller durchgeführt. ||[155]| Das einemal ist die Re präsentation die Vertretung des Menschen, das anderemal des besonderen Interesses, des besonderen Stoffes. 30 „Es bietet sich von selbst das Interesse dar, daß unter den Abgeordneten sich für jeden besonderen grossen Zweig der Gesellschaft, ζ. B. für den Handel, für die Fabriken u. s.f. Individuen befinden, die ihn gründlich kennen und ihm selbst angehören; — in der Vorstellung eines losen un bestimmten Wählens ist dieser wichtige Umstand nur der Zufälligkeit preis 35 gegeben. Jeder solcher Zweig hat aber gegen den andern gleiches Recht, repräsentirt zu werden. Wenn die Abgeordneten als Repräsentanten be trachtet werden, so hat dieß einen organisch vernünftigen Sinn nur dann, daß sie nicht Repräsentanten als von Einzelnen, von einer Menge seien, sondern Repräsentanten einer der wesentlichen Sphären der Gesellschaft, Repräsen- tanten ihrer grossen Interessen. Das Repräsentiren hat damit auch nicht mehr 40 136 I. Innere Verfassung für sich, c) Die gesetzgebende Gewalt die Bedeutung, daß einer an der Steile eines andern sei, sondern das Interesse selbst ist in seinen Repräsentanten wirklich gegenwärtig, so wie der Reprä sentant für sein eignes objektives Element da ist. — Von dem Wählen durch die vielen ||[156]| Einzelnen kann noch bemerkt 5 werden, daß nothwendig besonders in grossen Staaten die Gleichgültigkeit gegen das Geben seiner Stimme, als die in der Menge eine unbedeutende Wirkung hat, eintritt, und die Stimmberechtigten, diese Berechtigung mag ihnen als etwas noch so Hohes angeschlagen und vorgestellt werden, eben zum Stimmgeben nicht erscheinen; — so daß aus solcher Institution vielmehr 10 das Gegentheil ihrer Bestimmung erfolgt, und die Wahl in die Gewalt Weniger, einer Partei, somit des besonderen zufälligen Interesses fällt, das gerade neutralisirt werden sollte." Die beiden § 312 und 13 sind im früheren erledigt und keiner besondern Besprechung Werth. Wir setzen sie daher hierhin: 15 20 § 312. „Von den zwei im ständischen Elemente enthaltenen Seiten (§ 305, § 308) bringt jede in die Berathung eine besondere Modification; und weü überdem das eme Moment die eigentümliche Funktion der Vermittelung innerhalb dieser Sphäre und zwar zwischen Existirenden hat, so ergjebt sich für dasselbe gleichfaUs eine abgesonderte Existenz; die ständische Ver- S a m m l u ng wird sich somit in zwei Kammern theilen." O Jerum! § 313. „Durch diese Sonderung erhält nicht nur die Reife der Ent- schüessung vermittelst einer Mehrheit von Instanzen ihre grössere Siche rung, und wird die Zufäüigkeit einer Stimmung des Augenblicks, wie die Zufäüigkeit, welche die Entscheidung durch die Mehrheit der Stim- 25 menanzahl annehmen kann, entfernt, sondern vornehmlich kommt das ständische Element weniger in den Faü, der Regierung direkt gegenüber zu stehen, oder im Faüe das vermittelnde Moment sich gleichfaUs auf der Seite des zweiten Standes befindet, wird das Gewicht seiner Ansicht um so mehr verstärkt, als sie so unparthenscher und sein Gegensatz neutralisüt er- 30 scheint." I |[157]| Ueber Hegels Uebergang in Explication | Inhaltsverzeichnis. 137 Index zum Manuskript „Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie" |Die Verdopplung der systematischen Entwicklung. I, 3, 4. logischer Mysticismus. Π, 8. III, 9. die mystische Sprachweise, ibid. Ein Beispiel. §267. IV, p. 13. 14. Die Idee als Subjekt. IV, p. 15. 16. (Die wirklichen Subjekte werden zu blosen Namen.) p. 17. p. 18. p. 20.21. p. 24.26,27, p. 28. p. 40. p. 57. p. 75.78. XXVI, 2. XXVIII. XXX, 3. XXXI, 3. XXXII, 2. XXXrV, 2, 3, 4. p. XXXVII; 2. Widerspruch XXXIX. | 138 Deutsch-Französische Jahrbücher. 1./2. Lieferung. Paris 1844. Titelblatt Zur Judenfrage Deutsch-Französische Jahrbücher. Lfg.1/2. 1844 |i82| Zur Judenfrage. 1) Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843. — 2) Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden. Ein und zwanzig Bogen aus der Schweiz. Herausgegeben von Georg Herwegh. Zürich und Winterthur. 1843. S. 56-71. - Von Karl Marx. I. Bruno Bauer: Die Judenfrage. Braunschweig 1843. Die deutschen Juden begehren die Emancipation. Welche Emancipation begehren sie? Die staatsbürgerliche, die politische Emancipation. Bruno Bauer antwortet ihnen: Niemand in Deutschland ist politisch emancipili. Wir selbst sind unfrei. Wie sollen wir euch befreien? Ihr Juden seid Egoisten, wenn ihr eine besondere Emancipation für euch als Juden verlangt. Ihr müßtet als Deutsche an der politischen Emancipation Deutsch lands, als Menschen an der menschlichen Emancipation arbeiten und die besondere Art eures Drucks und eurer Schmach nicht als Ausnahme von der Regel, sondern vielmehr als Bestätigung der Regel empfinden. Oder verlangen die Juden Gleichstellung mit den christlichen Unterta nen? So erkennen sie den christlichen Staat als berechtigt an, so erkennen sie das Regiment der allgemeinen Unterjochung an. Warum mißfällt ihnen ihr specielles Joch, wenn ihnen das allgemeine Joch gefällt! Warum soll der 141 Zur Judenfrage Deutsche sich für die Befreiung des Juden interessiren, wenn der Jude sich nicht für die Befreiung des Deutschen interessiti? Der christliche Staat kennt nur Privilegien. Der Jude besitzt in ihm das Privüegium, Jude zu sein. Er hat als Jude Rechte, ||l83| welche die Christen nicht haben. Warum begehrt er Rechte, welche er nicht hat und welche die Christen genießen! Wenn der Jude vom chrisüichen Staat emancipirt sein will, so verlangt er, daß der christüche Staat sein religiöses Vorurtheil aufgebe. Giebt er, der Jude, sein religiöses Vorurtheü auf? Hat er also das Recht, von einem andern diese Abdankung der Reügion zu verlangen? Der christiiche Staat kann seinem Wesen nach den Juden nicht eman- cipiren; aber, setzt Bauer hinzu, der Jude kann seinem Wesen nach nicht emancipirt werden. So lange der Staat chrisüich und der Jude jüdisch ist, sind Beide eben so wenig fähig, die Emancipation zu verleihen, als zu empfangen. 5 10 15 Der christiiche Staat kann sich nur in der Weise des christlichen Staats zu dem Juden verhalten, das heißt auf privilegirende Weise, indem er die Absonderung des Juden von den übrigen Unterthanen gestattet, ihn aber den Druck der andern abgesonderten Sphären empfinden und um so nachdrück licher empfinden läßt, als der Jude im religiösen Gegensatz zu der herrschen- den Reügion steht. Aber auch der Jude kann sich nur jüdisch zum Staat verhalten, das heißt zu dem Staat als einem Fremdling, indem er der wirk- üchen Nationaütät seine chimärische Nationalität, indem er dem wirküchen Gesetz sein ülusorisches Gesetz gegenübersteüt, indem er zur Absonderung von der Menschheit sich berechtigt wähnt, indem er principieü keinen 25 Antheü an der geschichtlichen Bewegung nimmt, indem er einer Zukunft harrt, welche mit der aUgemeinen Zukunft des Menschen nichts gemein hat, indem er sich für ein Glied des jüdischen Volkes und das jüdische Volk für das auserwählte Volk hält. 20 Auf welchen Titel hin begehrt ihr Juden also die Emancipation? Eurer 30 Reügion wegen? Sie ist die Todtfeindin der Staatsreügion. Als Staatsbürger? Es gibt in Deutschland kerne Staatsbürger. Als Menschen? Ihr seid kerne Menschen, so wenig als die, an welche ihr appellirt. Bauer hat die Frage der Juden-Emancipation neu gesteUt, nachdem er eine Kritik der bisherigen Stellungen und Lösungen der Frage gegeben. Wie, fragt 35 er, sind sie beschaffen, der Jude, der emancipirt werden, der christiiche Staat, der emancipiren soU? Er antwortet durch eine Kritik der jüdischen Reügion, er analysüt den religiösen Gegensatz zwischen Judenthum und Christen thum, er verständigt über das Wesen des christiichen Staates, alles dies mit ||184| Kühnheit, Schärfe, Geist, Gründlichkeit in einer eben so präcisen, 40 als kernigen und energievollen Schreibweise. 142 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage Wie also löst Bauer die Judenfrage? Welches das Resultat? Die Formu- lirung einer Frage ist ihre Lösung. Die Kritik der Judenfrage ist die Antwort auf die Judenfrage. Das Resumé also Folgendes: Wir müssen uns selbst emancipiren, ehe wir andere emancipiren können. 5 Die starrste Form des Gegensatzes zwischen dem Juden und dem Christen ist der religiöse Gegensatz. Wie löst man einen Gegensatz? Dadurch daß man ihn unmöglich macht. Wie macht man einen religiösen Gegensatz unmöglich? Dadurch daß man die Religion aufhebt. Sobald Jude und Christ ihre gegen seitigen Religionen nur mehr als verschiedene Entwicklungsstufen des 10 menschlichen Geistes, als verschiedene von der Geschichte abgelegte Schlangenhäute und den Menschen als die Schlange erkennen, die sich in ihnen gehäutet, stehn sie nicht mehr in einem religiösen, sondern nur noch in einem kritischen, wissenschaftlichen, in einem menschlichen Verhält nisse. Die Wissenschaft ist dann ihre Einheit. Gegensätze in der Wissen- schaft lösen sich aber durch die Wissenschaft selbst. 15 Dem deutschen Juden namentlich stellt sich der Mangel der politischen Emancipation überhaupt und die prononcirte Christlichkeit des Staats gegen über. In Bauers Sinn hat jedoch die Judenfrage eine allgemeine von den specifisch-deutschen Verhältnissen unabhängige Bedeutung. Sie ist die 20 Frage von dem Verhältniß der Religion zum Staat, von dem Widerspruch der religiösen Befangenheit und der politischen Emancipation. Die Eman cipation von der Religion wird als Bedingung gestellt, sowohl an den Juden, der politisch emancipili sein will, als an den Staat, der emancipiren und selbst emancipirt sein soll. 25 30 „Gut, sagt man, und der Jude sagt es selbst, der Jude soll auch nicht als Jude, nicht weil er Jude ist, nicht weil er ein so treffliches allgemein menschliches Prinzip der Sittlichkeit hat, emancipirt werden, der Jude wird vielmehr selbst hinter dem Staatsbürger zurücktreten und Staatsbürger sein trotz dem, daß er Jude ist und Jude bleiben soll: d. h. er ist und bleibt Jude, trotz dem, daß er Staatsbürger ist und in allgemeinen menschlichen Ver hältnissen lebt: sein jüdisches und beschränktes Wesen trägt immer und zuletzt über seine menschlichen und politischen Verpflichtungen den Sieg davon. Das Vorurtheil bleibt trotz dem, claß es von ||185| allgemeinen Grund sätzen überflügelt ist. Wenn es aber bleibt, so überflügelt es vielmehr alles 35 Andere." „Nur sophistisch, dem Scheine nach würde der Jude im Staatsleben Jude bleiben können; der blose Schein würde also, wenn er Jude bleiben wollte, das Wesentliche sein und den Sieg davon tragen, d. h. sein Leben im Staat würde nur Schein oder nur momentane Ausnahme gegen das Wesen und die Regel sein." (Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen, frei zu 40 werden, Ein und zwanzig Bogen, p. 57). Hören wir andrerseits, wie Bauer die Aufgabe des Staats stellt: 143 Zur Judenfrage „Frankreich" heißt es „hat uns neuerlich (Verhandlungen der De- putirtenkammer vom 26. Dezember 1840) in Bezug auf die Judenfrage — so wie in allen andern politischen Fragen beständig—den Anbück eines Lebens gegeben, welches frei ist, aber seine Freiheit im Gesetz revocirt, also auch für einen Schern erklärt und auf der andern Seite sein freies Gesetz durch die That widerlegt." „Judenfrage" p. 64. „Die allgemeine Freiheit ist in Frankreich noch nicht Gesetz, die Juden frage auch noch nicht gelöst, weü die gesetzüche Freiheit — daß alle Bürger gleich sind — im Leben, welches von den religiösen Privüegien noch be herrscht und zertheüt ist, beschränkt wird und diese Unfreiheit des Lebens auf das Gesetz zurückwirkt und dieses zwingt, die Unterscheidung des an sich freien Bürgers in Unterdrückte und Unterdrücker zu sanktioniren." p.65. 5 10 Wann also wäre die Judenfrage für Frankreich gelöst? „Der Jude ζ. B. müßte aufgehört haben, Jude zu sein, wenn er sich durch 15 seni Gesetz nicht verhindern läßt, seine Pflichten gegen den Staat und seme Mitbürger zu erfüllen, also z. B. am Sabbath in die Deputirten-Kammer geht und an den öffentüchen Sitzungen Theil nimmt. Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche müßte aufgehoben und wenn Einige oder Mehrere oder auch die überwiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte diese Erfüüung als reine Privatsache ihnen seibsrüberlassen sein." p. 65. „Es giebt kerne Religion mehr, wenn es keine privüegüte Religion mehr gibt. Nehmt der Reügion ihre ausschüeßende Kraft und sie existirt nicht mehr." p. 66. „So gut, wie Herr Martin du Nord in dem Vorschlag, die Erwähnung 25 des Sonntags im Gesetze zu unterlassen, den Antrag auf die Erklärung sah, daß das Christenthum aufgehört habe, zu existiren, mit demselben Rechte (und dies Recht ist vollkommen begründet) würde die ||l86| Erklärung, daß das Sabbathgesetz für den Juden kerne Verbindlichkeit mehr habe, die Proklamation der Auflösung des Judenthums sein." p.71. 30 20 Bauer verlangt also einerseits, daß der Jude das Judenthum, überhaupt der Mensch die Reügion aufgebe, um staatsbürgerlich emancipirt zu werden. Andrerseits g ut ihm konsequenter Weise die politische Aufhebung der Reügion für die Aufhebung der Reügion schlechthin. Der Staat, welcher die Religion voraussetzt, ist noch kein wahrer, kern wirklicher Staat. „Aüerdings 35 gibt die reügiöse VorsteUung dem Staat Garantien. Aber welchem Staat? Welcher Art des Staates?" (S.97.) An diesem Punkt tritt die einseitige Fassung der Judenfrage hervor. Es genügte keineswegs zu untersuchen: Wer soü emancipiren? Wer soü emancipirt werden? Die Kritik hatte ein Drittes zu thun. Sie mußte fragen: Von welcher Art der Emancipation handelt es sich? Welche Bedingungen 40 144 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage sind im Wesen der verlangten Emanzipation begründet? Die Kritik der politischen Emancipation selbst war erst die schließliche Kritik der Juden frage und ihre wahre Auflösung, in die „allgemeine Frage der Zeit". 5 Weil Bauer die Frage nicht auf diese Höhe erhebt, verfällt er in Wider- sprüche. Er stellt Bedingungen, die nicht im Wesen der politischen Eman cipation selbst begründet sind. Er wirft Fragen auf, welche seine Aufgabe nicht enthält, und er löst Aufgaben, welche seine Frage unerledigt lassen. Wenn Bauer von den Gegnern der Judenemancipation sagt: „Ihr Fehler war nur der, daß sie den christlichen Staat als den einzig wahren voraussetzten 10 und nicht derselben Kritik unterwarfen, mit der sie das Judenthum be trachteten" (S. 3), so finden wir Bauer's Fehler darin, daß er nur den „christlichen Staat", nicht den „Staat schlechthin" der Kritik unterwirf t, daß er das Verhältniß der politischen Emancipation zur menschlichen Eman cipation nicht untersucht, und daher Bedingungen stellt, welche nur aus einer 15 unkritischen Verwechslung der politischen Emancipation mit der allgemein menschlichen erklärlich sind. Wenn Bauer die Juden fragt: Habt ihr von eurem Standpunkt aus das Recht, die politische Emancipation zu begehren? so fragen wir umgekehrt: Hat der Standpunkt der politischen Emancipation das Recht, vom Juden die Aufhebung des Judenthums, ||l87| vom Menschen 20 überhaupt die Aufhebung der Religion zu verlangen? Die Judenfrage erhält eine veränderte Fassung, je nach dem Staate, in welchem der Jude sich befindet. In Deutschland, wo kein politischer Staat, kein Staat als Staat existirt, ist die Judenfrage eine rein theologische Frage. Der Jude befindet sich im religiösen Gegensatz zum Staat, der das Chri- 25 stenthum als seine Grundlage bekennt. Dieser Staat ist Theologe ex professo. Die Kritik ist hier Kritik der Theologie, zweischneidige Kritik, Kritik der christlichen, Kritik der jüdischen Theologie. Aber so bewegen wir uns immer noch in der Theologie, so sehr wir uns auch kritisch in ihr bewegen mö gen. 30 In Frankreich, in dem konstitutionellen Staat, ist die Judenfrage die Frage des Konstitutionalismus, die Frage von der Halbheit der politischen Eman cipation. Da hier der Schein einer Staatsreligion, wenn auch in einer nichts sagenden und sich selbst widersprechenden Formel, in der Formel einer Religion der Mehrheit beibehalten ist, so behält das Verhältniß der Juden zum 35 Staat den Schein eines religiösen, theologischen Gegensatzes. Erst in den nordamerikanischen Freistaaten — wenigstens in einem Theil derselben — verliert die Judenfrage ihre theologische Bedeutung und wird zu einer wirklich weltlichen Frage. Nur wo der politische Staat in seiner vollständigen Ausbildung existirt, kann das Verhältniß des Juden, überhaupt 40 des religiösen Menschen, zum politischen Staat, also das Verhältniß der Religion zum Staat in seiner Eigentümlichkeit, in seiner Reinheit her- 145 Zur Judenfrage 10 5 austreten. Die Kritik dieses Verhältnisses hört auf theologische Kritik zu sein, so bald der Staat aufhört auf theologische Weise sich zur Religion zu verhalten, so bald er sich als Staat, d. h. politisch zur Religion verhält. Die Kritik wird dann zur Kritik des politischen Staats. An diesem Punkt, wo die Frage aufhört, theologisch zu sein, hört Bauer's Kritik auf, kritisch zu sein. «Il n'existe aux États-unis ni religion de l'état, ni religion déclarée celle de la majorité ni prééminence d'un culte sur un autre. L'état est étranger à tous les cultes.» (Marie ou l'esclavage aux états-unis etc., par G. de Beaumont, Paris 1835, p. 214.) Ja es gibt einige nordamerikanische Staaten, wo «la Constitution η 'impose pas les croyances religieuses et la pratique d'un culte comme condition des privilèges politiques» (l. c. p. 224.) Dennoch, «on ne croit pas aux États-unis qu'un homme sans ||l88| religion puisse être un honnête homme» (l.m. p. 224). Dennoch ist Nordamerika vorzugsweise das Land der Religiosität, wie Beaumont, Tocqueville und der Engländer Ham ilton aus einem Munde versichern. Die nordamerikanischen Staaten gelten 15 uns indeß nur als Beispiel. Die Frage ist: Wie verhält sich die vollendete politische Emancipation zur Religion? Finden wir selbst im Lande der vollendeten politischen Emancipation nicht nur die Existenz, sondern die lebensfrische, die lebenskräftige Existenz der Religion, so ist der Beweis geführt, daß das Dasein der Religion der Vollendung des Staats nicht wider- spricht. Da aber das Dasein der Religion das Dasein eines Mangels ist, so kann die Quelle dieses Mangels nur noch im Wesen des Staats selbst gesucht werden. Die Religion gilt uns nicht mehr als der Grund, sondern nur noch als das Phänomen der weltlichen Beschränktheit. Wir erklären daher die religiöse Befangenheit der freien Staatsbürger aus ihrer welüichen Be- 25 fangenheit. Wir behaupten nicht, daß sie ihre reügiöse Beschränktheit auf heben müssen, um ihre welüichen Schranken aufzuheben. Wir behaupten, daß sie ihre reügiöse Beschränktheit aufheben, sobald sie ihre weltüche Schranke aufheben. Wir verwandeln nicht die weltlichen Fragen in theo logische. Wü verwandeln die theologischen Fragen in weltüche. Nachdem 30 die Geschichte lange genug in Aberglauben aufgelöst worden ist, lösen wir den Aberglauben in Geschichte auf. Die Frage von dem Verhältnisse der politischen Emancipation zur Religion wird für uns die Frage von dem Verhältniß der politischen Emancipation zur menschlichen Emancipation. Wir kritisiren die religiöse Schwäche des politischen Staats, indem wir den 35 poütischen Staat, abgesehen von den reügjösen Schwächen, in seiner welt lichen Konstruktion kritisiren. Den Widerspruch des Staats mit einer be stimmten Religion, etwa dem Judenthum, vermenschüchen wir in den Wider spruch des Staats mit bestimmten weltlichen Elementen, den Widerspruch des Staats mit der Religion überhaupt, in den Widerspruch des Staats mit 40 seinen Voraussetzungen überhaupt. 20 146 ψ I. Bruno Bauer: Die Judenfrage Die politische Emancipation des Juden, des Christen, überhaupt des re ligiösen Menschen, ist die Emancipation des Staats vom Judenthum, vom Christenthum, überhaupt von der Religion. In seiner Form, in der seinem Wesen eigenthümlichen Weise, als Staat emancipirt sich der Staat von der 5 Religion, indem er sich ||l89| von der Staatsreligion emancipirt, d. h. indem der Staat als Staat keine Religion bekennt, indem der Staat sich vielmehr als Staat bekennt. Die politische Emancipation von der Religion ist nicht die durchgeführte, die widerspruchslose Emancipation von der Religion, weil die politische Emancipation nicht die durchgeführte, die widerspruchslose 10 Weise der menschlichen Emancipation ist. Die Gränze der politischen Emancipation erscheint sogleich darin, daß der Staat sich von einer Schranke befreien kann, ohne daß der Mensch wkküch von ihr frei wäre, daß der Staat ein Freistaat sein kann, ohne daß der Mensch ein freier Mensch wäre. Bauer selbst gibt dies stillschweigend zu, wenn er folgende Bedingung der politischen Emancipation setzt: „Jedes religiöse Privilegium überhaupt, also auch das Monopol einer bevorrechteten Kirche müßte aufgehoben, und wenn Einige oder Mehrere oder auch die über wiegende Mehrzahl noch religiöse Pflichten glaubten erfüllen zu müssen, so müßte diese Erfüllung als eine reine Privatsache ihnen selbst überlassen sein." Der Staat kann sich also von der Religion emancipirt haben, sogar wenn die überwiegende Mehrzahl noch religiös ist. Und die überwiegende Mehrzahl hört dadurch nicht auf, religiös zu sein, daß sie privatim religiös ist. Aber das Verhalten des Staats zur Religion, namentlich des Freistaats, ist doch nur das Verhalten der Menschen, die den Staat bilden, zur Religion. Es folgt hieraus, daß der Mensch durch das Medium des Staats, daß er politisch von einer Schranke sich befreit, indem er sich im Widerspruch mit sich selbst, indem er sich auf eine abstrakte und beschränkte, auf partielle Weise über diese Schranke erhebt. Es folgt ferner, daß der Mensch auf einem Um weg, durch ein Medium, wenn auch durch ein nothwendiges Medium sich befreit, indem er sich politisch befreit. Es folgt endlich, daß der Mensch, selbst wenn er durch die Vermittlung des Staats sich als Atheisten proklamirt, d.h. wenn er den Staat zum Atheisten protìamirt, immer noch religiös befangen bleibt, eben weil er sich nur auf einem Umweg, weil er nur durch ein Medium sich selbst anerkennt. Die Religion ist eben die Anerkennung des Menschen auf einem Umweg. Durch einen Mittler. Der Staat ist der Mittler zwischen dem Menschen und der Freiheit des Menschen. Wie Christus der Mittler ist, dem der Mensch seine ganze Göttlichkeit, seine ganze religiöse Befangen\\l90\heit aufbürdet, so ist der Staat der Mittler, in den er seine ganze Ungöttlichkeit, seine ganze menschliche Unbefangenheit 15 20 25 30 35 40 verlegt. 147 Zur Judenfrage Die politische Erhebung des Menschen über die Religion theüt aüe Mängel und alle Vorzüge der poütischen Erhebung überhaupt. Der Staat als Staat annuüirt ζ. B. das Privateigenthum, der Mensch erklärt auf politische Weise das Privateigenthum für aufgehoben, sobald er den Census für aktive und passive Wählbarkeit aufhebt, wie dies in vielen nordamerikanischen Staaten geschehen ist. Hamilton mterpretüt dies Faktum von poÜtischem Stand punkte ganz richtig dahin: „Der große Haufen hat den Sieg über die Eigen- thümer und den Geldreichthum davongetragen. " Ist das Privateigenthum nicht ideeü aufgehoben, wenn der Nichtbesitzende zum Gesetzgeber des Besitzenden geworden ist? Der Census ist die letzte politische Form, das Privateigenthum anzuerkennen. 5 10 15 Dennoch ist mit der politischen Annuüation des Privateigenthums das Privateigenthum nicht nur nicht aufgehoben, sondern sogar vorausgesetzt. Der Staat hebt den Unterschied der Geburt, des Standes, der Bildung, der Beschäftigung in seiner Weise auf, wenn er Geburt, Stand, Büdung, Be- schäftigung für unpolitische Unterschiede erklärt, wenn er ohne Rücksicht auf diese Unterschiede jedes Güed des Volkes zumgleichmäßigenTheilmh- mer der Volkssouverainetät ausruft, wenn er aüe Elemente des wirklichen Volkslebens von dem Staatsgesichtspunkt aus behandelt. Nichts desto weniger läßt der Staat das Privateigenthum, die Büdung, die Beschäftigung 20 auf ihre Weise, d.h. als Privateigenthum, als Bildung, als Beschäftigung wirken und ihr besondres Wesen geltend machen. Weit entfernt, diese faktischen Unterschiede aufzuheben, existirt er vielmehr nur unter ihrer Voraussetzung, empfindet er sich als politischer Staat und macht er seme Allgemeinheit geltend nur im Gegensatz zu diesen seinen Elementen. Hegel bestimmt das Verhältniß des politischen Staats zur Religion daher ganz richtig, wenn er sagt: „Damit der Staat als die sich wissende sittliche Wirk lichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seme Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens nothwendig; diese Unterscheidung tritt aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung 30 kommt; nur so über die besondem Küchen hat der Staat die Allgemeinheit des Gedankens, das Prinzip seiner Form gewonnen und ||l9l| bringt sie zur Existenz." (Hegels Rechtsphü., 2te Ausg., p.346). Allerdings! Nur so über den besondern Elementen konstituirt sich der Staat als Allgemeinheit. 25 Der voüendete poütische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materieüen Leben. Aüe Voraus setzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürger lichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seme wahre Ausbüdung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in 40 der Wkklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches 35 148 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemein wesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch thätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich eben so spiritualistisch zur bürgerlichen Ge sellschaft, wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise, wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d. h. indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich sejbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungs wesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souverainetät, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt. Der Konflikt, in welchem sich der Mensch als Bekenner einer besondern Religion mit seinem Staatsbürgerthum, mit den andern Menschen, als Glie dern des Gemeinwesens befindet, reducirt sich auf die weltliche Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft. Für den Menschen als bourgeois ist das „Leben im Staat nur Schein oder eine momentane Ausnahme gegen das Wesen und die Regel". Allerdings bleibt der bourgeois, wie der Jude, nur sophistisch im Staatsleben, wie der citoyen nur sophistisch Jude oder bourgeois bleibt; aber diese Sophistik ist nicht persönlich. Sie ist die Sophistik des politischen Staates selbst. Die Differenz zwischen dem religiösen Menschen und dem Staatsbürger ist die Differenz zwischen dem ||192| Kaufmann und dem Staatsbürger, zwischen dem Tag- löhner und dem Staatsbürger, zwischen dem Grundbesitzer und dem Staatsbürger, zwischen dem lebendigen Individuum und dem Staatsbürger. Der Widerspruch, in dem sich der religiöse Mensch mit dem politischen Menschen befindet, ist derselbe Widerspruch, in welchem sich der bourgeois mit dem citoyen, in welchem sich das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft mit seiner politischen Löwenhaut befindet. Diesen weltlichen Widerstreit, auf welchen sich die Judenfrage schließlich reducirt, das Verhältniß des politischen Staates zu seinen Voraussetzungen, mögen dies nun materielle Elemente sein, wie das Privateigenthum etc., oder geistige, wie Bildung, Religion, den Widerstreit zwischen dem allgemeinen Interesse und dem Privatinteresse, die Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Gesellschaft, diese weltlichen Gegensätze läßt Bauer bestehen, während er gegen ihren religiösen Ausdruck polemisirt. „Grade ihre Grundlagen, das Bedürfniß, welches der bürgerlichen Gesell schaft ihr Bestehen sichert und ihre Nothwendigkeit garantirt, setzt ihr 149 Zur Judenfrage Bestehen beständigen Gefahren aus, unterhält in ihr ein unsicheres Element und bringt jene in beständigem Wechsel begriffene Mischung von Armuth und Reichthum, Noth und Gedeihen, überhaupt den Wechsel hervor." (p.8). Man vergleiche den ganzen Abschnitt: „Die bürgerliche GeseUschaft" (p. 8—9), der nach den Grundzügen der hegelschen Rechtsphüosophie ent worfen ist. Die bürgerliche GeseUschaft in ihrem Gegensatz zum politischen Staat wird als nothwendig anerkannt, weü der poütische Staat als nothwendig anerkannt wird. Die politische Emancipation ist aUerdings ein großer Fortschritt, sie ist zwar nicht die letzte Form der menschüchen Emancipation überhaupt, aber sie ist die letzte Form der menschlichen Emancipation innerhalb der bishe rigen Weltordnung. Es versteht sich: wir sprechen hier von wükücher, von praktischer Emancipation. Der Mensch emancipirt sich politisch von der Religion, indem er sie aus dem öffentiichen Recht in das Privatrecht verbannt. Sie ist nicht mehr der Geist des Staats, wo der Mensch — wenn auch in beschränkter Weise, unter besonderer Form und in einer besondern Sphäre — sich als Gattungswesen verhält, in Gemeinschaft mit andern Menschen, sie ist zum Geist der bürger lichen Gesellschaft geworden, der Sphäre des Egoismus, des bel lum ||193| omnium contra omnes. Sie ist nicht mehr das Wesen der Ge meinschaft, sondern das Wesen des Unterschieds. Sie ist zum Ausdruck der Trennung des Menschen von seinem Gemeinwesen, von sich und den andern Menschen geworden — was sie ursprünglich war. Sie ist nur noch das ab strakte Bekenntniß der besondern Verkehrtheit, der Privatschrulle, der Willkür. Die unendliche Zerspütterung der Reügion in Nordamerika ζ. B. gibt ihr schon äußerlich die Form einer rein individuellen Angelegenheit. Sie ist unter die Zahl der Privatinteressen hinabgestoßen und aus dem Gemein wesen als Gemeinwesen exüirt. Aber man täusche sich nicht über die Grenze der poütischen Emancipation. Die Spaltung des Menschen in den öffent lichen und in den Privatmenschen, die Dislokation der Religion aus dem Staate in die bürgerüche GeseUschaft, sie ist nicht eine Stufe, sie ist die Vollendung der politischen Emancipation, die also die wtkliche Religiosität des Menschen eben so wenig aufhebt, als aufzuheben strebt. Die Zersetzung des Menschen in den Juden und in den Staatsbürger, in den Protestanten und in den Staatsbürger, in den reügiösen Menschen und in den Staatsbürger, diese Zersetzung ist kerne Lüge gegen das Staatsbür gerthum, sie ist keine Umgehung der poütischen Emancipation, sie ist die politische Emancipation selbst, sie ist die politische Weise, sich von der Reügion zu emancipiren. Allerdmgs: In Zeiten, wo der poütische Staat als politischer Staat gewaltsam aus der bürgerlichen Gesellschaft heraus gebo- 150 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage ren wird, wo die menschliche Selbstbefreiung unter der Form der poütischen Selbstbefreiung sich zu vollziehen strebt, kann und muß der Staat bis zur Aufhebung der Religion, bis zur Vernichtung der Religion fortgehen, aber nur so, wie er zur Aufhebung des Privateigenthums, zum Maximum, zur Konfiskation, zur progressiven Steuer, wie er zur Aufhebung des Lebens, zur Guillotine fortgeht. In den Momenten seines besondern Selbstgefühls sucht das politische Leben seine Voraussetzung, die bürgerliche Gesellschaft und ihre Elemente zu erdrücken und sich als das wirkliche, widerspruchslose Gattungsleben des Menschen zu konstituiren. Es vermag dies indeß nur durch gewaltsamen Widerspruch gegen seine eigenen Lebensbedingungen, nur indem es die Revolution für permanent erklärt, und das politische Drama endet daher eben so nothwendig mit der Wiederherstellung der Religion, des Privat|| 194|eigenthums, aller Elemente der bürgerlichen Gesellschaft, wie der Krieg mit dem Frieden endet. Ja, nicht der sogenannte christiiche Staat, der das Christenthum als seine Grundlage, als Staatsreligion bekennt, und sich daher ausschließend zu andern Religionen verhält, ist der vollendete christliche Staat, sondern viel mehr der atheistische Staat, der demokratische Staat, der Staat, der die Religion unter die übrigen Elemente der bürgerlichen Gesellschaft verweist. Dem Staat der noch Theologe ist, der noch das Glaubensbekenntniß des Christenthums auf offizielle Weise ablegt, der sich noch nicht als Staat zu proklamiren wagt, ihm ist es noch nicht gelungen, in weltlicher, menschlicher Form, in seiner Wkklichkeit als Staat die menschliche Grundlage aus zudrücken, deren überschwänglicher Ausdruck das Christenthum ist. Der sogenannte christliche Staat ist nur einfach der Nichtstaat, weil nicht das Christenthum als Religion, sondern nur der menschliche Hintergrund der christlichen Religion in wirklich menschlichen Schöpfungen sich ausführen kann. Der sogenannte christliche Staat ist die christliche Verneinung des Staats, aber keineswegs die staatliche Verwirklichung des Christenthums. Der Staat, der das Christenthum noch in der Form der Religion bekennt, bekennt es noch nicht in der Form des Staats, denn er verhält sich noch religiös zu der Religion, d.h. er ist nicht die wtküche Ausführung des menschlichen Grundes der Religion, weil er noch auf die Unwtklichkeit, auf die imaginaire Gestalt dieses menschlichen Kernes provocirt. Der sogenannte christliche Staat ist der unvollkommene Staat und die christliche Religion gilt ihm als Ergänzung und als Heiligung seiner Unvollkommenheit. Die Religion wird ihm daher nothwendig zum Mittel und er ist der Staat der Heuchelei. Es ist ein großer Unterschied, ob der vollendete Staat wegen des Mangels, der im allgemeinen Wesen des Staats hegt, die Religion unter seine Voraussetzun gen zählt, oder ob der unvollendete Staat wegen des Mangels, der in seiner 151 Zur Judenfrage besondern Existenz liegt, als mangelhafter Staat, die Religion für seine Grundlage erklärt. Im letztern Fall wird die Religion zur unvollkommenen Politik. Im ersten Fall zeigt sich die Unvollkommenheit selbst der voll endeten Politik in der Religion. Der sogenannte christliche Staat bedarf der christlichen Religion, um sich als Staat zu vervollständigen. Der demokra- tische Staat, der wirk||l95|liche Staat bedarf nicht der Religion zu seiner politischen Vervollständigung. Er kann vielmehr von der Religion abstra- hiren, weil in ihm die menschliche Grundlage der Religion auf weltliche Weise ausgeführt ist. Der sogenannte christliche Staat verhält sich dagegen politisch zur Religion und religiös zur Politik. Wenn er die Staatsformen 10 zum Schein herabsetzt, so setzt er eben so sehr die Religion zum Schein herab. 5 Um diesen Gegensatz zu verdeutlichen, betrachten wir Bauers Konstruk tion des christlichen Staats, eine Konstruktion, welche aus der Anschauung des christlich-germanischen Staats hervorgegangen ist. 15 „Man hat neuerlich", sagt Bauer, „um die Unmöglichkeit oder Nicht- existenz eines christlichen Staates zu beweisen, öfter auf diejenigen Aus sprüche in dem Evangelium hingewiesen, die der Staat nicht nur nicht be folgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht voll ständig auflösen will" „So leicht aber ist die Sache nicht abgemacht. Was verlangen denn jene evangeüschen Sprüche? Die übernatürüche Selbst- verläugnung, die Unterwerfung unter die Autorität der Offenbarung, die Abwendung vom Staat, die Aufhebung der weltüchen Verhältnisse. Nun aües das verlangt und leistet der christiiche Staat. Er hat den Geist des Evangeliums sich angeeignet und wenn er ihn nicht mit denselben Buch- staben wiedergibt, mit denen ihn das Evangelium ausdrückt, so kommt das nur daher, weil er diesen Geistin Staatsformen, d.h. in Formen ausdrückt, die zwar dem Staatswesen in dieser Welt entlehnt sind, aber in der religiösen Wiedergeburt, die sie erfahren müssen, zum Schein herabgesetzt werden. Er ist die Abwendung vom Staat, die sich zu ihrer Ausführung der Staats- 30 formen bedient." P. 55. 25 20 Bauer entwickelt nun weiter, wie das Volle des christlichen Staats nur ein Nichtvolk ist, kernen eignen Wülen mehr hat, sein wahres Dasein aber in dem Haupte besitzt, dem es unterthan, welches ihm jedoch ursprünglich und seiner Natur nach fremd, d. h. von Gott gegeben und ohne sein eignes Zuthun 35 zu ihm gekommen ist, wie die Gesetze dieses Volkes nicht sein Werk, sondern positive Offenbarungen sind, wie sein Oberhaupt privilegirter Vermittler mit dem eigentlichen Volke, mit der Masse bedarf, wie diese Masse selbst in eine Menge besondrer Kreise zerfällt, welche der Zufaü büdet und bestimmt, die sich durch ihre Interessen, besonderen Leiden- 40 schaf||l96|ten und Vorurtheüe unterscheiden und als Privüegium die Er- 152 Γ I. Bruno Bauer: Die Judenfrage laubniß bekommen, sich gegenseitig von einander abzuschließen, etc. P.56. Allein Bauer sagt selbst: „Die Politik, wenn sie nichts als Religion sein soll, darf nicht Politik sein, so wenig, wie das Reinigen der Kochtöpfe, wenn es 5 als Religionsangelegenheit gelten soll, als eine Wirthschaf tssache betrachtet werden darf." P. 108. Im christlich germanischen Staat ist aber die Religion eine „Wirthschaftssache", wie die „Wirthschaftssache" Religion ist Im christlich germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der Herrschaft. 15 10 Die Trennung des „Geistes des Evangeliums" von den „Buchstaben des Evangeliums" ist ein irreligiöser Akt. Der Staat, der das Evangelium in den Buchstaben der Politik sprechen läßt, in andern Buchstaben, als den Buch staben des heiligen Geistes, begeht ein Sakrilegium, wenn nicht vor mensch lichen Augen, so doch vor seinen eigenen religiösen Augen. Dem Staat, der das Christenthum als seine höchste Norm, der die Bibel als seine Charte bekennt, muß man die Worte der heiligen Schrift entgegenstellen, denn die Schrift ist heilig bis auf das Wort. Dieser Staat sowohl, als das Men schenkehricht, worauf er basirt, geräth in einen schmerzlichen, vom Stand punkt des religiösen Bewußtseins aus unüberwindlichen Widerspruch, wenn 20 man ihn auf diejenigen Aussprüche des Evangeliums verweist, die er „nicht nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht als Staat vollständig auflösen will". Und warum will er sich nicht vollständig auflösen? Er selbst kann darauf weder sich, noch andern ant worten. Vor seinem eignen Bewußtsein ist der officielle christliche Staat ein Sollen, dessen Verwirklichung unerreichbar ist, der die Wirklichkeit seiner Existenz nur durch Lügen vor sich selbst zu konstatiren weiß und sich selbst daher stets ein Gegenstand des Zweifels, ein unzuverlässiger, problemati scher Gegenstand bleibt. Die Kritik befindet sich also in vollem Rechte, wenn sie den Staat, der auf die Bibel provocirt, zur Verrücktheit des Bewußtseins zwingt, wo er selbst nicht mehr weiß, ob er eine Einbildungoder eine Realität ist, wo die Infamie seiner weltlichen Zwecke, denen die Religion zum Deck mantel dient, mit der Ehrlichkeit seines religiösen Bewußtseins, dem die Religion als Zweck der Welt erscheint, in unauflöslichen Conflict geräth. Dieser Staat kann sich nur aus seiner innern Qual erlösen, wenn er zum Schergen der katholischen Kirche wird. Ihr gegenüber, welche die weltliche Macht für ihren dienenden jjl97j Körper erklärt, ist der Staat ohnmächtig, ohnmächtig die weltliche Macht, welche die Herrschaft des religiösen Geistes zu sein behauptet. 30 25 35 40 In dem sogenannten christlichen Staat gilt zwar die Entfremdung, aber nicht der Mensch. Der einzige Mensch, der gilt, der König, ist ein von den andern Menschen spezifisch unterschiedenes, dabei selbst noch religiöses, 153 Zur Judenfrage mit dem Himmel, mit Gott direkt zusammenhängendes Wesen. Die Bezie hungen, die hier herrschen, sind noch gläubige Beziehungen. Der religiöse Geist ist also noch nicht wirklich verweltlicht. Aber der religiöse Geist kann auch nicht wtklich verweltlicht werden, denn was ist er selbst, als die unweltliche Form einer Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes? Der religiöse Geist kann nur verwirklicht werden, insofern die Entwicklungsstufe des menschlichen Geistes, deren religiöser Ausdruck er ist, in ihrer weltlichen Form heraustritt und sich konstituirt. Dies geschieht im demokratischen Staat. Nicht das Christenthum, sondern der menschliche Grund des Christenthums ist der Grund dieses Staates. Die Religion bleibt das ideale, unweltliche Bewußtsein seiner Glieder, weil sie die ideale Form der menschlichen Entwicklungsstufe ist, die in ihm durch geführt wird. 5 10 15 Religiös sind die Glieder des politischen Staats durch den Dualismus zwischen dem individueüen und dem Gattungsleben, zwischen dem Leben der bürgerlichen GeseUschaft und dem politischen Leben, religiös, indem der Mensch sich zu dem seiner wirküchen Individuaütät jenseitigen Staatsleben als seinem wahren Leben verhält, religiös, insof ern die Religion hier der Geist der bürgerüchen GeseUschaft, der Ausdruck der Trennung und der Ent fernung des Menschen vom Menschen ist. Christlich ist die politische De- 20 mokratie, indem in ihr der Mensch, nicht nur ein Mensch, sondern jeder Mensch, als souveränes, als höchstes Wesen gut, aber der Mensch in semer unkultivirten, unsocialen Erscheinung, der Mensch in seiner zufäüigen Existenz, der Mensch, wie er geht und steht, der Mensch, wie er durch die ganze Organisation unserer GeseUschaft verdorben, sich selbst verloren, 25 veräußert, unter die Herrschaft unmenschücher Verhältnisse und Elemente gegeben ist, mit einem Wort, der Mensch, der noch kein wkktiches Gattungs wesen ist. Das Phantasiegebüd, der Traum, das Postulat des Christenthums, die Souveränetät des Menschen, aber als eines fremden, von dem wirküchen Menschen unterschiedenen Wesens, ||l98J ist in der Demokratie sinnliche Wüküchkeit, Gegenwart, weltüche Maxime. 30 Das religiöse und theologische Bewußtsem selbst gut sich in der voU- endeten Demokratie um so reügiöser, um so theologischer, als es scheinbar ohne politische Bedeutung, ohne irdische Zwecke, Angelegenheit des weltscheuen Gemüthes, Ausdruck der Verstandes-Bornirtheit, Produkt der 35 Wülkür und der Phantasie, als es ein wirklich jenseitiges Leben ist. Das Christenthum erreicht hier den praktischen Ausdruck seiner universalreü- giösen Bedeutung, indem die verschiedenartigste Weltanschauung in der Form des Christenthums sich neben einander gruppirt, noch mehr dadurch, daß es an andere nicht einmal die Forderung des Cfiristenthums, sondern nur 40 noch der Reügion überhaupt, ügend einer Reügion steUt (vergi, die an- 154 r I. Bruno Bauer: Die Judenfrage geführte Schrift von Beaumont). Das religiöse Bewußtsein schwelgt in dem Reichthum des religiösen Gegensatzes und der religiösen Mannigfaltigkeit. Wir haben also gezeigt: Die politische Emancipation von der Religion läßt die Religion bestehn, wenn auch keine privilegirte Religion. Der Wider- 5 Spruch, in welchem sich der Anhänger einer besondern Religion mit seinem Staatsbürgerthum befindet, ist nur ein Theil des allgemeinen weltlichen Widerspruchs zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Ge sellschaft. Die Vollendung des christlichen Staats ist der Staat, der sich als Staat bekennt und von der Religion seiner Glieder abstrahirt. Die Eman- 1 o cipation des Staats von der Religion ist nicht die Emancipation des wirklichen Menschen von der Religion. Wir sagen also nicht mit Bauer den Juden: Ihr könnt nicht politisch emancipirt werden, ohne euch radikal vom Judenthum zu emancipiren. Wir sagen ihnen vielmehr: Weil ihr politisch emancipirt werden könnt, ohne euch 15 vollständig und widerspruchlos vom Judenthum loszusagen, darum ist die politische Emancipation selbst nicht die menschliche Emancipation. Wenn ihr Juden politisch emancipirt werden wollt, ohne euch selbst menschlich zu emancipiren, so liegt die Halbheit und der Widerspruch nicht nur in euch, sie liegt in dem Wesen und der Kategorie der politischen Emancipation. 20 Wenn ihr in dieser Kategorie befangen seid, so theilt ihr eine allgemeine Befangenheit. Wie der Staat evangelisirt, wenn er, obschon Staat, sich christlich zu dem Juden verhält, so politisirt der Jude, wenn er, obschon Jude Staatsbürgerrechte verlangt. | jl99| Aber wenn der Mensch, obgleich Jude, politisch emancipirt werden, 25 Staatsbürgerrechte empfangen kann, kann er die sogenannten Menschen rechte in Anspruch nehmen und empfangen? Bauer leugnet es. „Die Frage ist, ob der Jude als solcher, d. h. der Jude, der selber eingesteht, daß er durch sein wahres Wesen gezwungen ist, in ewiger Absonderung von Andren zu leben, fähig sei, die allgemeinen Menschenrechte zu empfangen und Andern 30 zuzugestehn." 35 „Der Gedanke der Menschenrechte ist für die christliche Welt erst im vorigen Jahrhundert entdeckt worden. Er ist dem Menschen nicht angeboren, er wird vielmehr nur erobert im Kampfe gegen die geschichtlichen Tradi tionen, in denen der Mensch bisher erzogen wurde. So sind die Menschen- rechte nicht ein Geschenk der Natur, keine Mitgift der bisherigen Ge schichte, sondern der Preis des Kampfes gegen den Zufall der Geburt und gegen die Privilegien, welche die Geschichte von Generation auf Generation bis jetzt vererbt hat. Sie sind die Resultate der Bildung und derjenige kann sie nur besitzen, der sie sich erworben und verdient hat." 40 „Kann sie nun der Jude wirklich in Besitz nehmen? So lange er Jude ist, muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit Menschen 155 Zur Judenfrage verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden macht, den Sieg davontragen und ihn von den NichtJuden absondern. Er erklärt durch diese Absonderung, daß das besondere Wesen, das ihn zum Juden macht, sein wahres höchstes Wesen ist, vor welchem das Wesen des Menschen zurück treten muß." „In derselben Weise kann der Christ als Christ kerne Menschenrechte gewähren." p. 19, 20. Der Mensch muß nach Bauer das „Privilegium des Glaubens"aufopfern, um die aUgemeinen Menschenrechte empfangen zu können. Betrachten wü einen Augenblick die sogenannten Menschenrechte und zwar die Menschen- rechte unter ihrer authentischen Gestalt, unter der Gestalt, welche sie bei ihren Entdeckern, den Nordamerikanern und Franzosen besitzen! Zum Theü sind diese Menschenrechte politische Rechte, Rechte, die nur in der Ge meinschaft mit andern ausgeübt werden. Die Theilnahme am Gemeinwesen und zwar am politischen Gemeinwesen, am Staatswesen, bildet ihren Inhalt. Sie fallen unter die Kategorie der politischen Freiheit, unter die Kategorie der Staatsbürgerrechte, welche keineswegs, wie wü gesehn, die wider spruchslose ||200| und positive Aufhebung der Religion, also etwa auch des Judenthums, voraussetzen. Es bleibt der andere Theü der Menschenrechte zu betrachten, die droits de l'homme, insofern sie unterschieden sind von den droits du citoyen. In ihrer Reihe f indet sich die Gewissensf reiheit, das Recht einen beliebigen Kultus auszuüben. Das Privilegium des Glaubens wird ausdrücklich an erkannt, entweder als ein Menschenrecht, oder als Konsequenz eines Menschenrechtes, der Freiheit. Déclaration des droits de l'homme et du citoyen, 1791, art. 10: «Nul ne doit être inquiété pour ses opinions même reügieuses. » Im Titre I der Constitution von 1791 wird als Menschenrecht garantírt: «La liberté à tout homme d'exercer le culte religieux auquel il est attaché. » Déclaration des droits de l'homme, etc. 1793 zählt unter die Menschen- rechte, art. 7: « Le übre exercice des cultes. » Ja, in Bezug auf das Recht, seine Gedanken und Meinungen zu veröffentlichen, sich zu versammeln, semen Kultus auszuüben, heißt es sogar: «La nécessité d'énoncer ces droits sup pose ou la présence ou le souvenir récent du despotisme.» Man vergleiche die Constitution von 1795, titre XIV. art. 354. 5 10 15 20 25 30 35 Constitution de Pensylvanie, art. 9. § 3: «Tous les hommes ont reçu de la nature le droit imprescriptible d'adorer le Tout-Puissant selon les inspüations de leur conscience, et nul ne peut légalement être contraint de suivre, ins tituer ou soutenu- contre son gré aucun culte ou ministère reügieux. NuUe autorité húmame ne peut, dans aucun cas, intervenir dans les questions de 40 conscience et contrôler les pouvoirs de l'ame.» 156 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage Constitution de New-Hampshire, art. 5 e t 6: «Au nombre des droits natu rels, quelques-uns sont inaliénables de leur nature, parce que rien n'en peut être l'équivalent. De ce nombre sont les droits de conscience.» (Beaumont I.e., p.213, 214.) 5 Die Unvereinbarkeit der Religion mit den Menschenrechten liegt so wenig im Begriff der Menschenrechte, daß das Recht, religiös zu sein, auf beliebige Weise religiös zu sein, den'Kultus seiner besonderen Religion auszuüben, vielmehr ausdrücklich unter die Menschenrechte gezählt wird. Das Privile gium des Glaubens ist ein allgemeines Menschenrecht. 10 Die droits de l'homme, die Menschenrechte werden als solche unter schieden von den droits du citoyen, von den Staatsbürger||20l|rechten. Wer ist der vom citoyen unterschiedene homme? Niemand anders, als das Mit glied der bürgerlichen Gesellschaft. Warum wird das Mitglied der bürger lichen Gesellschaft „Mensch", Mensch scMechthin, warum werden seine 15 Rechte Menschenrechte genannt? Woraus erklären wir dies Faktum? Aus dem Verhältniß des politischen Staats zur bürgerlichen Gesellschaft, aus dem Wesen der politischen Emancipation. 20 Vor allem konstatiren wir die Thatsache, daß die sogenannten Menschen rechte, die droits de l'homme im Unterschied von den droits du citoyen nichts anderes sind, als die Rechte des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft, d. h. des egoistischen Menschen, des vom Menschen und vom Gemeinwesen getrennten Menschen. Die radikalste Konstitution, die Konstitution von 1793, mag sprechen: Déclaration des droits de l'homme et du citoyen. Art. 2. Ces droits etc. (les droits naturels et imprescriptibles) sont: l'égalité, 25 la liberté, la sûreté, la propriété. Worin besteht die liberté? Art. 6. «La liberté est le pouvoir qui appartient à l'homme de faire tout ce qui ne nuit pas aux droits d'autrui», oder nach der Deklaration der 30 Menschenrechte von 1791: «La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui . ne nuit pas à d'autrui. » 35 Die Freiheit ist also das Recht, alles zu thun und zu treiben, was keinem andern schadet. Die Grenze, in welcher sich jeder dem andern unschädlich bewegen kann, ist durch das Gesetz bestimmt, wie die Grenze zweier Felder durch den Zaunpfahl bestimmt ist. Es handelt sich um die Freiheit des Menschen als isolirter auf sich zurückgezogener Monade. Warum ist der Jude nach Bauer unfähig, die Menschenrechte zu empfangen. „So lange er Jude ist, muß über das menschliche Wesen, welches ihn als Menschen mit Menschen verbinden sollte, das beschränkte Wesen, das ihn zum Juden 40 macht, den Sieg davon tragen und ihn von den NichtJuden absondern." Aber das Menschenrecht der Freiheit basirt nicht auf der Verbindung des Men- 157 Zur Judenfrage sehen mit dem Menschen, sondern vielmehr auf der Absonderung des Menschen von dem Menschen. Es ist das Recht dieser Absonderung, das Recht des beschränkten auf sich beschränkten Individuums. Die praktische Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit ist das Menschenrecht des Privateigenthums. 5 Worin besteht das Menschenrecht des Privateigenthums? | |202| Art. 16. (Constitution von 1793.) «Le droit de propriété est celui qui appartient à tout citoyen de jouir et de disposer à son gré de ses biens, de ses revenus, du fruit de son travail et de son industrie. » Das Menschenrecht des Privateigenthums ist also das Recht, willkürlich 10 (à son gré), ohne Beziehung auf andre Menschen, unabhängig von der Gesellschaft, sein Vermögen zu genießen und über dasselbe zu disponiren, das Recht des Eigennutzes. Jene individuelle Freiheit, wie diese Nutz anwendung derselben, bilden die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. Sie läßt jeden Menschen im andern Menschen nicht die Verwtküchung, sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit finden. Sie proklamirt vor allem aber das Menschenrecht „de jouir et de disposer à songré de ses biens, de ses revenus, du fruit de son travail et de son industrie". 15 Es bleiben noch die andern Menschenrechte, die égalité und die sûreté. Die égalité hier in ihrer nichtpoütischen Bedeutung, ist nichts als die 20 Gleichheit der oben beschriebenen liberté, nämlich: daß jeder Mensch gleichmäßig als solche auf sich ruhende Monade betrachtet wird. Die Con stitution von 1795 bestimmt den Begriff dieser Gleichheit, ihrer Bedeutung angemessen, dahin: Art. 3. (Constitution de 1795.) «L'égalité consiste en ce que la loi est la 25 même pour tous, soit qu'elle protège, soit qu'elle punisse.» Und die sûreté? Art. 8 (Constitution de 1793) «La sûreté consiste dans la protection ac cordée par la société à chacun de ses membres pour la conservation de sa personne, de ses droits et de ses propriétés.» Die Sicherheit ist der höchste sociale Begriff der bürgerlichen Gesell schaft, der Begriff der Polizei, daß die ganze Gesellschaft nur da ist, um jedem ihrer Glieder die Erhaltung seiner Person, seiner Rechte und seines Eigenthums zu garantiren. Hegel nennt in diesem Sinn die bürgerliche Gesellschaft „den Noth- und Verstandesstaat". Durch den Begriff der Sicherheit erhebt sich die bürgerliche GeseUschaft nicht über ihren Egoismus. Die Sicherheit ist vielmehr die Vers/coerungihres Egoismus. 30 35 Kernes der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitgüed der bürgerüchen 40 GeseUschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privat ise I. Bruno Bauer: Die Judenfrage Willkür z u r ü c k g e z o g e n es und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist. Weit entfernt, daß der Mensch in ||2031 ihnen als Gattungswesen aufgefaßt wurde, erscheint vielmehr das Gattungsleben selbst, die Gesellschaft, als ein den Individuen äußerlicher Rahmen, als Beschränkung ihrer ursprünglichen 5 Selbstständigkeit. Das einzige Band, das sie zusammenhält, ist die Natur- Nothwendigkeit, das Bedürfniß und das Privatinteresse, die Conservation ihres Eigenthums und ihrer egoistischen Person. 15 Es ist schon räthselhaft, daß ein Volk, welches eben beginnt sich zu befreien, alle Barrieren zwischen den verschiedenen Volksgliedern nieder- 1 o zureißen, ein politisches Gemeinwesen zu gründen, daß ein solches Volk die Berechtigung des egoistischen, vom Mitmenschen und vom Gemeinwesen abgesonderten Menschen feierlich proklamirt (déclaration de 1791), ja diese Proklamation in einem Augenblicke wiederholt, wo die heroischste Hin gebung allein die Nation retten kann und daher gebieterisch verlangt wird, in einem Augenblicke, wo die Aufopferung aller Interessen der bürgerlichen Gesellschaft zur Tagesordnung erhoben und der Egoismus als ein Verbre chen bestraft werden muß. (Déclaration des droits de l'homme etc. de 1793.) Noch räthselhafter wird diese Thatsache, wenn wir sehen, daß das Staats bürgerthum, das politische Gemeinwesen von den politischen Emancipato- ren sogar zum blosen Mittel für die Erhaltung dieser sogenannten Menschen rechte herabgesetzt, daß also der citoyen zum Diener des egoistischen homme erklärt, die Sphäre, in welcher der Mensch sich als Gemeinwesen verhält, unter die Sphäre, in welcher er sich als Theilwesen verhält, degradirt, endlich nicht der Mensch als citoyen, sondern der Mensch als bourgeois f ür den eigentlichen und wahren Menschen genommen wird. 25 20 «Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l'homme. » (Déclaration des droits etc. de 1791 Art. 2.) «Le gouvernement est institué pour garantir à l'homme la jouissance de ses droits naturels et imprescriptibles.» (Déclaration etc. de 1793 art. 1.) 30 Also selbst in den Momenten seines noch jugendfrischen und durch den Drang der Umstände auf die Spitze getriebenen Enthusiasmus, erklärt sich das politische Leben für ein bloßes Mittel, dessen Zweck das Leben der bürgerlichen Gesellschaft ist. Zwar steht seine revolutionaire Praxis in flagrantem Widerspruch mit seiner Theorie. Während z. B. die Sicherheitals ein Menschenrecht erklärt wird, wird die Verletzung des Briefgeheimnisses öffentlich auf die Tagesordnung gesetzt. Während die „liberte indé finie ||204| de la presse" (Constitution de 1793 art. 122) als Consequenz des Menschenrechts, der individuellen Freiheit, garantirt wird, wird die Preß freiheit vollständig vernichtet, denn «la liberté de la presse ne doit pas être 40 permise lorsqu'elle compromet la liberté publique ». (Robespierre jeune, hist, parlem. de la rév. franc, par Bûchez et Roux, T.28 p. 159), d.h. also: das 35 159 Zur Judenfrage Menschenrecht der Freiheit hört auf ein Recht zu sein, sobald es mit dem politischen Leben in Konflikt tritt, während der Theorie nach das politische Leben nur die Garantie der Menschenrechte, der Rechte des individuellen Menschen ist, also aufgegeben werden muß, sobald es seinem Zwecke, diesen Menschenrechten widerspricht. Aber die Praxis ist nur die Ausnahme und die Theorie ist die Regel. Will man aber selbst die revolutionäre Praxis als die richtige Stellung des Verhältnisses betrachten, so bleibt immer noch das Räthsel zu lösen, warum im Bewußtsein der politischen Emancipatoren das Verhältniß auf den Kopf gestellt ist und der Zweck als Mittel, das Mittel als Zweck erscheint. Diese optische Täuschung ihres Bewußtseins wäre 10 immer noch dasselbe Räthsel, obgleich dann ein psychologisches, ein theo retisches Räthsel. 5 Das Räthsel löst sich einfach. Die politische Emancipation ist zugleich die Auflösung der alten Ge sellschaft, auf welcher das dem Volk entfremdete Staatswesen, die 15 Herrschermacht, ruht. Die politische Revolution ist die Revolution der bürgerlichen GeseUschaft. Welches war der Charakter der alten GeseU schaft? Ein Wort charakterisirt sie. Die Feudalität. Die alte bürgerliche GeseUschaft hatte unmittelbar einen politischen Charakter, d. h. die Ele mente des bürgerlichen Lebens, wie ζ. B. der Besitz oder die Famüie, oder 20 die Art und Weise der Arbeit, waren in der Form der Grundherrüchkeit, des Standes und der Corporation zu Elementen des Staatslebens erhoben. Sie bestimmten in dieser Form das Verhältniß des einzelnen Individuums zum Staatsganzen, d.h. sein politisches Verhältniß, d.h. sein Verhältniß der Trennung und Ausschüeßung von den andern Bestandtheüen der GeseU- 25 schaft. Denn jene Organisation des Volkslebens erhob den Besitz oder die Arbeit nicht zu socialen Elementen, sondern voUendete vielmehr ihre Trennung von dem Staatsganzen, und constituirte sie zu besondern Ge- seüschaften in der GeseUschaft. So waren indeß immer noch die Lebens funktionen und Lebensbedingungen der bürgerlichen GeseUschaft politisch, wenn auch poütisch im Sinne der Feu||205|daütät, d. h. sie schlössen das Individuum vom Staatsganzen ab, sie verwandelten das besondere Verhält niß semer Corporation zum Staatsganzen in sein eignes aügemeines Ver hältniß zum Volksleben, wie seme bestimmte bürgerliche Thätigkeit und Situation in seine aügemeine Thätigkeit und Situation. Als Konsequenz 35 dieser Organisation erscheint nothwendig die Staatseinheit, wie das Be wußtsein, der Wiüe und die Thätigkeit der Staatseinheit, die aügemeine Staatsmacht, ebenfaUs als besondere Angelegenheit eines von dem Volk abgeschiedenen Herrschers und serner Diener. 30 Die politische Revolution, welche diese Herrschermacht stürzte und die 40 Staatsangelegenheiten zu Volksangelegenheiten erhob, welche den poü- 160 I. Bruno Bauer: Die Judenfrage 5 tischen Staat als allgemeine Angelegenheit, d. h. als wirklichen Staat con stituirte, zerschlug nothwendig alle Stände, Corporationen, Innungen, Pri vilegien, die eben so viele Ausdrücke der Trennung des Volkes von seinem Gemeinwesen waren. Die politische Revolution hob damit den politischen Charakter der bürgerlichen Gesellschaft auf. Sie zerschlug die bürgerliche Gesellschaft in ihre einfachen Bestandtheile, einerseits in die Individuen, andrerseits in die materiellen und geistigen Elemente, welche den Lebensin halt, die bürgerliche Situation dieser Individuen bilden. Sie entfesselte den politischen Geist, der gleichsam in die verschiedenen Sackgassen der feu- 10 dalen Gesellschaft zertheilt, zerlegt, zerlaufen war; sie sammelte ihn aus dieser Zerstreuung, sie befreite ihn von seiner Vermischung mit dem bürger lichen Leben, und constituirte ihn als die Sphäre des Gemeinwesens, der allgemeinen Volksangelegenheit in idealer Unabhängigkeit von jenen be sondern Elementen des bürgerlichen Lebens. Die bestimmte Lebensthätig- 15 keit und die bestimmte Lebenssituation sanken zu einer nur individuellen Bedeutung herab. Sie bildeten nicht mehr das allgemeine Verhältniß des Individuums zum Staatsganzen. Die öffentliche Angelegenheit als solche ward vielmehr zur allgemeinen Angelegenheit jedes Individuums und die politische Function zu seiner allgemeinen Function. 20 Allein die Vollendung des Idealismus des Staats war zugleich die Voll endung des Materialismus der bürgerlichen Gesellschaft. Die Abschüttlung des politischen Jochs war zugleich die Abschüttlung der Bande, welche den egoistischen Geist der bürgerlichen Gesellschaft gefesselt hielten. Die po litische Emancipation war zugleich die Emancipation der bürgerlichen 25 Gesellschaft von der Politik, von dem Schein selbst eines allgemeinen In halts, ι |206| Die feudale Gesellschaft war aufgelöst in ihren Grund, in den Menschen. Aber in den Menschen, wie er wirklich ihr Grund war, in den egoistischen Menschen. 30 Dieser Mensch, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, ist nun die Basis, die Voraussetzung des politischen Staats. Er ist von ihm als solche anerkannt in den Menschenrechten. Die Freiheit des egoistischen Menschen und die Anerkennung dieser Freiheit ist aber vielmehr die Anerkennung der zügellosen Bewegung der 35 geistigen und materiellen Elemente, welche seinen Lebensinhalt bilden. Der Mensch wurde daher nicht von der Religion befreit, er erhielt die Religionsfreiheit. Er wurde nicht vom Eigenthum befreit. Er erhielt die Freiheit des Eigenthums. Er wurde nicht von dem Egoismus des Gewerbes befreit, er erhielt die Gewerbfreiheit. 40 Die Constitution des politischen Staats und die Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft in die unabhängigen Individuen — deren Verhältniß das Recht 161 Zur Judenfrage ist, wie das Verhältniß der Standes- und Innungsmenschen das Privilegium war — vollzieht sich in einem und demselben Akte. Der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch erscheint aber nothwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l'homme er scheinen als droits naturels, denn die selbstbewußte Thätigkeit concentrirt sich auf den politischen Akt. Oer egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der un mittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolu tion löst das bürgerliche Leben in seme Bestandtheüe auf, ohne diese Be- standtheüe selbst zu revolutioniren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen GeseUschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts als zur Grundlage ihres Be- stehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis. Endüch g ut der Mensch, wie er Mitgüed der bürgerüchen GeseUschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unter- schied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner siniüichen individuellen nächsten Existenz ist, während der politische Mensch nur der abstrahirte, künstiiche Mensch ist, der Mensch als eme allegorische, moralische Per son. Der wirküche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Indivi duums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen an- erkannt. | |207| Die Abstraction des politischen Menschen schüdert Rousseau richtig 5 10 15 20 also: «Celui qui ose entreprendre d'instituer un peuple doit se sentir en état de changer, pour ainsi d ue la nature humaine, de transformer chaque mdividu, qui par lui-même est un tout parfait et solitaüe en partie d'un plus grand tout, dont cet individu reçoive en quelque sorte sa vie et son être, de substituer une existence partielle et morale à l'existence physique et indépendante. Il faut qu'il ôte à l'homme ses forces propres pour lui en donner qui lui soient étrangères et dont ü ne puisse faire usage sans le secours d'autrui.» (Cont. 30 Soc. üv.II, Londr. 1782, p. 67, 68.) 25 Aile Emancipation ist Zurückfübrung der menschlichen Welt, der Ver hältnisse, auf den Menschen selbst. Die politische Emancipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitgüed der bürgerüchen GeseUschaft, auf das egoistische un- 35 abhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person. Erst wenn der wirkliche individueüe Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueUer Mensch in seinem empüischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in semen individueUen Verhältnissen, 40 Gattungswesen geworden ist, erst, wenn der Mensch seine „forces propres" 162 II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisirt hat und daher die ge- sellschafüiche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emancipation vollbracht. 5 II. Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden. Von Bruno Bauer. (Ein und zwanzig Bogen pag. 56—71.) Unter dieser Form behandelt Bauer das Verhältniß der jüdischen und 1 o chrìstlichen Religion, wie das Verhältniß derselben zur Kritik. Ihr Verhältniß zur Kritik ist ihr Verhältniß „zur Fähigkeit frei zu werden". Es ergibt sich: „Der Christ hat nur eine Stufe, nämlich seine Religion zu übersteigen, um die Reügion überhaupt aufzuheben", also frei zu werden, „der Jude dagegen hat nicht nur mit seinem jüdischen Wesen, sondern auch 15 mit der Entwicklung der Vollendung seiner Religion zu brechen, mit einer Entwicklung, die ihm fremd geblieben ist." Pag. 71. | |208| Bauer verwandelt also hier die Frage von der Judenemancipation in eine rein religiöse Frage. Der theologische Scrupel, wer eher Aussicht hat, selig zu werden, Jude oder Christ, wiederholt sich in der aufgeklärten Form, 20 wer von beiden ist emancipationsfähigerl Es fragt sich zwar nicht mehr: macht Judenthum oder Christenthum frei? sondern vielmehr umgekehrt, was macht freier, die Negation des Judenthums oder die Negation des Chri stenthums? 25 „Wenn sie frei werden wollen, so dürfen sich die Juden nicht zum Chri- stenthum bekennen, sondern zum aufgelösten Christenthum, zur aufgelösten Religion überhaupt, d. h. zur Aufklärung, Kritik und ihrem Resultate, der freien Menschlichkeit." P. 70. Es handelt sich immer noch um ein Bekenntniß für den Juden, aber nicht mehr um das Bekenntniß zum Christenthum, sondern zum aufgelösten 30 Christenthum. Bauer stellt an den Juden die Forderung, mit dem Wesen der christlichen Religion zu brechen, eine Forderung, welche, wie er selbst sagt, nicht aus der Entwicklung des jüdischen Wesens hervorgeht. 35 Nachdem Bauer am Schluß der Judenfrage das Judenthum nur als die rohe religiöse Kritik des Christenthums begriffen, ihm also eine „nur" religiöse Bedeutung abgewonnen hatte, war vorherzusehen, daß auch die Eman- 163 Zur Judenfrage cipation der Juden in einen philosophisch-theologischen Akt sich verwandeln werde. Bauer faßt das ideale abstrakte Wesen des Juden, seine Religion als sein ganzes Wesen. Er schließt daher mit Recht: „Der Jude gibt der Menschheit nichts, wenn er sein beschränktes Gesetz für sich mißachtet", wenn er sein ganzes Judenthum aufhebt. P. 65. 5 Das Verhältniß der Juden und Christen wird demnach Folgendes: das einzige Interesse des Christen an der Emancipation des Juden ist ein all gemein menschliches, ein theoretisches Interesse. Das Judenthum ist eine beleidigende Thatsache für das reügiöse Auge des Christen. Sobald sein 10 Auge aufhört religiös zu sein, hört diese Thatsache auf beleidigend zu sein. Die Emancipation des Juden ist an und für sich keine Arbeit für den Chri sten. Der Jude dagegen um sich zu befreien, hat nicht nur seme eigne Arbeit, sondern zugleich die Arbeit des Christen, die Kritik der Synoptiker und das Leben Jesu etc. durchzumachen. 15 „Sie mögen selber zusehen: sie werden sich selber ihr Geschick bestim men; die Geschichte aber läßt mit sich nicht spotten." P.71. Wir versuchen die theologische Fassung der Frage zu brechen. Die 1 1 2 0 9| Frage nach der Emancipationsfähigkeit des Juden verwandelt sich uns m die Frage, welches besondre gesellschaftliche Element zu überwinden sei, um das Judenthum aufzuheben? Denn die Emancipationsfähigkeit des heutigen Juden ist das Verhältniß des Judenthums zur Emancipation der heutigen Welt. Dies Verhältniß ergiebt sich nothwendig aus der besondern Stellung des Judenthums in der heutigen geknechteten Welt. 20 25 Betrachten wü den wüklichen weltlichen Juden, nicht den Sabbaths Juden, wie Bauer es thut, sondern den Alltagsjuden. Suchen wü das Geheimniß des Juden nicht in semer Religion, sondern suchen wü das Geheimniß der Reügion im wüküchen Juden. Welches ist der weltliche Grund des Judenthums? Das praktische Be- 30 dürfniß, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltücher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emancipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judenthum wäre die Selbstemancipation unsrer Zeit. 35 Eme Organisation der GeseUschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Mögüchkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht. Sem reügjöses Bewußtsein würde wie ein fader Dunst in der wüküchen Lebensluft der GeseUschaft sich auflösen. Andrerseits: wenn der Jude dies sein praktisches Wesen als nichtig erkennt und an seiner Aufhebung arbeitet, arbeitet er aus seiner bisherigen Entwicklung heraus, 40 164 II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden an der menschlichen Emancipation scMechthin und kehrt sich gegen den höchsten praktischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung. Wir erkennen also im Judenthum ein allgemeines gegenwärtiges anti sociales Element, welches durch die geschichtliche Entwicklung, an welcher die Juden in dieser schlechten Beziehung eifrig mitgearbeitet, auf seine jetzige Höhe getrieben wurde, auf eine Höhe, auf welcher es sich nothwendig auflösen muß. Die Judenemancipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emancipation der Menschheit vom Judenthum. Der Jude hat sich bereits auf jüdische Weise emancipirt. „Der Jude, der in Wien ζ. B. nur tolerirt ist, bestimmt durch seine Geldmacht das Geschick des ganzen Reichs. Der Jude der in dem klein||210|sten deutschen Staate rechtlos sein kann, entscheidet über das Schicksal Europa's. 5 10 15 Während die Korporationen und Zünfte dem Juden sich verschließen, oder ihm noch nicht geneigt sind, spottet die Kühnheit der Industrie des Eigen sinns der mittelalterlichen Institute." (B.Bauer, Judenfrage, p. 114.) Es ist dies kein vereinzeltes Faktum. Der Jude hat sich auf jüdische Weise emancipirt, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn, das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die Juden haben sich in so weit emancipirt, als die Christen zu Juden geworden sind. 20 „Der fromme und politisch freie Bewohner von Neuengland, berichtet z.B. Oberst Hamilton, ist eine Art von Laokoon, der auch nicht die geringste 25 Anstrengung macht, um sich von den Schlangen zu befreien, die ihn zu sammenschnüren. Mammon ist ihr Götze, sie beten ihn nicht nur allein mit den Lippen, sondern mit allen Kräften ihres Körpers und Gemüths an. Die Erde ist in ihren Augen nichts andres, als eine Börse, und sie sind überzeugt, daß sie hienieden keine andere Bestimmung haben, als reicher zu werden, denn ihre Nachbarn. Der Schacher hat sich aller ihrer Gedanken bemächtigt, die Abwechslung in den Gegenständen bildet ihre einzige Erholung. Wenn sie reisen, tragen sie, so zu sagen, ihren Kram oder Komptoir auf dem Rücken mit sich herum und sprechen von nichts als Zinsen und Gewinn, und wenn sie einen Augenblick ihre Geschäfte aus den Augen verlieren, so geschieht 30 35 dies bloß um jene von Andern zu beschnüffeln." Ja, die praktische Herrschaft des Judenthums über die christliche Welt, hat in Nordamerika den unzweideutigen, normalen Ausdruck erreicht, daß die Verkündigung des Evangeliums selbst, daß das christliche Lehramt zu einem Handelsartikel geworden ist, und der bankerutte Kaufmann im 40 Evangelium macht, wie der reichgewordene Evangelist in Geschäftchen. « Tel que vous le voyez à la tête d'une congrégation respectable a commencé 165 Zur Judenfrage par être marchand ; son commerce étant tombé, il s'est fait ministre ; cet autre a débuté par le sacerdoce, mais dès qu'il a eu quelque somme d'argent à la disposition, il a laissé la chaire pour le négoce. Aux yeux d'un grand nombre, le ministère religieux est une véritable carrière industrielle. » (Beaumont, 1. c. p. 185,86.) 5 Nach Bauer ist es „ein lügenhafter Zustand, wenn in der Theorie ||21l| dem Juden die poütischen Rechte vorenthalten werden, während er in der Praxis eme ungeheure Gewalt besitzt, und seinen politischen Einf luß, wenn er ihm im détail verkürzt wird, en gros ausübt". (Judenfrage, p. 114.) Der Widerspruch, in welchem die praktische politische Macht des Juden 10 zu seinen poütischen Rechten steht, ist der Widerspruch der Poütik und Geldmacht überhaupt. Während die erste ideal über der zweiten steht, ist sie in der That zu ihrem Leibeignen geworden. Das Judenthum hat sich neben dem Christenthum gehalten, nicht nur als reügiöse Kritik des Christenthums, nicht nur als inkorporirter Zweifel an der 15 religiösen Abkunft des Christenthums, sondern eben so sehr, weü der praktisch-jüdische Geist, weil das Judenthum in der christlichen Gesellschaft selbst sich gehalten, und sogar seme höchste AusbÜdung erhalten hat. Der Jude, der als ein besonderes Güed in der bürgerüchen Gesellschaft steht, ist nur die besondere Erscheinung von dem Judenthum der bürgerlichen Ge- 20 S e i l s c h a f t. Das Judenthum hat sich nicht trotz der Geschichte, sondern durch die Geschichte erhalten. Aus ihren eignen Eingeweiden erzeugt die bürgerliche GeseUschaft fort während den Juden. Welches war an und für sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das praktische Bedürfniß, der Egoismus. Der Monotheismus des Juden ist daher in der Wüklichkeit der Polytheis mus der vielen Bedürfnisse, ein Polytheismus, der auch den Abtritt zu einem Gegenstand des götüichen Gesetzes macht. Das praktische Bedürfniß, der Egoismus ist das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und tritt rein als solches hervor, sobald die bürgerliche Gesellschaft den politischen Staat voUständig aus sich herausgeboren. Der Gott des praktischen Bedürfnisses und Eigennutzes ist das Geld. 25 30 Das Geld ist der eifrige Gott Israels, vor welchem kein andrer Gott be- 35 stehen darf. Das Geld erniedrigt aüe Götter des Menschen,—und verwandelt sie m eme Waare. Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst constituüte Werth aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt, wie die Natur, ihres eigenthümlichen Werthes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins und dies 40 fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an. | 166 II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden |212| Der Gott der Juden hat sich verweltlicht, er ist zum Weltgott ge worden. Der Wechsel ist der wirkliche Gott des Juden. Sein Gott ist nur der illusorische Wechsel. 5 Die Anschauung, welche unter der Herrschaft des Privateigenthums und des Geldes von der Natur gewonnen wird, ist die wirkliche Verachtung", die praktische Herabwürdigung der Natur, welche in der jüdischen Religion zwar existirt, aber nur in der Einbildung existirt. In diesem Sinn erklärt es Thomas Münzer für unerträglich, „daß alle Kreatur zum Eigenthum gemacht worden sei, die Fische im Wasser, die 10 Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden — auch die Kreatur müsse frei werden". 15 20 25 Was in der jüdischen Religion abstrakt liegt, die Verachtung der Theorie, der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck, das ist der wirkliche bewußte Standpunkt, die Tugend des Geldmenschen. Das Gat- tungsverhältniß selbst, das Verhältniß von Mann und Weib etc. wird zu einem Handelsgegenstand! Das Weib wird verschachert. Die chimärische Nationalität des Juden ist die Nationalität des Kauf manns, überhaupt des Geldmenschen. Das grund- und bodenlose Gesetz des Juden ist nur die religiöse Karrika- tur der grund- und bodenlosen Moralität und des Rechts überhaupt, der nur formellen Riten, mit welchen sich die Welt des Eigennutzes um gibt. Auch hier ist das höchste Verhältniß des Menschen das gesetzliche Ver hältniß, das Verhältniß zu Gesetzen die ihm nicht gelten, weil sie die Gesetze seines eigenen Willens und Wesens sind, sondern weil sie herrschen und weil der Abfall von ihnen gerächt wird. Der jüdische Jesuitismus, derselbe praktische Jesuitismus, den Bauer im Talmud nachweist, ist das Verhältniß der Welt des Eigennutzes zu den sie beherrschenden Gesetzen, deren schlaue Umgehung die Hauptkunst dieser 30 Welt bildet. Ja die Bewegung dieser Welt innerhalb ihrer Gesetze ist nothwendig eine stete Aufhebung des Gesetzes. Das Judenthum konnte sich als Religion, es konnte sich theoretisch nicht weiter entwickeln, weil die Weltanschauung des praktischen Bedürfnisses ihrer Natur nach bornirt und in wenigen Zügen erschöpft ist. 35 Die Religion des praktischen Bedürfnisses konnte ihrem Wesen ||213| nach die Vollendung nicht in der Theorie, sondern nur in der Praxis finden, eben weil ihre Wahrheit die Praxis ist. Das Judenthum konnte keine neue Welt schaffen; es konnte nur die neuen 40 Weltschöpfungen und Weltverhältnisse in den Bereich seiner Betriebsamkeit ziehn, weil das praktische Bedürf niß, dessen Verstand der Eigennutz ist, sich 167 Zur Judenfrage passiv verhält, und sich nicht beliebig erweitert, sondern sich erweitert findet mit der Fortentwicklung der gesellschaftlichen Zustände. Das Judenthum erreicht seinen Höhepunkt mit der Vollendung der bürger lichen GeseUschaft; aber die bürgerüche GeseUschaft voUendet sich erst in der christlichen Welt. Nur unter der Herrschaft des Christenthums, welches alle nationalen, natürüchen, sittüchen, theoretischen Verhältnisse dem Menschen äußerlich macht, konnte die bürgerliche GeseUschaft sich voll ständig vom Staatsleben trennen, aüe Gattungsbande des Menschen zer reißen, den Egoismus, das eigennützige Bedürfniß an die SteUe dieser Gattungsbande setzen, die Menschenwelt in eine Welt atomistischer feind lich sich gegenüberstehender Individuen auflösen. Das Christenthum ist aus dem Judenthum entsprungen. Es hat sich wieder in das Judenthum aufgelöst. Der Christ war von vorn herein der theoretisüende Jude, der Jude ist daher der praktische Christ, und der praktische Christ ist wieder Jude geworden. Das Christenthum hatte das reale Judenthum nur zum Schern überwunden. Es war zu vornehm, zu spirituaüstisch, um die Rohheit des praktischen Bedürfnisses anders als durch die Erhebung in die blaue Luft zu beseitigen. Das Christenthum ist der sublime Gedanke des Judenthums, das Juden thum ist die gemeine Nutzanwendung des Christenthums, aber diese Nutz anwendung konnte erst zu einer aUgemeinen werden, nachdem das Chri stenthum als die fertige Religion die Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur theoretisch voUendet hatte. Nun erst konnte das Judenthum zur aUgemeinen Herrschaft gelangen und den entäußerten Menschen, die entäußerte Natur zu veräußerlichen, ver käuflichen, der Knechtschaft des egoistischen Bedürfnisses, dem Schacher anheimgefaUenen Gegenständen machen. Die Veräußerung ist die Praxis der Entäußerung. Wie der Mensch, so lange er reügiös befangen ist, sein Wesen nur zu vergegenständüchen weiß, indem er es zu einem fremden phantastischen Wesen ||214| macht, so kann er sich unter der Herrschaft des egoistischen Bedürfnisses nur praktisch bethätigen, nur praktisch Gegenstände erzeugen, indem er seine Produkte, wie seme Thätigkeit, unter die Herrschaft eines fremden Wesens steUt und ihnen die Bedeutung eines fremden Wesens — des Geldes — verleiht. Der christliche Seligkeitsegoismus schlägt in semer voUendeten Praxis nothwendig um in den Leibesegoismus des Juden, das himmüsche Bedürf niß in das üdische, der Subjectivismus in den Eigennutz. Wü erklären die Zähigkeit des Juden nicht aus seiner Reügion, sondern vielmehr aus dem menschlichen Grund seiner Religion, dem praktischen Bedürfniß, dem Egoismus. Weü das reale Wesen des Juden in der bürgerlichen GeseUschaft sich 168 II. Bruno Bauer: Die Fähigkeit der heutigen Juden und Christen frei zu werden allgemein verwirklicht, verweltlicht hat, darum konnte die bürgerliche Gesellschaft den Juden nicht von der Unwirklichkeit seines religiösen Wesens, welches eben nur die ideale Anschauung des praktischen Bedürf nisses ist, überzeugen. Also nicht nur im Pentateuch oder im Talmud, in der jetzigen Gesellschaft finden wir das Wesen des heutigen Juden, nicht als ein abstraktes, sondern als ein höchst empirisches Wesen, nicht nur als Be schränktheit des Juden, sondern als die jüdische Beschränktheit der Ge sellschaft. 5 Sobald es der Gesellschaft gelingt, das empirische Wesen des Judenthums, 10 den Schacher und seine Voraussetzungen aufzuheben, ist der Jude un möglich geworden, weil sein Bewußtsein keinen Gegenstand mehr hat, weil die subjective Basis des Judenthums, das praktische Bedürfniß ver menschlicht, weil der Konflikt der individuell-sinnlichen Existenz mit der Gattungsexistenz des Menschen aufgehoben ist. 15 Die gesellschaftliche Emancipation des Juden ist die Emancipation der Gesellschaft vom Judenthum. \ m 169 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Einleitung Deutsch-Französische Jahrbücher. Lfg. 1/2. 1844 |7i| Zur Kritik der Hegel'schen Rechts-Philosophie von Karl Marx. Einleitung. Für Deutschland ist die Kritik der Religion im Wesentlichen beendigt und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik. 5 Die profane Existenz des Irrthums ist compromittirt, nachdem seine himmlische oratio pro aris et focis widerlegt ist. Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Uebermenschen suchte, nur den Wiederschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß. 10 Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst ent- 15 weder noch nicht erworben, oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät. Dieser Staat, diese Societät produziren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, 20 ihr encyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spi- ritualistischer Point-d'honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wiesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Reügion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. 25 170 Einleitung Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth ||72| einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. 5 Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthaies, dessen Heiligenschein die Religion ist. 1 o Die Kritik hat die imaginairen Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirküchkeit ge stalte, wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich 15 um sich selbst und damit um seine wirkliehe Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, so lange er sich nicht um sich selbst bewegt. 20 Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etabliren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Reli gion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der 25 Politik. Die nachfolgende Ausführung — ein Beitrag zu dieser Arbeit — schließt sich zunächst nicht an das Original, sondern an eine Copie, an die deutsche Staats- und Rechts-PMospp/u'e an, aus keinem andern Grunde, als weil sie sich an Deutschland anschließt. 30 Wollte man an den deutschen status quo selbst anknüpfen, wenn auch in einzig angemessener Weise, d. h. negativ, immer bliebe das Resultat ein Anachronismus. Selbst die Verneinung unserer politischen Gegenwart findet sich schon als bestaubte Thatsache in der historischen Rumpelkammer der modernen Völker. Wenn ich die gepuderten Zöpfe verneine, habe ich immer 35 noch die ungepuderten Zöpfe. Wenn ich die deutschen Zustände von 1843 verneine, stehe ich, nach französischer Zeitrechnung, kaum im Jahre 1789, noch weniger im Brennpunkt der Gegenwart. Ja, die deutsche Geschichte schmeichelt sich einer Bewegung, welche ihr kein Volk am historischen Himmel weder vorgemacht ||73| hat, noch nach- 40 machen wird. Wir haben nämlich die Restaurationen der modernen Völker getheilt, ohne ihre Revolutionen zu theilen. Wir wurden restaurirt, erstens, 171 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie weil andere Völker eine Revolution wagten, und zweitens, weil andere Völker eine Contrerevolution litten, das einemal, weil unsere Herren Furcht hatten und das anderemal, weil unsere Herren keine Furcht hatten. Wir, unsere Hirten an der Spitze, befanden uns immer nur einmal in der Ge sellschaft der Freiheit, am Tag ihrer Beerdigung. 5 Eine Schule, welche die Niederträchtigkeit von heute durch die Nieder trächtigkeit von gestern legitimirt, eine Schule, die jeden Schrei des Leib eigenen gegen die Knute für rebellisch erklärt, sobald die Knute eine be jahrte, eine angestammte, eine historische Knute ist, eine Schule, der die Geschichte, wie der Gott Israels seinem Diener Moses, nur ihr a posteriori 10 zeigt, die historische Rechtsschule, sie hätte daher die deutsche Geschichte erfunden, wäre sie nicht eine Erfindung der deutschen Geschichte. Shylock, aber Shylock der Bediente, schwört sie für jedes Pfund Fleisch, welches aus dem Volksherzen geschnitten wird, auf ihren Schein, auf ihren historischen Schein, auf ihren christlich-germanischen Schein. 15 Gutmüthige Enthusiasten dagegen, Deutschthümler von Blut und Frei sinnige von Reflexion, suchen unsere Geschichte der Freiheit jenseits un serer Geschichte in den teutonischen Urwäldern. Wodurch unterscheidet sich aber unsere Freiheitsgeschichte von der Freiheitsgeschichte des Ebers, wenn sie nur in den Wäldern zu finden ist? Zudem ist es bekannt: Wie man 20 hineinschreit in den Wald, schallt es heraus aus dem Wald. Also Friede den teutonischen Urwäldern! Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! Sie stehn unter dem Niveau der Geschichte, sie sind unter aller Kritik, aber sie bleiben ein Gegenstand der Kritik, wie der Verbrecher, der unter dem Niveau der Humanität steht, ein Gegenstand des Scharfrichters bleibt. Mit ihnen im Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft. Sie ist kein anatomisches Messer, sie ist eine Waffe. Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will. Denn der Geist jener Zustände ist widerlegt. An und für sich sind sie keine denkwürdigen Objekte, sondern ebenso verächtliche, als verachtete Existenzen. Die Kritik für sich bedarf nicht der Selbstverständigung mit diesem Gegenstand, denn sie ist mit ihm im Reinen. Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als Mittel. ||74| Ihr wesentlicher Pathos ist die Indignation, ihre wesentliche Arbeit die Denuntiation. Es gilt die Schilderung eines wechselseitigen dumpfen Drucks aller so cialen Sphären auf einander, einer allgemeinen thatlosen Verstimmung, einer sich eben so sehr anerkennenden als verkennenden Beschränktheit, ein gefaßt in den Rahmen eines Regierungssystems, welches von der Conser vation aller Erbärmlichkeiten lebend, selbst nichts ist als die Erbärmlichkeit an der Regierung. 25 30 35 40 172 Einleitung Welch ein Schauspiel! Die ins unendliche fortgehende Theilung der Ge sellschaft in die mannigfaltigsten Raçen, welche mit kleinen Antipathien, schlechten Gewissen und brutaler Mittelmäßigkeit sich gegenüberstehn, welche eben um ihrer wechselseitigen zweideutigen und argwöhnischen 5 Stellung willen alle ohne Unterschied, wenn auch mit verschiedenen For malitäten als koncessionirte Existenzen von ihren Herren behandelt werden. Und selbst dies, daß sie beherrscht, regiert, besessen sind, müssen sie als eine Concession des Himmels anerkennen und bekennen! Andrerseits jene Herrscher selbst, deren Größe in umgekehrtem Verhältnisse zu ihrer Zahl steht! 10 Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befaßt, ist die Kritik im Hand gemenge und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, ihn zu treffen. Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der 15 Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen. Man muß den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewußtsein des Drucks hin zufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publicirt. Man muß jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als die partie honteuse der deutschen Gesellschaft schildern, man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! Man muß das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen. Man erfüllt damit ein unabweisbares Bedürfniß des deutschen Volks und die Bedürfnisse der Völker sind in eigener Person die letzten Gründe ihrer Befriedigung. 20 25 Und selbst für die modernen Völker kann dieser Kampf gegen den bornirten Inhalt des deutschen status quo nicht ohne Interesse sein, denn der deutsche status quo ist die offenherzige Vollendung des ancien régime und das ancien régime ist der versteckte Mangel des modernen Staates. Der Kampf gegen die deutsche politische Gegen||75|wart ist der Kampf gegen die 30 Vergangenheit der modernen Völker, und von den Reminiscenzen dieser Vergangenheit werden sie noch immer belästigt. Es ist lehrreich für sie, das ancien régime, das bei ihnen seine Tragödie erlebte, als deutschen Revenant seine Komödie spielen zu sehen. Tragisch war seine Geschichte so lange es die präexistirende Gewalt der Welt, die Freiheit dagegen ein persönlicher 35 Einfall war, mit einem Wort, so lange es selbst an seine Berechtigung glaubte und glauben mußte. So lange das ancien régime als vorhandene Weltordnung mit einer erst werdenden Welt kämpfte, stand auf seiner Seite ein welt geschichtlicher Irrthum, aber kein persönlicher. Sein Untergang war daher tragisch. 40 Das jetzige deutsche Regime dagegen, ein Anachronismus, ein flagranter Widerspruch gegen allgemein anerkannte Axiome, die zur Weltschau aus- 173 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie i gestellte Nichtigkeit des ancien régime, bildet sich nur noch ein, an sich selbst zu glauben und verlangt von der Welt dieselbe Einbildung. Wenn es an sein eignes Wiesen glaubte, würde es dasselbe unter dem Schein eines fremden Wesens zu verstecken und seine Rettung in der Heuchelei und dem Sophisma suchen? Das moderne ancien régime ist nur mehr der Komödiant einer Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind. Die Geschichte ist gründlich und macht viele Phasen durch, wenn sie eme alte Gestalt zu Grabe trägt. Die letzte Phase einer weltgeschichtüchen Gestalt ist ihre Komödie. Die Götter Griechenlands, die schon einmal tragisch zu Tode verwundet waren im gefesselten Prometheus des Aeschylus mußten noch einmal ko- 10 misch sterben in den Gesprächen Lucians. Warum dieser Gang der Ge schichte! Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide. Diese heitere geschichtliche Bestimmung vindiciren wü den politischen Mächten Deutschlands. 5 15 Sobald indeß die moderne politisch-sociale Wüklichkeit selbst der Kritik unterworfen wüd, sobald also die Kritik zu wahrhaft menschüchen Proble men sich erhebt, bef indet sie sich außerhalb des deutschen status quo oder sie würde ihren Gegenstand unter ihrem Gegenstand greifen. Ein Beispiel! Das Verhältniß der Industrie, überhaupt der Welt des Reichthums zu der poütischen Welt ist ein Hauptproblem der modernen Zeit. Unter welcher 20 Form fängt dies Problem an, die Deutschen zu beschäftigen? Unter der Form der Schutzzölle, des Prohibitivsystems, der Nationalökonomie. Die Deutsch- thümelei ist aus dem Menschen in die Materie gefahren und so sahen sich eines Morgens unsere Baumwollritter und Eisenhelden ||76| in Patrioten verwandelt. Man beginnt also in Deutschland die Souverainetät des Mono- 25 pois nach Innen anzuerkennen, dadurch daß man ihm die Souveränetät nach Außen verlernt. Man beginnt also jetzt in Deutschland anzufangen, womit man in Frankreich und England zu enden beginnt. Der alte faule Zustand, gegen den diese Länder theoretisch im Aufruhr sind, und den sie nur noch ertragen, wie man die Ketten erträgt, wüd in Deutschland als die aufgehende Morgenröthe einer schönen Zukunft begrüßt, die kaum noch wagt, aus der listigen Theorie in die schonungsloseste Praxis überzugehn. Während das Problem in Frankreich und England lautet: Politische Oekonomie oder in Deutschland: Herrschaft der Societät über den Reichthum, National-Oekonomie, oder Herrschaft des Privateigenthums über die Na- tionalität. Es g ut also in Frankreich und England das Monopol, das bis zu semen letzten Consequenzen fortgegangen ist, aufzuheben; es g ut in Deutschland bis zu den letzten Consequenzen des Monopols fortzugehen. Dort handelt es sich um die Lösung und hier handelt es sich erst um die Colusión. Ein zureichendes Beispiel von der deutschen Form der modernen Probleme, em Beispiel, wie unsere Geschichte, gleich einem ungeschickten lautet es 40 30 35 174 Einleitung Rekruten, bisher nur die Aufgabe hatte, abgedroschene Geschichten nach- zuexerciren. Ginge also die gesammte deutsche Entwicklung nicht über die politische deutsche Entwicklung hinaus, ein Deutscher könnte sich höchstens an den Problemen der Gegenwart betheiligen, wie sich ein Russe daran betheiligen kann. Allein wenn das einzelne Individuum nicht gebunden ist durch die Schranken der Nation, ist die gesammte Nation noch weniger befreit durch die Befreiung eines Individuums. Die Scythen haben keinen Schritt zur griechischen Kultur vorwärts gethan, weil Griechenland einen Scythen unter seine Philosophen zählt. 5 10 Zum Glück sind wir Deutsche keine Scythen. Wie die alten Völker ihre Vorgeschichte in der Imagination erlebten, in der Mythologie, so haben wir Deutsche unsre Nachgeschichte im Gedanken erlebt, in der Philosophie. Wir sind philosophische Zeitgenossen der Gegen- 15 wart, ohne ihre historischen Zeitgenossen zu sein. Die deutsche Philosophie ist die ideale Verlängerung der deutschen Geschichte. Wenn wir also statt die œuvres incomplètes unsrer reellen Geschichte, die œuvres posthumes unserer ideellen Geschichte, die Philosophie kritisiren, so steht unsere Kritik that is the mitten unter den Fragen, von denen die Gegenwart sagt: Ques\\n\tion. Was bei den fortgeschrittenen Völkern praktischer Zerfall mit den modernen Staatszuständen ist, das ist in Deutschland, wo diese Zustände selbst noch nicht einmal existiren, zunächst kritischer Zerfall mit der phi losophischen Spiegelung dieser Zustände. 20 Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der officiellen modernen Gegenwart al parí stehende deutsche Geschichte. Das 25 deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen be stehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände, sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen. Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung seiner reellen, 30 noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Staats- und Rechts zustände beschränken, denn die unmittelbare Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen Zuständen und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände hat es in der Anschauung der Nach barvölker beinahe schon wieder überlebt. Mit Recht fordert daher die praktische politische Parthei in Deutschland die Negation der Philosophie. Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht, noch vollziehen kann. Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, daß sie der Philosophie den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes—einige ärgerliche und bannale 40 Phrasen über sie hermurmelt. Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklich 35 es Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie keit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienen den Theorien. Ihr verlangt, daß man an wirkliche Lebenskeime anknüp fen soll, aber ihr vergeßt, daß der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur unter seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirk- liehen. Dasselbe Unrecht, nur mit umgekehrten Faktoren, beging die theoretische, von der Philosophie her datirende politische Parthei. Sie erblickte in dem jetzigen Kampf nur den kritischen Kampf der Phi losophie mit der deutschen Welt, sie bedachte nicht, daß die seitherige Philosophie selbst zu dieser Welt gehört und ihre, wenn auch ideelle Er gänzung ist. Kritisch gegen ihren Widerpart verhielt sie sich unkritisch zu sich selbst, indem sie von den Voraussetzungen der Philosophie ausging, und bei ihren gegebenen Resultaten entweder stehen blieb oder anderweitig hergeholte Forderungen und Resultate für unmittelbare Forderungen und Resultate der Philosophie ||78| ausgab, obgleich dieselben — ihre Berechti gung vorausgesetzt — im Gegentheil nur durch die Negation der seitherigen Philosophie, der Philosophie als Philosophie, zu erhalten sind. Eine näher eingehende Schilderung dieser Parthei behalten wir uns vor. Ihr Grund mangel läßt sich dahin reduziren: Sie glaubte die Philosophie verwtklichen zu können, ohne sie aufzuheben. 5 10 15 20 Die Kritik der deutschen Staats- und Rechtsphilosophie, welche durch Hegel ihre konsequenteste, reichste und letzte Fassung erhalten hat, ist beides, sowohl die kritische Analyse des modernen Staats und der mit ihm zusammenhängenden Wirklichkeit, als auch die entschiedene Verneinung 25 der ganzen bisherigen Weise des deutschen politischen und rechtlichen Bewußtseins, dessen vornehmster, universellster, zur Wissenschaft er hobener Ausdruck eben die spekulative Rechtsphilosophie selbst ist. War nur in Deutschland die spekulative Rechtsphilosophie möglich, dies ab strakte überschwängliche Denken des modernen Staats, dessen Wirklichkeit ein Jenseits bleibt, mag dies Jenseits auch nur jenseits des Rheins liegen: so war eben so sehr umgekehrt das deutsche vom wirklichen Menschen ab strahlende Gedankenbild des modernen Staats nur möglich, weil und in sofern der moderne Staat selbst vom wirklichen Menschen abstrahirt oder den ganzen Menschen auf eine nur imaginaire Weise befriedigt. Die Deut- sehen haben in der Politik gedacht, was die andern Völker gethan haben. Deutschland war ihr theoretisches Gewissen. Die Abstraktion und Ueberhe- bung seines Denkens hielt immer gleichen Schritt mit der Einseitigkeit und Untersetztheit ihrer Wirküchkeit. Wenn also der status quo des deutschen Staatswesens die Vollendung des ancien régime ausdrückt, die Voüendung des Pfahls im Fleische des modernen Staats, so drückt der status quo des 35 30 40 176 ψ Einleitung deutschen Staatswissens die Unvollendung des modernen Staats aus, die Schadhaftigkeit seines Fleisches selbst. Schon als entschiedner Widerpart der bisherigen Weise des deutschen politischen Bewußtseins, verläuft sich die Kritik der spekulativen Rechts- philosophie nicht in sich selbst, sondern in Aufgaben, für deren Lösung es nur ein Mittel gibt: die Praxis. 5 Es fragt sich: kann Deutschland zu einer Praxis à la hauteur de principes gelangen, d. h. zu einer Revolution, die es nicht nur auf das officielle Niveau der modernen Völker erhebt, sondern auf die menschliche Höhe, welche die nächste Zukunft dieser Völker sein wird. | |79| Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Ge walt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem demonstrirt, und sie demonstrirt ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalis mus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem categorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann, als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektir- ten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behan deln! Selbst historisch hat die theoretische Emancipation eine specif isch prak tische Bedeutung für Deutschland. Deutschlands revolutionaire Vergangen heit ist nämlich theoretisch, es ist die Reformation. Wie damals der Mönch, so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die Revolution beginnt. 10 15 20 25 30 Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Ueberzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restaurirt hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in 35 Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emancipirt, weil er das Herz in Ketten gelegt. Aber, wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung, so war er die wahre Stellung der Aufgabe. Es galt nun nicht mehr den Kampf des Laien 40 mit dem Pfaffen außer ihm, es galt den Kampf mit seinem eigenen innern Pfaffen, seiner pfäffischen Natur. Und wenn die protestantische Verwand- 177 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie lung der deutschen Laien in Pfaffen, die Laienpäbste, die Fürsten sammt ihrer Klerisei, den Privilegirten und den Philistern, emancipirte, so wird die philosophische Verwandlung der pfäffischen Deutschen in Menschen das Volk emancipiren. So wenig aber die Emancipation bei den Fürsten, so wenig wird die Secularisation der Güter bei dem Kirchenraub ||80| stehen bleiben, den vor allen das heuchlerische Preußen ins Werk setzte. Damals scheiterte der Bauernkrieg, die radikalste Thatsache der deutschen Geschichte, an der Theologie. Heute, wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste Thatsache der deutschen Geschichte, unser status quo an der Phüosophie zerschellen. Den Tag vor der Reformation war das officieüe Deutschland der unbedingteste Knecht von Rom. Den Tag vor seiner Revolution ist es der unbedingte Knecht von weniger als Rom, von Preußen und Oesterreich, von Krautjunkern und Phüistern. Einer radikalen deutschen Revolution schemi indessen eine Haupt schwierigkeit entgegen zu stehn. 5 10 15 Die Revolutionen bedürfen nämlich eines passiven Elementes, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwüklichung seiner Bedürfnisse ist. Wird nun dem U n g e h e u e rn Zwiespalt zwischen den Forderungen des deutschen Gedankens und den Antworten der deutschen Wüklichkeit derselbe Zwiespalt der 20 bürgerlichen GeseUschaft mit dem Staat und mit sich selbst entsprechen? Werden die theoretischen Bedürfnisse unmittelbar praktische Bedürfnisse sein? Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirküchung drängt, die Wüklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen. Aber Deutschland hat die Mittelstufen der politischen Emancipation nicht gleichzeitig mit den modernen Völkern erklettert. Selbst die Stufen, die es theoretisch überwunden, hat es praktisch noch nicht erreicht. Wie sollte es mit einem salto mortale nicht nur über seine eignen Schranken hinwegsetzen, sondern zugleich über die Schranken der modernen Völker, über Schranken, die es in der Wüküchkeit als Befreiung von seinen wirküchen Schranken empfinden und erstreben muß? Eine radikale Revolution kann nur die Revolution radikaler Bedürfnisse sein, deren Voraussetzungen und Ge burtsstätten eben zu fehlen scheinen. 25 30 Allein wenn Deutschland nur mit der abstrakten Thätigkeit des Denkens die Entwicklung der modernen Völker begleitet hat, ohne werkthätige 35 Parthei an den wüküchen Kämpfen dieser Entwicklung zu ergreifen, so hat es andrerseits die Leiden dieser Entwicklung getheilt, ohne ihre Genüsse, ohne ihre partieUe Befriedigung zu theüen. Der abstrakten Thätigkeit ei nerseits entspricht das abstrakte Leiden andrerseits. Deutschland wüd sich daher eines Morgens auf dem Niveau des europäischen Verfalls befinden, 40 bevor es jemals auf dem Niveau der europäischen Emancipation gestanden 178 w Einleitung hat. Man ||8l| wird es mit einem Fetischdiener vergleichen können, der an den Krankheiten des Christenthums siecht. 10 15 Betrachtet man zunächst die deutschen Regierungen und man findet sie durch die Zeitverhältnisse, durch die Lage Deutschlands, durch den Stand- 5 ρ unkt der deutschen Bildung, endlich durch eignen glücklichen Instinkt getrieben, die civilisirten Mängel der modernen Staatswelt, deren Vortheile wir nicht besitzen, zu combiniren mit den barbarischen Mängeln des ancien régime, dessen wir uns in vollem Maße erfreuen, so daß Deutschland, wenn nicht am Verstand, wenigstens am Unverstand, auch der über seinen status quo hinaushegenden Staatsbildungen immer mehr participiren muß. Giebt es z.B. ein Land in der Welt, welches so naiv alle Illusionen des consti- tutionellen Staatswesens theilt, ohne seine Realitäten zu theilen, als das sogenannte constitutionelle Deutschland? Oder war es nicht nothwendig ein deutscher Regierungseinfall, die Qualen der Censur mit den Qualen der französischen Septembergesetze, welche die Preßfreiheit voraussetzen, zu verbinden! Wie man im römischen Pantheon die Götter aller Nationen fand, so wird man im heiligen römischen deutschen Reich die Sünden aller Staats formen finden. Daß dieser Eklekticismus eine bisher nicht geahnte Höhe erreichen wird, dafür bürgt namentlich die politisch-ästhetische Gourman- dene eines deutschen Königs, der alle Rollen des Königthums, des feudalen wie des büreaukratischen, des absoluten, wie des constitutionellen, des autokratischen wie des demokratischen, wenn nicht durch die Person des Volkes, so doch in eigner Person, wenn nicht für das Volk, so doch für sich selbst zu spielen gedenkt. Deutschland als der zu einer eignen Welt con- stituirte Mangel der politischen Gegenwart, wird die specifisch deutschen Schranken nicht niederwerfen können, ohne die allgemeine Schranke der politischen Gegenwart niederzuwerfen. 25 20 Nicht die radicale Revolution ist ein utopischer Traum für Deutschland, nicht die allgemein menschliche Emancipation, sondern vielmehr die theil- 30 weise, die nur politische Revolution, die Revolution, welche die Pfeiler des Hauses stehen läßt. Worauf beruht eine theilweise, eine nur politische Revolution? Darauf, daß ein Theil der bürgerlichen Gesellschaftsich eman cipirt und zur allgemeinen Herrschaft gelangt, darauf, daß eine bestimmte Klasse von ihrer besondern Situation aus die allgemeine Emancipation der 35 Gesellschaft unternimmt. Diese Klasse befreit die ganze Gesellschaft, aber nur unter der Voraussetzung, daß die ganze Gesellschaft sich in der Si||82|tuation dieser Klasse befindet, also ζ. B. Geld und Bildung besitzt oder beliebig erwerben kann. 40 Keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft kann diese Rolle spielen, ohne ein Moment des Enthusiasmus in sich und in der Masse hervorzurufen, ein Moment, worin sie mit der Gesellschaft im Allgemeinen fraternisirt und 179 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie 5 zusammenfließt, mit ihr verwechselt und als deren allgemeiner Repräsentant empfunden und anerkannt wird, ein Moment, worin ihre Ansprüche und Rechte in Wahrheit die Rechte und Ansprüche der GeseUschaft selbst sind, worm sie wirklich der sociale Kopf und das sociale Herz ist. Nur im Namen der aUgemeinen Rechte der Gesellschaft kann eine besondere Klasse sich die aügemeine Herrschaft vüidicüen. Zur Erstürmung dieser emancipato- rischen SteUung und damit zur poütischen Ausbeutung aller Sphären der Gesellschaft im Interesse der eignen Sphäre reichen revolutionaüe Energie und geistiges Selbstgefühl aüein nicht aus. Damit die Revolution eines Volkes und die Emancipation einer besondern Klasse der bürgerlichen GeseUschaft zusammenfaüen, damit ein Stand für den Stand der ganzen GeseUschaft gelte, dazu müssen umgekehrt aUe Mängel der Gesellschaft in einer andern Klasse concentrirt, dazu muß ein bestimmter Stand der Stand des aU gemeinen Anstoßes, die Incorporation der aUgemeinen Schranke sein, dazu muß eine besondre sociale Sphäre für das notorische Verbrechen der ganzen Societät gelten, so daß die Befreiung von dieser Sphäre als die allgemeine Selbstbefreiung erscheint. Damit ein Stand par excellence der Stand der Befreiung, dazu muß umgekehrt ein andrer Stand der offenbare Stand der Unterjochung sein. Die negativ-aUgemeine Bedeutung des französischen Adels und der französischen Klerisei bedingte die positiv-aUgemeine Be- 20 deutung der zunächst angrenzenden und entgegenstehenden Klasse der Bourgeoisie. 15 ι o 25 Es fehlt aber jeder besondern Klasse in Deutschland nicht nur die Con sequenz, die Schärfe, der Muth, die Rücksichtslosigkeit, die sie zum nega tiven Repräsentanten der GeseUschaft stempeln könnte. Es fehlt eben so sehr jedem Stand jene Breite der Seele, die sich mit der Volksseele, wenn auch nur momentan identif icüt, jene Genialität, welche die materielle Macht zur poütischen Gewalt begeistert, jene revolutionaüe Kühnheit, welche dem Gegner die trotzige Parole zuschleudert: Ich bin nichts und ich müßte alles sein. Den Hauptstock deutscher Moral und Ehrüchkeit, nicht nur der In- 30 dividuen sondern auch der Klassen, büdet vielmehr jener bescheidene Egoismus, welcher seme Beschränktheit geltend macht und gegen ||83j sich geltend machen läßt. Das Verhältniß der verschiedenen Sphären der deut schen Gesellschaft ist daher nicht dramatisch, sondern episch. Jede der selben beginnt sich zu empfinden und neben die andern mit ihren besondern 35 Ansprüchen hinzulagern, nicht so bald sie gedrückt wüd, sondern so bald ohne ihr Zuthun die Zeitverhältnisse eine geseUige Unterlage schaffen, auf die sie ihrerseits den Druck ausüben kann. Sogar das moralische Selbst gefühl der deutschen Mittelclasse beruht nur auf dem Bewußtsein, die aü gemeine Repräsentantin von der phiüsterhaften Mittelmäßigkeit aUer übri- 40 gen Klassen zu sein. Es sind daher nicht nur die deutschen Könige, die 180 F Einleitung mal-à-propros auf den Thron gelangen, es ist jede Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft, die ihre Niederlage erlebt, bevor sie ihren Sieg gefeiert, ihre eigne Schranke entwickelt, bevor sie die ihr gegenüberstehende Schranke überwunden, ihr engherziges Wesen geltend macht, bevor sie ihr groß- 5 müthiges Wesen geltend machen konnte, so daß selbst die Gelegenheit einer großen Rolle immer vorüber ist, bevor sie vorhanden war, so daß jede Klasse, sobald sie den Kampf mit der über ihr stehenden Klasse beginnt, in den Kampf mit der unter ihr stehenden verwickelt ist. Daher befindet sich das Fürstenthum im Kampf gegen das Königthum, der Bureaukrat im Kampf 10 gegen den Adel, der Bourgeois im Kampf gegen sie alle, während der Pro letarier schon beginnt, sich im Kampf gegen den Bourgeois zu befinden. Die Mittelclasse wagt kaum von ihrem Standpunkt aus, den Gedanken der Emancipation zu fassen und schon erklärt die Entwickelung der socialen Zustände, wie der Fortschritt der politischen Theorie diesen Standpunkt selbst für antiquirt oder wenigstens für problematisch. 15 In Frankreich genügt es, daß einer etwas sei, damit er alles sein wolle. In Deutschland darf einer nichts sein, wenn er nicht auf alles verzichten soll. In Frankreich ist die partielle Emancipation der Grund der universellen. In Deutschland ist die universelle Emancipation conditio sine qua non jeder 20 partiellen. In Frankreich muß die Wirklichkeit, in Deutschland muß die Unmöglichkeit der stufenweisen Befreiung die ganze Freiheit gebären. In Frankreich ist jede Volksklasse politischer Idealist und empfindet sich zunächst nicht als besondere Klasse, sondern als Repräsentant der socialen Bedürfnisse überhaupt. Die Rolle des Emancipators geht also der Reihe nach in dramatischer Bewegung an die verschiedenen Klassen des französischen Volkes über, bis sie endlich bei der Klasse anlangt, welche die sociale Freiheit nicht mehr unter der Voraussetzung ge||84|wisser, außerhalb des Menschen liegender, und doch von der menschlichen Gesellschaft ge schaffener Bedingungen verwirklicht, sondern vielmehr alle Bedingungen 30 der menschlichen Existenz unter der Voraussetzung der socialen Freiheit organisirt. In Deutschland dagegen, wo das praktische Leben eben so geist los, als das geistige Leben unpraktisch ist, hat keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft das Bedürfniß und die Fähigkeit der allgemeinen Emancipation, bis sie nicht durch ihre unmittelbare Lage, durch die /naierie//e Nothwendig- 25 35 keit, durch ihre Ketten selbst dazu gezwungen wird. Wo liegt also die positive Möglichkeit der deutschen Emancipation? Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerüchen Ge sellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer 40 Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt und kein besondres Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres 181 Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird, welche nicht mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel provodren kann, welche in keinem einseitigen Gegensatz zu den Konse quenzen, sondern in einem allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen des deutschen Staatswesens steht, einer Sphäre endüch, welche sich nicht emancipiren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emancipiren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auf lösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat. Das Proletariat beginnt erst durch die hereinbrechende industrielle Be wegung für Deutschland zu werden, denn nicht die naturwüchsig entstandne sondern die künstlich producirte Armuth, nicht die mechanisch durch die Schwere der GeseUschaft niedergedrückte, sondern die aus ihrer akuten Auflösung, vorzugsweise aus der Auflösung des Mittelstandes hervorge- hende Menschenmasse bildet das Proletariat, obgleich allmähüg, wie sich von selbst versteht, auch die naturwüchsige Armuth und die christlich germanische Leibeigenschaft in seine Reihen treten. 5 10 15 Wenn das Proletariat die Auflösung der bisherigen Weltordnung ver kündet, so spricht es nur das Geheimniß seines eignen Daseins aus, denn es ist die faktische Auflösung dieser Weltordnung. Wenn das ||85| Proletariat die Negation des Privateigenthums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Princip erhoben hat, was in ihm als negatives Resultat der GeseUschaft schon ohne sein Zuthun verkörpert ist. Der Proletarier befindet sich dann in Bezug auf die werdende 25 Welt in demselben Recht, in welchem der deutsche Königin Bezug auf die gewordene Welt sich befindet, wenn er das Volk sein Volk, wie das Pferd sein Pferd nennt. Der König, indem er das Volk für sein Privateigenthum erklärt, spricht es nur aus, daß der Privateigenthümer König ist. 20 Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Pro- 30 letariat in der Philosophie seine geistigen Waffen und sobald der Bütz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden eingeschlagen ist, wüd sich die Emancipation der Deutschen zu Menschen vollziehn. Resumüen wü das Resultat: Die einzig praktisch mögliche Befreiung Deutschlands ist die Befreiung 35 auf dem Standpunkt der Theorie, welche den Menschen für das höchste Wesen des Menschen erklärt. In Deutschland ist die Emancipation von dem Mittelalter nur möglich als die Emancipation zugleich von den theilweisen Ueberwindungen des Mittelalters. In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art der Knechtschaft zu bre- 40 chen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionüen, ohne von 182 Einleitung Grund aus zu revolutioniren. Die Emancipation des Deutschen ist die Emancipation des Menschen. Der Kopf dieser Emancipation ist die Phi losophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht ver wirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie. Wenn alle innern Bedingungen erfüllt sind, wird der deutsche Auferste hungstag verkündet werden durch das Schmettern des gallischen Hahns. \ 183 Annales Françaises et Allemandes Programme |Ecrits par des Allemands ou par des Français, les articles de nos Annales traiteront ' 1) des hommes, des systèmes, qui auront acquis une influence utile ou dangereuse, et des questions politiques du jour, soit qu'elles roulent sur les constitutions, l'économie politique ou sur l'institution publique et sur les mœurs. 2) Nous donnerons une revue des Journaux, qui sera en quelque sorte un châtiment et une correction pour les servilités et les bassesses des uns, et servira à signaler les dignes efforts en faveur de l'humanité et de la liberté des autres. 3) Nous y joindrons une revue de la littérature et des publications de l'ancien régime de l'Allemagne, lequel maintenant va pourrir et s'anéantir, et enfin celle des livres des deux nations, par lesquels commence et se continue la nouvelle ère, où nous entrons. | 184 Erklärung Allgemeine Zeitung. Nr. 111, 20. April 1844. Außerordentliche Beilage Erklärung. Die verschiedenen in deutschen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über das Aufhören der „deutsch-französischen Jahrbücher" veranlassen mich zu der Erklärung, daß die schweizerische Verlags-Buchhandlung der Jahrbücher sich aus ökonomischen Gründen von diesem Unternehmen plötzlich zurück zog und somit zunächst die Fortsetzung der Zeitschrift unmöglich machte. K a rl M a r x. París, den 14 April 1844. 185 ökonomisch-philosophische Manuskripte (Erste Wiedergabe) |Heft I.| [I] Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. 5 |l| Arbeitslohn wird be- stimmt durch den feindlichen Kampf zwischen Capitalist und Arbeiter. Die Nothwendigkeit des 10 Siegs für d[en] Capi- talisten. Capitalist kann länger ohne den Arbeiter leben, als dieser ohne jenen. 15 Verbindung unter 20 den Capitalisten habi tual und von Effekt; die der Arbeiter ver boten und von schlech- ten Folgen für sie. Ausserdem können der Grundeigenthümer und Capitalist ihren Revenuen industrielle 25 Vortheile hinzufügen, der Arbeiter seinem |l| 1) Das Capital. 1) Worauf beruht das Capital, d.h. das Privateigenthum an den Produkten fremder Arbeit? „Wenn das Capital selbst nicht auf Dieb stahl oder Unterschleif sich reducirt, so bedarf es doch den Concurs der Gesetzgebung, um die Erbschaft zu heili gen." Say. t. L p. 136, nota. Wie wird man Pro- prietair v[on] produk tiven fonds? Wie wird man Eigenthümer von den Produkten, die vermittelst dieser fonds geschaffen werden? lei |l| Das Recht der Grundeigenthümer tet seinen Ursprung vom Raub. Say. 1.1, p. 136, not. Die Grund eigenthümer lieben, wie alle Menschen da zu ärnten, wo sie nicht gesät haben und sie ver langen eine Rente selbst für das natür liche Produkt der Erde. Smith. L I, p.99. „Man könnte sich vorstellen, die Grund rente sei nur der Ge winn des Capitals, welches der Eigen thümer zur Verbes serung des Bodens benuzt hat Fälle, wo die Grund rente dieß zum Theil Es giebt 189 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. Durch das positive Recht. Say. t. II, p. 4. Was erwübt man mit dem Capital, mit der Erbschaft eines gros sen Vermögens z. B.? „Einer, der z.B. ein grosses Vermögen erbt, erwübt dadurch zwar nicht unmittelbar politische Macht. Die Art von Macht, die diese Besitzung ihm unmittelbar und direkt überträgt, das ist die Macht zu kaufen, das ist ein Recht des Be fehls über aüe Arbeit von andern oder über aües Produkt dieser Arbeit, welches zur Zeit auf dem Markt existirt." Smith. 1.1, p.61. Das Capital ist also die Regierungsgewalt über die Arbeit und ihre Producte. Der Capitalist besizt diese Gewalt, nicht seiner persönlichen oder menschlichen Eigen schaften wegen, son dern insof ern er Eigen- thümer des Capitals ist. Die kaufende Ge walt semes Capitals, der nichts wiederstehn kann, ist seme Gewalt. sein k a n n . .. aber der Grundeigenthümer for dert 1) eine Rente selbst für die nicht verbes serte Erde und was man als Interesse oder Gewinn auf die Ver besserungskosten be trachten kann, ist meistens nur eine Zu- that\ Addition zu die ser primitiven Rente, 2) überdem sind diese Verbesserungen nicht immer mit d[en] fonds der Grundeigenthümer gemacht, sondern manchmal mit denen des Pächters: nichts destoweniger, wenn es sich darum handelt die Pacht zu erneuern, verlangt der Grund eigenthümer gewöhn- üch eine solche Er höhung der Rente, als wenn alle diese Ver besserungen mit seinen eignen fonds gemacht wären. 3) Ja er verlangt manchmal selbst eine Rente für das, was durchaus unfähig der geringsten Verbes serung durch Men schenhand ist." Smith. L i, p.300,301. Smith führt als Bei spiel für leztern Faü Industriellen Einkom men weder Grund rente, noch Capital- interesse. Darum die Concurrenz unter den Arbeitern so groß. Also für d[en] Arbeiter allein ist die Trennung von Capital, Grund eigenthum und Arbeit eine nothwendige, wesentliche und schäd liche Trennung. Capital und Grundeigenthum brauchen nicht in dieser Abstraktion stehn zu bleiben, wohl aber die Arbeit des Arbeiters. Für d[en] Arbeiter also die Trennung von Capital, Grundrente tödtlich. und Arbeit Die niedrigste und die einzig nothwendige Taxe für den Arbeits lohn ist die Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit und so viel mehr, daß er eme Familie ernähren kann und die Arbeiterraçe nicht ausstirbt. Der gewöhnliche Arbeits lohn ist nach Smith der niedrigste, der mit d[er] simple humanité, nämüch einer vie hischen Existenz, ver- trägüch ist. 190 Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. 5 Die Nachfrage nach Menschen regelt noth wendig die Produktion d[er] Menschen, wie jeder andern Waare. Ist die Zufuhr viel grösser als die Nach frage, so sinkt ein Theil in den 10 der Arbeiter Bettelstand oder den Hungertod herab. Die Existenz des Arbeiters ist also auf die Bedin- 15 gung der Existenz jeder andern Waare reducirt. Der Arbeiter ist zu einer Waare geworden und es ist ein Glück für ihn, wenn er sich an den Mann bringen kann. Und die Nach frage, von der das Leben des Arbeiters 20 25 abhängt, hängt von der Laune d[es] Rei chen und Capitalisten ab. Wir werden später sehn, einmal, wie der Capitalist vermittelst des Capitals seine Regierungsgewalt über die Arbeit ausübt, dann aber die Regie rungsgewalt des Capi tals über d[en] Capi talisten selbst. Was ist das Capital? « Une certaine quan tité de travail amassé et mis en réserve. » Smith, t. II, p. 312. Capital ist aufge speicherte Arbeit 2) fonds, Stock ist jede Häufung von Produkten der Erde und Manufacturarbeit. Der Stock heißt nur dann Capital, wenn er seinem Eigenthümer eine Revenu oder Gewinn abwirft. Smith. t.II, p. 191. Ueberbietet die 2) Der Gewinn des 3o Quantität der Zufuhr die Nachfrage, so ist einer der den Preiß constituirenden Theile, Profit, Grundrente, 35 Arbeitslohn unter dem Preiß gezahlt, ein Theil dieser Leistungen ent zieht sich also dieser Anwendung und so 4o gravitirt der Markt- Capitals. „Der Profit oder Gewinn des Capitals ist ganz vom Arbeits lohn verschieden. Diese Verschieden heit zeigt sich in dop pelter Weise. Einmal reglen sich die Gewinne des Capitals gänzlich nach dem Werth des das Salzkraut (See krapp — salicorne) an, „eine Art von See pflanze, welche nach der Verbrennung ein alkalisches Salz giebt, womit man Glas, Seife etc machen kann. Es wächst in Großbrittan- nien, vorzüglich in Schottland an ver- schiednen Plätzen, aber nur auf Felsen, die unter der Ebbe und Fluth liegen, (hohen Fluth, marée) 2mal des Tags durch die Seewellen bedeckt sind und deren Pro dukt also niemals durch die menschliche Indu strie vermehrt worden ist. Dennoch verlangt der Eigenthümer eines solchen Grundstücks, wo diese Art von Pflanze wächst, eine Rente, ebenso gut wie von Getreideboden. In der Nähe der Inseln von Shetland ist das Meer ausserordentlich reich. Ein grosser Theil ihrer Einwohner | |ll| lebt vom Fisch fang. Um aber Gewinn vom Meerprodukt zu ziehn, muß man eine Wohnung auf dem 191 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. angewandten Capitals, obgleich die Arbeit der Aufsicht und Direktion bei verschie denen Capitalien die nämliche sein kann. Dann kömmt hinzu, daß in grossen Fabri ken diese ganze Arbeit einem Hauptcommis anvertraut ist, dessen Gehalt in keinem Ver hältniß mit dem | |ll| Capital steht, des sen Leitung er über wacht. Obgleich sich hier nun die Arbeit des Proprietairs fast auf nichts reducirt, ver langt er doch Profite im Verhältniß zu seinem Capital." Smith. t.I, p. 97-99. Warum verlangt der Capitalist diese Propor tion zwischen Gewinn und Capital? Er hätte kein Inter esse, die Arbeiter an zuwenden, wenn er nicht vom Verkauf ihres Werks mehr er wartete, als nöthig ist, um die für Arbeitslohn avancirten fonds zu ersetzen, und er hätte kein Interesse eher eine grosse als eine kleine Summe von benachbarten Lande haben. Die Grund rente steht im Ver hältniß nicht zu dem, was der Pächter mit der Erde, sondern zu dem, was er mit der Erde und dem Meer zusammen machen kann." Smith. t.I, p. 301,302. „Man kann die Grundrente als das Produkt der Natur- macht betrachten, deren Gebrauch der Eigenthümer dem Pächter leiht. Dieß Produkt ist mehr oder weniger groß je nach dem Umfang dieser Macht oder in andern Worten, nach dem Umfang der natür- liehen oder künstlichen Fruchtbarkeit der Erde. Es ist das Werk der Natur, welches übrig bleibt nach Ab- ziehung oder nach der Balance aües dessen, was man als das Werk d[es] Menschen be trachten kann." Smith. t. II, p. 377,78. „Die Grundrente als Preiß betrachtet, den man für den Gebrauch der Erde zahlt, ist also 5 10 15 20 25 30 35 40 preiß nach dem natür lichen Preiß, als Cen traipunkt. Aber 1) ist es dem Arbeiter, bei einer grossen Theilung der Arbeit am schwer sten, seiner Arbeit eine andere Richtung zu geben, 2) trifft ihn, bei seinem subalternen Verhältniß zum Capi- talisten zunächst der Nachtheil. Bei der Gravitation des Marktpreisses zum natürlichen Preisse verliert also der Arbei ter am meisten und unbedingt. Und grade die Fähigkeit des Capi- talisten, seinem Capital eine andere Richtung zu geben, macht den auf einen bestimmten Arbeitszweig einge schränkten ouvrier entweder brodlos oder zwingt ihn, sich allen Forderungen dieses Capitalisten zu unter werfen, ι |Π| Die zufälligen und plötzlichen Schwankungen des Marktpreisses tref fen weniger die Grund rente, als den in Profit und Salaire aufgelösten Theil des Preisses, 192 I Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. 5 aber weniger den Pro fit, als den Arbeits lohn. Auf einen Ar- beitslohn, der steigt, kömmt meistens einer, der stationair bleibt und einer der fällt. Der Arbeiter braucht nicht nothwendig zu 10 gewinnen mit dem Gewinn des Capita- listen, aber er verliert nothwendig mit ihm. 15 So gewinnt der Ar beiter nicht, wenn der Capitalist durch Fabrik oder Handelsgeheim- niß, durch Monopol 20 oder günstige Lage seines Grundstücks den Marktpreiß über d[em] natürlichen Preiß hält. 25 Ferner : Die Arbeits- preisse sind viel con- stanter als die Preisse der Lebensmittel. Oft stehn sie in entgegen- 30 geseztem Verhältniß. In einem theuern Jahr Arbeitslohn vermindert wegen der Vermin derung der Nachfrage, erhöht wegen der Erhöhung der Lebens mittel. Also balancirt. Jedenfalls eine Quan tität Arbeiter ausser 35 40 Brod gesezt. In wohl- fonds anzuwenden, wenn sein Profit nicht im Verhältniß zum Um fang der angewandten fonds stände. 1.1, p. 97. Der Capitalist zieht also erstens einen Ge winn auf die Salaire, zweitens auf die avan- cirten Rohstoffe. Welches Verhältniß hat nun der Gewinn zum Capital? Wenn es schon schwer ist, die gewöhn liche mittlere Taxe des Arbeitslohns an gegebnem Ort und in [gegebner] Zeit zu bestimmen, so noch schwerer der Gewinn der Capitalien. Wech sel im Preiß der Waa- ren, mit welchen das Capital handelt, Glück oder Unglück seiner Rivalen und Kunden, tausend andre Zufälle, denen die Waaren aus- gesezt sind, sowohl während des Trans ports, als in den Maga zinen, bringen einen täglichen, fast stünd lichen Wechsel im Profit hervor. Smith. t . I , p. 179,180. So un möglich es nun ist, die Gewinne der Capi- natürlich ein Monopol- preiß. Sie steht durch aus nicht im Verhält niß zu den Verbes serungen, die der Grundeigenthümer an die Erde gewandt hat, oder mit dem, was er nehmen muß, um nicht zu verlieren, sondern mit dem, was der Päch ter möglicher Weise geben kann, ohne zu verlieren." t.I,p.302. Smith. „Von den 3 produk tiven Klassen ist die der Grundeigenthümer diejenige, der ihre Revenu weder Arbeit noch Sorge kostet, sondern der sie so zu sagen von selbst kömmt, und ohne daß sie irgend eine Ein sicht oder einen Plan hinzu thut." Smith. t.II, p. 161. Wir haben schon gehört, daß die Quan tität [der] Grundrente von dem Verhältniß der Fruchtbarkeit des Bodens abhängt. Ein andres Moment ihrer Bestimmung ist die Lage. „Die Rente wechselt nach der Fruchtbarkeit 193 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. feilen Jahren Arbeits lohn erhöht wegen der Erhöhung der Nach frage, vermindert wegen der Preisse der Lebensmittel. Also balancirt. Ein andrer Nach theil des Arbeiters: Die Arbeitspreisse der verschiednen Arten von Arbeiten sind viel verschiedner, als die Gewinne der ver schiednen Zweige, worauf das Capital sich legt. Bei der Arbeit tritt die ganze natür liche, geistige und sociale Verschieden heit der individuellen Thätigkeit heraus, und wird verschieden be lohnt, während das todte Capital immer denselben Tritt geht und gleichgültig gegen die wirkliche indivi duelle Thätigkeit ist. Ueberhaupt ist zu bemerken, daß da, wo Arbeiter und Capi talist gleich leiden, der Arbeiter an seiner Existenz, der Capi talist am Gewinn seines todten Mammons leidet. talien mit Präcision zu bestimmen, so kann man sich doch eine Vorstellung von ihnen machen nach dem Geldzins. Kann man viel Gewinn mit dem Geld machen, so giebt man viel für die Fähig keit, sich semer zu bedienen, wenn wenig durch seine Vermitt lung, wenig. Smith. t.I, p. 180,81. Die Pro portion, welche die gewöhnüche Zinstaxe mit der Taxe des Rein gewinns bewahren muß, wechselt noth wendig mit Steigen oder Faüen des Ge winns. In Großbrit- tannien berechnet man auf das Doppelte des Interesses das, was die Handelsleute nennen un profit honnête, raisonnable, modéré, lauter Ausdrücke, die nichts sagen woUen, als ein Gewöhnlicher und gebräuchlicher Profit. Smith. 1.1, p. 198. Welches ist die niedrigste Taxe des Gewinns? Welches seme höchste! Der Arbeiter muß Die niedrigste Taxe 194 der Erde, welches auch immer ihr Pro dukt sei, und nach der Lage, welches auch immer die Frucht barkeit sei." Smith. L I, p.306. „Sind Ländereien, 5 10 20 15 Minen, Fischereien von gleicher Frucht barkeit, so wird ihr Produkt im Verhält niß zur Ausdehnung der Capitalien stehn, welche man zu ihrer Cultur und Exploita tion anwendet, wie zu der mehr ||lll| oder minder geschickten Weise der Anwendung der Capitaüen. Sind die Capitaüen gleich und gleichgeschickt angewandt, so wüd das Product im Ver hältniß zur natürlichen Fruchtbarkeit der Ländereien, Fische reien und Minen stehn." t. n, p.210. Diese Sätze von Smith sind wichtig, weü sie bei gleichen Pro- ductionskosten und gleichem Umfang die Grundrente auf die grössere oder kleinere Fruchtbarkeit der Erde reducüen; also deutlich 40 25 35 30 Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. nicht nur um seine physischen Lebens mittel, er muß um die 5 Erwerbung von Arbeit, d.h. um die Möglich keit, um d[ie] Mittel kämpfen, seine Thätig keit verwirklichen zu 10 können. Nehmen wir die 3 Hauptzustände, in denen die Gesellschaft sich befinden kann und 15 betrachten die Lage des Arbeiters in ihr. 1) Ist der Reichthum der Gesellschaft im Verfall, so leidet der 20 Arbeiter am meisten, denn: Obgleich die Arbeiterklasse nicht so viel gewinnen kann als die der Eigen- thümer im glücklichen Zustand der Gesell schaft, aucune ne souffre aussi cruelle ment de son déclin que la classe des ouvriers. \ 25 30 35 |III| 2) Nehmen wir nun eine Gesellschaft, in welcher der Reich- thum fortschreitet. Dieser Zustand ist der einzige dem Arbeiter günstige. Hier tritt Concurrenz unter den 40 Capitalisten ein. Die des gewöhnlichen Ge winns der Capitalien muß immer etwas mehr sein, als nöthig ist, um die zuf älligen Ver luste zu compensiren, welchen jede Anwen dung des Capitals aus- gesezt ist. Dieses sur plus ist eigentlich der Gewinn oder le béné fice net. Ebenso ver hält es sich mit der niedrigsten Taxe des Zinsfusses. Smith. t.I, p. 196.1 |III| Die höchste Taxe, auf welche die gewöhnhchen Gewinne steigen können, ist die, welche in der Mehrzahl der Waaren die Totalität der Grund rente wegnimmt und den Arbeitslohn der gelieferten Waare auf den niedrigsten Preiß, auf die blosse Subsi- stenz des Arbeiters während der Arbeit reducirt. Auf die eine oder die andere Art muß der Arbeiter immer genährt werden, solang er zu einem Tagwerk angewandt wird; die Grundrente kann ganz wegfallen. Beispiel: In Bengalien die Verkehrung der Begriffe in der Natio nalökonomie bewiesen, welche Fruchtbarkeit der Erde in eine Eigen schaft des Grundbesit zers verwandelt. Betrachten wir aber nun die Grundrente, wie sie sich im wirk lichen Verkehr ge staltet. Die Grundrente wird festgesezt durch den Kampf zwischen Päch ter und Grundeigen thümer. Ueberall in der Nationalökonomie finden wir den feind lichen Gegensatz der Interessen, den Kampf, den Krieg als die Grundlage der gesell schaftlichen Organi sation anerkannt. Sehn wir nun, wie Grundeigenthümer und Pächter zu einander stehn. „Der Grundeigen thümer sucht bei der Stipulation der Pacht klauseln, möglicher weise dem Pächter nicht mehr zu lassen, als hinreicht, um das Capital zu ersetzen, welches d[en] Saamen liefert, die Arbeit be- 195 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. die Leute der indischen Handelskompagnie. Smith. t . I, p. 197, 98. Ausser aüen Vor- theüen einer geringen Concurrenz, die der Capitatisi in diesem FaU ausbeuten darf, kann er auf eine honette Weise den Marktpreiß über den natürlichen Preiß halten. Einmal: durch Han- delsgeheimniß, wenn der Markt von denen, die ihn beziehn, sehr entfernt ist: nämhch durch Geheimhaltung der Wechsel des Preis- ses, seiner Erhöhung über den natürüchen Stand. Diese Geheim haltung hat nämüch den Erfolg, daß nicht andre Capitaüsten ebenf aus ihr Capital auf diese Branche werfen. Dann: durch Fabrik- geheimniß, wo der Capitaüst mit weniger Productionskosten seine Waare zu den selben oder sogar zu niedrigem Preissen als seme Concurrenten mit mehr Profit üe- zahlt, Thiere und andre Instrumente kauft und unterhält und ausserdem den ge- wöhnüchen Gewinn der übrigen Pachtungen im Canton abwirft. Offenbar ist dieß der kleinste Theü, womit der Pächter sich be friedigen kann, ohne in Verlust zu gerathen und der Grundeigen thümer ist selten der Ansicht, ihm mehr zu lassen. AUes, was vom Product oder seinem Preisse über diese Por tion bleibt, wie auch der Rest beschaffen sei, sucht sich der Pro prietär als Grundrente zu resemren, die stärkste, die der Päch ter bei dem jetzigen Zustand der Erde zahlen ||IV| kann. Die ses surplus kann immer als die natürüche Grundrente betrachtet werden, oder als die Rente zu welcher die meisten Grundstücke natürlicherweise ver- miethet werden." Smith, t. L p. 299,300. „Die Grundeigen thümer", sagt Say „üben eine gewisse Nachfrage nach Ar beitern überschreitet ihre Zufuhr: Aber: Einmal: Die Er höhung des Arbeits lohns führt Ueber- arbeitung unter den Arbeitern herbei. Je mehr sie verdienen wollen, je mehr müssen sie ihre Zeit aufopfern und vollständig aller Freiheit sich ent äussernd, im Dienst der Habsucht Sklaven arbeit vollziehn. Dabei kürzen sie dadurch ihre Lebenszeit ab. Diese Verkürzung ihrer Lebensdauer ist ein günstiger Umstand für die Arbeiterklasse im Ganzen, weü da durch immer neue Zufuhr nöthig wüd. Diese Klasse muß mimer einen Theü ihrer selbst opfern, um nicht ganz zu Grunde zu gehn. Ferner: Wann be findet sich eine GeseU schaft in fortschrei tender Bereicherung? Mit dem Wachsthum von Capitaüen und Revenuen eines Lan des. Dieß ist aber nur mögüch α) dadurch, 196 Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. daß viele Arbeit zu sammen gehäuft wird, denn Capital ist auf- 5 gehäufte Arbeit; also dadurch, daß dem Arbeiter immer mehr von seinen Produkten aus der Hand genom- 10 men wird, daß seine eigne Arbeit ihm immer mehr als frem des Eigenthum gegen übertritt und die Mittel seiner Existenz und semer Thätigkeit immer mehr in der Hand d[es] Capitaüsten sich concentriren. 15 20 ß) Die Häufung des Capitals vermehrt die Theüung der Arbeit, die Theüung der Arbeit vermehrt die Zahl der 25 Arbeiter; umgekehrt vermehrt die Zahl der Arbeiter die Theüung der Arbeit, wie die Theüung der Arbeit 30 die Aufhäufung der Capitaüen vermehrt. Mit dieser Theüung der Arbeit einerseits und der Häufung der 35 Capitaüen andrerseits wüd der Arbeiter immer mehr rem von der Arbeit und einer bestimmten, sehr em- 40 seitigen, maschinen- fert. — (Der Betrug durch Geheimhaltung ist nicht unsittiich? Börsenhandel.) — Fer ner: wo die Production an eine bestimmte Localität gebunden (wie ζ. B. kostbarer Wem) und die effec­ tive Nachfrage nie befriedigt werden kann. Endlich: durch Monopole von Indivi­ duen und Compagnien. Der Monopolpreiß ist so hoch als mögüch. Smith. t . I , p. 120-24. Andre zufälüge Ur sachen, welche den Gewinn des Capitals erhöhen können: Erwerbung von neuen Territorien oder neuer Handelszweige vermehren oft, selbst in einem reichen Lande, den Gewinn der Capitaüen, weü sie den alten Handels zweigen einen Theil der Capitaüen ent- ziehn, die Concurrenz vermindern, den Markt mit weniger Waaren beziehn machen, deren Preisse sich dann er höhn; die Handels treibenden mit den selben können dann Art von Monopol gegen d[ie] Pächter. Die Nachfrage nach ihrer Waare, dem Grund und Boden, kann sich un- aufhörüch ausdehnen; aber die Quantität ihrer Waare erstreckt sich nur bis zu einem gewis sen Punkt. . .. Der Handel, der sich zwi schen Grundeigen thümer und Pächter abschüeßt, ist immer so vortheühaft wie mögüch für den ersten . .. ausser dem Vor- theü, den er aus der Natur der Dinge zieht, zieht er einen andern aus semer Steüung, grösserem Vermögen, Credit, Ansehn; aUein schon d[er] erste reicht dazu hin, daß er immer befähigt ist aZ/ein von den günstigen Um ständen des Grund und Bodens zu profitiren. Die Eröffnung eines Canals, Wegs, der Fortschritt der Be völkerung und des Wohlstandes eines Cantons erheben mi mer den Pachtpreiß. . .. Der Pächter selbst kann zwar den Boden auf seme Kosten ver- 197 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. artigen Arbeit ab hängig. Wie er also geistig und leiblich zur Maschine herab gedrückt und aus einem Menschen eine abstrakte Thätigkeit und ein Bauch wird, so wird er auch immer abhängiger von allen Schwankungen des Marktpreisses, der Anwendung der Capi- talien und der Laune d[es] Reichen. Eben sosehr wird durch die Zunahme der nur | |IV| arbeitenden Men schenklasse die Con- currenz der Arbeiter erhöht, also ihr Preiß erniedrigt. In dem Fabrikwesen erreicht diese Stellung des Arbeiters ihren Gipfel punkt. -γ) In einer Gesell­ schaft, welche sich in zunehmendem Wohl­ stand befindet, können nur mehr die Aller- reichsten vom Geld zins leben. Alle übrigen müssen mit ihrem Capital ein Geschäft treiben oder es in den Handel werfen. Da durch wird also die Concurrenz unter den 198 das geliehne Geld mit stärkern Zinsen zahlen. Smith. t.I, p. 190. Je mehr eine Waare bearbeitet, Gegenstand der Manufactur wird, steigt der Theil des Preisses, der sich in Arbeitslohn und Profit auflöst im Verhältniß zu dem Theil, der sich in Grundrente auflöst. In dem Fortschritt, den die Handarbeit über diese Waare macht, vermehrt sich nicht nur die Zahl der Gewinne, sondern jeder folgende Gewinn ist grösser als der vor hergehende, weil das Capital, von dem | |rv] er entspringt, noth wendig immer grösser ist. Das Capital, wel ches die Leinweber in Arbeit sezt, ist noth wendig immer grösser als das, welches die Spinner arbeiten macht, weil es nicht nur das lezte Capital mit seinen Gewinnen ersezt, sondern ausser dem noch die Salaire der Leinweber zahlt — und es ist nothwendig, daß die Gewinne immer in einer Art von Ver bessern; aber von die sem Capital zieht er nur Vortheil während der Dauer seiner Pacht, und mit ihrem Ablauf bleibt es dem Grund eigenthümer; von die sem Moment an zieht dieser die Interessen davon, ohne die Avan cen gemacht zu haben, denn die Miethe erhebt sich nun verhältniß- mässig." Say, t. II, p. 142,43. „Die Grundrente, betrachtet als der Preiß, der für den Gebrauch der Erde bezahlt wird, ist daher natürlicher Weise der höchste Preiß, den der Pächter zu zahlen im Stande ist unter den gegen- wältigen Verhältnissen des Grund und Bo dens." Smith, 1.1, p.299. 5 10 15 20 25 „Die Grundrente der 30 Oberfläche der Erde beträgt daher mei stens . .. den 3* Theil des Gesammtprodukts und meistens ist das eine fixe und von den zufälligen Schwan kungen ||V| der Erndte unabhängige Rente." Smith. t.I, p.351. 35 40 Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. Capitaüen grösser, die Concentration der Capitaüen wüd 5 grösser, die grossen Capitaüsten ruüüren die kleinen, und ein Theil der ehemaügen Capitaüsten sinkt zu 1 o der Klasse der Arbeiter herab, welche durch diese Zufuhr theüs wieder eine Herab- drückung des Arbeits- lohns erleidet und in eure noch grössere Abhängigkeit von den wenigen grossen Capi taüsten geräth; indem 15 20 die Zahl der Capita üsten sich vermindert hat, ist ihre Concurrenz in Bezug auf d[ie] Arbeiter fast nicht 25 mehr vorhanden und indem die Zahl der Arbeiter sich vermehrt hat, ist ihre Concur renz unter sich um so 30 grösser, unnatürücher und gewaltsamer ge worden. Ein Theü von dem Arbeiterstand f äüt daher ebenso noth- 35 wenig in den Bettel oder Verhungerungs- stand, wie ein Theü der mittleren Capita üsten in den Arbeiter- 40 stand. hältniß mit dem Capital stehn. L I, 102,3. Der Fortschritt, den also die menschüche Arbeit über das Natur produkt und das bear beitete Naturprodukt macht, vermehrt nicht den Arbeitslohn, son dern theüs die Zahl der gewinnenden Capi tale, theüs das Ver hältniß jedes folgen den Capitals zu d[em] vorhergehenden. Ueber den Gewinn, den der Capitalist von der Theüung der Ar beit zieht, später. Er gewinnt doppelt, erstens von der Thei- lung der Arbeit, zwei tens überhaupt von dem Fortschritt, den die menschliche Arbeit über das Naturprodukt macht. Je grösser der menschüche Antheü an einer Waare, um so grösser der Gewinn des todten Capitals. In einer und der selben GeseUschaft ist die Durchschnitts taxe der Capital- gewinne viel näher demselben Niveau, als der Lohn der ver schiedenen Arten von „Selten beträgt diese Rente weniger als 1/4 des Gesammtpro- dukts."ib.t.II,p.378. Nicht bei aüen Waa- ren kann die Grund rente bezahlt werden. Ζ. B. in manchen Ge­ genden wüd für die Steine keine Grund rente bezahlt. „Gewöhnüch kann man nur die Produkte der Erde auf den Markt bringen, die Theüe des Erdproduktes, deren gewöhnlicher Preiß hinreicht, um das Capi tal, welches man zu dieser Transportation braucht, und die ge- wöhnüchen Gewinne dieses Capitals zu er setzen. Reicht der Preiß mehr als aus hiefür, so geht d[as] surplus natürlich zur Grund rente. Ist er nur hin reichend, so kann die Waare wohl auf den Markt gebracht wer den, aber sie reicht nicht hin, um dem Landbesitzer die Grundrente zu zahlen. Wüd oder wüd nicht der Preiß mehr als hin reichend sein? Das hängt von der Nach- 199 1 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. Also selbst in dem Zustand der Gesell schaft, welcher dem Arbeiter am günstig sten ist, ist die noth- wendige Folge für d[en] Arbeiter Ueber- arbeitung und früher Tod, Herabsinken zur Maschine, Knecht des Capitals, das sich ihm gefährlich gegen über aufhäuft, neue Concurrenz, Hunger tod oder Bettelei eines Theils der Arbeiter. | |V| Die Erhöhung des Arbeitslohns er regt im Arbeiter die Bereicherungssucht d[es] Capitalisten, die er aber nur durch Auf opferung seines Geistes und Körpers befriedigen kann. Die Erhöhung des Arbeits lohns sezt die Häufung des Capitals voraus, und führt sie herbei; stellt das Produkt der Arbeit also immer fremder dem Arbeiter gegenüber. Ebenso macht die Theilung der Arbeit ihn immer einseitiger und ab hängiger, wie sie die Concurrenz nicht nur der Menschen, sondern 200 Arbeit. 1.1, p.228. Bei den verschiedenen Anwendungen des Capitals wechselt die gewöhnliche Taxe des Gewinns nach der grössern oder geringem Gewißheit der Zurück- kunft des Capitals. Die Taxe des Gewinns hebt sich mit d[em] risque, wenn auch nicht in vollständiger Proportion. 1.1, p. 226,27. Es versteht sich von selbst, daß die Capital- gewinne auch durch die Erleichterung oder geringere Kost spieligkeit der Cir- culationsmittel (z.B. Papiergeld) steigen. 3) Die Herrschaft des Capitals über die Arbeit und die Motive d[es] Capitalisten. Das einzige Motiv, welches den Besitzer eines Capitals be stimmt, es eher in der Agrikultur oder in der Manufaktur oder in einem besondern Zweig des en gros oder en détail Handels zu verwenden, ist der Gesichtspunkt seines eignen Profits. Es frage ab." Smith. t . I, p.302, 303. „Die Grundrente geht in die Composition des Preisses der Waaren auf eine ganz andere Art ein, als der Arbeitslohn und der Gewinn des Capitals. Die hohe oder niedre Taxe der Salaire und Gewinne ist die Ur sache des hohen oder niedern Preisses der Waaren: die hohe oder niedre Taxe der Grund rente ist die Wirkung des Preisses." 1.1, p.303, 304. Smith. Zu den Produkten, die immer eine Grund rente bringen, gehört die Nahrung. 5 10 15 20 25 „Da die Menschen, wie alle Thiere, sich im Verhältniß zu ihren Subsistenzmitteln ver mehren, so giebt es immer mehr oder weni- 30 ger Nachfrage nach Nahrung. Die Nahrung wird immer einen grössern oder kleinem | |VI| Theil von Arbeit 35 kaufen können, und es werden sich immer Leute aufgelegt fin den, etwas zu thun, um sie zu gewinnen. Die 40 I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. auch der Maschinen herbeiführt. Da der Arbeiter zur Maschine 5 herabgesunken ist, kann ihm die Maschine als Concurrent gegen übertreten. Endüch wie die Häufung des 10 Capitals die Quantität der Industrie, also d[ie] Arbeiter ver mehrt, bringt durch diese Accumulation 15 dieselbe Quantität der Industrie eine grössere Quantität Machwerk herbei, die zur Ueberproduktion 20 wüd, und entweder damit endet, einen grossen Theil Arbeiter ausser Arbeit zu setzen ihren Lohn auf oder 25 das kümmerlichste Minimum zu redu- cüen. Das sind die Folgen eines GeseUschafts- 30 zustandes, der dem Arbeiter am günstig sten ist, nämüch des Zustandes des wach senden, fortschreiten- 35 den Reichthums. Endüch aber muß dieser wachsende Zu stand doch einmal seinen Höhepunkt 40 erreichen. Welches kömmt ihm nie in den Sinn zu berechnen, wie viel produktive Arbeit jede dieser ver schiedenen Anwen dungsarten in Thätig keit setzen, ||V| oder an Werth dem jähr lichen Produkt der Ländereien und der Arbeit seines Landes hinzufügen wüd. Smith, t. II, p. 400,401. Die nützüchste An wendung des Capitals für den Capitaüsten ist die, welche ihm bei gleicher Sicherheit den größten Gewinn ab wirft. Diese Anwen dung ist nicht immer die nützüchste für die GeseUschaft; die nütz üchste ist die, welche darauf verwandt wüd, Nutzen von den pro duktiven Naturkräften zu ziehn. Say. t. II, p. 130,31. Die wichtigsten Operationen der Ar beit sind geregelt und geleitet nach den Plä nen und den Spekula tionen derjenigen, welche die Capitaüen anwenden; und der Zweck, welchen sie sich in allen diesen Arbeit, welche die Nahrung kaufen kann ist zwar nicht immer gleich der Arbeit, die von ihr subsistiren könnte, wenn sie auf die ökonomischste Weise vertheüt wäre und dieß wegen der zuweüen hohen Ar- beitssalaüe. Aber die Nahrung kann immer so viel Arbeit kaufen, als sie nach der Taxe, auf welche diese Ar beitsart gewöhnüch im Lande steht, Arbeit subsistiren machen kann. Die Erde pro ducirt fast in aüen möglichen Situationen mehr Nahrung als zur Subsistenz aUer Arbeit nöthig, welche dazu beiträgt, diese Nahrung auf den Markt zu brin gen. Das Mehr dieser Nahrung ist immer mehr als hinreichend, um mit Gewinn das Capital zu ersetzen, welches diese Arbeit in Bewegung sezt. Also bleibt immer etwas, um dem Grund eigenthümer eine Rente zugeben." t.I,p.305,6. Smith. „Die Grund rente zieht nicht nur 201 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. Plänen und Operatio nen vorsetzen, ist der Profit. Also: Die Taxe des Profits steigt nicht, wie Grundrente und Arbeitslohn, mit dem Wohlstand der Gesell schaft und fällt nicht, wie jene, mit ihrem Verfall. Im Gegen theil, diese Taxe ist natürlich niedrig in den reichen Ländern und hoch in den armen Ländern; und sie ist nie so hoch als in den Ländern, welche sich am schnellsten ihrem Ruin entgegen stürzen. Das Interesse dieser Klasse steht also nicht in derselben Verbin dung, wie das der beiden andern, mit dem allgemeinen Inter esse der Gesellschaft. . .. Das besondre Inter esse derer, die einen besondern Handels oder Manuf acturzweig treiben, ist in gewisser Hinsicht immer ver schieden von dem des Publicums und oft ihm sogar feindlich entgegen gesezt. Das Interesse des Kauf manns ist immer, den Markt zu vergrossern, ist nun die Lage des Arbeiters? 3) „In einem Land, welches die leztmög- liche Stufe seines Reichthums erreicht hätte, wären beide, Arbeitslohn und Capi- talinteresse sehr niedrig. Die Concur renz unter den Arbei tern, um Beschäftigung zu erhalten, wäre so groß, daß die Salaire auf das reducirt wären, was zur Erhaltung der nämlichen Zahl von Arbeitern hinreicht und da das Land schon hinreichend bevölkert wäre, könnte sich diese Zahl nicht vermehren." Das Plus müßte ster ben. Also im abnehmen den Zustand der Gesellschaft progres sives Elend des Ar beiters, im fortschrei tenden Zustand com- plicirtes Elend, im vollendeten Zustand stationaires Elend. | |Vl| Da aber nach Smith eine Gesellschaft nicht glücklich ist, wo die Majorität leidet, da aber der reichste Zustand der Gesell- 202 5 10 ihren ersten Ursprung von der Nahrung, son dern auch wenn ein anderer Theil des Erd- Produktes in der Folge dazu kömmt, eine Rente abzuwerfen, so verdankt die Rente diese Zufügung von Werth dem Wachs thum der Macht, wel che die Arbeit erlangt hat, um Nahrung zu produciren, vermittelst 15 (au moyen) der Cultur und Verbesserung der Erde." p.345, L i. Smith. „Die Nahrung d[es] Menschen reicht also immer zur Zahlung der Grundrente aus." 1.1, p. 337. „Die Länder bevölkern sich nicht im Verhältniß der Zahl, 25 welches ihr Product kleiden und logjren kann, sondern im Ver hältniß dessen, was ihr Product nähren kann." Smith. L I, p.342. „Die 2 größten menschlichen Bedürf nisse nach der Nahrung sind Kleidung, Logie, Heitzung. Sie werfen meistens eine Grund rente ab, nicht immer nothwendig." 1.1, ib. p. 338. J 35 20 30 40 Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. und die Concurrenz der Verkäufer einzu schränken. . .. Es ist dieß eine Klasse von Leuten, deren Inter esse niemals exakt dasselbe sein wird, wie das der Gesell schaft, welche im Allgemeinen ein Inter esse haben, das Publi cum zu betrügen und es zu überlasten, t. II, p. 163-65. Smith./ schaft zu diesem Lei den d[er] Mehrzahl und da die National- 5 Ökonomie (überhaupt die Gesellschaft des Privatinteresses) zu diesem reichsten Zu stand führt, so ist also das Unglück der Ge sellschaft der Zweck der Nationalökono mie. 10 In Bezug auf das 15 Verhältniß zwischen Arbeiter und Capitalist ist noch zu bemerken, daß die Erhöhung des Arbeitslohnes dem 20 Capitaüsten durch die Verringerung der Quantität der Arbeits zeit mehr als compen sili; wird, und daß die 25 Erhöhung des Arbeits lohns und die Erhöhung des Capitalinteresses auf den Waarenpreiß wie einfaches und zu- sammengeseztes Inter esse wirken. Stellen wir uns nun 30 ganz auf den Stand punkt des National- 35 Ökonomen und ver gleichen wir nach ihm die theoretischen und praktischen Ansprüche der Arbeiter. 40 Er sagt uns, daß 203 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. ursprünglich und dem Begriff nach das ganze Produkt der Arbeit dem Arbeiter gehört. Aber er sagt uns zu gleich, daß in der Wirklichkeit dem Ar beiter der kleinste und allerunumgänglichste Theil des Produkts zukömmt; nur so viel, als nöthig ist, nicht damit er als Mensch, sondern damit er als Arbeiter existirt, nicht damit er die Mensch heit, sondern damit er die Sklavenklasse der Arbeiter fortpflanzt. Der Nationalökonom sagt uns, daß alles mit Arbeit gekauft wird, und daß das Capital nichts als aufgehäufte Arbeit ist, aber er sagt uns zugleich, daß der Arbeiter weit entfernt alles kaufen zu kön nen, sich selbst und seine Menschheit ver kaufen muß. Während die Grund rente des trägen Land besitzers meistens den 3t en Theil des Erdpro duktes und der Profit d[es] geschäftigen Capitalisten sogar das Doppelte des Geld- 204 Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. zinses beträgt, beträgt das Mehr, was sich der Arbeiter im besten 5 Fall verdient, so viel, daß auf 4 Kinder ihm 2 verhungern und ster ben müssen. | |Vn| Während nach 10 d[em] Nationalökono men die Arbeit das Einzige ist, wodurch der Mensch den Werth der Naturprodukte 15 vergrössert, während die Arbeit sein thätiges Eigenthum ist, ist nach derselben National ökonomie der Grund- 20 eigenthümer und Capi talist, die qua Grund eigenthümer und Capi talist, blos privilegirte und müssige Götter sind, überall dem Ar beiter überlegen und schreiben ihm Gesetze vor. 25 Während nach d[em] 30 Nationalökonomen die Arbeit der einzig un wandelbare Preiß der Dinge ist, ist nichts zufälliger als der Ar- 35 beitspreiß, nichts grösseren Schwankun gen ausgesezt. Während die Thei- lung der Arbeit die 40 produktive Kraft der Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. Arbeit, den Reich thum und die Verfeine rung der Gesellschaft erhöht, verarmt sie d[en] Arbeiter bis zur Maschine. Während die Arbeit die Häufung der Capitalien und damit den zunehmen den Wohlstand der Gesellschaft hervor ruft, macht sie den Arbeiter immer ab hängiger vom Capi talisten, bringt ihn in eine grössere Concur renz, treibt ihn in die Hetzjagd der Ueber- produktion, der eine eben solche Erschlaf fung folgt. Während das Inter esse des Arbeiters nach d[em] National ökonomen nie dem Interesse der Gesell schaft gegenübersteht, steht die Gesellschaft immer und nothwendig dem Interesse des Arbeiters gegenüber. Nach d[em] Natio nalökonomen steht das Interesse des Ar beiters nie dem der Gesellschaft gegen über 1) weil die Er höhung des Arbeits lohns sich mehr als 206 r ι Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. 5 ersezt durch die Ver­ minderung in der Quan­ tität der Arbeitszeit, nebst den übrigen oben entwickelten Folgen; und II 2) weü in Bezug auf die GeseUschaft das ganze Bruttopro- 10 dukt Nettoprodukt ist und nur in Bezug auf den Privatmann das Netto eine Bedeutung hat. 15 Daß die Arbeit aber selbst nicht nur unter den jetzigen Bedingun gen, sondern insofern überhaupt ihr Zweck 20 die blosse Vergrösse- rung des Reichthums ist, ich sage daß die Arbeit selbst schäd- üch, unheüvoU ist, das folgt, ohne daß der Nationalökonom es weiß, aus semen Ent wicklungen. 25 30 Nach dem Begriff sind Grundrente und Capitalgewinn Abzüge, die der Arbeitslohn erleidet. Aber in der Wüküchkeit ist der Arbeitslohn ein Abzug, den Erde und Capital dem Arbeiter zukommen lassen, eine Concession des Produktes der Arbeit an den Arbeiter, an die Arbeit. 35 Im verfaUenden Zustand der GeseUschaft, leidet der Arbeiter am schwer- sten. Er verdankt die spezifische Schwere semes Druckes seiner SteUung als Arbeiter, aber den Druck überhaupt der SteUung der GeseUschaft. Aber im fortschreitenden Zustand der GeseUschaft ist der Untergang und die Verarmung des Arbeiters das Produkt semer Arbeit und des von ihm 207 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Capitalgewinn. Grundrente. producirten Reichthums. Das Elend, welches also aus dem Wesen der heutigen Arbeit selbst hervorgeht. Der reichste Zustand der Gesellschaft, ein Ideal, das aber doch annähernd erreicht wird, wenigstens der Zweck der Nationalökonomie, wie der bürger- liehen Gesellschaft ist, ist staüönaires Elend || für d[en] Arbeiter. 5 Es versteht sich von selbst, daß die Nationalökonomie den Proletarier, d. h. den, der ohne Capital und Grundrente rein von der Arbeit und einer einsei tigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. Sie kann.daher den Satz aufstellen, daß er ebensowohl, wie jedes Pferd, so viel erwerben muß, 10 um arbeiten zu können. Sie betrachtet ihn nicht in seiner Arbeitslosen Zeit, als Mensch, sondern überläßt diese Betrachtung der Kriminaljustiz, den Aerzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem Bettelvogt. Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen 15 aus der bisherigen, fast mit den Worten d[es] Nationalökonomen gegebnen Entwicklung zwei Fragen zu beantworten. 1) Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduction des größten Theils der Menschheit auf die abstrakte Arbeit? 2) Welche Fehler begehn die Reformatoren en détail, die entweder den 20 Arbeitslohn erhöhn und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern wollen oder die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck der socialen Revolution betrachten? Die Arbeit kömmt nur unter der Gestalt der Erwerbsthätigkeit in der Nationalökonomie vor. I 25 [Ii] Capitalgewinn. Grundrente. /V/ 4) Die Accumulation der Capita- lien und die Concurrenz unter den Capitalisten. |VIIl| Sehn wir nun, wie der Grund eigenthümer alle Vortheile der Ge sellschaft exploitirt. 30 Die Vermehrung der Capitalien, welche den Arbeitslohn erhöht, strebt den Gewinn d[es] Capitalisten zu vermindern, durch die Con currenz unter den Capitalisten. 1.1, p. 179. Smith. 1) „Die Grundrente vermehrt sich mit der Bevölkerung." Smith. t.I, p.335. 2) Wir haben schon von Say gehört, wie die Grundrente mit 35 Eisenbahnen, etc mit der Verbes- 208 II Capitalgewinn. Grundrente. „Wenn ζ. B. das Capital, das zum Epiceriegeschäft einer Stadt nöthig ist, sich unter zwei verschiedne 5 Epiciers getheilt findet, so wird die Concurrenz machen, daß jeder von ihnen wohlfeiler verkaufen wird, als wenn sich das Capital in den Händen eines einzigen befunden hätte; und 10 wenn es unter 20 ||Vl| getheilt ist, wird die Concurrenz grade um so thätiger sein, und es wird um so weniger die Möglichkeit gegeben sein, daß sie sich unter einander 15 verständigen können, den Preiß ihrer Waaren zu erhöhn." Smith, t. II, p. 372,73. Da wir nun schon wissen, daß die Preisse des Monopols so hoch als 20 möglich sind, da das Interesse d[es] Capitaüsten selbst vom gemein na tionalökonomischen Gesichtspunkt aus f eindüch der Gesellschaft gegen übersteht, da die Erhöhung des Ca- 25 pitalgewinns wie das zusammen- gesezte Interesse auf den Preiß der Waare wükt, (Smith. t.I, p.201.) so ist die Concurrenz die einzige Hülfe gegen d[en] Capitaüsten, die nach 30 der Angabe der Nationalökonomie eben so wohlthätig auf die Erhöhung des Arbeitslohns, als auf die Wohl- feüheit der Waaren, zu Gunsten des consummüenden Publicums, wükt. Aüein die Concurrenz ist nur da durch mögüch, daß die Capitaüen sich vermehren und zwar in vielen Händen. Die Entstehung vieler Capi taüen ist nur möglich durch vielsei- tige Accumulation, da das Capital 35 40 serung und Sicherheit und Verviel fachung der Communikationsmittel steigt. 3) „Jede Verbesserung im Zu stand der GeseUschaft strebt ent weder direkt oder indirekt, die Grundrente zu steigern, den Real reichthum des Proprietärs zu er höhn, d. i. seine Macht, fremde Ar beit oder ihr Product zu k a u f e n . . .. Die Zunahme in Verbesserung der Ländereien und der Cultur strebt düekt dahin. Der Theü d[es] Proprie tärs am Product vermehrt sich nothwendig mit der Vermehrung des Products. . .. Das Steigen in dem Realpreiß dieser Arten von Roh stoffen, z . B. das Steigen im Preiß des Viehs strebt auch direkt dahin die Grundrente zu steigern und in einer noch stärkeren Proportion. Nicht nur vermehrt sich der Real werth des Theüs des Grundeigen- thümers, die reale Macht, die ihm dieser Theil auf fremde Arbeit giebt, nothwendig mit dem Realwerth des Products, sondern auch die Grösse im Verhältniß zum dieses Theüs sich mit Totalprodukt vermehrt diesem Werth. Nachdem der Realpreiß dieses Produkts gestiegen ist, erfordert es kerne grössere Ar beit, um geüef ert zu werden und um das angewandte Capital sammt sei nen gewöhnüchen Gewinnen zu er setzen. Der übrigbleibende Theü des Products, welcher dem Grundeigen thümer gehört, w üd also in Bezug auf das Gesammtprodukt viel grös- 209 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Capitalgewinn. Grundrente. überhaupt nur durch Accumulation entsteht und die vielseitige Accumu lation schlägt nothwendig in einsei tige um. Die Concurrenz unter den Capitalien vermehrt die Accumula tion unter den Capitalien. Die Accumulation, welche unter der Herrschaft des Privateigenthums, Concentration des Capitals in weni gen Händen ist, ist überhaupt eine nothwendige Consequenz, wenn die Capitalien ihrem natürlichen Lauf überlassen werden und durch die Concurrenz bricht sich diese natür liche Bestimmung des Capitals erst recht freie Bahn. Wir haben gehört, daß der Gewinn des Capitals im Verhältniß zu seiner Grösse steht. Ganz zunächst von der absichtlichen Concurrenz abgesehn, accumulirt ein grosses Capital sich also verhältnißmässig nach seiner Grösse schneller als ein kleines Capital. I |VIIl| Hienach ist schon ganz ab gesehn von der Concurrenz die Accumulation des grossen Capitals viel schneller als die d[es] kleineren. Aber verfolgen wir weiter den Ver lauf. Mit der Vermehrung der Capita lien vermindern sich, mittelst der Concurrenz, die Profite der Capi talien. Also leidet zunächst der kleine Capitalist. Die Vermehrung der Capitalien in eine grosse Anzahl von Capitalien sezt fortschreitenden Reichthum des Landes voraus. ser sein als er vorher war." Smith. t.II, p. 157—59.1 5 ¡Del Die grössere Nachfrage nach Rohprodukten und daher die Er- höhung des Werths kann theüs aus der Vermehrung der Bevölkerung und der Vermehrung ihrer Bedürf nisse hervorgehn. Aber jede neue Erfindung, jede neue Anwendung, 10 welche die Manufactur von einem bisher gar nicht oder wenig ge brauchten Rohstoff macht, vermehrt die Grundrente. So ist z. B. die Rente der Kohlengruben mit den Eisen- 15 bahnen, Dampfschiffen etc unge heuer gestiegen. Ausser diesem Vortheil, den der Grundeigenthümer von der Ma nufactur, den Entdeckungen, der 20 Arbeit zieht, werden wir gleich noch einen andern sehn. 4) „Die Arten von Verbesserun gen in der Productivkraf t der Arbeit, welche direkt darauf zielen, den 25 Realpreiß der Manufacturprodukte zu erniedrigen, streben indirekt da hin, die reale Grundrente zu erhöhn. ver Gegen Manufacturprodukt tauscht nämlich der Grundeigen- 30 thümer den Theil seines Rohstoffes, der seine persönliche Consumtion überschreitet öder den Preiß dieses Theils. Alles was den Realpreiß der ersten Art von Product vermindert, 35 vermehrt den Realpreiß der 2t ó n. Dieselbe Quantität von Rohprodukt entspricht von nun an einer grössern Quantität von Manufacturprodukt und der Grundeigenthümer findet 40 210 F I! Capitalgewinn. Grundrente. „In einem Lande, welches auf eine sehr hohe Stufe des Reichthums gelangt ist, ist die gewöhnliche Taxe 5 des Gewinns so klein, daß der Zins fuß, welchen dieser Gewinn zu zahlen erlaubt, zu niedrig ist, als daß andre als die reichsten Leute vom Geldinteresse leben könnten. Alle 10 Leute von mittlerem Vermögen, müssen also selbst ihr Capital an wenden, Geschäfte treiben, oder sich an irgend einem Handelszweig interessiren." Smith, t. L p. 196,97. 15 Dieser Zustand ist der Lieblings zustand der Nationalökonomie. „Die Proportion, welche zwischen der Summe der Capitaüen und d[er] Revenuen besteht bestimmt überall 20 die Proportion, in welcher sich die Industrie und der Müssiggang be finden werden; wo die Capitaüen den Sieg davon tragen, herrscht die Industrie; wo die Revenuen, der 25 Müssiggang." t. II, p. 325. Smith. Wie steht es nun mit der Anwen dung des Capitals in dieser vergrös- serteh Concurrenz? 3o „Mit der Vermehrung der Capi- tauen muß die Quantität d[es] fonds à prêter à intérêt successiv grösser werden; mit der Vermehrung dieser fonds wüd der Geldzins kleiner, 1) weil der Marktpreiß aüer Sachen fäüt, je mehr ihre Quantität sich vermehrt, 2) weü mit der Vermeh rung der Capitaüen in einem Land es schwerer wird, ein neues Capital auf eine vortheühafte Weise anzulegen. 40 Es erhebt sich eine Concurrenz unter 35 sich befähigt, eme grössere Quanti tät von Bequemüchkeits, Schmuck und Luxussachen sich zu verschaf fen." Smith. t.II, p. 159. Wenn aber nun Smith daraus, daß der Grundeigenthümer aüe Vortheile der GeseUschaft exploitüt, dar auf ||X| schließt (p. 1611. II) daß das Interesse des Grundeigenthümers immer mit dem der Gesellschaft identisch ist, so ist das albern. In der Nationalökonomie, unter der Herr schaft des Privateigenthums ist das Interesse, was einer an der Gesell schaft hat, grad im umgekehrten Verhältniß zu dem Interesse, was die GeseUschaft an ihm hat, wie das Interesse des Wucherers an dem Verschwender durchaus nicht iden tisch mit dem Interesse des Ver schwenders ist. die Korngesetze Wü erwähnen nur im Vorüber gehn die Monopolsucht des Grund eigenthümers gegen das Grund eigenthum fremder Länder, woher z.B. datiren. Ebenso Übergehn wir hier die mittel- altrige Leibeigenschaft, die Sklave rei auf den Colonien, das Elend der Landleute \ Landtaglöhner in Groß- brittannien. Halten wü uns an die Sätze der Nationalökonomie selbst. 1) Der Grundeigenthümer ist am Wohl der Gesellschaft interessirt, heißt nach nationalökonomischen Grundsätzen, er ist an ihrer fort schreitenden Bevölkerung, Kunst produktion, Vermehrung ihrer Be dürfnisse, mit einem Wort am 211 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Capitalgewinn. Grundrente. den verschiednen Capitalien, indem der Besitzer eines Capitals alle möglichen Anstrengungen macht, um sich des Platzes \ Geschäftes zu bemächtigen, das sich durch ein andres Capital besezt findet. Aber meistens kann er nicht hoffen, dieß andre Capital von seinem Platz weg- zubugsiren, wenn nicht durch die Anbietung, zu besseren Bedingun gen zu handeln. Er muß die Sache nicht nur wohlfeiler verkaufen, sondern oft, um Gelegenheit zum Verkauf zu finden, sie theurer kau fen. Je mehr fonds zur Erhaltung der produktiven Arbeit bestimmt wird, desto grösser wird die Nachfrage nach Arbeit: die Arbeiter finden leicht Beschäftigung, ||IX| aber die Capitalisten haben Schwierigkeit, Arbeiter zu finden. Die Concurrenz der Capitalisten läßt den Arbeitslohn steigen und die Gewinne fallen." t.n, p. 358,59. Smith. Der kleine Capitalist hat also die Wahl: 1) entweder sein Capital auf zuessen, da er von den Zinsen nicht mehr leben kann, also aufzuhören Capitalist zu sein; oder 2) selbst ein Geschäft anzulegen, seine Waare wohlfeiler zu verkaufen und theurer zu kaufen, als der reichere Capitalist und einen erhöhten Arbeitslohn zu zahlen; also da der Marktpreiß durch die vorausgesezte hohe Concurrenz schon sehr niedrig steht, sich zu ruiniren. Will dagegen der grosse Capitalist den kleinen wegbugsiren, so hat er ihm gegenüber alle Vor 212 Wachsthum des Reichthums inter essili und dieß Wachsthum ist nach unseren bisherigen Betrachtungen identisch mit dem Wachsthum des Elends und der Sklaverei. Das wach sende Verhältniß der Miethe mit dem Elend ist ein Beispiel vom Inter esse des Grundeigenthümers an der Gesellschaft, denn mit der Miethe wächst die Grundrente, der Zins des Bodens, worauf das Haus steht. 2) Nach d[em] Nationalökonomen selbst ist das Interesse des Grund eigenthümers der feindliche Gegen- satz des Interesses des Pächters; also schon eines bedeutenden Theils der Gesellschaft. | 5 io 15 |Xl| 3) Da der Grundeigenthümer [von] d[em] Pächter um so mehr 20 Rente fordern kann, um so weniger Arbeitslohn der Pächter zahlt und da der Pächter um so mehr den Arbeits lohn herabdrückt, je mehr Grund rente der Eigenthümer fordert, so steht das Interesse des Grundeigen thümers grade so feindlich zum In teresse der Ackerknechte, wie das der Manuf acturherrn zu ihren Ar beitern. Er drückt ebenfalls den Arbeitslohn auf ein Minimum. 25 30 4) Da die reale Erniedrigung im Preiß der Manufacturprodukte die Grundrente erhöht, so hat also der Grundbesitzer ein direktes Interesse an der Herabdrückung des Arbeits lohns der Manufakturarbeiter, an der Concurrenz unter den Capitalisten, an der Ueberproduktion, am ganzen Manufacturelend. 35 40 Capitalgewinn. Grundrente. 5) Wenn also das Interesse des Grundeigenthümers, weit entfernt mit dem Interesse der GeseUschaft im feindüchen identisch zu sein, Gegensatz mit dem Interesse der Pächter, der Ackerknechte, der Manufacturarbeiter und d[er] Ca pitaüsten steht, so ist nicht einmal das Interesse des einen Grundeigen thümers mit dem d[es] andern iden tisch von wegen der Concurrenz, die wü nun betrachten woUen. / theile, welche der Capitalist als Capi talist dem Arbeiter gegenüber hat. Die kleinern Gewinne werden ihm 5 durch die grössere Quantität seines Capitals ersezt und selbst momen tane Verluste kann er solange er tragen, bis der kleinere Capitalist ruinirt ist und er sich von dieser 10 Concurrenz befreit sieht. So accu- mulirt er sich die Gewinne d[es] klei nen Capitaüsten. Ferner: Der grosse Capitalist kauft immer wohlfeiler ein, als der 15 kleine, weil er massenhafter ein kauft. Er kann also ohne Schaden wohlfeiler verkaufen. 20 Wenn aber der FaU des Geldzinses die mittleren Capitaüsten aus Ren- tiers zu Geschäftsleuten macht, so bewükt umgekehrt die Vermehrung der Geschäftscapitalien und der daher erfolgende kleinere Gewinn den FaU des Geldzinses. 25 „Damit, daß das Benefiz, das man vom Gebrauch eines Capitals ziehn kann, sich vermindert, vermindert sich nothwendig der Preiß, den man für den Gebrauch dieses Ca- 30 pitáis zahlen kann." t. II, p. 359. Smith. „Je mehr Reichthum, Industrie, Bevölkerung sich mehren, um so mehr vermindert sich der Geldzins, 35 also der Gewinn d[er] Capitaüsten; aber sie selbst vermehren sich nichts desto weniger und noch schneUer, wie früher, trotz der Verminderung der Gewinne. Ein grosses Capital, 40 obgleich von kleinen Gewinnen ver 213 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Capitalgewinn. Grundrente. im Allgemeinen viel mehrt sich schneller als ein kleines Capital mit grossen Gewinnen. Das Geld macht Geld, sagt das Sprüchwort." 1.1, p. 189. Wenn also diesem grossen Capital nun gar kleine Capitale mit kleinen Gewinnen, wie das unter dem vor- ausgesezten Zustand starker Con currenz so ecrasirt es sie völlig. ist, gegenübertreten, In dieser Concurrenz ist dann die allgemeine Verschlechterung der Waaren, die Verfälschung, die Scheinproduktion, die allgemeine Vergiftung, wie sie in grossen Städ ten sich zeigt, die nothwendige Con sequenz. ι |X| Ein wichtiger Umstand in der Concurrenz der grossen und kleinen Capitalien ist ferner das Verhältniß von capital fixe und capital circu lant. „Capital circulant ist ein Capital, das angewandt wird zur Erzeugung von Lebensmitteln, Manufactur oder Handel. Dieß so angelegte Capital giebt seinem Herrn nicht Revenu oder Profit, solang es in seinem Besitz bleibt oder fortfährt unter derselben Gestalt zu bleiben. Es geht beständig aus seiner Hand unter einer bestimmten Form, um unter einer andern zurückzukehren und ist nur vermittelst dieser Cir culation oder dieser successiven Verwandlung und Vertauschung Profit bringend. Capital fixe besteht in dem zur Verbesserung von Län- 214 5 10 15 20 25 30 35 II Capitalgewinn. Grundrente. dem, zum Ankauf von Maschinen, Instrumenten, Handwerkszeug, ähn lichen Sachen angelegten Capital." Smith, p. 197,98. 5 10 „Jede Ersparung in der Erhaltung d[es] capital fixe ist ein Zuwachs des Reingewinns. Das Gesammtcapital eines jeden Arbeitsunternehmers theilt sich nothwendig zwischen seinem capital fixe und seinem capi tal circulant. Bei der Gleichheit der Summe, wird der eine Theil um so kleiner sein, je grösser der andere ist. 15 Das capital circulant liefert ihm die Materie und Salaire der Arbeit, und sezt die Industrie in Thätigkeit. Also jede Ersparniß im capital fixe, wel che die produktive Kraft der Arbeit 20 nicht vermindert, vermehrt d[en] fonds." t. II, p. 226. Smith. 30 Comptoüstube. Die Man sieht von vorn herein, daß das Verhältniß von capital fixe und capi tal circulant viel günstiger für d[en] 25 grossen, als für d[en] kleineren Ca pitaüsten ist. Ein sehr grosser Ban quier braucht nur unbedeutend mehr capital fixe, als ein sehr kleiner. Ihr capital fixe beschränkt sich auf die Instrumente eines grossen Landgutsbesitzers vermehren sich nicht in dem Ver hältniß der Grösse seines Grund stückes. Ebenso ist der Credit, den ein grosser Capitalist vor d[em] kleineren besizt eine um so grössere Ersparung im capital fixe, nämüch dem Gelde, was er immer parat ha ben muß. Es versteht sich endüch, 40 daß wo die Industriearbeit einen 35 215 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Capitalgewinn. Grundrente. hohen Grad erreicht hat, also fast alle Handarbeit zur Fabrikarbeit geworden ist, dem kleinen Capitali sten sein ganzes Capital nicht zu reicht, um nur d[as] nöthige capital fixe zu besitzen. On sait, que les travaux de la grande culture, n'occupent habituellement qu'un petit nombre de bras. bei findet Ueberhaupt der Accumulation der grossen Capita lien verhältnißmässig auch eine Concentration und Vereinfachung d[es] capital fixe Statt im Verhältniß zu d[em] kleineren Capitalisten. Der grosse Capitalist führt für sich eine Art /|Xl| von Organisation der Ar beitsinstrumente ein. / [III] 10 15 20 Arbeitslohn. Capttalgewinn. |VIIl| „Das läßt sich behaupten, daß solche Beschäftigungen, die spezifi sche Anlagen oder längere Vorbil dung voraussetzen, im Ganzen ein träglicher geworden sind; während der verhältnißmässige Lohn für die mechanisch einförmige Thätigkeit, auf welche der Eine wie der Andere schnell und leicht abgerichtet wer den kann, bei der wachsenden Con currenz gefallen ist und nothwendig fallen mußte. Und gerade diese Art der Arbeit jetzigen Stande ihrer Organisation noch weit die zahlreichste. Wenn also ein Ar- ist bei dem 25 /XI/ „Ebenso ist im Bereiche der In dustrie schon jede Manufactur und Fabrik eine umfassendere Verbin dung eines grössern sächlichen Ver- mögens mit zahlreichen und viel intellektuellen Fähigkeiten artigen technischen Fertigkeiten zu und einem gemeinsamen Zwecke der Production. . .. Wo die Gesetzge- 30 bung das Grundeigenthum in grossen Massen zusammenhält, drängt sich der Ueberschuß einer wachsenden Bevölkerung zu den Gewerben, und es ist also, wie in Großbrittannien, 35 das Feld der Industrie, auf dem sich 216 Arbeitslohn. Capitalgewinn. 15 20 beiter der ersten Categorie jezt siebenmal so viel, ein Anderer der zweiten ebenso viel erwirbt, als etwa 5 vor 50 Jahren, so erwerben beide im Durchschnitte freilich 4mal so viel. Allein wenn in einem Lande die erste Kategorie der Arbeit mit nur 1000, die 2te mit einer Million Menschen 10 besezt ist, so sind 999000 nicht bes ser als vor 50 Jahren daran, und sie sind schlimmer daran, wenn zu gleich die Preise der Lebensbedürf nisse gestiegen sind. Und mit sol- chen oberflächlichen Durchschnitts berechnungen will man sich über die zahlreichste Klasse der Bevölkerung täuschen. Ueberdies ist die Grösse des Arbeiterlohns nur ein Moment für die Schätzung des Arbeiterein kommens, weil für die Bemessung des leztern noch wesentlich die ge sicherte Dauer desselben in An schlag kommt, wovon doch in der 25 Anarchie der sogenannten freien Concurrenz mit ihren immer wieder kehrenden Schwankungen und Stok- kungen scWechthin keine Rede ist. Endlich ist noch die früher und die jezt gewöhnliche Arbeitszeit ins Auge zu fassen. Diese ist aber für d[ie] englischen Arbeiter in der seit etwa Baumwollenmanufaktur 25 Jahren, also grade seit Einführung 35 der Arbeit ersparenden Maschinen, durch die Erwerbsucht der Unter nehmer täglich erhöht worden, und die Stei gerung in einem Lande und in einem 40 Zweige der Industrie mußte sich, bei ||IX| auf 12—16 Stunden 30 der hauptsächlich die grössere Menge der Proletarier anhäuft. Wo aber die Gesetzgebung die fortgesezte Thei- lung des Bodens zuläßt, da vermehrt sich, wie in Frankreich, die Zahl der kleinen und verschuldeten Eigen- thümer, welche durch die fortge hende Zerstücklung in die Klasse d[er] Dürftigen und Unzufriedenen geworfen werden. Ist endlich diese Zerstücklung und Ueberschuldung zu einem höhern Grade getrieben, so verschüngt wieder grosse Grundbesitz den kleinen, wie auch die grosse Industrie die kleine ver nichtet; und da nun wieder grössere Gütercomplexe sich bilden, so wüd auch die zur Cultur des Bodens nicht schlechthin erf orderüche Menge der besitzlosen Arbeiter wieder der In dustrie 59. Schulz. Bewegung der Produktion. „Die Beschaffenheit der Waaren derselben Art wüd eine andre durch die Veränderung in der Art der Pro duction und namentüch durch die Anwendung des Maschinenwesens. durch Ausschüessung der Nur Menschenkraft ist es möglich ge worden, von einem Pfund Baum wolle, 3Sh. 8 Pence an Werth, 350 Zaspeln zu spinnen von 167 englischen oder 36 deutschen Meüen Länge und von einem Handelswer- the von 25 Guiñeen." ibid. p.62. zugedrängt." p.58, „Im Durchschnitt haben sich in England seit 45 Jahren die Preisse der Baumwoüzeuge um nln ver mindert, und nach Marshalls Be- 217 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. überall noch dem anerkannten Rechte einer unbedingten Ausbeu tung d[er] Armen durch die Reichen, mehr oder minder auch anderswo geltend machen." Schulz. Bewegung der Production, p. 65. und „Allein selbst wenn es so wahr wäre, als es falsch ist, daß sich das Durchschnittseinkommen aller Clas sen der Gesellschaft vergrössert hätte, können dennoch die Unter schiede verhältnißmässigen Abstände des Einkommens grösser geworden sein und hiernach die Gegensätze des Reichthums und der Armuth schärfer hervortreten. Denn grade weil die Gesammtproduktion steigt und in demselben Maasse als dieß geschieht, vermehren sich auch die Bedürfnisse, Gelüste und An sprüche, und die relative Armuth kann also zunehmen, während die absolute sich vermindert. Der Sa- mojede ist nicht arm bei Thran und ranzigen Fischen, weil in seiner ab- geschloßnen Gesellschaft Alle die gleichen Bedürfnisse haben. Aber in einem voran schreitenden Staat, der etwa im Lauf eines Jahrzehntes seine Gesammtproduktion im Ver hältniß zur Gesellschaft um ein Drittheil vergrössert, ist der Arbei ter, der vor und nach 10 Jahren gleich viel erwirbt, nicht eben so wohl habend geblieben, sondern um ein Drittheil bedürftiger geworden." ibid. p. 65, 66. Aber die Nationalökonomie kennt den Arbeiter nur als Arbeitsthier, als 218 gestiegen 15 IV2 Millionen rechnungen wird das gleiche Quan tum von Fabrication, wofür noch im Jahr 1814 16 Shülinge bezahlt wur den, jezt um 1 Sh. 10 d. gelief ert. Die 5 grössere Wohlfeilheit der industriel len Erzeugnisse vergrössert die Consumtion sowohl im Inlande, als den Markt im Auslande; und damit hängt zusammen, daß sich in Groß- 10 brittannien die Zahl der Arbeiter in Baumwolle nach Einführung der Maschinen nicht nur nicht vermin dert hat, sondern daß sie von 40000 auf ist. ||XIl| Was nun den Erwerb der industriellen Unternehmer und Ar beiter betrifft, so hat sich durch die wachsende Concurrenz unter den Fabrikherrn der Gewinnst dersel- ben, im Verhältnisse zur Quantität liefern, der Erzeugnisse, die sie nothwendig vermindert. In den Jahren 1820—33 ist der Bruttogewinn d[es] Fabrikanten in Manchester für ein Stück Calico von 4Sh. i y3d. auf 1 Sh. 9 d. gefallen. Aber zur Einbrin gung dieses Verlustes ist der Umfang der Fabrication um so mehr erwei tert worden. Davon ist nun die Folge, daß in einzelnen Zweigen der Indu theilweise Ueberproduktion strie eintritt, daß häufige Bankerotte ent stehen, wodurch sich innerhalb der Classe d[er] Capitalisten und Ar- beitsherrn ein unsicheres Schwan ken und Wogen des Besitzes erzeugt, was einen Theil der ökonomisch Zerrütteten dem Proletariat zuwirft; daß oft und plötzlich eine Einstel- 30 40 35 20 25 Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. ein auf die striktesten Leibesbedürf nisse reducirtes Vieh. 5 10 und „Ein Volk, damit es sich geistig freier ausbüde, darf nicht mehr in der Sklaverei semer körperlichen Be dürfnisse stehn, nicht mehr der Leib eigene des Leibes sein. Es muß ihm vor aüem Zeit bleiben, auch geistig schaffen und geistig gemessen zu können. Die Fortschritte im Organis mus der Arbeit gewinnen diese Zeit. jezt, bei neuen Verrichtet doch verbessertem Triebkräften 15 Maschinenwesen, ein einziger Ar beiter in den Baumwollefabriken nicht selten das Werk von 100, ja von 250—350 früheren Arbeitern. Aehn- üche Folgen in allen Zweigen der 20 Produktion, weü äussere Natur zur Theü- immer mehr kräfte nahme | | x| an der menschlichen Arbeit gezwungen worden. War nun früher, zur Abfindung eines Quan- turns materieller Bedürfnisse, ein Aufwand von Zeit und menschlicher Kraft erforderüch, der sich später um die Hälfte vermindert hat; so ist zugleich, ohne irgend eine Einbusse 30 an sinnlichem Wohlbehagen, der Spieüaum für geistiges Schaffen und so viel erweitert Geniessen um worden. . .. Aber auch über die Vertheüung der Beute, die wü dem 35 alten Kronos selbst auf seinem eigensten Gebiete abgewinnen, ent scheidet noch das Würfelspiel des blinden ungerechten Zufalls. Man hat in Frankreich berechnet, daß bei 40 dem jetzigen Standpunkt der Pro- 25 lung oder Vermüiderung der Arbeit nothwendig wüd, deren Nachtheüe die Classe der Lohnarbeiter stets bitter empfindet." ib. p.63. «Louer son travail, c'est commen cer son esclavage ; louer la matière du travail, c'est constituer la liberté. ... le travail est l'homme. La matière au contraüe n'est rien de l'homme.» Pecqueur théor. soc. etc. p. 411,12. «l'élément matière, qui ne peut rien pour la création de la richesse sans l'autre élément travail, reçoit la vertu magique d'être fécond pour eux comme s'üs y avaient mis, de leur propre fait, cet indispensable élément.» ibid. 1. c. «En supposant que le travaü quo tidien d'un ouvrier lui rapporte en moyenne 400 fr. par an, et que cette somme suffise à chaque adulte pour vivre d'une vie grossière, tout pro- priétaüe de 2000 fr. de rente, de fer mage, de loyer etc, force donc indi rectement 5 hommes à travailler pour lui ; lOOOOOfr. de rente repré sentent le travail de 250 hommes, et 1000000 le travaü de 2500 indivi dus.» (Also 300 Mülionen, (Louis Phüippe) die Arbeit von 750000 Ar beitern.) ibid. p. 412,13. « les propriétaües ont reçu de la loi des hommes le droit d'user et d'abu ser, c-à-d. de f aüe ce qu'üs veulent de la matière de tout travail... ils sont nuUement obligés par la loi de fournir à propos et toujours du travail aux non propriétaües, ni de leur payer un salaire toujours suffisant etc.» p. 413 219 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. auction eine durchschnittliche Ar beitszeit von täglich 5 Stunden auf jeden Arbeitsfähigen zur Befriedi gung aller materiellen Interessen der Gesellschaft ausreichen würde. . .. Ungeachtet Zeitersparnisse der durch Vervollkommnung des Ma schinenwesens hat sich die Dauer der Sklavenarbeit in den Fabriken für eine zahlreiche Bevölkerung nur vergrössert." p. 67, 68 ibid. einförmige „Der Uebergang von der zusam- mengesezten Handarbeit sezt eine Zerlegung derselben in ihre einfa chen Operationen voraus. Nun wird aber zunächst nur ein Theil der gleichförmig wiederkehrenden Operationen den Maschinen, ein anderer Theü aber d[en] Menschen anheimfallen. Nach der Natur der Sache und nach übereinstimmenden Erfahrungen ist eine solche an Thätigkeit haltend ebenso nachtheilig für Geist als Körper; und so müssen denn bei dieser Verbindung des Maschinen wesens mit der blosen Theilung der Arbeit unter zahlreichere Men schenhände alle auch Nachtheile der leztren zum Vor schein kommen. Die Nachtheile zeigen sich unter andrem in der grössern Sterblichkeit der Fabrik-| |Xl|arbeiter. . .. Diesen grossen Unterschied, wie weit die Men schen durch Maschinen, oder wie weit sie als Maschinen arbeiten, hat man nicht . .. berücksichtigt." ibid. p.69. noch 220 I.e. «liberté entière, quant à la na ture, à la quantité, à la qualité, à l'op portunité de la production, à l'usage, à la consommation des richesses, à la disposition de la matière de tout travail. Chacun est Ubre d'échanger sa chose comme il l'entend sans autre considération, que son propre intérêt d'individu.» p.413 I.e. 5 10 15 «La concurrence n'exprime pas autre chose que l'échange facultatif, qui lui-même est la conséquence prochaine et logique du droit indivi duel d'user et d'abuser des instru- ments de toute production. Ces trois moments lesquels économiques, n'en font qu'un: le droit d'user et d'abuser, la liberté d'échanges et la concurrence arbitraire, entraînent 20 les conséquences suivantes : chacun produit ce qu'il veut, comme il veut, quand il veut, où il veut ; produit bien ou produit mal, trop ou pas assez, trop tôt ou trop tard, trop cher ou à trop bas prix; chacun ignore s'il vendra, à qui il vendra, comment il vendra, quand il vendra, où il ven dra ; et il en est de même quant aux achats. ||XIIl| Le producteur ignore les besoins et les ressources, les demandes et les offres. Il vend quand il veut, quand il peut, où il veut, à qui il veut, au prix qu'il veut. Et il achète de même. En tout cela il est toujours le jouet du hasard, l'esclave de la loi du plus fort, du moins pressé, du plus riche.... Tandis que sur un point il y a disette d'une richesse, sur l'autre il y a trop plein et gaspillage. Tandis 40 35 30 25 Ill . Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. „Für die Zukunft des Völkerle bens aber werden die in den Maschi nen wirkenden verstandeslosen 5 Naturkräfte unsere Sklaven und Leibeigenen sein." ibid. p.74. 15 „In den englischen Spinnereien sind nur 158818 Männer und 196818 Weiber beschäftigt. Auf je 10 100 Arbeiter in den Baumwollfabri ken der Grafschaft Lancaster kom men 103 Arbeiterinnen und in Schottland sogar 209. In den eng lischen Flachsfabriken von Leeds zählte man auf 100 männliche Ar beiter 147 weibliche; in Druden und an der Ostküste Schottlands sogar 280. In den englischen Seidenfabri in den ken viele Arbeiterinnen; 20 Wollfabriken, die grössere Arbeits kraft erfordern, mehr Männer. Auch in den nordamerikanischen Baum wollfabriken waren im Jahr 1833 nebst 18 593 Männern nicht weniger 25 als 38 927 Weiber beschäftigt. Durch die Veränderungen im Organismus der Arbeit ist also dem weiblichen Geschlecht ein weiterer Kreis von Erwerbsthätigkeit zugefallen— die 30 Frauen eine ökonomisch selbst ständigere Stellung . .. die beiden Geschlechter in ihren socialen Ver hältnissen einander näher gerückt." p . 7 1, 72 ibid. „In den von Dampf 35 und Wasser getriebnen englischen Spinnereien arbeiteten im Jahr 1835: 20 558 Kinder zwischen 8—12 Jahren; 35 867 zwischen 12—13, und endlich 108208 zwischen 13-18 Jahren. . .. 40 Freilich wirken die weiteren Fort- qu'un producteur vend beaucoup ou très cher, et à bénéfice énorme, l'autre ne vend rien ou vend à perte. ... L'offre ignore la demande et la demande ignore l'offre. Vous pro duisez sur la foi d'un goût, d'une mode qui se manifeste dans le public des consommateurs; mais déjà, lorsque vous êtes prêt à livrer la marchandise, la fantaisie a passé et s'est fixée sur un autre genre de produit. ... conséquences infaillibles la permanence et l'universalisation des banqueroutes, les mécomptes, les ruines subites et les fortunes improvisées ; les crises commercia les, les chômages, les encombre ments ou les disettes périodiques; l'instabilité et l'avilissement des sa laires et des profits ; la déperdition ou le gaspillage énorme des riches ses, de temps et d'efforts dans l'arène d'une concurrence achar née.» p. 414—16 1. c. Ricardo in seinem Buch (rent of land): Die Nationen sind nur Ateliers der Produktion, der Mensch ist eine Maschine zum Consummiren und Produciren; das menschliche Leben ein Capital; die ökonomischen Ge setze regieren blind die Welt. Für Ricardo sind die Menschen nichts, das Produkt alles. Im 26 Capitel der französischen Uebersetzung heißt es: «Π serait tout-à-fait indifférent, pour une personne, qui sur un capital de 20000fr. ferait 2000fr. par an de profit, que son capital employât cent hommes ou mille ... L'intérêt réel 221 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. schritte der Mechanik, da sie alle einförmigen Beschäftigungen d[en] Menschen mehr und mehr aus der Hand nehmen, auf eine allmählige Beseij|XIl|tigung des Mißstandes hin. Allein diesen rascheren Fort schritten selbst steht grade der Umstand im Wege, daß sich die Capitalisten die Kräfte der untern Classen, bis in das Kindesalter hin ein, auf die leichteste und wohlfeilste Weise aneignen können, um sie statt der Hilfsmittel der Mechanik zu brauchen und zu gebrauchen." p. 70, 71. Scnu/z Bew. d. Product. „Lord Broughams Zuruf an d[ie] Arbeiter: ,Werdet Capitalisten.' Das . .. das Uebel, daß Millionen nur durch anstrengende, körperlich zer rüttende, sittlich und geistig ver krüppelnde Arbeit sich ein knappes Auskommen zu erwerben vermö gen; daß sie sogar das Unglück, eine solche Arbeit gefunden zu haben, f ür ein Glück halten müssen." p.60 ibid. «Pour vivre donc, les non-proprié taires sont obligés de se mettre di rectement ou indirectement au ser vice des propriétaires, c-à-d. sous leur dépendance.» Pecqueur, théorie etc. d'économie nouvelle p. 409. soc. Domestiques — gages ; ouvriers — salaires ; employés — traitement ou émoluments, ibid. p. 409,10. „louer son travail" „preter son travail à l'intérêt" „travailler à la place d'autrui". d'une nation n'est-il pas le même? pourvu que son revenu net et réel et que ses fermages et ses profits soient les mêmes, qu'importe qu'elle se compose de dix ou de douze millions d'individus ?» «En vérité, dit M. de Sismondi (t. II, p. 331) il ne reste plus qu'à désirer que le roi, demeuré tout seul dans l'île, en tournant constam- ment une manivelle, (Kurbel) fasse accomplir par des automates, tout l'ouvrage de l'Angleterre.» 5 10 15 «le maître, qui achète le travail de l'ouvrier à un prix si bas qu'il suffit à peine aux besoins les plus pres sants, n'est responsable ni de l'in suffisance des salaires, ni de la trop longue durée du travail : il subit lui- même la loi qu'il impose .... ce n'est 20 pas tant des hommes que vient la misère, que de la puissance des cho ses.» 1. c. p. 82. „In England giebt es viele Plätze, wo den Einwohnern zur vollständi- 25 gen Erdkultur die Capitalien fehlen. Die Wolle der Südprovinzen Schott lands muß grossen theils eine lange Reise zu Land durch schlechte Wege machen, um in der Grafschaft York bearbeitet zu werden, weil es an ihrem Produktionsplatz an Capita lien zur Manuf actur fehlt. Es giebt in England mehre kleine Fabrikstädte, deren Einwohnern hinreichendes 35 Capital fehlt zum Transport ihrer industriellen Produkte auf entfernte Märkte, wo dasselbe Nachfrage und Consumenten findet. Die Kaufleute hier sind ||XIV| nur Agenten reiche- 40 30 222 f 111 Arbeitslohn. Gewinn der Capitaüen. „iouer la matière du travaü" „preter travaü à la matière du l'intérêt" „faüe travaüler autrui à sa 5 place", ibid. | |XIIl| «cette constitution écono mique condamne des hommes à des métiers tenement abjects, à une dégradation teUement désolante et 1 o amère, que la sauvagerie apparaît, en royale comparaison, comme une condition.» I.e. p.417,18. «la prostitution de la chaü non- propriétaire sous toutes les formes.» 15 p. 421 sq. Lumpensammler. Ch. Loudon in der Schrift solution du problème de la population etc. Paris, 1842, giebt die Zahl der Pro- stituirten in England auf 60-70000 an; die Zahl d[er] femmes d'une vertu douteuse sei ebenso groß, p. 228. 20 «La moyenne vie de ces infortu nées créatures sur le pavé, après 25 qu'eUes sont entrées dans la carrière du vice, est d'environ six ou sept ans. De manière que pour maintenu le nombre de 60-à-70 000 prostituées, Ü doit y avoü, dans les 3 royaumes, au 30 moins 8 à 9000 femmes qui se vouent à cet inf âme métier chaque année, ou environ 24 nouveUes victimes par jour, ce qui est la moyenne d'une par heure; et conséquemment, si la 35 même proportion a lieu sur toute la surface du globe ü doit y avoü cons tamment un mülion et demi de ces malheureuses.» ibid. p. 229. «la population des misérables croît avec leur misère et c'est à la 40 rer Kaufleute, die in einigen grossen Handelsstädten residüen." Smith. t. II, p. 382. «Pour augmenter la va leur du produit annuel de la terre et du travaü, U n'y a pas d'autres moyens que d'augmenter, quant au nombre, les ouvriers productifs, ou d'augmenter, quant à la puissance, la faculté productive des ouvriers pré cédemment employés. ... Dans l'un et dans l'autre cas ü faut presque toujours un surcroît de capital.» Smith, t. H, p. 338. „Weü es also in der Natur der Dinge hegt, daß die Accumulation eines Capitals ein nothwendiger Vorläufer der Theüung der Arbeit ist, kann die Arbeit kerne weiteren Unterabtheilungen empfangen als in dem Verhältniß, in welchem sich die Capitaüen nach und nach aufgehäuft haben. Je mehr die Arbeit in Unter- abtheüungen zerfäüt, vermehrt sich die Quantität der Materien, welche dieselbe Anzahl von Personen ins Werk setzen kann; und da die Auf gabe jedes Arbeiters sich nach und nach auf eine grössere Stufe von Einfachheit reducirt findet, werden eme Menge neuer Maschinen ent deckt, um diese Aufgaben zu er leichtern und abzukürzen. Je weiter sich also die Theüung der Arbeit ausbreitet, ist es nothwendig, damit eine selbe Zahl von ouvriers bestän dig beschäftigt sei, daß man eine gleiche Provision von Lebensmitteln und eine Provision von Materien, Instrumenten und Handwerkszeug 223 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn der Capitalien. l'Irlande limite extrême du dénûment que les êtres humains se pressent en plus grand nombre pour se disputer le droit de souffrir. . .. En 1821 la po pulation de était de 6801827. En 1831, elle s'était élevée à 7 764010 ; c'est 14 p 0/0 d'augmen tation en dix ans. Dans le Leinster, province où il y a le plus d'aisance, la population n'a augmenté que de 8 p/c, tandis que, dans le Connaught, province la plus misérable, l'aug mentation s'est élevée à 21 p/c. (Ex traits des Enquêtes publiées en Angleterre sur l'Irlande. Vienne, 1840.)» Buret de la misère etc. t.I, p. 36,37. Die Nationalökonomie betrachtet die Arbeit abstrakt als eine Sache; le travail est une mar chandise: ist der Preiß hoch, so ist die Waare sehr gefordert; ist er nie drig, so ist sie sehr angeboten; comme marchandise le travail doit de plus en plus baisser de prix: theils die Concurrenz zwischen Capitalist und Arbeiter, theils die Concurrenz unter den Arbeitern zwingt hierzu; . .. «La population ouvrière, mar travail, est forcément chande de réduite à la plus faible part du produit . .. La théorie du travail marchandise est-elle autre chose qu'une théorie de servitude déguisée?» Le. p.43. «Pourquoi donc n'avoir vu dans le travail qu'une valeur d'échange?» ib. p. 44. Die grossen Ateliers kaufen vorzugsweise die Arbeit von Frauen und Kindern, weil diese weniger kostet als die der Männer. I.e. «le 5 im voraus aufhäuft, welche viel stärker ist, als dieß früher in einem minder avancirten Zustand der Dinge nöthig war. Die Zahl der Ar- beiter vermehrt sich in jedem Ar beitszweig zur selben Zeit, als sich hier die Theilung der Arbeit ver mehrt oder vielmehr ist es diese Vermehrung ihrer Zahl, welche sie in ι o den Stand sezt, sich zu classificiren und unterabzutheilen auf diese Art." Smith. t . I I, 193,94. „Ebenso wie die Arbeit diese grosse Ausdehnung der produktiven 15 Kraft nicht erhalten kann, ohne eine vorhergehende Accumulation der Capitale, ebenso führt die Accumu lation der Capitalien natürlicher Weise diese Ausdehnung [herbei]. 20 Der Capitalist will nämlich durch sein Capital die größtmöglichste Quantität Machwerk produziren, strebt also unter seinen Arbeitern die schicklichste Arbeitstheilung ein- 25 zuführen und mit den möglichst besten Maschinen sie zu versehn. Seine Mittel, um in diesen beiden Gegenständen | zu /XV/ stehn im Verhältniß zur Aus- 30 dehnung seines Capitals und zur Zahl der Leute, welche dieses Capi tal beschäftigt halten kann. Also nicht nur die Quantität der Industrie vermehrt sich in einem Lande ver- 35 mittelst des Wachsthums des Capi tals, welches sie in Bewegung sezt, in Folge dieses Wachs sondern, thums, producirt dieselbe Quantität von Industrie eine viel grössere 40 reussiren, 224 Ill Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. 5 travailleur n'est point vis à vis de celui qui l'emploie dans la position d'un libre vendeur.... le capitaliste est toujours libre d'employer le tra vail, et l'ouvrier est toujours forcé de le vendre. La valeur du travail est complètement détruite, s'il n'est pas vendu à chaque instant. Le travail 10 n'est susceptible ni d'accumulation, ni même d'épargne, à la différence des véritables ¡ |XTV| Le travail c'est la vie, et si la vie ne s'échange pas chaque jour contre 15 des aliments, elle souffre et périt bientôt. Pour que la vie de l'homme soit une marchandise, il faut donc admettre l'esclavage.» p. 49,501. c. [marchandises.] 20 Wenn die Arbeit also eine Waare ist, so ist sie eine Waare von den Eigenschaften. unglückseeligsten Aber selbst nach Nationalökonomi schen Grundsätzen ist sie es nicht, weil nicht le libre résultat d'un libre 25 marché. Das jetzige ökonomische Regime abaisse à la fois et le prix et la rémunération du travail; il perfec tionne l'ouvrier et dégrade l'homme, p. 52, 53 1. c. «L'industrie est deve- 30 nue une guerre et le commerce un jeu.» 1. c. p. 62. Les machines à travailler le coton repräsentiren allein (in England) 84000000 Handwerker. 35 Die Industrie befand sich bis jezt im Zustand des Eroberungskriegs: «elle a prodigué la vie des hommes qui composaient son armée avec autant d'indifférence que les grands 40 conquérants. Son but était la pos- Quantität des Machwerks." Smith. I.e. ρ. 194,95. Also Ueberproduk- tion. „Umfassendere Combinationen ihren der produktiven Kräfte . .. in Indu strie und Handel durch Vereinigung zahlreicherer vielartigerer und Menschenkräfte und Naturkräfte für Unternehmungen in grösserm Maaß- stabe. Auch schon hie und da — engere Verbindung der Hauptzweige der Production unter sich. So werden grosse Fabrikanten zugleich grossen Grundbesitz zu erwerben suchen, um wenigstens einen Theil der zu ihrer Industrie erforderlichen Ur- stoffe nicht erst aus 3t er Hand be- ziehn zu müssen; oder sie werden mit industriellen Unterneh mungen einen Handel in Verbindung setzen, nicht blos zum Vertrieb ihrer eignen Fabrikate, sondern wohl auch zum Ankauf von Producten andrer Art und zum Verkauf derselben an ihre Arbeiter. In England, wo ein zelne Fabrikherrn mitunter an der Spitze von 10-12000 Arbeitern . .. schon solche Verbindungen ver schiedener Productionszweige unter einer leitenden Intelligenz, solche kleinre Staaten oder Provinzen im Staat — nicht selten. So übernehmen in neuerer Zeit die Minenbesitzer bei Birmingham den ganzen Prozeß der Eisenbereitung, der sich früher an verschiedne Unternehmer und Be sitzer vertheilte. Siehe der berg männische Distrikt bei Birmingham - Deutsche Viertelj. 3,1838. Endlich 225 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. session de la richesse et non le bon heur des hommes.» Buret. 1. c. p. 20. «Ces intérêts (se. économiques) li brement abandonnés à eux-mêmes . .. doivent nécessairement entrer en conflit ; ils n'ont d'autre arbitre que la guerre, etles décisions de la guerre donnent aux uns la défaite et la mort, pour donner aux autres la victoire. . .. c'est dans le conflit des forces opposées que la science cherche l'ordre et l'équilibre : la guerre per pétuelle est selon elle le seul moyen d'obtenir la paix ; cette guerre s'ap pelle la concurrence.» 1. c. p. 23. der nur Der industrielle Krieg, um mit Erfolg geführt zu sein, erfordert zahlreiche Armeen, die er auf den selben Punkt aufhäufen und reich lich deeimiren kann. Und weder aus Dévouement, noch aus Pflicht, er tragen die Soldaten dieser Armee die Anstrengungen, die man ihnen auf harten um erlegt; Nothwendigkeit des Hungers zu entwischen. Sie haben weder An hänglichkeit noch Erkenntlichkeit für ihre Chefs; diese hängen mit ihren Untergebnen durch kein Ge fühl des Wohlwollens zusammen; sie kennen sie nicht als Menschen, sondern nur als Instrumente der Production, welche so viel als möglich einbringen, und so wenig Unkosten als möglich machen müs sen. Diese Völkerschaften von Ar beitern, mehr und mehr gedrängt, haben selbst nicht die Sorglosigkeit, immer angewandt zu sein; die Indu- 5 sehn wir in den so zahlreich ge wordenen grössern Actienunterneh- mungen umfassende Combinationen der Geldkräfte vieler Theilnehmen- den mit den wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen und Fer tigkeiten Anderer, welchen die Aus führung der Arbeit übertragen ist. Hierdurch den Capitalisten möglich, 1° ihre Ersparnisse in mannigfachrer Weise und wohl auch gleichzeitig auf industrielle landwirthschaftliche, und commercielle Production zu verwenden, wodurch ihr Interesse 15 ein gleichzeitig vielseitigeres ||XVl| Gegensätze zwischen wird, den Interessen der Agricultur, Indu strie und Handels sich mildern und verschmelzen. Aber selbst diese 20 erleichterte Möglichkeit, das Capital in verschiedenster Weise nutz bringend zu machen, muß den Ge gensatz zwischen den bemittelten und unbemittelten Klassen erhöhn." 25 Schulz. I.e. p.40, 41. Ungeheurer Gewinn, den die Hausvermiether von dem Elend ziehn. D[er] loyer steht im umge kehrten Verhältniß zum industriellen 30 Elend. Ebenso Procente von den Lastern der ruinirten Proletarier. (Prostitu tion, Soff, prêteur sur gages) Die Accumulation der Capitalien 35 nimmt zu und ihre Concurrenz ab, indem Capital und Grundbesitz sich in einer Hand zusammenfinden, ebenso indem das Capital durch seine Grösse befähigt wird, ver- 40 226 ί IV Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. schiedene Productionszweige combiniren. zu Gleichgültigkeit d[en] Menschen. Die 20 Lotterielose von Smith. gegen Revenu net et brut von Say. | 5 strie, welche sie zusammen berufen hat, läßt sie nur leben, wenn sie ihrer bedarf, und sobald sie sich derselben entschlagen kann, verläßt sie diesel ben ohne das mindeste Bedenken; und die Arbeiter sind gezwungen, ihre Person und ihre Kraft für den Preiß, den man ihnen accordiren will, 10 anzubieten. Je mehr die Arbeit, die man ihnen giebt, lang, peinlich, ekel haft ist, um so weniger werden sie bezahlt; man sieht welche, die mit 16stündiger Arbeit per Tag, beifort- 15 dauernder Anstrengung, kaum das Recht erkaufen, nicht zu sterben. 1. c. p. 68,69.1 |XV| «Nous avons la conviction . .. partagée par les commissaires 20 chargés de l'enquête sur la condition des tisserands à la main, que les grandes villes industrielles per draient, en peu de temps, leur popu lation de travailleurs, si elles ne re- 25 cevaient à chaque instant des cam pagnes voisines des recrues conti nuelles d'hommes sains, de sang nouveau.» p. 3621. c. | 30 [IV] Grundrente. /XI/ Allgemein schon verhalten sich grosses Grundeigenthum und kleines, wie grosses und kleines Capital. Es kommen aber noch spezieüe Um stände hinzu, welche die Accumulation des grossen Grundeigenthums und die Verschlingung des kleinen durch dasselbe unbedingt herbeüüh- 35 ren. I 227 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Grundrente. |XIl| 1) nimmt nirgends mehr die verhältnißmässige Arbeiter und In strumentenzahl mit der Grösse d[er] fonds ab, als beim Grundbesitz. Ebenso nimmt nirgends mehr die Möglichkeit der allseitigen Ausbeutung, Ersparung der Productionskosten und geschickte Arbeitstheilung mit der Grösse d[er] fonds mehr zu, als beim Grundbesitz. Ein Acker mag so klein sein, wie er will, die Arbeitsinstrumente, die er nöthig macht, wie Pflug, Säge etc. er reichen eine gewisse Grenze, an der sie nicht mehr vermindert werden können, während die Kleinheit des Grundbesitzes weit über diese Glänze hinausgehn kann. 2) Der grosse Grundbesitz accumulili sich die Zinsen, die das Capital des Pächters auf die Verbesserung des Grund und Bodens angewandt hat. Der kleine Grundbesitz muß sein eignes Capital anwenden. Für ihn fällt dieser ganze Profit also weg. 3) Während jede gesellschaftliche Verbesserung dem grossen Grund eigenthum nüzt, schadet sie dem kleinen, weil sie ihm immer mehr baares Geld nöthig macht. 4) Es sind noch 2 wichtige Gesetze für diese Concurrenz zu betrachten: α) Die Rente der Ländereien, die zur Produktion von Nahrungsmitteln d[er] Menschen cultivirt werden, regelt die Rente der Mehrzahl der übrigen angebauten Ländereien. Smith. L i, p.331. Nahrungsmittel, wie Vieh etc kann zulezt nur der grosse Grundbesitz produciren. Er regelt also die Rente der übrigen Ländereien und kann sie auf ein Minimum herabdrücken. Der kleine selbstarbeitende Grundeigenthümer befindet sich dann zu dem grossen Grundeigenthümer in dem Verhältniß eines Handwerkers, der ein eignes Instrument besizt, zu dem Fabrikherrn. Der kleine Grundbesitz ist zum blossen Arbeitsinstrument geworden. //XVl/ Die Grundrente ver schwindet ganz für den kleinen Grundbesitzer, es bleibt ihm höchstens der Zins seines Capitals und sein Arbeitslohn; denn die Grundrente kann durch die Concurrenz dahin getrieben werden, daß sie eben nur noch der Zins des nicht selbst angelegten Capitals ist. ß) Wir haben übrigens schon gehört, daß bei gleicher Fruchtbarkeit und gleichgeschickter Exploitation der Ländereien, Minen und Fischereien das Product im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien steht. Also Sieg des grossen Grundeigenthümers. Ebenso bei gleichen Capitalien im Verhältniß zur Fruchtbarkeit. Also bei gleichen Capitalien siegt der Grundeigenthümer des fruchtbareren Bodens. -y) „Man kann von einer Mine im Allgemeinen sagen, daß sie fruchtbar oder unfruchtbar ist, je nachdem die Quantität des Minerals, welche aus ihr 228 r IV Grundrente. durch eine gewisse Quantität Arbeit gezogen werden kann, grösser oder kleiner ist, als dieselbe Quantität Arbeit aus der Mehrzahl der andren Minen von derselben Art ziehen kann." 1.1, p. 345,46. Smith. „Der Preiß der frucht- 5 barsten Mine regelt den Preiß der Kohle für alle andern Minen der Nach barschaft. Grundeigenthümer und Unternehmer finden beide, daß sie der eine eine stärkere Rente, der andre einen stärkern Profit haben werden, wenn sie die Sache niedriger als ihre Nachbarn verkaufen. Die Nachbarn sind nun gezwungen zu demselben Preiß zu verkaufen, obgleich sie weniger dazu im 10 Stande sind und obgleich dieser Preiß sich immer mehr vermindert, und ihnen manchmal die ganze Rente und den ganzen Profit fortnimmt. Einige Ex ploitations finden sich dann ganz verlassen, andere tragen keine Rente mehr und können nur weiter bearbeitet werden durch d[en] Grundeigenthümer selbst." p. 350, 1.1. Smith. „Nach der Entdeckung der Minen von Pérou 15 wurden die meisten Silberminen von Europa aufgegeben.... Dasselbe ge schah in Bezug auf die Minen von Cuba und St. Domingo, und selbst in Bezug auf die alten Minen von Pérou nach der Entdeckung derer von Potosi." p.353, t.I. Ganz dasselbe, was Smith hier von den Minen sagt, gilt mehr oder weniger von dem Grundbesitz überhaupt. 20 25 30 δ) „Es ist zu bemerken, daß immer der Preißcourant der Ländereien von der couranten Taxe des Zinsfusses a b h ä n g t . .. fiele die Grundrente unter den Geldzins um eine sehr starke Differenz, so würde niemand Länder kaufen woUen, was bald wieder ihren Preißcourant zurückführen würde. Im Gegentheü würden die Vortheüe der Grundrente den Geldzins viel mehr als compensüen, so würde aüe Welt Länder kaufen woüen, was ebenfaus ihren Courantpreiß bald wieder hersteüen würde." t. II, p. 367,68. Aus diesem Verhältniß der Grundrente zum Geldzins folgt, daß die Grundrente immer mehr faüen muß, sodaß zulezt nur noch die reichsten Leute von der Grundrente leben können. Also die Concurrenz unter d[en] nichtverpach- tenden Grundeigentümern immer grösser: Ruin eines Theüs derselben. Abermaüge accumulation des großen Grundeigenthums. | |XVIl| Diese Concurrenz hat ferner zur Folge, daß ein grosser Theü des Grundeigenthums in die Hände d[er] Capitaüsten f äüt und die Capitaüsten so zugleich Grundeigenthümer werden, wie dann überhaupt schon die 35 kleineren Grundeigenthümer nur mehr Capitaüsten sind. Ebenso wüd ein Theü des grossen Grundeigenthums zugleich üidustrieü. Die lezte Folge ist also die Auflösung des Unterschieds zwischen Capitalist und Grundeigenthümer, sodaß es also im Ganzen nur mehr 2 Klassen der Bevölkerung giebt, die Arbeiterklasse und die Klasse d[er] Capitaüsten. 40 Diese Verschacherung des Grundeigenthums, die Verwandlung des Grund- 229 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Grundrente. eigenthums in eine Waare ist der lezte Sturz der alten und die lezte Voll endung der Geldaristokratie. 1) Die sentimentalen Thränen, welche die Romantik hierüber weint, theilen wir nicht. Sie verwechselt immer die Schändlichkeit, die in der Verschacherimg der Erde liegt mit der ganz vernünftigen, innerhalb des Privateigenthums nothwendigen und wünschenswerthen Consequenz, welche in der Verschacherung des Privateigenthums an der Erde enthalten ist. Erstens ist das feudale Grundeigenthum schon seinem Wesen nach die verschacherte Erde, die d[em] Menschen entfremdete und daher in der 10. Gestalt einiger weniger grossen Herrn ihm gegenübertretende Erde. 5 Schon im Feudalgrundbesitz liegt die Herrschaft der Erde als einer frem den Macht über d[en] Menschen. Der Leibeigene ist das Accidenz der Erde. Ebenso gehört der Majoratsherr, der erstgeborne Sohn, der Erde. Sie erbt ihn. Ueberhaupt fängt mit dem Grundbesitz die Herrschaft des Privat- 15 eigenthums an, er ist seine Basis. Aber im feudalen Grundbesitz scheint wenigstens der Herr als König des Grundbesitzes. Ebenso existirt noch der Schein eines innigem Verhältnisses zwischen dem Besitzer und der Erde, als das des blossen sachlichen Reichthums ist. Das Grundstück in- dividualisirt sich mit seinem Herrn, es hat seinen Rang, ist freiherrlich oder gräflich mit ihm, hat seine Privilegien, seine Gerichtsbarkeit, sein politisches Verhältniß etc. Es erscheint als der unorganische Leib seines Herrn. Daher das Sprüchwort: nulle terre sans maître, worin das Verwachsensein der Herrlichkeit und des Grundbesitzes ausgesprochen ist. Ebenso erscheint die Herrschaft des Grundeigenthums nicht unmittelbar als Herrschaft des blos- sen Capitals. Seine Zugehörigen stehn mehr zu ihm im Verhältniß ihres Vaterlandes. Es ist eine engbrüstige Art von Nationalität. | 20 25 |XVIIl| Ebenso giebt das feudale Grundeigenthum seinem Herrn den Namen, wie ein Königreich seinem König. Seine Farniiiengeschichte, die Geschichte seines Hauses etc. alles dieß individualisirt ihm den Grundbesitz 30 und macht ihn f örmlich zu seinem Haus, zu einer Person. Ebenso haben die Bearbeiter des Grundbesitzes nicht das Verhältniß von Taglöhnern, sondern theils sind sie selbst sein Eigenthum, wie d[er] Leibeigne, theils stehn sie in Respects, Unterthanen und Pflichtverhältniß zu ihm. Seine Stellung zu ihnen ist daher unmittelbar politisch und hat ebenso eine gemüthliche Seite. Sitten, Charakter etc ändert sich von einem Grundstück zum andern und scheint mit der Parcelle eins, während später nur mehr der Beutel d[es] Menschen, nicht sein Charakter, seine Individualität ihn auf das Grundstück bezieht. Endlich sucht er nicht den möglichsten Vortheil von seinem Grundbesitz zu ziehn. Vielmehr verzehrt er, was da ist und überläßt die Sorge des Her- 40 35 230 F IV Grundrente. beischaffens ruhig den Leibeignen und Pächtern. Das ist das adüge Ver hältniß des Grundbesitzes, welches eine romantische Glorie auf seinen Herrn wirft. 5 10 Es ist nöthig, daß dieser Schein aufgehoben wird, daß das Grundeigen thum, die Wurzel des Privateigenthums, ganz in die Bewegung des Privat eigenthums hereingerissen und zur Waare wird, daß die Herrschaft des Eigenthümers als die reine Herrschaft des Privateigenthums, des Capitals, abgezogen von aller politischen Tinktur, erscheint, daß das Verhältniß zwischen Eigenthümer und Arbeiter sich auf das Nationalökonomische Verhältniß von Exploiteur und Exploitirtem reducirt, daß alles persönliche Verhältniß des Eigenthümers mit seinem Eigenthum aufhört und dasselbe zum nur sachlichen materiellen Reichthum wird, daß an die Stelle der Ehrenehe mit der Erde die Ehe des Interesses tritt und die Erde ebenso zum 15 Schacherwerth herabsinkt, wie der Mensch. Es ist nothwendig, daß, was die Wurzel des Grundeigenthums ist, der schmutzige Eigennutz, auch in seiner cynischen Gestalt erscheint. Es ist nothwendig, daß das ruhende Monopol in das bewegte und beunruhigte Monopol, die Concurrenz, der nichtsthuende Genuß des fremden Blutschweisses in den vielgeschäftigen Handel mit 20 denselben umschlägt. Es ist endlich nothwendig, daß in dieser Concurrenz das Grundeigenthum unter der Gestalt des Capitals seine Herrschaft sowohl über die Arbeiterklasse als über die Eigenthümer selbst zeigt, indem die Gesetze der Bewegung des Capitals sie ruiniren oder erheben. Damit tritt dann an die Stelle des mittelaltrigen Sprichworts: nulle terre sans seigneur, 25 das moderne Sprichwort: l'argent n'a pas de maître, worin die ganze Herr schaft der todtgeschlagnen Materie über d[en] Menschen ausgesprochen ist. J |XTX| 2) Was den Streit betrifft über Theüung oder Nichttheüung des Grundbesitzes, so ist folgendes zu bemerken. 30 Die Theüung des Grundbesitzes verneint das grosse Monopol des Grund eigenthums, hebt es auf, aber nur dadurch, daß sie dieses Monopol ver- aügememert. Sie hebt den Grund des Monopols, das Privateigenthum, nicht auf. Sie greift die Existenz aber nicht das Wesen des Monopols an. Die Folge davon ist, daß sie den Gesetzen des Privateigenthums zum Opfer fäüt. Die 35 Theüung des Grundbesitzes entspricht nämüch der Bewegung der Con industrieüem Gebiet. Ausser den nationalökonomischen currenz auf Nachtheüen dieser Theüung von Instrumenten und der voneinander ge trennten Arbeit, (wohl zu unterscheiden von der Theüung der Arbeit; die Arbeit wüd nicht unter viele vertheüt, sondern dieselbe Arbeit von je- 40 dem für sich betrieben, es ist eine Vervielfachung derselben Arbeit) schlägt 231 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Grundrente. diese Theihmg, wie jene Concurrenz nothwendig wieder in Accumulation um. Wo also die Theilung des Grundbesitzes stattfindet, bleibt nichts übrig, als zum Monopol in noch gehässiger Gestalt zurückzukehren oder die Theilung des Grundbesitzes selbst zu negiren \ aufzuheben. Das ist aber nicht die Rückkehr zum Feudalbesitz, sondern die Aufhebung des Privateigen thums an Grund und Boden überhaupt. Die erste Aufhebung des Monopols ist immer seine Verallgemeinerung, die Erweiterung seiner Existenz. Die Aufhebung des Monopols, welches seine möglichst breite und umfassende Existenz erlangt hat, ist seine vollständige Vernichtung. Die Association, auf Grund und Boden angewandt, theilt den Vortheil des grossen Grundbesitzes in nationalökonomischer Hinsicht und realisirt erst die ursprüngliche Ten denz der Theilung, nämlich die Gleichheit, wie sie denn auch auf eine ver nünftige und nicht mehr durch Leibeigenschaft, Herrschaft und eine alberne Eigenthumsmystik vermittelte Weise die gemüthliche Beziehung d[es] Menschen zur Erde herstellt, indem die Erde aufhört, ein Gegenstand des Schachers zu sein und durch die freie Arbeit und den freien Genuß wieder ein wahres, persönliches Eigenthum d[es] Menschen wird. Ein grosser Vortheil der Theilung ist, daß seine Masse, in andrer Weise als die Industrie, am Eigenthum zu Grunde geht, eine Masse, welche nicht mehr zur Knecht schaft sich entschliessen kann. Was den grossen Grundbesitz angeht, so haben seine Vertheidiger immer auf eine sophistische Weise die nationalökonomischen Vortheile, welche die Agricultur im Grossen darbietet, mit dem grossen Grundeigenthum identificirt, als wenn dieser Vortheil nicht eben erst durch die Aufhebung des Eigenthums theils seine ||XX| möglichst grosse Ausdehnung erhielte, theils erst von socialem Nutzen würde. Ebenso haben sie den Verschache- rungsgeist des kleinen Grundbesitzes angegriffen, als wenn nicht der grosse Grundbesitz selbst schon in seiner feudalen Form, den Schacher in sich latent enthielte, gar nicht zu Reden von der modernen englischen Form, wo Feudalismus d[es] Grundherrn und Industrieschacher des Pächters verbun den sind. Wie das grosse Grundeigenthum den Vorwurf des Monopols, den ihm die Theilung des Grundbesitzes macht, zurückgeben kann, da auch die Theilung auf dem Monopol des Privateigenthums basirt, so kann die Theilung des Grundbesitzes dem grossen Grundbesitz den Vorwurf der Theilung zurück geben, denn auch hier herrscht die Theilung, nur in starrer festgefrorner Form. Ueberhaupt beruht ja das Privateigenthum auf dem Getheiltsein. Uebrigens, wie die Theilung des Grundbesitzes zum grossen Grundbesitz 232 F i IV Grundrente. als Capitalreichthum zurückführt, so muß das feudale Grundeigenthum nothwendig zur Theüung f ortgehn oder wenigstens in die Hände d[er] Ca pitaüsten f aUen, es mag sich drehn oder wenden, wie es will. 5 Denn das grosse Grundeigenthum, wie in England, treibt die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung der Industrie in die Arme und reducirt seme eignen Arbeiter auf völliges Elend. Es erzeugt und vergrössert also die Macht seines Feindes, des Capitals, d[er] Industrie, indem es Arme und eine vöüige und ganze Thätigkeit des Landes auf die andre Seite wirft. Es macht die 10 Majorität des Landes industrieü, also zum Gegner des grossen Grund eigenthums. Hat die Industrie nun eine hohe Macht erreicht, wie jezt in England, so zwingt sie nach und nach dem grossen Grundeigenthum seine Monopole gegen d[as] Ausland ab und wirf t es in die Concurrenz mit dem Grundbesitz des Auslandes. Unter der Herrschaft der Industrie konnte das 15 Grundeigenthum nämüch seme feudale Grösse nur durch Monopole gegen das Ausland sichern, um sich so vor den aUgemeinen Gesetzen des Handels, die seinem Feudalwesen widersprechen, zu schützen. Einmal in die Con currenz geworfen, folgt es den Ciesetzen der Concurrenz, wie jede andre Waare, die ihr unterworfen ist. Es wüd eben so schwankend, ab und zu- 20 nehmend, aus einer Hand in die andre fliegend und kern Gesetz kann es mehr in wenigen prädestinüten Händen erhalten. ||XXl| Die unmittelbare Folge ist Zerspütterung in viele Hände, jedenfaUs AnheimfaU an die Macht der mdustrieUen Capitaüen. Endlich führt der grosse Grundbesitz, welcher dergestalt gewaltsam er- 25 halten worden ist und neben sich eine furchtbare Industrie erzeugt hat, noch schneUer zur Krise, wie die Theüung des Grundbesitzes, neben welcher die Macht der Industrie immer v[on] zweitem Rang bleibt. Der grosse Grundbesitz hat, wie wü in England sehn, seinen feudalen Charakter schon insofern abgelegt und einen industrieUen Charakter an- 30 genommen, als er möglichst viel Geld machen will. Er [gibt] d[em] Eigen thümer die mögüchste Grundrente, d[em] Pächter den mögüchsten Profit von seinem Capital. Die Landarbeiter sind daher bereits auf das Minimum re ducirt und die Pächterklasse vertritt schon innerhalb des Grundbesitzes die Macht der Industrie und des Capitals. Durch die Concurrenz mit dem 35 Ausland hört die Grundrente größtentheils auf ein selbstständiges Einkom men büden zu können. Ein grosser Theü der Grundeigenthümer muß an die SteUe der Pächter treten, die auf diese Weise theüweise zum Proletariat herabsinken. Andrerseits werden sich auch viele Pächter dès Grundeigen thums bemächtigen, denn die grossen Eigenthümer, die bei ihrer bequemen 40 Revenu sich größtentheüs der Verschwendung ergeben haben und meistens 233 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Grundrente. auch unbrauchbar zur Leitung der Agrikultur im Grossen sind, besitzen theilweise weder Capital noch Befähigung, um den Grund und Boden zu exploitiren. Also auch ein Theil von diesen wird vollständig ruinirt. Endlich muß der auf ein Minimum reducirte Arbeitslohn noch mehr reducirt werden, um die neue Concurrenz zu bestehn. Das führt dann nothwendig zur Re volution. 5 Das Grundeigenthum mußte sich auf jede der beiden Weisen entwickeln, um in beiden seinen nothwendigen Untergang zu erleben, wie auch die Industrie in der Form des Monopols und in der Form der Concurrenz sich 10 ruiniren mußte, um an d[en] Menschen glauben zu lernen. I [V] Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. |XXIl| Wir sind ausgegangen von den Voraussetzungen der Nationalökono mie. Wir haben ihre Sprache und ihre Gesetze acceptirt. Wir unterstellten 15 das Privateigenthum, die Trennung von Arbeit, Capital und Erde, ebenso von Arbeitslohn, Profit des Capitals und Grundrente, wie die Theilung der Arbeit, die Concurrenz, den Begriff des Tauschwerthes etc. Aus der Na tionalökonomie selbst, mit ihren eignen Worten, haben wir gezeigt, daß der Arbeiter zur Waare und zur elendsten Waare herabsinkt, daß das Elend des 20 Arbeiters im umgekehrten Verhältniß zur Macht und zur Grösse seiner Production steht, daß das nothwendige Resultat der Concurrenz die Accu mulation des Capitals in wenigen Händen, also die fürchterlichere Wieder herstellung des Monopols ist, daß endlich der Unterschied von Capitalist und Grundrentner, wie von Ackerbauer und Manuf acturarbeiter verschwin- 25 det und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigenthümer und Eigenthumslosen Arbeiter zerfallen muß. Die Nationalökonomie geht vom Factum des Privateigenthums aus. Sie erklärt uns dasselbe nicht. Sie faßt den materiellen Prozeß des Privat eigenthums, den es in der Wirklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte 30 Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begretft diese Gesetze nicht, d.h. sie zeigt nicht nach, wie sie aus dem Wesen des Privateigenthums hervorgehn. Die Nationalökonomie giebt uns keinen Aufschluß über den Grund der Theilung von Arbeit und Capital, von Capital und Erde. Wenn sie z. B. das Verhältniß des Arbeitslohns zum Profit des Capitals bestimmt, 35 234 ν Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. 5 so gilt ihr als lezter Grund das Interesse d[es] Capitaüsten; d. h. sie unterstellt, was sie entwickeln soü. Ebenso kömmt überaü die Concurrenz hinein. Sie wird aus äusseren Umständen erklärt. Inwiefern diese äusseren, scheinbar zufälügen Umstände, nur der Ausdruck einer nothwendigen Entwicklung sind, darüber lehrt uns die Nationalökonomie nichts. Wir haben gesehn, wie ihr der Austausch selbst als ein zufälÜges Factum erscheint. Die einzigen Räder, die der Nationalökonom in Bewegung sezt, sind die Habsucht und der Krieg unter den Habsüchtigen, die Concurrenz. / 1 o |Eben weil die Nationalökonomie den Zusammenhang der Bewegung nicht begreift, darum konnte sich ζ. B. die Lehre von der Concurrenz der Lehre vom Monopol, die Lehre von der Gewerbfreiheit der Lehre von der Cor­ poration, die Lehre von der Theüung des Grundbesitzes der Lehre vom grossen Grundeigenthum wieder entgegensteüen, denn Concurrenz, Ge is werbfreiheit, Theüung des Grundbesitzes waren nur als zufälüge, absicht liche, gewaltsame, nicht als nothwendige, unvermeidliche, natürliche Con sequenzen des Monopols, der Corporation und des Feudaleigenthums ent wickelt und begriffen. Wü haben also jezt den wesentlichen Zusammenhang zwischen dem 20 Privateigenthum, der Habsucht, der Trennung von Arbeit, Capital und Grundeigenthum, von Austausch und Concurrenz, von Werth und Ent- werthung d[es] Menschen, von Monopol und Concurrenz etc., von dieser ganzen Entfremdung mit dem Geld system zu begreifen. 25 Versetzen wü uns nicht wie der Nationalökonom, wenn er erklären will, in einen erdichteten Urzustand. Ein solcher Urzustand erklärt nichts. Er schiebt blos die Frage in eine graue, nebelhafte Ferne. Er unterstem: in der Form der Thatsache, des Ereignisses, was er deducüen soü, nämüch das nothwendige Verhältniß zwischen zwei Dingen, ζ. B. zwischen Theüung der Arbeit und Austausch. So erklärt d[er] Theologe den Ursprung des Bösen 30 durch den Sündenf aü, d. h. er untersteüt als ein Factum, in der Form der Geschichte, was er erklären soü. Wü gehn von einem Nationalökonomischen, gegenwärtigen Factum aus. 35 Der Arbeiter wüd um so ärmer, je mehr Reichthum er producüt, je mehr seine Production an Macht und Umfang zunimmt. Der Arbeiter wüd eine um so wohlfeüere Waare, je mehr Waaren er schafft. Mit der Verwerthung der Sachenwelt, nimmt die Entwerthung der Menschenwelt in düektem Verhältniß zu. Die Arbeit producüt nicht nur Waaren; sie producüt sich selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare und zwar in dem Verhältniß, in 40 welchem sie überhaupt Waaren producüt. 235 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Profit des Capitals. Grundrente. Dieß Factum drückt weiter nichts aus, als: Der Gegenstand, den die Arbeit producirt, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von d[em] Producenten unabhängige Macht gegenüber. Das Product der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand f ixirt, sachlich gemacht hat, es ist die 5 Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre VergegenständU||chung. Diese Verwirkhchung der Arbeit erscheint in dem nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Ver gegenständlichung als Verlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter dem Gegenstand, die Aneignung als Entfremdung, als Entäusserung. 10 Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, daß der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht wird. Die Vergegenständ lichung erscheint so sehr als Verlust des Gegenstandes, daß der Arbeiter der nothwendigsten Gegenstände, nicht nur des Lebens, sondern auch der Arbeitsgegenstände beraubt ist. Ja die Arbeit selbst wird zu einem Gegen- stand, dessen er nur mit der größten Anstrengung und mit den unregelmäs- sigsten Unterbrechungen sich bemächtigen kann. Die Aneignung des Gegen standes erscheint so sehr als Entfremdung, daß je mehr Gegenstände der Arbeiter producirt, er um so weniger besitzen kann und um so mehr unter die Herrschaft seines Products, des Capitals, geräth. In der Bestimmung, daß der Arbeiter zum Product seiner Arbeit als einem fremden Gegenstand sich verhält, hegen alle diese Consequenzen. Denn es ist nach dieser Voraussetzung klar. Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, um so mächtiger wird die fremde, gegenständliche Welt, die er sich gegen über schafft, um so ärmer wird er selbst, seine innre Welt, um so weniger gehört ihm zu eigen. Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in Gott sezt, je weniger behält er in sich selbst. Der Arbeiter legt sein Leben in den Gegenstand; aber nun gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Gegen stand. Je grösser also diese Thätigkeit, um so gegenstandsloser ist der Ar beiter. Was das Produkt seiner Arbeit ist ist er nicht. Je grösser also dieß Produkt, je weniger ist er selbst. Die Entäusserung des Arbeiters in seinem Produkt hat die Bedeutung, nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, zu einer äussern Existenz wird, sondern daß sie ausser ihm, unabhängig, fremd von ihm existirt und eine selbstständige Macht ihm gegenüber wird, daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehn hat, ihm feindlich und fremd gegenübertritt. | |XXIIl| Betrachten wir nun näher die Vergegenständlichung, die Pro duction des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegen standes, seines Products. 15 20 25 30 35 Der Arbeiter kann nichts schaffen ohne die Natur, ohne die sinnliche 40 236 ν Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. 5 10 Aussenwelt. Sie ist der Stoff, an welchem sich seine Arbeit verwirklicht, in welchem sie thätig ist, aus welchem und mittelst welchem sie producirt. Wie aber die Natur d[as] Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausge übt wird, so bietet sie andrerseits auch d[as] Lebensmittel in dem engern Sinn dar, nämlich d[as] Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters selbst. Je mehr also der Arbeiter sich die Aussenwelt, die sinnliche Natur durch seine Arbeit sich aneignet, um so mehr entzieht er sich Lebensmittel nach der doppelten Seite hin, erstens daß immer mehr die sirmliche Aussenwelt aufhört, ein seiner Arbeit angehöriger Gegenstand, ein Lebensmittel seiner Arbeit zu sein; zweitens, daß sie immer mehr aufhört Lebensmittel im unmittelbaren Sinn, Mittel für die physische Subsistenz des Arbeiters zu 15 sein. 20 25 Nach dieser doppelten Seite hin wird der Arbeiter also ein Knecht seines Gegenstandes, erstens daß er einen Gegenstand der Arbeit, d. h. daß er Arbeit erhält und zweitens daß er Subsistenzmittel erhält. Erstens also daß er als Arbeiter und zweitens, daß er als physisches Subjekt existiren kann. Die Spitze dieser Knechtschaft ist, daß er nur mehr als Arbeiter sich als phy sisches Subjekt erhalten [kann] und nur mehr als physisches Subjekt Arbeiter ist. (Die Entfremdung des Arbeiters in seinem Gegenstand drückt sich nach nationalökonomischen Gesetzen so aus, daß je mehr der Arbeiter producirt, er um so weniger zu consummiren hat, daß je mehr Werthe er schafft, er um so werthloser und so unwürdiger wird, daß je geformter sein Produkt um so mißförmiger der Arbeiter, daß je civilisirter sein Gegenstand um so barbarischer der Arbeiter, daß um so mächtiger die Arbeit, um so ohn mächtiger der Arbeiter wird, daß je geistreicher die Arbeit um so mehr 30 geistloser und Naturknecht der Arbeiter wird.) | 35 \Die Nationalökonomie verbirgt die Entfremdung in dem Wesen der Arbeit dadurch, daß sie nicht das u n m i t t e l b a re Verhältniß zwischen dem A r b e i t e r, (der Arbeit) und der Production betrachtet. Allerdings. Die Arbeit producirt Wunderwerke für d[en] Reichen, aber sie producirt Ent- blössung für d[en] Arbeiter. Sie producirt Paläste, aber Höhlen für d[en] Arbeiter. Sie producirt Schönheit, aber Verkrüppelung für d[en] Arbeiter. Sie ersezt die Arbeit durch Maschinen, aber sie wirf t einen Theü der Arbeiter zu einer barbarischen Arbeit zurück und macht den andren Theü zur Má senme. Sie producüt Geist, aber sie producüt Blödsinn, Cretüüsmus für d[en] 40 Arbeiter. 237 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. Das unmittelbare Verhältniß der Arbeit zu ihren Producten ist das Ver hältniß des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Production. Das Verhält niß d[es] Vermögenden zu den Gegenständen der Production und zu ihr selbst ist nur eine Consequenz dieses ersten Verhältnisses. Und bestätigt es. Wir werden diese andre Seite später betrachten. Wenn wir also fragen: Welches ist das wesentliche Verhältniß der Arbeit, so fragen wir nach dem Verhältniß des Arbeiters zur Production. Wir haben bisher die Entfremdung, die Entäusserung des Arbeiters nur nach der einen Seite hin betrachtet, nämlich sein Verhältniß zu den Pro- dukten seiner Arbeit. Aber die Entfremdung zeigt sich nicht nur im Resultat, sondern im Akt der Produktion, innerhalb der producirenden Thätigkeit selbst. Wie würde d[em] Arbeiter d[as] Produkt seiner Thätigkeit fremd gegenübertreten können, wenn er im Akt der Production selbst sich nicht sich selbst entfremdete? Das Product ist ja nur das Resumé der Thätigkeit, d[er] Production. Wenn also das Product der Arbeit die Entäusserung ist, so muß die Production selbst die thätige Entäusserung, die Entäusserung der Thätigkeit, die Thätigkeit der Entäusserung sein. In der Entfremdung des Gegenstandes der Arbeit resumirt sich nur die Entfremdung, die Entäus serung in der Thätigkeit der Arbeit selbst. 5 10 15 20 Worin besteht nun die Entäusserung der Arbeit? Erstens, daß die Arbeit dem Arbeiter äusserlich ist, d. h. nicht zu seinem Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist 25 ruinirt. Der Arbeiter fühlt sich daher erst ausser der Arbeit bei sich und in der Arbeit ausser sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Be dürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse ausser ihr zu || be- friedigen. Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer oder sonstiger Zwang existirt, die Arbeit als eine Pest geflohen wird. Die äusserliche Arbeit, die Arbeit, in welcher der Mensch sich entäussert, ist eine Arbeit der Selbstaufopferung, der Kasteiung. Endlich erscheint die Aüs- serhchkeit der Arbeit für den Arbeiter darin, daß sie nicht sein eigen, sondern 35 eines andern ist, daß sie ihm nicht gehört, daß er in ihr nicht sich selbst, sondern einem andern angehört. Wie in der Religion die Selbstthätigkeit der menschlichen Phantasie, des menschlichen Hirns und des menschlichen Herzens unabhängig vom Individuum, d. h. als eine fremde, göttüche oder teuflische Thätigkeit auf es wirkt, so ist die Thätigkeit des Arbeiters nicht 30 40 238 ν Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. seine Selbsttätigkeit. Sie gehört einem andern, sie ist der Verlust seiner selbst. Es kömmt daher zu dem Resultat, daß der Mensch, (d[er] Arbeiter) nur 5 mehr in seinen thierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höch stens noch Wohnung, Schmuck, etc. sich als freithätig fühlt, und in seinen menschlichen Funktionen nur mehr als Thier. Das Thierische wird das Menschliche und das Menschliche das Thierische. 10 Essen, Trinken und Zeugen etc. sind zwar auch echt menschliche Funk- tionen. In der Abstraktion aber, die sie von dem übrigen Umkreis mensch licher Thätigkeit trennt und zu lezten und aüeüügen Endzwecken macht, sind sie thierisch. Wü haben den Akt der Entfremdung der praktischen menschlichen Thätigkeit, d. Arbeit, nach zwei Seiten hin betrachtet. 1) Das Verhältniß des 15 Arbeiters zum Product der Arbeit als fremden und über um mächtigen Gegenstand. Dieß Verhältniß ist zugleich das Verhältniß zur sinnüchen Aussenwelt, zu den Naturgegenständen als einer fremden ihm feindlich gegenüberstehenden Welt. 2) Das Verhältniß der Arbeit zum Akt der Pro duction, innerhalb der Arbeit. Dieß Verhältniß ist das Verhältniß des Ar- 20 betters zu seiner eignen Thätigkeit als einer fremden, ihm nicht angehörigen, d[ie] Thätigkeit als Leiden, d[ie] Kraft als Ohnmacht, d[ie] Zeugung als Entmannung. Die eigne physische und geistige Energie des Arbeiters, sein persönliches Leben, — denn was ist Leben als Thätigkeit — als eme wider ihn selbst gewendete, von ihm unabhängige, ihm nicht gehörige Thätigkeit. 25 Die Selbstentfremdung, wie oben die Entfremdung der Sache. \ |XXrV| Wü haben nun noch eme dritte Bestimmung der entfremdeten Arbeit aus den beiden bisherigen zu ziehn. 30 Der Mensch ist ein Gattungswesen, nicht nur indem er praktisch und theoretisch die Gattung, sowohl seine eigne als die der übrigen Dinge zu seinem Gegenstand macht, sondern — und dieß ist nur ein andrer Ausdruck für dieselbe Sache — sondern auch indem er sich zu sich selbst als der gegenwärtigen, lebendigen Gattung verhält, indem er sich zu sich als einem universellen, darum freien Wesen verhält. Das Gattungsleben, sowohl beim Menschen als beim Thier, besteht 35 physisch einmal darin, daß der Mensch (wie das Thier), von der unorga nischen Natur lebt, und um so universeüer der Mensch als das Thier, um so universeüer ist der Bereich der unorganischen Natur, von der er lebt. Wie Pflanzen, Thiere, Sterne, Luft, Licht etc. theoretisch einen Theü des menschüchen Bewußtseins, theüs als Gegenstände der Naturwissenschaft, theüs als Gegenstände der Kunst büden — seme geistige unorganische Natur, 40 239 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. geistige Lebensmittel, die er erst zubereiten muß zum Genuß und zur Ver dauung — so bilden sie auch praktisch einen Theil des menschlichen Lebens und der menschlichen Thätigkeit. Physisch lebt der Mensch nur von diesen Naturprodukten, mögen sie nun in der Form der Nahrung, Heitzung, Klei dung, Wohnung etc. erscheinen. Die Universalität des Menschen erscheint praktisch eben in der Universalität, die die ganze Natur zu seinem un organischen Körper macht, sowohl insofern sie 1) ein unmittelbares Lebens mittel, als inwiefern sie d. Gegenstand \ Materie und das Werkzeug seiner Lebensthätigkeit ist. Die Natur ist der unorganische Leib d[es] Menschen, nämlich die Natur, so weit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische und geistige Leben d[es] Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen andern Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Theil der Natur. Indem die entfremdete Arbeit dem Menschen 1) die Natur entfremdet, 2) sich selbst, seine eigne thätige Funktion, seine Lebensthätigkeit, so entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungs leben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das Gattungsleben und das individuelle Leben und zweitens macht sie das leztere in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten und entfremdeten Form. Denn erstens erscheint d[em] Menschen die Arbeit, die Lebensthätigkeit, das produktive Leben selbst nur als ein Mittel zur Befriedigung eines Be dürfnisses, des Bedürfnisses der Erhaltung der physischen Existenz. Das produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende Leben. In der Art der Lebensthätigkeit liegt der ganze Charakter einer species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Thätigkeit ist der Gattungscharakter || d[es] Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als Lebensmittel. Das Thier ist unmittelbar eins mit seiner Lebensthätigkeit. Es unter scheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebens thätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. Er hat bewußte Lebensthätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet d[en] Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein Bewußtes Wesen, d. h. sein eignes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. Nur darum ist seine Thätigkeit freie Thätigkeit. Die Entfremdete Arbeit kehrt 240 ν Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. das Verhältniß dahin um, daß der Mensch eben, weü er ein bewußtes Wesen ist, seme Lebensthätigkeit, sein Wesen nur zu einem Mittel für seme Existenz macht. 5 10 Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitungder unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens, d. h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eignen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar producüt auch das Thier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise etc. AUein es producüt nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es producüt einseitig, während der Mensch universeU producüt; es producüt nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürf nisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfniß producüt und erst wahrhaft producüt, in der Freiheit von demselben; es producüt nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproducirt; sein Product gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Product gegenübertritt. Das Thier formirt nur nach dem Maaß und dem Bedürfniß der species, der es angehört, während der Mensch nach dem Maaß jeder species zu producüen weiß und überaü das inhärente Maaß dem 20 Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formirt daher auch nach den 15 Gesetzen der Schönheit. 25 30 Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wüküch als Gattimgswesen. Diese Production ist sein Werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wüküchkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegen ständlichung des Gattungslebens des Menschen; indem er sich nicht nur, wie im Bewußtsein, üiteUektueU, sondern werkthätig, wüküch verdoppelt, und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Production entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seme wükliche Gattungs- gegenständüchkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Thier in den Nachtheü, daß sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wüd. Ebenso indem die entfremdete Arbeit die Selbstthätigkeit, die freie Thätigkeit zum Mittel herabsezt, macht sie das Gattungsleben des Menschen 35 zum Mittel seiner physischen Existenz. | I Das Bewußtsein, welches der Mensch von seiner Gattung hat, verwandelt sich durch die Entfremdung also dahin, daß das Gattungsl[eben] ihm zum Mittel wüd. Die entfremdete Arbeit macht also: 40 3) das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur, als sein geistige[s] 241 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. fremden Wesen, zum Mittel seiner Gattungsvermögen zu einem individuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eignen Leib, wie die Natur ausser ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches Wesen. ihm 5 4) Eine unmittelbare Consequenz davon, daß der Mensch dem Product seiner Arbeit, seiner Lebensthätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung d[es] Menschen von d[em] Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegen über. Was von dem Verhältniß des Menschen zu seiner Arbeit, zum Product 10 seiner Arbeit und zu sich selbst, das gilt von dem Verhältniß d[es] Menschen zum andern Menschen, wie zu der Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit d[es] andern Menschen. Ueberhaupt der Satz, daß dem Menschen sein Gattungswesen entfremdet ist, heißt daß ein Mensch d[em] andern, wie jeder von ihnen dem mensch- 15 liehen Wesen entfremdet ist. Die Entfremdung d[es] Menschen, überhaupt jedes V[er]hältniß, in dem der Mensch zu sich selbst steht[,] ist erst verwirklicht, drückt sich aus in dem Verhältniß, in welchem der Mensch zu d[em] andern Menschen steht. Also betrachtet in dem Verhältniß der entf remdetefn] Arbeit jeder Mensch 20 d[en] andern nach dem Maaßstab und dem Verhältniß in welchem er selbst, als Arbeiter sich befindet. | |XXV| Wir gingen aus von einem nationalökonomischen factum, d[er] Entfremdung des Arbeiters und seiner Production. Wir haben den Begriff dieses factums ausgesprochen, die entfremdete, entäusserte Arbeit. Wir haben diesen Begriff analysirt, also blos ein nationalökonomisches factum analysirt. 25 Sehn wir nun weiter, wie sich der Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeit in der Wirklichkeit aussprechen und darstellen muß. Wenn das Produkt der Arbeit mir fremd ist, mir als fremde Macht gegen- 30 übertritt, wem gehört es dann? Wenn meine eigne Thätigkeit nicht mir gehört, eine fremde, eine erzwungne Thätigkeit ist, wem gehört sie dann? Einem andern Wesen als mir. Wer ist dieß Wesen? Die Götter? Allerdings erscheint in den ersten Zeiten die Hauptproduk tion, wie ζ. B. der Tempelbau etc in Aegypten, Indien, Mexiko, sowohl im Dienst der Götter, wie auch das Product den Göttern gehört. Allein die Götter allein waren nie die Arbeitsherrn. Ebensowenig die Natur. Und welcher Widerspruch wäre es auch, daß je mehr der Mensch die Natur durch seine 40 35 242 ν Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. Arbeit sich unterwirft, je mehr die Wunder der Götter überflüssig werden durch die Wunder der Industrie, der Mensch diesen Mächten zu lieb auf die Freude an der Production und auf den Genuß des Productes verziehten sollte. 5 Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Product der Arbeit gehört, in dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Product der Arbeit steht, kann nur der Mensch selbst sein. Wenn das Product der Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, eine fremde 10 Macht ihm gegenüber ist, so ist dieß nur dadurch möglich, daß es einem andern Menschen ausser dem Arbeiter gehört. Wenn seine Thätigkeit ihm Qual ist, so muß sie einem andern Genuß und die Lebensfreude eines andern sein. Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese fremde Macht über d[en] Menschen sein. 15 Man bedenke noch den vorher aufgestellten Satz, daß das Verhältniß des Menschen zu sich selbst ihm erst gegenständlich, wirklich ist durch sein Verhältniß zu d[em] andern Menschen. || Wenn er sich also zu dem Product seiner Arbeit, zu seiner vergegenständlichten Arbeit als einem fremden, feindlichen, mächtigen, von ihm unabhängigen Gegenstand verhält, so ver- 20 hält er sich zu ihm so, daß ein anderer, ihm fremder, f eindlicher, mächtiger, von ihm unabhängiger Mensch der Herr dieses Gegenstandes ist. Wenn er sich zu seiner eignen Thätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich zu ihr als der Thätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch eines andern Menschen. 25 Jede Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur erscheint in dem Verhältniß, welches er sich und der Natur zu andern, von ihm unter schiednen Menschen giebt. Daher die religiöse Selbstentfremdung nothwen dig in dem Verhältniß des Laien zum Priester erscheint, oder auch, da es sich hier von der intellektuellen Welt handelt, zu einem Mittler etc. In der 30 praktischen wirklichen Welt kann die Selbstentfremdung nur durch das praktische wirkliche Verhältniß zu andern Menschen erscheinen. Das Mittel, wodurch die Entfremdung vorgeht, ist selbst ein praktisches. Durch die entfremdete Arbeit erzeugt der Mensch also nicht nur sein Verhältniß zu dem Gegenstand und dem Akt der Produktion als fremden und ihm feindlichen 35 Menschen; er erzeugt auch das Verhältniß in welchem andre Menschen zu seiner Production und seinem Product stehn und das Verhältniß, in welchem er zu diesen andern Menschen steht. Wie er seine eigne Production zu seiner Entwirklichung, zu seiner Strafe, wie er sein eignes Product zu dem Verlust, zu einem ihm nicht gehörigen Product, so erzeugt er die Herrschaft dessen, 40 der nicht producirt, auf die Production und auf das Product. Wie er seine 243 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. eigne Thätigkeit sich entfremdet, so eignet er dem Fremden die ihm nicht eigne Thätigkeit an. Wir haben bis jezt das Verhältniß nur von Seiten des Arbeiters, wir werden es später auch von Seiten des NichtArbeiters betrachten. Also durch die entfremdete, entäusserte Arbeit erzeugt der Arbeiter das Verhältniß eines der Arbeit fremden und ausser ihr stehenden Menschen zu dieser Arbeit. Das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit erzeugt das Verhältniß d[es] Capitalisten zu derselben oder wie man sonst den Arbeitsherrn nennen will. Das Privateigenthum ist also das Produkt, das Resultat, die nothwendige Consequenz d[er] entäusserten Arbeit, des äusserlichen Verhältnisses des Arbeiters || zu der Natur und zu sich selbst. 5 10 Das Privateigenthum ergiebt sich also durch Analyse aus dem Begriff der entäusserten Arbeit, d.i. d[es] entäusserten Menschen, der entfremdeten Arbeit, des entfremdeten Lebens, d[es] entfremdeten Menschen. 15 Wir haben allerdings den Begriff der entäusserten Arbeit, (des entäus serten Lebens) aus der Nationalökonomie als Resultat aus der Bewegung des Privateigenthums gewonnen. Aber es zeigt sich bei Analyse dieses Begriffes, daß, wenn das Privateigenthum als Grund, als Ursache der ent- 20 äusserten Arbeit erscheint, es vielmehr eine Consequenz der selben ist, wie auch die Götter ursprünglich nicht die Ursache, sondern die Wirkung der menschlichen Verstandesverirrung sind. Später schlägt dieß Verhältniß in Wechselwirkung um. Erst auf dem lezten Culminationspunkt der Entwicklung des Privat- 25 eigenthums tritt dieses sein Geheimniß wieder hervor, nämlich, einerseits, daß es das Produkt der entäusserten Arbeit und zweitens daß es das Mittel ist, durch welches sich die Arbeit entäussert, die Realisation dieser Ent äusserung. Diese Entwicklung giebt sogleich Licht über verschiedne bisher ungelöste 30 Collisionen. 1) Die Nationalökonomie geht von der Arbeit als der eigentlichen Seele der Production aus und dennoch giebt sie der Arbeit nichts und dem Privat eigenthum Alles. Proudhon hat aus diesem Widerspruch zu Gunsten der Arbeit wider das Privateigenthum geschlossen. Wir aber sehn ein, daß dieser 35 scheinbare Widerspruch der Widerspruch der entfremdeten Arbeit mit sich selbst ist, und daß die Nationalökonomie nur die Gesetze der entfremdeten Arbeit ausgesprochen hat. Wir sehn daher auch ein, daß Arbeitslohn und Privateigenthum identisch sind: denn der Arbeitslohn, wo das Product, der Gegenstand der Arbeit die 40 244 r ν 5 io 15 20 25 30 Arbeitslohn. Grundrente. Capitalgewinn. Arbeit selbst besoldet, ist nur eine nothwendige Consequenz von der Ent­ fremdung der Arbeit, wie denn im Arbeitslohn auch die Arbeit nicht als Selbstzweck, sondern als der Diener des Lohns erscheint. Wir werden dieß später ausführen und ziehen jezt nur noch einige Conse||[XX]Vl|[que]n- zen. Eine gewaltsame Erhöhung des Arbeitslohns, (von allen andern Schwierig keiten abgesehn, abgesehn davon, daß sie als eine Anomalie auch nur ge waltsam aufrecht zu erhalten wäre) wäre also nichts als eine bessere Sa larirung d[es] Sklaven und hätte weder dem Arbeiter, noch der Arbeit ihre menschliche Bestimmung und Würde erobert. Ja selbst die Gleichheit der Salaire, wie sie Proudhon fordert, verwandelt nur das Verhältniß des jetzigen Arbeiters zu seiner Arbeit in das Verhältniß aller Menschen zur Arbeit. Die Gesellschaft wird dann als abstrakter Capi- talist gefaßt. Arbeitslohn ist eine unmittelbare Folge der entfremdeten Arbeit und die entfremdete Arbeit ist die unmittelbare Ursache des Privateigenthums. Mit der einen muß daher auch die andere Seite fallen. 2) Aus dem Verhältniß der entfremdeten Arbeit zum Privateigenthum folgt ferner, daß die Emancipation der Gesellschaft vom Privateigenthum etc, von der Knechtschaft in der poütischen Form der Arbeiteremancipation sich ausspricht, nicht als wenn es sich nur um ihre Emancipation handelte, sondern weil in ihrer Emancipation die allgemein menschliche enthalten ist, diese ist aber darin enthalten, weil die ganze menschliche Knechtschaft in dem Verhältniß des Arbeiters zur Production involvirt ist und alle Knechts schaftsverhältnisse nur Modificai|tionen und Consequenzen dieses Verhält nisses sind. Wie wir aus dem Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeitden Begriff des Privateigenthums durch Analyse gefunden haben, so können mit Hülfe dieser beiden factoren alle nationalökonomischen Categorien entwickelt werden und wir werden in jeder Categorie, wie z. B. d[em] Schacher, d[er] Concurrenz, d[em] Capital, d[em] Geld, nur einen bestimmten und ent- wickelten Ausdruck dieser ersten Grundlagen wiederfinden. Bevor wir jedoch diese Gestaltung betrachten, suchen wir noch zwei 35 Aufgaben zu lösen. 1) Das allgemeine Wesen des Privateigenthums, wie es sich als Resultat der entfremdeten Arbeit ergeben hat, in seinem Verhältniß zum wahrhaft menschlichen und socialen Eigenthum zu bestimmen; 2) Wir haben die Entfremdung der Arbeit, ihre Entäusserung als ein 40 Factum angenommen und dieß factum analysirt. Wie, fragen wir nun, kömmt 245 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Arbeitslohn. Grundrente. Capitalgewinn. der Mensch dazu, seine Arbeit zu entäussern, zu entfremden? Wie ist diese Entfremdung im Wesen der menschlichen Entwicklung begründet? Wir haben schon viel für die Lösung der Aufgabe gewonnen, indem wir die Frage nach dem Ursprung des Privateigenthums in die Frage nach dem Verhältniß der entäusserten Arbeit zum Entwicklungsgang der Menschheit verwandelt haben. Denn wenn man v[om] Privateigenthum spricht, so glaubt man es mit einer Sache ausser d[em] Menschen zu thun zu haben. Wenn man von der Arbeit spricht, so hat man es unmittelbar mit d[em] Menschen selbst zu thun. Diese neue Stellung der Frage ist inclusive schon ihre Lösung. ad. 1 Allgemeines Wesen des Privateigenthums und sein Verhältniß zum wahrhaft menschlichen Eigenthum. \ / in zwei Bestandteile, die sich wechselseitig bedingen, oder die nur verschiedne Ausdrücke eines und desselben Verhältnisses sind, hat sich uns die entäusserte Arbeit aufgelöst, die Aneignung erscheint als Entfremdung, als Entäusserung und die Entäusserung als Aneignung, die Entfremdung als die wahre Einbürgerung. Wir haben die eine Seite betrachtet, die entäusserte Arbeit in Bezug auf d[en] Arbeiter selbst, d.h. das Verhältniß der entäusserten Arbeit zu sich selbst. Als Produkt, als nothwendiges Resultat dieses Verhältnisses haben wir das Eigenthumsverhältniß des NichtArbeiters zum Arbeiter und der Arbeit gefunden. Das Privateigenthum, als der materielle, resumirte Aus druck der entäusserten Arbeit umfaßt beide Verhältnisse, das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit und zum Product seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter und das Verhältniß des Nichtarbeiters, zum Arbeiter, und dem Product seiner Arbeit. Wenn wir nun gesehn haben, daß in Bezug auf den Arbeiter, welcher sich durch die Arbeit die Natur aneignet, die Aneignung als Entfremdung er scheint, die Selbstthätigkeit als Thätigkeit für einen andern und als Thätigkeit eines andern, die Lebendigkeit als Aufopferung des Lebens, die Production des Gegenstandes als Verlust des Gegenstandes an eine fremde Macht, an einen fremden Menschen, so betrachten wir nun das Verhältniß dieses der Arbeit und dem Arbeiter fremden Menschen zum Arbeiter, zur Arbeit und ihrem Gegenstand. Zunächst ist zu bemerken, daß alles, was bei dem Arbeiter als Thätigkeit der Entäusserung, der Entfremdung, bei dem Nichtarbeiter als Zustand der Entäusserung, der Entfremdung erscheint. Zweitens, daß das wtküche, praktische Verhalten des Arbeiters in der Production und zum Product (als Gemüthszustand,) bei dem ihm gegen überstehenden Nichtarbeiter als theoretisches Verh[a]lten erscheint. | 246 Arbeitslohn. Gewinn des Capitals. Grundrente. |XXVIl| Drittens. Der Nichtarbeiter thut alles gegen d[en] Arbeiter, was der Arbeiter gegen sich selbst thut, aber er thut nicht gegen sich selbst, was er gegen d[en] Arbeiter thut. Betrachten wir näher diese drei Verhältnisse. | 247 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II [Heft II] [...] |XL| Zinsen seines Capitals bildet. An dem Arbeiter existirt es also s[ub] jektiv, daß das Capital der sich ganz abhanden gekommene Mensch ist, wie es am Capital objektiv existirt, daß die Arbeit der sich abhanden ge kommene Mensch ist. Der Arbeiter hat aber das Unglück ein lebendiges und daher bedürftiges Capital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, seine Zinsen und damit seine Existenz verliert. Als Capital steigt Werth des Arbeiters nach Nachfrage und Zufuhr und auch physisch wird und wird gewußt sein Dasein, sein Leben als eine Zufuhr von Waare, wie jeder andern Waare. Der Arbeiter producirt das Capital, das Capital producirt ihn, er also sich selbst, und der Mensch als Arbeiter, als Waare ist das Product der ganzen Bewegung. Dem Menschen der nichts mehr ist als Arbeiter und als Arbeiter sind seine menschlichen Eigenschaften nur da, insofern sie für das ihm fremde Capital da sind. Weil sich aber beide fremd sind, daher in einem gleichgültigen, äusserlichen und zufälligen Verhältnisse stehn, so muß diese Fremdheit auch als wtklich erscheinen. Sobald es also dem Capital einfällt — notwendiger oder willkührücher Einfall — nicht mehr für den Arbeiter zu sein, ist er selbst nicht mehr für sich, er hat keine Arbeit, darum keinen Lohn und da er nicht als Mensch, sondern als Arbeiter Dasein hat, so kann er sich begraben lassen, verhungern etc. Der Arbeiter ist nur als Arbeiter da, sobald er für sich als Capital da ist, und er ist nur als Capital da, sobald ein Capital für ihn da ist. Das Dasein des Capitals ist sein Dasein, sein Leben, wie es den Inhalt seines Lebens auf eine ihm gleichgültige Weise bestimmt. Die Nationalökonomie kennt daher nicht den unbeschäftigten Arbeiter, den Arbeitsmenschen, so weit er sich ausser diesem Arbeitsverhältniß befindet. Der Spitzbube, Gauner, Bettler, der unbeschäftigte, der verhungernde, der elende und verbrecherische Arbeitsmensch, sind Gestalten, die nicht für sie, sondern nur für andre Augen, für die des Arztes, des Richters, des Tod- tengräbers und Bettelvogts etc existiren, Gespenster ausserhalb ihres Reichs. 248 Heft II 5 Die Bedürfnisse des Arbeiters sind daher für sie nur das Bedürfniß ihn während der Arbeit zu unterhalten und || so weit, daß das Arbeitergeschlecht nicht ausstirbt] Der Arbeitslohn hat daher ganz denselben Sinn, wie die Unterhaltung, in Standerhaltung jedes andern produktiven Instruments, wie die Consumtion des Capitals überhaupt, deren es bedarf, um sich mit Zinsen zu reproduciren; wie das Oel, welches an die Räder verwandt wird, um sie in Bewegung zu halten. Der Arbeitslohn gehört daher zu den nöthigen Kosten des Capitals und d[es] Capitaüsten und darf das Bedürfniß dieser Noth nicht überschreiten. Es war daher ganz consequent, wenn englische Fabrikherrn 10 vor d[er] Amendment bül von 1834 die öffentüchen Almosen, die der Ar beiter vermittelst der Armentaxe empfing von seinem Arbeitslohn abzogen und als einen integrüenden Theü desselben betrachteten. Die Production producüt den Menschen nicht nur als eine Waare, die Menschen- waare, den Menschen in der Bestimmung der Waare, sie producüt um, dieser 15 Bestimmung entsprechend, als ein eben so geistig wie körperlich ent menschtes Wesen, — Immoraütät, Mißgeburt, Hebetismus der Arbeiter und d[er] Capitaüsten. Ihr Product ist die selbstbewußtexmd selbstthätige Waare, . .. die Menschen waare Grosser Fortschritt von Ricardo, Mül etc gegen Smith und Say das Dasein d[es] Menschen — die größre oder kleinre 20 Menschenproduktivität der Waare als gleichgültig und sogar schädlich zu erklären. Nicht, wie viel Arbeiter ein Capital unterhalte, sondern wie viel Zinsen es bringe, die Summe der jährüchen Ersparungen sei der wahre Zweck der Production. Es war ebenfaüs ein grosser und consequenter Fortschritt der neuren ||XLl| engüschen Nationalökonomie, daß sie, — 25 welche die Arbeit zum einzigen Princip der Nationalökonomie erhebt — zugleich mit völüger Klarheit das umgekehrte Verhältniß zwischen dem Arbeitslohn und den Zinsen des Capitals auseinandersezte und daß der Capitalist in der Regel nur durch die Herabdrückung des Arbeitslohns, wie umgekehrt, gewinnen könne. Nicht die Uebervortheüung d[er] Consumen- ten, sondern die wechselseitige Uebervortheüung von Capitaüst und Ar Das Verhältniß des Privat beiter sei das normale Verhältniß. eigenthums enthält in sich latent das Verhältniß des Privateigenthums als Arbeit, wie das Verhältniß desselben als Capital und die Beziehung dieser beiden Ausdrücke aufeinander. Die Production der menschlichen Thätigkeit als Arbeit, also als einer sich ganz fremden, d[em] Menschen und der Natur, daher dem Bewußtsein und der Lebensäusserung auch fremden Thätigkeit, die abstrakte Existenz d[es] Menschen als eines blosen Arbeitsmenschen, der daher tägüch aus seinem erfüüten Nichts in das absolute Nichts, sein geseUschaftiiches und darum sein wükliches Nichtdasein hinabstürzen kann 40 — wie andrerseits die Production des Gegenstandes der menschüchen Thätigkeit als Capital, worin alle natürliche und geseUschaf fliehe Bestimmt- 30 35 249 Heft II. Seite XLII (Original und obere linke Ecke d es Negativs) Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II heit des Gegenstands ausgelöscht ist, das Privateigenthum seine natürliche und gesellschaftliche Qualität (also alle politischen und geselligen Illusionen verloren hat und mit keinen scheinbar menschlichen Verhältnissen vermischt ist) verloren hat — worin auch dasselbe Capital in d[em] verschiedenartigsten natürlichen und gesellschaftlichen Dasein dasselbe bleibt, vollkommen gleichgültig gegen seinen wirklichen Inhalt ist — dieser Gegensatz auf die Spitze getrieben ist nothwendig die Spitze, die Höhe und der Untergang des ganzen Verhältnisses. Es ist daher wieder eine grosse That der neuern englischen Nationalökonomie, die Grundrente als den Unterschied der Zinsen des schlechtesten der Cultur angehörigen Landes und der des besten Culturlandes angegeben, die romantischen Einbildungen des Grundeigen- thümers — seine angeblich sociale Wichtigkeit und die Identität seines Inter esses mit dem Interesse der Gesellschaft, || die noch nach den Physiokraten Adam Smith behauptet—nachgewiesen] und die Bewegung der Wirklichkeit anticipirt und vorbereitet zu [haben,] die den Grundeigenthümer in einen ganz gewöhnlichen, prosaischen Capitaüsten verwandeln, dadurch den Gegensatz vereinfachen, zuspitzen und damit seine Auflösung beschleuni gen wird. Die Erde als Erde, die Grundrente als Grundrente haben damit ihren Standesunterschied verloren und sind zum nichtssagenden oder viel Der mehr nur Geldsaugenden Capital und Interesse geworden. Unterschied von Capital und Erde, von Gewinn und Grundrente, wie beider vom Arbeitslohn, von der Industrie und der Agricultur, von dem unbeweg lichen und beweglichen Privateigenthum ist ein noch historischer, nicht im Wesen der Sache begründeter Unterschied, ein fixirtes Bildungs und Ent stehungsmoment des Gegensatzes von Capital und Arbeit. In der Industrie etc im Gegensatz zum unbeweglichen Grundeigenthum ist nur die Entste hungsweise und der Gegensatz, in dem sich die Industrie zur Agrikultur ausgebildet hat, ausgedrückt. Als eine besondre Art der Arbeit, als ein wesentlicher, gewichtiger, das Leben umfassender Unterschied besteht dieser Unterschied nur, so lange die Industrie (das Stadtleben) gegenüber dem Landbesitz (dem adügen Leben \ FeudaUeben) sich bildet und noch den feudalen Charakter ihres Gegensatzes an sich selbst in der Form des Mono pols, Zunft, Gilde, Corporation etc trägt, innerhalb welcher Bestimmungen die Arbeit noch eine scheinbar gesellschaftliche Bedeutung, noch die Be deutung des wirklichen Gemeinwesens hat, noch nicht zur Gleichgültigkeit gegen ihren Inhalt und zum völligen Sein für sich selbst, d. h. zur Abstraktion von aüem andern Sein, und darum auch noch nicht zum freigelaßnen Capital fortgegangen ist. ||XLIl| Aber die nothwendige Entwicklung der Arbeit ist die freigelaßne als solche für sich constituirte Industrie und das freigelaßne Capital. Die Macht der Industrie über ihren Gegensatz zeigt sich sogleich in der Entstehung der Agricultur als einer wirküchen Industrie, während sie 250 Heft II 5 früher die Hauptarbeit dem Boden überließ und dem Sklaven dieses Bodens, durch welchen dieser sich selbst baute. Mit der Verwandlung des Sklaven in einen freien Arbeiter, d. h. in einen Söldling, ist der Grundherr an sich in einen Industrieherrn, einen Capitalisten verwandelt, eine Verwandlung, die zunächst durch das Mittelglied des Pächters geschieht. Aber der Pächter ist der Repräsentant, das offenbarte Geheimniß des Grundeigentümers; nur durch ihn ist sein nationalökonomisches Dasein, sein Dasein als Privat- eigenthümer — denn die Grundrente seiner Erde ist nur durch die Concurrenz der Pächter — also ist der Grundherr wesentlich schon im Pächter ein ge lo meiner Capitalist geworden. Und dieß muß sich auch in der Wirklichkeit vollziehn, der Agricultur treibende Capitalist—der Pächter—muß Grundherr werden oder umgekehrt. Der Industrieschacher des Pächters ist der des Grundeigenthümers, denn das Sein d[es] ersten sezt das Sein d[es] zwei ten. 15 Als ihrer gegensätzlichen Entstehung sich erinnernd, ihrer Herkunft—der Grundeigenthümer weiß den Capitalisten als seinen übermüthigen, frei- gelaßnen, bereicherten Sklaven von gestern und sieht sich selbst als Capi talist durch jenen bedroht — der Capitalist weiß den Grundeigenthümer als den nichtsthuenden und grausamen \ egoistischen Herrn von gestern, er 20 weiß, daß er ihn als Capitalist beeinträchtigt, doch der Industrie seine ganze jetzige gesellschaftliche Bedeutung, seine Habe und seinen Genuß verdankt, er sieht in ihm einen Gegensatz der freien Industrie und des freien, von jeder Naturbestimmung unabhängigen Capitals — dieser Gegensatz ist höchst bitter und sagt sich wechselseitig die Wahrheit. Man braucht nur die Angriffe 25 des unbeweglichen Eigenthums auf das bewegliche und umgekehrt zu lesen, um sich von ihrer wechselseitigen Nichtswürdigkeit ein anschauliches Bild zu verschaffen. Der Grundeigenthümer macht den Geburtsadel seines Eigenthums, die feudalen souvenirs, \Reminiscenzen, /| die Poesie der Er innerung, sein Schwärmerisches Wesen, seine politische Wichtigkeit etc 30 geltend und wenn sie nationalökonomisch sprechen, der Landbau sei allein produktiv. Er schildert zugleich seinen Gegner als einen schlauen, feil bietenden, mäkelnden, betrügerischen, habsüchtigen, verkäuflichen, empö rungssüchtigen, Herz und Geistlosen, dem Gemeinwesen entfremdeten und es verschachernden, wuchernden, kuppelnden, sklavischen, schönthuenden, 35 geschmeidigen, prellenden, trocknen, die Concurrenz und daher den Pauperismus und d[as] Verbrechen, die Auflösung aller socialen Bande erzeugenden, nährenden, hätschelnden Geldschurken ohne Ehre, ohne Grundsätze, ohne Poesie, ohne Substanz, ohne alles. (Siehe unter andern den Physiokraten Bergasse, den schon Camille Desmoulins in seinem Journal: „Revolutions de France et de Brabant" geisselt, siehe von Vincke, Lan- cizolle, Haller, Leo, Kosegarten, //den gespreizten, althegelschen Theologen 40 253 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft Ii Funke, der mit Thränen in den Augen, nach Herrn Leo erzählt, wie ein Sklave, bei der Aufhebung der Leibeigenschaft, sich geweigert habe auf zuhören, ein adliges Eigenthum zu sein. | / Siehe auch Justus Mosers patrio tische Phantasien, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nicht einen Augen blick den biedern, kleinbürgerUchen, |/ [„haus]backenen" gewöhnlichen, [bo]rnirten Horizont des Philisters verlassen und dennoch reine Phantastereien sind. Dieser Widerspruch hat sie so ansprechend für das deutsche Gemüth gemacht. // Und sieh Sismondi.) s 15 Das bewegliche Eigenthum seiner Seits zeigt auf d[ie] Wunder der Indu strie und der Bewegung, es ist das Kind der modernen Zeit und ihr be- 10 rechtigter eingeborner Sohn; es bedauert seinen Gegner als einen über sein Wesen unaufgeklärten (und das ist vollkommen richtig) Schwachkopf, der an die Stelle des moralischen Capitals und der freien Arbeit die rohe un moralische Gewalt und die Leibeigenschaft setzen wolle; es schildert ihn als einen Don Quixotte, der unter dem Schein der Gradheit, Biederheit, des allgemeinen Interesses, des Bestandes, die Bewegungsunfähigkeit, die Habsüchtige Genußsucht, die Selbstsucht, das Sonderinteresse, die schlechte Absicht verstecke; es erklärt ihn für einen durchtriebnen Mono polisten ; seine Reminiscenzen, seine Poesie, seine Schwärmerei dämpft es durch eine historische und sarkastische Aufzählung der Niederträchtigkeit, 20 Grausamkeit, Wegwerfung, Prostitution, Infamie, Anarchie, Empörung, deren Werkstätte die romantischen Schlösser waren. /|XLHl| Es habe der Welt die politische Freiheit verschafft, die Fesseln der bürgerlichen Ge sellschaft gelöst, die Welten miteinander verbunden, den Menschenfreund lichen Handel, die reine Moral, die gefällige Bildung geschaffen; es habe dem 25 Volk statt seiner rohen civilisirte Bedürfnisse und die Mittel ihrer Befrie digung gegeben, während der Grundeigenthümer — dieser unthätige und nur genante Kornwucherer — dem Volk die ersten Lebensmittel vertheure, dadurch d[en] Capitaüsten zwinge den Arbeitslohn zu erhöhen, ohne die Productionskraft erhöhen zu können, so das jährliche Einkommen der 30 Nation, die Accumulation der Capitaüen, also die Möglichkeit d[em] Volk Arbeit und d[em] Land Reichthum zu verschaffen, verhindre, endüch ganz aufhebe, einen allgemeinen Untergang herbeiführe und alle Vortheile der modernen Civiüsation wucherisch ausbeute, ohne das Geringste für sie zu thun und gar ohne von seinen Feudalvorurtheilen abzulassen. Endüch soüe 35 er nur auf seinen Pächter sehn—er, für den der Landbau und der Boden selbst nur als eine ihm geschenkte Geldquelle existirt — und er soüe sagen, ob er nicht ein biedrer, phantastischer, schlauer Schurke sei, der dem Herzen und der Wirklichkeit nach der freien Industrie und dem lieblichen Handel schon längst angehöre, so sehr er sich auch dagegen sträube und so viel er von 40 historischen Erinnerungen und sittlichen oder poütischen Zwecken plaudre. 254 Heft lì Alles, was er wirklich zu seinen Gunsten vorbringe, sei nur wahr für d[ie] Landbauer (d[ie] Capitalisten und die Arbeitsknechte), deren Feind vielmehr der Grundeigenthümer sei; er beweise also gegen sich selbst. Oone Capital sei das Grundeigenthum todte, werthlose Materie. Sein civilisirter Sieg sei es eben, an die Stelle des todten Dings die menschliche Arbeit als Quelle des Reichthums entdeckt und geschaffen zu haben. (Siehe Paul Louis Courier, St. Simon, Ganilh, Ricardo, Mill, Mac-Culloch, Destutt de Tracy und Michel Chevalier.) Aus dem wtklichen Lauf der Entwicklung (hier einzufügen) folgt der nothwendige Sieg d[es] Capitalisten, d.h. des ausgebildeten Privateigen thums, über d[as] unausgebildete, halbe, d[en] Grundeigenthümer, wie über haupt schon die Bewegung über die Unbeweglichkeit, die offene selbst bewußte Gemeinheit über die versteckte und bewußtlose, die Habsuchtüber die Genußsucht, der eingestandne, weltkluge, rastlose, vielgewandte Eigen nutz der Aufklärung über den lokalen, biedern, trägen und phantastischen Eigennutz des Aberglaubens wie das Geld über die andre Form des Privat eigenthums siegen muß. j I Die Staaten, welche etwas von der Gefahr der vollendeten freien Indu strie, der vollendeten reinen Moral und dem vollendeten menschenfreund lichen Handel ahnen, suchen die Capitalisirung des Grundeigenthums—aber ganz vergeblich — aufzuhalten. Das Grundeigenthum, in seinem Unterschied von dem Capital, ist das Privateigenthum, das Capital noch von lokalen und politischen Vorurtheilen behaftet, das noch nicht ganz aus seiner Verstrickung mit der Welt zu sich selbst gekommene, das noch unvollendete Capital. Es muß im Laufe seiner Weltbildung zu seinem abstrakten, d.h. reinen Ausdruck ge langen. Das Verhältniß des Privateigenthums ist Arbeit, Capital und die Beziehung beider. Die Bewegung, die diese Glieder zu durchlaufen haben, sind: Erstens: unmittelbare oder vermittelte Einheit beider. Capital und Arbeit erst noch vereint; dann zwar getrennt und entfrem det, aber sich wechselseitig als positive Bedingungen hebend und för dernd. Gegensatz beider. Schliessen sich wechselseitig aus und der Arbeiter weiß d[en] Capitalisten und umgekehrt als sein Nichtdasein; jeder sucht dem andern sein Dasein zu entreissen. Gegensatz jedes gegen sich selbst. Capital = aufgehäufter Arbeit = Arbeit. Als solche zerfallend in sich und seine Zinsen, wie diese wieder in Zinsen und Gewinn. Restlose Aufopferung des Capitalisten. Er fällt in die Arbeiter klasse, wie der Arbeiter — aber nur ausnahmsweise — Capitalist wird. Arbeit 255 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II als Moment des Capitals, seine Kosten. Also der Arbeitslohn ein Opfer des Capitals. Arbeit zerfallen in sich und den Arbeitslohn. Arbeiter selbst ein Capital und Waare. Feindlicher wechselseitiger Gegensatz. \ 256 r ι [Heft III] [i] 10 |l| ad. pag. XXXVI. Das subjektive Wesen des Privateigenthums, das Privat­ eigenthum als für sich seiende Thätigkeit, als Subjekt, als Person, ist die 5 Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die Arbeit als ihr Princip erkannte, — Adam Smith — also nicht mehr das Privat eigenthum nur mehr als einen Zustand ausser dem Menschen wußte, — daß diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie und Bewegung des Privateigenthums (sie ist die für sich im Bewußtsein gewordne selbstständige Bewegung des Privateigenthums, die moderne Industrie als Selbst) zu betrachten ist, als ein Produkt der modernen Industrie, wie sie andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, verherrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetisch diener, als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalöko- 15 nomie, die das subjektive Wesen des Reichthums — innerhalb des Privat eigenthums — entdeckt hat, die Anhänger des Geld und Merkantilsystems, welche das Privateigenthum als ein nur gegenständliches Wesen für d[en] Menschen wissen. Engels hat daher mit Recht Adam Smith den na tionalökonomischen Luther genannt. Wie Luther als das Wesen der äus- serlichen Welt d[er] Religion den Glauben erkannte und daher dem katho lischen Heidenthum gegenüber trat, wie er die äussere Religiosität aufhob, indem er die Religiosität zum innern Wesen d[es] Menschen machte, wie er den ausser dem Laien vorhandnen Pfaffen negjrte, weil er den Pfaffen in das Herz des Laien versetzte, so wird der ausser dem Menschen befindliche 25 und von ihm unabhängige—also nur auf eine äusserliche Weise zu erhaltende und zu behauptende — Reichthum aufgehoben, d. h. diese seine äusserliche gedankenlose Gegenständlichkeit wird aufgehoben, indem sich das Privat- 20 257 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III eigenthum incorporirt im Menschen selbst und der Mensch selbst als sein Wesen erkannt — aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung des Privateigenthums wie bei Luther der Religion gesezt wird. Unter dem Schein einer Anerkennung d[es] Menschen, ist also die Nationalökonomie, deren Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die conséquente Durchführung der Ver- läugnung des Menschen, indem er selbst nicht mehr in einer äusserlichen Spannung zu dem äusserlichen Wesen des Privateigenthums steht, sondern er selbst dieß gespannte Wesen des Privateigenthums geworden ist. Was früher sich Aüsserlichsein, reale Entäusserung d[es] Menschen, ist nur zur That der Entäusserung, zur Veräusserung geworden. Wenn also jene Na tionalökonomie unter dem Schein der Anerkennung des Menschen, seiner Selbstständigkeit, Selbstthätigkeit, etc beginnt und wie sie in das Wesen d[es] Menschen selbst das Privateigenthum versezt, nicht mehr durch die lokalen, nationalen etc Bestimmungen des Privateigenthums als eines ausser ihr existirenden \\ Wesens bedingt sein kann, also eine kosmopolitische, all gemeine, jede Schranke, jedes Band umwerfende Energie entwickelt, um sich als die einzige Politik, Allgemeinheit, Schranke und Band an die Stelle zu setzen — so muß sie bei weitrer Entwicklung diese Scheinheiligkeit ab werfen, in ihrem ganzen Cynismus hervortreten und sie thut dieß, indem sie — unbekümmert um alle scheinbaren Widersprüche, worin diese Lehre sie verwickelt — viel einseitiger, darum schärfer und consequenter die Arbeit als das einzige Wesen des Reichthums entwickelt, die Consequenzen dieser Lehre im Gegensatz zu jener ursprünglichen Auffassung vielmehr als Menschenfeindliche nachweist und endlich dem lezten, individuellen, natür lichen, unabhängig von der Bewegung der Arbeit existirenden Dasein des Privateigenthums und Quelle des Reichthums — der Grundrente, diesen schon ganz nationalökonomisch gewordnen und daher gegen die National ökonomie widerstandsunfähigen Ausdruck des Feudaleigenthums — den Todesstoß giebt. (Schule des Ricardo.) Nicht nur wächst der Cynismus der Nationalökonomie relativ von Smith über Say bis zu Ricardo, Mül etc; insofern die Consequenzen der Industrie den leztern entwickelter und wider- spruchsvoüer vor die Augen treten; sondern auch positiv gehn sie immer und mit Bewußtsein weiter in der Entfremdung gegen d[en] Menschen als ihr Vorgänger, aber nur, weü ihre Wissenschaft sich consequenter und wahrer entwickelt. Indem sie das Privateigenthum in seiner thätigen Gestalt zum Subjekt machen, also zugleich d[en] Menschen zum Wesen und zugleich den Menschen als ein Unwesen zum Wesen machen, so entspricht der Wider spruch der Wüklichkeit voüständig dem widerspruchsvoüen Wesen, das sie als Princip erkannt haben. Die zerrißne ||ll| Wirklichkeit der Industrie be stätigt ihr in sich zerrißnes Princip, weit entfernt, es zu widerlegen. Ihr Princip ist ja das Princip dieser Zerrissenheit. 258 ι 5 Die physiokratische Lehre von Dr. Quesnay bildet den Uebergang aus dem Mercantilsystem zu Adam Smith. Die Physiokratie ist unmittelbar die na­ tionalökonomische Auflösung des Feudaleigenthums, aber darum eben so unmittelbar die nationalökonomische Umwandlung, Wiederherstellung des- selben, nur daß seine Sprache nun nicht mehr feudal, sondern ökonomisch wird. Aller Reichthum wird aufgelöst in die Erde und den Landbau; (Agrikultur) die Erde ist noch nicht Capital, sie ist noch eine besondre Daseinsweise desselben, die in ihrer und um ihrer natürlichen Besonderheit willen gelten soll; aber die Erde ist doch ein allgemeines natürliches Element, 10 während das Merkantilsystem nur das edle Metall als Existenz des Reich thums kennt. Der Gegenstand des Reichthums, seine Materie, hat also so gleich die höchste Allgemeinheit innerhalb der Naturgrenze, — insofern er noch als Natur unmittelbar gegenständlicher Reichthum ist — erhalten. Und die Erde ist nur durch die Arbeit, die Agrikultur für den Menschen. Also wird 15 schon das subjektive Wesen des Reichthums in die Arbeit ver sezt. Aber zugleich ist die Agricultur die einzig produktive Arbeit. Also ist die Arbeit noch nicht in ihrer Allgemeinheit und Abstraktion gefaßt, sie ist noch an ein besondres Naturelement als ihre Materie gebunden, sie ist daher auch nur noch in einer besonderen Naturbestimmten Daseinsweise erkannt. Sie ist daher erst eine bestimmte, besondre Entäusserung d[es] Menschen, wie ihr Product auch als ein bestimmter, — mehr noch der Natur als ihr selbst anheimfallender Reichthum — gefaßt ist. Die Erde wird hier noch als von Menschen unabhängiges Naturdasein anerkannt, noch nicht als Capital, d. h. als ein Moment der Arbeit selbst. Vielmehr erscheint die Arbeit als ihr 25 Moment. Indem aber der Fetischismus des alten äusserlichen nur als Gegen stand existirenden Reichthums auf ein sehr einfaches Naturelement reducirt und sein Wesen schon, wenn auch erst theilweise auf eine besondre Weise, in seiner subjektiven Existenz anerkannt ist, ist der n o t w e n d i ge Fortschritt, daß das allgemeine Wesen des Reichthums erkannt und daher die Arbeit in 30 ihrer vollständigen Absolutheit, d. h. Abstraktion, zum Princip erhoben wird. Es wird der Physiokratie bewiesen, daß die Agrikultur in ökonomischer Hinsicht, also d[er] einzig berechtigten von keiner andern Industrie ver schieden sei, also nicht eine bestimmte Arbeit, eine an ein besondres Ele ment II gebundne, eine besondre Arbeitsäusserung, sondern die Arbeit über- 20 35 haupt das Wesen des Reichthums sei. Die Physiokratie läugnet den besondren äusserlichen nur gegenständlichen Reichthum, indem sie die Arbeit für sein Wesen erklärt. Aber zunächst ist die Arbeit für sie nur das subjektive Wesen des Grundeigenthums (sie geht von der Art des Eigenthums aus, welche historisch als die herrschende und anerkannte erscheint); sie läßt nur das Grundeigenthum zum entäusserten Menschen werden. Sie hebt seinen Feudalcharakter auf, indem sie die In- 40 259 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III dustrie (Agrikultur) für sein Wesen erklärt; aber sie verhält sich läugnend zur Welt der Industrie, sie erkennt das Feudalwesen an, indem sie die Agricultur für die einzige Industrie erklärt. Es versteht sich, daß sobald nun das subjektive Wesen der im Gegensatz zum Grundeigenthum; d. h. als Industrie sich constituüenden Industrie —, gefaßt wüd, dieses Wesen jenen seinen Gegensatz in sich einschließt. Denn wie die Industrie das aufgehobne Grundeigenthum, so umfaßt ihr subjektives Wesen zugleich sein subjektives Wesen. 5 Wie das Grundeigenthum die erste Form des Privateigenthums ist, wie die Industrie ihr blos als eine besondre Art des Eigenthums zunächst historisch 10 entgegentritt — oder vielmehr der freigelaßne Sklave des Grundeigenthums ist — so wiederholt sich bei der wissenschaftüchen Erfassung des subjektiven Wesens des Privateigenthums, der Arbeit dieser Proceß und die Arbeit erscheint zunächst nur als Landbauarbeit, macht sich dann aber als Arbeit überhaupt geltend. /|lll| Auer Reichthum ist zum industriellen Reichthum, 15 zum Reichthum der Arbeit geworden und die Industrie ist die vollendete Arbeit, wie das Fabrikwesen das ausgebüdete Wesen der Industrie, d. h. der Arbeit ist und das industrielle Capital die voüendete objektive Gestalt des Privateigenthums ist. Wü sehn wie auch nun erst das Privat eigenthum seine Herrschaft über den Menschen voüenden und in all- 20 gemeinster Form zur weltgeschichtlichen Macht werden kann. — [Ii] X ad. p. XXXIX. Aber der Gegensatz von Eigenthumslosigkeit und Eigen thum ist ein noch indifferenter, nicht in seiner thätigen Beziehung, seinem innern Verhältniß, noch nicht als Widerspruch gefaßter Gegensatz, solange er nicht als der Gegensatz der Arbeit und des Capitals begriffen wird. Auch ohne die fortgeschrittne Bewegung des Privateigenthums, im alten Rom, in der Türkei etc kann dieser Gegensatz in der ersten Gestalt sich aussprechen. So erscheint er noch nicht als durch das Privateigenthum selbst gesezt. Aber die Arbeit, das subjektive Wesen des Privateigenthums, als Ausschüessung 30 des Eigenthums und das Capital, die objektive Arbeit als Ausschliessung der Arbeit ist das Privateigenthum als sein entwickeltes Verhältniß des Wider spruchs, darum ein energisches, zur Auflösung treibendes Verhältniß. 25 260 Ili [III] 15 10 x x ad ibidem Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg, wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigenthum nur in seiner objektiven Seite, — aber doch die Arbeit als sein Wesen — betrachtet. Seine 5 Daseinsform ist daher das Capital, das „als solches" aufzuheben ist. (Proudhon.) Oder die besondre Weise der Arbeit — als nivellirte, parcellirte und darum unfreie Arbeit wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privat eigenthums und seines Menschenentfremdeten Daseins gefaßt—Fourier, der d[en] Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens als die ausgezeichnete faßt, während St. Simon im Gegensatz die Industrie arbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der Communismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privat eigenthums, zunächst das allgemeine Privateigenthum. Indem er dieß Ver- hältniß in seiner Allgemeinheit faßt, ist er 1) in seiner ersten Gestalt nur eine Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigenthums so groß ihm gegenüber, daß er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als Privateigenthum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame 20 Weise v[on] Talent, etc abstrahiren, der physische, unmittelbare Besitz gilt ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Ar beiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; || das Verhältniß des Privateigenthums bleibt das Verhältniß der Gemeinschaft zur Sachenwelt; endlich spricht sich diese Bewegung, dem Privateigenthum das allgemeine Privateigenthum entgegenzustellen, in der thierischen Form aus, daß der Ehe (welche allerdings eine Form des exclusiven Privateigenthums ist) die Weibergemeinschaft, wo also das Weib zu einem gemeinschaftlichen und gemeinen Eigenthum wird, entgegengestellt wird. Man darf sagen, daß dieser Gedanke der Weibergemeinschaft das ausgesprochne Geheimniß 30 dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Communismus ist. Wie das Weib aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des Reichthums, d. h. des gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, aus dem Verhältniß der exclusiven Ehe mit dem Privateigenthümer in das Verhältniß der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft. Dieser Communismus 35 — indem er die Persönlichkeit d[es] Menschen überall negirt — ist eben nur der conséquente Ausdruck des Privateigenthums, welches diese Negation ist. Der allgemeine und als Macht sich constituirende Neid ist die versteckte Form, in welcher die Habsucht sich herstellt und nur auf eine andre Weise sich befriedigt. Der Gedanke jedes Privateigenthums als eines solchen ist 25 261 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III wenigstens gegen das reichere Privateigenthum als Neid und Nivellirungs- sucht gekehrt, so daß diese sogar das Wesen der Concurrenz ausmachen. Der rohe Communist ist nur die Vollendung dieses Neides und dieser Ni- vellirung von dem vorgestellten Minimum aus. Er hat ein bestimmtes be grenztes Maaß. Wie wenig diese Aufhebung des Privateigenthums eine wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Civilisation; die Rückkehr zur unnatür lichen ||lV| Einfachheit des armen und bedürfnißlosen Menschen, der nicht über das Privateigenthum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist. Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und der Gleichheit des Salairs, den das gemeinschaftliche Capital, die Gemeinschaft als der allgemeine Capitalist auszahlt. Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit, als die Bestimmung, in welcher jeder gesezt ist, das Capital, als die anerkannte Allgemeinheit und Macht der Gemeinschaft. In dem Verhältniß zum Weib, als dem Raub und d[er] Magd der ge meinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst existirt, denn das Geheimniß dieses Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, ent- hüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattungsverhältniß gefaßt wird. Das unmittelbare, natürliche, nothwendige Verhältniß d[es] Menschen zum Menschen ist das Verhältniß des Mannes zum Weibe, //in diesem natürlichen Gattungsverhältniß ist das Verhältniß des Menschen zur Natur unmittelbar sein Verhältniß zum Menschen wie das Verhältniß zum Menschen unmit telbar sein Verhältniß zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältniß erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Factum reducirt inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen d[es] Menschen geworden ist. Aus diesem Verhältniß kann man also die ganze Bildungsstufe d[es] Menschen beurtheilen. | / Aus dem Charakter dieses Verhältnisses—folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältniß des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältniß d[es] Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also inwieweit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum Natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältniß zeigt sich auch, inwieweit das Bedürfniß des Menschen zum menschlichen Bedürfniß, inwieweit ihm also der andre Mensch als Mensch zum Bedürfniß geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist. 5 10 15 20 25 30 35 40 262 r III Die erste positive Auf hebung des Privateigenthums, der rohe Communis­ mus ist also nur eine Erscheinungsform von der Niedertracht des Privat­ eigenthums, das sich als das positive Gemeinwesen setzen will. 2) Der Communismus α) noch politischer Natur, demokratisch oder des- 5 potisch; ß) mit Aufhebung des Staats, aber zugleich noch unvollendetes, immer noch mit dem Privateigenthum, d. h. der Entfremdung d[es] Menschen afficirtem Wesen. In beiden Formen weiß sich der Communismus schon als Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich, als Aufhebung der menschlichen Selbstentfremdung, aber indem er das positive Wesen des 10 Privateigenthums noch nicht || erfaßt hat und ebensowenig die menschliche Natur des Bedürfnisses verstanden hat, ist er auch noch von demselben befangen und inf icirt. Er hat zwar seinen Begriff erfaßt, aber noch nicht sein Wesen. 15 3) Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für d[en] Menschen; darum als vollstän dige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichthums der bisherigen Entwick lung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Communismus ist als vollendeter 20 Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur und mit d[em] Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwi schen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Räthsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung. / 25 | v| Die ganze Bewegung der Geschichte ist daher, wie sein wirklicher Zeugungsakt — der Geburtsakt seines empirischen Daseins—so auchfür sein denkendes Bewußtsein die begriffne und gewußte Bewegung seines Wer dens, während jener noch unvollendete Communismus aus einzelnen dem 30 Privateigenthum entgegenstehenden Geschichtsgestalten einen historischen Beweis, einen Beweis in dem Bestehenden für sich sucht, indem er einzelne Momente aus der Bewegung (Cabet, Villegardelle, etc reiten besonders auf diesem Roß) herausreißt und als Beweise seiner historischen Vollblütigkeit fixirt, womit er eben darthut, daß die unverhältnißmässig grössere Parthie 35 dieser Bewegung seinen Behauptungen widerspricht und daß, wenn er einmal gewesen ist, eben sein vergangnes Sein die Prätention des Wesens wider legt. Daß in der Bewegung des Privateigenthums, eben d[er] Oekonomie, die ganze revolutionaire Bewegung sowohl ihre empirische, als theoretische 40 Basis findet, davon ist die Nothwendigkeit leicht einzusehn. Das materielle, unmittelbar sinnliche Privateigenthum, ist der materielle 263 Heft III. Seite V Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III sinnliche Ausdruck des entfremdeten menschlichen Lebens. Seine Be wegung — die Production und Consumtion — ist die sinnliche Offenbarung von der Bewegung aller bisherigen Production, d. h. Verwirküchung oder Wirklichkeit d[es] Menschen. Religion, Familie, Staat, Recht, Moral, Wis senschaft, Kunst etc sind nur besondre Weisen der Production und fallen unter ihr allgemeines Gesetz. Die positive Aufhebung des Privateigenthums als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Auf hebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, Familie, Staat etc in sein menschliches d. h. gesellschaftliches Dasein. Die religiöse Entfremdung als solche geht nur in dem Gebiet des Bewußtseins, des menschlichen Innern vor, aber die ökonomische Entfremdung ist die des wirklichen Lebens, — ihre Aufhebung umfaßt daher beide Seiten. Es versteht sich, daß die Bewegung bei den verschiednen Völkern ihren ersten Beginn danach nimmt, ob das wahre anerkannte Leben des Volkes mehr im Be wußtsein oder in der äussern Welt vorsichgeht, mehr das ideelle oder reelle Leben ist. Der Communismus beginnt sogleich (Owen) mit dem Atheismus, der Atheismus ist zunächst noch weit entfernt Communismus zu sein, wie jener Atheismus mehr noch eine Abstraktion ist. Die Philanthropie des Atheismus ist daher zuerst nur eine || philosophische abstrakte Philan thropie, die des Communismus sogleich reell und unmittelbar zur Wirkung gespannt. Wir haben gesehn, wie unter Voraussetzung des positiv aufgehobnen Privateigenthums, der Mensch d[en] Menschen producirt, sich selbst und den andern Menschen; wie der Gegenstand, welcher die unmittelbare Bethäti- gung seiner Individualität zugleich sein eignes Dasein für den andern Menschen dessen Dasein und dessen Dasein für ihn ist. Ebenso sind aber sowohl das Material der Arbeit, als der Mensch als Subjekt, wie Resultat so Ausgangspunkt der Bewegung (und daß sie dieser Ausgangspunkt sein müssen, eben darin hegt die geschichtliche Nothwendigkeit des Privat eigenthums). Also ist der gesellschaftliche Charakter der allgemeine Cha rakter der ganzen Bewegung; wie die Gesellschaft selbst den Menschen als Menschen producirt, so ist sie durch ihn producirt. Die Thätigkeit und der Genuß, wie ihrem Inhalt, sind auch der Existenzweise nach gesellschaftliche Thätigkeit und gesellschaftlicher Genuß. Das menschliche Wesen der Natur ist erst da für den gesellschaftlichen Menschen; denn erst hier ist sie für ihn da als Band mit dem Menschen, als Dasein seiner für d[en] andern und des andern für ihn, erst hier ist sie da als Grundlage seines eignen menscMchen Daseins, wie als Lebenselement der menschlichen Wirklichkeit. Erst hier ist ihm sein natürliches Dasein sein menschliches Dasein und die Natur für ihn zum Menschen geworden. Also die Gesellschaft ist die vollendete We senseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, 264 Ill der durchgeführte Naturalismus d[es] Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur. / |Vl| Die gesellschafüiche Thätigkeit und der geseUschaftiiche Genuß existiren keineswegs allein in der Form einer unmittelbar gemeinschaftlichen Thätigkeit und unmittelbar gemeinschaftlichen Genusses, obgleich die ge meinschaftliche Thätigkeit und der gemeinschaftliche Genuß, d.h. die Thätigkeit und der Genuß, die unmittelbar in wirklicher Gesellschaft mit andern Menschen sich äussert und bestätigt, überall da stattfinden werden, wo jener unmittelbare Ausdruck der Gesellschaftlichkeit im Wesen ihres Inhalts begründet und seiner Natur angemessen ist. Allein auch wenn ich wissenschaftlich etc thätig bin, eine Thätigkeit, die ich selten in unmittelbarer Gemeinschaft mit andern ausführen kann, so bin ich gesellschaftlich, weü als Mensch thätig. Nicht nur das Material meiner Thätigkeit ist nur — wie selbst die Sprache, in der der Denker thätig ist — als geseüschaftuches Product gegeben, mein eignes Dasein isr geseUschaftiiche Thätigkeit; darum das was ich aus mü mache, ich aus mü für die GeseUschaft mache und mit dem Bewußtsein meiner als eines geseUschaftlichen We sens. Mein allgemeines Bewußtsem ist nur die theoretische Gestalt dessen, wovon das reelle Gemeinwesen, geseUschaftüche Wesen, die lebendige Gestalt ist, während heut zu Tag das allgemeine Bewußtsein eine Abstraktion vom wüküchen Leben ist und als solche ihm f eindüch gegenübertritt. Daher ist auch die Thätigkeit meines aUgemeinen Bewußtsems — als eine solche — mein theoretisches Dasein als geseUschaftüches Wesen. Es ist vor aUem zu vermeiden die „GeseUschaft" wieder als Abstraktion dem Individuum gegenüber zu fixüen. Das Individuum ist das gesellschaft liche Wesen. Seine Lebensäusserung — erscheine sie auch nicht in der unmittelbaren Form einer gemeinschaftlichen, mit andern zugleich voU- brachten Lebensäusserung — ist daher eine Äusserung und Bestätigung des gesellschaftlichen Lebens. Das individueUe und das Gattungsleben des Menschen sind nicht verschieden, so sehr auch — und dieß nothwendig — die Daseinsweise des mdividueUen Lebens eine mehr besondre oder mehr all gemeine Weise des Gattungslebens ist, oder je mehr das Gattungsleben ein mehr besondres oder allgemeines individueUes Leben ist. Als Gattungsbewußtsein bestätigt der Mensch sein reeUes Gesellschafts leben und wiederholt nur sein wüküches Dasein im Denken, wie umgekehrt Die Prostitution nur ein besondrer Ausdruck der allgemeinen Prostitution des Arbeiters und da die Prostitution ein Verhältniß ist, worm nicht nur d[ie] Prostituirte, sondern auch der Prostituüende fäUt — dessen Niedertracht noch grösser ist — so fäüt auch der Capitalist, etc in diese Categorie. | 267 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III das Gattungssein sich im Gattungsbewußtsein bestätigt und in seiner All gemeinheit, als denkendes Wesen für sich ist. | I Der Mensch — so sehr er daher ein besondres Individuum ist und grade seine Besonderheit macht ihn zu einem Individuum und zum wirklichen individuellen Gemeinwesen — ebenso sehr ist er die Totalität, die ideale Totalität, das subjektive Dasein d[er] Gedachten und empfundnen Gesell schaft für sich, wie er auch in der Wirklichkeit, sowohl als Anschauung und wirklicher Genuß des gesellschaftlichen Daseins, wie als eine Totalität menschlicher Lebensäusserung da ist. 5 Denken und Sein sind also zwar unterschieden, aber zugleich in Einheit 10 miteinander. Der Tod erscheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte In dividuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich. 15 4) Wie das Privateigentum nur der sinnliche Ausdruck davon ist, daß der Mensch zugleich gegenständlich für sich wird und zugleich vielmehr sich als ein fremder und unmenschlicher Gegenstand wird, daß seine Lebensäus serung seine Lebensentäusserung ist, seine Verwirklichung seine Ent wirklichung, eine fremde Wirklichkeit ist, so ist die positive Aufhebung des Privateigenthums, d. h. die sinnliche Aneignung des menschlichen Wesens 20 und Lebens, des gegenständlichen Menschen, der menschlichen Werke für und durch den Menschen, nicht nur im Sinne des unmittelbaren, einseitigen Genusses zu fassen, nicht nur im Sinne des Besitzens, im Sinne des Habens. Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, empfin den, wollen, thätig sein, lieben, kurz alle Organe seiner Individualität, wie die Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe sind, ||VIl| sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben, die Aneignung der menschlichen Wirklichkeit; ist die Betätigung der menschlichen Wirklichkeit (sie ist daher eben so vielfach, wie die mensch lichen Wesensbestimmungen und Thätigkeiten vielfach sind), menschliche Wtksamkeit und menschliches Leiden, denn das Leiden, menschlich gefaßt, ist ein Selbstgenuß des Menschen. ihr Verhalten zum Gegenstand 25 35 30 Das Privateigenthum hat uns so dumm und einseitig gemacht, daß ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Capital für uns existirt, oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem Leib getragen, von uns bewohnt etc kurz gebraucht wird. Obgleich das Privateigenthum alle diese unmittelbaren Verwirldichungen des Besit- 40 zes selbst wieder nur als Lebensmittel faßt und das Leben, zu dessen Mit- 268 w m, III tel sie dienen, ist das Leben des Privateigenthums, Arbeit und Capitali- sirung. 5 An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten. Auf diese absolute Armuth mußte das menschliche Wesen reducirt werden, damit es seinen innern Reichthum aus sich herausgebäre. (Ueber die Categorie des Habens siehe Heß in den 21 Bogen.) Die Aufhebung des Privateigenthums ist daher die vollständige Eman cipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; aber sie ist diese 1 o Emancipation grade dadurch daß diese Sinne und Eigenschaften menschlich, sowohl subjektiv als objektiv geworden sind. Das Auge ist zum menschlichen Auge geworden, wie sein Gegenstand zu einem gesellschaftlichen, mensch lichen vom Menschen für d[en] Menschen herrührenden Gegenstand ge worden ist. Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker 15 geworden. Sie verhalten sich zu der Sache um der Sache willen, aber die Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst und zum Menschen und umgekehrt. Ich kann mich praktisch nur menschlich zu der Sache verhalten, wenn die Sache sich zum Menschen menschlich verhält. Das Bedürfniß oder der Genuß haben darum ihre egoistische Natur und die Natur ihre blose Nützlichkeit verloren, indem der Nutzen zum Menschlichen || Nutzen geworden ist. 20 Ebenso sind die Sinne und der Geist d[es] andern Menschen meine eigne Aneignung geworden. Ausser diesen unmittelbaren Organen bilden sich daher gesellschaftliche Organe, in der Form der Gesellschaft, also z. B. die 25 Thätigkeit in unmittelbarer Gesellschaft mit andern etc. ist ein Organ meiner Lebensäusserung geworden und eine Weise der Aneignung des menschli chen Lebens. Es versteht sich, daß das menschliche Auge anders genießt, als das rohe, unmenschliche Auge, das menschliche Ohr anders als das rohe Ohr etc. 30 Wir haben gesehn. Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder Gegen ständlicher Mensch wird. Dieß ist nur möglich indem er ihm als gesellschaft licher Gegenstand, er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird. 35 40 Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft, die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesens kräfte als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständ lichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirk- lichenden Gegenstände, als seine Gegenstände; d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegen- 269 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III standes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlich keit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch die eigenthümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständ lichen wirklichen lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, ||VIIl| sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt be jaht. Andrerseits: Subjektiv gefaßt: Wie erst die Musik den musikalischen Sinn d[es] Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik keinen Sinn hat, kein Gegenstand ist, weil mein Gegenstand nur die Bestä tigung einer meiner Wesenskräfte sein kann, also nur so für mich sein kann, wie meine Wesenskraft als subjektive Fähigkeit für sich ist, weil der Sinn eines Gegenstandes für mich (nur Sinn für einen ihm entsprechenden Sinn hat) grade so weit geht als mein Sinn geht, darum sind die Sinne d[es] ge sellschaftlichen Menschen andre Sinne, wie die des ungeseUschaftlichen; erst durch den gegenständlich entfalteten Reichthum des menschlichen Wesens wird der Reichthum der subjektiven menschlichen Sinnüchkeit, wird ein musikalisches Ohr, ein Auge für die Schönheit der Form, kurz werden erst menschlicher Genüsse fähige Sinne, Sinne, welche als menschliche Wesenskräfte sich bestätigen, theils erst ausgebildet, theils erst erzeugt. Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc), mit einem Wort der menschliche Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegen standes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Welt geschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfniß befangne Sinn hat auch nur einen bornirten Sinn. Für d[én] ausgehungerten Menschen existirt nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein als Speise; eben so gut könnte sie in rohster Form vorliegen und es ist nicht zu sagen, wodurch sich diese Nahrungsthätigkeit von der thierischen Nahrungsthätigkeit unterscheide. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineraüenkrämer sieht nur den merkantilischen Werth, aber nicht die Schönheit und eigenthümliche Natur des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständ lichung des menschlichen || Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne d[es] Menschen menschhch zu machen, als um für den ganzen Reichthum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen. Wie durch die Bewegung des Privateigenthums und seines Reichthums, 270 Ill 20 15 5 Wirklichkeit. wie Elends — oder materiellen und geistigen Reichthums und Elends — die werdende Gesellschaft zu dieser Bildung alles Material vorfindet, so pro ducirt die gewordne Gesellschaft den Menschen in diesem ganzen Reichthum seines Wesens, den reichen all und tiefsinnigen Menschen als ihre stete Man sieht wie Subjektivismus und Objektivismus, Spirituahsmus und Materialismus, Thätigkeit und Leiden erst im gesell schaftlichen Zustand ihren Gegensatz, und damit ihr Dasein als solche Gegensätze verlieren; man sieht, wie die Lösung der theoretischen Gegen sätze selbst nur auf eine praktische Art, nur durch die praktische Energie 10 d[es] Menschen möglich ist und ihre Lösung daher keineswegs nur eine Aufgabe der Erkenntniß, sondern eine wirkliche Lebensaufgabe ist, welche die Philosophie nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische Aufgabe faßte. Man sieht, wie die Geschichte der Industrie und das gewordne gegenständliche Dasein der Industrie das aufgeschlagne Buch der menschlichen Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie ist, die bisher nicht in ihrem Zusammenhang mit dem Wesen des Menschen, sondern immer nur in einer äussern Nützlichkeitsbeziehung gefaßt wurde, weil man — innerhalb der Entfremdung sich bewegend — nur das allgemeine Dasein d[es] Menschen, die Religion, oder die Geschichte in ihrem abstrakt-allgemeinen Wesen, als Politik, Kunst, Litteratur etc j|DC| als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte und als menschliche Gattungs akte zu fassen wußte. In der gewöhnlichen, materiellen Industrie (— die man eben so wohl als einen Theil jener allgemeinen Bewegung fassen, wie man sie selbst als einen besondern Theil der Industrie fassen kann, da alle 25 menschliche Thätigkeit bisher Arbeit, also Industrie, sich selbst entfremdete Thätigkeit war —) haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher Gegenstände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten Wesenskräfte des Menschen vor uns. Eine Psychologie, für welche dieß Buch, also grade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Theil der Ge- schichte, zugeschlagen ist, kann nicht zur wirklichen Inhaltsvollen und reellen Wissenschaft werden. Was soll man überhaupt von einer Wissen schaft denken, die von diesem grossen Theil der menschlichen Arbeit vor nehm abstrahirt und nicht in sich selbst ihre Unvollständigkeit fühlt, so lange ein so ausgebreiteter Reichthum des menschlichen Wirkens ihr nichts sagt, als etwa, was man in einem Wort sagen kann: „Bedürfniß" „gemeines Bedürfniß!" Die Naturwissenschaften haben eine enorme Thätig keit entwickelt und sich ein stets wachsendes Material angeeignet. Die Philosophie ist ihnen indessen eben so fremd geblieben, wie sie der Philoso phie fremd büeben. Die momentane Vereinigung war nur eine phantastische Illusion. Der Wille war da, aber das Vermögen fehlte. Die Geschicht schreibung selbst nimmt auf die Naturwissenschaft nur beiläufig Rücksicht, 30 40 35 271 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 5 15 als Moment der Aufklärung, Nützlichkeit, einzelner grosser Entdeckungen. Aber desto praktischer hat die Naturwissenschaft vermittelst der Industrie in das menschliche Leben eingegriffen und es umgestaltet und die mensch üche Emancipation vorbereitet, so sehr sie unmittelbar die Entmenschung vervoüständigen mußte. Die Industrie ist das wkkhche geschichtliche Ver- hältniß der Natur und daher der Naturwissenschaft zum Menschen; wüd sie daher als exoterische Enthüllung der menschlichen Wesenskräfte gefaßt, so wüd auch das menschliche Wesen der Natur oder das natürliche Wesen d[es] Menschen verstanden, daher die || Naturwissenschaft ihre abstrakt ma terielle oder vielmehr ideaüstische Richtung verüeren und die Basis der 10 menschlichen Wissenschaft werden, wie sie jezt schon — obgleich in ent fremdeter Gestalt — zur Basis des wüküch menschüchen Lebens geworden ist; eine andre Basis für das Leben, eme andre für die Wissenschaft, ist von vornherein eine Lüge. Die in der menschüchen Geschichte — dem Entste hungsakt der menschlichen GeseUschaft werdende Natur — ist die wkkliche Natur d[es] Menschen, darum die Natur, wie sie durch die Industrie, wenn auch in entfremdeter Gestalt wüd, die wahre anthropologische Natur ist. Die Sinnlichkeit (siehe Feuerbach) muß die Basis aller Wissen schaft sem. Nur, wenn sie von ihr, in der doppelten Gestalt, sowohl des sinnlichen Bewußtseins als des sinnlichen Bedürfnisses ausgeht, — also nur 20 wenn die Wissenschaft von der Natur ausgeht — ist sie wirkliche Wissen schaft. Damit der „Mensch" zum Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins und das Bedürfniß des „Menschen als Menschen" zum Bedürfniß werde, dazu ist die ganze Geschichte die Vorbereitungsgeschichte \ Entwicklungs geschichte. Die Geschichte selbst turgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen. Die Naturwissen schaft wüd später eben so wohl die Wissenschaft von d[em] Menschen, wie die Wissenschaft von d[em] Menschen die Naturwissenschaft unter sich subsumüen: es wüd eine Wissenschaft sein. | | x| Der Mensch ist der un mittelbare Gegenstand der Naturwissenschaft; denn die unmittelbare sinn- 30 liehe Natur für d[en] Menschen ist unmittelbar die menschliche Sinnlichkeit, (ein identischer Ausdruck) unmittelbar als der andere sinnüch für ihn vor handene Mensch; denn seme eigne Sinnlichkeit ist erst durch den andren Menschen als menschüche Sinnüchkeit für ihn selbst. Aber die Natur ist der unmittelbare Gegenstand der Wissenschaft vom Menschen. Der erste Ge- genstand d[es] Menschen — der Mensch — ist Natur, Sinnüchkeit und die besondern menschlich sinnlichen Wesenskräfte, wie sie nur in Natürlichen Gegenständen ihre gegenständliche Verwüküchung, können nur in der Wissenschaft des Naturwesens überhaupt ihre Selbsterkenntrüß finden. Das Element des Denkens selbst, das Element der Lebensäusserung des Ge- 40 dankens, die Sprache ist sinnlicher Natur. Die gesellschafüiche Wüklichkeit ist ein wkklicher Theü der Na- 25 35 272 III der Natur und die menschliche Naturwissenschaft oder die natürliche Wis Man sieht, senschaft vom Menschen sind identische Ausdrücke. wie an die Stelle des nationalökonomischen Reichthums und Elendes der tritt. Der reiche reiche Mensch und das reiche menschliche Bedürfniß 5 Mensch ist zugleich der einer Totalität der menschlichen Lebensäusserung bedürftige Mensch. Der Mensch, in dem seine eigne Verwirldichung, als innere Nothwendigkeit, als Noth existirt. Nicht nur der Reichthum, auch die Armuth des Menschen erhält gleichmässig — unter Voraussetzung des So- cialismus — eine menschliche und daher gesellschaftliche Bedeutung. Sie ist 10 das passive Band, welches dem Menschen den größten Reichthum, den andern Menschen, als Bedürfniß empfinden läßt. Die Herrschaft des gegen ständlichen Wesens in mir, der sinnliche Ausbruch meiner Wesensthätig- keit ist die Leidenschaft, welche hier damit die Thätigkeit meines Wesens wird. 15 20 25 30 5) Ein Wesen gilt sich erst als selbstständiges, sobald es auf eignen Füssen steht und es steht erst auf eignen Füssen, sobald es sein Dasein sich selbst verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade eines andern lebt, betrachtet sich als ein Abhängiges Wesen. Ich lebe aber vollständig von der Gnade eines andern, wenn ich ihm nicht nur die Unterhaltung meines Lebens verdanke, sondern wenn er noch ausserdem mein Leben geschaffen hat; wenn er der Quell meines Lebens ist, und mein Leben hat nothwendig einen solchen Grund ausser sich, wenn es nicht meine eigne Schöpfung ist. Die Schöpfung ist daher eine sehr || schwer aus dem Volksbewußtsein zu verdrängende Vorstellung. Das Durchsichselbstsein der Natur und d[es] Menschen ist ihm unbegreiflich, weil es allen Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens widerspricht. Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geo- gnosie, d.h. durch die Wissenschaft, welche die Erdbüdung, das Wer den der Erde als xeinen Proceß, als Selbsterzeugung darstellte. Die gene- ratio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungs theorie. Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles schon sagt: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat in dir die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt d[es] Menschen 35 den Menschen producirt. Du siehst also daß der Mensch auch physisch sein Dasein d[em] Menschen verdankt. Du mußt also nicht nur die eine Seite im Auge behalten, den unendlichen Progreß, wonach du weiter fragst: Wer hat meinen Vater, wer seinen Großvater etc gezeugt. Du mußt auch die Kreis bewegung, welche in jenem Progreß sinnlich anschaubar ist, festhalten, 40 wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. 273 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung dir zugestanden, so gestehe du mir den Progreß zu, der mich immer weiter treibt, bis ich frage, wer hat d[en] ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? Ich kann dü nun antworten: Derne Frage ist selbst ein Produkt der Ab straction. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob Derne Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beant worten kann, weü er ein verkehrter ist? Frage dich ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existirt? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und d[es] Menschen fragst, so abstrabirst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und wülst doch, daß ich sie als seiend dü beweise. Ich sage dü nun: gieb deine Abstraktion auf, so giebst du auch Derne Frage auf oder wülst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei consequent, und wenn du d[en] Menschen und die Natur als nichtseiend denkend ||Xl| denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht; frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und d[es] Men schen kernen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts sezt und selbst sein wülst? Du kannst mü erwiedern: Ich wül nicht das Nichts der Natur etc setzen; ich frage dich nach ihrem Entstehungsakt, wie ich den Anatom nach den Knochenbüdungen frage, etc. Indem aber für den socialistischen Menschen die ganze sogenannte Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für d[en] Menschen, so hat er also den anschauüchen, unwiderstehüchen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß. Indem die Wesenhaftig- keit d[es] Menschen und der Natur, indem der Mensch für den Menschen als Dasein der Natur, und die Natur für d[en] Menschen als Dasein d[es] Menschen praktisch, sinnüch anschaubar geworden ist, ist die Frage nach einem fremden Wesen, nach einem Wesen über der Natur und d[em] Menschen — eine Frage, welche das Geständniß von der Unwesentiichkeit der Natur und d[es] Menschen einschließt—praktisch unmöglich geworden. Der Atheismus, als Läugnung dieser Unwesentlichkeit, hat kernen Sinn mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und sezt durch diese Negation das Dasein des Menschen; aber der Sociaüsmus als Sociaüsmus bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch und praktisch sinnlichen Bewußtsein d[es] Menschen und der Natur als des Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Reügion vermitteltes Selbstbewußtsein d[es] Menschen, wie das wirkliche Leben positive, nicht mehr durch die Aufhebung des Privateigenthums, den Communismus, vermittelte Wüküchkeit d[es] Menschen ist. Der Communis- 274 Ill mus ist die Position als Negation der Negation, darum das wirkliche, für die nächste geschichtliche Entwicklung nothwendige Moment der menschlichen Emancipation und Wiedergewinnung. Der Communismus ist die nothwen dige Gestalt und das Energische Princip der nächsten Zukunft, aber der 5 Communismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung, — die Gestalt der menschlichen Gesellschaft. ] 16) An diesem Punkte ist vielleicht der Ort, sowohl zur Verständigung und Berechtigung über die hegelsche Dialektik überhaupt, als namentlich über ihre Ausführung in der Phänomenologie und Logik, endlich über das 10 Verhältniß der neuern kritischen Bewegung einige Andeutungen zu ge ben. 20 15 Die Beschäftigung mit dem Inhalt der alten Welt, die von dem Stoff befangne Entwicklung der modernen deutschen Kritik war so gewaltsam, daß ein völlig kritikloses Verhalten zur Methode des Kriticirens, und eine völlige Bewußtlosigkeit über die scheinbar formelle, aber wirklich wesent liche Frage statt fand, wie halten wir es nun mit der hegel'schen Dialektik? Die Bewußtlosigkeit über das Verhältniß der modernen Kritik zur hegel'schen Philosophie überhaupt und zur Dialektik namentlich war so groß, daß Kritiker wie Strauß und Bruno Bauer, der erstere vollständig, der zweite in seinen „Synoptikern" (wo er dem Strauß gegenüber das „Selbstbewußt sein" d[es] abstrakten Menschen an die Stelle der Substanz der „abstrakten Natur" stellt) und selbst noch im „entdeckten Christenthum" wenigstens der Potenz nach noch vollständig innerhalb der hegel'schen Logik befangen sind. So heißt es ζ. B. in dem entdeckten Christenthum: „Als ob nicht das Selbst- 25 bewußtsein, indem es die Welt, den Unterschied sezt, und in dem, was es hervorbringt, sich selbst hervorbringt, da es den Unterschied des Hervor gebrachten von ihm selbst wieder aufhebt, da es nur im Hervorbringen und in der Bewegung es selber ist — als ob es nicht in dieser Bewegung seinen Zweck hätte" etc oder: „Sie (die französischen Materialisten) haben noch 30 nicht sehn können, daß die Bewegung des Universums erst als die Bewegung des Selbstbewußtseins wirklich für sich geworden und zur Einheit mit ihr selbst zusammengegangen ist", Ausdrücke, die auch nicht einmal in der Sprache einen Unterschied von der hegel'schen Auffassung zeigen, sondern sie vielmehr wörtlich wiederholen. | 35 |ΧΠ| Wie wenig während d[em] Akt der Kritik (Bauer, die Synoptiker) ein Bewußtsein vorhanden war über das Verhältniß zur Hegel'schen Dialektik, wie wenig dieses Bewußtsein auch nach dem Akt der stofflichen Kritik entstand, beweist Bauer, wenn er in seiner „guten Sache der Freiheit" die vorlaute Frage des Herrn Gruppe, „was nun mit der Logik" dadurch abweist, 40 daß er ihn auf kommende Kritiker verweist. Aber auch nun, nachdem Feuerbach — sowohl in seinen „Thesen" in den 275 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Anecdotis, als ausf ührlich in der „Philosophie der Zukunft" die alte Dialektik und Philosophie dem Keim nach umgeworfen hat — nachdem dagegen jene Kritik, welche diese That nicht zu vollbringen wußte, dagegen die That vollbrachte sich „als reine, entschiedne, absolute, mit sich ins Klare ge- kommne Kritik" auszurufen; nachdem sie in ihrem spiritualistischen Hoch- muth die ganze geschichtliche Bewegung auf das Verhältniß der übrigen Welt — die ihr gegenüber unter die Categorie der „Masse" fällt — zu ihr selbst reducirt und alle dogmatischen Gegensätze in den einen dogmatischen Gegensatz ihrer eignen Klugheit und der Dummheit der Welt, des kritischen Christus und der Menschheit, als dem „Haufen", aufgelöst hat; nachdem sie ihre eigne Vortrefflichkeit täglich und stündlich an der Geistlosigkeit der Masse bewiesen hat, nachdem sie endlich das kritische jüngste Gerichtunter der Gestalt verkündigt hat, daß der Tag herannahe, wo die ganze verfallende Menschheit ihr gegenüber sich schaaren werde, von ihr in Gruppen sondüt und jeder besondre Haufen sein testimonium paupertatis erhalten werde, nachdem sie ihre Erhabenheit über menschliche Empfindungen, wie über die Welt, über welche sie in erhabner Einsamkeit thronend nur von Zeit zu Zeit das Gelächter der olympischen Götter von ihren sarkastischen Lippen schauen läßt, hat drucken lassen — nach aüen diesen ergötzüchen Gebah- rungen des unter der Form der Kritik verscheidenden Idealismus (des Jung hegelthums) hat er auch nicht einmal die Ahnung ausgesprochen, daß man sich nun kritisch mit seiner Mutter, der hegelschen Dialektik auseinan derzusetzen habe, ja selbst über kein kritisches Verhältniß zur Feuerba chischen Dialektik anzugeben gewußt. Ein vöUiges unkritisches Verhalten zu sich selbst. | I Feuerbach ist der einzige, der ein ernsthaftes, ein faitisches Verhältniß zur hegel'schen Dialektik hat und wahrhafte Entdeckungen auf diesem Gebiete gemacht hat, überhaupt der wahre Ueberwinder der alten Phüoso- phie ist. Die Grösse der Leistung und die geräuschlose Einfachheit, womit F. sie der Welt giebt, stehn in einem wunderlichen Gegensatz zu dem umgekehrten Verhältniß. Feuerbachs grosse That ist: 1) der Beweis, daß die Phüosophie nichts andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Reügion; also ebenfaüs zu verurtheüen ist; eme andre Form und Daseinsweise d[er] Entfremdung des menschüchen Wesens. 2) Die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, indem Feuerbach das geseüschaftüche Verhältniß das „des Menschen zum Menschen" — ebenso zum Grundprincip der Theorie macht; 3) indem er der Negation der Negation, die das absolut positive zu sein behauptet, das auf sich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete Positive entgegensteUt. 276 Ill Feuerbach erklärt die hegel'sche Dialektik — (und begründet dadurch den Ausgang vom Positiven, vom Sinnlich-Gewissen) — folgendermassen: Hegel geht aus von der Entfremdung (Logisch: dem Unendlichen, abstrakt Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und fixirten Abstraktion, — d. h. populär ausgedrückt, er geht von der Religion und Theologie aus. Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, sezt das Wirkliche, Sinnliche, Reale, Endliche, Besondre. (Philosophie, Aufhebung der Religion und Theologie.) Drittens. Er hebt das Positive wieder auf; stellt die Abstraktion, das Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie. Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie (Transzendenz etc) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegen satz zu sich selbst bejaht. Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Ne gation der Negation hegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des Beweises Bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als nicht eingestandne ||XIIl| Position gefaßt und darum ihr direkt und unver mittelt die sinnlichgewisse auf sich selbst gegründete Position entgegen gestellt. Feuerbach faßt auch die Negation der Negation, den konkreten Begriff als das sich im Denken überbietende und als Denken unmittelbar Anschau ung, Natur, Wirklichkeit sein wollende Denken. Aber indem Hegel die Negation der Negation — der positiven Beziehung nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive — der negativen Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbst- bethätigungsakt alles Seins — aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, lo gischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, die noch nicht wirkliche Geschichte d[es] Menschen als eines vorausgesezten sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Men Subjekts, schen ist. — Sowohl die abstrakte Form werden wir erklären, als den Unter schied, den diese Bewegung bei Hegel im Gegensatz zur modernen Kritik, zu demselben Prozeß in Feuerbachs Wesen des Christenthums hat, oder vielmehr die kritische Gestalt dieser bei Hegel noch unkritischen Bewegung. Ein Blick auf das hegelsche System. Man muß beginnen mit der hegel'schen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimniß der hegel'schen Philosophie. — Phänomenologie. A) Das Selbstbewußtsein. I.) Bewußtsein, α) Sinnliche Gewißheit oder das Dieses und das Mei- in Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III neri, β) Die Wahrnehmung oder das Ding mit seinen Eigenschaften und die Täuschung, y) Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt. II.) Selbstbewußtsein. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst, a) Selbst ständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins, Herrschaft und Knechtschaft, b) Freiheit des Selbstbewußtseins. Stoicismus, Skepticismus, das unglückliche Bewußtsein. III.) Vernunft. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft, a) beobachtende Vernunft; Beobachtung der Natur und des Selbstbewußtseins, b) Ver wirklichung des vernünftigen Selbstbewußtsems durch sich selbst. Die Lust und die Nothwendigkeit. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des Eigendünkels. Die Tugend und der Weltlauf, c) die Individualität, welche sich an und für sich reeU ist. Das geistige Thierreich und der Betrug oder die Sache selbst. Die gesetzgebende Vernunft. Die gesetzprüfende Vernunft. B) Der Geist. I.) Der wahre Geist; die Sittlichkeit. II.) Der sich entfremdete Geist, die Büdung. III.) Der seiner selbst gewisse Geist, die Moraütät. C) Die Religion, natürliche, Kunstreligion, offenbare Religion. D) Das absolute Wissen. Wie die Encyclopädie Hegels mit der Logik beginnt, mit dem reinen spekulativen Gedanken und mit dem absoluten Wissen, dem selbstbewußten, sich selbst erfassenden phüosophischen oder absoluten, d. i. übermenschli chen abstrakten Geist, aufhört, so ist die ganze Encyklopädie nichts als das ausgebreitete Wesen des phüosophischen Geistes, || seme Selbstvergegen- ständüchung; wie der philosophische Geist nichts ist als der innerhalb seiner Selbstentfremdung denkend, d. h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist der Welt. — Die Logik — das Geld des Geistes, der spekulative, der Ge dankenwerth des Menschen und der Natur — ihr gegen aüe wükliche Be stimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes und darum unwüküches Wesen — das entäusserte, daher von der Natur und d[em] wüküchen Menschen abstrabirende Denken ; das abstrakte Denken. — Die Aüsserlich keit dieses abstrakten Denkens ... die Natur, wie sie für dieß abstrakte Denken ist. Sie ist ihm äusserüch, sein Selbstverlust; und es faßt sie auch äusserlich, als abstrakten Gedanken, aber als entäussertes abstraktes Denken. — Endüch der Geist, dieß in seme eigne Geburtsstätte heimkehrende Denken, welches sich als anthropologischer, phänomenologischer, psycho logischer, sittlicher, künstücher, reügiöser Geist immer noch nicht für sich selbst g u t, bis es sich endlich als absolutes Wissen und darum absoluter i. e. abstrakter Geist vorfindet und selbstbejaht, sein bewußtes und ihm ent sprechendes Dasein erhält. Denn sein wükliches Dasein ist die Abstrak tion. ... / 278 F III 5 10 | x r v| 7) Wir haben gesehn, welche Bedeutung unter der Voraussetzung des Socialismus die Reichheit der menschlichen Bedürfnisse, und daher sowohl eine neue Weise der Production, als auch ein neuer Gegenstand der Production hat. Neue Bethätigung der menschlichen Wesenskraft und neue Bereicherung des menschlichen^esens. Innerhalb des Privateigenthums die umgekehrte Bedeutung. Jeder Mensch spekulirt darauf, dem andern ein neues Bedürfniß zu schaffen, um ihn zu einem neuen Opfer zu zwingen, um ihn in eine neue Abhängigkeit zu versetzen und ihn zu einer neuen Weise des Genusses und damit des ökonomischen Ruins zu verleiten. Jeder sucht eine fremde Wesenskraft über d[en] andern zu schaffen, um darin die Befriedigung seines eigenen eigennützigen Bedürfnisses zu finden. Mit der Masse der Gegenstände wächst daher das Reich der fremden Wesen, denen der Mensch unterjocht ist und jedes neue Product ist eine neue Potenz des wechselseitigen Betrugs und der wechselseitigen Ausplünderung. Der 15 Mensch wird um so ärmer als Mensch, er bedarf um so mehr des Geldes, um sich des f eindlichen Wesens zu bemächtigen und die Macht seines Geldes fällt grade im umgekehrten Verhältniß als die Masse der Production, d. h. seine Bedürftigkeit wächst, wie die Macht des Geldes zunimmt. — Das Bedürfniß des Geldes ist daher das wahre, von der Nationalökonomie pro- 20 ducirte Bedürfniß und das einzige Bedürfniß, das sie producirt. — Die Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reducirt, so reducirt es sich in seiner eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maaßlosigkeit und Un- mässigkeitwkd sein wahres Maaß. — Subjektiv selbst erscheint dieß so, theils daß die Ausdehnung der Producte und der Bedürfnisse zum erfinderischen und stets calculirenden Sklaven unmenschlicher, raffinirter, unnatürlicher und eingebildeter Gelüste wird — das Privateigenthum weiß das rohe Be dürfniß nicht zum menschlichen Bedürfniß zu machen; sein Idealismus ist die Einbildung, die Willkühr, die Laune und ein Eunuche schmeichelt nicht 30 niederträchtiger seinem Despoten und sucht durch keine infameren Mittel seine abgestumpfte Genußfähigkeit zu irritiren, um sich selbst eine Gunst zu erschleichen, || wie der Industrieeunuche, der Producent, um sich Silber pfennige zu erschleichen, aus der Tasche des christlich geliebten Nachbarn die Goldvögel herauszulocken — (jedes Product ist ein Köder, womit man 35 das Wesen des andern, sein Geld, an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfniß ist eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird — allgemeine Ausbeutung des gemeinschaftlichen mensch lichen Wesens, wie jede Unvollkommenheit d[em] Menschen ein Band mit dem Himmel ist, eine Seite, wo sein Herz dem Priester zugänglich; jede Noth ist eine Gelegenheit, um unter dem liebenswürdigsten Schein zum Nachbarn zu treten und ihm zu sagen: Lieber Freund, ich gebe dir, was dir nöthig ist, 25 40 279 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III aber du kennst d[ie] conditio sine qua non; du weißt, mit welcher Tinte du dich mir zu verschreiben hast; ich prelle dich, indem ich dir einen Genuß verschaffe) — sich seinen verworfensten Einfällen fügt, den Kuppler zwi schen ihm und seinem Bedürfniß spielt, krankhafte Gelüste in ihm erregt, jede Schwachheit ihm ablauert, um dann das Handgeld für diesen Liebes dienst zu verlangen. — Theüs zeigt sich diese Entfremdung, indem die Raffinirung der Bedürfnisse und ihrer Mittel auf der einen Seite, die vie hische Verwüdrung, voüständige rohe abstrakte Einfachheit des Bedürf nisses auf der andern Seite producüt; oder vielmehr nur sich selbst in seiner gegentheüigen Bedeutung wieder gebiert. Selbst das Bedürfniß der freien Luft hört für den Arbeiter auf, ein Bedürfniß zu sein, der Mensch kehrt in die Höhlenwohnung zurück, die aber nun von dem mephytischen Pesthauch der Civüisation verpestet ist und die er nur mehr prekär, als eine fremde Macht, die sich ihm täglich entziehn, aus der er täglich, wenn er ||XV| nicht zahlt, herausgeworfen werden kann, bewohnt. Dieß Todtenhaus muß er bezahlen. Die LicÄrwohnung, welche Prometheus bei Aeschylus als eines der grossen Geschenke, wodurch er d[en] WUden zum Menschen gemacht, bezeichnet, hört auf, für d[en] Arbeiter zu sein. Licht, Luft, etc. die ein fachste thierische Reinüchkeit hört auf, ein Bedürfniß für d[en] Menschen zu seüi. Der Schmutz, diese Versumpfung, Verfaulung des Menschen, der Gossenablauf (dieß ist wörtüch zu verstehn) der Civiüsation wüd ihm ein Lebenselement. Die vöüige unnaüirliche Verwahrlosung, die verfaulte Natur wüd zu seinem Lebenselement. Keiner seiner Sinne existirt mehr, nicht nur nicht hi seiner menschlichen Weise, sondern in einer unmenschlichen, darum selbst nicht einmal thierischen Weise. Die rohsten Weisen (Instrumente) der menschlichen Arbeit kehren wieder, wie die Tretmühle d[es] römischen Sklaven zur Productionsweise, Daseinsweise vieler engüscher Arbeiter geworden ist. Nicht nur daß der Mensch kerne menschlichen Bedürfnisse hat, selbst die thierischen Bedürfnisse hören auf. Der Irländer kennt nur mehr das Bedürf niß des Essens und zwar nur mehr des Cartoffelessens und zwar nur der Lumperkartoffel, der schlechtesten Art von Kartoffel. Aber England und Frankreich haben schon in jeder Industriestadt ein kleines Irland. Der Wüde, das Thier hat doch das Bedürfniß der Jagd, der Bewegung etc., der Geselligkeit. Die Vereinfachung der Maschine, der Arbeit wüd dazu benuzt, um den erst werdenden Menschen, den ganz unausgebUdeten Menschen — das Kind — zum Arbeiter zu machen, wie der Arbeiter ein verwahrlostes Kind geworden ist. Die Maschine bequemt sich der Schwä che d[es] Menschen, um den schwachen Menschen zur Maschine zu ma chen. Wie die Vermehrung der Bedürfnisse und ihrer Mittel die Bedürfnißlosig- keit und die Mitteüosigkeit erzeugt, beweist der Nationalökonom (und der 280 Ill 20 5 15 Capitalist, überhaupt reden wir immer von den empirischen Geschäftleuten, wenn wir uns an die Nationalökonomen—ihr wissenschaftliches Geständniß und Dasein — adressiren) 1) indem er das Bedürfniß des Arbeiters auf den notwendigsten und jämmerüchsten Unterhalt des physischen Lebens und seine Thätigkeit auf die abstrakteste mechanische Bewegung reducirt, also, sagt er: Der Mensch hat kein andres Bedürfniß weder der Thätigkeit, noch des Genusses; denn auch dieß Leben erklärt er [als] menschliches Leben und Dasein; indem || 2) er das möglichst dürftige Leben (Existenz) als Maaßstab und zwar als allgemeinen Maaßstab ausrechnet: allgemein, weil für die 10 Masse der Menschen geltend; er macht den Arbeiter zu einem unsinnlichen und bedürfnißlosen Wesen, wie er seine Thätigkeit zu einer reinen Ab straktion von aller Thätigkeit macht; jeder Luxus des Arbeiters erscheint ihm daher als verwerflich und alles, was über das allerabstrakteste Bedürfniß hinausgeht — sei es als passiver Genuß oder Thätigkeitsäusserung—erscheint ihm als Luxus. Die Nationalökonomie, diese Wissenschaft des Reichthums ist daher zugleich die Wissenschaft des Entsagens, des Darbens, der Er- sparung und sie kömmt wirklich dazu dem Menschen, sogar das Bedürfniß einer reinen Luft oder der physischen Bewegung zu ersparen. Diese Wis senschaft der wunderbaren Industrie ist zugleich die Wissenschaft der Ascese und ihr wahres Ideal ist der ascetische aber wuchernde Geizhals und der ascetische aber producirende Sklave. Ihr moralisches Ideal ist der Ar beiter, der in die Sparkasse einen Theil seines salaires bringt und sie hat für // diesen ihren Lieblingseinfall sogar eine knechtische Kunst vorgefun den. Man hat das sentimental aufs Theater gebracht. // Sie ist daher — trotz ihres weltlichen und wollüstigen Aussehns — eine wirklich moralische Wis senschaft, die allermoralischste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die Entsagung des Lebens, aller menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehr satz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Ball, zum Wirtshaus gehst, denkst, liebst, theoretisirst, singst, mahlst, fechtest etc 30 um so [mehr] sparst du, um so grösser wird dein Schatz, den weder Motten, noch Raub fressen, dein Capital. Je weniger du bist, je weniger du dein Leben äusserst, um so mehr hast du, um so grösser ist dein entäussertes Leben, um so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. Alles ||XVl| was dir der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersezt er dir in Geld und Reichthum. Und alles das, was du nicht kannst, das kann dein Geld: es kann essen, trinken, auf den Ball, ins Theater gehn, es weiß sich die Kunst, die Gelehrsamkeit, die historischen Seltenheiten, die politi sche Macht, es kann reisen, es kann dir das alles aneignen; es kann das alles kaufen; es ist das wahre Vermögen. Aber es, was all dieß ist, es mag nichts als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn alles andre ist ja sein Knecht und wenn ich den Herrn habe, habe ich den Knecht und brauche ich seinen 25 35 40 281 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Knecht nicht. Alle Leidenschaften und alle Thätigkeit muß also untergehn in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur so viel haben, daß er leben will, und darf nur leben wollen, um zu haben. 5 10 Allerdings erhebt sich nun auf Nationalökonomischem Boden eine Con troverse. Die eine Seite (Lauderdale, Malthus etc) empfiehlt den Luxus und verwünscht die Sparsamkeit; die andre (Say, Ricardo etc) empfiehlt die Sparsamkeit und verwünscht den Luxus. Aber jene gesteht, daß sie den Luxus will, um die Arbeit, d. h. die absolute Sparsamkeit zu produciren; die andre Seite gesteht, daß sie die Sparsamkeit empfiehlt um den Reichthum, d. h. den Luxus zu produciren. Die erstere Seite hat die romantische Ein- bildung, die Habsucht dürfe nicht allein die Consumtion d[es] Reichen bestimmen, und sie widerspricht ihren eignen Gesetzen, wenn sie die Ver schwendung unmittelbar für ein Mittel der Bereicherung ausgiebt und von der andern Seite wird ihr daher sehr ernstlich und umständlich bewiesen, daß ich durch die Verschwendung meine Habe verringere und nicht vermehre; die andre Seite begeht die Heuchelei nicht zu gestehn, daß grade die Laune und der Einfall die Production bestimmt; sie vergißt die „verfeinerten Bedürfnisse", sie vergißt, daß ohne Consumtion nicht producirt würde; sie vergißt daß die Production durch die Concurrenz nur allseitiger, luxuriöser werden muß; sie vergißt, daß der Gebrauch ihr den Werth der Sache be- 20 stimmt und daß die Mode den Gebrauch bestimmt, sie wünscht nur „Nütz liches" producirt zu sehn, aber sie vergißt, daß die Production von zu viel Nützlichem zu viel unnütze Population producüt. Beide Seiten vergessen, daß Verschwendung und Ersparung, || Luxus und Entblösung, Reichthum und Armuth = sind. 15 25 Und nicht nur deine unmittelbaren Suine, wie Essen etc mußt du absparen, auch Theilnahme mit allgemeinen Interessen, Mitleiden, Vertrauen etc das aües mußt du dü ersparen, wenn du ökonomisch sein wülst, wenn du nicht an IUusionen zu Grunde gehn wülst. Du mußt alles, was dem ist, feil, d. h. nützlich machen. Wenn ich den 30 Nationalökonomen frage: Gehorche ich den ökonomischen Gesetzen, wenn ich aus der Preißgebung, Feübietung mêmes Körpers an fremde Woüust Geld ziehe, (die Fabrikarbeiter in Frankreich nennen die Prostitution ihrer Frauen und Töchter die xte Arbeitsstunde, was wörtlich wahr ist) oder handle ich nicht nationalökonomisch, wenn ich meinen Freund an die Marokkaner 35 verkaufe (und der unmittelbare Menschenverkauf als Handel der Con- scribüten etc findet in allen Culturländern statt) so antwortet mü der Natio nalökonom: meinen Gesetzen handelst du nicht zuwider; aber sieh' dich um, was Base Moral und Base Reügion sagt; meine nationalökonomische Moral und Religion hat nichts gegen dich einzuwenden, aber — Aber wem soü ich 40 nun mehr glauben, der Nationalökonomie oder der Moral? — Die Moral der 282 III 5 Nationalökonomie ist der Erwerb, die Arbeit und die Sparsamkeit, die Nüchternheit — aber die Nationalökonomie verspricht mir meine Bedürf nisse zu befriedigen. — Die Nationalökonomie der Moral ist der Reichthum an gutem Gewissen, an Tugend etc, aber wie kann ich tugendhaft sein, wenn ich nicht bin, wie ein gutes Gewissen haben, wenn ich nichts weiß? — Es ist dieß im Wesen der Entfremdung gegründet, daß jede Sphäre einen andern und entgegengesezten Maaßstab an mich legt, ein[en] andern die Moral, einen andern d[ie] Nationalökon[omie,] weil jede eine bestimmte Entfremdung d[es] Menschen ist und jede ||XVIl| einen besondern Kreis der Entfremdeten 10 Wesensthätigkeit fixirt; jede sich entfremdet zu der andern Entfremdung verhält So wirft Herr Michel Chevalier dem Ricardo vor, daß er von der Moral abstrahirt. Aber Ricardo läßt die Nationalökonomie ihre eigne Sprache sprechen. Wenn diese nicht moralisch spricht, so ist es nicht die Schuld von Ricardo. M. Ch. abstrahirt von der Nationalökonomie, so weit er moralisirt, aber er abstrahirt nothwendig und wirklich von der Moral, so weit er Na tionalökonomie treibt. Die Beziehung d[es] Nationalökonomen auf die Moral, wenn sie anders nicht willkührlich, zufällig und daher unbegründet und unwissenschaftlich ist, wenn sie nicht zum Schein vorgemacht, sondern als wesentlich gemeint wird, kann doch nur die Beziehung der Na- tionalökonomischen Gesetze auf die Moral sein; wenn diese nicht oder vielmehr das Gegentheil stattfindet, was kann Ricardo dafür? Uebrigens ist auch der Gegensatz der Nationalökonomie und der Moral nur ein Schein und wie er ein Gegensatz ist, wieder kein Gegensatz. Die Nationalökonomie drückt nur in ihrer Weise die Moralischen Gesetze aus. 15 20 25 Die Bedürf nißlosigkeit als das Princip der Nationalökonomie zeigt sich am glänzendsten in ihrer Bevölkerungstheorie. Es giebt zu viel Menschen. Sogar das Dasein d[es] Menschen ist ein purer Luxus und wenn der Arbeiter „moralisch" ist (Mill schlägt öffentliche Belobungen für die vor, die sich enthaltsam in geschlechtlicher Beziehung zeigen und öffentiichen Tadel für 30 die, die sich versündigen an dieser Unfruchtbarkeit der E h e . .. ist das nicht Moral, Lehre von der Ascese?) wird er sparsam sein an Zeugung. Die Pro duction d[es] Menschen erscheint als öffentliches Elend. Der Sinn, den die Production in Bezug auf d[en] Reichen hat, zeigt sich offenbart in dem Sinne, den sie für d[en] Armen hat; nach oben ist die Äusserung immer fein, versteckt, zweideutig, Schein, nach unten hin grob, grad heraus, offen herzig, Wesen. Das rohe Bedürfniß des Arbeiters ist eine viel grössere Quelle des Gewinns als das feine d[es] Reichen. Die Kellerwohnungen in London bringen ihren Vermiethern mehr ein, als die Pallaste, d. h. sie sind in Bezug auf ihn ein größrer Reichthum, also, um nationalökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichthum. — || Und wie die Industrie auf die Verfeinerung der Bedürfnisse, ebenso sehr spekulirt sie auf ihre Rohheit, 35 40 283 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III aber auf ihre künstlich hervorgebrachte Rohheit, deren wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, diese Civilisation innerhalb der rohen Barbarei des Bedürfnisses. — Die englischen Schnapsläden sind darum sinnbildliche Darstellungen des Privat eigenthums. Ihr Luxus zeigt das wahre Verhältniß des industriellen Luxus und Reichthums zum Menschen. Sie sind daher mit Recht auch die einzigen, wenigstens mild von der englischen Polizei behandelten Sonntagsvergnü gungen des Volkes. / [IV] /XIII/ Ein doppelter Fehler bei Hegel. 5 10 1. tritt in der Phänomenologie, als der Geburtsstätte der hegelschen Philosophie, am klarsten hervor. Wenn er z. B. Reichthum, Staatsmacht etc als dem menschlichen Wesen entfremdete Wesen gefaßt, so geschieht dieß nur in ihrer Gedankenform. . .. Sie sind Gedankenwesen — daher blos eine 15 Entfremdung des reinen, d.i. abstrakten Philosophischen Denkens. Die ganze Bewegung endet daher mit dem absoluten Wissen. Wovon diese Gegenstände entfremdet sind und wem sie mit der Anmassung der Wirk lichkeit entgegentreten, das ist eben das abstrakte Denken. Der Philosoph legt sich — also selbst eine abstrakte Gestalt d[es] entfremdeten Menschen 20 — als den Maaßstab der entfremdeten Welt an. Die ganze Entäusserungs- geschichte und die ganze Zurücknahme der Entäusserung ist daher nichts als die Productionsgeschichte des abstrakten, des absoluten |/XVIl/(Siehe p.XIII.) Denkens, des logischen, spekulativen Denkens. Die Entfremdung, welche daher das eigentliche Interesse dieser Entäusserung und Aufhebung 25 dieser Entäusserung bildet, ist der Gegensatz von an sich und für sich, von Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d. h. der Gegen satz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der wirklichen Sinnlichkeit innerhalb des Gedankens selbst. Alle andern Gegen sätze und Bewegungen dieser Gegensätze sind nur der Schein, die Hülle, die exoterísche Gestalt dieser einzig interessanten Gegensätze, welche den Sinn der andern profanen Gegensätze bilden. Nicht daß das menschliche Wesen sich unmenschlich, im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht, sondern, daß es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten Denken sich vergegenständlicht, gilt als das gesezte und als das aufzuhe- bende Wesen der Entfremdung. | 30 35 |XVIIl| Die Aneignung der zu Gegenständen und zu fremden Gegen- 284 ψ IV 5 20 10 ständen gewordenen Wesenskräfte d[es] Menschen ist also erstens nur eine Aneignung, die im Bewußtsein, im reinen Denken, i. e. in der Abstraktion vor sich geht, die Aneignung dieser Gegenstände als Gedanken und Ge dankenbewegungen, weßhalb schon in der Phänomenologie — trotz ihres durchaus negativen und kritischen Aussehns und trotz der wirklich in ihr enthaltnen, oft weit der spätem Entwicklung vorgreifenden Kritik — schon der unkritische Positivismus und der ebenso unkritische Idealismus der spätem hegelschen Werke — diese philosophische Auflösung und Wieder herstellung der vorhandnen Empirie — latent hegt, als Keim, als Potenz, als ein Geheimniß vorhanden ist. Zweitens. Die Vindicirung der gegenständ lichen Welt für d[en] Menschen — ζ. B. die Erkenntniß, daß das sinnliche Bewußtsein kein abstrakt sinnliches Bewußtsein, sondern ein menschlich sinnliches Bewußtsein, daß die Religion, der Reichthum etc nur die ent fremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung, der zum 15 Werk herausgebornen menschlichen Wesenskräfte und darum nur der Weg zur wahren menschlichen Wirklichkeit sind —, diese Aneignung oder die Einsicht in diesen Proceß erscheint daher bei Hegel so, daß Sinnlichkeit, Religion, Staatsmacht etc geistige Wesen sind — denn nur der Geist ist das wahre Wesen d[es] Menschen und die wahre Form des Geistes ist der denkende Geist, der logische, spekulative Geist. Die Menschlichkeit der Natur und d[er] von der Geschichte erzeugten Natur, d[er] Producte d[es] Menschen, erscheint darin, daß sie Producte des abstrakten Geistes sind und insofern also geistige Momente, Gedankenwesen. Die Phänomenologie ist daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mysticirende Kritik; aber insofern sie die Entfremdung d[es] Menschen — wenn auch der Mensch nur in der Gestalt des Geistes erscheint — festhält liegen in ihr alle Elemente der Kritik verborgen und oft schon in einer weit den hegel'schen Standpunkt überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet. Das „unglückliche Be wußtsein", das „ehrliche Bewußtsein", der Kampf des „edelmüthigen und 30 niederträch| |tigen Bewußtseins" etc etc diese einzelnen Abschnitte enthalten die kritischen Elemente — aber noch in einer entfremdeten Form — ganzer Sphären, wie der Religion, des Staats, des bürgerlichen Lebens etc. Wie also das Wesen, der Gegenstand als Gedankenwesen, so ist das Subjekt immer Bewußtsein oder Selbstbewußtsein, oder vielmehr der Gegenstand erscheint nur als abstraktes Bewußtsein, der Mensch nur als Selbstbewußtsein, die unterschiedenen Gestalten der Entfremdung, die auftreten sind daher nur verschiedne Gestalten des Bewußtseins und Selbstbewußtseins. Wie an sich das abstrakte Bewußtsein — als welches der Gegenstand gefaßt wird — blos ein Unterscheidungsmoment des Selbstbewußtseins ist, — so tritt auch als 40 Resultat der Bewegung die Identität des Selbstbewußtseins mit dem Be wußtsein, das absolute Wissen, die nicht mehr nach aussen hin, sondern nur 25 35 285 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III noch in sich selbst vorgehende Bewegung des abstrakten Denkens als Re sultat auf, d. h. die Dialektik des reinen Gedankens ist das Resultat. (Siehe Fortsetzung. p.XXII.) [V] 5 Wir haben schon gesehn wie der Nationalökonom Einheit von Arbeit und Capital auf vielfache Art sezt; 1) Das Capital ist aufgehäufte Arbeit; 2) Die Bestimmung des Capitals innerhalb der Production, theils die Reproduction des Capitals mit Gewinn, theils das Capital als Rohstoff (Material der Arbeit) theils als selbst arbeitendes Instrument—die Maschine ist das unmittelbar mit der Arbeit identisch gesezte Capital — ist produktive 10 Arbeit; 3) Der Arbeiter ist ein Capital; 4) Der Arbeitslohn gehört zu den Kosten des Capitals; 5) in Bezug auf den Arbeiter ist die Arbeit die Re production seines Lebenskapitals; 6) in Bezug auf den Capitaüsten ein Moment der Thätigkeit seines Capitals. Endlich 7) unterstellt der Nationalökonom die ursprüngliche Einheit 15 beider als die Einheit von Capitaüst und Arbeiter, dieß ist der paradisische Urzustand. Wie diese beiden Momente ||XIX| als 2 Personen sich entgegen springen, ist für d[en] Nationalök[onomen] ein zufälliges und darum nur äusserlich zu erklärendes Ereigniß. (Sieh Mill.) Die Nationen, welche noch von dem sinnüchen Glanz der edlen Metalle geblendet und 20 darum noch Fetischdiener des Metaügeldes sind — sind noch nicht die voüendeten Geldnationen. Gegensatz von Frankreich und England. Wie sehr die Lösung der theoretischen Räthsel eine Aufgabe der Praxis und praktisch vermittelt ist, wie die wahre Praxis die Bedingung einer wüküchen und positiven Theorie ist, zeigt sich ζ. B. am Fetischismus. Das 25 sinnüche Bewußtsein des Fetischdieners ist ein andres, wie das d[es] Grie chen, weü sem sinnliches Dasein noch ein andres ist. Die abstrakte Feind schaft zwischen Sinn und Geist ist nothwendig, so lang der menschüche Sinn für die Natur, der menschliche Sinn der Natur, also auch der natürliche Sinn d[es] Menschen noch nicht durch die eigne Arbeit d[es] Menschen producüt ist. Die Gleichheit ist nichts andres als das deutsche Ich = Ich, in französische, d. h. poütische Form übersezt. Die Gleichheit als Grund des Communismus ist seme politische Begründung und ist dasselbe, als wenn der Deutsche ihn sich dadurch begründet, daß er d[en] Menschen als all gemeines Selbstbewußtsein faßt. Es versteht sich, daß die Aufhebung der Entfremdung immer von der Form der Entfremdung aus geschieht, welche die herrschende Macht ist, in Deutschland das Selbstbewußtsein, in Frank reich die Gleichheit, weü die Poütik, in England das wüküche materieüe sich 30 35 286 Heft III. Seite XIX ν 10 nur an sich selbst messende praktische Bedürfniß. Von diesem Punkt aus ist Proudhon zu kritisiren und anzuerkennen. Wenn wir den Communismus selbst noch — weil als Negation der Negation, als die An eignung des menschlichen Wesens, die sich mit sich durch Negation d[es] 5 Privateigenth[ums vermi]ttelt, daher noch nicht als die wahre, von sich selbst, sondern vielmehr vom Privateigenthum aus beginnende Position — bezeichnen, [...] in altdeutscher Weise — nach Weise der hegel'schen Phänomenologie — so aufzu[...] als ein überwundnes Moment nun ab gemacht sei und man [...] könne, und sich dabei beruhigen könne, ihn in seinem Bewußtsein aufge[...] des menschlichen Wesens nur durch d. wirkliche [...] Aufhebung seines Gedankens nach wie vor [...] da also mit ihm die wirkliche || Entfremdung des menschlichen Lebens bleibt und eine um so grössere Entfremdung bleibt, je mehr man ein Bewußtsein über sie als eine solche hat — vollbracht werden kann, so ist sie also nur durch den ins Werk gesezten Communismus zu vollbringen. Um d[en] Gedanken des Privateigenthums aufzuheben, dazu reicht der gedachte Communismus vollständig aus. Um das wirkliche Privateigenthum aufzuheben, dazu gehört eine wirktiche communistische Aktion. Die Geschichte wird sie bringen und jene Bewegung, die wir in Gedanken schon als eine sich selbst aufhebende 20 wissen, wird in der Wirklichkeit einen sehr rauhen und weitläufigen Proceß durchmachen. Als einen wirklichen Fortschritt müssen wir es aber be trachten, daß wir von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes Bewußtsein erworben haben. 15 25 30 Wenn die communistischen Handwerker sich vereinen, so gilt ihnen zunächst die Lehre, Propaganda etc als Zweck. Aber zugleich eignen sie sich dadurch ein neues Bedürfniß, das Bedürfniß der GeseUschaft an und was als Mittel erscheint, ist zum Zweck geworden. Diese praktische] Bewegung kann man in ihren glänzendsten Resultaten anschaun, wenn man sociali- stische französische ouvriers vereinigt sieht. Rauchen, Trinken, Essen etc sind nicht mehr da als Mittel der Verbindung und als verbindende Mittel. Die GeseUschaft, der Verein, die Unterhaltung, die wieder die GeseUschaft zum Zweck hat, reicht ihnen hin, die Brüderlichkeit d[er] Menschen ist kerne Phrase, sondern Wahrheit bei ihnen und der Adel der Menschheit leuchtet 35 un[s] aus den von der Arbeit verhärteten Gestalten entgegen. 1 |XX| — Wenn die Nationalökonomie behauptet, daß Nachfrage und Zufuhr sich immer decken, so vergißt sie sogleich, daß nach ihrer eignen Behauptung die Zufuhr von Menschen (Bevölkerungstheorie) immer die Nachfrage übersteigt, daß also bei dem wesentlichen Resultat der ganzen Production 40 — der Existenz d[es] Menschen—das Mißverhältniß zwischen Nachfrage und Zufuhr seinen entschiedensten Ausdruck erhält. 289 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Wie sehr das Geld das als Mittel erscheint, die wahre Macht und der einzige Zweck ist — wie sehr überhaupt das Mittel, das mich zum Wesen macht, das mir das fremde gegenständliche Wesen aneignet, Selbstzweck ist, . .. das kann man daraus ersehn, wie Grundeigenthum, da wo der Boden die Le bensquelle, Pferd und Schwerdt, da wo sie das wahre Lebensmittel sind — auch als die wahren politischen Lebensmächte anerkannt sind. Im Mittelalter ist ein Stand emancipirt, sobald er das Schwerdt tragen darf. Bei noma dischen Bevölkerungen ist das Roß das, was mich zum Freien, zum Theilnehmer am Gemeinwesen macht. Wir haben oben gesagt, daß der Mensch zu der Höhlenwohnung etc aber zu ihr unter einer entfremdeten, feindseeligen Gestalt zurückkehrt. Der Wilde in seiner Höhle — diesem unbefangen sich zum Genuß und Schutz darbietenden Naturelement — fühlt sich nicht fremder, oder fühlt sich viel mehr so heimisch, als der Fisch im Wasser. Aber die Kellerwohnung des Armen ist eine f eindliche als „fremde Macht an sich haltende Wohnung, die sich ihm nur hingiebt, sofern er seinen Blutschweiß ihr hingiebt", die er nicht als seine Heimath, — wo er endlich sagen könnte, hier bin ich zu Hause — betrachten darf, wo er sich vielmehr in dem Haus eines andern, in einem fremden Hause befindet, der täglich auf der Lauer steht und ihn hinauswirft, wenn er nicht die Miethe zahlt. Ebenso weiß er der Qualität nach seine Wohnung im Gegensatz zur jenseitigen, im Himmel des Reichthums, re- sidirenden menschlichen Wohnung. Die Entfremdung erscheint sowohl darin, daß mein Lebensmittel eines andern ist, daß dieß, was mein Wunsch der unzugängliche Besitz eines andern ist, als daß jede Sache selbst ein andres als sie selbst, als daß meine Thätigkeit ein andres, als endüch, — und dieß gilt auch für den Capitalisten — daß überhaupt die unmenschliche Macht her[rscht.] | I Die Bestimmung des sich nur zum Genuß preißgebenden, unthätigen und verschwendenden Reichthums — worin der Geniessende zwar einerseits sich als ein nur vergängliches, wesenlos sich austobendes Individuum bethätigt und ebenso die fremde Sklavenarbeit, den menschlichen Blutschweiß als die Beute seiner Begierde, und darum d[en] Menschen selbst, also auch sich selbst als ein aufgeopfertes nichtiges Wesen weiß, wobei die Menschen verachtung als Uebermuth, als ein Wegwerfen dessen, was hundert mensch liche Leben fristen kann, theils als die infame Illusion erscheint, daß seine zügellose Verschwendung und haltlose, improduktive Consumtion die Arbeit und damit die Subsistenz des andern bedingt, der die Verwirklichung der menschlichen Wesensfaäfte nur als Verwirklichung seines Unwesens, seiner Laune und willkührlich bizarren Einfälle weiß, dieser Reichthum, der aber andrerseits den Reichthum als ein bloses Mittel und nur der Vernichtung werthes Ding weiß, der also zugleich sein Sklave und sein Herr, zugleich 290 r ν 10 15 großmüthig und niederträchtig, launenhaft, dünkelhaft, eingebildet, fein, gebildet, geistreich ist, — dieser Reichthum hat noch nicht den Reichthum als eine gänzlich fremde Macht über sich selbst erfahren; er sieht in ihm vielmehr nur seine eigne Macht, und [nicht] d[er] Reichthum, sondern d[er] 5 Genuß [.. .]r lezter Endzweck. Dieser R[eichthum] [.. .]m [...] l|XXl| und der glänzenden, durch den sinnlichen Schein geblendeten Illusion, über das Wesen des Reichthums, tritt der arbeitende, nüchterne, prosaische \ ökono mische — über das Wesen des Reichthums aufgeklärte Industrieüe gegenüber — und wie er jener Genußsucht einen größren Umkreis verschafft, ihm schöne Schmeicheleien in seinen Productionen sagt, — seine Producte sind eben so viel niedrige Complimente an die Gelüste des Verschwenders — so weiß er die jenem verschwindende Macht auf die eiozig nützliche Weise sich selbst anzueignen. Wenn sonach der industrieüe Reichthum zunächst als Resultat des verschwenderischen, phantastischen Reichthums erscheint, — so verdrängt die Bewegung des erstem auch auf thätige Weise, durch ihm eigne Bewegung den leztem. Das Fallen des Geldzinses ist nämüch eine nothwendige Consequenz und Resultat der industrieüen Bewegung. Die Mittel des verschwenderischen Rentiers vermindern sich also tägüch, grade im umgekehrten Verhältniß zur Vermehrung der Mittel und FaUstricke des 20 Genusses. Er muß also entweder sein Capital selbst verzehren, also zu Grunde gehn oder selbst zum industrieüen Capitaüsten werden. . .. And rerseits steigt zwar die Grundrente unmittelbar beständig durch den Lauf der industrieüen Bewegung, aber — wü haben es schon gesehn — es kömmt nothwendig ein Zeitpunkt, wo das Grundeigenthum in die Categorie des mit 25 Gewinn sich reproducüenden Capitals, wie jedes andre Eigenthum faüen muß — und zwar ist dieß das Resultat derselben industrieüen Bewegung. Also muß auch der verschwenderische Grundherr entweder sein Capital ver zehren, also zu Grunde gehn — oder selbst der Pächter seines eignen Grund stücks — ackerbauender Industrieüer werden. Die Verminderung 3o des Geldzinses — welche Proudhon als die Aufhebung des Capitals und als Tendenz nach d[ie] Socialisirung des Capitals betrachtet—ist daher vielmehr unmittelbar nur ein Symptom von dem voüständigen Sieg des arbeitenden Capitals über den verschwenderischen Reichthum, d. h. die Verwandlung aües Privateigenthums in industrielles Capital — der voüständige Sieg des 35 Privateigenthums über alle dem Schein nach noch menschlichen Qualitäten desselben und die völüge Unterjochung des Privateigenthümers unter das Wesen des Privateigenthums, — die Arbeit. | I AUerdings genießt auch der industrieüe Capitalist. Er kehrt keineswegs zur unnatürüchen Einfachheit des Bedürfnisses zurück, aber sein Genuß ist 40 nur Nebensache, Erholung, untergeordnet der Production, dabei berech neter, also selbst ökonomischer Genuß, denn er schlägt seinen Genuß zu den 291 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Kosten des Capitals, und sein Genuß darf ihm daher nur so viel kosten, daß das an ihm Verschwendete durch die Reproduction des Capitals mit Gewinn wieder ersezt wird. Der Genuß ist also unter das Capital, das geniessende Individuum unter das Capitalisirende subsumirt, während früher das Gegen theil stattfand. Die Abnehmung der Zinsen ist daher nur insofern ein Sym- ptom der Aufhebung des Capitals, als sie ein Symptom seiner sich voll endeten Herrschaft, der sich vollendenden und daher ihrer Aufhebung zueilenden Entfremdung ist. Dieß ist überhaupt die einzige Weise, wie das Bestehende sein Gegentheil bestätigt. Der Zank d[er] National ökonomen über Luxus und Ersparung ist daher nur der Zank der über das Wesen des Reichthums ins Klare gekommenen Nationalökonomie mit der jenigen, die noch mit Romantischen antiindustriellen Erinnerungen behaf tet ist. Beide Theile wissen sich aber den Gegenstand des Streits nicht auf seinen einfachen Ausdruck zu bringen und werden daher nicht mit einander fertig. 1 5 10 15 [VI] |XXII| (Sieh p. XVIII.) Das Grosse an der Hegeischen Phänomenologie und ihrem Endresultate — der Dialektik, der Negativität als dem bewegenden und erzeugenden Princip — ist also, einmal daß Hegel die Selbsterzeugung d[es] Menschen als 20 einen Proceß faßt, die Vergegenständlichung als Entgegenständhchung, als Entäusserung, und als Aufhebung dieser Entäusserung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen Menschen, wahren, wen wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen Arbeit begreift. Das wirk liche, thätige Verhalten des Menschen zu sich als Gattungswesen, oder die 25 Bethätigung seiner als eines wirklichen Gattungswesens, d. h. als mensch lichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er wirklich alle seine Gattungs kräfte — was wieder nur durch das Gesammtwirken d[es] Menschen möglich ist, nur als Resultat der Geschichte — heraus schafft, sich zu ihnen als Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur in der Form der Ent- 30 fremdung möglich ist. Die Einseitigkeit und die Grenze Hegels werden wir nun ausführlich an dem Schlußkapitel der Phänomenologie — das absolute Wissen—ein Kapitel, welches sowohl der zusammengefaßte Geist der Phänomenologie, ihr Ver hältniß zur spekulativen Dialektik, als auch das Bewußtsein Hegels über beide und ihr wechselseitiges Verhältniß enthält — darstellen. 35 Vorläufig nehmen wir nur noch das vorweg: Hegel steht auf dem Stand- 292 r VI punkt der modernen Nationalökonomen. Er erfaßt die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen d[es] Menschen; er sieht nur die positive Seite der Arbeit, nicht ihre negative. Die Arbeit ist das Fürsich werden d[es] Menschen innerhalb der Entäusserung oder als entäusserter Mensch. Die 5 Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt ist die abstrakt geistige. Was also überhaupt das Wesen der Phüosophie büdet, die Entäusserung des sich wissenden Menschen oder die sich denkende entäusserte Wissenschaft, dieß erfaßt Hegel als ihr || Wesen, und er kann daher der vorhergehenden Phi losophie gegenüber ihre einzelnen Momente zusammenfassen und seine 10 Phüosophie als die Phüosophie darsteüen. Was die andern Phüosophen thaten — daß sie einzelne Momente der Natur und des menschüchen Lebens als Momente des Selbstbewußtseins und zwar des abstrakten Selbstbewußt seins fassen — das weiß Hegel als das Thun der Phüosophie. Darum ist seine Wissenschaft absolut. 15 Gehn wü nun zu unserm Gegenstand über. Das absolute Wissen. Leztes Capitel der Phänomenologie. Die Hauptsache ist, daß der Gegenstand des Bewußtseins nichts andres als das Selbstbewußtsein oder daß der Gegenstand nur das vergegenständ lichte Selbstbewußtsein, das Selbstbewußtsein als Gegenstand ist. (Setzen 20 d[es] Menschen = Selbstbewußtsein.) 25 Es g ut daher den Gegenstand des Bewußtseins zu überwinden. Die Gegen ständlichkeit als solche g ut für ein entfremdetes, dem menschlichen Wesen, dem Selbstbewußtsein nicht entsprechendes Verhältniß des Menschen. Die Wiederaneignung des als fremd, unter der Bestimmung der Entfremdung erzeugten gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, hat also nicht nur die Bedeutung, die Entfremdung, sondern die Gegenständlichkeit aufzuheben, d. h. also der Mensch g ut als ein nicht-gegenständliches, sptitualistisches Wesen. Die Bewegung der Ueberwindung des Gegenstandes des Bewußtseins 30 beschreibt Hegel nun wie folgt: Der Gegenstand zeigt sich nicht nur (dieß ist nach Hegel die einseitige — also die die eine Seite erfassende — Auffassung jener Bewegung) als zurück kehrend in das Selbst. Der Mensch wüd = Selbst gesezt. Das Selbst ist aber nur der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der 35 Mensch ist selbstisch. Sem Auge, sein Ohr etc ist selbstisch; jede semer Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deßweg[en] ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr', Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Quaütät der mensch- * liehen Natur, des menschlichen Auges etc, nicht die menschliche Natur ist 40 eme Quaütät des ||XXTV| Selbstbewußtseins. Das für sich abstrahirte und fixüte Selbst ist der Mensch als abstrakter 293 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Egoist, der in seine reine Abstraktion, zum Denken erhobne Egoismus. (Wir kommen später hierauf zurück.) Das menschliche Wesen, der Mensch gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. 5 Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfrem dung des Selbstbewußtseins. Die Entfremdung des Selbstbewußtseins gilt nicht als Ausdruck, im Wissen und Denken sich abspiegelnder Ausdruck der wtklichen Entfremdung des menschlichen Wesens. Die wtldiche, als real erscheinende Entfremdung vielmehr ist ihrem innersten verborgnen — und erst durch die Philosophie ans Licht gebrachten — Wesen nach nichts andres als die Erscheinung von der Entfremdung des wirklichen Menschlichen Wesens, des Selbstbewußtseins. Die Wissenschaft welche dieß begreift heißt daher Phänomenologie. Alle Wiederaneignung des entfremdeten gegen ständlichen Wesens erscheint daher als eine Einverleibung in das Selbst bewußtsein; der sich seines Wesens bemächtigende Mensch ist nur das der gegenständlichen Wesen sich bemächtigende Selbstbewußtsein. Die Rück- 15 kehr des Gegenstandes in das Selbst ist daher die Wiederaneignung des Gegenstandes. 10 Allseitig ausgedrückt ist die Ueberwindung des Gegenstandes des Be wußtseins: 1) daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver- 20 schwindend darstellt; 2) daß die Entäusserung des Selbstbewußtseins es ist, welche die Dingheit sezt; 3) daß diese Entäusserung nicht nur negative, sondern positive Bedeutung hat, 4) sie nicht nur fit uns oder an sich, sondern für es selbst hat. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben, dadurch daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits hegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenom- men hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 7) Dieß ist die Bewegung des Bewußtseins und dieß ist darin die Totalität seiner Momente. 8) Es muß sich ebenso zu dem Gegenstand nach der Totalität seiner Be stimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese Totali||tät seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen und für das Bewußtsein wird dieß in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden einzelnen derselben als des Selbsts oder durch das eben genannte geistige Verhalten zu ihnen. 25 30 35 ad 1. Daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver schwindend darstellt ist die oben erwähnte Rückkehr des Gegenstandes in das Selbst. 40 294 VI ad 2. Die Entäusserung des Selbstbewußtseins sezt die Dingheit. Weil der Mensch = Selbstbewußtsein, so ist sein entäussertes gegenständliches Wesen oder die Dingheit— (das was für ihn Gegenstand ist, und Gegenstand ist wahrhaft nur für ihn was ihm wesentlicher Gegenstand, was also sein gegenständliches Wesen ist. Da nun nicht der wirkliche Mensch, darum auch nicht die Natur — der Mensch ist die menschliche Natur — als solcher zum Subjekt gemacht wird, sondern nur die Abstraktion d[es] Menschen, das Selbstbewußtsein, so kann die Dingheit nur das entäusserte Selbstbewußt sein sein) = dem entäusserten Selbstbewußtsein und die Dingheit ist durch diese Entäusserung gesezt. Daß ein lebendiges, natürliches, mit gegenständ lichen i.e. materiellen Wesenskräften ausgerüstetes und begabtes Wesen auch sowohl wtkliche natürliche Gegenstände seines Wesens hat, als daß seine Selbstentäusserung die Setzung einer wirklichen, aber unter der Form der Aüsserlichkeit, also zu seinem Wesen nicht gehörigen, übermächtigen gegenständlichen Welt ist, ist ganz natürlich. Es ist nichts Unbegreifliches und Räthselhaf tes dabei. Vielmehr wäre das Gegentheil räthselhaf t. Aber daß ein Selbstbewußtsein durch seine Entäusserung nur die Dingheit, d. h. selbst nur ein abstraktes Ding, ein Ding der Abstraktion und kein wirkliches Ding setzen kann, ist eben so klar. Es ist | |XXVl| ferner klar, daß die Dingheit daher durchaus nichts Selbstständiges, Wesentliches gegen das Selbstbewußtsein, sondern ein bloses Geschöpf, ein von ihm Geseztes ist und das Gesezte, statt sich selbst zu bestätigen, ist nur eine Bestätigung des Actes des Setzens, der einen Augenblick seine Energie als das Product f ixirt und zum Schein ihm die Rolle — aber nur für einen Augenblick—eines selbstständigen, wirklichen Wesens ertheilt. Wenn der wirkliche, leibliche, auf der festen wohlgerundeten Erde ste hende, alle Naturkräfte aus und einathmende Mensch seine wirklichen, gegenständlichen Wesenskräfte durch seine Entäusserung als fremde Ge genstände sezt, so ist nicht das Setzen Subjekt; es ist die Subjektivität gegenständhcher Wesenskräfte, deren Action daher auch eine gegenständ liche sein muß. Das Gegenständliche Wesen wirkt Gegenständlich und es würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner Wesensbestimmung läge. Es schafft, sezt nur Gegenstände, weil es durch Gegenstände gesezt ist, weil es von Haus aus Natur ist. In dem Akt des Setzens fällt es also nicht aus seiner „reinen Thätigkeit" in ein Schaffen des Gegenstandes, sondern sein gegenständliches Product bestätigt nur seine gegenständliche Thätigkeit, seine Thätigkeit als die Thätigkeit eines gegen ständlichen natürlichen Wesens. Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus sich sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet und zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist. Wir sehn zugleich, wie 295 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III nur der Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begrei fen. 10 5 Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als leben diges Naturwesen ist er theils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften ausgerüstet, ein thätiges Naturwesen, diese Kräfte existiren in ihm als Anlagen und Fähigkeiten, als Tríebe ; theils ist er als natürliches, leibliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränk tes Wesen, wie es auch das Thier und die Pflanze ist; d. h. die Gegenstände seiner Triebe exis||tiren ausser ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses zar Bethä- tigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche Gegenstände. Daß der Mensch ein leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches Gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäus- serung hat oder daß er nur an wirklichen sinnlichen Gegenständen sein Leben 15 äussern kann. Gegenständlich, natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegen stand, Natur, Sinn ausser sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn für ein drittes sein ist identisch. Der Hunger ist ein natürliches Bedürfniß; er bedarf also einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich, um sich zu befriedigen, um sich zu stillen. Der Hunger ist das gestandne Be- 20 dürfniß meines Leibes nach einem ausser ihm seienden, zu seiner Integrirung und Wesensäusserung unentbehrlichen Gegenstand. Die Sonne ist der Gegenstand der Pflanze, ein ihr unentbehrlicher, ihr Leben bestätigender Gegenstand, wie die Pflanze Gegenstand der Sonne ist, als Äusserung von der Lebenserweckenden Kraft der Sonne, von der gegenständlichen We- senskraft der Sonne. 25 Ein Wesen, welches seine Natur nicht ausser sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht Then am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen Gegenstand ausser sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen 30 zu seinem Gegenstand, d. h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist kein Gegenständliches. ||XXVfl| Ein ungegenständliches Wesen ist ein Unwesen. Sezt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist, noch einen Gegen stand hat. Ein solches Wesen wäre erstens das einzige Wesen, es existirte 35 kein Wesen ausser ihm, es existirte einsam und allein. Denn sobald es Gegenstände ausser mir giebt, so bald ich nicht allein bin, bin ich ein andres, eine andre Wirklichkeit als der Gegenstand ausser mir. Für diesen 3t ón Gegenstand bin ich also eine andre Wirklichkeit als er, d. h. sein Gegenstand. Ein Wesen, welches nicht Gegenstand eines andren Wesens ist, unterstellt 40 also, daß kein gegenständliches Wesen existirt. Sobald ich einen Gegenstand 296 Γ vi habe, hat dieser Gegenstand mich zum Gegenstand. Aber ein ungegenständ liches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, d.h. nur eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion. Sinnlich sein, d. h. wirklich sein, ist Gegenstand des Sinns sein, sinnlicher Gegenstand sein, also sinnliche 5 Gegenstände ausser sich haben, Gegenstände seiner Sinnlichkeit haben. Sinnlich sein ist leidend sein. Der Mensch als ein gegenständliches sinnliches Wesen ist daher ein lei dendes und weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand 10 energisch strebende Wesenskraft d[es] Menschen. 15 20 Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches Naturwesen; d. h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und bethäügen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Na- turgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnlichkeit, menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur — objektiv — noch die Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adaequat vor handen. Und wie alles Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch seinen Entstehungsakt d[ie] Geschichte, die aber für ihn, eine gewußte und darum als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die Geschichte ist die wahre Naturgeschichte d[es] Menschen. (Darauf zurückzukommen.) | 25 I Drittens, weil dieß Setzen der Dingheit selbst nur ein Schein, ein dem Wesen der reinen Thätigkeit widersprechender Akt ist, muß es auch wieder aufgehoben, die Dingheit geläugnet werden. 30 35 ad3,4,5,6.3.) Diese Entäusserung des Bewußtseins hat nicht nur negative sondern auch positive Bedeutung und 4) diese positive Bedeutung nicht nur für uns oder an sich, sondern für es, d[as] Bewußtsein selbst. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung weiß es als Gegenstand oder d[en] Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Für- sichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits hegt hierin zugleich das andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anders sein als solchem bei sich ist. 40 Wir haben schon gesehn. Die Aneignung des entfremdeten Gegenständ- liehen Wesens oder die Aufhebung der Gegenständlichkeit unter der Be stimmung der Entfremdung, — die von der gleichgültigen Fremdheit bis zur 297 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III wirklichen f eindseeligen Entfremdung f ortgehn muß—hat für Hegel zugleich oder sogar hauptsächlich die Bedeutung, die Gegenständlichkeit aufzuheben, weil nicht der bestimmte Charakter des Gegenstandes, sondern sein gegen ständlicher Charakter für das Selbstbewußtsein das Anstössige und die Entfremdung ist. Der Gegenstand ist daher ein Negatives, ein sich selbst aufhebendes, eine Nichtigkeit. Diese Nichtigkeit desselben hat für das Bewußtsein nicht nur eine negative, sondern eine positive Bedeutung, denn jene Nichtigkeit des Gegenstandes ist eben die Selbstbestätigung der Un- gegenständüchkeit, der ||XXVIH| Abstraktion, seiner selbst. Für das Be wußtsein selbst hat die Nichtigkeit des Gegenstandes darum eine positive Bedeutung, daß es diese Nichtigkeit, das gegenständliche Wesen, als seine Selbstentäusserung weiß; daß es weiß, daß sie nur ist durch seine Selbst- entäusserung. . .. Die Art, wie das Bewußtsein ist, und wie etwas für es ist, ist das Wissen. Das Wissen ist sein einziger Akt. Etwas wird daher für dasselbe, insofern es dieß etwas weiß. Wissen ist sein einziges Gegenständ- liches Verhalten. — Es weiß nun die Nichtigkeit des Gegenstandes, d. h. das Nichtunterschiedensein des Gegenstandes von ihm, das Nichtsein des Gegenstandes für es — dadurch — daß es den Gegenstand als seine Selbst entäusserung weiß, d. h. sich — das Wissen als Gegenstand — dadurch weiß, daß der Gegenstand nur der Schein eines Gegenstandes, ein vorgemachter Dunst ist, seinem Wesen nach aber nichts andres als das Wissen selbst, welches sich sich selbst entgegengestellt und daher sich eine Nichtigkeit, ein etwas entgegengestellt hat, was keine Gegenständlichkeit ausser dem Wissen hat; oder das Wissen weiß, daß es, indem es sich zu einem Gegenstand verhält, nur ausser sich ist, sich entäussert; daß es selbst sich nur als Gegen- stand erscheint, oder daß das, was ihm als Gegenstand erscheint, nur es selbst ist. 5 10 -15 20 25 Andrerseits, sagt Hegel, liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit eben so sehr aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 30 Wir haben in dieser Auseinandersetzung alle Illusionen der Spekulation zusammen. Einmal: Das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. Es ist daher — oder wenn wir hier von der hegelschen Abstraktion abstrahiren und statt d[as] Selbstbewußtsein das Selbstbewußt sein d[es] Menschen setzen — es ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. 35 Darin liegt einmal, daß das Bewußtsein — das Wissen — als Wissen — das Denken als Denken — unmittelbar das andere seiner selbst, Sinnlichkeit, 40 Wirklichkeit, Leben zu sein vorgiebt, das im Denken sich überbietende 298 VI Denken. (Feuerbach.) Diese Seite ist hierin enthalten, insofern das Bewußt sein als nur Bewußtsein nicht an der entfremdeten Gegenständlichkeit, sondern an der Gegenständlichkeit als solcher seinen Anstoß hat. | I Zweitens liegt hierin, daß der selbstbewußte Mensch, insofern er die 5 geistige Welt — oder das geistige allgemeine Dasein seiner Welt als Selbst- entäusserung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in dieser entäusserten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgiebt, sie wiederherstellt, in seinem Anderssein als solchem bei sich zu sein vor- giebt, also nach Aufhebung z . B. der Religion, nach der Erkennung der 10 Religion als eines Products der Selbstentäusserung dennoch in der Religion als Religion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivis mus Hegels oder seines nur scheinbaren Kriticismus; was Feuerbach als Setzen, Negiren und Wiederherstellen der Religion oder Theologie bezeich net, was aber allgemeiner zu fassen ist. Also die Vernunft ist bei sich in der 15 Unvernunft als Unvernunft. Der Mensch, der in Recht, Politik etc ein ent- äussertes Leben zu führen erkannt hat, führt in diesem entäusserten Leben als solchem sein wahres menschüches. Die Selbstbejahung, Selbstbestäti gung im Widerspruch mit sich selbst, sowohl mit dem Wissen, als mit dem Wesen des Gegenstandes, ist also das wahre Wissen und Leben. 20 Von einer Accommodation Hegels gegen Reügion, Staat etc kann also keine Rede mehr sein, da diese Lüge die Lüge seines Principe ist. | |XXDC| Wenn ich die Religion als entäussertes menschliches Selbst bewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Reügion nicht mein Selbst bewußtsem, sondern mein entäussertes Selbstbewußtsein in ihr bestätigt. 25 Mein sich selbst, seinem Wesen angehöriges Selbstbewußtsein weiß ich also dann nicht in der Religion, sondern vielmehr in der vernichteten, auf gehobnen Reügion bestätigt. 30 Bei Hegel ist die Negation der Negation daher nicht die Bestätigung des wahren Wesens, eben durch Negation des Scheinwesens, sondern die Be- stätigung des Scheinwesens oder des sich entfremdeten Wesens in seiner Verneinung oder die Verneinung dieses Scheinwesens als eines gegenständ lichen, ausser dem Menschen hausenden und von ihm unabhängigen Wesens und seme Verwandlung in das Subjekt. Eine eigentümliche Roüe spielt daher das Aufheben, worm die Ver- 35 neinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind. ist So z.B. in Hegels Rechtsphüosophie das aufgehobne Privat recht - Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Fami lie = bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche GeseUschaft gleich Siaar, der aufgehobne Staat = Weltgeschichte. In der Wirklichkeit 40 bleiben Privatrecht, Moral, Famüie, bürgerliche GeseUschaft, Staat, etc bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseins- 299 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III weisen d[es] Menschen, die nicht isolirt gelten, sich wechselseitig auflösen und erzeugen etc, Momente der Bewegung. \ 5 I In ihrer wirklichen Existenz ist dieß ihr bewegliches Wesen verborgen. Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philoso phie und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphiloso- phisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophi sches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Eben so ist die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst = die Religions- Natur- 1 o Staats- Kunstphilosophie. Wenn aber mir die Religionsphilosophie etc nur das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphüosoph wahrhaft religiös ; so verläugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, theils innerhalb meines eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegen 15 setze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; theils in ihrer eigen t ü m l i c h en ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare Anderssein, als Allegorien, unter sinnlichen Hullen verborgne Gestalten ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins. | /Eben so ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne 20 Quantität = Maaß, das aufgehobne Maaß = Wesen, das aufgehobne Wesen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung - Wirklichkeit, die aufgehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne subjektive Geist = sittlichem, objektivem Geist, der aufgehobne sittliche Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Reli gion = absolutem Wissen. Einerseits ist dieß Aufheben ein Aufheben des Gedachten Wesens, also 25 das gedachte Privateigenthum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und weil das Denken sich einbildet, unmittelbar d[as] andre seines selbst zu sein, sinnliche Wirklichkeit, || also ihm seine Action auch für sinnliche wirkliche Action gilt, so glaubt dieß denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand in der Wirldichkeit stehn läßt, ihn wirklich überwunden zu haben, und andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum gilt 35 er ihm auch in seiner Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des Selbstbewußtseins, der Abstraktion. / 30 |XXX| Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die Philosophie aufhebt, daher nicht die wirkliche Religion, Staat, Natur, son dern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach der einen 40 300 VI Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wirklichen Wesen als zu der unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphiloso phischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren Begriffen. 5 Andrerseits kann sich der religiöse etc Mensch in Hegel seine lezte Be stätigung finden. Es sind nun die positiven Momente der hegel'schen Dialektik — innerhalb der Bestimmung der Entfremdung — zu fassen, a) Das Aufheben, als gegenständliche, die Entäusserung in sich zurück- 10 nehmende Bewegung. — Es ist dieß die innerhalb der Entfremdung aus gedrückte Einsicht von der Aneignung des gegenständlichen Wesens durch die Aufhebung seiner Entfremdung, die entfremdete Einsicht in die wirkliche Vergegenständlichung des Menschen, in die wirkliche Aneignung seines gegenständlichen Wesens durch die Vernichtung der entfremdeten Bestim- 15 mung der Gegenständlichen Welt, durch ihre Aufhebung, in ihrem ent fremdeten Dasein, wie der Atheismus als Aufhebung Gottes das Werden des theoretischen Humanismus, der Communismus als Aufhebung des Privat eigenthums die Vindication des wirklichen menschüchen Lebens als seines Eigenthums ist, das Werden des praktischen Humanismus ist oder der 20 Atheismus ist der durch Aufhebung der Reügion, der Communismus der durch Aufhebung des Privateigenthums mit sich vermittelte Humanismus. Erst durch die Aufhebung dieser Vermittelung — die aber eine nothwendige Voraussetzung ist — wüd der positiv von sich selbst beginnende, der positive Humanismus. 25 Aber Atheismus, Communismus sind kerne Flucht, kerne Abstraction, kern Verüeren der von dem Menschen erzeugten gegenständlichen Welt, seiner zur Gegenständlichkeit herausgebornen Wesenskräfte, kerne zur unnatür lichen, unentwickelten Einfachheit zurückkehrende Armuth. Sie sind vielmehr erst das wirküche Werden, die wüküch für den Menschen ge- 30 wordne Verwüklichung seines Wesens oder seines Wesens als eines wük üchen. ι I Hegel faßt also, indem er den positiven Sinn der auf sich selbst bezognen Negation — wenn auch wieder in entfremdeter Weise — faßt, die Selbst entfremdung, Wesensentäusserung, Entgegenständlichung und Entwükli- 35 chung d[es] Menschen als Selbstgewinnung, Wesensäusserung, Vergegen ständlichung, Verwüklichung. Kurz er faßt — innerhalb der Abstraktion — die Arbeit als den Selbsterzeugungsakt des Menschen, das Verhalten zu sich als fremdem Wesen und das Bethätigen seiner als eines fremden Wesens als das werdende Gattungsbewußtsein und Gattungsleben. 40 b) Bei Hegel — abgesehn oder vielmehr als Consequenz der schon ge schilderten Verkehrtheit — erscheint dieser Akt aber einmal als ein nur 301 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III formeller, weil als ein abstrakter, weil das menschliche Wesen selbst nur als abstraktes Denkendes Wesen, als Selbstbewußtsein gilt; und zweitens, weil die Fassung formell und abstrakt ist, darum wird die Aufhebung der Entäusserung zu einer Bestätigung der Entäusserung oder für Hegel ist jene Bewegung des Selbsterzeugens, des Selbstvergegenständ- lichens als Selbstentäusserung und Selbstentfremdung die absolute und darum die lezte, sich selbst bezweckende und in sich beruhigte, bei ihrem Wesen angelangte menschliche Lebensäusserung. [Diese Be]wegung in ihrer abstrakten ||XXXl| Form als Dialektik gilt daher als das wahrhaft mensch liche Leben und weil es doch eine Abstraktion, eine Entfremdung des 10 menschlichen Lebens ist, gilt es als göttlicher Proceß, aber als der göttliche Proceß des Menschen, — ein Proceß, den sein von ihm unterschiednes ab straktes, reines, absolutes Wesen selbst durchmacht. 5 Drittens: Dieser Proceß muß einen Träger haben, ein Subjekt; aber das Subjekt wird erst als Resultat; dieß Resultat, das sich als absolutes Selbst- 15 bewußtsein wissende Subjekt, ist daher der Gott, absoluter Geist, die sich wissende und bethätigende Idee. Der wirkliche Mensch und die wirkliche Natur werden blos zu Prädicaten, zu Symbolen dieses verborgnen un wirklichen Menschen und dieser unwirklichen Natur. Subjekt und Prädicat haben daher das Verhältniß einer absoluten Verkehrung zu einander, my- 20 stisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjektivität, das absolute Subjekt als ein Proceß, als sich entäusserndes und aus der Entäusserung in sich zurückkehrendes aber sie zugleich in sich zurück nehmendes Subjekt und das Subjekt als dieser Proceß; das reine rastlose Kreisen in sich. 25 Einmal. Formelle und abstrakte Fassung des Selbsterzeugungs oder SelbstvergegenständUchungsaktes d[es] Menschen. 30 Der entfremdete Gegenstand, die entfremdete Wesenswirklichkeit d[es] Menschen ist — da Hegel d[en] Menschen = Selbstbewußtsein sezt — nichts als Bewußtsein, nur der Gedanke der Entfremdung, ihr abstrakter und darum Inhaltsloser und unwirklicher Ausdruck, die Negation. Die Aufhebung der Entäusserung ist daher ebenfalls nichts als eine abstrakte, inhaltslose Auf hebung jener Inhaltslosen Abstraktion, die Negation der Negation. Die inhaltsvolle, lebendige, sinnliche, konkrete Thätigkeit der Selbstvergegen- ständlichung wird daher zu ihrer blosen Abstraktion, der absoluten Nega- 35 tivität, eine Abstraktion, die wieder als solche fixirt und als eine selbst ständige Thätigkeit, als die Thätigkeit schlechthin gedacht wird. Weil diese sogenannte Negativität nichts andres ist als die abstrakte, Inhaltslose Form jenes wirklichen lebendigen Aktes, darum kann auch ihr Inhalt blos ein formeller, durch || die Abstraktion von allem Inhalt erzeugter Inhalt sein. Es 40 sind daher die allgemeinen abstrakten jedem Inhalt angehörigen, darum auch 302 VI sowohl gegen allen Inhalt gleichgültigen, als eben darum für jeden Inhalt gültigen Abstraktionsformeln, die Denkformen, die logischen Categorien, los gerissen vom wirklichen Geist und von der wkklichen Natur. (Wir wer den den logischen Inhalt der absoluten Negativität weiter unten entwik- .kein.) 5 Das Positive, was Hegel hier vollbracht hat—in seiner spekulativen Logik 11 —ist, daß die bestimmten Begriffe, die allgemeinen fixen Denkformen in ihrer Selbstständigkeit gegen Natur und Geist ein nothwendiges Resultat der allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des mensch- 1 o liehen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktions prozesses dargestellt und zusammengefaßt hat. Ζ. B. das aufgehobne Sein ist Wesen, das aufgehobne Wesen Begriff, der aufgehobne Begriff . .. ab­ solute Idee. Aber was ist nun die absolute Idee? Sie hebt sich selbst wieder auf, wenn sie nicht wieder von vorn den ganzen Abstraktionsakt durch- 15 machen und sich damit begnügen will eine Totalität von Abstraktionen oder die sich erfassende Abstraktion zu sein. Aber die sich als Abstraktion er fassende Abstraktion weiß sich als nichts; sie muß sich, die Abstraktion aufgeben und so kömmt sie bei einem Wesen an, welches grade ihr Gegen- theil ist, bei der Natur. Die ganze Logik ist also der Beweis, daß das abstrakte 20 Denken für sich nichts ist, daß die absolute Idee für sich nichts ist, daß erst die Natur etwas ist. ||ΧΧΧΠ| Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche „nach ihrer Einheit mit sich betrachtet Anschauen ist", (Hegels Encyklopä- die 3te Ausgabe, p. 222) welche „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und 25 Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Wiederschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen" (1. c ), diese ganze so sonderbar und barrock sich gebarende Idee, welche den Hegelianern ungeheure Kopfschmerzen ver ursacht hat ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i. e. der abstrakte Denker, die durch Erfahrung gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, sich unter mancherlei — falschen und selbst noch abstrakten Bedingungen — dazu entschließt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, Bestimmte, an die Stelle ihres Beisichseins \ Nichtsseins, ihrer Allgemeinheit und ihrer Unbestimmtheit zu setzen; die Natur, die sie nur als Abstraktion, als Gedankending, in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d.h. die Ab- straktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts anders als das Abstrakte Denken, das sich auf giebt und zur AnscAauuqg entschließt. Dieser ganze Uebergang der Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres als der — dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher so abentheuerlich von ihm beschriebne Uebergang aus dem Abstrahten in das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem ab- 30 35 40 303 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III strakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht nach einem Inhalt. 5 (Der sich selbstentfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d.h. dem natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken sind daher ausser der Natur und d[em] Menschen hausende fixe Geister. Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden derselben einmal als Negation, d. h. als Entäusserung des menschlichen Denkens, dann als Negation der Negation, d. h. als Aufhebung dieser Ent äusserung, als wirkliche Äusserung des menschlichen Denkens gefaßt; ||aber — als selbst noch in der Entfremdung befangen — ist diese Negation der 10 Negation theils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, theils das Stehnbleiben bei dem lezten Akt, d[em] Sichauf sichbeziehn in der Entäusserung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister, {(d. h. — Hegel sezt den in sich kreisenden Akt der Abstraktion an die Stelle jener fixen Abstraktionen; damit hat er einmal das Verdienst die Geburtsstätte aller 15 dieser — ihrem ursprünglichen Datum nach einzelnen Philosophen zugehö rigen ungehörigen Begriffe nachgewiesen, sie zusammengefaßt und statt einer bestimmten Abstraktion die in ihrem ganzen Umkreis erschöpfte Abstraktion als Gegenstand der Kritik geschaffen zu haben) (warum Hegel das Denken vom Subjekt trennt, werden wir später sehn; es ist aber jezt 20 schon klar, daß, wenn der Mensch nicht ist, auch seine Wesensäusserung nicht menschlich sein kann, also auch das Denken nicht als Wesensäusserung des Menschen als eines menschlichen und natürlichen, mit Augen, Ohren etc in der Gesellschaft und Welt und Natur lebenden Subjekts gefaßt werden konnte)}, theils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich 25 selbst eine unendliche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Auf geben des abstrakten nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohn' Aug' ohn' Zahn ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschliessung die Natur als Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen.) | |XXXIIl| Aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der 30 Trennung v[om] Menschen fixirt, ist für d[en] Menschen nichts. Daß der abstrakte Denker, der sich zum Anschauen entschlossen hat, sie abstrakt anschaut versteht sich von selbst. Wie die Natur von dem Denker, in seiner ihm selbst verborgnen und räthselhaften Gestalt, als absolute Idee, als Gedankending eingeschlossen lag, so hat er in Wahrheit, indem er sie aus 35 sich entlassen hat, nur diese abstrakte Natur—aber nun mit der Bedeutung, daß sie das Anderssein des Gedankens ist, daß sie die wirkliche angeschaute, vom abstrakten Denken unterschiedne Natur ist — nur das Gedankending der Natur aus sich entlassen. Oder, um eine menschliche Sprache zu reden, bei seiner Naturanschauung erfährt der abstrakte Denker, daß die Wesen, 40 welche er in der göttlichen Dialektik als reine Producte der in sich selbst 304 VI 5 10 webenden und nirgends in die Wirklichkeit hinausschauenden Arbeit des Denkens aus dem Nichts, aus der puren Abstraktion zu schaffen meinte, nichts andres sind, als Abstraktionen von Naturbestimmungen. Die ganze Natur wiederholt ihm also nur in einer sinnlichen, äusserlichen Form die logischen Abstraktionen. Er analysirt sie in diesen Abstraktionen wieder. Seine Naturanschauung ist also nur der Bestätigungsakt seiner Abstraktion von der Naturanschauung, der von ihm mit Bewußtsein wiederholte Zeu gungsgang seiner Abstraktion. So ist ζ. B. die Zeit = Negativität, die sich auf sich bezieht: (p. 2381. c.) Dem aufgehobnen Werden als Dasein — entspricht in natürlicher Form — die aufgehobne Bewegung als Materie. Das Licht ist — die natürliche Form — d[er] Reflexion in sich. Der Körper als Mond und Comet — ist die natürliche Form des — Gegensatzes, der nach der Logik einerseits das auf sich selbst ruhende Positive, andrerseits das auf sich selbst ruhende Negative ist. Die Erde ist die natürliche Form des logischen 15 Grundes, als negative Einheit des Gegensatzes etc. | I Die Natur als Natur, d. h. insofern sie sich sinnlich noch unterscheidet von jenem geheimen, in ihr verborgnen Sinn, die Natur getrennt, unter schieden von diesen Abstraktionen ist Nichts, ein sich als Nichts bewäh rendes Nichts, ist Sinnlos oder hat nur den Sinn einer Aüsserlichkeit, die aufgehoben werden muß. 20 „In dem endiich-teleologischen Standpunkt findet sich die richtige Vor aussetzung, daß die Natur den absoluten Zweck nicht in ihr selbst enthält." p.225. Ihr Zweck ist die Bestätigung der Abstraktion. „Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das 25 Negative ihrer selbst oder sich äusserlich ist, so ist die Natur nicht äusserlich nur relativ gegen diese Idee, sondern die Aüsserlichkeit macht die Bestim mung aus, in welcher sie als Natur ist." p. 227. 30 Die Aüsserlichkeit ist hier nicht als die sich äussernde und dem Licht, d[em] sinnüchen Menschen erschloßne Sinnlichkeit zu verstehn. Die Aüs- serlichkeit ist hier im Sinne der Entäusserung, eines Fehlers, eines Ge brechens, das nicht sein soü, zu nehmen. Denn das Wahre ist immer noch die Idee. Die Natur ist nur die Form ihres Andersseins. Und dadas abstrakte Denken das Wesen ist, so ist das, was ihm äusserüch ist, seinem Wesen nach ein nur Aüsserliches. Der abstrakte Denker erkennt zugleich an, daß die Sinnlichkeit das Wesen der Natur ist, die Aüsserlichkeit im Gegensatz zu dem in sich webenden Denken. Aber zugleich spricht er diesen Gegensatz so aus, daß diese Aüsserlichkeit der Natur ihr Gegensatz zum Denken ihr Mangel, daß sie, insofern sie sich von der Abstraktion unterscheidet, ein mangelhaftes Wesen ist. ||XXXTV| Ein nicht nur für mich, in meinen Augen 40 mangelhaftes, ein an sich selbst mangelhaftes Wesen, hat etwas ausser sich, was ihm mangelt. D. h. sein Wesen ist ein andres als es selbst. Die Natur muß 35 305 Heft III. Seite XXXIV Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III sich daher selbst aufheben für den abstrakten Denker, weü sie schon von ihm als ein der Potenz nach aufgehobnes Wesen gesezt ist. „Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit und damit deren absolutes Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff "ist. Diese Identität ist absolute Negativität, weü in der Natur der Begriff seme voll kommene äusserüche Objektivität hat, diese seine Entäusserung aber auf gehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit nur als Zurückkommen aus der Natur." p. 392. „Das Offenbaren, welches als die abstrakte Idee unmittelbarer Uebergang, Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbstständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Er schaffen derselben als seines Sems, in welchem er die Affkmation und Wahrheit seiner Freiheit sich gibt." „Das Absolute ist der Geist; diß ist die höchste Definition des Absoluten." 5 10 15 [VII] Die Grundrente wurde ferner qua Grundrente gestürzt — indem von der 20 neuern Nationalökonomie im Gegensatz zu dem Argument d[er] Physio- kraten, der Grundeigenthümer sei der einzig wahre Producent, vielmehr bewiesen wurde, daß der Grundeigenthümer als solcher vielmehr der einzige ganz impro||duktive Rentier sei. Die Agricultur sei Sache des Capitaüsten, der seinem Capital diese Anwendung gebe, wenn er von ihr den gewöhn- 25 liehen Gewinn zu erwarten habe. Die Aufstellung d[er] Physiocraten — daß das Grundeigenthum als das einzig produktive Eigenthum allein die Staats steuern zu zahlen, also auch aUein sie zu bewüligen und Theü an dem Staatswesen zu nehmen habe — verkehrt sich daher in die umgekehrte Bestimmung, daß die Steuer auf Grundrente die einzige Steuer auf ein 30 improduktives Einkommen sei, daher die einzige Steuer, welche der natio nalen Production nicht schädlich sei. Es versteht sich, daß so gefaßt, auch das poütische Vorrecht der Grundeigenthümer nicht mehr aus ihrer haupt sächlichen Besteuerung folgt. Alles was Proudhon als Bewegung der Arbeit gegen das Capital faßt, ist 35 nur die Bewegung der Arbeit in der Bestimmung des Capitals, des indu striellen Capitals gegen das nicht als Capital, d.h. nicht industriell sich consumnürende Capital. Und diese Bewegung geht ihren siegreichen Weg, 306 r VII d.h. den Weg des Sieges des industriellen Capitals. — Man sieht also, daß erst indem die Arbeit als Wesen des. Privateigenthums gefaßt wird, auch die nationalökonomische Bewegung als solche in ihrer wirklichen Bestimmtheit durchschaut werden kann. 5 Die Gesellschaft — wie sie für den Nationalökonomen erscheint — ist die bürgerliche Gesellschaft, worin jedes Individuum ein Ganzes von Bedürf nissen ist und es nur ||[XXX]V| für d[en] Andern, wie der Andre nur für es da ist, insofern sie sich wechselseitig zum Mittel werden. Der National ökonom — so gut, wie die Politik in ihren Menschenrechten — reducirt alles 1 o auf d[en] Menschen, d. h. auf das Individuum, von welchem er alle Bestimmt heit abstreift, um es als Capitalist oder Arbeiter zu fixiren. Die Theilung der Arbeit ist der nationalökonomische Ausdruck von der Ge sellschaftlichkeit der Arbeit innerhalb der Entfremdung. Oder, da die Arbeit nur ein Ausdruck der menschlichen Thätigkeit innerhalb der Entäusserung, der Lebensäusserung als Lebensentäusserung ist, so ist auch die Theilung der Arbeit nichts andres als das entfremdete, entäusserte Setzen der menschlichen Thätigkeit als einer realen Gattungsthätigkeit oder als Thätig keit d[es] Menschen als Gattungswesen. 15 Ueber das Wesen der Theilung der Arbeit — welche natürlich als ein 20 Hauptmotor der Production des Reichthums gefaßt werden mußte, sobald die Arbeit als das Wiesen des Privateigenthums erkannt war,—d.h. über diese entfremdete und entäusserte Gestalt der menschlichen Thätigkeit als Gat tungsthätigkeit sind die Nationalökonomen sehr unklar und sich wider sprechend. 25 Adam Smith: „Die Theilung der Arbeit verdankt nicht der menschlichen Weisheit ihren Ursprung. Sie ist die nothwendige, langsame und stufenweise Consequenz des Hangs zum Austausch und des wechselseitigen Verscha- cherns der Producte. Dieser Hang zum Handel ist wahrscheirdich eine nothwendige Folge des Gebrauchs der Vernunft und des Wortes. Er ist allen 30 Menschen gemeinschaftlich, findet sich bei keinem Thier. Das Thier sobald es erwachsen ist, lebt auf seine Faust. Der Mensch hat beständig die Unter stützung von andern nöthig und vergeblich würde er sie blos von ihrem Wohlwollen erwarten. Es wird viel sicherer sein, sich an ihr persönliches Interesse zu wenden und sie zu überreden, ihr eigner Vortheil erheische das 35 zu thun, was er von ihnen wünscht. Wir adressiren uns bei andern Menschen nicht an ihre Menschheit, sondern an ihren Egoismus; wir sprechen ihnen niemals von unsern Bedürfnissen, sondern immer von ihrem Vortheil.... Da wir also durch Tausch, Handel, Schacher die Mehrzahl der guten Dienste, die uns wechselseitig nöthig sind, erhalten, so ist es diese Disposition zum 40 Schacher, welche der Theilung der Arbeit \ \ ihren Ursprung gegeben hat. Z.B. In einem Tribus von Jägern oder Hirten macht ein Privatmann Bogen und 309 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 5 Sehnen mit mehr Geschwindigkeit und Geschicklichkeit als ein andrer. Er vertauscht oft mit seinen Genossen diese Arten von Tagwerk gegen Vieh und Wild, er bemerkt bald, daß er lezteres durch dieses Mittel sich leichter verschaffen kann, als wenn er selbst auf die Jagd ginge. Aus interessirter Berechnung macht er also aus der Fabrikation der Bogen etc seine Haupt- beschäftigung. Die Differenz der natürlichen Talente unter den Individuen Ohne ist nicht sowohl die Ursache als der Effekt der Theüung der Arbeit die Disposition d[er] Menschen zu handien und tauschen, wäre jeder ver pflichtet gewesen, sich selbst aüe Nothwendigkeiten und Bequemüchkeiten des Lebens zu verschaffen. Jeder hätte dasselbe Tagewerk zu erf üüen gehabt 10 und jene grosse Däferenz der Beschäftigungen, welche allein eine grosse Differenz der Talente erzeugen kann, hätte nicht Stattgefunden Wie nun dieser Hang zum Tauschen die Verschiedenheit der Talente erzeugt unter den Menschen, so ist es auch derselbe Hang, der diese Verschiedenheit nützlich macht. — Viele Thierraçen, obgleich von derselben Species, haben 15 von der Natur unterschiedene Charaktere erhalten, die in Bezug auf ihre Anlagen Augenfälüger sind, als man bei d[en] ungebildeten Menschen be obachten könnte. Von Natur ist ein Phüosoph nicht halb so verschieden von einem Sackträger an Talent und Intelligenz als ein Haushund von einem Windhund, ein Windhund von einem Wachtelhund und dieser von einem 20 Schäferhund. Dennoch sind diese verschiednen Thierraçen, obgleich von derselben species fast von gar keiner Nützlichkeit für einander. Der Hofhund kann den Vortheüen seiner Stärke ¡|XXXVI¡ nichts hinzufügen, dadurch daß er sich etwa der Leichtigkeit des Windhundes etc bediente. Die Wükungen dieser verschiednen Talente oder Stufen der Intelligenz können, aus Mangel der Fähigkeit oder des Hangs zum Handel und Austausch, nicht zusammen, in Gemeinschaft geworfen werden und können durchaus nicht zum Vortheil oder zur gemeinschaftlichen Bequemlichkeit der species beitragen— Jedes Thier muß sich selbst unterhalten und beschützen, unabhängig von den andern, — es kann nicht den geringsten Nutzen von der Verschiedenheit der 30 Talente ziehn, welche die Natur unter seinesgleichen vertheilt hat. Unter den Menschen dagegen, sind die disparatesten Talente einander nützlich, weü die verschiednen Producte jeder ihrer respektiven Industriezweige, ver mittelst dieses allgemeinen Hangs zum Handel und Austausch, sich so zu sagen, in eine gemeinschaftüche Masse geworfen finden, wo jeder Mensch 35 nach semen Bedürfnissen kaufen gehn kann ügendeinen Theü des Products der Industrie d[er] andern. — Weü dieser Hang zum Austausch der Theüung der Arbeit ihren Ursprung giebt, so ist folglich das Wachsthum dieser Theüung immer beschränkt durch die Ausdehnung der Fähigkeit auszutau schen oder in andern Worten durch die Ausdehnung des Marktes. Ist der Markt sehr klein, so wüd Niemand ermuthigt sein, sich gänzüch einer 25 40 310 VII 5 einzigen Beschäftigung zu ergeben, aus Mangel das Mehr des Products seiner Arbeit, welches seine eigne Consumtion übersteigt, gegen ein gleiches Mehr des Products der Arbeit eines andern, das er sich zu verschaffen wünschte, austauschen zu können . . ." Im fortgeschrittnen Zustand: „Jeder Mensch besteht von échanges, vom Austausch und wird eine Art von Handelsmann, und die Gesellschaft selbst ist eigentlich eine Handelstreibende Gesellschaft. (Sieh Destutt de Tracy: die Gesellschaft ist eine Reihe v[on] wechselseitigem Austausch, in dem Commerce hegt das ganze Wesen der Gesellschaft.)... Die Accumulation der Capitalien steigt mit der Theilung der Arbeit und 10 wechselseitig." — So weit Adam Smith. „Wenn jede Familie die Totalität der Gegenstände ihrer Consumtion erzeugte, könnte die Gesellschaft in Gang bleiben, obgleich sich keine Art von Austausch bewerkstellig||te — ohne fundamental zu sein, ist der Aus tausch unentbehrlich in dem avancirten Zustand unsrer Gesellschaft — die 15 Theilung der Arbeit ist eine geschickte Anwendung der Kräfte d[es] Men schen — sie vermehrt also die Producte der Gesellschaft, ihre Macht und ihre Genüsse, aber sie beraubt, vermindert die Fähigkeit jedes Menschen in dividuell genommen. — Die Production kann ohne den Austausch nicht Stattfinden." - So J.B.Say. 20 „Die dem Menschen inhärenten Kräfte sind: seine Intelligenz und seine physische Anlage zur Arbeit; diejenigen, welche von dem Gesellschaftlichen Zustand ihren Ursprung ableiten, bestehn: in der Fähigkeit die Arbeit zu theilen und die verschiednen Arbeiten unter die verschiednen Menschen ... und in dem Vermögen die wechselseitigen Dienste aus- auszutheilen. Das Motiv warum ein Mensch d[em] andern seine Dienste widmet, ist der Eigennutz — der Mensch verlangt eine Recompens für die einem andern geleisteten Dienste. — Das Recht des exclusiven Privateigenthums ist unentbehrlich, damit sich der Austausch unter den Menschen etablire." „Austausch und 25 zutauschen und die Producte, welche diese Mittel constituiren 30 Theilung der Arbeit bedingen sich wechselseitig." So Skarbek. MM stellt den entwickelten Austausch, den Handel, als Folge der Theilung der Arbeit dar. 35 „Die Thätigkeit des Menschen kann auf sehr einfache Elemente reducirt werden. Er kann in Wahrheit nichts mehr thun, als Bewegung produciren; er kann die Sachen bewegen, um sie von einander zu ent||XXXVIl|fernen oder einander zu nähern; die Eigenschaften der Materie thun das Uebrige. Bei der Anwendung der Arbeit und der Maschinen findet man oft, daß die Wirkungen durch eine geschickte Vertheilung vermehrt werden können, durch Trennung der Operationen, die sich entgegenstehn und durch Ver- 40 einigung aller derjenigen, welche auf irgendeine Weise sich wechselseitig fördern können. Da im Allgemeinen die Menschen nicht viele verschiedne 311 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Operationen mit gleicher Geschwindigkeit und Geschicklichkeit exekutiren können, wie die Gewohnheit ihnen diese Fähigkeit für die Ausübung einer kleinen Zahl verschafft — so ist es immer vortheühaft, so viel als möglich die Zahl der jedem Individuum anvertrauten Operationen zu beschränken. — Zur Theüung der Arbeit und Vertheüung der Kräfte d[er] Menschen und der Maschinen auf die vortheühaf teste Art ist es nothwendig in einer Menge von Fäüen, auf einer grossen Stufenleiter zu operiren oder in andern Worten, die Reichthümer in grossen Massen zu producüen. Dieser Vortheü ist der Entstehungsgrund der grossen Manufacturen, von denen oft eine kleine, unter günstigen Verhältnissen gegründete Anzahl, manchmal nicht nur ein 10 einziges, sondern mehre Länder approvisionüt mit der hier verlangten Quantität von den durch sie producüten Objekten." So Mill. 5 Die ganze moderne Nationalökonomie aber stimmt darin überein, daß Theüung der Arbeit und Reichthum der Production, Theüung der Arbeit und Accumulation des Capitals sich wechselseitig bedingen, wie daß das frei- 15 gelaßne, sich selbst überlaßne Privateigenthum, aüein die nützüchste und umfassendste Theüung der Arbeit hervorbringen kann. 20 Adam Smiths Entwicklung läßt sich dahin resümüen: Die Theüung der Arbeit giebt der Arbeit die unendüche Productionsfähigkeit. Sie ist begründet in dem Hang zum Austausch und Schacher, einem spezifisch menschlichen Hang, der wahrscheinüch nicht zufäüig, sondern durch den Gebrauch der Vernunft und der Sprache bedingt ist. Das Motiv des Austauschenden ist nicht die Menschheit, sondern der Egoismus. Die Verschiedenartigkeit der menschlichen Talente ist mehr die Wükung, als die Ursache der Theüung der Arbeit, i. e. des Austausche. Auch macht lezterer erst diese Verschieden- 25 heit nützlich. Die besondren Eigenschaften der verschiednen Racen einer Thierart sind von Natur schärfer als die Verschiedenheit menschücher Anlage und Thätigkeit. Weü die Thiere aber nicht auszutauschen vermögen, nüzt keinem Thierindividuum die unterschiedne Eigenschaft eines Thieres von der selben Art, aber von verschiedner Race. Die Thiere vermögen nicht die unterschiednen Eigenschaften ihrer || species zusammenzulegen; sie vermögen nichts zum gemeinschaftlichenVortheil und Bequemlichkeit ihrer species beizutragen. Anders der Mensch, wo die disparatesten Talente und Thätigkeitsweisen sich wechselseitig nützen, weil sie ihre verschiednen Producte zusammenwerfen können in eine gemeinschaftliche Masse, wovon jeder kaufen kann. Wie die Theüung der Arbeit aus dem Hang des Aus- tauschs entspringt, so wächst sie und ist begrenzt durch die Ausdehnung des Austausches, des Marktes. jeder Mensch Im fortgeschrittnen Zustand Handelsmann, die GeseUschaft eme Handelsgesellschaft. 30 35 Say betrachtet den Austausch als zufällig und nicht fundamental. Die GeseUschaft könnte ohne ihn bestehn. Er wüd unentbehrüch im avancirten 40 312 VII Zustand der Gesellschaft. Dennoch kann die Production ohne ihn nicht Stattfinden. Die Theilung der Arbeit ist ein bequemes, nützliches Mittel, eine geschickte Anwendung der menschlichen Kräfte für den gesellschaftlichen Reichthum, aber sie vermindert die Fähigkeit jedes Menschen individuell genommen. Die lezte Bemerkung ist ein Fortschritt von Say. 5 Skarbek unterscheidet die individuellen, d[em] Menschen inhärenten Kräfte, Intelligenz und physische Disposition zur Arbeit, von den von der Gesellschaft hergeleiteten Kräften, Austausch und Theilung der Arbeit, die sich wechselseitig bedingen. Aber die nothwendige Voraussetzung des 10 Austausches ist das Privateigenthum. Skarbek drückt hier unter objektiver Form aus, was Smith, Say, Ricardo etc sagen, wenn sie den Egoismus, das Privatinteresse als Grund des Austausches oder den Schacher als die we sentliche und adacquate Form des Austausches bezeichnen. 15 Mill stellt den Handel als Folge der Theilung der Arbeit dar. Die mensch- liehe Thätigkeit reducirt sich ihm auf eine mechanische Bewegung, Theilung der Arbeit und Anwendung von Maschinen befördern den Reichthum der Production. Man muß jedem Menschen einen möglichst kleinen Kreis von Operationen anvertrauen. Ihrer Seits bedingen Theilung der Arbeit und Anwendung von Maschinen die Production des Reichthums in Masse, also 20 d[es] Products. Dieß der Grund der grossen Manufacturen. 1 |XXXVIIl| Die Betrachtung der Theilung der Arbeitend des Austausches ist vom höchsten Interesse, weil sie die sinnfällig entäusserten Ausdrücke der menschlichen Thätigkeit und Wesenskraft, als einer Gattungsmässigen Thätigkeit und Wesenskraft sind. 25 30 Daß die Theilung der Arbeit und der Austausch auf dem Privateigenthum beruhen ist nichts anders als die Behauptung daß die Arbeit das Wesen des Privateigenthums ist, eine Behauptung, die der Nationalökonom nicht be weisen kann, und die wir für ihn beweisen wollen. Eben darin, daß Theilung der Arbeit und Austausch Gestaltungen des Privateigenthums sind, eben darin hegt der doppelte Beweis, sowohl daß das menschliche Leben zu seiner Verwirklichung des Privateigenthums bedurfte, wie andrerseits, daß es jezt der Aufhebung des Privateigenthums bedarf. Theilung der Arbeit und Austausch sind die beiden Erscheinungen, bei denen der Nationalökonom auf die GesellschaftUchkeit seiner Wissenschaft 35 pocht und den Widerspruch seiner Wissenschaft, die Begründung der Ge sellschaft durch das ungesellschaftliche Sonderinteresse in einem Athemzug bewußtlos ausspricht. Die Momente die wir zu betrachten haben, sind: Einmal wird der Hang des Austauschs — dessen Grund im Egoismus gefunden wird — als Grund oder Wechselwirkung der Theilung der Arbeit betrachtet. Say betrachtet den Austausch als nicht fundamental für das Wesen der Gesellschaft. Der 40 313 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Reichthum, die Production wird durch die Theilung der Arbeit und den Austausch erklärt. Die Verarmung und Entwesung der individuellen Thätig keit durch die Theilung der Arbeit wird zugestanden. Austausch und Thei lung der Arbeit werden als Producenten der grossen Verschiedenheit der menschlichen Talente anerkannt, eine Verschiedenheit, welche durch er- steren auch wieder nützlich wird. Skarbek theilt die Productions oder pro duktiven Wesenskräfte des Menschen in 2 Theile, 1) die individuellen und ihm inhärenten, seine Intelligenz und specielle Arbeitsdisposition oder Fähigkeit, 2) die von der GeseUschaft — nicht vom wirklichen Individuum — abgeleiteten, die Theilung der Arbeit und den Austausch. — Ferner: Die Theilung der Arbeit ist durch den Markt beschränkt. — Die menschliche Arbeit ist einfache mechanische Bewegung; die Hauptsache thun die ma teriellen Eigenschaften der Gegenstände. — Einem Individuum müssen wenigst mögüche Operationen zugetheilt werden — Spaltung der Arbeit und Concentrüung des Capitals, die Nichtigkeit der individuellen Production und d[ie] Production des Reichthums in Masse — Verstand des freien Privat eigenthums in der Theüung der Arbeit. | [VIII] |XXXIX| Vorrede. Ich habe in den deutsch-französischen Jahrbüchern die Kritik der Rechts und Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der hegel'schen Rechts- phüosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständniß erschwerend. Ueberdem hätte der Reichthum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eme ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in e i ne Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines wül- kührüchen Systematisüens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen selbstständigen Brochuren die Kritik des Rechts, der Moral, Poütik etc. auf einander folgen lassen und schüeßüch in einer besondren Arbeit wieder den Zusammenhang des Ganzen, das Verhältniß der einzelnen Theüe, endlich die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammen hang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerüchem Leben etc grade nur so weit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese Gegenstände berührt. 314 Heft III. Seite XXXIX Heft III. Seite XL r Vili. Vorrede Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu versichern, daß meine Resultate, durch eine ganz empirische, auf ein ge wissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse gewonnen worden sind. Es versteht sich von selbst, daß ich || ausser den französischen und englischen Socialisten auch deutsche socialistische Ar beiten benuzt habe. Die Inhaltsvollen und originellen deutschen Arbeiten für diese Wissenschaft reduciren sich indeß — ausser Weitlings Schriften — auf die in den 21 Bogen geüef erten Aufsätze von Heß und auf Engels ' „ Umrisse zur Kritik der Nationalökonomie" französischen Jahr- büchern, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorhegenden Arbeit in ganz allgemeiner Weise angedeutet habe. in den deutsch 5 10 Ausserdem verdankt die Kritik der Nationalökonomie wie die positive Kritik überhaupt, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs. Von Feuerbach datirt erst die positive humanistische und naturalistische 15 Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangreicher und nachhal tiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften — seit Hegels Phänomenologie und Logik—worin eine wirkliche theoretische Revolution enthalten ist. 20 25 Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit der hegel'schen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus nothwendig, da von den kritischen Theologen unsrer Zeit ||XL| eine solche Arbeit nicht nur nicht vollbracht, sondern nicht einmal ihre Nothwendigkeit erkannt worden ist — eine nothwendige Ungründlichkeit, da selbst der kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Vor- aussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß, oder wenn ihm im Proceß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger und ungerecht fertigter Weise verläßt, von ihnen abstrahirt, seine Knechtschaft unter die selben und den Aerger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, 30 bewußtloser und sophistischer Weise kundthut. // Genau angesehn ist die theologische Kritik — so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches Moment des Fortschritts war, — in lezter Instanz nichts andres als die zur theologischen Carrikatur verzerrte Spitze und Consequenz der alten phi losophischen und namentlich hegel'schen Transcendenz. Diese interessante 35 Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule R e ck d[er] Philosophie], nun auch dazu bestimmt die negative Auflösung der Phüosophie — d. h. ihren Verf aulungsprozeß — an sich darzustellen, diese historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nach weisen. / 317 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III [IX] 5 |XL[rj| Wenn die Empfindungen, Leidenschaften etc d[es] Menschen nicht nur anthropologische Bestimmungen im [eigne]n Sinn, sondern wahrhaft ontologische Wesens(Natur)bejahungen sind — und wenn sie nur dadurch wirklich sich bejahen, daß ihr Gegenstand sinnlich für sie ist, so versteht sich 1) daß die Weise ihrer Bejahung durchaus nicht eine und dieselbe ist, sondern vielmehr die unterschiedne Weise der Bejahung die Eigenthümlichkeit ihres Daseins, ihres Lebens bildet; die Weise, wie der Gegenstand für sie, ist die eigenthümliche Weise ihres Genusses; 2) da, wo die sinnliche Bejahung unmittelbares Aufheben des Gegenstandes in seiner selbstständigen Form 10 ist (Essen, Trinken, Bearbeiten des Gegenstandes etc) ist dieß die Bejahung des Gegenstandes; 3) insofern der Mensch menschlich, also auch seine Empfindung etc menschlich ist, ist die Bejahung des Gegenstandes durch einen andern, ebenfalls sein eigner Genuß; 4) erst durch die entwickelte Industrie, i. e. durch die Vermittlung des Privateigenthums wird das ontolo- 15 gische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität, als in seiner Menschlichkeit; die Wissenschaft vom Menschen ist also selbst ein Product der praktischen Selbstbethätigung d[es] Menschen; 5) der Sinn des Privateigenthums — losgelöst von seiner Entfremdung — ist das Dasein der wesentlichen Gegenstände für d[en] Menschen, sowohl als Gegenstand des Genusses, wie der Thätigkeit. 20 Das Geld, indem es die Eigenschaft besizt, alles zu kaufen, indem es die Eigenschaft besizt, allé Gegenstände sich anzueignen, ist also der Gegen stand im eminenten Besitz. Die Universalität seiner Eigenschaft ist die Allmacht seines Wesens; es gilt daher als allmächtiges W e s e n . . .. Das Geld 25 ist der Kuppler zwischen dem Bedürfniß und dem Gegenstand, zwischen dem Leben und dem Lebensmittel d[es] Menschen. Was mir aber mein Leben vermittelt, das vermittelt mir auch das Dasein d[es] andern Menschen f ür mich. Das ist für mich der andre Mensch. — „Was Henker? freüich Hand und Füsse Und Kopf und Hintre, die sind dein! Doch alles was ich frisch gemesse, Ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, Sind ihre Kräfte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als hätf ich vierundzwanzig Berne." Göthe. Faust. (Mephisto) | 35 318 IX I Shakespeare im Timon von Athen: „Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? Nein, Götter! Nicht eitel fleht' ich. So viel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön; Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. Dieß l o c k t . .. den Priester vom Altar; Reißt Halbgenesnen weg das Schlummerkissen: Ja dieser rothe Sklave löst und bindet Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; Er macht den Aussatz lieblich, ehrt den Dieb, Und gjebt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß, Im Rath der Senatoren: dieser führt Der über jähr'gen Wittwe Freier zu; Sie von Spital und Wunden giftig eiternd Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch Zu Maienjugend dieß. Verdammt Metall, Gemeine Hure du der Menschen, die Die Völker thört." Und weiter unten: „Du süsser Königsmörder, edle Scheidung Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! Du ewig blüh'nder zartgeliebter Freier, Deß rother Scheirwden heil'gen Schnee zerschmelzt Auf Dianas reinem Schoos! sichtbare Gottheit, Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache, | |XLIl| ZU jedem Zweck! o du der Herzen Prüfstein! Denk, es empört dein Sklave sich, der Mensch! Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt!" 5 10 15 20 25 30 Shakespeare schildert das Wesen des Geldes trefflich. Um ihn zu verstehn, beginnen wir zunächst mit der Auslegung der göthischen Stelle. Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen 35 kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine — seines Besitzers — Eigenschaften und Wesenskräfte. Das was ich bin und vermag ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht 319 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III häßlich, denn die Wirkung der HäßUchkeit, ihre abschreckende Kraft ist durch das Geld vernichtet. Ich — meiner Individualität nach — bin lahm, aber das Geld verschafft mir 24 Füsse; ich bin also nicht lahm; ich bin ein schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe unehrlich zu sein, ich werde also als ehrlich präsumirt; ich bin geistlos, aber das Geld ist der wtküche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem kann er sich die Geistreichen Leute kaufen und wer die Macht über d[en] Geistreichen hat, ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze ich nicht aüe menschüchen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht aüe meine Unvermögen in ihr Gegentheü? Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mü 5 10 die GeseUschaft, das mich mit der Natur und d[em] Menschen verbindet, ist 15 das Geld nicht das Band aUer Bande! Kann es nicht aüe Bande lösen und binden? Ist es darum nicht auch das aügemeine Scheidungsmittell Es ist die || Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die g[alvan]oche- wahre mische Kraft der GeseUschaft. Shakespeare hebt an dem Geld besonders 2 Eigenschaften heraus. 1) Es ist die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aUer menschlichen und natürüchen Eigenschaften in ihr Gegentheü, die aUgemeine Verwechslung und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten; 20 2) Es ist die allgemeine Hure, der aUgemeine Kuppler der Menschen und Völker. Die Verkehrung und Verwechslung aUer menschlichen und natürlichen Quaütäten, die Verbrüderung der Unmögüchkeiten — die göttliche Kraft — des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäussernden und sich veräussernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäusserte Vermögen der Menschheit. Was ich qua Mensch nicht vermag, was also aüe meine üidividuellen Wesenskräfte nicht vermögen, das vermag ich durch das Geld. Das Geld macht also jede dieser Wesenskräfte zu etwas, was sie an sich nicht ist, d. h. zu ihrem Gegentheü. 25 30 Wenn ich mich nach einer Speise sehne oder den Postwagen brauchen wül, 35 weü ich nicht stark genug bin, den Weg zu Fuß zu machen, so verschafft mü das Geld die Speise und den Postwagen, d.h. es verwandelt meine Wünsche aus Wesen der VorsteUung, es übersezt sie aus ihrem gedachten, vorgestellten, gewoUten Dasein in ihr sümliches, wtkliches Dasein, aus der Vorstellung in das Leben, aus dem vorgesteUten Sem in das wüküche Sem. 40 Als diese Vermittlung ist es die wahrhaft schöpferische Kraft. 320 IX Die demande existirt wohl auch für den, der kein Geld hat, aber seine demande ist ein blosses Wesen der Vorstellung, das auf mich, auf d[en] 3t e n, auf die [andern] ||XLIIl| keine Wirkung, keine Existenz hat, also für mich selbst unwtklich, gegenstandlos bleibt. Der Unterschied der effectiven, auf das Geld basirten und d[er] Effektlosen, auf mein Bedürfniß, meine Lei denschaft, meinen Wunsch etc basirten demande ist der Unterschied zwi schen Sein und Denken, zwischen der blosen in mir existirenden Vorstellung und der Vorstellung, wie sie als wtklicher Gegenstand ausser mir für mich ist. Ich, wenn ich kein Geld zum Reisen habe, habe kein Bedürfniß, d. h. kein wirkliches und sich verwirklichendes Bedürfniß zum Reisen. Ich, wenn ich Beruf zum Studiren, aber kein Geld dazu habe, habe keinen Beruf zum Studiren, d. h. keinen whksamen, keinen wahren Beruf. Dagegen ich, wenn ich wirklich keinen Beruf zum Studiren habe, aber den Willen und das Geld, habe einen wirksamen Beruf dazu. Das Geld — als das äussere, nicht aus d[em] Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen Gesellschaft als Gesellschaft herkommende allgemeine — Mittel und Vermögen, die Vorstellung in die Wirklichkeit, und die Wirklichkeit zu einer blosen Vor stellung zu machen, verwandelt ebenso sehr die wtklichen menschlichen und natürlichen Wesenskräfte in blos abstrakte Vorstellungen und darum Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andrerseits die wtk lichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, nur in der Einbildung des Individuums existirenden Wesenskräfte desselben zu wtklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der In dividualitäten, die sie in ihr Gegentheil umkehrt und ihren Eigenschaften widersprechende Eigenschaften beilegt. Als diese verkehrende Macht erscheint es dann auch gegen das Individuum und gegen die gesellschaftlichen etc Bande, die für sich Wesen zu sein behaupten. Es verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in d[en] Herrn, d[en] Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn. | |Da das Geld, als der existirende und sich betätigende Begriff des Werthes alle Dinge verwechselt, vertauscht, so ist es die allgemeine Ver wechslung und Vertauschung aller Dinge, also die verkehrte Welt, die Verwechslung und Vertauschung aller natürlichen und menschlichen Qualitäten. Wer die Tapferkeit kaufen kann, der ist tapfer, wenn er auch feig ist. Da das Geld nicht gegen eine bestimmte Qualität, gegen ein bestimmtes Ding, menschliche Wesenskräfte, sondern gegen die ganze menschliche und natür- 321 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III liehe Gegenständliche Welt sich austauscht, so tauscht es also — vom Stand punkt seines Besitzers angesehn — jede Eigenschaft gegen jede — auch ihr widersprechende Eigenschaft und Gegenstand—aus; es ist die Verbrüderung der Unmöglichkeiten, es zwingt das sich widersprechende zum Kuß. 5 Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältniß zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst gemessen willst, mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf andre Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum 10 Menschen und zu der Natur — muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines Willens entsprechende Äusserung deines wirklichen individuellen Lebens sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d. h. wenn dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe producirt, wenn du durch deine Lebensäus serung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück. | 15 322 Ökonomisch-philosophische Manuskripte (Zweite Wiedergabe) Vorrede [ V o r r e de (aus H e ft III)] |XXXIX| Vorrede. Ich habe in den deutsch-französischen Jahrbüchern die Kritik der Rechts und Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der hegeVsehen Rechts- 5 phüosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständniß erschwerend. Ueberdem hätte der Reichthum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine 10 ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in e i ne Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines will- kührlichen Systematisirens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen selbstständigen Brochuren die Kritik des Rechts, der Moral, Politik etc. auf einander folgen lassen und schließlich in einer besondren Arbeit wieder den 15 Zusammenhang des Ganzen, das Verhältniß der einzelnen Theile, endlich die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammen hang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerlichem Leben etc grade nur so weit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese 20 Gegenstände berührt. Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu versichern, daß meine Resultate, durch eine ganz empirische, auf ein ge wissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse gewonnen worden sind. Es versteht sich von selbst, daß ich || ausser den französischen und englischen Socialisten auch deutsche socialistische Ar beiten benuzt habe. Die Inhaltsvollen und originellen deutschen Arbeiten f ür diese Wissenschaft reduciren sich indeß — ausser Weitlings Schriften — auf 25 325 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Aus Heft III die in den 21 Bogen gelieferten Aufsätze von Heß und auf Engels ' „ Umrisse französischen Jahr zur Kritik der Nationalökonomie" büchern, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorliegenden Arbeit in ganz allgemeiner Weise angedeutet habe. in den deutsch Ausserdem verdankt die Kritik der Nationalökonomie wie die positive Kritik überhaupt, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs. Von Feuerbach datirt erst die positive humanistische und naturalistische Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangreicher und nachhal tiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften — seit Hegels Phänomenologie und Logik—worin eine wirkliche theoretische 1 o Revolution enthalten ist. 5 Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit der hegel'schen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus nothwendig, da von den kritischen Theologen unsrer Zeit ||XL| eine solche Arbeit nicht nur nicht vollbracht, sondern nicht einmal ihre Nothwendigkeit 15 erkannt worden ist — eine nothwendige Ungrühdlichkeit, da selbst der kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Vor aussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß, oder wenn ihm im Proceß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger und ungerecht- 20 fertigter Weise verläßt, von ihnen abstrahirt, seine Knechtschaft unter dieselben und den Aerger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, bewußtloser und sophistischer Weise kundthut. // Genau angesehn ist die theologische Kritik — so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches Moment des Fortschritts war, — in lezter Instanz nichts andres als die zur 25 theologischen Carrikatur verzerrte Spitze und Consequenz der alten phi losophischen und namentlich hegel'schen Transcendenz. Diese interessante Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule Fleck d[er] Ph[ilosophie], nun auch dazu bestimmt die negative Auflösung der Philosophie — d. h. ihren Verf aulungsprozeß—an sich darzustellen, diese 30 historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nach weisen. / 326 F Arbeitslohn Heft I. |l| Arbeitslohn. Arbeitslohn wird bestimmt durch den feindlichen Kampf zwischen Capitalist und Arbeiter. Die Nothwendigkeit des Siegs für d[en] Capitaüsten. Capitaüst 5 kann länger ohne den Arbeiter leben, als dieser ohne jenen. Verbindung unter den Capitaüsten habitual und von Effekt; die der Arbeiter verboten und von schlechten Folgen für sie. Ausserdem können der Grundeigenthümer und Capitaüst ihren Revenuen industrieüe Vortheüe hinzufügen, der Arbeiter seinem Industriellen Einkommen weder Grundrente, noch Capitalüiteresse. 10 Darum die Concurrenz unter den Arbeitern so groß. Also für d[en] Arbeiter aüeüi ist die Trennung von Capital, Grundeigenthum und Arbeit eine nothwendige, wesentüche und schädüche Trennung. Capital und Grund eigenthum brauchen nicht in dieser Abstraktion stehn zu bleiben, wohl aber die Arbeit des Arbeiters. 15 Für d[en] Arbeiter also die Trennung von Capital, Grundrente und Arbeit tödtlich. Die niedrigste und die einzig nothwendige Taxe für den Arbeitslohn ist die Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit und so viel mehr, daß er eine Famüie ernähren kann und die Arbeiterraçe nicht ausstirbt. Der gewöhnliche 20 Arbeitslohn ist nach Smith der niedrigste, der mit d[er] simple humanité, nämlich einer viehischen Existenz, verträglich ist. Die Nachfrage nach Menschen regelt nothwendig die Produktion d[er] Menschen, wie jeder andern Waare. Ist die Zufuhr viel grösser als die Nachfrage, so sinkt ein Theü der Arbeiter in den Bettelstand oder den 25 Hungertod herab. Die Existenz des Arbeiters ist also auf die Bedingung der Existenz jeder andern Waare redueirt. Der Arbeiter ist zu einer Waare geworden und es ist ein Glück für ihn, wenn er sich an den Mann bringen kann. Und die Nachfrage, von der das Leben des Arbeiters abhängt, hängt von der Laune d[es] Reichen und Capitaüsten ab. 327 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Ueberbietet die Quantität der Zufuhr die Nachfrage, so ist einer der den Preiß constituirenden Theile, Profit, Grundrente, Arbeitslohn unter dem Preiß gezahlt, ein Theil dieser Leistungen entzieht sich also dieser An wendung und so gravitili der Marktpreiß nach dem natürlichen Preiß, als Centraipunkt. Aber 1) ist es dem Arbeiter, bei einer grossen Theilung der Arbeit am schwersten, seiner Arbeit eine andere Richtung zu geben, 2) trifft ihn, bei seinem subalternen Verhältniß zum Capitalisten zunächst der Nachtheil. Bei der Gravitation desMarktpreisseszum natürlichen Preisse verliert also der Arbeiter am meisten und unbedingt. Und grade die Fähigkeit des Ca pitalisten, seinem Capital eine andere Richtung zu geben, macht den auf einen bestimmten Arbeitszweig eingeschränkten ouvrier entweder brodlos oder zwingt ihn, sich allen Forderungen dieses Capitalisten zu unterwerfen. | |Π| Die zufälligen und plötzlichen Schwankungen des Marktpreisses treffen weniger die Grundrente, als den in Profit und Salaire aufgelösten Theil des Preisses, aber weniger den Profit, als den Arbeitslohn. Auf einen Arbeitslohn, der steigt, kömmt meistens einer, der stationair bleibt und einer der fällt. Der Arbeiter braucht nicht nothwendig zu gewinnen mit dem Gewinn des Capitalisten, aber er verliert nothwendig mit ihm. So gewinnt der Arbeiter nicht, wenn der Capitalist durch Fabrik oder Handelsgeheimniß, durch Monopol oder günstige Lage seines Grundstücks den Marktpreiß über d[em] natürlichen Preiß hält. Ferner: Die Arbeitspreisse sind viel constanter als die Preisse der Lebens mittel. Oft stehn sie in entgegengeseztem Verhältniß. In einem theuern Jahr Arbeitslohn vermindert wegen der Verminderung der Nachfrage, erhöht wegen der Erhöhung der Lebensmittel. Also balancirt. Jedenfalls eine Quantität Arbeiter ausser Brod gesezt. In wohlfeilen Jahren Arbeitslohn erhöht wegen der Erhöhung der Nachfrage, vermindert wegen der Preisse der Lebensmittel. Also balancirt. Ein andrer Nachtheil des Arbeiters: Die Arbeitspreisse der verschiednen Arten von Arbeiten sind viel ver- schiedner, als die Gewinne der verschiednen Zweige, worauf das Capital sich legt. Bei der Arbeit tritt die ganze natürliche, geistige und sociale Ver schiedenheit der individuellen Thätigkeit heraus, und wird verschieden belohnt, während das todte Capital immer denselben Tritt geht und gleich gültig gegen die wirkliche individuelle Thätigkeit ist. Ueberhaupt ist zu bemerken, daß da, wo Arbeiter und Capitalist gleich leiden, der Arbeiter an seiner Existenz, der Capitalist am Gewinn seines todten Mammons leidet. Der Arbeiter muß nicht nur um seine physischen Lebensmittel, er muß um 328 Arbeitslohn die Erwerbung von Arbeit, d. h. um die Möglichkeit, um d[ie] Mittel kämpfen, seine Thätigkeit verwirkHchen zu können. Nehmen wir die 3 Hauptzustände, in denen die Gesellschaft sich befinden kann und betrachten die Lage des Arbeiters in ihr. 5 1) Ist der Reichthum der Gesellschaft im Verfall, so leidet der Arbeiter am meisten, denn: Obgleich die Arbeiterklasse nicht so viel gewinnen kann als die der Eigenthümer im glücklichen Zustand der Gesellschaft, aucune ne souffre aussi cruellement de son déclin que la classe des ouvriers. \ |lll| 2) Nehmen wir nun eine Gesellschaft, in welcher der Reichthum 1 o fortschreitet. Dieser Zustand ist der einzige dem Arbeiter günstige. Hier tritt Concurrenz unter den Capitaüsten ein. Die Nachfrage nach Arbeitern über schreitet ihre Zufuhr: Aber: Einmal: Die Erhöhung des Arbeitslohns führt Ueberarbeitung unter den Arbeitern herbei. Je mehr sie verdienen woüen, je mehr müssen sie ihre Zeit 15 aufopfern und voüständig aüer Freiheit sich entäussernd, im Dienst der Habsucht Sklavenarbeit voUziehn. Dabei kürzen sie dadurch ihre Lebenszeit ab. Diese Verkürzung ihrer Lebensdauer ist ein günstiger Umstand für die Arbeiterklasse im Ganzen, weü dadurch immer neue Zufuhr nöthig wüd. Diese Klasse muß immer einen Theü ihrer selbst opfern, um nicht ganz zu 20 Grunde zu gehn. 25 Ferner: Wann befindet sich eine GeseUschaft in fortschreitender Berei cherung? Mit dem Wachsthum von Capitaüen und Revenuen eines Landes. Dieß ist aber nur möglich α) dadurch, daß viele Arbeit zusammen gehäuft wüd, denn Capital ist aufgehäufte Arbeit; also dadurch, daß dem Arbeiter immer mehr von semen Produkten aus der Hand genommen wüd, daß seine eigne Arbeit ihm immer mehr als fremdes Eigenthum gegenübertritt und die Mittel seiner Existenz und seiner Thätigkeit immer mehr in der Hand d[es] Capitaüsten sich concentriren. ß) Die Häufung des Capitals vermehrt die Theüung der Arbeit, die Theüung der Arbeit vermehrt die Zahl der Arbeiter; 30 umgekehrt vermehrt die Zahl der Arbeiter die Theüung der Arbeit, wie die Theüung der Arbeit die Aufhäufung der Capitaüen vermehrt. Mit dieser Theüung der Arbeit einerseits und der Häufung der Capitaüen andrerseits wüd der Arbeiter immer mehr rem von der Arbeit und einer bestimmten, sehr einseitigen, maschinenartigen Arbeit abhängig. Wie er also geistig und leib- lieh zur Maschine herabgedrückt und aus einem Menschen eine abstrakte Thätigkeit und ein Bauch wüd, so wüd er auch immer abhängiger von aUen Schwankungen des Marktpreisses, der Anwendung der Capitaüen und der Laune d[es] Reichen. Ebensosehr wüd durch die Zunahme der nur ||lV| ar beitenden Menschenklasse die Concurrenz der Arbeiter erhöht, also ihr Preiß erniedrigt. In dem Fabrikwesen erreicht diese SteUung des Arbeiters ihren Gipfelpunkt. 35 40 329 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I 7) In einer Gesellschaft, welche sich in zunehmendem Wohlstand befindet, können nur mehr die Allerreichsten vom Geldzins leben. Alle übrigen müssen mit' ihrem Capital ein Geschäft treiben oder es in den Handel werfen. Da durch wird also die Concurrenz unter den Capitalien grösser, die Concen tration der Capitalien wird grösser, die grossen Capitalisten ruiniren die kleinen, und ein Theil der ehemaligen Capitalisten sinkt zu der Klasse der Arbeiter herab, welche durch diese Zufuhr theils wieder eine Herabdrückung des Arbeitslohns erleidet und in eine noch grössere Abhängigkeit von den wenigen grossen Capitalisten geräth; indem die Zahl der Capitalisten sich vermindert hat, ist ihre Concurrenz in Bezug auf d[ie] Arbeiter fast nicht 10 mehr vorhanden und indem die Zahl der Arbeiter sich vermehrt hat, ist ihre Concurrenz unter sich um so grösser, unnatürlicher und gewaltsamer ge worden. Ein Theil von dem Arbeiterstand fällt daher ebenso nothwendig in den Bettel oder Verhungerungsstand, wie ein Theil der mittleren Capitalisten in den Arbeiterstand. 5 15 Also selbst in dem Zustand der Gesellschaft, welcher dem Arbeiter am günstigsten ist, ist die nothwendige Folge für d[en] Arbeiter Ueberarbeitung und früher Tod, Herabsinken zur Maschine, Knecht des Capitals, das sich ihm gefährlich gegenüber aufhäuft, neue Concurrenz, Hungertod oder Bettelei eines Theils der Arbeiter. | 20 |V| Die Erhöhung des Arbeitslohns erregt im Arbeiter die Bereicherungs sucht d[es] Capitalisten, die er aber nur durch Aufopferung seines Geistes und Körpers befriedigen kann. Die Erhöhung des Arbeitslohns sezt die Häufung des Capitals voraus, und führt sie herbei; stellt das Produkt der Arbeit also immer fremder dem Arbeiter gegenüber. Ebenso macht die 25 Theilung der Arbeit ihn immer einseitiger und abhängiger, wie sie die Con currenz nicht nur der Menschen, sondern auch der Maschinen herbeiführt. Da der Arbeiter zur Maschine herabgesunken ist, kann ihm die Maschine als Concurrent gegenübertreten. Endlich wie die Häufung des Capitals die Quantität der Industrie, also d[ie] Arbeiter vermehrt, bringt durch diese 30 Accumulation dieselbe Quantität der Industrie eine grössere Quantität Machwerk herbei, die zur Ueberproduktion wird, und entweder damit endet, einen grossen Theil Arbeiter ausser Arbeit zu setzen oder ihren Lohn auf das kümmerlichste Minimum zu reduciren. Das sind die Folgen eines Gesellschaftszustandes, der dem Arbeiter am 35 günstigsten ist, nämlich des Zustandes des wachsenden, fortschreitenden Reichthums. Endlich aber muß dieser wachsende Zustand doch einmal seinen Hö hepunkt erreichen. Welches ist nun die Lage des Arbeiters? 3) „In einem Land, welches die leztmögliche Stufe seines Reichthums 40 erreicht hätte, wären beide, Arbeitslohn und Capitalinteresse sehr niedrig. 330 Arbeitslohn Die Concurrenz unter den Arbeitern, um Beschäftigung zu erhalten, wäre so groß, daß die Salaire auf das reducirt wären, was zur Erhaltung der nämlichen Zahl von Arbeitern hinreicht und da das Land schon hinreichend bevölkert wäre, könnte sich diese Zahl nicht vermehren." Das Plus müßte sterben. Also im abnehmenden Zustand der Gesellschaft progressives Elend des Arbeiters, im fortschreitenden Zustand complicirtes Elend, im vollendeten Zustand stationaires Elend. | |Vl| Da aber nach Smith eine Gesellschaft nicht glücklich ist, wo die Majorität leidet, da aber der reichste Zustand der Gesellschaft zu diesem Leiden d[er] Mehrzahl und da die Nationalökonomie (überhaupt die Ge sellschaft des Privatinteresses) zu diesem reichsten Zustand führt, so ist also das Unglück der GeseUschaft der Zweck der Nationalökonomie. In Bezug auf das Verhältniß zwischen Arbeiter und Capitaüst ist noch zu bemerken, daß die Erhöhung des Arbeitslohnes dem Capitaüsten durch die Verringerung der Quantität der Arbeitszeit mehr als compensüt wüd, und daß die Erhöhung des Arbeitslohns und die Erhöhung des Capitalinteresses auf den Waarenpreiß wie einfaches und zusammengeseztes Interesse wü- ken. Stellen wü uns nun ganz auf den Standpunkt des Nationalökonomen und vergleichen wü nach ihm die theoretischen und praktischen Ansprüche der Arbeiter. Er sagt uns, daß ursprünglich und dem Begriff nach das ganze Produkt der Arbeit dem Arbeiter gehört. Aber er sagt uns zugleich, daß in der Wük lichkeit dem Arbeiter der kleinste und aUerunumgänglichste Theü des Pro dukts zukömmt; nur so viel, als nöthig ist, nicht damit er als Mensch, sondern damit er als Arbeiter existirt, nicht damit er die Menschheit, sondern damit er die Sklavenklasse der Arbeiter fortpflanzt. Der Nationalökonom sagt uns, daß aUes mit Arbeit gekauft wüd, und daß das Capital nichts als aufgehäufte Arbeit ist, aber er sagt uns zugleich, daß der Arbeiter weit entfernt aUes kaufen zu können, sich selbst und seme Menschheit verkaufen muß. Während die Grundrente des trägen Landbesitzers meistens den 3t en Theü des Erdproduktes und der Profit d[es] geschäftigen Capitaüsten sogar das Doppelte des Geldzinses beträgt, beträgt das Mehr, was sich der Arbeiter im besten FaU verdient, so viel, daß auf 4 Kinder ihm 2 verhungern und sterben müssen. | |VIl| Während nach d[em] Nationalökonomen die Arbeit das Einzige ist, wodurch der Mensch den Werth der Naturprodukte vergrössert, während die Arbeit sein thätiges Eigenthum ist, ist nach derselben Nationalökonomie der Grundeigenthümer und Capitaüst, die qua Grundeigenthümer und Capi- 331 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I talist, blos privilegirte und müssige Götter sind, überall dem Arbeiter über legen und schreiben ihm Gesetze vor. Während nach d[em] Nationalökonomen die Arbeit der einzig unwan delbare Preiß der Dinge ist, ist nichts zufälliger als der Arbeitspreiß, nichts grösseren Schwankungen ausgesezt. 5 Während die Theilung der Arbeit die produktive Kraft der Arbeit, den Reichthum und die Verfeinerung der Gesellschaft erhöht, verarmt sie d[en] Arbeiter bis zur Maschine. Während die Arbeit die Häufung der Capitalien und damit den zunehmenden Wohlstand der Gesellschaft hervorruft, macht sie den Arbeiter immer abhängiger vom Capitalisten, bringt ihn in eine gros- sere Concurrenz, treibt ihn in die Hetzjagd der Ueberproduktion, der eine eben solche Erschlaffung folgt. 10 Während das Interesse des Arbeiters nach d[em] Nationalökonomen nie dem Interesse der Gesellschaft gegenübersteht, steht die Gesellschaft immer und nothwendig dem Interesse des Arbeiters gegenüber. 15 Nach d[em] Nationalökonomen steht das Interesse des Arbeiters nie dem der Gesellschaft gegenüber 1) weil die Erhöhung des Arbeitslohns sich mehr als er sezt durch die Verminderung in der Quantität der Arbeitszeit, nebst den übrigen oben entwickelten Folgen; und || 2) weil in Bezug auf die Gesellschaft das ganze Bruttoprodukt Nettoprodukt ist und nur in Bezug auf den Privat- mann das Netto eine Bedeutung hat. Daß die Arbeit aber selbst nicht nur unter den jetzigen Bedingungen, sondern insofern überhaupt ihr Zweck die blosse Vergrösserung des Reichthums ist, ich sage daß die Arbeit selbst schädlich, unheilvoll ist, das folgt, ohne daß der Nationalökonom es weiß, aus seinen Entwicklungen. Nach dem Begriff sind Grundrente und Capitalgewinn Abzüge, die der Arbeitslohn erleidet. Aber in der Wirklichkeit ist der Arbeitslohn ein Abzug, den Erde und Capital dem Arbeiter zukommen lassen, eine Concession des Produktes der Arbeit an den Arbeiter, an die Arbeit. Im verfallenden Zustand der Gesellschaft, leidet der Arbeiter am schwer sten. Er verdankt die spezifische Schwere seines Druckes seiner Stellung als Arbeiter, aber den Druck überhaupt der Stellung der Gesellschaft. 20 25 30 Aber im fortschreitenden Zustand der Gesellschaft ist der Untergang und die Verarmung des Arbeiters das Produkt seiner Arbeit und des von ihm 35 producirten Reichthums. Das Elend, welches also aus dem Wesen der heutigen Arbeit selbst hervorgeht. Der reichste Zustand der Gesellschaft, ein Ideal, das aber doch annähernd erreicht wird, wenigstens der Zweck der Nationalökonomie, wie der bürger lichen Gesellschaft ist, ist stationaires Elend || für d[en] Arbeiter. 40 Es versteht sich von selbst, daß die Nationalökonomie den Proletarier, d. h. 332 Arbeitslohn 5 den, der ohne Capital und Grundrente rein von der Arbeit und einer einsei tigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. Sie kann daher den Satz aufstellen, daß er ebensowohl, wie jedes Pferd, so viel erwerben muß, um arbeiten zu können. Sie betrachtet ihn nicht in seiner Arbeitslosen Zeit, als Mensch, sondern überläßt diese Betrachtung der Krirninaljustiz, den Aerzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem Bettelvogt. Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen aus der bisherigen, fast mit den Worten d[es] Nationalökonomen gegebnen 10 Entwicklung zwei Fragen zu beantworten. 1) Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduction des größten Theüs der Menschheit auf die abstrakte Arbeit? 2) Welche Fehler begehn die Reformatoren en détaü, die entweder den Arbeitslohn erhöhn und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern 15 woüen oder die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck der socialen Revolution betrachten? Die Arbeit kömmt nur unter der Gestalt der Erwerbsthätigkeit in der Nationalökonomie vor. | 25 |Vin| „Das läßt sich behaupten, daß solche Beschäftigungen, die spezüische 20 Anlagen oder längere Vorbüdung voraussetzen, im Ganzen einträgücher geworden sind; während der verhältnißmässige Lohn für die mechanisch einförmige Thätigkeit, auf welche der Eine wie der Andere schneü und leicht abgerichtet werden kann, bei der wachsenden Concurrenz gefallen ist und nothwendig faüen mußte. Und gerade diese Art der Arbeit ist bei dem jetzigen Stande ihrer Organisation noch weit die zahüeichste. Wenn also ein Arbeiter der ersten Categorie jezt siebenmal so viel, ein Anderer der zweiten ebenso viel erwübt, als etwa vor 50 Jahren, so erwerben beide im Durch schnitte freüich 4mal so viel. AUein wenn in einem Lande die erste Kategorie der Arbeit mit nur 1000, die 2te mit einer Mülion Menschen besezt ist, so sind 30 999000 nicht besser als vor 50 Jahren daran, und sie sind schlimmer daran, wenn zugleich die Preise der Lebensbedürfnisse gestiegen sind. Und mit solchen oberflächüchen Durchschnittsberechnungen wül man sich über die zahlreichste Klasse der Bevölkerung täuschen. Ueberdies ist die Grösse des Arbeiterlohns nur ein Moment für die Schätzung des Arbeitereinkommens, 35 weü für die Bemessung des leztern noch wesentlich die gesicherte Dauer desselben in Anschlag kommt, wovon doch in der Anarchie der sogenannten freien Concurrenz mit ihren immer wiederkehrenden Schwankungen und Stockungen schlechthin keine Rede ist. Endüch ist noch die früher und die jezt gewöhnliche Arbeitszeit ins Auge zu fassen. Diese ist aber für d[ie] engüschen Arbeiter in der Baumwollenmanufaktur seit etwa 25 Jahren, also 40 333 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I grade seit Einführung der Arbeit ersparenden Maschinen, durch die Er werbsucht der Unternehmer ||IX| auf 12—16 Stunden täglich erhöht worden, und die Steigerung in einem Lande und in einem Zweige der Industrie mußte sich, bei dem überall noch anerkannten Rechte einer unbedingten Aus beutung d[er] Armen durch die Reichen, mehr oder minder auch anderswo geltend machen." Schulz. Bewegung der Production, p. 65. 5 „Allein selbst wenn es so wahr wäre, als es falsch ist, daß sich das Durch- schnittseinkommen aller Classen der Gesellschaft vergrössert hätte, können dennoch die Unterschiede und verhältnißmässigen Abstände des Einkom mens grösser geworden sein und hiernach die Gegensätze des Reichthums 10 und der Armuth schärfer hervortreten. Denn grade weil die Gesammtpro duktion steigt und in demselben Maasse als dieß geschieht, vermehren sich auch die Bedürfnisse, Gelüste und Ansprüche, und die relative Armuth kann also zunehmen, während die absolute sich vermindert. Der Samojede ist nicht arm bei Thran und ranzigen Fischen, weil in seiner abgeschloßnen 15 Gesellschaft Alle die gleichen Bedürfnisse haben. Aber in einem voran schreitenden Staat, der etwa im Lauf eines Jahrzehntes seine Gesammt produktion im Verhältniß zur Gesellschaft um ein Drittheil vergrössert, ist der Arbeiter, der vor und nach 10 Jahren gleich viel erwirbt, nicht eben so wohlhabend gebüeben, sondern um ein Drittheil bedürftiger geworden." ibid. p.65, 66. 20 Aber die Nationalökonomie kennt den Arbeiter nur als Arbeitstbier, als ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reducirtes Vieh. „Ein Volk, damit es sich geistig freier ausbilde, darf nicht mehr in der Sklaverei seiner körperlichen Bedürfnisse stehn, nicht mehr der Leibeigene 25 des Leibes sein. Es muß ihm vor allem Zeit bleiben, auch geistig schaffen und geistig gemessen zu können. Die Fortschritte im Organismus der Arbeit gewinnen diese Zeit. Verrichtet doch jezt, bei neuen Triebkräften und ver bessertem Maschinenwesen, ein einziger Arbeiter in den Baumwollefabriken nicht selten das Werk von 100, ja von 250-350 früheren Arbeitern. Aehnliche 30 Folgen in allen Zweigen der Produktion, weil äussere Naturkräfte immer mehr zur Theilnahme | | x| an der menschlichen Arbeit gezwungen worden. War nun früher, zur Abfindung eines Quantums materieller Bedürfnisse, ein Aufwand von Zeit und menschlicher Kraft erforderlich, der sich später um die Hälfte vermindert hat; so ist zugleich, ohne irgend eine Einbusse an 35 sinnlichem Wohlbehagen, der Spielraum für geistiges Schaffen und Gemes sen um so viel erweitert worden. . .. Aber auch über die Verteilung der Beute, die wir dem alten Kronos selbst auf seinem eigensten Gebiete ab gewinnen, entscheidet noch das Würfelspiel des blinden ungerechten Zufalls. Man hat in Frankreich berechnet, daß bei dem jetzigen Standpunkt der 40 Production eine durchschnittliche Arbeitszeit von täglich 5 Stunden auf 334 F Arbeitslohn jeden Arbeitsfähigen zur Befriedigung aller materiellen Interessen der Gesellschaft ausreichen würde. . .. Ungeachtet der Zeitersparnisse durch Vervollkommnung des Maschinenwesens hat sich die Dauer der Sklaven arbeit in den Fabriken für eine zahlreiche Bevölkerung nur vergrössert." 5 p. 67, 68 ibid. „Der Uebergang von der zusammengesezten Handarbeit sezt eine Zer legung derselben in ihre einfachen Operationen voraus. Nun wird aber zunächst nur ein Theil der gleichförmig wiederkehrenden Operationen den Maschinen, ein anderer Theil aber d[en] Menschen anheimfallen. Nach der 10 Natur der Sache und nach übereinstimmenden Erfahrungen ist eine solche anhaltend einförmige Thätigkeit ebenso nachtheiügfür Geist als Körper; und so müssen denn bei dieser Verbindung des Maschinenwesens mit der blosen Theüung der Arbeit unter zahüeichere Menschenhände auch noch alle Nachtheüe der leztren zum Vorschein kommen. Die Nachtheüe zeigen sich unter andrem in der grössern Sterbüchkeit der Fabrik||Xl|arbeiter Diesen grossen Unterschied, wie weit die Menschen durch Maschinen, oder wie weit sie als Maschinen arbeiten, hat man n i c h t . .. berücksichtigt." ibid. p. 69. 15 „Für die Zukunft des Völkerlebens aber werden die in den Maschinen wükenden verstandeslosen Naturkräfte unsere Sklaven und Leibeigenen 20 seüi." ibid. p. 74. „In den englischen Spinnereien sind nur 158818 Männer und 196818 Weiber beschäftigt. Auf je 100 Arbeiter in den Baumwollfabriken der Grafschaft Lancaster kommen 103 Arbeiterinnen und in Schottland sogar 209. In den englischen Flachsfabriken von Leeds zählte man auf 100 männ- 25 üche Arbeiter 147 weibliche; in Druden und an der Ostküste Schottlands sogar 280. In den engüschen Seidenfabriken viele Arbeiterinnen; in den Wollfabriken, die grössere Arbeitskraft erfordern, mehr Männer. Auch in den nordamerikanischen Baumwollfabriken waren im Jahr 1833 nebst 18593 Männern nicht weniger als 38927 Weiber beschäftigt. Durch die 30 Veränderungen im Organismus der Arbeit ist also dem weibüchen Ge schlecht ein weiterer Kreis von Erwerbsthätigkeit zugefallen die Frauen eine ökonomisch selbstständigere SteUung . .. die beiden Geschlechter in ihren socialen Verhältnissen einander näher gerückt." p. 71,72 ibid. „In den von Dampf und Wasser getriebnen engüschen Spinnereien arbeiteten im Jahr 35 1835: 20558 Kinder zwischen 8-12 Jahren; 35867 zwischen 12-13, und endüch 108208 zwischen 13—18 Jahren. . .. Freiüch wüken die weiteren Fortschritte der Mechanik, da sie aUe einförmigen Beschäftigungen d[en] Menschen mehr und mehr aus der Hand nehmen, auf eine aUmähüge Besei||XIl|tigung des Mißstandes hin. AUeüi diesen rascheren Fortschritten selbst steht grade der Umstand im Wege, daß sich die Capitaüsten die Kräfte der untern Classen, bis in das Kindesalter hinein, auf die leichteste und 40 335 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I wohlfeilste Weise aneignen können, um sie statt der Hilfsmittel der Me chanik zu brauchen und zu gebrauchen." p . 7 0 , 7 1. SchulzBew. d. Product. „Lord Broughams Zuruf an d[ie] Arbeiter: ,Werdet Capitalisten.' Das . .. das Uebel, daß Millionen nur durch anstrengende, körperlich zerrüttende, sittlich und geistig verkrüppelnde Arbeit sich ein knappes Auskommen zu erwerben vermögen; daß sie sogar das Unglück, eine solche Arbeit gefunden zu haben, für ein Glück halten müssen." p. 60 ibid. «Pour vivre donc, les non-propriétaires sont obligés de se mettre direc tement ou indirectement au service des propriétaires, c-à-d. sous leur dé pendance.» Pecqueur, théorie nouvelle d'économie soc. etc. p. 409. 5 io Domestiques — gages ; ouvriers — salaires ; employés — traitement ou émoluments, ibid. p. 409,10. „louer son travail" „preter son travail à l'intérêt" „travailler à la place d'autrui". „louer la matière du travail" „preter la matière du travail à l'intérêt" „faire 15 travailler autrui à sa place", ibid. | | x m| «cette constitution économique condamne des hommes à des mé tiers tellement abjects, à une dégradation tellement désolante et amère, que la sauvagerie apparaît, en comparaison, comme une royale condition. » 1. c. p. 417,18. 20 «la prostitution de la chair non-propriétaire sous toutes les formes.» p. 421 sq. Lumpensammler. Ch. Loudon in der Schrift solution du problème de la population etc. Paris, 1842, giebt die Zahl der Prostituirten in England auf 60-70000 an; die Zahl d[er] femmes d'une vertu douteuse sei ebenso groß. p. 228. 25 «La moyenne vie de ces infortunées créatures sur le pavé, après qu'elles sont entrées dans la carrière du vice, est d'environ six ou sept ans. De manière que pour maintenir le nombre de 60-à-70000 prostituées, il doit y avoir, dans les 3 royaumes, au moins 8 à 9000 femmes qui se vouent à cet infâme métier chaque année, ou environ 24 nouvelles victimes par jour, ce qui est la 30 moyenne d'une par heure ; et conséquemment, si la même proportion a Heu sur toute la surface du globe il doit y avoir constamment un million et demi de ces malheureuses. » ibid. p. 229. «la population des misérables croît avec leur misère et c'est à la limite extrême du dénûment que les êtres humains se pressent en plus grand nombre 35 pour se disputer le droit de souffrir.... En 1821 la population de l'Irlande était de 6801827. En 1831, elle s'était élevée à 7764010; c'est 14p 0/0 d'aug mentation en dix ans. Dans le Leinster, province où il y a le plus d'aisance, la population n'a augmenté que de 8 p/c, tandis que, dans le Connaught, province la plus misérable, l'augmentation s'est élevée à 21 p/c. (Extraits des 40 Enquêtes publiées en Angleterre sur l'Irlande. Vienne, 1840.)» Buret de la 336 Arbeitslohn 5 10 15 misère etc. 1.1, p. 36,37. Die Nationalökonomie betrachtet die Arbeit abstrakt als eine Sache; le travaü est une marchandise: ist der Preiß hoch, so ist die Waare sehr gefordert; ist er niedrig, so ist sie sehr angeboten; comme marchandise le travaü doit de plus en plus baisser de prix: theüs die Concur- renz zwischen Capitalist und Arbeiter, theüs die Concurrenz unter den Arbeitern zwingt h i e r z u ; . .. « La population ouvrière, marchande de travaü, est forcément réduite à la plus faible part du produit... La théorie du travaü marchandise est-eUe autre chose qu'une théorie de servitude déguisée ? » 1. c. p. 43. «Pourquoi donc n'avoü vu dans le travaü qu'une valeur d'échange ?» ib. p. 44. Die grossen Ateüers kaufen vorzugsweise die Arbeit von Frauen und Kindern, weü diese weniger kostet als die der Männer. 1. c. « le travaüleur n'est point vis à vis de celui qui l'emploie dans la position d'un libre vendeur. ... le capitaliste est toujours libre d'employer le travaü, et l'ouvrier est tou jours forcé de le vendre. La valeur du travaü est complètement détruite, s'ü n'est pas vendu à chaque instant. Le travaü n'est susceptible, ni d'accumu lation, ni même d'épargne, à la différence des véritables [marchandi ses.] | | x r v| Le travail c'est la vie, et si la vie ne s'échange pas chaque jour contre des aliments, elle souffre et périt bientôt. Pour que la vie de l'homme soit une marchandise, ü faut donc admettre l'esclavage.» p.49, 50 I.e. 20 Wenn die Arbeit also eme Waare ist, so ist sie eine Waare von den un- glückseeügsten Eigenschaften. Aber selbst nach Nationalökonomischen Grundsätzen ist sie es nicht, weü nicht le libre résultat d'un libre marché. Das jetzige ökonomische Regime abaisse à la fois et le prix et la rémuné ration du travail; il perfectionne l'ouvrier et dégrade l'homme, p. 52, 25 53 1. c. «L'industrie est devenue une guerre et le commerce un jeu.» 1. c. p. 62. Les machines à travaüler le coton (in England) repräsentiren allem 84000000 Handwerker. 30 Die Industrie befand sich bis jezt im Zustand des Eroberungskriegs: «eile a prodigué la vie des hommes qui composaient son armée avec autant d'in différence que les grands conquérants. Son but était la possession de la richesse et non le bonheur des hommes.» Buret. 1. c. p. 20. « Ces intérêts (se. économiques) librement abandonnés à eux-mêmes ... doivent nécessaüe- ment entrer en conflit ; üs n'ont d'autre arbitre que la guerre, et les décisions 35 de la guerre donnent aux uns la défaite et la mort, pour donner aux autres la victoüe.... c'est dans le conflit des forces opposées que la science cherche l'ordre et l'équUibre : la guerre perpétuelle est selon eUe le seul moyen d'ob tenu la paix; cette guerre s'appeUe la concurrence.» Le. p.23. Der industrieüe Krieg, um mit Erfolg geführt zu sein, erfordert zahüeiche 40 Armeen, die er auf denselben Punkt aufhäufen und reichheh decimüen kann. Und weder aus Dévouement, noch aus Pflicht, ertragen die Soldaten dieser 337 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Armee die Anstrengungen, die man ihnen auferlegt; nur um der harten Nothwendigkeit des Hungers zu entwischen. Sie haben weder Anhänglich keit noch Erkenntlichkeit für ihre Chefs ; diese hängen mit ihren Untergebnen durch kein Gefühl des Wohlwollens zusammen; sie kennen sie nicht als Menschen, sondern nur als Instrumente der Production, welche so viel als möglich einbringen, und so wenig Unkosten als möglich machen müssen. Diese Völkerschaften von Arbeitern, mehr und mehr gedrängt, haben selbst nicht die Sorglosigkeit, immer angewandt zu sein; die Industrie, welche sie zusammen berufen hat, läßt sie nur leben, wenn sie ihrer bedarf, und sobald sie sich derselben entschlagen kann, verläßt sie dieselben ohne das mindeste Bedenken; und die Arbeiter sind gezwungen, ihre Person und ihre Kraft für den Preiß, den man ihnen accordiren will, anzubieten. Je mehr die Arbeit, die man ihnen giebt, lang, peinlich, ekelhaft ist, um so weniger werden sie bezahlt; man sieht welche, die mit löstündiger Arbeit per Tag, bei fort dauernder Anstrengung, kaum das Recht erkaufen, nicht zu sterben. 1. c. 15 p. 68,69.( 10 5 |XV| «Nous avons la conviction... partagée par les commissaires chargés de l'enquête sur la condition des tisserands à la main, que les grandes villes industrielles perdraient, en peu de temps, leur population de travailleurs, si elles ne recevaient à chaque instant des campagnes voisines des recrues 20 continuelles d'hommes sains, de sang nouveau.» p.362 I.e. | |l| Gewinn des Capitals. 1) Das Capital. 1) Worauf beruht das Capital, d. h. das Privateigenthum an den Produkten fremder Arbeit? 25 „Wenn das Capital selbst nicht auf Diebstahl oder Unterschleif sich re ducirt, so bedarf es doch den Concurs der Gesetzgebung, um die Erbschaft zu heiligen." Say. 1.1, p. 136, nota. Wie wird man Proprietair v[on] produktiven fonds? Wie wird man Eigen thümer von den Produkten, die vermittelst dieser fonds geschaffen wer- 30 den? Durch das positive Recht. Say. t. II, p. 4. Was erwirbt man mit dem Capital, mit der Erbschaft eines grossen Ver mögens ζ. B.? „Einer, der ζ. B. ein grosses Vermögen erbt, erwirbt dadurch zwar nicht 35 unmittelbar politische Macht. Die Art von Macht, die diese Besitzung ihm unmittelbar und direkt überträgt, das ist die Macht zu kaufen, das ist ein 338 ψ Gewinn des Kapitals Recht des Befehls über alle Arbeit von andern oder über alles Produkt dieser Arbeit, welches zur Zeit auf dem Markt existirt." Smith. t.I, p . 6 1. Das Capital ist also die Regierungsgewalt über die Arbeit und ihre Pro- ducte. Der Capitalist besizt diese Gewalt, nicht seiner persönlichen oder 5 menschlichen Eigenschaften wegen, sondern insofern er Eigenthümer des Capitals ist. Die kaufende Gewalt seines Capitals, der nichts wiederstehn kann, ist seine Gewalt. Wir werden später sehn, einmal, wie der Capitaüst vermittelst des Capitals seine Regierungsgewalt über die Arbeit ausübt, dann aber die Regierungs- 10 gewalt des Capitals über d[en] Capitaüsten selbst. Was ist das Capital? «Une certaine quantité de travaü amassé et mis en réserve.» Smith, t. Π, p. 312. Capital ist aufgespeicherte Arbeit. 15 2) fonds, Stock ist jede Häufung von Produkten der Erde und Manuf actur- arbeit. Der Stock heißt nur dann Capital, wenn er seinem Eigenthümer eine Revenu oder Gewinn abwirft. Smith, t. II, p. 191. 2) Der Gewinn des Capitals. „Der Profit oder Gewinn des Capitals ist ganz vom Arbeitslohn ver- 20 schieden. Diese Verschiedenheit zeigt sich in doppelter Weise. Einmal reglen sich die Gewinne des Capitals gänzlich nach dem Werth des angewandten Capitals, obgleich die Arbeit der Aufsicht und Düektion bei verschiedenen Capitaüen die nämliche sein kann. Dann kömmt hinzu, daß in grossen Fa briken diese ganze Arbeit einem Hauptcommis anvertraut ist, dessen Gehalt in keinem Verhältruß mit dem ||ll| Capital steht, dessen Leitung er überwacht. Obgleich sich hier nun die Arbeit des Propriétaire fast auf nichts reducirt, verlangt er doch Profite im Verhältniß zu seinem Capital." Smith. t.I. p. 97-99. 25 Warum verlangt der Capitalist diese Proportion zwischen Gewinn und 30 Capital? Er hätte kern Interesse, die Arbeiter anzuwenden, wenn er nicht vom Verkauf ihres Werks mehr erwartete, als nöthig ist, um die für Arbeitslohn avancüten fonds zu ersetzen, und er hätte kern Interesse eher eme grosse als eine kleine Summe von fonds anzuwenden, wenn sein Profit nicht im 35 Verhältniß zum Umfang der angewandten fonds stände. 1.1, p. 97. Der Capitalist zieht also erstens einen Gewinn auf die Salaüe, zweitens auf die avancüten Rohstoffe. Welches Verhältniß hat nun der Gewinn zum Capital? Wenn es schon schwer ist, die gewöhnliche mittlere Taxe des Arbeitslohns an gegebnem Ort und in [gegebner] Zeit zu bestimmen, so noch schwerer der Gewinn der Capitaüen. Wechsel im Preiß der Waaren, mit welchen das 40 339 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Capital handelt, Glück oder Unglück seiner Rivalen und Kunden, tausend andre Zufälle, denen die Waaren ausgesezt sind, sowohl während des Trans ports, als in den Magazinen, bringen einen täglichen, fast stündlichen Wechsel im Profit hervor. Smith. 1.1, p. 179, 180. So unmöglich es nun ist, die Gewinne der Capitalien mit Präcision zu bestimmen, so kann man sich doch eine Vorstellung von ihnen machen nach dem Geldzins. Kann man viel Gewinn mit dem Geld machen, so giebt man viel für die Fähigkeit, sich seiner zu bedienen, wenn wenig durch seine Vermittlung, wenig. Smith. t.I, p. 180,81. Die Proportion, welche die gewöhnliche Zinstaxe mit der Taxe des Reingewinns bewahren muß, wechselt nothwendig mit Steigen oder Fallen des Gewinns. In Großbritannien berechnet man auf das Doppelte des Inter esses das, was die Handelsleute nennen un profit honnête, modéré, raisonnable, lauter Ausdrücke, die nichts sagen wollen, als ein Gewöhnlicher und gebräuchlicher Profit. Smith. 1.1, p. 198. Welches ist die niedrigste Taxe des Gewinns? Welches seine höchste? Die niedrigste Taxe des gewöhnlichen Gewinns der Capitalien muß immer etwas mehr sein, als nöthig ist, um die zufälligen Verluste zu compensiren, welchen jede Anwendung des Capitals ausgesezt ist. Dieses surplus ist eigentlich der Gewinn oder le bénéfice net. Ebenso verhält es sich mit der niedrigsten Taxe des Zinsfusses. Smith. 1.1, p. 196. | 5 10 15 20 |lll| Die höchste Taxe, auf welche die gewöhnlichen Gewinne steigen können, ist die, welche in der Mehrzahl der Waaren die Totalität der Grundrente wegnimmt und den Arbeitslohn der gelieferten Waare auf den niedrigsten Preiß, auf die blosse Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit reducirt. Auf die eine oder die andere Art muß der Arbeiter immer genährt 25 werden, solang er zu einem Tagwerk angewandt wird; die Grundrente kann ganz wegfallen. Beispiel: In Bengalien die Leute der indischen Han delskompagnie. Smith. 1.1, p. 197,98. Ausser allen Vortheilen einer geringen Concurrenz, die der Capitalist in diesem Fall ausbeuten darf, kann er auf eine honette Weise den Marktpreiß über den natürlichen Preiß halten. 30 Einmal: durch Handelsgeheimniß, wenn der Markt von denen, die ihn beziehn, sehr entfernt ist: nämlich durch Geheimhaltung der Wechsel des Preisses, seiner Erhöhung über den natürlichen Stand. Diese Geheimhaltung hat nämlich den Erfolg, daß nicht andre Capitalisten ebenfalls ihr Capital auf 35 diese Branche werfen. Dann: durch Fabrikgeheimniß, wo der Capitalist mit weniger Productions- kosten seine Waare zu denselben oder sogar zu niedrigem Preissen als seine Concurrenten mit mehr Profit liefert. — (Der Betrug durch Geheimhaltung ist nicht unsittlich? Börsenhandel.) — Ferner: wo die Production an eine 40 bestimmte Localität gebunden (wie ζ. B. kostbarer Wein) und die effective 340 Gewinn des Kapitals Nachfrage nie befriedigt werden kann. Endlich: durch Monopole von In dividuen und Compaginen. Der Monopolpreiß ist so hoch als möglich. Smith. L I, p. 120-24. Andre zufällige Ursachen, welche den Gewinn des Capitals erhöhen 5 können: Erwerbung von neuen Territorien oder neuer Handelszweige vermehren oft, selbst in einem reichen Lande, den Gewinn der Capitaüen, weü sie den alten Handelszweigen einen Theü der Capitaüen entziehn, die Concurrenz vermindern, den Markt mit weniger Waaren beziehn machen, deren Preisse sich dann erhöhn; die Handelstreibenden mit denselben können dann das gehehne Geld mit stärkern Zinsen zahlen. Smith. 1.1, p. 190. 10 Je mehr eine Waare bearbeitet, Gegenstand der Manuf actur wüd, steigt der Theü des Preisses, der sich in Arbeitslohn und Profit auflöst im Ver hältniß zu dem Theü, der sich in Grundrente auflöst. In dem Fortschritt, den 15 die Handarbeit über diese Waare macht, vermehrt sich nicht nur die Zahl der Gewinne, sondern jeder folgende Gewinn ist grösser als der vorher gehende, weil das Capital, von dem ||IV| er entspringt, nothwendig immer grösser ist. Das Capital, welches die Leinweber in Arbeit sezt, ist nothwendig immer grösser als das, welches die Spinner arbeiten macht, weü es nicht nur 20 das lezte Capital mit seinen Gewinnen ersezt, sondern ausserdem noch die Salaüe der Leinweber zahlt — und es ist nothwendig, daß die Gewinne immer in einer Art von Verhältniß mit dem Capital stehn. 1.1, 102,3. Der Fortschritt, den also die menschliche Arbeit über das Naturprodukt und das bearbeitete Naturprodukt macht, vermehrt nicht den Arbeitslohn, sondern theüs die Zahl der gewinnenden Capitale, theüs das Verhältniß jedes folgenden Capitals zu d[em] vorhergehenden. 25 Ueber den Gewinn, den der Capitaüst von der Theüung der Arbeit zieht, später. Er gewinnt doppelt, erstens von der Theüung der Arbeit, zweitens über- 30 haupt von dem Fortschritt, den die menschüche Arbeit über das Natur produkt macht. Je grösser der menschliche Antheü an einer Waare, um so grösser der Gewinn des todten Capitals. In einer und derselben Gesellschaft ist die Durchschnittstaxe der Ca- pitalgewinne viel näher demselben Niveau, als der Lohn der verschiedenen 35 Arten von Arbeit. L I, p.228. Bei den verschiedenen Anwendungen des Capitals wechselt die gewöhnüche Taxe des Gewinns nach der grössern oder geringem Gewißheit der Zurückkunft des Capitals. Die Taxe des Gewinns hebt sich mit d[em] risque, wenn auch nicht in voüständiger Proportion. 1.1, p. 226,27. 40 Es versteht sich von selbst, daß die Capitalgewinne auch durch die Er leichterung oder geringere Kostspieügkeit der Cüculationsmittel (z. B. Pa piergeld) steigen. 341 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I 3) Die Herrschaft des Capitals über die Arbeit und die Motive d[es] Capitalisten. Das einzige Motiv, welches den Besitzer eines Capitals bestimmt, es eher in der Agrikultur oder in der Manufaktur oder in einem besondern Zweig des en gros oder en détail Handels zu verwenden, ist der Gesichtspunkt seines eignen Profits. Es kömmt ihm nie in den Sinn zu berechnen, wie viel pro duktive Arbeit jede dieser verschiedenen Anwendungsarten in Thätigkeit setzen, ||V| oder an Werth dem jährlichen Produkt der Ländereien und der Arbeit seines Landes hinzufügen wird. Smith, t. II, p.400, 401. 5 Die nützlichste Anwendung des Capitals für den Capitalisten ist die, 10 welche ihm bei gleicher Sicherheit den größten Gewinn abwirft. Diese Anwendung ist nicht immer die nützlichste für die Gesellschaft; die nütz lichste ist die, welche darauf verwandt wird, Nutzen von den produktiven Naturkräften zu ziehn. Say. t. Π, p. 130,31. Die wichtigsten Operationen der Arbeit sind geregelt und geleitet nach den 15 Plänen und den Spekulationen derjenigen, welche die Capitalien anwenden; und der Zweck, welchen sie sich in allen diesen Plänen und Operationen vorsetzen, ist der Profit. Also: Die Taxe des Profits steigt nicht, wie Grundrente und Arbeitslohn, mit dem Wohlstand der Gesellschaft und fällt nicht, wie jene, mit ihrem Verfall. Im Gegentheil, diese Taxe ist natürlich 20 niedrig in den reichen Ländern und hoch in den armen Ländern; und sie ist nie so hoch als in den Ländern, welche sich am schnellsten ihrem Ruin entgegen stürzen. Das Interesse dieser Klasse steht also nicht in derselben Verbindung, wie das der beiden andern, mit dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft Das besondre Interesse derer, die einen besondern Handels oder Manufacturzweig treiben, ist in gewisser Hinsicht immer verschieden von dem des Publicums und oft ihm sogar feindlich entgegen gesezt. Das Interesse des Kaufmanns ist immer, den Markt zu vergrössern, und die Concurrenz der Verkäufer einzuschränken. . .. Es ist dieß eine Klasse von Leuten, deren Interesse niemals exakt dasselbe sein wird, wie das der 30 Gesellschaft, welche im Allgemeinen ein Interesse haben, das Publicum zu betrügen und es zu überlasten, t. Π, p. 163—65. Smith. 25 4) Die Accumulation der Capitalien und die Concurrenz unter den Ca­ pitalisten. Die Vermehrung der Capitalien, welche den Arbeitslohn erhöht, strebt den Gewinn d[es] Capitalisten zu vermindern, durch die Concurrenz unter den Capitalisten. 1.1, p. 179. Smith. 35 „Wenn ζ. B. das Capital, das zum Epiceriegeschäft einer Stadt nöthig ist, sich unter zwei verschiedne Epiciers getheilt findet, so wird die Concurrenz machen, daß jeder von ihnen wohlfeiler verkaufen wird, als wenn sich das Capital in den Händen eines einzigen befunden hätte; und wenn es unter 40 342 Gewinn des Kapitals 20 ||Vl| getheilt ist, wird die Concurrenz grade um so thätiger sein, und es wird um so weniger die Möglichkeit gegeben sein, daß sie sich unter einander verständigen können, den Preiß ihrer Waaren zu erhöhn." Smith, t. II, p. 372,73. 5 Da wir nun schon wissen, daß die Preisse des Monopols so hoch als möglich sind, da das Interesse d[es] Capitaüsten selbst vom gemein na tionalökonomischen Gesichtspunkt aus feindlich der Gesellschaft gegen übersteht, da die Erhöhung des Capitalgewinns wie das zusammengesezte Interesse auf den Preiß der Waare wükt, (Smith. t.I, p.201.) so ist die 10 Concurrenz die einzige Hülfe gegen d[en] Capitaüsten, die nach der Angabe der Nationalökonomie eben so wohlthätig auf die Erhöhung des Arbeits lohns, als auf die Wohlfeilheit der Waaren, zu Gunsten des consumnürenden Publicums, wükt. AUeüi die Concurrenz ist nur dadurch mögüch, daß die Capitaüen sich 15 vermehren und zwar in vielen Händen. Die Entstehung vieler Capitaüen ist nur möglich durch vielseitige Accumulation, da das Capital überhaupt nur durch Accumulation entsteht und die vielseitige Accumulation schlägt nothwendig in einseitige um. Die Concurrenz unter den Capitaüen vermehrt die Accumulation unter den Capitaüen. Die Accumulation, welche unter der 20 Herrschaft des Privateigenthums, Concentration des Capitals in wenigen Händen ist, ist überhaupt eine nothwendige Consequenz, wenn die Capitaüen ihrem natürlichen Lauf überlassen werden und durch die Concurrenz bricht sich diese natürüche Bestimmung des Capitals erst recht freie Bahn. Wü haben gehört, daß der Gewinn des Capitals im Verhältniß zu seiner 25 Grösse steht. Ganz zunächst von der absichtüchen Concurrenz abgesehn, accumuürt ein grosses Capital sich also verhältnißmässig nach semer Grösse schneüer als ein kleines Capital. | |VIIl| Hienach ist schon ganz abgesehn von der Concurrenz die Accumu lation des grossen Capitals viel schneüer als die d[es] kleineren. Aber ver- folgen wü weiter den Verlauf. 30 Mit der Vermehrung der Capitaüen vermindern sich, mittelst der Con currenz, die Profite der Capitaüen. Also leidet zunächst der kleine Capi taüst. Die Vermehrung der Capitaüen in eine grosse Anzahl von Capitaüen sezt 35 fortschreitenden Reichthum des Landes voraus. „In einem Lande, welches auf eine sehr hohe Stufe des Reichthums gelangt ist, ist die gewöhnüche Taxe des Gewinns so klein, daß der Zinsfuß, welchen dieser Gewinn zu zahlen erlaubt, zu niedrig ist, als daß andre als die reichsten Leute vom Geldinteresse leben könnten. Alle Leute von mittlerem Ver- 40 mögen, müssen also selbst ihr Capital anwenden, Geschäfte treiben, oder sich an ügend einem Handelszweig interessüen." Smith. 1.1, p. 196,97. 343 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Dieser Zustand ist der Lieblingszustand der Nationalökonomie. „Die Proportion, welche zwischen der Summe der Capitalien und d[er] Revenuen besteht bestimmt überall die Proportion, in welcher sich die In dustrie und der Müssiggang befinden werden; wo die Capitalien den Sieg davon tragen, herrscht die Industrie; wo die Revenuen, der Müssiggang." t . I I , p . 3 2 5. Smith. Wie steht es nun mit der Anwendung des Capitals in dieser vergrösserten Concurrenz? „Mit der Vermehrung der Capitalien muß die Quantität d[es] fonds àprêter à intérêt successiv grösser werden; mit der Verrriehrung dieser fonds wird der Geldzins kleiner, 1) weil der Marktpreiß aller Sachen fällt, je mehr ihre Quantität sich vermehrt, 2) weil mit der Vermehrung der Capitalien in einem Land es schwerer wird, ein neues Capital auf eine vortheilhafte Weise anzulegen. Es erhebt sich eine Concurrenz unter den verschiednen Capi talien, indem der Besitzer eines Capitals alle möglichen Anstrengungen macht, um sich des Platzes \ Geschäftes zu bemächtigen, das sich durch ein andres Capital besezt findet. Aber meistens kann er nicht hoffen, dieß andre Capital von seinem Platz wegzubugsiren, wenn nicht durch die Anbietung, zu besseren Bedingungen zu handeln. Er muß die Sache nicht nur wohlfeiler verkaufen, sondern oft, um Gelegenheit zum Verkauf zu finden, sie theurer kaufen. Je mehr fonds zur Erhaltung der produktiven Arbeit bestimmt wird, desto grösser wird die Nachfrage nach Arbeit: die Arbeiter finden leicht Beschäftigung, ||ΓΧ| aber die Capitalisten haben Schwierigkeit, Arbeiter zu finden. Die Concurrenz der Capitalisten läßt den Arbeitslohn steigen und die Gewinne fallen." t.II, p. 358,59. Smith. Der kleine Capitalist hat also die Wahl: 1) entweder sein Capital aufzues sen, da er von den Zinsen nicht mehr leben kann, also aufzuhören Capitalist zu sein; oder 2) selbst ein Geschäft anzulegen, seine Waare wohlfeiler zu verkaufen und theurer zu kaufen, als der reichere Capitalist und einen er höhten Arbeitslohn zu zahlen; also da der Marktpreiß durch die voraus- gesezte hohe Concurrenz schon sehr niedrig steht, sich zu ruiniren. Will dagegen der grosse Capitalist den kleinen wegbugsiren, so hat er ihm gegen über alle Vortheile, welche der Capitalist als Capitalist dem Arbeiter gegen über hat. Die kleinern Gewinne werden ihm durch die grössere Quantität seines Capitals ersezt und selbst momentane Verluste kann er solange er tragen, bis der kleinere Capitalist ruinirt ist und er sich von dieser Concurrenz befreit sieht. So accumulili er sich die Gewinne d[es] kleinen Capitalisten. Ferner: Der grosse Capitalist kauft immer wohlfeiler ein, als der kleine, weil er massenhafter einkauft. Er kann also ohne Schaden wohlfeiler ver kaufen. Wenn aber der Fall des Geldzinses die mittleren Capitalisten aus Rentiers 344 Gewinn des Kapitals zu Geschäftsleuten macht, so bewirkt umgekehrt die Vermehrung der Ge- schäftscapitalien und der daher erfolgende kleinere Gewinn den Fall des Geldzinses. „Damit, daß das Benefiz, das man vom Gebrauch eines Capitals ziehn kann, sich vermindert, vermindert sich nothwendig der Preiß, den man fin den Gebrauch dieses Capitals zahlen kann." t. II, p. 359. Smith. „Je mehr Reichthum, Industrie, Bevölkerung sich mehren, um so mehr vermindert sich der Geldzins, also der Gewinn d[er] Capitalisten; aber sie selbst vermehren sich nichts desto weniger und noch schneller, wie früher, trotz der Verminderung der Gewinne. Ein grosses Capital, obgleich von kleinen Gewinnen vermehrt sich im Allgemeinen viel schneller als ein kleines Capital mit grossen Gewinnen. Das Geld macht Geld, sagt das Sprüchwort." t . I, p. 189. Wenn also diesem grossen Capital nun gar kleine Capitale mit kleinen Gewinnen, wie das unter dem vorausgesezten Zustand starker Concurrenz ist, gegenübertreten, so ecrasirt es sie völlig. In dieser Concurrenz ist dann die allgemeine Verschlechterung der Waaren, die Verfälschung, die Scheinproduktion, die allgemeine Vergiftung, wie sie in grossen Städten sich zeigt, die nothwendige Consequenz. | |X| Ein wichtiger Umstand in der Concurrenz der grossen und kleinen Capitaüen ist ferner das Verhältniß von capital fixe und capital circulant. „Capital circulant ist ein Capital, das angewandt w üd zur Erzeugung von Lebensmitteln, Manufactur oder Handel. Dieß so angelegte Capital giebt seinem Herrn nicht Revenu oder Profit, solang es in seinem Besitz bleibt oder fortfahrt unter derselben Gestalt zu bleiben. Es geht beständig aus seiner Hand unter einer bestimmten Form, um unter einer andern zurückzukehren und ist nur vermittelst dieser Cüculation oder dieser successiven Verwand lung und Vertauschung Profit bringend. Capital fixe besteht in dem zur Verbesserung von Ländern, zum Ankauf von Maschinen, Instrumenten, Handwerkszeug, ähnlichen Sachen angelegten Capital." Smith, p. 197,98. ,Jede Ersparung in der Erhaltung d[es] capital fixe ist ein Zuwachs des Reingewinns. Das Gesammtcapital eines jeden Arbeitsunternehmers theüt sich nothwendig zwischen seinem capital fixe und seinem capital cüculant. Bei der Gleichheit der Summe, wüd der eine Theü um so kleiner sein, je grösser der andere ist. Das capital cüculant üefert ihm die Materie und Salaüe der Arbeit, und sezt die Industrie in Thätigkeit. Also jede Ersparniß im capital fixe, welche die produktive Kraft der Arbeit nicht vermindert, vermehrt d[en] fonds." t. II, p. 226. Smith. Man sieht von vorn herein, daß das Verhältniß von capital fixe und capital cüculant viel günstiger für d[en]grossen, als für d[en] kleineren Capitalisten ist. Ein sehr grosser Banquier braucht nur unbedeutend mehr capital fixe, 345 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I als ein sehr kleiner. Ihr capital fixe beschränkt sich auf die Comptoirstube. Die Instrumente eines grossen Landgutsbesitzers vermehren sich nicht in dem Verhältniß der Grösse seines Grundstückes. Ebenso ist der Credit, den ein grosser Capitalist vor d[em] kleineren besizt eine um so grössere Er sparung im capital fixe, nämlich dem Gelde, was er immer parat haben muß. Es versteht sich endlich, daß wo die Industriearbeit einen hohen Grad er reicht hat, also fast alle Handarbeit zur Fabrikarbeit geworden ist, dem kleinen Capitalisten sein ganzes Capital nicht zureicht, um nur d[as] nöthige capital fixe zu besitzen. On sait, que les travaux de la grande culture, n'occupent habituellement qu'un petit nombre de bras. Ueberhaupt findet bei der Accumulation der grossen Capitalien verhält- nißmässig auch eine Concentration und Vereinfachung d[es] capital fixe Statt im Verhältniß zu d[em] kleineren Capitalisten. Der grosse Capitalist führt für sich eine Art /|Xl| von Organisation der Arbeitsinstrumente ein. 5 10 „Ebenso ist im Bereiche der Industrie schon jede Manufactur und Fabrik 15 eine umfassendere Verbindung eines grössern sächlichen Vermögens mit zahlreichen und vielartigen intellektuellen Fähigkeiten und technischen Fertigkeiten zu einem gemeinsamen Zwecke der Production. . .. Wo die Gesetzgebung das Grundeigenthum in grossen Massen zusammenhält, drängt sich der Ueberschuß einer wachsenden Bevölkerung zu den Ge- 20 werben, und es ist also, wie in Großbrittannien, das Feld der Industrie, auf dem sich hauptsächlich die grössere Menge der Proletarier anhäuft. Wo aber die Gesetzgebung die f ortgesezte Theilung des Bodens zuläßt, da vermehrt sich, wie in Frankreich, die Zahl der kleinen und verschuldeten Eigenthümer, welche durch die fortgehende Zerstücklung in die Klasse d[er] Dürftigen und 25 Unzufriedenen geworfen werden. Ist endlich diese Zerstücklung und Ueberschuldung zu einem höhern Grade getrieben, so verschlingt wieder der grosse Grundbesitz den kleinen, wie auch die grosse Industrie die kleine vernichtet; und da nun wieder grössere Gütercomplexe sich bilden, so wird auch die zur Cultur des Bodens nicht schlechthin erforderliche Menge der 30 besitzlosen Arbeiter wieder der Industrie zugedrängt." p.58, 59. Schulz. Bewegung der Produktion. „Die Beschaffenheit der Waaren derselben Art wird eine andre durch die Veränderung in der Art der Production und namentlich durch die Anwendung des Maschinenwesens. Nur durch Ausschliessung der Menschenkraft ist es möglich geworden, von einem Pfund Baumwolle, 3 Sh. 8 Pence an Werth, 350 Zaspeln zu spinnen von 167 englischen oder 36 deutschen Meilen Länge und von einem Handelswerthe von 25 Guiñeen." ibid. p. 62. 35 „Im Durchschnitt haben sich in England seit 45 Jahren die Preisse der Baumwollzeuge um1V12 vermindert, und nach Marshalls Berechnungen wird 40 das gleiche Quantum von Fabrication, wofür noch im Jahr 181416 Shillinge 346 Gewinn des Kapitals 5 bezahlt wurden, jezt um 1 Sh. 10 d. geliefert. Die grössere Wohlfeilheit der industriellen Erzeugnisse vergrössert die Consumtion sowohl im M a n d e, als den Markt im Auslande; und damit hängt zusammen, daß sich in Groß- brittannien die Zahl der Arbeiter in Baumwolle nach Einführung der Ma- schinen nicht nur nicht vermindert hat, sondern daß sie von 40000 auf IV2 Millionen gestiegen ist. |¡XIl| Was nun den Erwerb der industriellen Unternehmer und Arbeiter betrifft, so hat sich durch die wachsende Con currenz unter den Fabrikherrn der Gewinnst derselben, im Verhältnisse zur Quantität der Erzeugnisse, die sie liefern, nothwendig vermindert. In den Jahren 1820—33 ist der Bruttogewinn d[es] Fabrikanten in Manchester für ein Stück Calico von 4 Sh. IV3 d. auf 1 Sh. 9 d. gefallen. Aber zur Einbringung dieses Verlustes ist der Umfang der Fabrication um so mehr erweitert worden. Davon ist nun die Folge, daß in einzelnen Zweigen der Industrie theilweise Ueberproduktion eintritt, daß häufige Bankerotte entstehen, 15 wodurch sich innerhalb der Classe d[er] Capitalisten und Arbeitsherrn ein unsicheres Schwanken und Wogen des Besitzes erzeugt, was einen Theil der ökonomisch Zerrütteten dem Proletariat zuwirft; daß oft und plötzlich eine Einstellung oder Verminderung der Arbeit nothwendig wird, deren Nachtheile die Classe der Lohnarbeiter stets bitter empfindet." ib. p.63. 10 20 «Louer son travaü, c'est commencer son esclavage; louer la matière du travaü, c'est constituer la hberté. ... le travaü est l'homme. La matière au contraüe n'est rien de l'homme.» Pecqueur théor. soc. etc. p. 411,12. «l'élément matière, qui ne peut rien pour la création de la richesse sans l'autre élément travail, reçoit la vertu magique d'être fécond pour eux comme 25 s'üs y avaient mis, de leur propre fait, cet indispensable élément.» ibid. 1. c. «En supposant que le travail quotidien d'un ouvrier lui rapporte en moyenne 400fr. par an, et que cette somme suffise à chaque adulte pour vivre d'une vie grossière, tout propriétaüe de 2000 f r. de rente, de fermage, de loyer etc, force donc üidüectement 5 hommes à travaüler pour lui; 100000fr. de rente représentent le travaü de 250 hommes, et 1000000 le travail de 2500 individus.» (Louis Phüippe) die Arbeit von 750000 Arbeitern.) ibid. p.412,13. (Also 300 Mülionen, 30 «les propriétaües ont reçu de la loi des hommes le droit d'user et d'abuser, c-à-d. de faire ce qu'Us veulent de la matière de tout travaü... üs sont nul- 35 lement obligés par la loi de f ournü à propos et toujours du travaü aux non propriétaües, ni de leur payer un salaüe toujours suffisant etc.» p. 413 1. c. «überté entière, quant à la nature, à la quantité, à la quaüté, à l'opportunité de la production, à l'usage, à la consommation des richesses, à la disposition de la matière de tout travail. Chacun est übre d'échanger sa chose comme 40 ü l'entend sans autre considération, que son propre intérêt d'individu.» p.413 I.e. 347 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I 5 «La concurrence n'exprime pas autre chose que l'échange facultatif, qui lui-même est la conséquence prochaine et logique du droit individuel d'user et d'abuser des instruments de toute production. Ces trois moments économiques, lesquels n'en font qu'un: le droit d'user et d'abuser, la liberté d'échanges et la concurrence arbitraire, entraînent les conséquen- ces suivantes: chacun produit ce qu'il veut, comme il veut, quand il veut, où il veut; produit bien ou produit mal, trop ou pas assez, trop tôt ou trop tard, trop cher ou à trop bas prix; chacun ignore s'il vendra, à qui il vendra, comment il vendra, quand il vendra, où il vendra; et il en est de même quant aux achats. |[XIIl| Le producteur ignore les besoins et les ressources, les demandes et les offres. Π vend quand il veut, quand il peut, où il veut, à qui il veut, au prix qu'il veut. Et il achète de même. En tout cela il est toujours le jouet du hasard, l'esclave de la loi du plus fort, du moins pressé, du plus riche.... Tandis que sur un point il y a disette d'une richesse, sur l'autre il y a trop plein et gaspillage. Tandis qu'un producteur vend beaucoup ou très cher, et à bénéfice énorme, l'autre ne vend rien ou vend à perte. ... L'offre ignore la demande et la demande ignore l'offre. Vous produisez sur la foi d'un goût, d'une mode qui se manifeste dans le public des consommateurs ; mais déjà, lorsque vous êtes prêt à livrer la marchan dise, la fantaisie a passé et s'est fixée sur un autre genre de produit. ... conséquences infaillibles la permanence et l'universalisation des ban queroutes, les mécomptes, les ruines subites et les fortunes improvisées; les crises commerciales, les chômages, les encombrements ou les disettes pé riodiques ; rinstabilité et l'avilissement des salaires et des profits ; la dé perdition ou le gaspillage énorme des richesses, de temps et d'efforts dans 25 l'arène d'une concurrence acharnée.» p.414—16 Le. 10 20 15 Ricardo in seinem Buch (rent of land): Die Nationen sind nur Ateliers der Produktion, der Mensch ist eine Maschine zum Consummiren und Produciren; das menschliche Leben ein Capital; die ökonomischen Ge setze regieren blind die Welt. Für Ricardo sind die Menschen nichts, das 30 Produkt alles. Im 26 Capitel der französischen Uebersetzung heißt es: «H serait tout-à-fait indifférent, pour une personne, qui sur un capital de 20000fr. ferait 2000fr. par an de profit, que son capital employât cent hommes ou mille ... L'intérêt réel d'une nation n'est-il pas le même ? pourvu que son revenu net et réel et que ses fermages et ses profits soient les mêmes, qu'importe qu'elle se compose de dix ou de douze millions d'individus ? » « En vérité, dit M. de Sismondi (t. II, p. 331) il ne reste plus qu'à désirer que le roi, demeuré tout seul dans l'île, en tournant constamment une manivelle, (Kurbel) fasse accomplir par des automates, tout l'ouvrage de l'Angle terre.» 35 40 «le maître, qui achète le travail de l'ouvrier à un prix si bas qu'il suffit à 348 Gewinn des Kapitals peine aux besoins les plus pressants, n'est responsable ni de l'insuffisance des salaires, ni de la trop longue durée du travail : il subit lui-même la loi qu'il impose ... ce n'est pas tant des hommes que vient la misère, que de la puis sance des choses.» 1. c. p. 82. 5 „In England giebt es viele Plätze, wo den Einwohnern zur vollständigen Erdkultur die Capitaüen fehlen. Die Woüe der Südprovinzen Schottlands muß grossen theüs eine lange Reise zu Land durch schlechte Wege machen, um in der Grafschaft York bearbeitet zu werden, weü es an ihrem Pro duktionsplatz an Capitaüen zur Manufactur fehlt. Es giebt in England mehre 10 kleine Fabrikstädte, deren Einwohnern hinreichendes Capital fehlt zum Transport ihrer industriellen Produkte auf entfernte Märkte, wo dasselbe Nachfrage und Consumenten findet. Die Kaufleute hier sind ||XTV| nur Agenten reicherer Kaufleute, die in einigen grossen Handelsstädten re- sidüen." Smith, t. II, p. 382. «Pour augmenter la valeur du produit annuel de la terre et du travaü, ü n'y a pas d'autres moyens que d'augmenter, quant au nombre, les ouvriers productifs, ou d'augmenter, quant à la puissance, la faculté productive des ouvriers précédemment employés.... Dans l'un et dans l'autre cas il faut presque toujours un surcroît de capital.» Smith, t. II, p. 338. 15 25 20 „Weü es also in der Natur der Dinge liegt, daß die Accumulation eines Capitals ein notwendiger Vorläufer der Theüung der Arbeit ist, kann die Arbeit kerne weiteren Unterabtheüungen empfangen als in dem Verhältniß, in welchem sich die Capitaüen nach und nach aufgehäuft haben. Je mehr die Arbeit in Unterabtheüungen zerf äüt, vermehrt sich die Quantität der Mate- rien, welche dieselbe Anzahl von Personen ins Werk setzen kann; und da die Aufgabe jedes Arbeiters sich nach und nach auf eine grössere Stufe von Einfachheit reducirt findet, werden eine Menge neuer Maschinen entdeckt, um diese Aufgaben zu erleichtern und abzukürzen. Je weiter sich also die Theüung der Arbeit ausbreitet, ist es nothwendig, damit eine selbe Zahl von 30 ouvriers beständig beschäftigt sei, daß man eine gleiche Provision von Lebensmitteln und eine Provision von Materien, Instrumenten und Hand werkszeug im voraus aufhäuft, welche viel stärker ist, als dieß früher in einem minder avancüten Zustand der Dinge nöthig war. Die Zahl der Ar beiter vermehrt sich in jedem Arbeitszweig zur selben Zeit, als sich hier die 35 Theüung der Arbeit vermehrt oder vielmehr ist es diese Vermehrung ihrer Zahl, welche sie in den Stand sezt, sich zu classificüen und unterabzutheüen auf diese Art." Smith, t. II, 193,94. „Ebenso wie die Arbeit diese grosse Ausdehnung der produktiven Kraft nicht erhalten kann, ohne eine vorhergehende Accumulation der Capitale, ebenso führt die Accumulation der Capitaüen natürlicher Weise diese Ausdehnung [herbei]. Der Capitaüst will nämhch durch sein Capital die 40 349 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I größtmöglichste Quantität Machwerk produziren, strebt also unter seinen Arbeitern die schicklichste Arbeitsteilung einzuführen und mit den mög lichst besten Maschinen sie zu versehn. Seine Mittel, um in diesen beiden Gegenständen zu reussiren, |/XV/ stehn im Verhältniß zur Ausdehnung seines Capitals und zur Zahl der Leute, welche dieses Capital beschäftigt halten kann. Also nicht nur die Quantität der Industrie vermehrt sich in einem Lande vermittelst des Wachsthums des Capitals, welches sie in Bewegung sezt, sondern, in Folge dieses Wachsthums, producirt dieselbe Quantität von Industrie eine viel grössere Quantität des Machwerks." Smith. 1. c. p. 194,95. Also Ueberproduktion. „Umfassendere Combinationen der produktiven Kräfte . .. in Industrie und Handel durch Vereinigung zahlreicherer und vielartigerer Men schenkräfte und Naturkräfte für Unternehmungen in grösserm Maaßstabe. Auch schon hie und da—engere Verbindung der Hauptzweige der Production unter sich. So werden grosse Fabrikanten zugleich grossen Grundbesitz zu erwerben suchen, um wenigstens einen Theil der zu ihrer Industrie erfor derlichen Urstoffe nicht erst aus 3t er Hand beziehn zu müssen; oder sie werden mit ihren industriellen Unternehmungen einen Handel in Verbindung setzen, nicht blos zum Vertrieb ihrer eignen Fabrikate, sondern wohl auch zum Ankauf von Producten andrer Art und zum Verkauf derselben an ihre Arbeiter. In England, wo einzelne Fabrikherrn mitunter an der Spitze von 10—12000 Arbeitern . .. schon solche Verbindungen verschiedener Pro- ductionszweige unter einer leitenden Intelligenz, solche kleinre Staaten oder Provinzen im Staat—nicht selten. So übernehmen in neuerer Zeit die Minen besitzer bei Birmingham den ganzen Prozeß der Eisenbereitung, der sich früher an verschiedne Unternehmer und Besitzer vertheilte. Siehe der berg männische Distrikt bei Birmingham — Deutsche Viertel]. 3, 1838. Endlich sehn wir in den so zahlreich gewordenen grössern Actienunternehmungen umfassende Combinationen der Geldkräfte w'e/erTheilnehmendenmitden wissenschaf tüchen und technischen Kenntnissen und Fertigkeiten Anderer, welchen die Ausführung der Arbeit übertragen ist. Hierdurch den Capita listen möglich, ihre Ersparnisse in mannigfachrer Weise und wohl auch gleichzeitig auf landwirthschafüiche, industrielle und commercielle Pro duction zu verwenden, wodurch ihr Interesse ein gleichzeitig vielseitigeres wird, ||XVl| Gegensätze zwischen den Interessen der Agricultur, Industrie und Handels sich mildern und verschmelzen. Aber selbst diese erleichterte Möglichkeit, das Capital in verschiedenster Weise nutzbringend zu machen, muß den Gegensatz zwischen den bemittelten und unbemittelten Klassen erhöhn." Schulz. I.e. p.40, 41. Ungeheurer Gewinn, den die Hausvermiether von dem Elend ziehn. D[er] loyer steht im umgekehrten Verhältniß zum industriellen Elend. 350 Grundrente Ebenso Procente von den Lastern der ruinirten Proletarier. (Prostitution, Soff, prêteur sur gages) Die Accumulation der Capitaüen nimmt zu und ihre Concurrenz ab, indem Capital und Grundbesitz sich in einer Hand zusammenfinden, ebenso indem 5 das Capital durch seine Grösse befähigt wird, verschiedene Productions- zweige zu combiniren. Gleichgültigkeit gegen d[en] Menschen. Die 20 Lotterielose von Smith. Revenu net et brut von Say. | |l| Grundrente. 10 Das Recht der Grundeigenthümer leitet seinen Ursprung vom Raub. Say. 1.1, p. 136, not. Die Grundeigenthümer üeben, wie alle Menschen da zu äraten, wo sie nicht gesät haben und sie verlangen eine Rente selbst für das natür liche Produkt der Erde. Smith. 1.1, p. 99. „Man könnte sich vorstellen, die Grundrente sei nur der Gewinn des 15 Capitals, welches der Eigenthümer zur Verbesserung des Bodens benuzt hat. . .. Es gjebt Fälle, wo die Grundrente dieß zum Theil sein kann . .. aber der Grundeigenthümer fordert 1) eine Rente selbst für die nicht verbesserte Erde und was man als Interesse oder Gewinn auf die Verbesserungskosten be trachten kann, ist meistens nur eine Zuthat\ Addition zu dieser primitiven 20 Rente, 2) überdem sind diese Verbesserungen nicht immer mit d[en] fonds der Grundeigenthümer gemacht, sondern manchmal mit denen des Pächters: nichtsdestoweniger, wenn es sich darum handelt die Pacht zu erneuern, verlangt der Grundeigenthümer gewöhnlich eine solche Erhöhung der Rente, als wenn alle diese Verbesserungen mit seinen eignen fonds gemacht wären. 25 3) Ja er verlangt manchmal selbst eine Rente für das, was durchaus unfähig der geringsten Verbesserung durch Menschenhand ist." Smith. 1.1, p. 300, 301. 30 Smith führt als Beispiel für leztern Fall das Salzkraut (Seekrapp — sa licorne) an, „eine Art von Seepflanze, welche nach der Verbrennung ein alkalisches Salz giebt, womit man Glas, Seife etc machen kann. Es wächst in Großbrittannien, vorzüglich in Schottland an verschiednen Plätzen, aber nur auf Felsen, die unter der Ebbe und Fluth liegen, (hohen Fluth, marée) 2mal des Tags durch die Seewellen bedeckt sind und deren Produkt also niemals durch die menschliche Industrie vermehrt worden ist. Dennoch 35 verlangt der Eigenthümer eines solchen Grundstücks, wo diese Art von Pflanze wächst, eine Rente, ebenso gut wie von Getreideboden. In der Nähe der Inseln von Shetland ist das Meer ausserordentlich reich. Ein grosser Theil ihrer Einwohner ||ll| lebt vom Fischfang. Um aber Gewinn vom Meerprodukt 351 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I zu ziehn, muß man eine Wohnung auf dem benachbarten Lande haben. Die Grundrente steht im Verhältniß nicht zu dem, was der Pächter mit der Erde, sondern zu dem, was er mit der Erde und dem Meer zusammen machen kann." Smith. t.I, p.301, 302. „Man kann die Grundrente als das Produkt der Naturmacht betrachten, deren Gebrauch der Eigenthümer dem Pächter leiht. Dieß Produkt ist mehr oder weniger groß je nach dem Umfang dieser Macht oder in andern Worten, nach dem Umfang der natürlichen oder künstlichen Fruchtbarkeit der Erde. Es ist das Werk der Natur, welches übrig bleibt nach Abziehung oder nach der Balance alles dessen, was man als das Werk d[es] Menschen betrachten 10 kann." Smith, t. II, p. 377,78. 5 „Die Grundrente als Preiß betrachtet, den man für den Gebrauch der Erde zahlt, ist also natürlich ein Monopolpreiß. Sie steht durchaus nicht im Ver hältniß zu den Verbesserungen, die der Grundeigenthümer an die Erde gewandt hat, oder mit dem, was er nehmen muß, um nicht zu verlieren, 15 sondern mit dem, was der Pächter möglicher Weise geben kann, ohne zu verlieren." t.I, p.302. Smith. „Von den 3 produktiven Klassen ist die der Grundeigenthümer diejenige, der ihre Revenu weder Arbeit noch Sorge kostet, sondern der sie so zu sagen von selbst kömmt, und ohne daß sie irgend eine Einsicht oder einen Plan 20 hinzu thut." Smith, t. II, p. 161. Wir haben schon gehört, daß die Quantität [der] Grundrente von dem Verhältniß der Fruchtbarkeit des Bodens abhängt. Ein andres Moment ihrer Bestimmung ist die Lage. „Die Rente wechselt nach der Fruchtbarkeitder Erde, welches auch immer ihr Produkt sei, und nach der Lage, welches auch immer die Fruchtbarkeit sei." Smith. t.I, p.306. 25 „Sind Ländereien, Minen, Fischereien von gleicher Fruchtbarkeit, so wird ihr Produkt im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien stehn, welche man zu ihrer Cultur und Exploitation anwendet, wie zu der mehr | |lll| oder minder 30 geschickten Weise der Anwendung der Capitalien. Sind die Capitalien gleich und gleichgeschickt angewandt, so wird das Product im Verhältniß zur natürlichen Fruchtbarkeit der Ländereien, Fischereien und Minen stehn." t. II, p.210. Diese Sätze von Smith sind wichtig, weil sie bei gleichen Productions- 35 kosten und gleichem Umfang die Grundrente auf die grössere oder kleinere Fruchtbarkeit der Erde reduciren; also deutlich die Verkehrung der Begriffe in der Nationalökonomie bewiesen, welche Fruchtbarkeit der Erde in eine Eigenschaft des Grundbesitzers verwandelt. Betrachten wir aber nun die Grundrente, wie sie sich im wirklichen Ver- 40 kehr gestaltet. 352 Grundrente Die Grundrente wird festgesezt durch den Kampf zwischen Pächter und Grundeigenthümer. Ueberau in der Nationalökonomie finden wir den feind lichen Gegensatz der Interessen, den Kampf, den Krieg als die Grundlage der gesellschaftlichen Organisation anerkannt. Sehn wir nun, wie Grundeigenthümer und Pächter zu einander stehn. „Der Grundeigenthümer sucht bei der Stipulation der Pachtklauseln, möglicherweise dem Pächter nicht mehr zu lassen, als hinreicht, um das Capital zu ersetzen, welches d[en] Saamen liefert, die Arbeit bezahlt, Thiere und andre Instrumente kauft und unterhält und ausserdem den gewöhnlichen Gewinn der übrigen Pachtungen im Canton abwirft. Offenbar ist dieß der kleinste Theil, womit der Pächter sich befriedigen kann, ohne in Verlust zu gerathen und der Grundeigenthümer ist selten der Ansicht, ihm mehr zu lassen. Alles, was vom Product oder seinem Preisse über diese Portion bleibt, wie auch der Rest beschaffen sei, sucht sich der Proprietär als Grundrente zu reserviren, die stärkste, die der Pächter bei dem jetzigen Zustand der Erde zahlen ||IV| kann. Dieses surplus kann immer als die natürliche Grundrente betrachtet werden, oder als die Rente zu welcher die meisten Grundstücke natürlicherweise vermiethet werden." Smith. 1.1, p. 299, 300. „Die Grundeigenthümer", sagt Say „üben eine gewisse Art von Monopol gegen d[ie] Pächter. Die Nachfrage nach ihrer Waare, dem Grund und Boden, kann sich unaufhörlich ausdehnen; aber die Quantität ihrer Waare erstreckt sich nur bis zu einem gewissen Punkt. . .. Der Handel, der sich zwischen Grundeigenthümer und Pächter abschließt, ist immer so vortheilhaft wie mögüch für den ersten . .. ausser dem Vortheü, den er aus der Natur der Dinge zieht, zieht er einen andern aus semer SteUung, grösserem Vermögen, Credit, Ansehn; aUein schon d[er] erste reicht dazu hin, daß er immer befähigt ist allein von den günstigen Umständen des Grund und Bodens zuprofitiren. Die Eröffnung eines Canals, Wegs, der Fortschritt der Bevölkerung und des Wohlstandes eines Cantons erheben immer den Pachtpreiß Der Pächter selbst kann zwar den Boden auf seine Kosten verbessern; aber von diesem Capital zieht er nur Vortheü während der Dauer seiner Pacht, und mit ihrem Ablauf bleibt es dem Grundeigenthümer; von diesem Moment an zieht dieser die Interessen davon, ohne die Avancen gemacht zu haben, denn die Miethe erhebt sich nun verhältmßmässig." Say, t. Π, p. 142,43. „Die Grundrente, betrachtet als der Preiß, der für den Gebrauch der Erde bezahlt wüd, ist daher natürÜcher Weise der höchste Preiß, den der Pächter zu zahlen im Stande ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Grund und Bodens." Smith, t . I, p.299. „Die Grundrente der Oberfläche der Erde beträgt daher meistens . .. den 3l Theü des Gesammtprodukts und meistens ist das eine fixe und von den zufäüigen Schwankungen ||V| der Erndte unabhängige Rente." Smith. t.I, 353 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I p.351. „Selten beträgt diese Rente weniger als 74 des Gesammtprodukts." ib.t.11, p.378. Nicht bei allen Waaren kann die Grundrente bezahlt werden. Ζ. B. in manchen Gegenden wird für die Steine keine Grundrente bezahlt. „Gewöhnlich kann man nur die Produkte der Erde auf den Markt bringen, die Theile des Erdproduktes, deren gewöhnlicher Preiß hinreicht, um das Capital, weiches man zu dieser Transportation braucht, und die gewöhn lichen Gewinne dieses Capitals zu ersetzen. Reicht der Preiß mehr als aus hiefür, so geht d[as] surplus natürlich zur Grundrente. Ist er nur hinreichend, so kann die Waare wohl auf den Markt gebracht werden, aber sie reicht nicht 1 o hin, um dem Landbesitzer die Grundrente zu zahlen. Wird oder wird nicht der Preiß mehr als hinreichend sein? Das hängt von der Nachfrage ab." Smith. t . I, p.302, 303. 5 „Die Grundrente geht in die Composition des Preisses der Waaren auf eine ganz andere Art ein, als der Arbeitslohn und der Gewinn des Capitals. Die 15 hohe oder niedre Taxe der Salate und Gewinne ist die Ursache des hohen oder niedern Preisses der Waaren: die hohe oder niedre Taxe der Grundrente ist die Wtkung des Preisses." t.I, p.303, 304. Smith. Zu den Produkten, die immer eine Grundrente bringen, gehört die Nah rung. 20 „Da die Menschen, wie alle Thiere, sich im Verhältniß zu ihren Subsistenz- mitteln vermehren, so giebt es immer mehr oder weniger Nachfrage nach Nahrung. Die Nahrung wird immer einen grössern oder kleinern ||VI| Theil von Arbeit kaufen können, und es werden sich immer Leute aufgelegt finden, etwas zu thun, um sie zu gewinnen. Die Arbeit, welche die Nahrung kaufen 25 kann ist zwar nicht immer gleich der Arbeit, die von ihr subsistiren könnte, wenn sie auf die ökonomischste Weise vertheilt wäre und dieß wegen der zuweilen hohen Arbeitssalaire. Aber die Nahrung kann immer so viel Arbeit kaufen, als sie nach der Taxe, auf welche diese Arbeitsart gewöhnlich im Lande steht, Arbeit subsistiren machen kann. Die Erde producirt fast in allen 30 möglichen Situationen mehr Nahrung als zur Subsistenz aller Arbeit nöthig, welche dazu beiträgt, diese Nahrung auf den Markt zu bringen. Das Mehr dieser Nahrung ist immer mehr als hinreichend, um mit Gewinn das Capital zu ersetzen, welches diese Arbeit in Bewegung sezt. Also bleibt immer etwas, um dem Grundeigenthümer eine Rente zu geben." 1.1, p. 305,6. Smith. „Die 35 Grundrente zieht nicht nur ihren ersten Ursprung von der Nahrung, sondern auch wenn ein anderer Theil des Erdproduktes in der Folge dazu kömmt, eine Rente abzuwerfen, so verdankt die Rente diese Zufügung von Werth dem Wachsthum der Macht, welche die Arbeit erlangt hat, um Nahrung zu produciren, vermittelst (au moyen) der Cultur und Verbesserung der Erde." 40 p.345, L I. Smith. „Die Nahrung d[es] Menschen reicht also immer zur 354 Grundrente Zahlung der Grundrente aus." 1.1, p. 337. „Die Länder bevölkern sich nicht im Verhältniß der Zahl, welches ihr Product kleiden und logiren kann, sondern im Verhältniß dessen, was ihr Product nähren kann." Smith. t . I, p.342. „Die 2 größten menschlichen Bedürfnisse nach der Nahrung sind Klei dung, Logie, Heitzung. Sie werfen meistens eine Grundrente ab, nicht immer nothwendig." 1.1, ib. p. 338. | j v mj Sehn wir nun, wie der Grundeigenthümer alle Vortheile der Ge sellschaft exploitirt. 1) „Die Grundrente vermehrt sich mit der Bevölkerung." Smith. 1.1, p.335. 2) Wir haben schon von Say gehört, wie die Grundrente mit Eisenbahnen, etc mit der Verbesserung und Sicherheit und Vervielfachung der Com- munikationsmittel steigt. 3) „Jede Verbesserung im Zustand der Gesellschaft strebt entweder direkt oder indirekt, die Grundrente zu steigern, den Realreichthum des Proprietärs zu erhöhn, d.i. seine Macht, fremde Arbeit oder ihr Product zu k a u f e n— Die Zunahme in Verbesserung der Ländereien und der Cultur strebt direkt dahin. Der Theil d[es] Proprietärs am Product vermehrt sich nothwendig mit Das Steigen in dem Realpreiß dieser Arten der Vermehrung des Products von Rohstoffen, z. B. das Steigen im Preiß des Viehs strebt auch direkt dahin die Grundrente zu steigern und in einer noch stärkeren Proportion. Nicht nur vermehrt sich der Realwerth des Theils des Grundeigenthümers, die reale Macht, die ihm dieser Theil auf fremde Arbeit giebt, nothwendig mit dem Realwerth des Products, sondern auch die Grösse dieses Theils im Verhältniß zum Totalprodukt vermehrt sich mit diesem Werth. Nachdem der Realpreiß dieses Produkts gestiegen ist, erfordert es keine grössere Arbeit, um geliefert zu werden und um das angewandte Capital sammt seinen gewöhnlichen Gewinnen zu ersetzen. Der übrigbleibende Theil des Products, welcher dem Grundeigenthümer gehört, wird also in Bezug auf das Gesammtprodukt viel grösser sein als er vorher war." Smith, t. II, p. 157—59. | |IX| Die grössere Nachfrage nach Rohprodukten und daher die Erhöhung des Werths kann theils aus der Vermehrung der Bevölkerung und der Ver mehrung ihrer Bedürfnisse hervorgehn. Aber jede neue Erfindung, jede neue Anwendung, welche die Manuf actur von einem bisher gar nicht oder wenig gebrauchten Rohstoff macht, vermehrt die Grundrente. So ist z. B. die Rente der Kohlengruben mit den Eisenbahnen, Dampfschiffen etc ungeheuer gestiegen. Ausser diesem Vortheil, den der Grundeigenthümer von der Manuf actur, den Entdeckungen, der Arbeit zieht, werden wir gleich noch einen andern sehn. 355 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I 4) „Die Arten von Verbesserungen in der Productivkraft der Arbeit, welche direkt darauf zielen, den Realpreiß der Manufacturprodukte zu erniedrigen, streben indirekt dahin, die reale Grundrente zu erhöhn. Gegen Manufacturprodukt vertauscht nämlich der Grundeigenthümer den Theü seines Rohstoffes, der seine persönliche Consumtion überschreitet oder den Preiß dieses Theils. Alles was den Realpreiß der ersten Art von Product vermindert, vermehrt den Realpreiß der 2t e n. Dieselbe Quantität von Roh produkt entspricht von nun an einer grössern Quantität von Manufactur produkt und der Grundeigenthümer findet sich befähigt, eine grössere Quantität von Bequemlichkeits, Schmuck und Luxussachen sich zu ver- 10 schaffen." Smith. t.II, p. 159. 5 Wenn aber nun Smith daraus, daß der Grundeigenthümer alle Vortheile der Gesellschaft exploitirt, darauf ||X| schließt (p. 1611. H) daß das Interesse des Grundeigentümers immer mit dem der Gesellschaft identisch ist, so ist das albern. In der Nationalökonomie, unter der Herrschaft des Privat- 15 eigenthums ist das Interesse, was einer an der Gesellschaft hat, grad im umgekehrten Verhältniß zu dem Interesse, was die Gesellschaft an ihm hat, wie das Interesse des Wucherers an dem Verschwender durchaus nicht identisch mit dem Interesse des Verschwenders ist. Wir erwähnen nur im Vorübergehn die Monopolsucht des Grundeigen- 20 thümers gegen das Grundeigenthum fremder Länder, woher z. B. die Korn gesetze datiren. Ebenso Übergehn wir hier die mittelaltrige Leibeigenschaft, die Sklaverei auf den Colonien, das Elend der Landleute \Landtaglöhner in Großbrittannien. Halten wir uns an die Sätze der Nationalökonomie selbst. 1) Der Grundeigenthümer ist am Wohl der Gesellschaft interessirt, heißt nach nationalökonomischen Grundsätzen, er ist an ihrer fortschreitenden Bevölkerung, Kunstproduktion, Vermehrung ihrer Bedürfnisse, mit einem Wort am Wachsthum des Reichthums interessirt und dieß Wachsthum ist nach unseren bisherigen Betrachtungen identisch mit dem Wachsthum des Elends und der Sklaverei. Das wachsende Verhältniß der Miethe mit dem Elend ist ein Beispiel vom Interesse des Grundeigentümers an der Ge sellschaft, denn mit der Miethe wächst die Grundrente, der Zins des Bodens, worauf das Haus steht. 2) Nach d[em] Nationalökonomen selbst ist das Interesse des Grund 25 30 eigentümers der feindliche Gegensatz des Interesses des Pächters; also 35 schon eines bedeutenden Theils der Gesellschaft. | |Xl| 3) Da der Grundeigenthümer [von] d[em] Pächter um so mehr Rente fordern kann, um so weniger Arbeitslohn der Pächter zahlt und da der Pächter um so mehr den Arbeitslohn herabdrückt, je mehr Grundrente der E i g e n t ü m er fordert, so steht das Interesse des Grundeigentümers grade 40 so feindlich zum Interesse der Ackerknechte, wie das der Manufactur- 356 Grundrente herrn zu ihren Arbeitern. Er drückt ebenfalls den Arbeitslohn auf ein Mini mum. 5 4) Da die reale Erniedrigung im Preiß der Manuf acturprodukte die Grundrente erhöht, so hat also der Grundbesitzer ein direktes Interesse an der Herabdrückung des Arbeitslohns der Manufakturarbeiter, an der Con currenz unter den Capitalisten, an der Ueberproduktion, am ganzen Ma- nufacturelend. 5) Wenn also das Interesse des Grundeigenthümer s, weit entfernt mit dem Interesse der Gesellschaft identisch zu sein, im feindlichen Gegensatz mit 10 dem Interesse der Pächter, der Ackerknechte, der Manufacturarbeiter und d[er] Capitalisten steht, so ist nicht einmal das Interesse des einen Grund- eigenthümers mit dem d[es] andern identisch von wegen der Concurrenz, die wir nun betrachten wollen. Allgemein schon verhalten sich grosses Grundeigenthum und kleines, wie 15 grosses und kleines Capital. Es kommen aber noch spezielle Umstände hinzu, welche die Accumulation des grossen Grundeigenthums und die Verschlingung des kleinen durch dasselbe unbedingt herbeiführen. | |XIl| 1) nimmt nirgends mehr die verhältnißmässige Arbeiter und In strumentenzahl mit der Grösse d[er] fonds ab, als beim Grundbesitz. Ebenso 20 nimmt nirgends mehr die Möglichkeit der allseitigen Ausbeutung, Ersparung der Productionskosten und geschickte Arbeitstheilung mit der Grösse d[er] fonds mehr zu, als beim Grundbesitz. Ein Acker mag so klein sein, wie er will, die Arbeitsinstrumente, die er nöthig macht, wie Pflug, Säge etc. er reichen eine gewisse Grenze, an der sie nicht mehr vermindert werden 25 können, während die Kleinheit des Grundbesitzes weit über diese Gränze hinausgehn kann. 2) Der grosse Grundbesitz accumulüt sich die Zinsen, die das Capital des Pächters auf die Verbesserung des Grund und Bodens angewandt hat. Der kleine Grundbesitz muß sein eignes Capital anwenden. Für um fällt dieser 30 ganze Profit also weg. 3) Während jede gesellschaftliche Verbesserung dem grossen Grund eigenthum nüzt, schadet sie dem kleinen, weil sie ihm immer mehr baares Geld nöthig macht. 35 4) Es sind noch 2 wichtige Gesetze für diese Concurrenz zu betrachten: cc) Die Rente der Ländereien, die zur Produktion von Nahrungsmitteln d[er] Menschen cultivüt werden, regelt die Rente der Mehrzahl der übrigen angebauten Ländereien. Smith. t.I, p.331. Nahrungsmittel, wie Vieh etc kann zulezt nur der grosse Grundbesitz producüen. Er regelt also die Rente der übrigen Ländereien und kann sie 40 auf ein Minimum herabdrücken. Der kleine selbstarbeitende Grundeigenthümer bef indet sich dann zu dem 357 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I grossen Grundeigenthümer in dem Verhältniß eines Handwerkers, der ein eignes Instrument besizt, zu dem Fabrikherrn. Der kleine Grundbesitz ist zum blossen Arbeitsinstrument geworden. //XVI/ Die Grundrente ver schwindet ganz für den kleinen Grundbesitzer, es bleibt ihm höchstens der Zins seines Capitals und sein Arbeitslohn; denn die Grundrente kann durch die Concurrenz dahin getrieben werden, daß sie eben nur noch der Zins des nicht selbst angelegten Capitals ist. ß) Wir haben übrigens schon gehört, daß bei gleicher Fruchtbarkeit und gleichgeschickter Exploitation der Ländereien, Minen und Fischereien das Product im Verhältniß zur Ausdehnung der Capitalien steht. Also Sieg des grossen Grundeigenthümers. Ebenso bei gleichen Capitalien im Verhältniß zur Fruchtbarkeit. Also bei gleichen Capitalien siegt der Grundeigenthümer des fruchtbareren Bodens. 5 10 7) „Man kann von einer Mine im Allgemeinen sagen, daß sie fruchtbar oder unfruchtbar ist, je nachdem die Quantität des Minerals, welche aus ihr 15 durch eine gewisse Quantität Arbeit gezogen werden kann, grösser oder kleiner ist, als dieselbe Quantität Arbeit aus der Mehrzahl der andren Minen von derselben Art ziehen kann." 1.1, p. 345,46. Smith. „Der Preiß der frucht barsten Mine regelt den Preiß der Kohle für alle andern Minen der Nach barschaft. Grundeigenthümer und Unternehmer finden beide, daß sie der 20 eine eine stärkere Rente, der andre einen stärkern Profit haben werden, wenn sie die Sache niedriger als ihre Nachbarn verkaufen. Die Nachbarn sind nun gezwungen zu demselben Preiß zu verkaufen, obgleich sie weniger dazu im Stande sind und obgleich dieser Preiß sich immer mehr vermindert, und ihnen manchmal die ganze Rente und den ganzen Profit fortnimmt. Einige Ex- 25 ploitations finden sich dann ganz verlassen, andere tragen keine Rente mehr und können nur weiter bearbeitet werden durch d[en] Grundeigenthümer selbst." p.350, t.I. Smith. „Nach der Entdeckung der Minen von Pérou wurden die meisten Silberminen von Europa aufgegeben. . .. Dasselbe ge schah in Bezug auf die Minen von Cuba und St. Domingo, und selbst in Bezug auf die alten Minen von Pérou nach der Entdeckung derer von Potosí." p. 353, 1.1. Ganz dasselbe, was Smith hier von den Minen sagt, gilt mehr oder weniger von dem Grundbesitz überhaupt. 30 δ) „Es ist zu bemerken, daß immer der Preißcourant der Ländereien von der couranten Taxe des Zinsfusses a b h ä n g t . .. fiele die Grundrente unter 35 den Geldzins um eine sehr starke Differenz, so würde niemand Länder kaufen wollen, was bald wieder ihren Preißcourant zurückführen würde. Im Gegentheil würden die Vortheile der Grundrente den Geldzins viel mehr als compensiren, so würde alle Welt Länder kaufen wollen, was ebenfalls ihren Courantpreiß bald wieder herstellen würde." t. II, p. 367,68. Aus diesem 40 Verhältniß der Grundrente zum Geldzins folgt, daß die Grundrente immer 358 Grundrente mehr fallen muß, sodaß zulezt nur noch die reichsten Leute von der Grundrente leben können. Also die Concurrenz unter d[en] nichtverpach- tenden Grundeigenthümern immer grösser: Ruin eines Theils derselben. Abermalige accumulation des großen Grundeigenthums. | |XVn| Diese Concurrenz hat ferner zur Folge, daß ein grosser Theil des Grundeigenthums in die Hände d[er] Capitalisten fällt und die Capitalisten so zugleich Grundeigenthümer werden, wie dann überhaupt schon die kleineren Grundeigenthümer nur mehr Capitalisten sind. Ebenso wird ein Theil des grossen Grundeigenthums zugleich industriell. Die lezte Folge ist also die Auflösung des Unterschieds zwischen Capitaüst und Grundeigenthümer, sodaß es also im Ganzen nur mehr 2 Klassen der Bevölkerung giebt, die Arbeiterklasse und die Klasse d[er] Capitalisten. Diese Verschacherung des Grundeigenthums, die Verwandlung des Grund eigenthums in eine Waare ist der lezte Sturz der alten und die lezte VoU- endung der Geldaristokratie. 1) Die sentimentalen Thränen, welche die Romantik hierüber weint, theilen wir nicht. Sie verwechselt immer die Schändlichkeit, die in der Verschacherung der Erde liegt mit der ganz vernünftigen, innerhalb des Privateigenthums nothwendigen und wünschenswerthen Consequenz, welche in der Verschacherung des Privateigenthums an der Erde enthalten ist. Erstens ist das feudale Grundeigenthum schon seinem Wesen nach die verschacherte Erde, die d[em] Menschen entfremdete und daher in der Gestalt einiger weniger grossen Herrn ihm gegenübertretende Erde. Schon im Feudalgrundbesitz liegt die Herrschaft der Erde als einer frem den Macht über d[en] Menschen. Der Leibeigene ist das Accidenz der Erde. Ebenso gehört der Majoratsherr, der erstgeborne Sohn, der Erde. Sie erbt ihn. Ueberhaupt fängt mit dem Grundbesitz die Herrschaft des Privat eigenthums an, er ist seme Basis. Aber im feudalen Grundbesitz scheint wenigstens der Herr als König des Grundbesitzes. Ebenso existirt noch der Schern eines innigem Verhältnisses zwischen dem Besitzer und der Erde, ist. Das Grundstück in- als das des blossen sachlichen Reichthums dividualisüt sich mit seinem Herrn, es hat seinen Rang, ist freiherrlich oder gräflich mit ihm, hat seine Privilegien, seine Gerichtsbarkeit, seinpoütisches Verhältniß etc. Es erscheint als der unorganische Leib seines Herrn. Daher das Sprüchwort: nulle terre sans maître, worin das Verwachsensein der Herrlichkeit und des Grundbesitzes ausgesprochen ist. Ebenso erscheint die Herrschaft des Grundeigenthums nicht unmittelbar als Herrschaft des blos sen Capitals. Seme Zugehörigen stehn mehr zu ihm im Verhältniß ihres Vaterlandes. Es ist eine engbrüstige Art von Nationaütät. | |XVIII¡ Ebenso giebt das feudale Grundeigenthum seinem Herrn den Namen, wie ein Königreich seinem König. Seine Famüiengeschichte, die 359 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Geschichte seines Hauses etc. alles dieß individualisirt ihm den Grundbesitz und macht ihn f örmlich zu seinem Haus, zu einer Person. Ebenso haben die Bearbeiter des Grundbesitzes nicht das Verhältniß von Taglöhnern, sondern theils sind sie selbst sein Eigenthum, wie d[er] Leibeigne, theils stehn sie in Respects, Unterthanen und Pf lichtverhältniß zu ihm. Seine Stellung zu ihnen 5 ist daher unmittelbar politisch und hat ebenso eine gemüthliche Seite. Sitten, Charakter etc ändert sich von einem Grundstück zum andern und scheint mit der Parcelle eins, während später nur mehr der Beutel d[es] Menschen, nicht sein Charakter, seine Individualität ihn auf das Grundstück bezieht. Endlich sucht er nicht den möglichsten Vortheil von seinem Grundbesitz zu ziehn. Vielmehr verzehrt er, was da ist und überläßt die Sorge des Her beischaffens ruhig den Leibeignen und Pächtern. Das ist das adlige Ver hältniß des Grundbesitzes, welches eine romantische Glorie auf seinen Herrn wirft. 10 Es ist nöthig, daß dieser Schein aufgehoben wird, daß das Grundeigen- 15 thum, die Wurzel des Privateigenthums, ganz in die Bewegung des Privat eigenthums hereingerissen und zur Waare wird, daß die Herrschaft des Eigenthümers als die reine Herrschaft des Privateigenthums, des Capitals, abgezogen von aller politischen Tinktur, erscheint, daß das Verhältniß zwischen Eigenthümer und Arbeiter sich auf das Nationalökonomische 20 Verhältniß von Exploiteur und Exploitirtem reducirt, daß alles persönliche Verhältniß des Eigenthümers mit seinem Eigenthum aufhört und dasselbe zum nur sachlichen materiellen Reichthum wird, daß an die Stelle der Ehrenehe mit der Erde die Ehe des Interesses tritt und die Erde ebenso zum Schacherwerth herabsinkt, wie der Mensch. Es ist nothwendig, daß, was die 25 Wurzel des Grundeigenthums ist, der schmutzige Eigennutz, auch in seiner cynischen Gestalt erscheint. Es ist nothwendig, daß das ruhende Monopol in das bewegte und beunruhigte Monopol, die Concurrenz, der nichtsthuende Genuß des fremden Blutschweisses in den vielgeschäftigen Handel mit denselben umschlägt. Es ist endlich nothwendig, daß in dieser Concurrenz 30 das Grundeigenthum unter der Gestalt des Capitals seine Herrschaft sowohl über die Arbeiterklasse als über die Eigenthümer selbst zeigt, indem die Gesetze der Bewegung des Capitals sie ruiniren oder erheben. Damit tritt dann an die Stelle des mittelaltrigen Sprichworts: nulle terre sans seigneur, das moderne Sprichwort: l'argent n'a pas de maître, worin die ganze Herr- 35 schaft der todtgeschlagnen Materie über d[en] Menschen ausgesprochen ist. I |XTX| 2) Was den Streit betrifft über Theilung oder Nichttheilung des Grundbesitzes, so ist folgendes zu bemerken. Die Theilung des Grundbesitzes verneint das grosse Monopol des Grund- eigenthums, hebt es auf, aber nur dadurch, daß sie dieses Monopol ver- 40 360 Grundrente 5 allgemeinert. Sie hebt den Grund des Monopols, das Privateigenthum, nicht auf. Sie greift die Existenz aber nicht das Wesen des Monopols an. Die Folge davon ist, daß sie den Gesetzen des Privateigenthums zum Opfer fällt. Die Theilung des Grundbesitzes entspricht nämlich der Bewegung der Con- currenz auf industriellem Gebiet. Ausser den nationalökonomischen Nachtheilen dieser Theilung von Instrumenten und der voneinander ge trennten Arbeit, (wohl zu unterscheiden von der Theilung der Arbeit; die Arbeit wird nicht unter viele vertheilt, sondern dieselbe Arbeit von jedem für sich betrieben, es ist eine Vervielfachung derselben Arbeit) schlägt diese 10 Theilung, wie jene Concurrenz nothwendig wieder in Accumulation um. 15 Wo also die Theilung des Grundbesitzes stattfindet, bleibt nichts übrig, als zum Monopol in noch gehässiger Gestalt zurückzukehren oder die Theilung des Grundbesitzes selbst zu negiren \ aufzuheben. Das ist aber nicht die Rückkehr zum Feudalbesitz, sondern die Aufhebung des Privateigen- thums an Grund und Boden überhaupt. Die erste Aufhebung des Monopols ist immer seine Veraügemeinerung, die Erweiterung seiner Existenz. Die Aufhebung des Monopols, welches seine möglichst breite und umfassende Existenz erlangt hat, ist seine vollständige Vernichtung. Die Association, auf Grund und Boden angewandt, theüt den Vortheü des grossen Grundbesitzes in nationalökonomischer Hinsicht und realisirt erst die ursprüngüche Ten denz der Theüung, nämlich die Gleichheit, wie sie denn auch auf eine ver nünftige und nicht mehr durch Leibeigenschaft, Herrschaft und eine alberne Eigenthumsmystik vermittelte Weise die gemüthliche Beziehung d[es] Menschen zur Erde herstellt, indem die Erde aufhört, ein Gegenstand des 25 Schachers zu sein und durch die freie Arbeit und den freien Genuß wieder ein wahres, persönüches Eigenthum d[es] Menschen wüd. Ein grosser Vortheü der Theüung ist, daß seme Masse, in andrer Weise als die Industrie, am Eigenthum zu Grunde geht, eine Masse, welche nicht mehr zur Knecht schaft sich entschliessen kann. 20 30 35 Was den grossen Grundbesitz angeht, so haben seine Vertheidiger immer auf eine sophistische Weise die nationalökonomischen Vortheile, welche die Agricultur im Grossen darbietet, mit dem grossen Grundeigenthum identificirt, als wenn dieser Vortheil nicht eben erst durch die Aufhebung des Eigenthums theüs seme (|XX| möglichst grosse Ausdehnung erhielte, theüs erst von socialem Nutzen würde. Ebenso haben sie den Verschache- rungsgeist des kleinen Grundbesitzes angegriff en, als wenn nicht der grosse Grundbesitz selbst schon in seiner feudalen Form, den Schacher in sich latent enthielte, gar nicht zu Reden von der modernen englischen Form, wo Feudalismus dies] Grundherrn und Industrieschacher des Pächters verbun- 40 den sind. Wie das grosse Grundeigenthum den Vorwurf des Monopols, den ihm die 361 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I Theilung des Grundbesitzes macht, zurückgeben kann, da auch die Theilung auf dem Monopol des Privateigenthums basirt, so kann die Theilung des Grundbesitzes dem grossen Grundbesitz den Vorwurf der Theilung zurück geben, denn auch hier herrscht die Theilung, nur in starrer festgefrorner Form. Ueberhaupt beruht ja das Privateigenthum auf dem Getheiltsein. Uebrigens, wie die Theilung des Grundbesitzes zum grossen Grundbesitz als Capitalreichthum zurückführt, so muß das feudale Grundeigenthum nothwendig zur Theilung f ortgehn oder wenigstens in die Hände d[er] Ca pitalisten fallen, es mag sich drehn oder wenden, wie es will. 5 Denn das grosse Grundeigenthum, wie in England, treibt die überwiegende 10 Mehrzahl der Bevölkerung der Industrie in die Arme und reducirt seine eignen Arbeiter auf völliges Elend. Es erzeugt und vergrössert also die Macht seines Feindes, des Capitals, d[er] Industrie, indem es Arme und eine völlige und ganze Thätigkeit des Landes auf die andre Seite wirft. Es macht die Majorität des Landes industriell, also zum Gegner des grossen Grund- 15 eigenthums. Hat die Industrie nun eine hohe Macht erreicht, wie jezt in England, so zwingt sie nach und nach dem grossen Grundeigenthum seine Monopole gegen d[as] Ausland ab und wirft es in die Concurrenz mit dem Grundbesitz des Auslandes. Unter der Herrschaft der Industrie konnte das Grundeigenthum nämlich seine feudale Grösse nur durch Monopole gegen 20 das Ausland sichern, um sich so vor den allgemeinen Gesetzen des Handels, die seinem Feudalwesen widersprechen, zu schützen. Einmal in die Con currenz geworfen, folgt es den Gesetzen der Concurrenz, wie jede andre Waare, die ihr unterworfen ist. Es wird eben so schwankend, ab und zu nehmend, aus einer Hand in die andre f hegend und kein Gesetz kann es mehr 25 in wenigen prädesünirten Händen erhalten. ||XXl| Die unmittelbare Folge ist Zersplitterung in viele Hände, jedenfalls Anheimfall an die Macht der industriellen Capitalien. Endlich führt der grosse Grundbesitz, welcher dergestalt gewaltsam er halten worden ist und neben sich eine furchtbare Industrie erzeugt hat, noch schneller zur Krise, wie die Theilung des Grundbesitzes, neben welcher die Macht der Industrie immer v[on] zweitem Rang bleibt. 30 Der grosse Grundbesitz hat, wie wir in England sehn, seinen feudalen Charakter schon insofern abgelegt und einen industriellen Charakter an genommen, als er möglichst viel Geld machen will. Er [gibt] d[em] Eigen- 35 thümer die möglichste Grundrente, d[em] Pächter den möglichsten Profit von seinem Capital. Die Landarbeiter sind daher bereits auf das Minimum re ducirt und die Pächterklasse vertritt schon innerhalb des Grundbesitzes die Macht der Industrie und des Capitals. Durch die Concurrenz mit dem Ausland hört die Grundrente größtentheüs auf ein selbstständiges Einkorn- 40 men bilden zu können. Ein grosser Theil der Grundeigenthümer muß an die 362 w Entfremdete Arbeit und Privateigentum 5 Stelle der Pächter treten, die auf diese Weise theilweise zum Proletariat herabsinken. Andrerseits werden sich auch viele Pächter des Grundeigen thums bemächtigen, denn die grossen Eigenthümer, die bei ihrer bequemen Revenu sich größtentheüs der Verschwendung ergeben haben und meistens auch unbrauchbar zur Leitung der Agrikultur im Grossen sind, besitzen theüweise weder Capital noch Befähigung, um den Grund und Boden zu exploitüen. Also auch ein Theil von diesen wird vollständig ruinüt. Endüch muß der auf ein Minimum reducüte Arbeitslohn noch mehr reducüt werden, um die neue Concurrenz zu bestehn. Das führt dann nothwendig zur Re- 10 volution. Das Grundeigenthum mußte sich auf jede der beiden Weisen entwickeln, um in beiden seinen nothwendigen Untergang zu erleben, wie auch die Industrie in der Form des Monopols und in der Form der Concurrenz sich ruüiüen mußte, um an d[en] Menschen glauben zu lernen. | 15 , [Entfremdete Arbeit und Privateigentum] |XXIl| Wü sind ausgegangen von den Voraussetzungen der Nationalöko nomie. Wü haben ihre Sprache und ihre Gesetze acceptirt. Wü untersteüten das Privateigenthum, die Trennung von Arbeit, Capital und Erde, ebenso von Arbeitslohn, Profit des Capitals und Grundrente, wie die Theilung der Arbeit, 20 die Concurrenz, den Begriff des Tauschwerthes etc. Aus der National ökonomie selbst, mit ihren eignen Worten, haben wü gezeigt, daß der Ar beiter zur Waare und zur elendsten Waare herabsinkt, daß das Elend des Arbeiters im umgekehrten Verhältniß zur Macht und zur Grösse seiner Production steht, daß das nothwendige Resultat der Concurrenz die 25 Accumulation des Capitals in wenigen Händen, also die fürchterüchere Wiederherstellung des Monopols ist, daß endlich der Unterschied von Capitaüst und Grundrentner, wie von Ackerbauer und Manufacturarbeiter verschwindet und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigen thümer und Eigenthumslosen Arbeiter zerfallen muß. 30 Die Nationalökonomie geht vom Factum des Privateigehthums aus. Sie erklärt uns dasselbe nicht. Sie faßt den materiellen Prozeß des Privat eigenthums, den es in der Wüklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begrenzt diese Gesetze nicht, d.h. sie zeigt nicht nach, wie sie aus dem Wesen des Privateigenthums 35 hervorgehn. Die Nationalökonomie giebt uns keinen Aufschluß über den Grund der Theüung von Arbeit und Capital, von Capital und Erde. Wenn sie ζ. B. das Verhältniß des Arbeitslohns zum Profit des Capitals bestimmt, 363 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I so gilt ihr als lezter Grund das Interesse d[es] Capitalisten; d. h. sie unterstellt, was sie entwickeln soll. Ebenso kömmt überall die Concurrenz hinein. Sie wird aus äusseren Umständen erklärt. Inwiefern diese äusseren, scheinbar zufälligen Umstände, nur der Ausdruck einer notwendigen Entwicklung sind, darüber lehrt uns die Nationalökonomie nichts. Wir haben gesehn, wie ihr der Austausch selbst als ein zufälliges Factum erscheint. Die einzigen Räder, die der Nationalökonom in Bewegung sezt, sind die Habsucht und der Krieg unter den Habsüchtigen, die Concurrenz. \ 5 I Eben weil die Nationalökonomie den Zusammenhang der Bewegung nicht begreift, darum konnte sich ζ. B. die Lehre von der Concurrenz der Lehre 10 vom Monopol, die Lehre von der Gewerbfreiheit der Lehre von der Cor­ poration, die Lehre von der Theilung des Grundbesitzes der Lehre vom grossen Grundeigenthum wieder entgegenstellen, denn Concurrenz, Ge­ werbfreiheit, Theilung des Grundbesitzes waren nur als zufällige, absicht liche, gewaltsame, nicht als nothwendige, unvermeidliche, natürliche Con- 15 S e q u e n z en des Monopols, der Corporation und des Feudaleigenthums ent wickelt und begriffen. Wir haben also jezt den wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Privateigenthum, der Habsucht, der Trennung von Arbeit, Capital und Grundeigenthum, von Austausch und Concurrenz, von Werth und Ent- 20 werthung d[es] Menschen, von Monopol und Concurrenz etc., von dieser ganzen Entfremdung mit dem Geld'system zu begreifen. Versetzen wir uns nicht wie der Nationalökonom, wenn er erklären will, in einen erdichteten Urzustand. Ein solcher Urzustand erklärt nichts. Er schiebt blos die Frage in eine graue, nebelhafte Ferne. Er unterstellt in der 25 Form der Thatsache, des Ereignisses, was er deduciren soll, nämlich das nothwendige Verhältniß zwischen zwei Dingen, z. B. zwischen Theilung der Arbeit und Austausch. So erklärt d[er] Theologe den Ursprung des Bösen durch den Sündenfall, d. h. er unterstellt als ein Factum, in der Form der Geschichte, was er erklären soll. 30 Wir gehn von einem Nationalökonomischen, gegenwärtigen Factum aus. Der Arbeiter wird um so ärmer, je mehr Reichthum er producirt, je mehr seine Production an Macht und Umfang zunimmt. Der Arbeiter wird eine um so wohlfeilere Waare, je mehr Waaren er schafft. Mit der Verwerthung 35 der Sachenwelt, nimmt die Entwerthung der Menschenwelt in direktem Verhältniß zu. Die Arbeit producirt nicht nur Waaren; sie producirt sich selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare und zwar in dem Verhältniß, in welchem sie überhaupt Waaren producirt. Dieß Factum drückt weiter nichts aus, als : Der Gegenstand, den die Arbeit 40 producirt, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von d[em] 364 Entfremdete Arbeit und Privateigentum Producenten unabhängige Macht gegenüber. Das Product der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixirt, sachlich gemacht hat, es ist die Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre Vergegenständli||chung. Diese Verwirküchung der Arbeit erscheint in dem nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Ver gegenständlichung als Verlust des Gegenstandes und Knechtschaft unter dem Gegenstand, die Aneignung als Entfremdung, als Entäusserung. Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, daß der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht wird. Die Vergegenständ- lichung erscheint so sehr als Verlust des Gegenstandes, daß der Arbeiter der nothwendigsten Gegenstände, nicht nur des Lebens, sondern auch der Arbeitsgegenstande beraubt ist. Ja die Arbeit selbst wird zu einem Gegen stand, dessen er nur mit der größten Anstrengung und mit den unregelmäs- sigsten Unterbrechungen sich bemächtigen kann. Die Aneignung des Gegen- standes erscheint so sehr als Entfremdung, daß je mehr Gegenstände der Arbeiter producirt, er um so weniger besitzen kann und um so mehr unter die Herrschaft seines Products, des Capitals, geräth. In der Bestimmung, daß der Arbeiter zum Product seiner Arbeit als einem fremden Gegenstand sich verhält, liegen alle diese Consequenzen. Denn es ist nach dieser Voraussetzimg klar. Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, um so mächtiger wird die fremde, gegenständliche Welt, die er sich gegen über schafft, um so ärmer wird er selbst, seine innre Welt, um so weniger gehört ihm zu eigen. Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in Gott sezt, je weniger behält er in sich selbst. Der Arbeiter legt sein Leben in den Gegenstand; aber nun gehört es nicht mehr ihm, sondern dem Gegen stand. Je grösser also diese Thätigkeit, um so gegenstandsloser ist der Ar beiter. Was das Produkt seiner Arbeit ist ist er nicht. Je grösser also dieß Produkt, je weniger ist er selbst. Die Entäusserung des Arbeiters in seinem Produkt hat die Bedeutung, nicht nur, daß seine Arbeit zu einem Gegenstand, zu einer äussern Existenz wird, sondern daß sie ausser ihm, unabhängig, fremd von ihm existirt und eine selbstständige Macht ihm gegenüber wird, daß das Leben, was er dem Gegenstand verliehn hat, ihm feindlich und fremd gegenübertritt. | 5 10 15 20 25 30 35 |XXHl| Betrachten wir nun näher die Vergegenständlichung, die Pro- duction des Arbeiters und in ihr die Entfremdung, den Verlust des Gegen standes, seines Products. Der Arbeiter kann nichts schaffen ohne die Natur, ohne die sinnliche Aussenwelt. Sie ist der Stoff, an welchem sich seine Arbeit verwirklicht, in welchem sie thätig ist, aus welchem und mittelst welchem sie producirt. 40 Wie aber die Natur d[as] Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausgeübt 365 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I wird, so bietet sie andrerseits auch d[as] Lebensnüttel in dem engern Sinn dar, nämlich d[as] Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters selbst. Je mehr also der Arbeiter sich die Aussenwelt, die sinnliche Natur durch seine Arbeit sich aneignet, um so mehr entzieht er sich Lebensmittel nach der doppelten Seite hin, erstens daß immer mehr die sinnliche Aussenwelt aufhört, ein seiner Arbeit angehöriger Gegenstand, ein Lebensmittel seiner Arbeit zu sein; zweitens, daß sie immer mehr aufhört Lebensmittel im unmittelbaren Sinn, Mittel für die physische Subsistenz des Arbeiters zu sein. 5 Nach dieser doppelten Seite hin wird der Arbeiter also ein Knecht seines 10 Gegenstandes, erstens daß er einen Gegenstand der Arbeit, d. h. daß er Arbeit erhält und zweitens daß er Subsistenzmittel erhält. Erstens also daß er als Arbeiter und zweitens, daß er als physisches Subjekt existiren kann. Die Spitze dieser Knechtschaft ist, daß er nur mehr als Arbeiter sich als phy sisches Subjekt erhalten [kann] und nur mehr als physisches Subjekt Arbeiter ist. 15 (Die Entfremdung des Arbeiters in seinem Gegenstand drückt sich nach nationalökonomischen Gesetzen so aus, daß je mehr der Arbeiter producirt, er um so weniger zu consummiren hat, daß je mehr Werthe er schafft, er um so werthloser und so unwürdiger wird, daß je geformter sein Produkt 20 um so mißförmiger der Arbeiter, daß je civilisirter sein Gegenstand um so barbarischer der Arbeiter, daß um so mächtiger die Arbeit, um so ohn mächtiger der Arbeiter wird, daß je geistreicher die Arbeit um so mehr geistloser und Naturknecht der Arbeiter wird.) | 25 \Die Nationalökonomie verbirgt die Entfremdung in dem Wesen der Ar- beit dadurch, daß sie nicht das u n m i t t e l b a re Verhältniß zwischen dem A r b e i t e r, (der Arbeit) und der Production betrachtet. Allerdings. Die Arbeit producirt Wunderwerke für d[en] Reichen, aber sie producirt Ent- blössung für d[en] Arbeiter. Sie producirt Paläste, aber Höhlen für d[en] Arbeiter. Sie producirt Schönheit, aber Verkrüppelung für d[en] Arbeiter. 30 Sie er sezt die Arbeit durch Maschinen, aber sie wirf t einen Theil der Arbeiter zu einer barbarischen Arbeit zurück und macht den andren Theil zur Ma schine. Sie producirt Geist, aber sie producirt Blödsinn, Creünismus für d[en] Arbeiter. Das unmittelbare Verhältniß der Arbeit zu ihren Producten ist das Ver- hältniß des Arbeiters zu den Gegenständen seiner Production. Das Verhält niß d[es] Vermögenden zu den Gegenständen der Production und zu ihr selbst ist nur eine Consequenz dieses ersten Verhältnisses. Und bestätigt es. Wir werden diese andre Seite später betrachten. Wenn wir also fragen: Welches ist das wesentüche Verhältniß der Arbeit, so fragen wir nach dem 40 Verhältniß des Arbeiters zur Production. 35 366 Entfremdete Arbeit und Privateigentum 5 Wir haben bisher die Entfremdung, die Entäusserung des Arbeiters nur nach der einen Seite hin betrachtet, nämlich sein Verhältniß zu den Pro dukten seiner Arbeit. Aber die Entfremdung zeigt sich nicht nur im Resultat, sondern im Akt der Produktion, innerhalb der producirenden Thätigkeit selbst. Wie würde d[em] Arbeiter d[as] Produkt seiner Thätigkeit fremd gegenübertreten können, wenn er im Akt der Production selbst sich nicht sich selbst entfremdete? Das Product ist ja nur das Resumé der Thätigkeit, d[er] Production. Wenn also das Product der Arbeit die Entäusserung ist, so muß die Production selbst die thätige Entäusserung, die Entäusserung der 10 Thätigkeit, die Thätigkeit der Entäusserung sein. In der Entfremdung des Gegenstandes der Arbeit resumirt sich nur die Entfremdung, die Entäus serung in der Thätigkeit der Arbeit selbst. 20 Worin besteht nun die Entäusserung der Arbeit? Erstens, daß die Arbeit dem Arbeiter äusserlich ist, d. h. nicht zu seinem 15 Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruinirt. Der Arbeiter fühlt sich daher erst ausser der Arbeit bei sich und in der Arbeit ausser sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Be dürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse ausserihr zu || be friedigen. Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer oder sonstiger Zwang existirt, die Arbeit als eine Pest geflohen wüd. Die äusserüche Arbeit, die Arbeit, in welcher der Mensch sich entäussert, ist eine Arbeit der Selbstaufopferung, der Kasteiung. Endlich erscheint die Aüs serlichkeit der Arbeit für den Arbeiter darin, daß sie nicht sein eigen, sondern eines andern ist, daß sie ihm nicht gehört, daß er in ihr nicht sich selbst, sondern einem andern angehört. Wie in der Reügion die Selbstthätigkeit der 30 menschlichen Phantasie, des menschlichen Hüns und des menschlichen Herzens unabhängig vom Individuum, d. h. als eine fremde, göttüche oder teuflische Thätigkeit auf es wükt, so ist die Thätigkeit des Arbeiters nicht seine Selbstthätigkeit. Sie gehört einem andern, sie ist der Verlust seiner selbst. 25 35 Es kömmt daher zu dem Resultat, daß der Mensch, (d[er] Arbeiter) nur mehr in seinen thierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höch stens noch Wohnung, Schmuck, etc. sich als freithätig fühlt, und in seinen menschüchen Funktionen nur mehr als Thier. Das Thierische wüd das Menschliche und das Menschliche das Thierische. 40 Essen, Trinken und Zeugen etc. sind zwar auch echt menschliche Funk tionen. In der Abstraktion aber, die sie von dem übrigen Umkreis mensch- 367 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I licher Thätigkeit trennt und zu lezten und alleinigen Endzwecken macht, sind sie thierisch. Wir haben den Akt der Entfremdung der praktischen menschlichen Thätigkeit, d. Arbeit, nach zwei Seiten hin betrachtet. 1) Das Verhältniß des Arbeiters zum Product der Arbeit als fremden und über ihn mächtigen Gegenstand. Dieß Verhältniß ist zugleich das Verhältniß zur sinnlichen Aussenwelt, zu den Naturgegenständen als einer fremden ihm feindlich gegenüberstehenden Welt. 2) Das Verhältniß der Arbeit zum Akt der Pro duction, innerhalb der Arbeit. Dieß Verhältniß ist das Verhältniß des Ar beiters zu seiner eignen Thätigkeit als einer fremden, ihm nicht angehörigen, d[ie] Thätigkeit als Leiden, d[ie] Kraft als Ohnmacht, d[ie] Zeugung als Entmannung. Die eigne physische und geistige Energie des Arbeiters, sein persönliches Leben, — denn was ist Leben als Thätigkeit — als eine wider ihn selbst gewendete, von ihm unabhängige, ihm nicht gehörige Thätigkeit. Die Selbstentfremdung, wie oben die Entfremdung der Sache. | |XXTV| Wir haben nun noch eine dritte Bestimmung der entfremdeten 5 10 15 Arbeit aus den beiden bisherigen zu ziehn. Der Mensch ist ein Gattungswesen, nicht nur indem er praktisch und theoretisch die Gattung, sowohl seine eigne als die der übrigen Dinge zu seinem Gegenstand macht, sondern — und dieß ist nur ein andrer Ausdruck 20 für dieselbe Sache — sondern auch indem er sich zu sich selbst als der gegenwärtigen, lebendigen Gattung verhält, indem er sich zu sich als einem universellen, darum freien Wesen verhält. Das Gattungsleben, sowohl beim Menschen als beim Thier, besteht physisch einmal darin, daß der Mensch (wie das Thier), von der unorga- 25 nischen Natur lebt, und um so universeller der Mensch als das Thier, um so universeller ist der Bereich der unorganischen Natur, von der er lebt. Wie Pflanzen, Tbiere, Steine, Luft, Licht etc. theoretisch einen Theil des menschlichen Bewußtseins, theils als Gegenstände der Naturwissenschaft, theils als Gegenstände der Kunst bilden — seine geistige unorganische Natur, 30 geistige Lebensmittel, die er erst zubereiten muß zum Genuß und zur Ver dauung — so bilden sie auch praktisch einen Theil des menschlichen Lebens und der menschlichen Thätigkeit. Physisch lebt der Mensch nur von diesen Naturprodukten, mögen sie nun in der Form der Nahrung, Heitzung, Klei dung, Wohnung etc. erscheinen. Die Universalität des Menschen erscheint 35 praktisch eben in der Universalität, die die ganze Natur zu seinem un organischen Körper macht, sowohl insofern sie 1) ein unmittelbares Lebens mittel, als inwiefern sie d. Gegenstand \ Materie und das Werkzeug seiner Lebensthätigkeit ist. Die Natur ist der unorganische Leib d[es] Menschen, nämlich die Natur, so weit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der 40 Mensch lebt von der Natur, heißt: die Natur ist sein Leib, mit dem er in 368 Entfremdete Arbeit und Privateigentum beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische und geistige Leben d[es] Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen andern Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Theil der Natur. 5 Indem die entfremdete Arbeit dem Menschen 1) die Natur entfremdet, 2) sich selbst, seine eigne thätige Funktion, seine Lebensthätigkeit, so entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungs leben zum Mittel des individuellen Lebens. Erstens entfremdet sie das Gattungsleben und das individuelle Leben und zweitens macht sie das leztere in seiner Abstraktion zum Zweck des ersten, ebenfalls in seiner abstrakten und entfremdeten Form. 10 Denn erstens erscheint d[em] Menschen die Arbeit, die Lebensthätigkeit, das produktive Leben selbst nur als ein Mittel zur Befriedigung eines Be dürfnisses, des Bedürfnisses der Erhaltung der physischen Existenz. Das 15 produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende Leben. In der Art der Lebensthätigkeit liegt der ganze Charakter einer species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Thätigkeit ist der Gattungscharakter || d[es] Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als Lebensmittel. 20 Das Thier ist unmittelbar eins mit seiner Lebensthätigkeit. Es unter scheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebens thätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. Er hat bewußte Lebensthätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet 25 d[en] Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein Bewußtes Wesen, d. h. sein eignes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. Nur darum ist seine Thätigkeit freie Thätigkeit. Die Entfremdete Arbeit kehrt das Verhältniß dahin um, daß der Mensch eben, weil er ein bewußtes Wesen ist, seine Lebensthätigkeit, sein Wesen nur zu einem Mittel für seine Existenz 30 macht. 35 Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitungaex unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens, d. h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eignen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar producirt auch das Thier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise etc. Allein es producirt nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es producirt einseitig, während der Mensch universell producirt; es producirt nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürf - 40 nisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfniß producirt und erst wahrhaft producirt, in der Freiheit von demselben; es producirt nur 369 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproducirt; sein Product gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Product gegenübertritt. Das Thier formirt nur nach dem Maaß und dem Bedürfniß der species, der es angehört, während der Mensch nach dem Maaß jeder species zu produciren weiß und überall das inhärente Maaß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formirt daher auch nach den Gesetzen der Schönheit. 5 Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wirklich als Gattungswesen. Diese Production ist sein Werkthätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk 10 und seine Wirldichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegen ständlichung des Gattungslebens des Menschen; indem er sich nicht nur, wie im Bewußtsein, intellektuell, sondern werkthätig, wirklich verdoppelt, und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Production entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungs- gegenständhchkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Thier in den Nachtheil, daß seift unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird. 15 Ebenso indem die entfremdete Arbeit die Selbsttätigkeit, die freie Thätigkeit zum Mittel herabsezt, macht sie das Gattungsleben des Menschen zum Mittel seiner physischen Existenz. | 20 I Das Bewußtsein, welches der Mensch von seiner Gattung hat, verwandelt sich durch die Entfremdung also dahin, daß das Gattungsl[eben] ihm zum Mittel wird. Die entfremdete Arbeit macht also: 3) das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur, als seingeistige[s] Gattungsvermögen zu einem ihm fremden Wesen, zum M í í ei seiner in dividuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eignen Leib, wie die Natur ausser ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches Wesen. 25 4) Eine unmittelbare Consequenz davon, daß der Mensch dem Product 30 seiner Arbeit, seiner Lebensthätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung d[es] Menschen von d[em] Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegen über. Was von dem Verhältniß des Menschen zu seiner Arbeit, zum Product seiner Arbeit und zu sich selbst, das gut von dem Verhältniß d[es] Menschen 35 zum andern Menschen, wie zu der Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit d[es] andern Menschen. Ueberhaupt der Satz, daß dem Menschen sein Gattungswesen entfremdet ist, heißt daß ein Mensch d[em] andern, wie jeder von ihnen dem mensch lichen Wesen entfremdet ist. 40 Die Entfremdung d[es] Menschen, überhaupt jedes V[er]hältniß, in dem 370 Entfremdete Arbeit und Privateigentum der Mensch zu sich selbst steht[,] ist erst verwirklicht, drückt sich aus in dem Verhältniß, in welchem der Mensch zu d[em] andern Menschen steht. Also betrachtet in dem Verhältniß der entf remdete[n] Arbeit jeder Mensch d[en] andern nach dem Maaßstab und dem Verhältniß in welchem er selbst, 5 als Arbeiter sich befindet. | |XXV| Wir gingen aus von einem nationalökonomischen factum, d[er] Entfremdung des Arbeiters und seiner Production. Wir haben den Begriff dieses factums ausgesprochen, die entfremdete, entäusserte Arbeit. Wü haben diesen Begriff analysirt, also blos ein nationalökonomisches factum 10 analysirt. Sehn wir nun weiter, wie sich der Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeit in der Wirküchkeit aussprechen und darstellen muß. Wenn das Produkt der Arbeit mir fremd ist, mir als fremde Macht gegen übertritt, wem gehört es dann? 15 Wenn meine eigne Thätigkeit nicht mir gehört, eine fremde, eine erzwungne Thätigkeit ist, wem gehört sie dann? 20 Einem andern Wesen als mir. Wer ist dieß Wesen? Die Götterl Allerdings erscheint in den ersten Zeiten die Hauptproduk- tion, wie ζ. B. der Tempelbau etc in Aegypten, Indien, Mexiko, sowohl im Dienst der Götter, wie auch das Product den Göttern gehört. Allein die Götter allein waren nie die Arbeitsherrn. Ebensowenig die Natur. Und welcher Widerspruch wäre es auch, daß je mehr der Mensch die Natur durch seine Arbeit sich unterwirft, je mehr die Wunder der Götter überflüssig werden 25 durch die Wunder der Industrie, der Mensch diesen Mächten zu lieb auf die Freude an der Production und auf den Genuß des Productes verzichten sollte. Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Product der Arbeit gehört, in dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Product der Arbeit steht, 30 kann nur der Mensch selbst sein. Wenn das Product der Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, eme fremde Macht ihm gegenüber ist, so ist dieß nur dadurch mögüch, daß es einem andern Menschen ausser dem Arbeiter gehört. Wenn seme Thätigkeit ihm Qual ist, so muß sie einem andern Genuß und die Lebensfreude eines andern sein. Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese fremde Macht über d[en] Menschen sein. Man bedenke noch den vorher aufgestellten Satz, daß das Verhältniß des Menschen zu sich selbst ihm erst gegenständlich, wirklich ist durch sein Verhältniß zu d[em] andern Menschen. || Wenn er sich also zu dem Product seiner Arbeit, zu seiner vergegenständÜchten Arbeit als einem fremden, feindlichen, mächtigen, von ihm unabhängigen Gegenstand verhält, so ver- 35 40 371 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I hält er sich zu ihm so, daß ein anderer, ihm fremder, feindlicher, mächtiger, von ihm unabhängiger Mensch der Herr dieses Gegenstandes ist. Wenn er sich zu seiner eignen Thätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich zu ihr als der Thätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch eines andern Menschen. Jede Selbstentfremdung des Menschen von sich und der Natur erscheint in dem Verhältniß, welches er sich und der Natur zu andern, von ihm unter- schiednen Menschen giebt. Daher die religiöse Selbstentfremdung nothwen dig in dem Verhältniß des Laien zum Priester erscheint, oder auch, da es sich hier von der intellektuellen Welt handelt, zu einem Mittler etc. In der praktischen wirklichen Welt kann die Selbstentfremdung nur durch das praktische wirkliche Verhältniß zu andern Menschen erscheinen. Das Mittel, wodurch die Entfremdung vorgeht, ist selbst ein praktisches. Durch die entfremdete Arbeit erzeugt der Mensch also nicht nur sein Verhältniß zu dem Gegenstand und dem Akt der Produktion als fremden und ihm feindüchen Menschen; er erzeugt auch das Verhältniß in welchem andre Menschen zu seiner Production und seinem Product stehn und das Verhältniß, in welchem er zu diesen andern Menschen steht. Wie er seine eigne Production zu seiner Entwirkhchung, zu seiner Strafe, wie er sein eignes Product zu dem Verlust, zu einem ihm nicht gehörigen Product, so erzeugt er die Herrschaft dessen, der nicht producirt, auf die Production und auf das Product. Wie er seine eigne Thätigkeit sich entfremdet, so eignet er dem Fremden die ihm nicht eigne Thätigkeit an. 5 10 15 20 Wir haben bis jezt das Verhältniß nur von Seiten des Arbeiters, wir werden es später auch von Seiten des NichtArbeiters betrachten. 25 Also durch die entfremdete, entäusserte Arbeit erzeugt der Arbeiter das Verhältniß eines der Arbeit fremden und ausser ihr stehenden Menschen zu dieser Arbeit. Das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit erzeugt das Verhältniß d[es] Capitalisten zu derselben oder wie man sonst den Arbeitsherrn nennen will. Das Privateigenthum ist also das Produkt, das Resultat, die nothwendige Consequenz d[er] entäusserten Arbeit, des äusserlichen Verhältnisses des Arbeiters || zu der Natur und zu sich selbst. 30 Das Privateigenthum ergiebt sich also durch Analyse aus dem Begriff der entäusserten Arbeit, d. i. d[es] entäusserten Menschen, der entfremdeten Arbeit, des entfremdeten Lebens, d[es] entfremdeten Menschen. 35 Wir haben allerdings den Begriff der entäusserten Arbeit, (des entäus serten Lebens) aus der Nationalökonomie als Resultat aus der Bewegung des Privateigenthums gewonnen. Aber es zeigt sich bei Analyse dieses Begriffes, daß, wenn das Privateigenthum als Grund, als Ursache der entäusserten 40 Arbeit erscheint, es vielmehr eine Consequenz der selben ist, wie auch die 372 Entfremdete Arbeit und Privateigentum Götter ursprünglich nicht die Ursache, sondern die Wirkung der menschli chen Verstandesverirrung sind. Später schlägt dieß Verhältniß in Wechsel wirkung um. 5 Erst auf dem lezten Culminationspunkt der Entwicklung des Privat- eigenthums tritt dieses sein Geheimniß wieder hervor, nämlich, einerseits, daß es das Produkt der entäusserten Arbeit und zweitens daß es das Mittel ist, durch welches sich die Arbeit entäussert, die Realisation dieser Ent äusserung. Diese Entwicklung giebt sogleich Licht über verschiedne bisher ungelöste 10 Collisionen. 1) Die Nationalökonomie geht von der Arbeit als der eigentlichen Seele der Production aus und dennoch giebt sie der Arbeit nichts und dem Privat eigenthum Alles. Proudhon hat aus diesem Widerspruch zu Gunsten der Arbeit wider das Privateigenthum geschlossen. Wir aber sehn ein, daß dieser scheinbare Widerspruch der Widerspruch der entfremdeten Arbeit mit sich selbst ist, und daß die Nationalökonomie nur die Gesetze der entfremdeten Arbeit ausgesprochen hat. 15 Wir sehn daher auch ein, daß Arbeitslohn und Privateigentum identisch sind: denn der Arbeitslohn, wo das Product, der Gegenstand der Arbeit die 20 Arbeit selbst besoldet, ist nur eine nothwendige Consequenz von der Ent fremdung der Arbeit, wie denn im Arbeitslohn auch die Arbeit nicht als Selbstzweck, sondern als der Diener des Lohns erscheint. Wir werden dieß später ausführen und ziehen jezt nur noch einige Conse||[XX]Vl|[que]nzen. Eine gewaltsame Erhöhung des Arbeitslohns, (von allen andern Schwierig- 25 keiten abgesehn, abgesehn davon, daß sie als eine Anomalie auch nur ge waltsam aufrecht zu erhalten wäre) wäre also nichts als eine bessere Sa- larirung d[es] Sklaven und hätte weder dem Arbeiter, noch der Arbeit ihre menschliche Bestimmung und Würde erobert. Ja selbst die Gleichheit der Salate, wie sie Proudhon fordert, verwandelt 30 nur das Verhältniß des jetzigen Arbeiters zu seiner Arbeit in das Verhältniß aller Menschen zur Arbeit. Die Gesellschaft wird dann als abstrakter Capi talist gefaßt. Arbeitslohn ist eine unmittelbare Folge der entfremdeten Arbeit und die entfremdete Arbeit ist die unmittelbare Ursache des Privateigenthums. Mit 35 der einen muß daher auch die andere Seite fallen. 2) Aus dem Verhältniß der entfremdeten Arbeit zum Privateigenthum folgt ferner, daß die Emancipation der Gesellschaft vom Privateigenthum etc, von der Knechtschaft in der politischen Form der Arbeiteremancipation sich ausspricht, nicht als wenn es sich nur um ihre Emancipation handelte, sondern weil in ihrer Emancipation die allgemein menschliche enthalten ist, diese ist aber darin enthalten, weü die ganze menschüche Knechtschaft in 40 373 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft I dem Verhältniß des Arbeiters zur Production involvirt ist und alle Knechtsschaftsverhältnisse nur Modificai|tionen und (Konsequenzen dieses Verhältnisses sind. Wie wir aus dem Begriff der entfremdeten, entäusserten Arbeit den Begriff des Privateigenthums durch Analyse gefunden haben, so können mit Hülfe dieser beiden factoren alle nationalökonomischen Categorien entwickelt werden und wir werden in jeder Categorie, wie z. B. d[em] Schacher, d[er] Concurrenz, d[em] Capital, d[em] Geld, nur einen bestimmten und ent wickelten Ausdruck dieser ersten Grundlagen wiederfinden. 5 Bevor wir jedoch diese Gestaltung betrachten, suchen wir noch zwei 10 Aufgaben zu lösen. 1) Das allgemeine Wiesen des Privateigenthums, wie es sich als Resultat der entfremdeten Arbeit ergeben hat, in seinem Verhältniß zum wahrhaft menschlichen und socialen Eigenthum zu bestimmen; 2) Wir haben die Entfremdung der Arbeit, ihre Entäusserung als ein Factum angenommen und dieß factum analysirt. Wie, fragen wir nun, kömmt der Mensch dazu, seine Arbeit zu entäussern, zu entfremden? Wie ist diese Entfremdung im Wesen der menschlichen Entwicklung begründet? Wir haben schon viel für die Lösung der Aufgabe gewonnen, indem wir die Frage nach dem Ursprung des Privateigenthums in die Frage nach dem Verhältniß der entäusserten Arbeit zum Entwicklungsgang der Menschheit verwandelt haben. Denn wenn man v[om] Privateigenthum spricht, so glaubt man es mit einer Sache ausser d[em] Menschen zu thun zu haben. Wenn man von der Arbeit spricht, so hat man es unmittelbar mit d[em] Menschen selbst zu thun. Diese neue Stellung der Frage ist inclusive schon ihre Lösung. ad.l Allgemeines Wesen des Privateigenthums und sein Verhältniß zum wahrhaft menschlichen Eigenthum. \ / in zwei Bestandteile, die sich wechselseitig bedingen, oder die nur verschiedne Ausdrücke eines und desselben Verhältnisses sind, hat sich uns die entäusserte Arbeit aufgelöst, die Aneignung erscheint als Entfremdung, als Entäusserung und die Entäusserung als Aneignung, die Entfremdung als die wahre Einbürgerung. 15 20 25 30 Wir haben die eine Seite betrachtet, die entäusserte Arbeit in Bezug auf d[en] Arbeiter selbst, d. h. das Verhältniß der entäusserten Arbeit zu sich selbst. Als Produkt, als nothwendiges Resultat dieses Verhältnisses haben 35 wir das Eigenthumsverhältniß des NichtArbeiters zum Arbeiter und der Arbeit gefunden. Das Privateigenthum, als der materielle, resumirte Aus druck der entäusserten Arbeit umfaßt beide Verhältnisse, das Verhältniß des Arbeiters zur Arbeit und zum Product seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter und das Verhältniß des Nichtarbeiters, zum Arbeiter, und dem Product seiner Arbeit. 40 374 Entfremdete Arbeit und Privateigentum Wenn wir nun gesehn haben, daß in Bezug auf den Arbeiter, welcher sich durch die Arbeit die Natur aneignet, die Aneignung als Entfremdung er scheint, die Selbstthätigkeit als Thätigkeit für einen andern und als Thätigkeit eines andern, die Lebendigkeit als Aufopferung des Lebens, die Production des Gegenstandes als Verlust des Gegenstandes an eine fremde Macht, an einen fremden Menschen, so betrachten wir nun das Verhältniß dieses der Arbeit und dem Arbeiter fremden Menschen zum Arbeiter, zur Arbeit und ihrem Gegenstand. Zunächst ist zu bemerken, daß alles, was bei dem Arbeiter als Thätigkeit der Entäusserung, der Entfremdung, bei dem Nichtarbeiter als Zustand der Entäusserung, der Entfremdung erscheint. Zweitens, daß das wkkliche, praktische Verhalten des Arbeiters in der Production und zum Product (als Gemüthszustand,) bei dem ihm gegen überstehenden Nichtarbeiter als theoretisches Verh[a]lten erscheint. | |XXVIl| Drittens. Der Nichtarbeiter thut alles gegen d[en] Arbeiter, was der Arbeiter gegen sich selbst thut, aber er thut nicht gegen sich selbst, was er gegen d[en] Arbeiter thut. Betrachten wir näher diese drei Verhältnisse. | 375 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) [Heft II ( ü b e r l i e f e r t er Teil)] [Das Verhältnis des Privateigentums] [...] |XL| Zinsen seines Capitals bildet. An dem Arbeiter existirt es also s[ub]jektiv, daß das Capital der sich ganz abhanden gekommene Mensch ist, wie es am Capital objektiv existirt, daß die Arbeit der sich abhanden ge- kommene Mensch ist. Der Arbeiter hat aber das Unglück ein lebendiges und daher bedürftiges Capital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, seine Zinsen und damit seine Existenz verliert. Als Capital steigt Werth des Arbeiters nach Nachfrage und Zufuhr und auch physisch wird und wird gewußt sein Dasein, sein Leben als eine Zufuhr von Waare, wie jeder andern Waare. Der Arbeiter producirt das Capital, das Capital producirt ihn, er also sich selbst, und der Mensch als Arbeiter, als Waare ist das Product der ganzen Bewegung. Dem Menschen der nichts mehr ist als Arbeiter und als Arbeiter sind seine menschlichen Eigenschaften nur da, insofern sie für das ihm fremde Capital da sind. Weil sich aber beide fremd sind, daher in einem gleichgültigen, äusserlichen und zufälligen Verhältnisse stehn, so muß diese Fremdheit auch als wirklich erscheinen. Sobald es also dem Capital einfällt — notwendiger oder willkührücher Einfall — nicht mehr für den Arbeiter zu sein, ist er selbst nicht mehr für sich, er hat keine Arbeit, darum keinen Lohn und da er nicht als Mensch, sondern als Arbeiter Dasein hat, so kann er sich begraben lassen, verhungern etc. Der Arbeiter ist nur als Arbeiter da, sobald er für sich als Capital da ist, und er ist nur als Capital da, sobald ein Capital für ihn da ist. Das Dasein des Capitals ist sein Dasein, sein Leben, wie es den Inhalt seines Lebens auf eine ihm gleichgültige Weise bestimmt. Die Nationalökonomie kennt daher nicht den unbeschäftigten Arbeiter, den Arbeitsmenschen, so weit er sich ausser diesem Arbeitsverhältniß befindet. Der Spitzbube, Gauner, Bettler, der unbeschäftigte, der verhungernde, der elende und verbrecherische Arbeitsmensch, sind Gestalten, die nicht für sie, 5 10 15 20 25 376 Das Verhältnis des Privateigentums 5 sondern nur für andre Augen, für die des Arztes, des Richters, des Tod- tengräbers und Bettelvogts etc existiren, Gespenster ausserhalb ihres Reichs. Die Bedürfnisse des Arbeiters sind daher für sie nur das Bedürfniß ihn während der Arbeit zu unterhalten und 11 so weit, daß das Arbeitergeschlecht nicht ausst[kbt] Der Arbeitslohn hat daher ganz denselben Sinn, wie die Unterhaltung, in Standerhaltung jedes andern produktiven Instruments, wie die Consumtion des Capitals überhaupt, deren es bedarf, um sich mit Zinsen zu reproduciren; wie das Oel, welches an die Räder verwandt wird, um sie in Bewegung zu halten. Der Arbeitslohn gehört daher zu den nöthigenXosfen 10 des Capitals und d[es] Capitaüsten und darf das Bedürfniß dieser Noth nicht überschreiten. Es war daher ganz consequent, wenn englische Fabrikherrn vor d[er] Amendment bül von 1834 die öffentlichen Almosen, die der Ar beiter vermittelst der Armentaxe empfing von seinem Arbeitslohn abzogen und als einen integrirenden Theü desselben betrachteten. 15 Die Production producüt den Menschen nicht nur als eine Waare, die Menschenwaare, den Menschen in der Bestimmung der Waare, sie producüt ihn, dieser Bestimmung entsprechend, als ein eben so geistigwie körperlich entmenschtes Wesen, — Immoraütät, Mißgeburt, Hebetismus der Arbeiter und d[er] Capitalisten. Ihr Product ist die selbstbewußte und selbsttätige 20 Waare,... die Menschen waare Grosser Fortschritt von Ricardo, Mül etc gegen Smith und Say das Dasein d[es] Menschen — die größre oder kleinre Menschenproduktivität der Waare als gleichgültig und sogar schädlich zu erklären. Nicht, wie viel Arbeiter ein Capital unterhalte, sondern wie viel Zinsen es bringe, die Summe der jährÜchen Ersparungen sei der wahre 25 Zweck der Production. Es war ebenfalls ein grosser und consequenter Fortschritt der neuren ||XLl| engüschen Nationalökonomie, daß sie, — welche die Arbeit zum einzigen Princip der Nationalökonomie erhebt — zugleich mit völüger Klarheit das umgekehrte Verhältniß zwischen dem Arbeitslohn und den Zinsen des Capitals auseinandersezte und daß der 30 Capitaüst in der Regel nur durch die Herabdrückung des Arbeitslohns, wie umgekehrt, gewinnen könne. Nicht die Uebervortheüung d[er] Consumen- ten, sondern die wechselseitige Uebervortheüung von Capitalist und Ar beiter sei das normale Verhältniß. Das Verhältniß des Privateigenthums enthält in sich latent das Verhältniß 35 des Privateigenthums als Arbeit, wie das Verhältniß desselben als Capital und die Beziehung dieser beiden Ausdrücke aufeinander. Die Production der menschlichen Thätigkeit als Arbeit, also als einer sich ganz fremden, d[em] Menschen und der Natur, daher dem Bewußtsein und der Lebensäusserung auch fremden Thätigkeit, die abstrakte Existenz d[es] Menschen als eines blosen Arbeitsmenschen, der daher täglich aus seinem erfüllten Nichts in das absolute Nichts, sein gesellschaftüches und darum sein wüküches Nicht- 40 377 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) dasein hinabstürzen kann—wie andrerseits die Production des Gegenstandes der menschlichen Thätigkeit als Capital, worin alle natürliche und gesell schaftliche Bestimmtheit des Gegenstands ausgelöscht ist, das Privat eigenthum seine natürliche und gesellschaftliche Qualität (also alle poli tischen und geselligen Dlusionen verloren hat und mit keinen scheinbar menschlichen Verhältnissen vermischt ist) verloren hat — worin auch das- selbe Capital in d[em] verschiedenartigsten natürlichen und gesellschaft lichen Dasein dasselbe bleibt, vollkommen gleichgültig gegen seinen wirk lichen Inhalt ist — dieser Gegensatz auf die Spitze getrieben ist nothwendig die Spitze, die Höhe und der Untergang des ganzen Verhältnisses. Es ist daher wieder eine grosse That der neuern englischen Nationalökonomie, die Grundrente als den Unterschied der Zinsen des schlechtesten der Cultur angehörigen Landes und der des besten Culturlandes angegeben, die ro mantischen Einbildungen des Grundeigenthümers — seine angeblich sociale Wichtigkeit und die Identität seines Interesses mit dem Interesse der Ge sellschaft, II die noch nach den Physiokraten Adam Smith behauptet — nachgewiesen] und die Bewegung der Wirklichkeit anticipirt und vorbereitet zu [haben,] die den Grundeigenthümer in einen ganz gewöhnlichen, pro saischen Capitalisten verwandeln, dadurch den Gegensatz vereinfachen, zuspitzen und damit seine Auflösung beschleunigen wird. Die Erde als Erde, die Grundrente als Grundrente haben damit ihren Standesunterschied ver loren und sind zum nichtssagenden oder vielmehr nur Geldsaugenden Capital und Meresse geworden. Der Unterschied von Capital und Erde, von Gewinn und Grundrente, wie beider vom Arbeitslohn, von der Industrie und der Agricultur, von dem unbeweglichen und beweglichen Privateigenthum ist ein noch historischer, nicht im Wesen der* Sache begründeter Unterschied, ein fixirtes Bildungs und Entstehungsmoment des Gegensatzes von Capital und Arbeit. In der Industrie etc im Gegensatz zum unbeweglichen Grundeigenthum ist nur die Entstehungsweise und der Gegensatz, in dem sich die Industrie zur Agri kultur ausgebildet hat, ausgedrückt. Als eine besondre Art der Arbeit, als ein wesentlicher, gewichtiger, das Leben umfassender Unterschied besteht dieser Unterschied nur, so lange die Industrie (das Stadtleben) gegenüber dem Landbesitz (dem adligen Leben \ Feudalleben) sich bildet und noch den feudalen Charakter ihres Gegensatzes an sich selbst in der Form des Mono pols, Zunft, Gilde, Corporation etc trägt, innerhalb welcher Bestimmungen die Arbeit noch eine scheinbar gesellschaftliche Bedeutung, noch die Be deutung des wtklichen Gemeinwesens hat, noch nicht zur Gleichgültigkeit gegen ihren Inhalt und zum völligen Sein für sich selbst, d. h. zur Abstraktion von allem andern Sein, und darum auch noch nicht zum freigelaßnen Capital fortgegangen ist. ||XLIl| Aber die nothwendige Entwicklung der Arbeit ist 378 w Das Verhältnis des Privateigentums die freigelaßne als solche für sich constituüte Industrie und das freigelaßne Capital. Die Macht der Industrie über ihren Gegensatz zeigt sich sogleich in der Entstehung der Agricultur als einer wüküchen Industrie, während sie früher die Hauptarbeit dem Boden überließ und dem Sklaven dieses Bodens, durch welchen dieser sich selbst baute. Mit der Verwandlung des Sklaven in einen freien Arbeiter, d. h. in einen Söldling, ist der Grundherr an sich in einen Industrieherrn, einen Capitalisten verwandelt, eme Verwandlung, die zunächst durch das Mittelgüed des Pächters geschieht. Aber der Pächter ist der Repräsentant, das offenbarte Geheimniß des Grundeigenthümer s ; nur durch um ist sein nationalökonomisches Dasein, sein Dasein als Privat- eigenthümer — denn die Grundrente seiner Erde ist nur durch die Concurrenz der Pächter — also ist der Grundherr wesentüch schon im Pächter ein ge meiner Capitaüst geworden. Und dieß muß sich auch in der Wüklichkeit vollziehn, der Agricultur treibende Capitaüst — der Pächter — muß Gründ herr werden oder umgekehrt. Der Industrieschacher des Pächters ist der des Grundeigentümers, denn das Sein d[es] ersten sezt das Sein d[es] zweiten. 5 10 ls 25 Als ihrer gegensätzlichen Entstehung sich erinnernd, ihrer Herkunft—der Grundeigenthümer weiß den Capitaüsten als seinen übermüthigen, frei- 20 gelaßnen, bereicherten Sklaven von gestern und sieht sich selbst als Capi talist durch jenen bedroht — der Capitaüst weiß den Grundeigenthümer als den nichtsthuenden und grausamen \ egoistischen Herrn von gestern, er weiß, daß er ihn als Capitaüst beeüiträchtigt, doch der Industrie seine ganze jetzige gesellschaftliche Bedeutung, seme Habe und seinen Genuß verdankt, er sieht in ihm einen Gegensatz der freien Industrie und des freien, von jeder Naturbestimmung unabhängigen Capitals — dieser Gegensatz ist höchst bitter und sagt sich wechselseitig die Wahrheit. Man braucht nur die Angriffe des unbeweglichen Eigenthums auf das bewegliche und umgekehrt zu lesen, um sich von ihrer wechselseitigen Nichtswürdigkeit ein anschauüches Bild 30 zu verschaffen. Der Grundeigenthümer macht den Geburtsadel seines Eigenthums, die feudalen souvenus, \Rerniniscenzen, /| die Poesie der Er innerung, sein Schwärmerisches Wesen, seme politische Wichtigkeit etc geltend und wenn sie nationalökonomisch sprechen, der Landbau sei allein produktiv. Er schüdert zugleich semen Gegner als einen schlauen, feü- 35 bietenden, mäkelnden, betrügerischen, habsüchtigen, verkäuflichen, empö rungssüchtigen, Herz und Geistlosen, dem Gemeinwesen entfremdeten und es verschachernden, wuchernden, kuppelnden, sklavischen, schönthuenden, geschmeidigen, prellenden, trocknen, die Concurrenz und daher den Pauperismus und d[as] Verbrechen, die Auflösung aüer socialen Bande 40 erzeugenden, nährenden, hätschelnden Geldschurken ohne Ehre, ohne Grundsätze, ohne Poesie, ohne Substanz, ohne aües. (Siehe unter andern den 379 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) Physiokraten Bergasse, den schon Camille Desmoulins in seinem Journal: „Revolutions de France et de Brabant" geisselt, siehe von Vincke, Lan- cizolle, Haller, Leo, Kosegarten, //den gespreizten, althegelschen Theologen Funke, der mit Thränen in den Augen, nach Herrn Leo erzählt, wie ein Sklave, bei der Aufhebung der Leibeigenschaft, sich geweigert habe auf- zuhören, ein adliges Eigenthum zu sein. (/ Siehe auch Justus Mosers patrio tische Phantasien, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nicht einen Augen blick den biedern, Weinbürgerlichen, [bo]rnirten Horizont des Philisters verlassen und dennoch Phantastereien sind. Dieser Widerspruch hat sie so ansprechend für das 10 deutsche Gemüth gemacht. // Und sieh Sismondi.) |/ [„haus]backenen" gewöhnlichen, reine 5 15 Das bewegliche Eigenthum seiner Seits zeigt auf d[ie] Wunder der Indu strie und der Bewegung, es ist das Kind der modernen Zeit und ihr be rechtigter eingeborner Sohn; es bedauert seinen Gegner als einen über sein Wesen unaufgeklärten (und das ist vollkommen richtig) Schwachkopf, der an die Stelle des moralischen Capitals und der freien Arbeit die rohe un moralische Gewalt und die Leibeigenschaft setzen wolle; es schildert ihn als einen Don Quixotte, der unter dem Schein der Gradheit, Biederheit, des allgemeinen Interesses, des Bestandes, die Bewegungsunfähigkeit, die Habsüchtige Genußsucht, die Selbstsucht, das Sonderinteresse, die 20 schlechte Absicht verstecke; es erklärt ihn für einen durchtriebnen Mono polisten ; seine Reminiscenzen, seine Poesie, seine Schwärmerei dämpft es durch eine historische und sarkastische Aufzählung der Niederträchtigkeit, Grausamkeit, Wegwerfung, Prostitution, Infamie, Anarchie, Empörung, deren Werkstätte die romantischen Schlösser waren. /|XLIIl| Es habe der 25 Welt die politische Freiheit verschafft, die Fesseln der bürgerlichen Ge sellschaft gelöst, die Welten miteinander verbunden, den Menschenfreund lichen Handel, die reine Moral, die gefällige Bildung geschaffen; es habe dem Volk statt seiner rohen civilisirte Bedürfnisse und die Mittel ihrer Befrie digung gegeben, während der Grundeigenthümer — dieser unthätige und nur 30 genante Kornwucherer — dem Volk die ersten Lebensmittel vertheure, dadurch d[en] Capitalisten zwinge den Arbeitslohn zu erhöhen, ohne die Productionskraft erhöhen zu können, so das jährliche Einkommen der Nation, die Accumulation der Capitalien, also die Möglichkeit d[em] Volk Arbeit und d[em] Land Reichthum zu verschaffen, verhindre, endlich ganz 35 aufhebe, einen allgemeinen Untergang herbeiführe und alle Vortheile der modernen Civilisation wucherisch ausbeute, ohne das Geringste für sie zu thun und gar ohne von seinen Feudalvorurtheilen abzulassen. Endlich solle er nur auf seinen Pächter sehn—er, für den der Landbau und der Boden selbst nur als eine ihm geschenkte Geldquelle existirt — und er solle sagen, ob er 40 nicht ein biedrer, phantastischer, schlauer Schurke sei, der dem Herzen und 380 Das Verhältnis des Privateigentums der Wirklichkeit nach der freien Industrie und dem lieblichen Handel schon längst angehöre, so sehr er sich auch dagegen sträube und so viel er von historischen Erinnerungen und sittlichen oder politischen Zwecken plaudre. Alles, was er wirklich zu seinen Gunsten vorbringe, sei nur wahr für d[ie] 5 Landbauer (d[ie] Capitalisten und die Arbeitsknechte), deren Feind vielmehr der Grundeigenthümer sei; er beweise also gegen sich selbst. Ohne Capital sei das Grundeigenthum todte, werthlose Materie. Sein civilisirter Sieg sei es eben, an die Stelle des todten Dings die menschliche Arbeit als Quelle des Reichthums entdeckt und geschaffen zu haben. (Siehe Paul Louis Courier, 10 St. Simon, Ganilh, Ricardo, Mill, Mac-Culloch, Destutt de Tracy und Michel Chevalier.) Aus dem wirklichen Lauf der Entwicklung (hier einzufügen) folgt der nothwendige Sieg d[es] Capitalisten, d.h. des ausgebildeten Privateigen thums, über d[as] unausgebildete, halbe, d[en] Grundeigenthümer, wie über- 15 haupt schon die Bewegung über die Unbeweglichkeit, die offene selbst bewußte Gemeinheit über die versteckte und bewußtlose, die Habsuchtüber die Genußsucht, der eingestandne, weltkluge, rastlose, vielgewandte Eigen nutz der Aufklärung über den lokalen, biedern, trägen und phantastischen Eigennutz des Aberglaubens wie das Geld über die andre Form des Privat- 20 eigenthums siegen muß. 1 25 I Die Staaten, welche etwas von der Gefahr der vollendeten freien Indu strie, der vollendeten reinen Moral und dem vollendeten menschenfreund lichen Handel ahnen, suchen die Capitalisirung des Grundeigenthums—aber ganz vergeblich — aufzuhalten. Das Grundeigenthum, in seinem Unterschied von dem Capital, ist das Privateigenthum, das Capital noch von lokalen und politischen Vorurthei- len behaftet, das noch nicht ganz aus seiner Verstrickung mit der Welt zu sich selbst gekommene, das noch unvollendete Capital. Es muß im Laufe seinem abstrakten, d.h. reinen Ausdruck ge- seiner Weltbildung zu 30 langen. Das Verhältniß des Privateigenthums ist Arbeit, Capital und die Beziehung beider. Die Bewegung, die diese Glieder zu durchlaufen haben, sind: Erstens: unmittelbare oder vermittelte Einheit beider. Capital und Arbeit erst noch vereint; dann zwar getrennt und entfremdet, 35 aber sich wechselseitig als positive Bedingungen hebend und fördernd. Gegensatz beider. Schliessen sich wechselseitig aus und der Arbeiter weiß d[en] Capitalisten und umgekehrt als sein Nichtdasein; jeder sucht dem andern sein Dasein zu entreissen. Gegensatz jedes gegen sich selbst. Capital = aufgehäufter Arbeit = Arbeit. 40 Als solche zerfallend in sich und seine Zinsen, wie diese wieder in Zinsen 381 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft II (überlieferter Teil) und Gewinn. Restlose Aufopferung des Capitalisten. Er fällt in die Arbeiter klasse, wie der Arbeiter — aber nur ausnahmsweise — Capitalist wird. Arbeit als Moment des Capitals, seine Kosten. Also der Arbeitslohn ein Opfer des Capitals. Arbeit zerfallen in sich und den Arbeitslohn. Arbeiter selbst ein Capital und Waare. Feindlicher wechselseitiger Gegensatz. \ 382 Ergänzung zu Heft II. Privateigentum und Arbeit [Heft III] [Ergänzung zu Heft 11, Seite XXXVI] [Privateigentum und Arbeit] 5 15 |l| ad. pag. XXXVI. Das subjektive Wesen des Privateigenthums, das Privat- eigenthum als für sich seiende Thätigkeit, als Subjefo, als Person, ist die Arbeit. Es versteht sich also, daß erst die Nationalökonomie, welche die Arbeit als ihr Princip erkannte, — Adam Smith — also nicht mehr das Privat eigenthum nur mehr als einen Zustand ausser dem Menschen wußte, — daß diese Nationalökonomie sowohl als ein Produkt der wirklichen Energie und 10 Bewegung des Privateigenthums (sie ist die für sich im Bewußtsein gewordne selbstständige Bewegung des Privateigenthums, die moderne Industrie als Selbst) zu betrachten ist, als ein-Produkt der modernen Industrie, wie sie andrerseits die Energie und Entwicklung dieser Industrie beschleunigt, verherrlicht, zu einer Macht des Bewußtseins gemacht hat. Als Fetisch- diener, als Katholiken erscheinen daher dieser aufgeklärten Nationalöko nomie, die das subjektive Wesen des Reichthums — innerhalb des Privat eigenthums — entdeckt hat, die Anhänger des Geld und Merkantilsystems, welche das Privateigenthum als ein nur gegenständliches Wesen für d[en] Menschen wissen. Engels hat daher mit Recht Adam Smith den na- tionalökonomischen Luther genannt. Wie Luther als das Wesen der äus- serüchen Welt d[er] Religion den Glauben erkannte und daher dem katho lischen Heidenthum gegenüber trat, wie er die äussere Religiosität aufhob, indem er die Reügiosität zum innern Wesen d[es] Menschen machte, wie er den ausser dem Laien vorhandnen Pfaffen negüte, weü er den Pfaffen in 25 das Herz des Laien versetzte, so wüd der ausser dem Menschen befindüche und von ihm unabhängige—also nur auf eine äusserliche Weise zu erhaltende und zu behauptende — Reichthum aufgehoben, d. h. diese seine äusserliche gedankenlose Gegenständlichkeit wüd aufgehoben, indem sich das Privat- 20 383 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 15 5 eigenthum incorporirt im Menschen selbst und der Mensch selbst als sein Wesen erkannt — aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung des Privateigenthums wie bei Luther der Religion gesezt wird. Unter dem Schein einer Anerkennung d[es] Menschen, ist also die Nationalökonomie, deren Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die conséquente Durchführung der Ver- läugnung des Menschen, indem er selbst nicht mehr in einer äusserüchen Spannung zu dem äusserüchen Wesen des Privateigenthums steht, sondern er selbst dieß gespannte Wesen des Privateigenthums geworden ist. Was früher sich Aüsserlichsein, reale Entäusserung d[es] Menschen, ist nur zur That der Entäusserung, zur Veräusserung geworden. Wenn also jene Na- 10 tionalökonomie unter dem Schein der Anerkennung des Menschen, seiner Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit, etc beginnt und wie sie in das Wesen d[es] Menschen selbst das Privateigenthum versezt, nicht mehr durch die lokalen, nationalen etc Bestimmungen des Privateigenthums als eines ausser ihr existirenden \\ Wesens bedingt sein kann, also eine kosmopolitische, all- gemeine, jede Schranke, jedes Band umwerfende Energie entwickelt, um sich als die einzige Politik, Allgemeinheit, Schranke und Band an die Stelle zu setzen — so muß sie bei weitrer Entwicklung diese Scheinheiligkeit ab werfen, in ihrem ganzen Cynismus hervortreten und sie thut dieß, indem sie — unbekümmert um alle scheinbaren Widersprüche, worin diese Lehre sie 20 verwickelt — viel einseitiger, darum schärfer und consequenter die Arbeit als das einzige Wesen des Reichthums entwickelt, die Consequenzen dieser Lehre im Gegensatz zu jener ursprünglichen Auffassung vielmehr als Menschenfeindliche nachweist und endlich dem lezten, individuellen, natür lichen, unabhängig von der Bewegung der Arbeit existirenden Dasein des Privateigenthums und Quelle des Reichthums — der Grundrente, diesen schon ganz nationalökonomisch gewordnen und daher gegen die National ökonomie widerstandsunfähigen Ausdruck des Feudaleigenthums — den Todesstoß giebt. (Schule des Ricardo.) Nicht nur wächst der Cynismus der Nationalökonomie relativ von Smith über Say bis zu Ricardo, Mill etc; 30 insofern die Consequenzen der Industrie den leztern entwickelter und wider spruchsvoller vor die Augen treten; sondern auch positiv gehn sie immer und mit Bewußtsein weiter in der Entfremdung gegen d[en] Menschen als ihr Vorgänger, aber nur, weil ihre Wissenschaft sich consequenter und wahrer entwickelt. Indem sie das Privateigenthum in seiner thätigen Gestalt zum 35 Subjekt machen, also zugleich d[en] Menschen zum Wesen und zugleich den Menschen als ein Unwesen zum Wesen machen, so entspricht der Wider spruch der Wirklichkeit vollständig dem widerspruchsvollen Wesen, das sie als Princip erkannt haben. Die zerrißne ||n| Wirklichkeit der Industrie be stätigt ihr in sich zerrißnes Princip, weit entfernt, es zu widerlegen. Ihr 40 Princip ist ja das Princip dieser Zerrissenheit. 25 384 Ergänzung zu Heft II. Privateigentum und Arbeit 5 15 Die physiokratische Lehre von Dr. Quesnay bildet den Uebergang aus dem Mercantilsystem zu Adam Smith. Die Physiokratie ist unmittelbar die na tionalökonomische Auflösung des Feudaleigenthums, aber darum eben so unmittelbar die nationalökonomische Umwandlung, Wiederherstellung des- selben, nur daß seine Sprache nun nicht mehr feudal, sondern ökonomisch wird. Aller Reichthum wird aufgelöst in die Erde und den Landbau; (Agrikultur) die Erde ist noch nicht Capital, sie. ist noch eine besondre Daseinsweise desselben, die in ihrer und um ihrer natürlichen Besonderheit willen gelten soll; aber die Erde ist doch ein allgemeines natürliches Element, 10 während das Merkantüsystem nur das edle Metall als Existenz des Reich thums kennt. Der Gegenstand des Reichthums, seine Materie, hat also so gleich die höchste Allgemeinheit innerhalb der Naturgrenze, — insofern er noch als Natur unmittelbar gegenständlicher Reichthum ist — erhalten. Und die Erde ist nur durch die Arbeit, die Agrikultur für den Menschen. Also wird schon das subjektive Wesen des Reichthums in die Arbeit versezt. Aber zugleich ist die Agricultur die einzig produktive Arbeit. Also ist die Arbeit noch nicht in ihrer Allgemeinheit und Abstraktion gefaßt, sie ist noch an ein besondres Naturelement als ihre Materie gebunden, sie ist daher auch nur noch in einer besonderen Naturbestimmten Daseinsweise erkannt. Sie ist daher erst eine bestimmte, besondre Entäusserung d[es] Menschen, wie ihr Product auch als ein bestimmter, — mehr noch der Natur als ihr selbst anheimfallender Reichthum — gefaßt ist. Die Erde wird hier noch als von Menschen unabhängiges Naturdasein anerkannt, noch nicht als Capital, d. h. als ein Moment der Arbeit selbst. Vielmehr erscheint die Arbeit als ihr 25 Moment. Indem aber der Fetischismus des alten äusserlichen nur als Gegen stand existirenden Reichthums auf ein sehr einfaches Naturelement reducirt und sein Wesen schon, wenn auch erst theilweise auf eine besondre Weise, in seiner subjektiven Existenz anerkannt ist, ist der nothwendige Fortschritt, daß das allgemeine Wesen des Reichthums erkannt und daher die Arbeit in ihrer vollständigen Absolutheit, d. h. Abstraktion, zum Princip erhoben wird. Es wird der Physiokratie bewiesen, daß die Agrikultur in ökonomischer Hinsicht, also d[er] einzig berechtigten von keiner andern Industrie ver schieden sei, also nicht eine bestimmte Arbeit, eine an ein besondres Ele ment II gebundne, eine besondre Arbeitsäusserung, sondern die Arbeit über- haupt das Wesen des Reichthums sei. 30 20 35 Die Physiokratie läugnet den besondren äusserlichen nur gegenständlichen Reichthum, indem sie die Arbeit für sein Wesen erklärt. Aber zunächst ist die Arbeit für sie nur das subjektive Wesen des Grundeigenthums (sie geht von der Art des Eigenthums aus, welche historisch als die herrschende und anerkannte erscheint); sie läßt nur das Grundeigenthum zum entäusserten Menschen werden. Sie hebt seinen Feudalcharakter auf, indem sie die In- 40 385 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III dustrie (Agrikultur) für sein Wesen erklärt; aber sie verhält sich läugnend zur Welt der Industrie, sie erkennt das Feudalwesen an, indem sie die Agricultor für die einzige Industrie erklärt. Es versteht sich, daß sobald nun das subjektive Wesen der im Gegensatz zum Grundeigenthum, d. h. als Industrie sich constituirenden Industrie —, gefaßt wird, dieses Wesen jenen seinen Gegensatz in sich einschließt. Denn wie die Industrie das aufgehobne Grundeigenthum, so umfaßt ihr subjektives Wesen zugleich sein subjektives Wesen. 5 Wie das Grundeigenthum die erste Form des Privateigenthums ist, wie die Industrie ihr blos als eine besondre Art des Eigenthums zunächst historisch 10 entgegentritt — oder vielmehr der freigelaßne Sklave des Grundeigenthums ist — so wiederholt sich bei der wissenschaftlichen Erfassung des subjektiven Wesens des Privateigenthums, der Arbeit dieser Proceß und die Arbeit erscheint zunächst nur als Landbauarbeit, macht sich dann aber als Arbeit überhaupt geltend. /|lll| Aller Reichthum ist zum industriellen Reichthum, 15 zum Reichthum der Arbeit geworden und die Industrie ist die vollendete Arbeit, wie das Fabrikwesen das ausgebildete Wesen der Industrie, d. h. der Arbeit ist und das industrielle Capital die vollendete objektive Gestalt des Wir sehn wie auch nun erst das Privat Privateigenthums ist. eigenthum seine Herrschaft über den Menschen vollenden und in all- 20 gemeinster Form zur weltgeschichtlichen Macht werden kann. [Ergänzungen zu Heft II, Seite XXXIX] [Privateigentum und Kommunismus] 25 X ad. p. XXXIX. Aber der Gegensatz von Eigenthumslosigkeit und Eigen thum ist ein noch indifferenter, nicht in seiner thätigen Beziehung, seinem innern Verhältniß, noch nicht als Widerspruch gefaßter Gegensatz, solange er nicht als der Gegensatz der Arbeit und des Capitals begriffen wird. Auch ohne die fortgeschrittne Bewegung des Privateigenthums, im alten Rom, in der Türkei etc kann dieser Gegensatz in der ersten Gestalt sich aussprechen. So erscheint er noch nicht als durch das Privateigenthum selbst gesezt. Aber 30 die Arbeit, das subjektive Wesen des Privateigenthums, als Ausschliessung des Eigenthums und das Capital, die objektive Arbeit als Ausschliessung der Arbeit ist das Privateigenthum als sein entwickeltes Verhältniß des Widerspruchs, darum ein energisches, zur Auflösung treibendes Verhält niß. 35 386 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus 5 io 20 15 xx ad ibidem Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg, wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigenthum nur in seiner objektiven Seite, — aber doch die Arbeit als sein Wesen — betrachtet. Seine Daseinsform ist daher das Capital, das „als solches" aufzuheben ist. (Proudhon.) Oder die besondre Weise der Arbeit — als nivellirte, parcellirte und darum unfreie Arbeit wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privat eigenthums und seines Menschenentfremdeten Daseins gefaßt—Fourier, der d[en] Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens als die ausgezeichnete faßt, während St. Simon im Gegensatz die Industrie- arbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der Communismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privat eigenthums, zunächst das allgemeine Privateigenthum. Indem er dieß Ver hältniß in seiner Allgemeinheit faßt, ist er 1) in seiner ersten Gestalt nur eine Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigenthums so groß ihm gegenüber, daß er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als Privateigenthum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame Weise v[on] Talent, etc abstrahiren, der physische, unmittelbare Besitz gilt ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Ar beiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; || das Verhältniß des Privateigenthums bleibt das Verhältniß der Gemeinschaft zur Sachenwelt; endlich spricht sich diese Bewegung, dem Privateigenthum das allgemeine Privateigenthum entgegenzustellen, in der thierischen Form aus, daß der Ehe (welche allerdings eine Form des exclusiven Privateigenthums ist) die Weibergemeinschaft, wo also das Weib zu einem gemeinschaftlichen und gemeinen Eigenthum wird, entgegengestellt wird. Man darf sagen, daß dieser Gedanke der Weibergemeinschaft das ausgesprochne Geheimniß dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Communismus ist. Wie das Weib 30 aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des Reichthums, d. h. des gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, aus dem Verhältniß der exclusiven Ehe mit dem Privateigenthümer in das Verhältniß der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft. Dieser Communismus — indem er die Persönlichkeit d[es] Menschen überall negirt — ist eben nur 35 der conséquente Ausdruck des Privateigenthums, welches diese Negation ist. Der allgemeine und als Macht sich constituirende Neid ist die versteckte Form, in welcher die Habsucht sich herstellt und nur auf eine andre Weise sich befriedigt. Der Gedanke jedes Privateigenthums als eines solchen ist wenigstens gegen das reichere Privateigenthum als Neid und Nivellirungs- sucht gekehrt, so daß diese sogar das Wesen der Concurrenz ausmachen. Der rohe Communist ist nur die Vollendung dieses Neides und dieser Ni- 25 40 387 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III vellirung von dem vorgestellten Minimum aus. Er hat ein bestimmtes be grenztes Maaß. Wie wenig diese Aufhebung des Privateigenthums eine wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Civilisation; die Rückkehr zur unnatiir- lichen \\TV\ Einfachheit des armen und bedürfnißlosen Menschen, der nicht über das Privateigenthum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist. 5 Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und der Gleichheit des Salairs, den das gemeinschaftliche Capital, die Gemeinschaft als der allgemeine Capitalist auszahlt. Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine 10 vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit, als die Bestimmung, in welcher jeder gesezt ist, das Capital, als die anerkannte Allgemeinheit und Macht der Gemeinschaft. 15 In dem Verhältniß zum Weib, als dem Raub und d[er] Magd der ge meinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst existirt, denn das Geheimniß dieses Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, ent hüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattungsverhältniß gefaßt wird. Das unmittelbare, natürliche, nothwendige Verhältniß d[es] Menschen zum 20 Menschen ist das Verhältniß des Mannes zum Weibe. // In diesem natür lichen Gattungsverhältniß ist das Verhältniß des Menschen zur Natur un mittelbar sein Verhältniß zum Menschen wie das Verhältniß zum Menschen unmittelbar sein Verhältniß zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältniß erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Factum reducirt inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen d[es] Menschen geworden ist. Aus diesem Verhältniß kann man also die ganze Bildungsstufe d[es] Menschen beurtheilen. | / Aus dem Charakter dieses Verhältnisses—folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältniß des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältniß d[es] Menschen zum Menschen. In ihm zeigt sich also inwieweit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschlichenresen ihm zum Natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältniß zeigt sich auch, inwieweit das 35 Bedürfniß des Menschen zum menschlichen Bedürfniß, inwieweit ihm also der andre Mensch als Mensch zum Bedürfniß geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist. 30 25 Die erste positive Aufhebung des Privateigenthums, der rohe Communis mus ist also nur eine Erscheinungsform von der Niedertracht des Privat- eigenthums, das sich als das positive Gemeinwesen setzen will. 40 388 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus 2) Der Communismus α) noch politischer Natur, demokratisch oder des­ potisch; ß) mit Aufhebung des Staats, aber zugleich noch unvollendetes, immer noch mit dem Privateigenthum, d. h. der Entfremdung d[es] Menschen afficirtem Wesen. In beiden Formen weiß sich der Communismus schon als 5 Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich, als Aufhebung der menschlichen Selbstentfremdung, aber indem er das positive Wesen des Privateigenthums noch nicht || erfaßt hat und ebensowenig die menschliche Natur des Bedürfnisses verstanden hat, ist er auch noch von demselben befangen und inf icirt. Er hat zwar seinen Begriff erfaßt, aber noch nicht sein 10 Wesen. 15 3) Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für d[en] Menschen; darum als vollstän dige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichthums der bisherigen Entwick- lung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Communismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur und mit d[em] Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz 20 und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwi schen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Räthsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung. / 25 |V| Die ganze Bewegung der Geschichte ist daher, wie sein wirklicher Zeugungsakt — der Geburtsakt seines empirischen Daseins—so auch für sein denkendes Bewußtsein die begriffne und gewußte Bewegung seines Wer dens, während jener noch unvollendete Communismus aus einzelnen dem Privateigenthum entgegenstehenden Geschichtsgestalten einen historischen Beweis, einen Beweis in dem Bestehenden für sich sucht, indem er einzelne Momente aus der Bewegung (Cabet, Villegardelle, etc reiten besonders auf 30 diesem Roß) herausreißt und als Beweise seiner historischen Vollblütigkeit fixirt, womit er eben darthut, daß die unverhältnißmässig grössere Parthie dieser Bewegung seinen Behauptungen widerspricht und daß, wenn er einmal gewesen ist, eben sein vergangnes Sein die Prätention des Wesens wider legt. 35 Daß in der Bewegung des Privateigenthums, eben d[er] Oekonomie, die ganze revolutionaire Bewegung sowohl ihre empirische, als theoretische Basis findet, davon ist die Nothwendigkeit leicht einzusehn. Das materielle, unmittelbar sinnliche Privateigenthum, ist der materielle sinnliche Ausdruck des entfremdeten menschlichen Lebens. Seine Be- 40 wegung — die Production und Consumtion — ist die sinnliche Offenbarung von der Bewegung aller bisherigen Production, d. h. Verwirklichung oder 389 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 5 Wirklichkeit d[es] Menschen. Religion, Familie, Staat, Recht, Moral, Wis senschaft, Kunst etc sind nur besondre Weisen der Production und fallen unter ihr allgemeines Gesetz. Die positive Aufhebung des Privateigenthums als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Auf hebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, Familie, Staat etc in sein menschliches d. h. gesellschaftliches Dasein. Die religiöse Entfremdung als solche geht nur in dem Gebiet des Bewußtseins, des menschlichen Innern vor, aber die ökonomische Entfremdung ist die des wirklichen Lebens, — ihre Aufhebung umfaßt daher beide Seiten. Es versteht sich, daß die Bewegung bei den verschiednen Völkern ihren ersten Beginn 10 danach nimmt, ob das wahre anerkannte Leben des Volkes mehr im Be wußtsein oder in der äussern Welt vorsichgeht, mehr das ideelle oder reelle Leben ist. Der Communismus beginnt sogleich (Owen) mit dem Atheismus, der Atheismus ist zunächst noch weit entfernt Communismus zu sein, wie jener Atheismus mehr noch eine Abstraktion das Atheismus ist daher zuerst nur eine || philosophische abstrakte Philan thropie, die des Communismus sogleich reell und unmittelbar zur Wtkung gespannt. ist. Die Philanthropie 15 Wir haben gesehn, wie unter Voraussetzung des positiv aufgehobnen Privateigenthums, der Mensch d[en] Menschen producirt, sich selbst und den 20 andern Menschen; wie der Gegenstand, welcher die unmittelbare Bethäti- gung seiner Individualität zugleich sein eignes Dasein für den andern Menschen dessen Dasein und dessen Dasein für ihn ist. Ebenso sind aber sowohl das Material der Arbeit, als der Mensch als Subjekt, wie Resultat so Ausgangspunkt der Bewegung (und daß sie dieser Ausgangspunkt sein 25 müssen, eben darin liegt die geschichthche Nothwendigkeit des Privat eigenthums). Also ist der gesellschaftliche Charakter der allgemeine Cha rakter der ganzen Bewegung; wie die Gesellschaft selbst den Menschen als Menschen producirt, so ist sie durch ihn producirt. Die Thätigkeit und der Genuß, wie ihrem Inhalt, sind auch der Existenzweisenachgesellschaftliche Thätigkeit und gesellschaftlicher Genuß. Das menschliche Wesen der Natur ist erst da für den gesellschaftlichen Menschen; denn erst hier ist sie für ihn da als Band mit dem Menschen, als Dasein seiner für d[en] andern und des andern für ihn, erst hier ist sie da als Grundlage seines eignen menschlichen Daseins, wie als Lebenselement der menschlichen Wirklichkeit. Erst hier ist 35 ihm sein natürliches Dasein sein menschliches Dasein und die Natur für ihn 30 Die Prostitution nur ein besondrer Ausdruck der allgemeinen Prostitution des Arbeiters und da die Prostitution ein Verhältniß ist, worin nicht nur d[ie] Prostituirte, sondern auch der Prostituirende fällt — dessen Niedertracht 40 noch grösser ist — so fällt auch der Capitalist, etc in diese Categorie. | 390 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus 5 10 15 zum Menschen geworden. Also die Gesellschaft ist die vollendete We senseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, der durchgeführte Naturalismus d[es] Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur. / |Vl| Die geseüschaftliche Thätigkeit und der gesellschaftliche Genuß existiren keineswegs alleinìn der Form einer unmittelbargemeinschaftüchen Thätigkeit und unmittelbar gemeinschaftlichen Genusses, obgleich die ge meinschaftliche Thätigkeit und der gemeinschaftliche Genuß, d.h. die Thätigkeit und der Genuß, die unmittelbar in wirklicher Gesellschaft mit andern Menschen sich äussert und bestätigt, überall da stattfinden werden, wo jener unmittelbare Ausdruck der Gesellschaftlichkeit im Wesen ihres Inhalts begründet und seiner Natur angemessen ist. Auein auch wenn ich wissenschaftlich etc thätig bin, eme Thätigkeit, die ich selten in unmittelbarer Gemeinschaft mit andern ausführen kann, so bin ich gesellschaftlich, weü als Mensch thätig. Nicht nur das Material meiner Thätigkeit ist mir — wie selbst die Sprache, in der der Denker thätig ist—als gesellschaftliches Product gegeben, mein eignes Dasein ist gesellschaftliche Thätigkeit; darum das was ich aus mü mache, ich aus mü für die GeseUschaft mache und mit dem Bewußtsem meiner als eines geseUschaftlichen We- 20 sens. Mein allgemeines Bewußtsein ist nur die theoretische Gestalt dessen, wovon das reelle Gemeinwesen, gesellschaftüche Wesen, die lebendige Gestalt ist, während heut zu Tag das allgemeine Bewußtsein eme Abstraktion vom wüküchen Leben ist und als solche ihm feindüch gegenübertritt. Daher ist auch die Thätigkeit meines allgemeinen Bewußtsems — als eine solche — mein theoretisches Dasein als gesellschaftüches Wesen. 25 30 Es ist vor aUem zu vermeiden die „GeseUschaft" wieder als Abstraktion dem Individuum gegenüber zu f ixüen. Das Individuum ist das gesellschaft liche Wesen. Seine Lebensäusserung — erscheine sie auch nicht in der unmittelbaren Form einer gemeinschaftlichen, mit andern zugleich voU- brachten Lebensäusserung — ist daher eine Äusserung und Bestätigung des gesellschaftlichen Lebens. Das individuelle und das Gattungsleben des Menschen sind nicht verschieden, so sehr auch — und dieß nothwendig — die Daseinsweise des individueUen Lebens eine mehr besondre oder mehr all- 35 gemeine Weise des Gattungslebens ist, oder je mehr das Gattungsleben ein mehr besondres oder allgemeines individueUes Leben ist. Als Gattungsbewußtsein bestätigt der Mensch sein reelles Gesellschafts leben und wiederholt nur sein wüküches Dasein im Denken, wie umgekehrt das Gattungssein sich im Gattungsbewußtsein bestätigt und in seiner All- 40 gemeinheit, als denkendes Wesen für sich ist. | I Der Mensch — so sehr er daher ein besondres Individuum ist und grade 391 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III seine Besonderheit macht ihn zu einem Individuum und zum wirklichen individuellen Gemeinwesen — ebenso sehr ist er die Totalität, die ideale Totalität, das subjektive Dasein d[er] Gedachten und empfundnen Gesell schaft für sich, wie er auch in der Wirklichkeit, sowohl als Anschauung und wirklicher Genuß des gesellschaftlichen Daseins, wie als eine Totalität menschlicher Lebensäusserung da ist. Denken und Sein sind also zwar unterschieden, aber zugleich in Einheit 5 miteinander. Der Tod erscheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte In- 10 dividuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich. 4) Wie das Privateigenthum nur der sinnliche Ausdruck davon ist, daß der Mensch zugleich gegenständlich für sich wird und zugleich vielmehr sich als ein fremder und unmenschlicher Gegenstand wird, daß seine Lebensäus serung seine Lebensentäusserung ist, seine Verwirküchung seine Ent- 15 wirklichung, eine fremde Wirklichkeit ist, so ist die positive Aufhebung des Privateigenthums, d. h. die sinnliche Aneignung des menschlichen Wesens und Lebens, des gegenständlichen Menschen, der menschlichen Werke für und durch den Menschen, nicht nur im Sinne des unmittelbaren, einseitigen Genusses zu fassen, nicht nur im Sinne des Besitzens, im Sinne des Habens. Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehn, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, empfin den, wollen, thätig sein, lieben, kurz alle Organe seiner Individualität, wie die Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe 25 sind, ||VIl| sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben, die Aneignung der menschlichen Wirklichkeit; ist die Bethätigung der menschlichen Wirklichkeit (sie ist daher eben so vielfach, wie die mensch lichen Wesensbestimmungen und Thätigkeiten vielfach sind), menschliche Wirksamkeit und menschliches Leiden, denn das Leiden, menschlich gefaßt, ist ein Selbstgenuß des Menschen. ihr Verhalten zum Gegenstand 20 30 Das Privateigenthum hat uns so dumm und einseitig gemacht, daß ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Capital für uns existirt, oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem 35 Leib getragen, von uns bewohnt etc kurz gebraucht wird. Obgleich das Privateigenthum alle diese unmittelbaren Verwirklichungen des Besitzes selbst wieder nur als Lebensmittel faßt und das Leben, zu dessen Mittel sie dienen, ist das Leben des Privateigenthums, Arbeit und Capitalisirung. An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache 40 Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten. Auf diese 392 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus absolute Armuth mußte das menschliche Wesen reducirt werden, damit es seinen innern Reichthum aus sich herausgebäre. (Ueber die Categorie des Habens siehe Heß in den 21 Bogen.) 5 Die Aufhebung des Privateigenthums ist daher die vollständige Eman- cipation aller menschlichen Sinne und Eigenschaften; aber,sie ist diese Emancipation grade dadurch daß diese Sinne und Eigenschaften menschlich, sowohl subjektiv als objektiv geworden sind. Das Auge ist zum menschlichen Auge geworden, wie sein Gegenstand zu einem gesellschaftlichen, mensch lichen vom Menschen für d[en] Menschen herrührenden Gegenstand ge- 10 worden ist. Die Sinne sind daher unmittelbar in ihrer Praxis Theoretiker geworden. Sie verhalten sich zu der Sache um der Sache willen, aber die Sache selbst ist ein gegenständliches menschliches Verhalten zu sich selbst und zum Menschen und umgekehrt. Ich kann mich praktisch nur menschlich zu der Sache verhalten, wenn die Sache sich zum Menschen menschlich verhält. Das Bedürfniß oder der Genuß haben darum ihre egoistische Natur und die Natur ihre blose Nützlichkeit verloren, indem der Nutzen zum Menschlichen \\ Nutzen geworden ist. 15 20 Ebenso sind die Sinne und der Geist d[es] andern Menschen meine eigne Aneignung geworden. Ausser diesen unmittelbaren Organen bilden sich daher gesellschafüiche Organe, in der Form der Gesellschaft, also z. B. die Thätigkeit in unmittelbarer Gesellschaft mit andern etc. ist ein Organ meiner Lebensäusserung geworden und eine Weise der Aneignung des menschli chen Lebens. Es versteht sich, daß das menschliche Auge anders genießt, als das rohe, 25 unmenschliche Auge, das menschliche Ohr anders als das rohe Ohr etc. Wir haben gesehn. Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder Gegen ständlicher Mensch wird. Dieß ist nur möglich indem er ihm als gesellschaft licher Gegenstand, er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die 30 Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird. 35 Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft, die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesens kräfte als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständ- lichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirk lichenden Gegenstände, als seine Gegenstände; d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegen standes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise 40 der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit 393 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III jeder Wesenskraft ist grade ihr eigenthümliches Wiesen, also auch die eigen thümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlichen wirk lichen lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, ||VIIl| sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht. Andrerseits: Subjektiv gefaßt: Wie erst die Musik den musikalischen Sinn d[es] Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik keinen Sinn hat, kein Gegenstand ist, weil mein Gegenstand nur die Bestä tigung einer meiner Wesenskräfte sein kann, also nur so für mich sein kann, wie meine Wesenskraft als subjektive Fähigkeit für sich ist, weil der Sinn eines Gegenstandes für mich (nur Sinn für einen ihm entsprechenden Sinn hat) grade so weit geht als mein Sinn geht, darum sind die Sinne d[es] ge sellschaftlichen Menschen andre Sinne, wie die des ungesellschaftlichen; erst durch den gegenständlich entfalteten Reichthum des menschlichen Wesens wird der Reichthum der subjektiven menschlichen Sinnlichkeit, wird ein musikalisches Ohr, ein Auge für die Schönheit der Form, kurz werden erst menschlicher Genüsse fähige Sinne, Sinne, welche als menschliche Wesenskräfte sich bestätigen, theils erst ausgebildet, theils erst erzeugt. Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc), mit einem Wort der menschliche Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegen standes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Welt geschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfniß befangne Sinn hat auch nur einen bornirten Sinn. Für d[en] ausgehungerten Menschen existirt nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein als Speise; eben so gut könnte sie in rohster Form vorliegen und es ist nicht thierischen zu sagen, wodurch sich diese Nahrungsthätigkeit von der Nahrungsthätigkeit unterscheide. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineralienkrämer sieht nur den merkantilischen Werth, aber nicht die Schönheit und eigenthümliche Natur des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständ lichung des menschlichen || Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne d[es] Menschen menschlich zu machen, als um für den ganzen Reichthum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen. Wie durch die Bewegung des Privateigenthums und seines Reichthums, wie Elends — oder materiellen und geistigen Reichthums und Elends — die werdende Gesellschaft zu dieser Bildung alles Material vorfindet, so pro ducirt die gewordne Gesellschaft den Menschen in diesem ganzen Reichthum seines Wesens, den reichen all und tiefsinnigen Menschen als ihre stete Wirklichkeit. 394 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus Man sieht wie Subjektivismus und Objektivismus, Spiritualismus und Materialismus, Thätigkeit und Leiden erst im geseüschaftüchen Zustand ihren Gegensatz, und damit ihr Dasein als solche Gegensätze verlieren; man sieht, wie die Lösung der theoretischen Gegensätze selbst nur auf eine 5 praktische Art, nur durch die praktische Energie d[es] Menschen möglich ist und ihre Lösung daher keineswegs nur eine Aufgabe der Erkennt- niß, sondern eine wirkliche Lebensaufgabe ist, welche die Philosophie nicht lösen konnte, eben weil sie dieselbe als nur theoretische Aufgabe faßte. 10 Man sieht, wie die Geschichte der Industrie und das gewordne gegen ständliche Dasein der Industrie das aufgeschlagne Buch der menschlichen Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie ist, die bisher nicht in ihrem Zusammenhang mit dem Wesen des Menschen, sondern immer nur in einer äussern Nützlichkeitsbeziehung gefaßt wurde, weil man 15 — innerhalb der Entfremdung sich bewegend — nur das allgemeine Dasein d[es] Menschen, die Religion, oder die Geschichte in ihrem abstrakt-all gemeinen Wesen, als Politik, Kunst, Litteratur etc ||IX| als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte und als menschliche Gattungsakte zu fassen wußte. In der gewöhnlichen, materiellen Industrie (— die man eben so wohl 20 als einen Theil jener allgemeinen Bewegung fassen, wie man sie selbst als einen besondern Theil der Industrie fassen kann, da alle menschliche Thätigkeit bisher Arbeit, also Industrie, sich selbst entfremdete Thätigkeit war —) haben wir unter der Form sinnlicher, fremder, nützlicher Gegen stände, unter der Form der Entfremdung, die vergegenständlichten Wesens- kräfte des Menschen vor uns. Eine Psychologie, für welche dieß Buch, also grade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Theil der Geschichte, zuge schlagen ist, kann nicht zur wirklichen Inhaltsvollen und reellen Wissen schaft werden. Was soll man überhaupt von einer Wissenschaft denken, die von diesem grossen Theü der menschüchen Arbeit vornehm abstrahirt und 30 nicht in sich selbst ihre Unvoüständigkeit fühlt, so lange ein so ausgebreiteter Reichthum des menschüchen Wirkens ihr nichts sagt, als etwa, was man in einem Wort sagen kann: „Bedürfniß" „gemeines Bedürfniß!" 25 Die Naturwissenschaften haben eine enorme Thätigkeit entwickelt und sich ein stets wachsendes Material angeeignet. Die Phüosophie ist ihnen indessen eben so fremd geblieben, wie sie der Phüosophie fremd blieben. Die momentane Vereinigung war nur eine phantastische Illusion. Der Wüle war da, aber das Vermögen fehlte. Die Geschichtschreibung selbst nimmt auf die Naturwissenschaft nur beüäufig Rücksicht, als Moment der Auf klärung, Nützlichkeit, einzelner grosser Entdeckungen. Aber desto prakti- scher hat die Naturwissenschaft vermittelst der Industrie in das menschüche Leben eingegriffen und es umgestaltet und die menschliche Emancipation 35 40 395 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III vorbereitet, so sehr sie unmittelbar die Entmenschung vervollständigen mußte. Die Industrie ist das wirkliche geschichtliche Verhältniß der Natur und daher der Naturwissenschaft zum Menschen; wird sie daher als exote- rische Enthüllung der menschlichen Wesenskräfte gefaßt, so wird auch das menschliche Wesen der Natur oder das natürliche Wesen d[es] Menschen verstanden, daher die || Naturwissenschaft ihre abstrakt materielle oder vielmehr idealistische Richtung verüeren und die Basis der menschlichen Wissenschaft werden, wie sie jezt schon — obgleich in entfremdeter Gestalt — zur Basis des wirklich menschlichen Lebens geworden ist; eine andre Basis für das Leben, eine andre für die Wissenschaft, ist von vornherein eine Lüge. Die in der menschlichen Geschichte—dem Entstehungsakt der menschlichen Gesellschaft werdende Natur — ist die wirkliche Natur d[es] Menschen, darum die Natur, wie sie durch die Industrie, wenn auch in entfremdeter Gestalt wird, die wahre anthropologische Natur ist. 5 10 15 Die Sinnlichkeit (siehe Feuerbach) muß die Basis aller Wissenschaft sein. Nur, wenn sie von ihr, in der doppelten Gestalt, sowohl des sinnlichen Bewußtseins als des sinnlichen Bedürfnisses ausgeht, — also nur wenn die Wissenschaft von der Natur ausgeht — ist sie wirkliche Wissenschaft. Damit der „Mensch" zum Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins und das Be dürfniß des „Menschen als Menschen" zum Bedürfniß werde, dazu ist die 20 ganze Geschichte die Vorbereitungsgeschichte \ Entwicklungsgeschichte. Die Geschichte selbst ist ein wkkhcher Theil der Naturgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen. Die Naturwissenschaft wird später eben so wohl die Wissenschaft von d[em] Menschen, wie die Wissenschaft von d[em] Menschen die Naturwissenschaft unter sich subsumiren: es wird eine 25 Wissenschaft sein. ||X| Der Mensch ist der unmittelbare Gegenstand der Naturwissenschaft; denn die unmittelbare sinnliche Natur für d[en] Men schen ist unmittelbar die menschliche Sinnüchkeit, (ein identischer Aus druck) unmittelbar als der andere sinnlich für ihn vorhandene Mensch; denn seine eigne Sinnüchkeit ist erst durch den andren Menschen als menschüche 30 Sinnlichkeit für ihn selbst. Aber die Natur ist der unmittelbare Gegenstand der Wissenschaft vom Menschen. Der erste Gegenstand d[es] Menschen — der Mensch — ist Natur, Sinnlichkeit und die besondern menschlich sinn- üchen Wesenskräfte, wie sie nur in Natürlichen Gegenständen ihre gegen ständliche Verwirklichung, können nur in der Wissenschaft des Naturwesens überhaupt ihre Selbsterkenntniß finden. Das Element des Denkens selbst, das Element der Lebensäusserung des Gedankens, die Sprache ist sinnlicher Natur. Die gesellschaftliche Wirküchkeit der Natur und die menschliche Naturwissenschaft oder die natürliche Wissenschaft vom Menschen sind identische Ausdrücke. 35 40 Man sieht, wie an die Stelle des nationalökonomischen Reichthums und 396 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Kommunismus Elendes der reiche Mensch und das reiche menschliche Bedürfniß tritt. Der reiche Mensch ist zugleich der einer Totalität der menschlichen Lebensäus serung bedürftige Mensch. Der Mensch, in dem seine eigne Verwüküchung, als innere Nothwendigkeit, als Noth existirt. Nicht nur der Reichthum, auch die Armuth des Menschen erhält gleichmässig — unter Voraussetzung des Sociaüsmus — eine menschliche und daher geseUschaftliche Bedeutung. Sie ist das passive Band, welches dem Menschen den größten Reichthum, den andern Menschen, als Bedürf niß empf inden läßt. Die Herrschaft des gegen- ständüchen Wesens in mü, der sinnliche Ausbruch meiner Wesensthätig- keit ist die Leidenschaft, welche hier damit die Thätigkeit meines Wesens 5 10 wüd. 5) Ein Wiesen gilt sich erst als selbstständiges, sobald es auf eignen Füssen steht und es steht erst auf eignen Füssen, sobald es sein Dasein sich selbst verdankt. Ein Mensch, der von der Gnade eines andern lebt, betrachtet sich 15 als ein Abhängiges Wesen. Ich lebe aber voüständig von der Gnade eines andern, wenn ich ihm nicht nur die Unterhaltung mêmes Lebens verdanke, sondern wenn er noch ausserdem mein Leben geschaffen hat; wenn er der Quell meines Lebens ist, und mein Leben hat nothwendig einen solchen Grund ausser sich, wenn es nicht meine eigne Schöpfung ist. Die Schöpfung ist daher eme sehr j| schwer aus dem Volksbewußtsein zu verdrängende VorsteUung. Das Durchsichselbstseüi der Natur und d[es] Menschen ist ihm unbegreiïlich, weü es aUen Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens widerspricht. 20 Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geo- 25 gnosie, d.h. durch die Wissenschaft, welche die Erdbüdung, das Wer den der Erde als einen Proceß, als Selbsterzeugung darstellte. Die gene- ratio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungs theorie. 30 Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles schon sagt: Du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat in dü die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt d[es] Menschen den Menschen producüt. Du siehst also daß der Mensch auch physisch sein Dasein d[em] Menschen verdankt. Du mußt also nicht nur die eine Seite im Auge behalten, den unendlichen Progreß, wonach du weiter fragst: Wer hat 35 meinen Vater, wer semen Großvater etc gezeugt. Du mußt auch die Kreis bewegung, welche in jenem Progreß sinnüch anschaubar ist, festhalten, wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. AUein du wüst antworten: Diese Kreisbewegung dü zugestanden, so 40 gestehe du mü den Progreß zu, der mich immer weiter treibt, bis ich frage, wer hat d[en] ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? ν 397 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Ich kann dir nun antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Ab straction. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob Deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beant worten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existirt? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und d[es] Menschen fragst, so abstrahirst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß ich sie als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: gieb deine Abstraktion auf, so giebst du auch Deine Frage auf oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei consequent, und wenn du d[en] Menschen und die Natur als nichtseiend 10 denkend ||Xl| denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und d[es] Men schen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts sezt und selbst sein willst1? 5 15 Du kannst mir erwiedern: Ich will nicht das Nichts der Natur etc setzen; ich frage dich nach ihrem Entstehungsakt, wie ich den Anatom nach den Knochenbildungen frage, etc. Indem aber für den socialistischen Menschen die ganze sogenannte 20 Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für d[en] Menschen, so hat er also den anschaulichen, unwiderstehlichen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß. Indem die Wesenhaftig- keit d[es] Menschen und der Natur, indem der Mensch für den Menschen als Dasein der Natur, und die Natur für d[en] Menschen als Dasein d[es] 25 Menschen praktisch, sinnlich anschaubar geworden ist, ist die Frage nach einem fremden Wesen, nach einem Wesen über der Natur und d[em] Menschen — eine Frage, welche das Geständniß von der Unwesentlichkeit der Natur und d[es] Menschen einschließt — praktisch unmöglich geworden. Der Atheismus, als Läugnung dieser Unwesentlichkeit, hat keinen Sinn mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und sezt durch diese Negation das Dasein des Menschen; aber der Socialismus als Socialismus bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch und praktisch sinnlichen Bewußtsein d[es] Menschen und der Natur als des Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Religion vermitteltes Selbstbewußtsein d[es] Menschen, wie das wirkliche Leben positive, nicht mehr durch die Aufhebung des Privateigenthums, den Communismus, vermittelte Wirküchkeit d[es] Menschen ist. Der Communis mus ist die Position als Negation der Negation, darum das wfrklichefür die nächste geschichtliche Entwicklung nothwendige Moment der menschlichen 40 Emancipation und Wiedergewinnung. Der Communismus ist die nothwen- 35 30 398 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt dige Gestalt und das Energische Princip der nächsten Zukunft, aber der Communismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung, — die Gestalt der menschlichen Gesellschaft. 1 5 [Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt] 16) An diesem Punkte ist vielleicht der Ort, sowohl zur Verständigung und Berechtigung über die hegelsche Dialektik überhaupt, als namentlich über ihre Ausführung in der Phänomenologie und Logik, endlich über das Verhältniß der neuern kritischen Bewegung einige Andeutungen zu 10 geben. 20 15 Die Beschäftigung mit dem Inhalt der alten Welt, die von dem Stoff befangne Entwicklung der modernen deutschen Kritik war so gewaltsam, daß ein völlig kritikloses Verhalten zur Methode des Kriticirens, und eine völlige Bewußtlosigkeit über die scheinbar formelle, aber wirklich wesent- liehe Frage statt fand, wie halten wir es nun mit der hegel'schen Dialektik! Die Bewußtlosigkeit über das Verhältniß der modernen Kritik zur hegel'schen Philosophie überhaupt und zur Dialektik namentlich war so groß, daß Kritiker wie Strauß und Bruno Bauer, der erstere vollständig, der zweite in seinen „Synoptikern" (wo er dem Strauß gegenüber das „Selbstbewußt- sein" d[es] abstrakten Menschen an die Stelle der Substanz der „abstrakten Natur" stellt) und selbst noch im „entdeckten Christenthum" wenigstens der Potenz nach noch vollständig innerhalb der hegel'schen Logik befangen sind. So heißt es ζ. B. in dem entdeckten Christenthum: „Als ob nicht das Selbst­ bewußtsein, indem es die Welt, den Unterschied sezt, und in dem, was es 25 hervorbringt, sich selbst hervorbringt, da es den Unterschied des Hervor gebrachten von ihm selbst wieder aufhebt, da es nur im Hervorbringen und in der Bewegung es selber ist — als ob es nicht in dieser Bewegung seinen Zweck hätte" etc oder: „Sie (die französischen Materialisten) haben noch nicht sehn können, daß die Bewegung des Universums erst als die Bewegung 30 des Selbstbewußtseins wirklich für sich geworden und zur Einheit mit ihr selbst zusammengegangen ist", Ausdrücke, die auch nicht einmal in der Sprache einen Unterschied von der hegel'schen Auffassung zeigen, sondern sie vielmehr wörtlich wiederholen. | |XIl| Wie wenig während d[em] Akt der Kritik (Bauer, die Synoptiker) ein 35 Bewußtsein vorhanden war über das Verhältniß zur Hegel'schen Dialektik, wie wenig dieses Bewußtsein auch nach dem Akt der stofflichen Kritik entstand, beweist Bauer, wenn er in seiner „guten Sache der Freiheit" die 399 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III vorlaute Frage des Herrn Gruppe, „was nun mit der Logik" dadurch abweist, daß er ihn auf kommende Kritiker verweist. Aber auch nun, nachdem Feuerbach — sowohl in seinen „Thesen" in den Anecdotis, als ausf ührlich in der „Philosophie der Zukunft" die alte Dialektik und Philosophie dem Keim nach umgeworfen hat — nachdem dagegen jene Kritik, welche diese That nicht zu vollbringen wußte, dagegen die That vollbrachte sich „als reine, entschiedne, absolute, mit sich ins Klare ge- kommne Kritik" auszurufen; nachdem sie in ihrem spiritualistischen Hoch- muth die ganze geschichtliche Bewegung auf das Verhältniß der übrigen Welt — die ihr gegenüber unter die Categorie der „Masse" fallt — zu ihr selbst reducirt und alle dogmatischen Gegensätze in den einen dogmatischen Gegensatz ihrer eignen Klugheit und der Dummheit der Welt, des kritischen Christus und der Menschheit, als dem „Haufen", aufgelöst hat; nachdem sie ihre eigne Vortrefflichkeit täglich und stündlich an der Geistlosigkeit der Masse bewiesen hat, nachdem sie endlich das kritische jüngste Gericht unter der Gestalt verkündigt hat, daß der Tag herannahe, wo die ganze verfallende Menschheit ihr gegenüber sich schaaren werde, von ihr in Gruppen sondirt und jeder besondre Haufen sein testimonium paupertatis erhalten werde, nachdem sie ihre Erhabenheit übermenschliche Empfindungen, wie über die Welt, über welche sie in erhabner Einsamkeit thronend nur von Zeit zu Zeit das Gelächter der olympischen Götter von ihren sarkastischen Lippen schallen läßt, hat drucken lassen — nach allen diesen ergötzlichen Gebah- rungen des unter der Form der Kritik verscheidenden Idealismus (des Jung hegelthums) hat er auch nicht einmal die Ahnung ausgesprochen, daß man sich nun kritisch mit seiner Mutter, der hegelschen Dialektik auseinan derzusetzen habe, ja selbst über kein kritisches Verhältniß zur Feuer bachischen Dialektik anzugeben gewußt. Ein völliges unkritisches Verhal ten zu sich selbst. | I Feuerbach ist der einzige, der ein ernsthaftes, ein kritisches Verhältniß zur hegel'schen Dialektik hat und wahrhafte Entdeckungen auf diesem Gebiete gemacht hat, überhaupt der wahre Ueberwinder der alten Philoso phie ist. Die Grösse der Leistung und die geräuschlose Einfachheit, womit F. sie der Welt giebt, stehn in einem wunderlichen Gegensatz zu dem umgekehrten Verhältniß. Feuerbachs grosse That ist: 1) der Beweis, daß die Philosophie nichts andres ist als die in Gedanken gebrachte und denkend ausgeführte Religion; also ebenfalls zu verurtheilen ist; eine andre Form und Daseinsweise d[er] Entfremdung des menschlichen Wesens. 2) Die Gründung des wahren Materialismus und der reellen Wissenschaft, indem Feuerbach das geseUschaftliche Verhältniß das „des Menschen zum Menschen" — ebenso zum Grundprincip der Theorie macht; 400 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt 3) indem er der Negation der Negation, die das absolut positive zu sein behauptet, das auf sich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete Positive entgegenstellt. Feuerbach erklärt die hegel'sche Dialektik — (und begründet dadurch den Ausgang vom Positiven, vom Sinnlich-Gewissen) — folgendermassen: Hegel geht aus von der Entfremdung (Logisch: dem Unendlichen, abstrakt Allgemeinen), der Substanz, der absoluten und f ixirten Abstraktion, — d. h. populär ausgedrückt, er geht von der Religion und Theologie aus. Zweitens: Er hebt das Unendliche auf, sezt das Wirkliche, Sinnliche, Reale, Endliche, Besondre. (Philosophie, Aufhebung der Religion und Theologie.) Drittens. Er hebt das Positive wieder auf; stellt die Abstraktion, das Unendliche wieder her. Wiederherstellung der Religion und Theologie. Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie (Transzendenz etc) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegen satz zu sich selbst bejaht. Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Ne gation der Negation liegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des Beweises Bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als nicht eingestandne ||XJIl| Position gefaßt und darum ihr direkt und unver mittelt die sinnüchgewisse auf sich selbst gegründete Position entgegen gestellt. Feuerbach faßt auch die Negation der Negation, den konkreten Begriff als das sich im Denken überbietende und als Denken unmittelbar Anschau ung, Natur, Wirklichkeit sein wollende Denken. Aber indem Hegel die Negation der Negation — der positiven Beziehung nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive — der negativen Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbst- bethätigungsakt alles Seins — aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, lo gischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, die noch nicht wirkliche Geschichte d[es] Menschen als eines vorausgesezten Subjekts, sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Men schen ist. — Sowohl die abstrakte Form werden wir erklären, als den Unter schied, den diese Bewegung bei Hegel im Gegensatz zur modernen Kritik, zu demselben Prozeß in Feuerbachs Wesen des Christenthums hat, oder vielmehr die kritische Gestalt dieser bei Hegel noch unkritischen Bewe gung. Ein Blick auf das hegelsche System. Man muß beginnen mit der hegel'schen Phänomenologie, der wahren Geburtsstätte und dem Geheimniß der hegel'schen Philosophie. — 401 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Selbstbewußtsein. Phänomenologie. A) Das I.) Bewußtsein, α) Sinnliche Gewißheit oder das Dieses und das Mei nen, ß) Die Wahrnehmung oder das Ding mit seinen Eigenschaften und die Täuschung, y) Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt. II.) Selbstbewußtsein. Die Wahrheit der Gewißheit selbst, a) Selbstständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins, Herr schaft und Knechtschaft, b) Freiheit des Selbstbewußtseins. Stoicismus, Skepticismus, das unglückliche Bewußtsein. seiner III.) Vernunft. Gewißheit und Wahrheit der Vernunft, a) beobachtende Vernunft; Beobachtung der Natur und des Selbstbewußtseins, b) Ver wirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst. Die Lust und die Nothwendigkeit. Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des Eigendünkels. Die Tugend und der Weltlauf, c) die Individualität, welche sich an und für sich reell ist. Das geistige Thierreich und der Betrug oder die Sache selbst. Die gesetzgebende Vernunft. Die gesetzprüfende Ver nunft. B) Der Geist. I.) Der wahre Geist; die Sittlichkeit. II.) Der sich entfremdete Geist, die Bildung. III.) Der seiner selbst gewisse Geist, die Moralität. C) Die Religion, natürliche, Kunstretigion, offenbare Religion. D) Das absolute Wissen. Wie die Encyclopädie Hegels mit der Logik beginnt, mit dem reinen spekulativen Gedankenund mit dem absoluten Wissen, dem selbstbewußten, sich selbst erfassenden philosophischen oder absoluten, d. i. übermenschli chen abstrakten Geist, aufhört, so ist die ganze Encyklopädie nichts als das ausgebreitete Wesen des philosophischen Geistes, || seine Selbstvergegen- ständlichung; wie der philosophische Geist nichts ist als der innerhalb seiner Selbstentfremdung denkend, d. h. abstrakt sich erfassende entfremdete Geist der Welt. — Die Logik — das Geld des Geistes, der spekulative, der Ge dankenwerth des Menschen und der Natur — ihr gegen alle wirkliche Be stimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes und darum unwirkliches Wesen — das entäusserte, daher von der Natur und d[em] wirklichen Menschen abstrabirende Denken ; das abstrakte Denken. — Die Aüsserlich- keit dieses abstrakten Denkens ... die Natur, wie sie für dieß abstrakte Denken ist. Sie ist ihm äusserlich, sein Selbstverlust; und es faßt sie auch äusserlich, als abstrakten Gedanken, aber als entäussertes abstraktes Denken. — Endlich der Geist, dieß in seine eigne Geburtsstätte heimkehrende Denken, welches sich als anthropologischer, phänomenologischer, psycho logischer, sittlicher, künstlicher, religiöser Geist immer noch nicht für sich 402 ¥ Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegeischen Dialektik und Philosophie überhaupt selbst gilt, bis es sich endlich als absolutes Wissen und darum absoluter i. e. abstrakter Geist vorfindet und selbstbejaht, sein bewußtes und ihm ent sprechendes Dasein erhält. Denn sein wirkliches Dasein ist die Abstrak tion. ... 5 Ein doppelter Fehler bei Hegel. 1. tritt in der Phänomenologie, als der Geburtsstätte der hegelschen Philosophie, am klarsten hervor. Wenn er ζ. B. Reichthum, Staatsmacht etc als dem menschlichen Wesen entfremdete Wesen gefaßt, so geschieht dieß nur in ihrer Gedankenform. . .. Sie sind Gedankenwesen — daher blos eine 10 Entfremdung des reinen, d.i. abstrakten Philosophischen Denkens. Die ganze Bewegung endet daher mit dem absoluten Wissen. Wovon diese Gegenstände entfremdet sind und wem sie mit der Anmassung der Wirk lichkeit entgegentreten, das ist eben das abstrakte Denken. Der Philosoph legt sich — also selbst eine abstrakte Gestalt d[es] entfremdeten Menschen 15 — als den Maaßstab der entfremdeten Welt an. Die ganze Entäusserungs- geschichte und die ganze Zurücknahme der Entäusserung ist daher nichts als die Productionsgeschichte des abstrakten, des absoluten |/XVIl/ (Siehe p.XIII.) Denkens, des logischen, spekulativen Denkens. Die Entfremdung, welche daher das eigentliche Interesse dieser Entäusserung und Aufhebung dieser Entäusserung bildet, ist der Gegensatz von an sich und für sich, von Bewußtsein und Selbstbewußtsein, von Objekt und Subjekt, d. h. der Gegen satz des abstrakten Denkens und der sinnlichen Wirklichkeit oder der wirklichen Sinnlichkeit innerhalb des Gedankens selbst. Alle andern Gegen sätze und Bewegungen dieser Gegensätze sind nur der Schein, die Hülle, die exoterische Gestalt dieser einzig interessanten Gegensätze, welche den Sinn der andern profanen Gegensätze bilden. Nicht daß das menschliche Wesen sich unmenschlich, im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht, sondern, daß es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten Denken sich vergegenständlicht, gilt als das gesezte und als das aufzuhe- 20 25 30 bende Wesen der Entfremdung. | 35 |XVIIl| Die Aneignung der zu Gegenständen und zu fremden Gegen ständen gewordenen Wesenskräfte d[es] Menschen ist also erstens nur eine Aneignung, die im Bewußtsein, im reinen Denken, i. e. in der Abstraktion vor sich geht, die Aneignung dieser Gegenstände als Gedanken und Ge- dankenbewegungen, weßhalb schon in der Phänomenologie — trotz ihres durchaus negativen und kritischen Aussehns und trotz der wirklich in ihr enthaltnen, oft weit der spätem Entwicklung vorgreifenden Kritik — schon der unkritische Positivismus und der ebenso unkritische Idealismus der spätem hegelschen Werke — diese philosophische Auflösung und Wieder- 40 herstellung der vorhandnen Empirie — latent liegt, als Keim, als Potenz, als ein Geheimniß vorhanden ist. Zweitens. Die Vindicirung der gegenständ- 403 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 5 10 liehen Welt für d[en] Menschen — ζ. B. die Erkenntniß, daß das sinnliche Bewußtsein kein abstrakt sinnliches Bewußtsein, sondern ein menschlich sinnliches Bewußtsein, daß die Religion, der Reichthum etc nur die ent fremdete Wirklichkeit der menschlichen Vergegenständlichung, der zum Werk herausgebornen menschlichen Wesenskräfte und darum nur der Weg zur wahren menschlichen Wirklichkeit sind —, diese Aneignung oder die Einsicht in diesen Proceß erscheint daher bei Hegel so, daß Sinnlichkeit, Religion, Staatsmacht etc geistige Wesen sind — denn nur der Geist ist das wahre Wesen d[es] Menschen und die wahre Form des Geistes ist der denkende Geist, der logische, spekulative Geist. Die Menschlichkeit der Natur und d[er] von der Geschichte erzeugten Natur, d[er] Producte d[es] Menschen, erscheint darin, daß sie Producte des abstrakten Geistes sind und insofern also geistige Momente, Gedankenwesen. Die Phänomenologie ist daher die verborgne, sich selbst noch unklare und mysticirende Kritik; aber insofern sie die Entfremdung d[es] Menschen — wenn auch der Mensch nur in der Gestalt des Geistes erscheint—festhält liegen in ihr alle Elemente der Kritik verborgen und oft schon in einer weit den hegel'schen Standpunkt überragenden Weise vorbereitet und ausgearbeitet. Das „unglückliche Be wußtsein", das „ehrliche Bewußtsein", der Kampf des „edelmüthigen und niederträch||tigen Bewußtseins" etc etc diese einzelnen Abschnitte enthalten 20 die kritischen Elemente — aber noch in einer entfremdeten Form — ganzer Sphären, wie der Religion, des Staats, des bürgerlichen Lebens etc. Wie also das Wesen, der Gegenstand als Gedankenwesen, so ist das Subjekt immer Bewußtsein oder Selbstbewußtsein, oder vielmehr der Gegenstand erscheint nur als abstraktes Bewußtsein, der Mensch nur als Selbstbewußtsein, die unterschiedenen Gestalten der Entfremdung, die auftreten sind daher nur verschiedne Gestalten des Bewußtseins und Selbstbewußtseins. Wie an sich das abstrakte Bewußtsein — als welches der Gegenstand gefaßt wird — blos ein Unterscheidungsmoment des Selbstbewußtseins ist, — so tritt auch als Resultat der Bewegung die Identität des Selbstbewußtseins mit dem Be- 30 wußtsein, das absolute Wissen, die nicht mehr nach aussen hin, sondern nur noch in sich selbst vorgehende Bewegung des abstrakten Denkens als Re sultat auf, d. h. die Dialektik des reinen Gedankens ist das Resultat. (Siehe Fortsetzung. p.XXII.)/ 15 25 |XXIl| (Sieh p. XVIII.) Das Grosse an der Hegeischen Phänomenologie 35 und ihrem Endresultate — der Dialektik, der Negativität als dem bewegenden und erzeugenden Princip — ist also, einmal daß Hegel die Selbsterzeugung d[es] Menschen als einen Proceß faßt, die Vergegenständlichung als Ent- gegenständlichung, als Entäusserung, und als Aufhebung dieser Entäusse rung; daß er also das Wesen der Arbeit faßt und den gegenständlichen 40 Menschen, wahren, weil wirklichen Menschen, als Resultat seiner eignen 404 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt Arbeit begreift. Das wirkliche, thätige Verhalten des Menschen zu sich als Gattungswesen, oder die Bethätigung seiner als eines wirklichen Gattungs wesens, d.h. als menschlichen Wesens, ist nur möglich dadurch, daß er wirklich alle seine Gattungskräfte — was wieder nur durch das Gesammt- 5 wirken d[es] Menschen möglich ist, nur als Resultat der Geschichte—heraus schafft, sich zu ihnen als Gegenständen verhält, was zunächst wieder nur in der Form der Entfremdung möglich ist. Die Einseitigkeit und die Grenze Hegels werden wir nun ausführlich an dem Schlußkapitel der Phänomenologie — das absolute Wissen—ein Kapitel, 10 welches sowohl der zusammengefaßte Geist der Phänomenologie, ihr Ver hältniß zur spekulativen Dialektik, als auch das Bewußtsein Hegels über beide und ihr wechselseitiges Verhältniß enthält — darstellen. Vorläufig nehmen wir nur noch das vorweg: Hegel steht auf dem Stand punkt der modernen Nationalökonomen. Er erfaßt die Arbeit als das Wesen, als das sich bewährende Wesen d[es] Menschen; er sieht nur die positive Seite der Arbeit, nicht ihre negative. Die Arbeit ist das Fürsich werden d[es] Menschen innerhalb der Entäusserung oder als entäusserter Mensch. Die Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt ist die abstrakt geistige. Was also überhaupt das Wesen der Philosophie bildet, die Entäusserung des sich wissenden Menschen oder die sich denkende entäusserte Wissenschaft, dieß erfaßt Hegel als ihr || Wesen, und er kann daher der vorhergehenden Phi losophie gegenüber ihre einzelnen Momente zusammenfassen und seine Philosophie als die Philosophie darstellen. Was die andern Philosophen thaten — daß sie einzelne Momente der Natur und des menschlichen Lebens als Momente des Selbstbewußtseins und zwar des abstrakten Selbstbewußt seins fassen — das weiß Hegel als das Thun der Philosophie. Darum ist seine Wissenschaft absolut. Gehn wir nun zu unserm Gegenstand über. Das absolute Wissen. Leztes Capitel der Phänomenologie. Die Hauptsache ist, daß der Gegenstand des Bewußtseins nichts andres als das Selbstbewußtsein oder daß der Gegenstand nur das vergegenständ lichte Selbstbewußtsein, das Selbstbewußtsein als Gegenstand ist. (Setzen d[es] Menschen = Selbstbewußtsein.) Es gilt daher den Gegenstand des Bewußtseins zu überwinden. Die Gegen- ständlichkeit als solche gilt für ein entfremdetes, dem menschlichen Wesen, dem Selbstbewußtsein nicht entsprechendes Verhältniß des Menschen. Die Wiederaneignung des als fremd, unter der Bestimmung der Entfremdung erzeugten gegenständlichen Wesens d[es] Menschen, hat also nicht nur die Bedeutung, die Entfremdung, sondern die Gegenständlichkeit aufzuheben, d. h. also der Mensch gilt als ein nicht-gegenständliches, spiritualistisches 15 20 25 30 35 40 Wesen. 405 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Die Bewegung der Ueberwindung des Gegenstandes des Bewußtseins beschreibt Hegel nun wie folgt: Der Gegenstand zeigt sich nicht nur (dieß ist nach Hegel die einseitige — also die die eine Seite erfassende — Auffassung jener Bewegung) als zurück kehrend in das Selbst. Der Mensch wird = Selbst gesezt. Das Selbst ist aber nur der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der Mensch ist selbstisch. Sein Auge, sein Ohr etc ist selbstisch ; jede seiner Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deßweg[en] ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr', Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Qualität der mensch- 10 liehen Natur-, des menschlichen Auges etc, nicht die menschliche Natur ist eine Qualität des ||XXIV| Selbstbewußtseins. 5 Das für sich abstrahirte und fixirte Selbst ist der Mensch als abstrakter Egoist, der in seine reine Abstraktion, zum Denken erhobne Egoismus. (Wir kommen später hierauf zurück.) 15 Das menschliche Wesen, der Mensch gilt für Hegel = Selbstbewußtsein. Alle Entfremdung des menschlichen Wesens ist daher nichts als Entfrem dung des Selbstbewußtseins. Die Entfremdung des Selbstbewußtseins gilt nicht als Ausdruck, im Wissen und Denken sich abspiegelnder Ausdruck der wtklichen Entfremdung des menschlichen Wesens. Die wtkliche, als real erscheinende Entfremdung vielmehr ist ihrem innersten verborgnen — und erst durch die Philosophie ans Licht gebrachten — Wesen nach nichts andres als die Erscheinung von der Entfremdung des wirklichen Menschlichen Wesens, des Selbstbewußtseins. Die Wissenschaft welche dieß begreift heißt daher Phänomenologie. Alle Wiederaneignung des entfremdeten gegen- 25 ständlichen Wesens erscheint daher als eine Einverleibung in das Selbst bewußtsein; der sich seines Wesens bemächtigende Mensch ist nur das der gegenständlichen Wesen sich bemächtigende Selbstbewußtsein. Die Rück kehr des Gegenstandes in das Selbst ist daher die Wiederaneignung des Gegenstandes. 20 30 Allseitig ausgedrückt ist die Ueberwindung des Gegenstandes des Be wußtseins: 1) daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsein als ver schwindend darstellt; 2) daß die Entäusserung des Selbstbewußtseins es ist, welche die Dingheit sezt; 3) daß diese Entäusserung nicht nur negative, 35 sondern positive Bedeutung hat, 4) sie nicht nur für uns oder an sich, sondern für es selbst hat. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben, dadurch daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der 40 untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits 406 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenom men hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 7) Dieß ist die Bewegung des Bewußtseins und dieß ist darin die Totalität seiner Momente. 5 8) Es muß sich ebenso zu dem Gegenstand nach der Totalität seiner Be stimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese Totali||tät seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen und für das Bewußtsem wüd dieß in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden einzelnen derselben als des Selbsts oder durch das eben genannte geistige 10 Verhalten zu ihnen. ad 1. Daß der Gegenstand als solcher sich d[em] Bewußtsem als ver schwindend darstellt ist die oben erwähnte Rückkehr des Gegenstandes in das Selbst. 25 15 Mensch = Selbstbewußtsein, so ad 2. Die Entäusserung des Selbstbewußtseins sezt die Dingheit. Weü der ist sein entäussertes gegenständüches Wesen oder die Dingheit— (das was für ihn Gegenstand ist, und Gegenstand ist wahrhaft nur für ihn was ihm wesentücher Gegenstand, was also sein gegenständliches Wesen ist. Da nun nicht der wirkliche Mensch, darum auch nicht die Natur — der Mensch ist die menschliche Natur— als solcher zum 20 Subjekt gemacht wüd, sondern nur die Abstraktion d[es] Menschen, das Selbstbewußtsein, so kann die Dingheit nur das entäusserte Selbstbewußt sein sein) = dem entäusserten Selbstbewußtsein und die Dingheit ist durch diese Entäusserung gesezt. Daß ein lebendiges, natürÜches, mit gegenständ lichen i. e. materiellen Wesenskräften ausgerüstetes und begabtes Wesen auch sowohl wirkliche natürüche Gegenstände seines Wesens hat, als daß seme Selbstentäusserung die Setzung einer wirklichen, aber unter der Form der Aüsserlichkeit, also zu seinem Wesen nicht gehörigen, übermächtigen gegenständlichen Welt ist, ist ganz natürlich. Es ist nichts Unbegreüliches und Räthselhaf tes dabei. Vielmehr wäre das Gegentheü räthselhaft. Aber daß ein Selbstbewußtsein durch seine Entäusserung nur die Dingheit, d. h. selbst nur ein abstraktes Ding, ein Ding der Abstraktion und kein wirkliches Ding setzen kann, ist eben so klar. Es ist | |XXVl| ferner klar, daß die Dingheit daher durchaus nichts Selbstständiges, Wesentliches gegen das Selbstbewußtsein, sondern ein bloses Geschöpf, ein von ihm Geseztes ist und das Gesezte, statt sich selbst zu bestätigen, ist nur eine Bestätigung des Actes des Setzens, der einen Augenblick seme Energie als das Product f ixüt und zum Schein ihm die Rolle — aber nur für einen Augenbück—eines selbstständigen, wirküchen Wesens ertheüt. 30 35 Wenn der wükliche, leibliche, auf der festen wohlgerundeten Erde ste- 40 hende, alle Naturkräfte aus und einathmende Mensch seine wüküchen, gegenständlichen Wesenskräfte durch seme Entäusserung als fremde Ge- 407 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III II genstände sezt, so ist nicht das Setzen Subjekt; es ist die Subjektivität gegenständlicher Wesenskräfte, deren Action daher auch eine gegenständ liche sein muß. Das Gegenständliche Wesen wirkt Gegenständlich und es würde nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner Wesensbestimmung läge. Es schafft, sezt nur Gegenstände, weil es durch Gegenstände gesezt ist, weil es von Haus aus Natur ist. In dem Akt des Setzens fällt es also nicht aus seiner „reinen Thätigkeit" in ein Schaffen des Gegenstandes, sondern sein gegenständliches Product bestätigt nur seine gegenständliche Thätigkeit, seine Thätigkeit als die Thätigkeit eines gegen ständlichen natürlichen Wesens. 5 10 Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus sich sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet und zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist. Wir sehn zugleich, wie nur der Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begreifen. 15 Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als leben- diges Naturwesen ist er theils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften ausgerüstet, ein thätiges Naturwesen, diese Kräfte existiren in ihm als Anlagen und Fähigkeiten, als Triebe; theils ist er als natürliches, leibliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränk tes Wesen, wie es auch das Thier und die Pflanze ist; d. h. die Gegenstände 20 seiner Triebe exis||tiren ausser ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses zur Bethä- tigung und Bestätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche Gegenstände. Daß der Mensch ein leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches Gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, 25 sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäus- serung hat oder daß er nur an wirklichen sinnlichen Gegenständen sein Leben äussern kann. Gegenständlich, natürüch, sinnlich sein und sowohl Gegen stand, Natur, Sinn ausser sich haben oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn für ein drittes sein ist identisch. Der Hunger ist ein natürliches Bedürfniß ; er bedarf also einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich, um sich zu befriedigen, um sich zu stillen. Der Hunger ist das gestandne Be dürfniß meines Leibes nach einem ausser ihm seienden, zu seiner Integrirung und Wesensäusserung unentbehrlichen Gegenstand. Die Sonne ist der Gegenstand der Pflanze, ein ihr unentbehrlicher, ihr Leben bestätigender 35 Gegenstand, wie die Pflanze Gegenstand der Sonne ist, als Äusserung von der Lebenserweckenden Kraft der Sonne, von der gegenständlichen We senskraft der Sonne. 30 Ein Wesen, welches seine Natur nicht ausser sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht Theil am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen 40 Gegenstand ausser sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, 408 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen zu seinem Gegenstand, d. h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist ||XXVIl| Ein ungegenständliches Wesen ist ein kein Gegenständliches. Unwesen. 5 Sezt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist, noch einen Gegen stand hat. Ein solches Wesen wäre erstens das einzige Wesen, es existirte kein Wesen ausser ihm, es existirte einsam und allein. Denn sobald es Gegenstände ausser mir giebt, so bald ich nicht allein bin, bin ich ein andres, eine andre Wirklichkeit als der Gegenstand ausser mir. Für diesen 3t en 10 Gegenstand bin ich also eine andre Wirküchkeit als er, d. h. sein Gegenstand. Ein Wesen, welches nicht Gegenstand eines andren Wesens ist, unterstellt also, daß kein gegenständliches Wesen existirt. Sobald ich einen Gegenstand habe, hat dieser Gegenstand mich zum Gegenstand. Aber ein ungegenständ liches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, d.h. nur eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion. Sinnlich sein, d. h. wirklich sein, ist Gegenstand des Sinns sein, sinn/ic/jerGegenstand sein, also sinnliche Gegenstände ausser sich haben, Gegenstände seiner Sinnlichkeit haben. Sinnlich sein ist leidend sein. 15 20 Der Mensch als ein gegenständliches sinnliches Wesen ist daher ein lei- dendes und weil sein Leiden empfindendes Wesen, ein leidenschaftliches Wesen. Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft d[es] Menschen. Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches Naturwesen; d. h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als 25 welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und bethätigen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Na turgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnüchkeit, menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur — objektiv — noch die 30 Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adaequat vor handen. Und wie aües Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch semen Entstehungsakt d[ie] Geschichte, die aber für ihn, eine gewußte und darum als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die (Dar 35 Geschichte ist die wahre Naturgeschichte d[es] Menschen. auf zurückzukommen.) | I Drittens, weü dieß Setzen der Dingheit selbst nur ein Schern, ein dem Wesen der reinen Thätigkeit widersprechender Akt ist, muß es auch wieder aufgehoben, die Dingheit geläugnet werden. 40 ad3,4,5,6. 3.) Diese Entäusserung des Bewußtseins hat nicht nur negative sondern auch positive Bedeutung und 4) diese positive Bedeutung nicht nur 409 •ff Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III für uns oder an sich, sondern für es, d[as] Bewußtsein selbst. 5) Für es hat das Negative des Gegenstandes oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch, daß es sich selbst entäussert, denn in dieser Entäusserung weiß es als Gegenstand oder d[en] Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Für- sichseins willen als sich selbst. 6) Andrerseits liegt hierin zugleich das andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit ebenso sehr auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anders sein als solchem bei sich ist. 5 Wir haben schon gesehn. Die Aneignung des entfremdeten Gegenständ- 10 20 15 liehen Wesens oder die Aufhebung der Gegenständlichkeit unter der Be stimmung der Entfremdung, — die von der gleichgültigen Fremdheit bis zur wirklichen feindseeligen Entfremdung fortgehn muß—hat für Hegel zugleich oder sogar hauptsächlich die Bedeutung, die Gegenständlichkeit auf zuheben, weil nicht der bestimmte Charakter des Gegenstandes, sondern sein gegen- ständlicher Charakter für das Selbstbewußtsein das Anstössige und die Entfremdung ist. Der Gegenstand ist daher ein Negatives, ein sich selbst aufhebendes, eine Nichtigkeit. Diese Nichtigkeit desselben hat für das Be wußtsein nicht nur eine negative, sondern eine positive Bedeutung, denn jene Nichtigkeit des Gegenstandes ist eben die Selbstbestätigung der Ungegen- ständlichkeit, der ||XXVIIl| Abstraktion, seiner selbst. Für das Bewußtsein selbst hat die Nichtigkeit des Gegenstandes darum eine positive Bedeutung, daß es diese Nichtigkeit, das gegenständliche Wesen, als seine Selbstent- äusserung weiß; daß es weiß, daß sie nur ist durch seine Selbstentäusserung. . .. Die Art, wie das Bewußtsein ist, und wie etwas für es ist, ist das Wissen. Das Wissen ist sein einziger Akt. Etwas wird daher für dasselbe, insofern es dieß etwas weiß. Wissen ist sein einziges Gegenständliches Verhalten. — Es weiß nun die Nichtigkeit des Gegenstandes, d. h. das Nichtunterschie- densein des Gegenstandes von ihm, das Nichtsein des Gegenstandes für es — dadurch — daß es den Gegenstand als seine Selbstentäusserung wein, d. h. 30 sich — das Wissen als Gegenstand — dadurch weiß, daß der Gegenstand nur der Schein eines Gegenstandes, ein vorgemachter Dunst ist, seinem Wesen nach aber nichts andres als das Wissen selbst, welches sich sich selbst entgegengestellt und daher sich eine Nichtigkeit, ein etwas entgegengestellt hat, was keine Gegenständlichkeit ausser dem Wissen hat; oder das Wissen weiß, daß es, indem es sich zu einem Gegenstand verhält, nur ausser sich ist, sich entäussert; daß es selbst sich nur als Gegenstand erscheint, oder daß das, was ihm als Gegenstand erscheint, nur es selbst ist. 25 35 Andrerseits, sagt Hegel, liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese Entäusserung und Gegenständlichkeit eben so sehr aufgehoben und in 40 sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich ist. 410 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt Wir haben in dieser Auseinandersetzung alle Illusionen der Spekulation zusammen. Einmal.: Das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. Es ist daher — oder wenn wir hier von der hegelschen 5 Abstraktion abstrahiren und statt d[as] Selbstbewußtsein das Selbstbewußt sein d[es] Menschen setzen — es ist in seinem Anderssein als solchem bei sich. Darin liegt einmal, daß das Bewußtsein — das Wissen — als Wissen — das Denken als Denken — unmittelbar das andere seiner selbst, Sinnlichkeit, 10 Wirklichkeit, Leben zu sein vorgiebt, das im Denken sich überbietende Denken. (Feuerbach.) Diese Seite ist hierin enthalten, insofern das Bewußt sein als nur Bewußtsein nicht an der entfremdeten Gegenständlichkeit, sondern an der Gegenständlichkeit als solcher seinen Anstoß hat. | I Zweitens liegt hierin, daß der selbstbewußte Mensch, insofern er die 15 geistige Welt — oder das geistige allgemeine Dasein seiner Welt als Selbst- entäusserung erkannt und aufgehoben hat, er dieselbe dennoch wieder in dieser entäusserten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein ausgjebt, sie wiederherstellt, in seinem Anderssein als solchem bei sich zu sein vor giebt, also nach Aufhebung z.B. der Religion, nach der Erkennung der 20 Religion als eines Products der Selbstentäusserung dennoch in der Religion als Reügion sich bestätigt findet. Hier ist die Wurzel des falschen Positivis mus Hegels oder seines nur scheinbaren Kriticismus; was Feuerbach als Setzen, Negiren und Wiederherstellen der Religion oder Theologie bezeich net, was aber allgemeiner zu fassen ist. Also die Vernunft ist bei sich in der 25 Unvernunft als Unvernunft. Der Mensch, der in Recht, Politik etc ein ent äussertes Leben zu führen erkannt hat, führt in diesem entäusserten Leben als solchem sein wahres menschliches. Die Selbstbejahung, Selbstbestäti gung im Widerspruch mit sich selbst, sowohl mit dem Wissen, als mit dem Wesen des Gegenstandes, ist also das wahre Wissen und Leben. 30 Von einer Accommodation Hegels gegen Religion, Staat etc kann also keine Rede mehr sein, da diese Lüge die Lüge seines Princips ist. | |XXIX| Wenn ich die Religion als entäussertes menschliches Selbst bewußtsein weiß, so weiß ich also in ihr als Religion nicht mein Selbst bewußtsein, sondern mein entäussertes Selbstbewußtsein in ihr bestätigt. 35 Mein sich selbst, seinem Wesen angehöriges Selbstbewußtsein weiß ich also dann nicht in der Religion, sondern vielmehr in der vernichteten, auf gehobnen Religion bestätigt. Bei Hegel ist die Negation der Negation daher nicht die Bestätigung des wahren Wesens, eben durch Negation des Scheinwesens, sondern die Be- stäügung des Scheinwesens oder des sich entfremdeten Wesens in seiner Verneinung oder die Verneinung dieses Scheinwesens als eines gegenständ- 40 411 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III liehen, ausser dem Menschen hausenden und von ihm unabhängigen Wesens und seine Verwandlung in das Subjekt. Eine eigenthümliche Rolle spielt daher das Aufheben, worin die Ver neinung und die Aufbewahrung, die Bejahung verknüpft sind. ist So z.B. in Hegels Rechtsphilosophie das aufgehobne Privat- recht = Moral, die aufgehobne Moral = Familie, die aufgehobne Fami lie = bürgerlicher Gesellschaft, die aufgehobne bürgerliche Gesellschaft gleich Staat, der aufgehobne Staat = Weltgeschichte. In der Wkkhchkeit bleiben Privatrecht, Moral, Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat, etc bestehn, nur sind sie zu Momenten geworden, zu Existenzen und Daseins- weisen d[es] Menschen, die nicht isolirt gelten, sich wechselseitig auflösen und erzeugen etc, Momente der Bewegung. / 5 10 / in ihrer wirklichen Existenz ist dieß ihr bewegliches Wesen verborgen. Zum Vorschein, zur Offenbarung kömmt es erst im Denken, in der Philoso phie und darum ist mein wahres religiöses Dasein mein religionsphiloso- 15 phisches Dasein, mein wahres politisches Dasein mein rechtsphilosophi sches Dasein, mein wahres natürliches Dasein das naturphilosophische Dasein, mein wahres künstlerisches Dasein das kunstphilosophische Dasein, mein wahres menschliches Dasein mein philosophisches Dasein. Eben so ist die wahre Existenz von Religion, Staat, Natur, Kunst = die Religions- Natur- 20 Staats- Kunstphilosophie. Wenn aber mir die Religionsphilosophie etc nur das wahre Dasein der Religion ist, so bin ich auch nur als Religionsphilosoph wahrhaft religiös ; so verläugne ich die wirkliche Religiosität und den wirklich religiösen Menschen. Aber zugleich bestätige ich sie, theils innerhalb meines eignen Daseins oder innerhalb des fremden Daseins, das ich ihnen entgegen 25 setze, denn dieses ist nur ihr philosophischer Ausdruck; theils in ihrer eigen t ü m l i c h en ursprünglichen Gestalt, denn sie gelten mir als das nur scheinbare Anderssein, als Allegorien, unter sinnlichen Hüllen verborgne Gestalten ihres eignen wahren, id est meines philosophischen Daseins. | /Eben so ist die aufgehobne Qualität = Quantität, die aufgehobne Quan- 30 tität = Maaß, das aufgehobne Maaß = Wesen, das aufgehobne We sen = Erscheinung, die aufgehobne Erscheinung = Wkkhchkeit, die auf gehobne Wirklichkeit = Begriff, der aufgehobne Begriff = Objektivität, die aufgehobne Objektivität = absoluter Idee, die aufgehobne absolute Idee = Natur, die aufgehobne Natur = subjektivem Geist, der aufgehobne subjektive Geist = sittlichem, objektivem Geist, der aufgehobne sittliche Geist = Kunst, die aufgehobne Kunst = Religion, die aufgehobne Reli gion = absolutem Wissen. 35 Einerseits ist dieß Aufheben ein Aufheben des Gedachten Wesens, also das gedachte Privateigenthum hebt sich auf in den Gedanken der Moral. Und weil das Denken sich einbildet, unmittelbar d[as] andre seines selbst zu sein, 40 412 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt 5 10 sinnliche Wirklichkeit, || also ihm seine Action auch für sinnliche wkkhche Action gilt, so glaubt dieß denkende Aufheben, welches seinen Gegenstand in der Wirklichkeit stehn läßt, ihn wirklich überwunden zu haben, und andrerseits, weil er ihm nun als Gedankenmoment geworden ist, darum gilt er ihm auch in seiner Wirklichkeit als Selbstbestätigung seiner selbst, des Selbstbewußtseins, der Abstraktion. / |XXX| Nach der einen Seite hin ist das Dasein, welches Hegel in die Philosophie aufhebt, daher nicht die wkkhche Religion, Staat, Natur, son dern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft. Nach der einen Seite steht er also im Gegensatz sowohl zu dem wkklichen Wesen als zu der unmittelbaren unphilosophischen Wissenschaft oder zu den unphiloso phischen Begriffen dieses Wesens. Er widerspricht daher ihren gangbaren Begriffen. 15 Andrerseits kann sich der religiöse etc Mensch in Hegel seine lezte Be stätigung finden. Es sind nun die positiven Momente der hegel'schen Dialektik — innerhalb der Bestimmung der Entfremdung — zu fassen, a) Das Aufheben, als gegenständliche, die Entäusserung in sich zurück- 20 nehmende Bewegung. — Es ist dieß die innerhalb der Entfremdung aus gedrückte Einsicht von der Aneignung des gegenständlichen Wesens durch die Aufhebung seiner Entfremdung, die entfremdete Einsicht in die wkkliche Vergegenständlichung des Menschen, in die wirkliche Aneignung seines gegenständlichen Wesens durch die Vernichtung der entfremdeten Bestim- 25 mung der Gegenständlichen Welt, durch ihre Aufhebung, in ihrem ent fremdeten Dasein, wie der Atheismus als Aufhebung Gottes das Werden des theoretischen Humanismus, der Communismus als Aufhebung des Privat eigenthums die Vindication des wirküchen menschüchen Lebens als seines Eigenthums ist, das Werden des praktischen Humanismus ist oder der 30 Atheismus ist der durch Aufhebung der Reügion, der Communismus der durch Aufhebung des Privateigenthums mit sich vermittelte Humanismus. Erst durch die Aufhebung dieser Vermittelung — die aber eine nothwendige Voraussetzung ist—wüd der positiv von sich selbst beginnende, der positive Humanismus. 35 Aber Atheismus, Communismus sind kerne Flucht, kerne Abstraction, kern Vertieren der von dem Menschen erzeugten gegenständüchen Welt, seiner zur Gegenständlichkeit herausgebornen Wesenskräfte, kerne zur unnatür- üchen, unentwickelten Einfachheit zurückkehrende Armuth. Sie sind viel mehr erst das wükliche Werden, die wüküch für den Menschen gewordne 40 Verwüküchung seines Wesens oder seines Wesens als eines wüküchen. j I Hegel faßt also, indem er den positiven Sinn der auf sich selbst bezognen 413 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Negation — wenn auch wieder in entfremdeter Weise — faßt, die Selbst entfremdung, Wesensentäusserung, Entgegenständlichung und Entwirkli chung d[es] Menschen als Selbstgewinnung, Wesensäusserung, Vergegen ständlichung, Verwirklichung. Kurz er faßt — innerhalb der Abstraktion — die Arbeit als den Selbsterzeugungsakt des Menschen, das Verhalten zu sich als fremdem Wesen und das Bethätigen seiner als eines fremden Wesens als das werdende Gattungsbewußtsein und Gattungsleben. 5 b) Bei Hegel — abgesehn oder vielmehr als Consequenz der schon ge schilderten Verkehrtheit — erscheint dieser Akt aber einmal als ein nur formeller, weil als ein abstrakter, weil das menschliche Wesen selbst nur als abstraktes Denkendes Wesen, als Selbstbewußtsein gilt; und 10 zweitens, weil die Fassung formell und abstrakt ist, darum wird die Aufhebung der Entäusserung zu einer Bestätigung der Entäusserung oder für Hegel ist jene Bewegung des Selbsterzeugens, des Selbstvergegenständ lichens als Selbstentäusserung und Selbstentfremdung die absolute und darum die lezte, sich selbst bezweckende und in sich beruhigte, bei ihrem Wesen angelangte menschliche Lebensäusserung. [Diese Be]wegung in ihrer abstrakten ||XXXl| Form als Dialektik gilt daher als das wahrhaft mensch liche Leben und weü es doch eine Abstraktion, eine Entfremdung des menschlichen Lebens ist, gilt es als göttlicher Proceß, aber als der göttliche Proceß des Menschen, — ein Proceß, den sein von ihm unterschiednes ab straktes, reines, absolutes Wesen selbst durchmacht. Drittens: Dieser Proceß muß einen Träger haben, ein Subjekt; aber das Subjekt wird erst als Resultat; dieß Resultat, das sich als absolutes Selbst bewußtsein wissende Subjekt, ist daher der Gott, absoluter Geist, die sich wissende und bethätigende Idee. Der wirkliche Mensch und die wirkliche Natur werden blos zu Prädicaten, zu Symbolen dieses verborgnen un- wirkhchen Menschen und dieser unwirklichen Natur. Subjekt und Prädicat haben daher das Verhältniß einer absoluten Verkehrung zu einander, my stisches Subjekt-Objekt oder über das Objekt übergreifende Subjektivität, das absolute Subjefa als ein Proceß, als sich entäusserndes und aus der Entäusserung in sich zurückkehrendes aber sie zugleich in sich zurück nehmendes Subjekt und das Subjekt als dieser Proceß; das reine rastlose Kreisen in sich. 15 20 25 30 Einmal. Formelle und abstrakte Fassung des Selbsterzeugungs oder 35 Selbstvergegenständlichungsaktes d[es] Menschen. Der entfremdete Gegenstand, die entfremdete Wesenswirklichkeit d[es] Menschen ist — da Hegel d[en] Menschen = Selbstbewußtsein sezt — nichts als Bewußtsein, nur der Gedanke der Entfremdung, ihr abstrakterund darum Inhaltsloser und unwirklicher Ausdruck, die Negation. Die Aufhebung der 40 Entäusserung ist daher ebenfalls nichts als eine abstrakte, inhaltslose Auf- 414 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt hebung jener Inhaltslosen Abstraktion, die Negation der Negation. Die inhaltsvolle, lebendige, sinnliche, konkrete Thätigkeit der Selbstvergegen- ständlichung wird daher zu ihrer blosen Abstraktion, der absoluten Nega- tivität, eine Abstraktion, die wieder als solche fixirt und als eine selbst- ständige Thätigkeit, als die Thätigkeit schlechthin gedacht wird. Weil diese sogenannte Negativität nichts andres ist als die abstrakte, Inhaltslose Form jenes wirklichen lebendigen Aktes, darum kann auch ihr Inhalt blos ein formeller, durch || die Abstraktion von allem Inhalt erzeugter Inhalt sein. Es sind daher die allgemeinen abstrakten jedem Inhalt angehörigen, darum auch sowohl gegen allen Inhalt gleichgültigen, als eben darum für jeden Inhalt gültigen Abstraktionsformeln, die Denkformen, die logischen Categorien, los gerissen vom wkkh'chen Geist und von der wirklichen Natur. (Wü werden den logischen Inhalt der absoluten Negativität weiter unten entwickeln.) 5 10 Das Positive, was Hegel hier vollbracht hat — in semer spekulativen Logik 11 20 25 15 — ist, daß die bestimmten Begriffe, die aUgemeinen fixen Denkformen in ihrer Selbstständigkeit gegen Natur und Geist ein nothwendiges Resultat der allgemeinen Entfremdung des menschlichen Wesens, also auch des mensch lichen Denkens sind und daß Hegel sie daher als Momente des Abstraktions prozesses dargestellt und zusammengefaßt hat. Ζ. B. das aufgehobne Sein ist Wesen, das aufgehobne Wesen Begriff, der aufgehobne Begrüf . .. ab solute Idee. Aber was ist nun die absolute Idee? Sie hebt sich selbst wieder auf, wenn sie nicht wieder von vorn den ganzen Abstraktionsakt durch machen und sich damit begnügen wiU eine Totaütät von Abstraktionen oder die sich erfassende Abstraktion zu sein. Aber die sich als Abstraktion er- fassende Abstraktion weiß sich als nichts; sie muß sich, die Abstraktion aufgeben und so kömmt sie bei einem Wesen an, welches grade ihr Gegen theü ist, bei der Natur. Die ganze Logik ist also der Beweis, daß das abstrakte Denken für sich nichts ist, daß die absolute Idee für sich nichts ist, daß erst die Natur etwas ist. ||XXXIl| Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche „nach ihrer Einheit mit sich betrachtet Anschauen ist", (Hegels Encyklopä- die 3tó Ausgabe, p. 222) welche „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Wiederschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen" (1. c ), diese ganze so sonderbar und barrock sich 35 gebarende Idee, welche den Hegeüanern ungeheure Kopfschmerzen ver ursacht hat ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i. e. der abstrakte Denker, die durch Erfahrung gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, sich unter mancherlei — falschen und selbst noch abstrakten Bedingungen — dazu entschüeßt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, 40 Bestimmte, an die Stelle ihres Beisichseins \ Nichts seins, ihrer Allgemeinheit und ihrer Unbestimmtheit zu setzen; die Natur, die sie nur als Abstraktion, 30 415 ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III als Gedankending, in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d. h. die Ab straktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts anders als das Abstrakte Denken, das sich auf giebt und zur Anscnauungentschließt. Dieser ganze Uebergang der Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres als der — dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher so abentheuerlich von ihm beschriebne Uebergang aus dem Abstrahiren in das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem ab strakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht nach einem Inhalt. 5 10 15 (Der sich selbstentfremdete Mensch ist auch seinem Wesen, d. h. dem natürlichen und menschlichen Wesen entfremdeter Denker. Seine Gedanken sind daher ausser der Natur und d[em] Menschen hausende fixe Geister. Hegel hat in seiner Logik alle diese fixen Geister zusammengesperrt, jeden derselben einmal als Negation, d.h. als Entäusserung des menschlichen Denkens, dann als Negation der Negation, d. h. als Aufhebung dieser Ent äusserung, als wirkliche Äusserung des menschlichen Denkens gefaßt; || aber — als selbst noch in der Entfremdung befangen — ist diese Negation der Negation theils das Wiederherstellen derselben in ihrer Entfremdung, theils das Stehnbleiben bei dem lezten Akt, d[em] Sichaufsichbeziehn in der 20 Entäusserung, als dem wahren Dasein dieser fixen Geister, {(d. h. — Hegel sezt den in sich kreisenden Akt der Abstraktion an die Stelle jener fixen Abstraktionen; damit hat er einmal das Verdienst die Geburtsstätte aller dieser — ihrem ursprüngüchen Datum nach einzelnen Philosophen zugehö rigen ungehörigen Begriffe nachgewiesen, sie zusammengefaßt und statt 25 einer bestimmten Abstraktion die in ihrem ganzen Umkreis erschöpfte Abstraktion als Gegenstand der Kritik geschaffen zu haben) (warum Hegel das Denken vom Subjekt trennt, werden wir später sehn; es ist aber jezt schon klar, daß, wenn der Mensch nicht ist, auch seine Wesensäusserung nicht menschlich sein kann, also auch das Denken nicht als Wesensäusserung 30 des Menschen als eines menschlichen und natürlichen, mit Augen, Ohren etc in der Gesellschaft und Welt und Natur lebenden Subjekts gefaßt werden konnte)}, theils insofern diese Abstraktion sich selbst erfaßt und über sich selbst eine unendüche Langweile empfindet, erscheint bei Hegel das Auf geben des abstrakten nur im Denken sich bewegenden Denkens, das ohn' Aug' ohn' Zahn ohn' Ohr, ohn' alles ist, als Entschliessung die Natur als Wesen anzuerkennen und sich auf die Anschauung zu verlegen.) | 35 |XXXIIl| Aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung v[om] Menschen fixirt, ist für d[en] Menschen nichts. Daß der abstrakte Denker, der sich zum Anschauen entschlossen hat, sie abstrakt 40 anschaut versteht sich von selbst. Wie die Natur von dem Denker, in seiner 416 Ergänzungen zu Heft II. Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt 5 ihm selbst verborgnen und räthselhaften Gestalt, als absolute Idee, als Gedankending eingeschlossen lag, so hat er in Wahrheit, indem er sie aus sich entlassen hat, nur diese abstrakte Natur—aber nun mit der Bedeutung, daß sie das Anderssein des Gedankens ist, daß sie die wirkliche angeschaute, vom abstrakten Denken unterschiedne Natur ist — nur das Gedankending der Natur aus sich entlassen. Oder, um eine menschliche Sprache zu reden, bei seiner Naturanschauung erfährt der abstrakte Denker, daß die Wesen, welche er in der göttlichen Dialektik als reine Producte der in sich selbst webenden und nirgends in die Wirklichkeit hinausschauenden Arbeit des 10 Denkens aus dem Nichts, aus der puren Abstraktion zu schaffen meinte, nichts andres sind, als Abstraktionen von Naturbestimmungen. Die ganze Natur wiederholt ihm also nur in einer sinnlichen, äusserlichen Form die logischen Abstraktionen. Er analysirt sie in diesen Abstraktionen wieder. Seine Naturanschauung ist also nur der Bestätigungsakt seiner Abstraktion 15 von der Naturanschauung, der von ihm mit Bewußtsein wiederholte Zeu gungsgang seiner Abstraktion. So ist ζ. B. die Zeit = Negativität, die sich auf sich bezieht: (p. 238 1. c.) Dem aufgehobnen Werden als Dasein — entspricht in natürlicher Form — die aufgehobne Bewegung als Materie. Das Licht ist — die natürliche Form — d[er] Reflexion in sich. Der Körper als Mond und 20 Comet — ist die natürliche Form des — Gegensatzes, der nach der Logik einerseits das auf sich selbst ruhende Positive, andrerseits das auf sich selbst ruhende Negative ist. Die Erde ist die natürliche Form des logischen Grundes, als negative Einheit des Gegensatzes etc. | I Die Natur als Natur, d. h. insofern sie sich sinnlich noch unterscheidet 25 von jenem geheimen, in ihr verborgnen Sinn, die Natur getrennt, unter schieden von diesen Abstraktionen ist Nichts, ein sich als Nichts bewäh rendes Nichts, ist Sinnlos oder hat nur den Sinn einer Aüsserlichkeit, die aufgehoben werden muß. 30 „In dem endlich-teleologischen Standpunkt findet sich die richtige Vor- aussetzung, daß die Natur den absoluten Zweck nicht in ihr selbst enthält." p. 225. Ihr Zweck ist die Bestätigung der Abstraktion. „Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äusserlich ist, so ist die Natur nicht äusserlich nur relativ gegen diese Idee, sondern die Aüsserlichkeit macht die Bestim- 35 mung aus, in welcher sie als Natur ist." p. 227. Die Aüsserlichkeit ist hier nicht als die sich äussernde und dem Licht, d[em] sinnlichen Menschen erschloßne Sinnlichkeit zu verstehn. Die Aüs serlichkeit ist hier im Sinne der Entäusserung, eines Fehlers, eines Ge brechens, daß nicht sein soll, zu nehmen. Denn das Wahre ist immer noch die Idee. Die Natur ist nur die Form ihres Andersseins. Und da das abstrakte Denken das Wesen ist, so ist das, was ihm äusserlich ist, seinem Wesennach 40 417 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III ein nur Aüsserliches. Der abstrakte Denker erkennt zugleich an, daß die Sinnlichkeit das Wesen der Natur ist, die Aüsserlichkeit im Gegensatz zu dem in sich webenden Denken. Aber zugleich spricht er diesen Gegensatz so aus, daß diese Aüsserlichkeit der Natur ihr Gegensatz zum Denken ihr Mangel, daß sie, insofern sie sich von der Abstraktion unterscheidet, ein mangelhaftes Wesen ist. ||XXXIV| Ein nicht nur für mich, in meinen Augen mangelhaftes, ein an sich selbst mangelhaftes Wesen, hat etwas ausser sich, was ihm mangelt. D. h. sein Wesen ist ein andres als es selbst. Die Natur muß sich daher selbst aufheben für den abstrakten Denker, weil sie schon von ihm als ein der Potenz nach aufgehobnes Wesen gesezt ist. „Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit und damit deren absolutes Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff'ist. Diese Identität ist absolute Negativität, weil in der Natur der Begriff seine voll- kommene äusserliche Objektivität hat, diese seine Entäusserung aber auf gehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit nur als Zurückkommen aus der Natur." p. 392. „Das Offenbaren, welches als die abstrakte Idee unmittelbarer Uebergang, Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbstständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Er schaffen derselben als seines Seins, in welchem er die Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit sich gibt." „Das Absolute ist der Geist; diß ist die höchste Definition des Absoluten." / 5 10 15 20 25 [Privateigentum und Bedürfnisse] | x r v| 7) Wir haben gesehn, welche Bedeutung unter der Voraussetzung des Socialismus die Reichheit der menschlichen Bedürfnisse, und daher sowohl eine neue Weise der Production, als auch ein neuer Gegenstand der Pro duction hat. Neue Bethätigung der menschlichen Wesenskraft und neue Bereicherung des menschlichen Wesens. Innerhalb des Privateigenthums die umgekehrte Bedeutung. Jeder Mensch spekulirt darauf, dem andern ein neues Bedürfniß zu schaffen, um ihn zu einem neuen Opfer zu zwingen, um ihn in eine neue Abhängigkeit zu versetzen und ihn zu einer neuen Weise des Genusses und damit des ökonomischen Ruins zu verleiten. Jeder sucht 35 eine fremde Wesenskraft über d[en] andern zu schaffen, um darin die Befriedigung seines eigenen eigennützigen Bedürfnisses zu finden. Mit der 30 418 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse Masse der Gegenstände wächst daher das Reich der fremden Wesen, denen der Mensch unterjocht ist und jedes neue Product ist eine neue Potenz des wechselseitigen Betrugs und der wechselseitigen Ausplünderung. Der Mensch wird um so ärmer als Mensch, er bedarf um so mehr des Geldes, 5 um sich des feindlichen Wesens zu bemächtigen und die Macht seines Geldes fällt grade im umgekehrten Verhältniß als die Masse der Production, d. h. seine Bedürftigkeit wächst, wie die Macht des Geldes zunimmt. — Das Bedürfniß des Geldes ist daher das wahre, von der Nationalökonomie pro ducirte Bedürfniß und das einzige Bedürfniß, das sie producirt. — Die 10 Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reducirt, so reducirt es sieh in seiner eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maaßlosigkeit und Un- mässigkeit wird sein wahres Maaß. — 15 Subjektiv selbst erscheint dieß so, theils daß die Ausdehnung der Producte und der Bedürfnisse zum erfinderischen und stets calcuärenden Sklaven unmenschlicher, raffinirter, unnatürlicher und eingebildeter Gelüste wird — das Privateigenthum weiß das rohe Bedürfniß nicht zum menschlichen Bedürfniß zu machen; sein Idealismus ist die Einbildung, die Willkühr, die Laune und ein Eunuche schmeichelt nicht niederträchtiger seinem Despoten 20 und sucht durch keine infameren Mittel seine abgestumpfte Genußfähigkeit zu irritiren, um sich selbst eine Gunst zu erschleichen, || wie der Industrie- eunuche, der Producent, um sich Silberpfennige zu erschleichen, aus der Tasche des christlich geliebten Nachbarn die Goldvögel herauszulocken — (jedes Product ist ein Köder, womit man das Wesen des andern, sein Geld, 25 an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfniß ist eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird — all gemeine Ausbeutung des gemeinschaftlichen menschlichen Wesens, wie jede Unvollkommenheit d[em] Menschen ein Band mit dem Himmel ist, eine Seite, wo sein Herz dem Priester zugänglich; jede Noth ist eine Gelegenheit, 30 um unter dem liebenswürdigsten Schein zum Nachbarn zu treten und ihm zu sagen: Lieber Freund, ich gebe dir, was dir nöthig ist, aber du kennst d[ie] conditio sine qua non; du weißt, mit welcher Tinte du dich mir zu ver schreiben hast; ich prelle dich, indem ich dir einen Genuß verschaffe) — sich seinen verworfensten Einfällen fügt, den Kuppler zwischen ihm und seinem 35 Bedürfniß spielt, krankhafte Gelüste in ihm erregt, jede Schwachheit ihm ablauert, um dann das Handgeld für diesen Liebesdienst zu verlangen. — Theüs zeigt sich diese Entfremdung, indem die Raffinüung der Bedürf nisse und ihrer Mittel auf der einen Seite, die viehische Verwildrung, vollständige rohe abstrakte Einfachheit des Bedürfnisses auf der andern 40 Seite producüt; oder vielmehr nur sich selbst in semer gegentheüigen Be deutung wieder gebiert. Selbst das Bedürfniß der freien Luft hört für den 419 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 10 5 Arbeiter auf, ein Bedürfniß zu sein, der Mensch kehrt in die Höhlenwohnung zurück, die aber nun von dem mephytischen Pesthauch der Civilisation verpestet ist und die er nur mehr prekär, als eine fremde Macht, die sich ihm täglich entziehn, aus der er täglich, wenn er ||XV| nicht zahlt, herausgeworfen werden kann, bewohnt. Dieß Todtenhaus muß er bezahlen. Die Licht- wohnung, welche Prometheus bei Aeschylus als eines der grossen Ge schenke, wodurch er d[en] Wilden zum Menschen gemacht, bezeichnet, hört auf, für d[en] Arbeiter zu sein. Licht, Luft, etc. die einfachste thierische Reinlichkeit hört auf, ein Bedürfniß für d[en] Menschen zu sein. Der Schmutz, diese Versumpfung, Verfaulung des Menschen, der Gossenablauf (dieß ist wörtlich zu verstehn) der Civilisation wird ihm ein Lebenselement. Die völlige unnatürliche Verwahrlosung, die verfaulte Natur wird zu seinem Lebenselement. Keiner seiner Sinne existirt mehr, nicht nur nicht in seiner menschlichen Weise, sondern in einer unmenschlichen, darum selbst nicht einmal thierischen Weise. Die rohsten Weisen (Instrumente) der menschli- chen Arbeit kehren wieder, wie die Tretmühle d[es] römischen Sklaven zur Productionsweise, Daseinsweise vieler englischer Arbeiter geworden ist. Nicht nur daß der Mensch keine menschlichen Bedürfnisse hat, selbst die thierischen Bedürfnisse hören auf. Der Mander kennt nur mehr das Be dürfniß des Essens und zwar nur mehr des Cartoffelessens und zwar nur der Lumperkartoffel, der schlechtesten Art von Kartoffel. Aber England und Frankreich haben schon in jeder Industriestadt ein kleines Irland. Der Wilde, das Thier hat doch das Bedürfniß der Jagd, der Bewegung etc., der Ge selligkeit. Die Vereinfachung der Maschine, der Arbeit wird dazu benuzt, um den erst werdenden Menschen, den ganz unausgebildeten Menschen — 25 das Kind— zum Arbeiter zu machen, wie der Arbeiter ein verwahrlostes Kind geworden ist. Die Maschine bequemt sich der Schwäche d[es] Menschen, um den schwachen Menschen zur Maschine zu machen. 20 15 Wie die Vermehrung der Bedürfnisse und ihrer Mittel die Bedürfnißlosig- keit und die Mittellosigkeit erzeugt, beweist der Nationalökonom (und der 30 Capitalist, überhaupt reden wir immer von den empirischen Geschäftleuten, wenn wir uns an die Nationalökonomen—ihr wissenschaftliches Geständniß und Dasein — adressiren) 1) indem er das Bedürfniß des Arbeiters auf den nothwendigsten und jämmerlichsten Unterhalt des physischen Lebens und seine Thätigkeit auf die abstrakteste mechanische Bewegung reducirt, also, 35 sagt er: Der Mensch hat kein andres Bedürfniß weder der Thätigkeit, noch des Genusses; denn auch dieß Leben erklärt er [als] menschliches Leben und Dasein; indem || 2) er das möglichst dürftige Leben (Existenz) als Maaßstab und zwar als allgemeinen Maaßstab ausrechnet: allgemein, wen für die Masse der Menschen geltend; er macht den Arbeiter zu einem unsinnlichen 40 und bedürfnißlosen Wesen, wie er seine Thätigkeit zu einer reinen Ab- 420 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse 5 15 10 straktion von aller Thätigkeit macht; jeder Luxus des Arbeiters erscheint ihm daher als verwerflich und alles, was über das allerabstrakteste Bedürfniß hinausgeht — sei es als passiver Genuß oder Thätigkeitsäusserung—erscheint ihm als Luxus. Die Nationalökonomie, diese Wissenschaft des Reichthums ist daher zugleich die Wissenschaft des Entsagens, des Darbens, der Er sparung und sie kömmt wirklich dazu dem Menschen, sogar das Bedürfniß einer reinen Luft oder der physischen Bewegung zu ersparen. Diese Wis senschaft der wunderbaren Industrie ist zugleich die Wissenschaft der Ascese und ihr wahres Ideal ist der ascetische aber wuchernde Geizhals und der ascetische aber producirende Sklave. Ihr moralisches Ideal ist der Ar- beiter, der in die Sparkasse einen Theil seines salaires bringt und sie hat für // diesen ihren Lieblingseinfall sogar eme knechtische Kunst vorgefun den. Man hat das sentimental aufs Theater gebracht. // Sie ist daher — trotz ihres weltlichen und wollüstigen Aussehns — eme wüküch moralische Wis- senschaft, die aüermoraüschste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die Entsagung des Lebens, aller menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehr- satz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Bau, zum Wütshaus gehst, denkst, liebst, theoretisüst, singst, mahlst, fechtest etc um so [mehr] sparst du, um so grösser wüd dein Schatz, den weder Motten, noch Raub fressen, dem Capital. Je weniger du bist, je weniger du dem Leben äusserst, um so mehr hast du, um so grösser ist dein entäussertes Leben, um so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. AUes ||XVl| was dü der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersezt er dü in Geld und Reichthum. Und aUes das, was du nicht kannst, das kann 25 dein Geld: es kann essen, trinken, auf den Bau, ins Theater gehn, es weiß sich die Kunst, die Gelehrsamkeit, die historischen Seltenheiten, die poli tische Macht, es kann reisen, es kann dir das aUes aneignen; es kann das aUes kaufen; es ist das wahre Vermögen. Aber es, was aU dieß ist, es mag nichts als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn aUes andre ist ja sein Knecht 30 und wenn ich den Herrn habe, habe ich den Knecht und brauche ich semen Knecht nicht. Aüe Leidenschaften und aUe Thätigkeit muß also untergehn in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur so viel haben, daß er leben wül, und darf nur leben wollen, um zu haben. 20 35 Allerdmgs erhebt sich nun auf Nationalökonomischem Boden eine Con- traverse. Die eine Seite (Lauderdale, Malthus etc) empfiehlt den Luxus und verwünscht die Sparsamkeit; die andre (Say, Ricardo etc) empfiehlt die Sparsamkeit und verwünscht den Luxus. Aber jene gesteht, daß sie den Luxus wül, um die Arbeit, d. h. die absolute Sparsamkeit zu producüen; die andre Seite gesteht, daß sie die Sparsamkeit empfiehlt um den Reichthum, 40 d. h. den Luxus zu producüen. Die erstere Seite hat die romantische Ein- büdung, die Habsucht dürfe nicht aUein die Consumtion d[es] Reichen 421 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III bestimmen, und sie widerspricht ihren eignen Gesetzen, wenn sie die Ver schwendung unmittelbar für ein Mittel der Bereicherung ausgjebt und von der andern Seite wird ihr daher sehr ernstlich und umständlich bewiesen, daß ich durch die Verschwendung meine Habe verringere und nicht vermehre; die andre Seite begeht die Heuchelei nicht zu gestehn, daß grade die Laune und der Einfall die Production bestimmt; sie vergißt die „verfeinerten Bedürfnisse", sie vergißt, daß ohne Consumtion nicht producirt würde; sie vergißt daß die Production durch die Concurrenz nur allseitiger, luxuriöser werden muß; sie vergißt, daß der Gebrauch ihr den Werth der Sache be stimmt und daß die Mode den Gebrauch bestimmt, sie wünscht nur „Nütz- 10 liches" producirt zu sehn, aber sie vergißt, daß die Production von zu viel Nützlichem zu viel unnütze Population producirt. Beide Seiten vergessen, daß Verschwendung und Ersparung, || Luxus und Entblösung, Reichthum und Armuth = sind. 5 Und nicht nur deine unmittelbaren Sinne, wie Essen etc mußt du absparen, auch Theilnahme mit allgemeinen Interessen, Mitleiden, Vertrauen etc das alles mußt du dir ersparen, wenn du ökonomisch sein willst, wenn du nicht an Illusionen zu Grunde gehn willst. 15 Du mußt alles, was dein ist, feil, d. h. nützlich machen. Wenn ich den Nationalökonomen frage: Gehorche ich den ökonomischen Gesetzen, wenn 20 ich aus der Preißgebung, Feilbietung meines Körpers an fremde Wollust Geld ziehe, (die Fabrikarbeiter in Frankreich nennen die Prostitution ihrer Frauen und Töchter die xte Arbeitsstunde, was wörtlich wahr ist) oder handle ich nicht nationalökonomisch, wenn ich meinen Freund an die Marokkaner ver kaufe (und der unmittelbare Menschenverkauf als Handel der Conscribirten 25 etc findet in allen Culturländern statt) so antwortet mir der Nationalökonom: meinen Gesetzen handelst du nicht zuwider; aber sieh' dich um, was Base Moral und Base Religion sagt; meine nationalökonomische Moral und Re ligion hat nichts gegen dich einzuwenden, aber—Aber wem soll ich nun mehr glauben, der Nationalökonomie oder der Moral? — Die Moral der National- 30 Ökonomie ist der Erwerb, die Arbeit und die Sparsamkeit, die Nüchternheit — aber die Nationalökonomie verspricht mir meine Bedürfnisse zu befrie digen. — Die Nationalökonomie der Moral ist der Reichthum an gutem Gewissen, an Tugend etc, aber wie kann ich tugendhaft sein, wenn ich nicht bin, wie ein gutes Gewissen haben, wenn ich nichts weiß? — Es ist dieß im 35 Wesen der Entfremdung gegründet, daß jede Sphäre einen andern und entgegengesezten Maaßstab an mich legt, ein[en] andern die Moral, einen andern d[ie] Nationalökonomie,] weil jede eine bestimmte Entfremdung d[es] Menschen ist und jede [JXVIIJ einen besondern Kreis der Entfremdeten Wesensthätigkeit fixirt; jede sich entfremdet zu der andern Entfremdung 40 verhält.... So wirft Herr Michel Chevalier dem Ricardo vor, daß er von der 422 Ergänzungen zu Heft II. Privateigentum und Bedürfnisse 5 Moral abstrahirt. Aber Ricardo läßt die Nationalökonomie ihre eigne Sprache sprechen. Wenn diese nicht moralisch spricht, so ist es nicht die Schuld von Ricardo. M. Ch. abstrahirt von der Nationalökonomie, so weit er moralisirt, aber er abstrahirt nothwendig und wirklich von der Moral, so weit er Na- tionalökonomie treibt. Die Beziehung d[es] Nationalökonomen auf die Moral, wenn sie anders nicht willkührlich, zufällig und daher unbegründet und unwissenschaftüch ist, wenn sie nicht zum Schein vorgemacht, sondern als wesentlich gemeint wüd, kann doch nur die Beziehung der Na tionalökonomischen Gesetze auf die Moral sein; wenn diese nicht oder 10 vielmehr das Gegentheü stattfindet, was kann Ricardo dafür? Uebrigens ist auch der Gegensatz der Nationalökonomie und der Moral nur ein Schein und wie er ein Gegensatz ist, wieder kern Gegensatz. Die Nationalökonomie drückt nur in ihrer Weise die Moraüschen Gesetze aus. 15 Die Bedürf mßlosigkeit als das Princip der Nationalökonomie zeigt sich am glänzendsten in ihrer Bevölkerungstheorie. Es giebt zu viel Menschen. Sogar das Dasein d[es] Menschen ist ein purer Luxus und wenn der Arbeiter „moralisch" ist (MU1 schlägt öffentliche Belobungen für die vor, die sich enthaltsam in geschlechtlicher Beziehung zeigen und öffentlichen Tadel für die, die sich versündigen an dieser Unfruchtbarkeit der E h e . .. ist das nicht 20 Moral, Lehre von der Ascese?) wüd er sparsam sein an Zeugung. Die Pro duction d[es] Menschen erscheint als öffentüches Elend. Der Sinn, den die Production in Bezug auf d[en] Reichen hat, zeigt sich offenbart in dem Sinne, den sie für d[en] Armen hat; nach oben ist die Äusserung immer fein, versteckt, zweideutig, Schern, nach unten hin grob, 25 grad heraus, offenherzig, Wesen. Das rohe Bedürfniß des Arbeiters ist eine viel grössere Queüe des Gewinns als das feine d[es] Reichen. Die Keüer- wohnungen in London bringen ihren Vermiethern mehr ein, als die Paüäste, d. h. sie sind in Bezug auf um ein größrer Reichthum, also, um national ökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichthum. —1| Und 30 wie die Industrie auf die Verfeüierung der Bedürfnisse, ebenso sehr spekulirt sie auf ihre Rohheit, aber auf ihre künstüch hervorgebrachte Rohheit, deren wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, diese Civüisation innerhalb der rohen Barbarei des Be dürfnisses. — Die englischen Schnapsläden sind darum sinnbildliche Dar- steüungen des Privateigenthums. Ihr Luxus zeigt das wahre Verhältniß des industrieüen Luxus und Reichthums zum Menschen. Sie sind daher mit Recht auch die einzigen, wenigstens müd von der engüschen Poüzei be handelten Sonntagsvergnügungen des Volkes. / 35 423 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III [Zusätze] /XVIII / Wir haben schon gesehn wie der Nationalökonom Einheit von Arbeit und Capital auf vielfache Art sezt; 1) Das Capital ist aufgehäufte Arbeit; 2) Die Bestimmung des Capitals innerhalb der Production, theils die Re production des Capitals mit Gewinn, theils das Capital als Rohstoff (Material der Arbeit) theils als selbst arbeitendes Instrument — die Maschine ist das unmittelbar mit der Arbeit identisch gesezte Capital — ist produktive Arbeit; 3) Der Arbeiter ist ein Capital; 4) Der Arbeitslohn gehört zu den Kosten des Capitals; 5) in Bezug auf den Arbeiter ist die Arbeit die Reproduction seines Lebenskapitals ; 6) in Bezug auf den Capitalisten ein Moment der Thätigkeit 10 seines Capitals. 5 Endlich 7) unterstellt der Nationalökonom die ursprüngliche Einheit beider als die Einheit von Capitalist und Arbeiter, dieß ist der paradisische Urzustand. Wie diese beiden Momente ||XTX| als 2 Personen sich entgegen springen, ist für d[en] Nationalökfonomen] ein zufälliges und darum nur 15 äusserlich zu erklärendes Ereigniß. (Sieh Mill.) Die Nationen, welche noch von dem sinnlichen Glanz der edlen Metalle geblendet und darum noch Fetischdiener des Metallgeldes sind — sind noch nicht die vollendeten Geldnationen. Gegensatz von Frankreich und Eng land. '• 20 Wie sehr die Lösung der theoretischen Räthsel eine Aufgabe der Praxis und praktisch vermittelt ist, wie die wahre Praxis die Bedingung einer wirklichen und positiven Theorie ist, zeigt sich ζ. B. am Fetischismus. Das sinnliche Bewußtsein des Fetischdieners ist ein andres, wie das d[es] Grie chen, weil sein sinnliches Dasein noch ein andres ist. Die abstrakte Feind- 25 schaft zwischen Sinn und Geist ist nothwendig, so lang der menschliche Sinn für die Natur, der menschliche Sinn der Natur, also auch der natürliche Sinn d[es] Menschen noch nicht durch die eigne Arbeit d[es] Menschen producirt ist. Die Gleichheit ist nichts andres als das deutsche Ich = Ich, in französische, 30 d. h. politische Form übersezt. Die Gleichheit als Grund des Communismus ist seine politische Begründung und ist dasselbe, als wenn der Deutsche ihn sich dadurch begründet, daß er d[en] Menschen als allgemeines Selbst bewußtsein faßt. Es versteht sich, daß die Aufhebung der Entfremdung immer von der Form der Entfremdung aus geschieht, welche die herrschende Macht ist, in Deutschland das Selbstbewußtsein, in Frankreich die Gleich heit, weil die Politik, in England das wirkliche materielle sich nur an sich selbst messende praktische Bedürfniß. Von diesem Punkt aus ist Proudhon zu kritisiren und anzuerkennen. 35 424 Zusätze 10 Wenn wir den Communismus selbst noch — weü als Negation der Nega tion, als die Aneignung des menschüchen Wesens, die sich mit sich durch Negation d[es] Privateigenth[ums vermi]ttelt, daher noch nicht als die wahre, von sich selbst, sondern vielmehr vom Privateigenthum aus beginnende 5 Position — bezeichnen, [...] in altdeutscher Weise — nach Weise der hegel'schen Phänomenologie — so aufzu[...] als ein überwundnes Moment nun abgemacht sei und man [...] könne, und sich dabei beruhigen könne, um in seinem Bewußtsein aufge[...] des menschüchen Wesens nur durch d. wkkhche [...] Aufhebung semes Gedankens nach wie vor [...] da also mit ihm die wüküche || Entfremdung des menschüchen Lebens bleibt und eine um so grössere Entfremdung bleibt, je mehr man ein Bewußtsem über sie als eine solche hat — voübracht werden kann, so ist sie also nur durch den ins Werk gesezten Communismus zu vollbringen. Um d[en] Gedanken des Privateigenthums aufzuheben, dazu reicht der gedachte Communismus 15 voüständig aus. Um das wüküche Privateigenthum aufzuheben, dazu gehört eine wkkhche communistische Aktion. Die Geschichte wüd sie bringen und jene Bewegung, die wü in Gedanken schon als eine sich selbst aufhebende wissen, wüd in der Wüküchkeit einen sehr rauhen und weitläufigen Proceß durchmachen. Als einen wüküchen Fortschritt müssen wü es aber be- trachten, daß wü von vornherein sowohl von der Beschränktheit als dem Ziel der geschichtlichen Bewegung, und ein sie überbietendes Bewußtsem erworben haben. 20 Wenn die communistischen Handwerker sich vereinen, so gut ihnen zunächst die Lehre, Propaganda etc als Zweck. Aber zugleich eignen sie sich 25 dadurch ein neues Bedürf riß, das Bedürfniß der Gesellschaft an und was als Mittel erscheint, ist zum Zweck geworden. Diese praktische] Bewegung kann man in ihren glänzendsten Resultaten anschaun, wenn man sociali- stische französische ouvriers vereinigt sieht. Rauchen, Trinken, Essen etc sind nicht mehr da als Mittel der Verbindung und als verbindende Mittel. Die 30 GeseUschaft, der Verein, die Unterhaltung, die wieder die Gesellschaft zum Zweck hat, reicht ihnen hin, die Brüderlichkeit d[er] Menschen ist kerne Phrase, sondern Wahrheit bei ihnen und der Adel der Menschheit leuchtet un[s] aus den von der Arbeit verhärteten Gestalten entgegen. 1 35 |XX| — Wenn die Nationalökonomie behauptet, daß Nachfrage und Zufuhr sich immer decken, so vergißt sie sogleich, daß nach ihrer eignen Behauptung die Zufuhr von Menschen (Bevölkerungstheorie) immer die Nachfrage übersteigt, daß also bei dem wesentlichen Resultat der ganzen Production — der Existenz d[es] Menschen—das Mißverhältniß zwischen Nachfrage und Zufuhr semen entschiedensten Ausdruck erhält. 40 Wie sehr das Geld das als Mittel erscheint, die wahre Machtxmá der einzige Zweck ist — wie sehr überhaupt das Mittel, das mich zum Wesen macht, das 425 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III mir das fremde gegenständliche Wesen aneignet, Selbstzweck ist, . .. das kann man daraus ersehn, wie Grundeigenthum, da wo der Boden die Le bensquelle, Pferd und Schwerdt, da wo sie das wahre Lebensmittel sind — auch als die wahren poütischen Lebensmächte anerkannt sind. Im Mittelalter ist ein Stand emancipirt, sobald er das Schwerdt tragen darf. Bei noma- dischen Bevölkerungen ist das Roß das, was mich zum Freien, zum Theilnehmer am Gemeinwesen macht. 5 Wir haben oben gesagt, daß der Mensch zu der Höhlenwohnung etc aber zu ihr unter einer entfremdeten, feindseeligen Gestalt zurückkehrt. Der Wilde in seiner Höhle — diesem unbefangen sich zum Genuß und Schutz 10 darbietenden Naturelement — fühlt sich nicht fremder, oder fühlt sich viel mehr so heimisch, als der Fisch im Wasser. Aber die Kellerwohnung des Armen ist eine feindliche als „fremde Macht an sich haltende Wohnung, die sich ihm nur hingiebt, sofern er seinen Blutschweiß ihr hingiebt", die er nicht als seine Heimath, — wo er endlich sagen könnte, hier bin ich zu Hause — 15 betrachten darf, wo er sich vielmehr in dem Haus eines andern, in einem fremden Hause befindet, der täglich auf der Lauer steht und ihn hinauswirft, wenn er nicht die Miethe zahlt. Ebenso weiß er der Qualität nach seine Wohnung im Gegensatz zur jenseitigen, im Himmel des Reichthums, re- sidirenden menschlichen Wohnung. 20 Die Entfremdung erscheint sowohl darin, daß mein Lebensmittel eines andern ist, daß dieß, was mein Wunsch der unzugängliche Besitz eines andern ist, als daß jede Sache selbst ein andres als sie selbst, als daß meine Thätigkeit ein andres, als endlich, — und dieß gilt auch für den Capitalisten — daß überhaupt die unmenschliche Macht her[rscht.] | 25 I Die Bestimmung des sich nur zum Genuß preißgebenden, unthätigen und verschwendenden Reichthums — worin der Geniessende zwar einerseits sich als ein nur vergängliches, wesenlos sich austobendes Individuum bethätigt und ebenso die fremde Sklavenarbeit, den menschlichen Blutschweiß als die Beute seiner Begierde, und darum d[en] Menschen selbst, also auch sich 30 selbst als ein aufgeopfertes nichtiges Wesen weiß, wobei die Menschen verachtung als Uebermuth, als ein Wegwerfen dessen, was hundert mensch liche Leben fristen kann, theils als die infame Illusion erscheint, daß seine zügellose Verschwendung und haltlose, improduktive Consumtion die Arbeit und damit die Subsistenz des andern bedingt, der die Verwirklichung der 35 menschlichen Wesenskräfte nur als Verwirklichung seines Unwesens, seiner Laune und willkührhch bizarren Einfälle weiß, dieser Reichthum, der aber andrerseits den Reichthum als ein bloses Mittel und nur der Vernichtung werthes Ding weiß, der also zugleich sein Sklave und sein Herr, zugleich großmüthig und niederträchtig, launenhaft, dünkelhaft, eingebildet, fein, 40 gebildet, geistreich ist, — dieser Reichthum hat noch nicht den Reichthum 426 Zusätze als eine gänzlich fremde Macht über sich selbst erfahren; er sieht in ihm vielmehr nur seine eigne Macht, und [nicht] d[er] Reichthum, sondern d[er] Genuß [...]r lezter Endzweck. Dieser R[eichthum] [...]m [...] ||XXl| und der glänzenden, durch den sinnlichen Schein geblendeten Illusion, über das 5 Wesen des Reichthums, tritt der arbeitende, nüchterne, prosaische \ ökono mische —über das Wesen des Reichthums aufgeklärte Industrielle gegenüber — und wie er jener Genußsucht einen größren Umkreis verschafft, ihm schöne Schmeicheleien in seinen Productionen sagt, — seine Producte sind eben so viel niedrige Complimente an die Gelüste des Verschwenders — so 10 weiß er die jenem verschwindende Macht auf die einzig nützliche Weise sich selbst anzueignen. Wenn sonach der industrieüe Reichthum zunächst als Resultat des verschwenderischen, phantastischen Reichthums erscheint, — so verdrängt die Bewegung des erstem auch auf thätige Weise, durch ihm eigne Bewegung den leztem. Das Faüen des Geldzinses ist nämüch eine 15 nothwendige Consequenz und Resultat der industriellen Bewegung. Die Mittel des verschwenderischen Rentiers vermindern sich also tägüch, grade im umgekehrten Verhältniß zur Vermehrung der Mittel und Faüstricke des Genusses. Er muß also entweder sein Capital selbst verzehren, also zu Grunde gehn oder selbst zum industriellen Capitalisten werden. . .. And- rerseits steigt zwar die Grundrente unmittelbar beständig durch den Lauf der industrieüen Bewegung, aber — wü haben es schon gesehn — es kömmt nothwendig ein Zeitpunkt, wo das Grundeigenthum in die Categorie des mit Gewinn sich reproducüenden Capitals, wie jedes andre Eigenthum faüen muß — und zwar ist dieß das Resultat derselben industriellen Bewegung. Also 25 muß auch der verschwenderische Grundherr entweder sein Capital ver zehren, also zu Grunde gehn — oder selbst der Pächter seines eignen Grund stücks — ackerbauender Industrieller werden. 20 Die Verminderung des Geldzinses — welche Proudhon als die Aufhebung des Capitals und als Tendenz nach d[ie] Sociaüsirung des Capitals betrachtet 30 — ist daher vielmehr unmittelbar nur ein Symptom von dem voüständigen Sieg des arbeitenden Capitals über den verschwenderischen Reichthum, d. h. die Verwandlung aües Privateigenthums in industrielles Capital — der voU- ständige Sieg des Privateigenthums über aüe dem Schein nach noch menschlichen Qualitäten desselben und die vöüige Unterjochung desPrivat- 35 eigenthümers unter das Wesen des Privateigenthums, — die Arbeit. \ I AUerdings genießt auch der industrieüe Capitaüst. Er kehrt keineswegs zur unnatürüchen Einfachheit des Bedürfnisses zurück, aber sein Genuß ist nur Nebensache, Erholung, untergeordnet der Production, dabei berech neter, also selbst ökonomischer Genuß, denn er schlägt seinen Genuß zu den 40 Kosten des Capitals, und sein Genuß darf ihm daher nur so viel kosten, daß das an ihm Verschwendete durch die Reproduction des Capitals mit Gewinn 427 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III wieder ersezt wird. Der Genuß ist also unter das Capital, das geniessende Individuum unter das Capitalisirende subsumirt, während früher das Gegen theil stattfand. Die Abnehmung der Zinsen ist daher nur insofern ein Sym ptom der Aufhebung des Capitals, als sie ein Symptom seiner sich voll endeten Herrschaft, der sich vollendenden und daher ihrer Aufhebung zueilenden Entfremdung ist. Dieß ist überhaupt die einzige Weise, wie das Bestehende sein Gegentheil bestätigt. 5 Der Zank d[er] Nationalökonomen über Luxus und Ersparung ist daher nur der Zank der über das Wesen des Reichthums ins Klare gekommenen Nationalökonomie mit derjenigen, die noch mit Romantischen antiindu- 10 striellen Erinnerungen behaftet ist. Beide Theile wissen sich aber den Gegen stand des Streits nicht auf seinen einfachen Ausdruck zu bringen und werden daher nicht mit einander fertig. 1 /XXXrv/ Die Grundrente wurde ferner qua Grundrente gestürzt — indem von der neuern Nationalökonomie im Gegensatz zu dem Argument d[er] 15 Physiokraten, der Grundeigenthümer sei der einzig wahre Producent, viel mehr bewiesen wurde, daß der Grundeigenthümer als solcher vielmehr der einzige ganz impro||duküve Rentier sei. Die Agricultur sei Sache des Ca pitalisten, der seinem Capital diese Anwendung gebe, wenn er von ihr den gewöhnlichen Gewinn zu erwarten habe. Die Aufstellung d[er] Physiocraten 20 — daß das Grundeigenthum als das einzig produktive Eigenthum allein die Staatssteuern zu zahlen, also auch allein sie zu bewilligen und Theil an dem Staatswesen zu nehmen habe — verkehrt sich daher in die umgekehrte Bestimmung, daß die Steuer auf Grundrente die einzige Steuer auf ein improduktives Einkommen sei, daher die einzige Steuer, welche der natio- 25 nalen Production nicht schädlich sei. Es versteht sich, daß so gefaßt, auch das politische Vorrecht der Grundeigenthümer nicht mehr aus ihrer haupt sächlichen Besteuerung folgt. Alles was Proudhon als Bewegung der Arbeit gegen das Capital faßt, ist nur die Bewegung der Arbeit in der Bestimmung des Capitals, des indu- 30 striellen Capitals gegen das nicht als Capital, d.h. nicht industriell sich consummirende Capital. Und diese Bewegung geht ihren siegreichen Weg, d. h. den Weg des Sieges des industriellen Capitals. — Man sieht also, daß erst indem die Arbeit als Wesen des Privateigenthums gefaßt wird, auch die nationalökonomische Bewegung als solche in ihrer wirklichen Bestimmtheit durchschaut werden kann. 35 428 Fragmente. Teilung der Arbeit [Fragmente] [Teilung der Arbeit] 5 Die Gesellschaft — wie sie für den Naüonalökonomen erscheint — ist die bürgerliche Gesellschaft, worin jedes Individuum ein Ganzes von Bedürf - nissen ist und es nur ||[XXX]V| für d[en] Andern, wie der Andre nur für es da ist, insofern sie sich wechselseitig zum Mittel werden. Der National ökonom — so gut, wie die Politik in ihren Menschenrechten — reducüt aües auf d[en] Menschen, d. h. auf das Individuum, von welchem er aüe Bestimmt heit abstreüt, um es als Capitaüst oder Arbeiter zu fixüen. 10 Die Theilung der Arbeit ist der nationalökonomische Ausdruck von der Gesellschaftlichkeit der Arbeit innerhalb der Entfremdung. Oder, da die Arbeit nur ein Ausdruck der menschlichen Thätigkeit innerhalb der Ent äusserung, der Lebensäusserung als Lebensentäusserung ist, so ist auch die Theilung der Arbeit nichts andres als das entfremdete, entäusserte Setzen 15 der menschüchen Thätigkeit als einer realen Gattungsthätigkeit oder als Thätigkeit d[es] Menschen als Gattungswesen. Ueber das Wesen der Theilung der Arbeit — welche natürlich als ein Hauptmotor der Production des Reichthums gefaßt werden mußte, sobald die Arbeit als das Wesen des Privateigenthums erkannt war,—d. h. über diese entfremdete und entäusserte Gestalt der menschüchen Thätigkeit als Gat tungsthätigkeit sind die Nationalökonomen sehr unklar und sich wider sprechend. 20 30 Adam Smith: „Die Theüung der Arbeit verdankt nicht der menschlichen Weisheit ihren Ursprung. Sie ist die nothwendige, langsame und stufenweise 25 Consequenz des Hangs zum Austausch und des wechselseitigen Verscha- cherns der Producte. Dieser Hang zum Handel ist wahrscheinüch eine nothwendige Folge des Gebrauchs der Vernunft und des Wortes. Er ist aüen Menschen gemeinschaftüch, findet sich bei keinem Thier. Das Thier sobald es erwachsen ist, lebt auf seme Faust. Der Mensch hat beständig die Unter- Stützung von andern nöthig und vergebüch würde er sie blos von ihrem Wohlwollen erwarten. Es wüd viel sicherer sein, sich an ihr persönliches Interesse zu wenden und sie zu überreden, ihr eigner Vortheü erheische das zu thun, was er von ihnen wünscht. Wü adressüen uns bei andern Menschen nicht an ihre Menschheit, sondern an ihren Egoismus; wir sprechen ihnen niemals von unsern Bedürfnissen, sondern immer von üirem Vortheü.... Da wü also durch Tausch, Handel, Schacher die Mehrzahl der guten Dienste, die uns wechselseitig nöthig sind, erhalten, so ist es diese Disposition zum Schacher, welche der Theüung der Arbeit \\ ihren Ursprung gegeben hat. Z. B. 35 429 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III 5 In einem Tribus von Jägern oder Hirten macht ein Privatmann Bogen und Sehnen mit mehr Geschwindigkeit und Geschicklichkeit als ein andrer. Er vertauscht oft mit seinen Genossen diese Arten von Tagwerk gegen Vieh und Wild, er bemerkt bald, daß er lezteres durch dieses Mittel sich leichter verschaffen kann, als wenn er selbst auf die Jagd ginge. Aus interessirter Berechnung macht er also aus der Fabrikation der Bogen etc seine Haupt beschäftigung. Die Differenz der natürlichen Talente unter den Individuen ist nicht sowohl die Ursache als der Effekt der Theilung der Arbeit Ohne die Disposition d[er] Menschen zu handien und tauschen, wäre jeder ver pflichtet gewesen, sich selbst alle Notwendigkeiten und Bequemhchkeiten 10 des Lebens zu verschaffen. Jeder hätte dasselbe Tagewerk zu erfüllen gehabt und jene grosse Diïferenz der Beschäftigungen, welche allein eine grosse Differenz der Talente erzeugen kann, hätte nicht Stattgefunden Wie nun dieser Hang zum Tauschen die Verschiedenheit der Talente erzeugt unter den Menschen, so ist es auch derselbe Hang, der diese Verschiedenheit 15 nützlich macht. — Viele Thierraçen, obgleich von derselben Species, haben von der Natur unterschiedene Charaktere erhalten, die in Bezug auf ihre Anlagen Augenf älliger sind, als man bei d[en] ungebildeten Menschen be obachten könnte. Von Natur ist ein Philosoph nicht halb so verschieden von einem Sackträger an Talent und Intelligenz als ein Haushund von einem 20 Windhund, ein Windhund von einem Wachtelhund und dieser von einem Schäferhund. Dennoch sind diese verschiednen Thierraçen, obgleich von derselben species fast von gar keiner Nützlichkeit für einander. Der Hofhund kann den Vortheilen seiner Stärke ||XXXVI| nichts hinzufügen, dadurch daß er sich etwa der Leichtigkeit des Windhundes etc bediente. Die Wirkungen 25 dieser verschiednen Talente oder Stufen der Intelligenz können, aus Mangel der Fähigkeit oder des Hangs zum Handel und Austausch, nicht zusammen, in Gemeinschaft geworfen werden und können durchaus nicht zum Vortheil oder zur gemeinschaftlichen Bequemlichkeit der species beitragen— Jedes Thier muß sich selbst unterhalten und beschützen, unabhängig von den 30 andern, — es kann nicht den geringsten Nutzen von der Verschiedenheit der Talente ziehn, welche die Natur unter seinesgleichen vertheilt hat. Unter den Menschen dagegen, sind die disparatesten Talente einander nützlich, weil die verschiednen Producte jeder ihrer respektiven Industriezweige, ver mittelst dieses allgemeinen Hangs zum Handel und Austausch, sich so zu 35 sagen, in eine gemeinschaftüche Masse geworfen finden, wo jeder Mensch nach seinen Bedürfnissen kaufen gehn kann irgendeinen Theil des Products der Industrie d[er] andern. — Weü dieser Hang zum Austausch der Theilung der Arbeit ihren Ursprung giebt, so ist folglich das Wachsthum dieser Theilung immer beschränkt durch die Ausdehnung der Fähigkeit auszutau- sehen oder in andern Worten durch die Ausdehnung des Marktes. Ist der 40 430 Fragmente. Teilung der Arbelt 5 Markt sehr klein, so wird Niemand ermuthigt sein, sich gänzlich einer einzigen Beschäftigung zu ergeben, aus Mangel das Mehr des Products seiner Arbeit, welches seine eigne Consumtion übersteigt, gegen ein gleiches Mehr des Products der Arbeit eines andern, das er sich zu verschaffen wünschte, austauschen zu können . . ." Im fortgeschrittnen Zustand: ,Jeder Mensch besteht von échanges, vom Austausch und wird eine Art von Handelsmann, und die Gesellschaft selbstist eigentlich eine Handelstreibende Gesellschaft. (Sieh Destutt de Tracy : die Gesellschaft ist eine Reihe v[on] wechselseitigem Austausch, in dem Commerce liegt das ganze Wesen der Gesellschaft.)... 10 Die Accumulation der Capitaüen steigt mit der Theilung der Arbeit und wechselseitig." — So weit Adam Smith. „Wenn jede Familie die Totalität der Gegenstände ihrer Consumtion erzeugte, könnte die Gesellschaft in Gang bleiben, obgleich sich keine Art von Austausch bewerkstellig! |te — ohne fundamental zu sein, ist der Aus- tausch unentbehrlich in dem avancüten Zustand unsrer GeseUschaft — die Theüung der Arbeit ist eine geschickte Anwendung der Kräfte d[es] Men schen—sie vermehrt also die Producte der Gesellschaft, ihre Macht und ihre Genüsse, aber sie beraubt, vermindert die Fähigkeit jedes Menschen in- dividueU genommen. — Die Production kann ohne den Austausch nicht Stattfinden." - So J. B. Say. 15 20 „Die dem Menschen inhärenten Kräfte sind: seme InteUigenz und seme physische Anlage zur Arbeit; diejenigen, welche von dem GeseUschaf tüchen Zustand ihren Ursprung ableiten, bestehn: in der Fähigkeit die Arbeit zu theilen und die verschiednen Arbeiten unter die verschiednen Menschen 25 auszutheilen. ... und in dem Vermögen die wechselseitigen Dienste aus Das Motiv zutauschen und die Producte, welche diese Mittel constituüen warum ein Mensch d[em] andern seme Dienste widmet, ist der Eigennutz — der Mensch verlangt eine Recompens für die einem andern geleisteten Dienste. — Das Recht des exclusiven Privateigenthums ist unentbehrlich, 30 damit sich der Austausch unter den Menschen etabüre." „Austausch und Theüung der Arbeit bedingen sich wechselseitig." So Skarbek. Mill steUt den entwickelten Austausch, den Handel, als Folge der Theilung der Arbeit dar. „Die Thätigkeit des Menschen kann auf sehr einfache Elemente reducirt 35 werden. Er kann in Wahrheit nichts mehr thun, als Bewegung producüen; er kann die Sachen bewegen, um sie von einander zu ent||XXXVIl|fernen oder einander zu nähern; die Eigenschaften der Materie thun das Uebrige. Bei der Anwendung der Arbeit und der Maschinen findet man oft, daß die Wükungen durch eine geschickte Vertheüung vermehrt werden können, 40 durch Trennung der Operationen, die sich entgegenstehn und durch Ver einigung aUer derjenigen, welche auf ügendeine Weise sich wechselseitig 431 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III fördern können. Da im Allgemeinen die Menschen nicht viele verschiedne Operationen mit gleicher Geschwindigkeit und Geschickhchkeit exekutiren können, wie die Gewohnheit ihnen diese Fähigkeit für die Ausübung einer kleinen Zahl verschafft — so ist es immer vortheilhaft, so viel als möglich die Zahl der jedem Individuum anvertrauten Operationen zu beschränken. — Zur Theilung der Arbeit und Vertheilung der Kräfte d[er] Menschen und der Maschinen auf die vortheilhaf teste Art ist es nothwendig in einer Menge von Fällen, auf einer grossen Stufenleiter zu operiren oder in andern Worten, die Reichthümer in grossen Massen zu produciren. Dieser Vortheil ist der Entstehungsgrund der grossen Manufacturen, von denen oft eine kleine, unter günstigen Verhältnissen gegründete Anzahl, manchmal nicht nur ein einziges, sondern mehre Länder approvisionirt mit der hier verlangten Quantität von den durch sie producirten Objekten." So Mill. Die ganze moderne Nationalökonomie aber stimmt darin überein, daß Theilung der Arbeit und Reichthum der Production, Theilung der Arbeit und Accumulation des Capitals sich wechselseitig bedingen, wie daß das frei- gelaßne, sich selbst überlaßne Privateigenthum, allein die nützüchste und umfassendste Theilung der Arbeit hervorbringen kann. Adam Smiths Entwicklung läßt sich dahin resümiren: Die Theilung der Arbeit giebt der Arbeit die unendliche Productionsf ähigkeit. Sie ist begründet in dem Hang zum Austausch und Schacher, einem spezifisch menschlichen Hang, der wahrscheinüch nicht zufällig, sondern durch den Gebrauch der Vernunft und der Sprache bedingt ist. Das Motiv des Austauschenden ist nicht die Menschheit, sondern der Egoismus. Die Verschiedenartigkeit der menschlichen Talente ist mehr die Wirkung, als die Ursache der Theilung der Arbeit, i. e. des Austausche. Auch macht lezterer erst diese Verschie denheit nützlich. Die besondren Eigenschaften der verschiednen Raçen einer Thierart sind von Natur schärfer als die Verschiedenheit menschlicher Anlage und Thätigkeit. Weil die Thiere aber nicht auszutauschen vermögen, nüzt keinem Thierindividuum die unterschiedne Eigenschaft eines Thieres von der selben Art, aber von verschiedner Race. Die Thiere vermögen nicht die unterschiednen Eigenschaften ihrer || species zusammenzulegen; sie vermögen nichts zum gemeinschaftlichen Vortheil und Bequemlichkeit ihrer species beizutragen. Anders der Mensch, wo die disparatesten Talente und Thätigkeitsweisen sich wechselseitig nützen, weil sie ihre verschiednen Producte zusammenwerfen können in eine gemeinschaftliche Masse, wovon jeder kaufen kann. Wie die Theilung der Arbeit aus dem Hang des Aus- tauschs entspringt, so wächst sie und ist begrenzt durch die Ausdehnung des jeder Mensch Im fortgeschrittenen Zustand Austausches, des Marktes. Handelsmann, die Gesellschaft eine Handelsgesellschaft. Say betrachtet den Austausch als zufällig und nicht fundamental. Die 432 Fragmente. Teilung der Arbelt Gesellschaft könnte ohne ihn bestehn. Er wird unentbehrlich im avancirten Zustand der Gesellschaft. Dennoch kann die Production ohne ihn nicht Stattfinden. Die Theilung der Arbeit ist ein bequemes, nützüches Mittel, eine geschickte Anwendung der menschlichen Kräfte für den gesellschaftlichen 5 Reichthum, aber sie vermindert die Fähigkeit jedes Menschen individuell genommen. Die lezte Bemerkung ist ein Fortschritt von Say. 10 Skarbek unterscheidet die individuellen, d[em] Menschen inhärenten Kräfte, Intelligenz und physische Disposition zur Arbeit, von den von der Gesellschaft hergeleiteten Kräften, Austausch und Theilung der Arbeit, die sich wechselseitig bedingen. Aber die nothwendige Voraussetzung des Austausches ist das Privateigenthum. Skarbek drückt hier unter objektiver Form aus, was Smith, Say, Ricardo etc sagen, wenn sie den Egoismus, das Privatinteresse als Grund des Austausches oder den Schacher als die we sentliche und adacquate Form des Austausches bezeichnen. 15 Mill stellt den Handel als Folge der Theilung der Arbeit dar. Die mensch liche Thätigkeit reducirt sich ihm auf eine mechanische Bewegung, Theilung der Arbeit und Anwendung von Maschinen befördern den Reichthum der Production. Man muß jedem Menschen einen möglichst kleinen Kreis von Operationen anvertrauen. Ihrer Seits bedingen Theilung der Arbeit und 20 Anwendung von Maschinen die Production des Reichthums in Masse, also d[es] Products. Dieß der Grund der grossen Manufacturen. 1 |XXXVIIl| Die Betrachtung der Theilung der Arbeit und des Austausches ist vom höchsten Interesse, weil sie die sinnfällig entäusserten Ausdrücke der menschlichen Thätigkeit und Wesenskraft, als einer Gattungsmässigen 25 Thätigkeit und Wesenskraft sind. Daß die Theilung der Arbeit und der Austausch auf dem Privateigenthum beruhen ist nichts anders als die Behauptung daß die Arbeit das Wesen des Privateigenthums ist, eine Behauptung, die der Nationalökonom nicht be weisen kann, und die wir für ihn beweisen wollen. Eben darin, daß Theilung der Arbeit und Austausch Gestaltungen des Privateigenthums sind, eben darin liegt der doppelte Beweis, sowohl daß das menschliche Leben zu seiner Verwirklichung des Privateigenthums bedurfte, wie andrerseits, daß es jezt der Aufhebung des Privateigenthums bedarf. 30 Theilung der Arbeit und Austausch sind die beiden Erscheinungen, bei 35 denen der Nationalökonom auf die Gesellschaftlichkeit seiner Wissenschaft pocht und den Widerspruch seiner Wissenschaft, die Begründung der Ge seUschaft durch das ungeseUschaftüche Sonderinteresse in einem Athemzug bewußtlos ausspricht. Die Momente die wü zu betrachten haben, sind: Einmal wüd der Hang 40 des Austauschs — dessen Grund im Egoismus gefunden wüd — als Grund oder Wechselwükung der Theüung der Arbeit betrachtet. Say betrachtet den 433 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Austausch als nicht fundamental für das Wesen der Gesellschaft. Der Reichthum, die Production wird durch die Theilung der Arbeit und den Austausch erklärt. Die Verarmung und Entwesung der individuellen Thätig keit durch die Theilung der Arbeit wird zugestanden. Austausch und Thei lung der Arbeit werden als Producenten der grossen Verschiedenheit der menschlichen Talente anerkannt, eine Verschiedenheit, welche durch er- steren auch wieder nützlich wird. Skarbek theilt die Productions oder pro duktiven Wesenskräfte des Menschen in 2 Theile, 1) die individuellen und ihm inhärenten, seine Intelligenz und specielle Arbeitsdisposition oder Fähigkeit, 2) die von der Gesellschaft — nicht vom wirklichen Individuum — abgeleiteten, die Theilung der Arbeit und den Austausch. — Ferner: Die Theilung der Arbeit ist durch den Markt beschränkt. — Die menschliche Arbeit ist einfache mechanische Bewegung; die Hauptsache thun die ma teriellen Eigenschaften der Gegenstände. — Einem Individuum müssen wenigst mögliche Operationen zugetheilt werden — Spaltung der Arbeit und Concentrirung des Capitals, die Nichtigkeit der individuellen Production und d[ie] Production des Reichthums in Masse — Verstand des freien Privat eigenthums in der Theilung der Arbeit. | [Geld] |XL[I]| Wenn die Empfindungen, Leidenschaften etc d[es] Menschen nicht nur anthropologische Bestimmungen im [eigne]n Sinn, sondern wahrhaft ontologische Wesens(Natur)bejahungen sind — und wenn sie nur dadurch wirklich sich bejahen, daß ihr Gegenstand sinnlich für sie ist, so versteht sich 1) daß die Weise ihrer Bejahung durchaus nichteine und dieselbe ist, sondern vielmehr die unterschiedne Weise der Bejahung die Eigenthümüchkeit ihres Daseins, ihres Lebens bildet; die Weise, wie der Gegenstand für sie, ist die eigenthümliche Weise ihres Genusses; 2) da, wo die sinnliche Bejahung unmittelbares Aufheben des Gegenstandes in seiner selbstständigen Form ist (Essen, Trinken, Bearbeiten des Gegenstandes etc) ist dieß die Bejahung des Gegenstandes; 3) insofern der Mensch menschlich, also auch seine Empfindung etc menschUch ist, ist die Bejahung des Gegenstandes durch einen andern, ebenfalls sein eigner Genuß; 4) erst durch die entwickelte Industrie, i. e. durch die Vermittlung des Privateigenthums wird das ontolo gische Wesen der menschlichen Leidenschaft sowohl in seiner Totalität, als in seiner Menschlichkeit; die Wissenschaft vom Menschen ist also selbst ein Product der praktischen Selbstbetätigung d[es] Menschen; 5) der Sinn des Privateigenthums — losgelöst von seiner Entfremdung — ist das Dasein der 434 Fragmente. Geld 5 wesentlichen Gegenstände für d[en] Menschen, sowohl als Gegenstand des Genusses, wie der Thätigkeit. Das Geld, indem es die Eigenschaft besizt, alles zu kaufen, indem es die Eigenschaft besizt, alle Gegenstände sich anzueignen, ist also der Gegen- stand im eminenten Besitz. Die Universalität seiner Eigenschaft ist die Allmacht seines Wesens; es gilt daher als allmächtiges W e s e n . . .. Das Geld ist der Kuppler zwischen dem Bedürfniß und dem Gegenstand, zwischen dem Leben und dem Lebensmittel d[es] Menschen. Was mü aber mein Leben vermittelt, das vermittelt mir auch das Dasein d[es] andern Menschen für 10 mich. Das ist für mich der andre Mensch. — 15 20 25 30 35 „Was Henker? freüich Hand und Füsse Und Kopf und Hintre, die sind dein! Doch alles was ich frisch gemesse, Ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, Sind ihre Kräfte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als hätt' ich vierundzwanzig Beine." Göthe. Faust. (Mephisto) | I Shakespeare im Timon von Athen: „Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? Nein, Götter! Nicht eitel fleht' ich. So viel hie von macht schwarz weiß, häßlich schön; Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. Dieß l o c k t . .. den Priester vom Altar; Reißt Halbgenesnen weg das Schlummerkissen: Ja dieser rothe Sklave löst und bindet Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; Er macht den Aussatz lieblich, ehrt den Dieb, Und giebt ihm Rang, gebeugtes Knie und Einfluß, Im Rath der Senatoren: dieser führt Der über jähr'gen Wittwe Freier zu; Sie von Spital und Wunden gütig eiternd Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch Zu Maienjugend dieß. Verdammt Metall, Gemeine Hure du der Menschen, die Die Völker thört." 435 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III Und weiter unten: „Du süsser Königsmörder, edle Scheidung Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! Du ewig blüh'nder zartgeliebter Freier, Deß rother Schein den heil'gen Schnee zerschmelzt Auf Dianas reinem Schoos! sichtbare Gottheit, Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache, | |XLIl| Zu jedem Zweck! o du der Herzen Prüfstein! Denk, es empört dein Sklave sich, der Mensch! Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt!" 5 10 Shakespeare schildert das Wesen des Geldes trefflich. Um ihn zu verstehn, beginnen wir zunächst mit der Auslegung der göthischen Stelle. 15 20 Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine — seines Besitzers — Eigenschaften und Wesenskräfte. Das was ich bin und vermag ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht häßlich, denn die Wirkung der Häßlichkeit, ihre abschreckende Kraft ist durch das Geld vernichtet. Ich — meiner Individuaütät nach — bin lahm, aber das Geld verschafft mir 24 Füsse; ich bin also nicht lahm; ich bin ein schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist 25 geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe unehrlich zu sein, ich werde also als ehrlich präsumirt; ich bin geistlos, aber das Geld ist der wtkliche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem kann er sich die Geistreichen Leute kaufen und wer die Macht über d[en] Geistreichen hat, ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze ich nicht alle menschlichen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht alle meine Unvermögen in ihr Gegentheil? 30 Wenn das Geld das Band ist, das mich an das menschliche Leben, das mir die Gesellschaft, das mich mit der Natur und d[em] Menschen verbindet, ist das Geld nicht das Band aller Bande! Kann es nicht alle Bande lösen und binden? Ist es darum nicht auch das allgemeine Scheidungsmitten Es ist die wahre || Scheidemünze, wie das wahre Bindungsmittel, die g[alvan]oche- mische Kraft der Gesellschaft. 35 40 436 Fragmente. Geld Shakespeare hebt an dem Geld besonders 2 Eigenschaften heraus. 1) Es ist die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aller menschlichen und natürlichen Eigenschaften in ihr Gegentheü, die aügemeine Verwechslung und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten; 5 2) Es ist die aügemeine Hure, der aügemeine Kuppler der Menschen und Völker. Die Verkehrung und Verwechslung aller menschlichen und natürlichen Quaütäten, die Verbrüderung der Unmögüchkeiten — die göttliche Kraft — des Geldes liegt in seinem Wesen als dem entfremdeten, entäussernden und sich veräussernden Gattungswesen der Menschen. Es ist das entäusserte Vermögen der Menschheit. Was ich qua Mensch nicht vermag, was also alle meine individueUen Wesenskräfte nicht vermögen, das vermag ich durch das Geld. Das Geld macht also jede dieser Wesenskräfte zu etwas, was sie an sich nicht ist, d. h. zu ihrem Gegentheü. Wenn ich mich nach einer Speise sehne oder den Postwagen brauchen wül, weil ich nicht stark genug bin, den Weg zu Fuß zu machen, so verschafft mü das Geld die Speise und den Postwagen, d.h. es verwandelt meine Wünsche aus Wesen der VorsteUung, es übersezt sie aus ihrem gedachten, vorgestellten, gewollten Dasein in ihr sümliches, wtkliches Dasein, aus der Vorstellung in das Leben, aus dem vorgestellten Sein in das wüküche Sem. Als diese Vermittlung ist es die wahrhaft schöpferische Kraft. 10 15 20 Die demande existirt wohl auch für den, der kern Geld hat, aber seine demande ist ein blosses Wesen der VorsteUung, das auf mich, auf d[en] 3t e n, 25 auf die [andern] |¡XLIIl| kerne Wükung, kerne Existenz hat, also für mich selbst unwirküch, gegenstandlos bleibt. Der Unterschied der effectiven, auf das Geld basüten und d[er] Effektlosen, auf mein Bedürfniß, meine Lei denschaft, meinen Wunsch etc basüten demande ist der Unterschied zwi schen Sem und Denken, zwischen der blosen i n mü existirenden Vorstellung und der Vorstellung, wie sie als wtkücher Gegenstand ausser mü für mich 30 ist. Ich, wenn ich kern Geld zum Reisen habe, habe kein Bedürfniß, d. h. kern wüküches und sich verwüküchendes Bedürfniß zum Reisen. Ich, wenn ich Beruf zum Studüen, aber kern Geld dazu habe, habe keinen Beruf zum Studüen, d. h. keinen wtksamen, keinen wahren Beruf. Dagegen ich, wenn ich wüküch kernen Beruf zum Studüen habe, aber den Wülen und das Geld, habe einen wtksamen Beruf dazu. Das Geld — als das äussere, nicht aus d[em] Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen GeseUschaft als GeseUschaft herkommende aUgemeine — Mittel und Vermögen, die VorsteUung in die Wirklichkeit, und die Wüklichkeit zu eher blosen Vor steUung zu machen, verwandelt ebenso sehr die wirküchen menschüchen 35 40 437 Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Heft III und natürlichen Wesenskräfte in blos abstrakte Vorstellungen und darum Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andrerseits die wirk lichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, nur in der Einbildung des Individuums existirenden Wesenskräfte desselben zu wirklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der In dividualitäten, die sie in ihr Gegentheil umkehrt und ihren Eigenschaften widersprechende Eigenschaften beilegt. 5 Als diese verkehrende Macht erscheint es dann auch gegen das Individuum und gegen die gesellschaftlichen etc Bande, die für sich Wesen zu sein 10 behaupten. Es verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in d[en] Herrn, d[en] Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn. | |Da das Geld, als der existirende und sich bethätigende Begriff des 15 Werthes alle Dinge verwechselt, vertauscht, so ist es die allgemeine Ver wechslung und Vertauschung aller Dinge, also die verkehrte Welt, die Verwechslung und Vertauschung aller natürlichen und menschlichen Qualitäten. Wer die Tapferkeit kaufen kann, der ist tapfer, wenn er auch feig ist. Da 20 das Geld nicht gegen eine bestimmte Qualität, gegen ein bestimmtes Ding, menschliche Wesenskräfte, sondern gegen die ganze menschliche und natür liche Gegenständliche Welt sich austauscht, so tauscht es also — vom Stand punkt seines Besitzers angesehn — jede Eigenschaft gegen jede — auch ihr widersprechende Eigenschaft und Gegenstand—aus ; es ist die Verbrüderung 25 der Unmöglichkeiten, es zwingt das sich widersprechende zum Kuß. Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältniß zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst gemessen willst, mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein ; wenn du Einfluß auf andre 30 Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse zum Menschen und zu der Natur — muß eine bestimmte, dem Gegenstand deines Willens entsprechende Äusserung deines wirklichen individuellen Lebens sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d. h. wenn dein Lieben 35 als Lieben nicht die Gegenliebe producirt, wenn du durch deine Lebensäus- serung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück. | 438 Konspekt zu Georg Wilhelm Friedrich Hegels „Phänomenologie des Geistes" Kapitel „Das absolute Wissen" |[1]| In der Phänomenologie wird das gewordne absolute Wissen also ge schildert: 5 1) In der offenbaren Religion ist das wirkliche Selbstbewußtsein des Gei stes noch nicht der Gegenstand seines Bewußtseins; er und seine Momente fallen in das Vorstellen und in die Form der Gegenständlichkeit. Der Inhalt des Vorstellens ist der absolute Geist; es handelt sich noch um das Aufheben dieser blosen Form. 10 2) Diese Ueberwindung des Gegenstands des Bewußtseins . .. ist nicht nur das Einseitige, daß der Gegenstand sich als in das Selbst zurückkehrend zeigt, sondern bestimmter so ... daß er sowohl als solcher sich ihm ver schwindend darstellt, als noch vielmehr, daß die Entäusserung des Selbst bewußtseins es ist, welche die Dingheit sezt, und daß diese Entäusserung nicht nur negative, sondern positive Bedeutung, sie nicht nur für uns oder an sich, sondern für es selbst hat. Für es hat das Negative des Gegenstandes 15 oder dessen sich selbst Aufheben dadurch die positive Bedeutung, oder es weiß diese Nichtigkeit desselben dadurch einerseits, daß es sich selbst entäussert; — denn in dieser Entäusserung sezt es sich als Gegenstand oder den Gegenstand um der untrennbaren Einheit des Fürsichseins willen als sich selbst.... Andrerseits liegt hierin zugleich dieß andre Moment, daß es diese 20 Entäusserung und Gegenständlichkeit ebensosehr auch aufgehoben und in sich zurückgenommen hat, also in seinem Anderssein als solchem bei sich i s t . . .. 3) Dieß ist die Bewegung des Bewußtseins und dieses ist darin die Totalität seiner Momente. . .. Es muß sich ebenso zu dem Gegenstande nach der 25 Totalität seiner Bestimmungen verhalten und ihn nach jeder derselben so erfaßt haben. Diese Totalität seiner Bestimmungen macht ihn an sich zum geistigen Wesen, und für das Bewußtsem wüd er dieß in Wahrheit durch das Auffassen einer jeden einzelnen derselben, als des Selbsts oder durch das eben genannte geistige Verhalten zu ihnen. 30 4) Der Gegenstand also theüs unmittelbares Sem oder ein Ding überhaupt 439 Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" — was dem unmittelbaren Bewußtsein entspricht; Theils ein Anderswerden seiner, sein Verhältniß oder Sein für andres und Fürsichsein, die Bestimmt heit — was der Wahrnehmung; theils Wesen oder als Allgemeines, was dem Verstand entspricht. (Sein, Wesen, Begriff; Allgemeinheit, Besonderheit, Einzelnheit. Position, Negation, Negation der Negation; einfacher Gegen- Unmittelbarkeit. Vermittlung. Sich aufhe- Unterschied Selbstunter- satz,entschiedner, aufgehobner. Einheit. bende Vermittlung. Beisichsein. Entäusserung. Rückkehr aus der Entäusse- scheidung. rung in sich. An sich. Für sich. An und für sich. Identität. Negation. Negativität. 5 10 Logik. Natur. Geist. Reines Bewußtsein. Be wußtsein. Selbstbewußtsein. Begriff. Urtheil. Schluß.) Er ist als Ganzes der Schluß oder die Bewegung des Allgemeinen durch die Bestimmung zur Einzelnheit, wie die umgekehrte von der Einzelnheit durch sie als auf gehobne oder die Bestimmung zum Allgemeinen. — Nach diesen 3 Bestim- 15 mungen also muß das Bewußtsein ihn als sich selbst wissen. Es ist dieß jedoch nicht das Wissen als reines Begreifen des Gegenstandes, von dem die Rede ist, sondern dieß Wissen soll nur in seinem Werden oder in seinen Momenten nach der Seite aufgezeigt werden, die dem Bewußtsein als solchem angehört und die Momente des eigentlichen Begriffs oder reinen 20 Wissens in der Form von Gestaltungen des Bewußtseins. Darum erscheint der Gegenstand im Bewußtsein noch nicht als die geistige Wesenheit, wie sie von uns ausgesprochen wurde, und sein Verhalten zu ihm ist nicht die Betrachtung desselben in dieser Totalität als solcher, noch in ihrer reinen Begriffsform, sondern Theils Gestalt des Bewußtseins überhaupt, Theils eine Anzahl solcher Gestalten, die wir zusammennehmen und in welchen die Totalität der Momente des Gegenstands und des Verhaltens des Be wußtseins nur aufgelöst in ihre Momente aufgezeigt werden kann. 25 5) In Ansehung des Gegenstandes, insofern er unmittelbar, ein gleich gültiges (sie) Sein ist, sahen wir die beobachtende Vernunft in diesem 30 gleichgültigen Dinge sich selbst suchenund finden, d. h. ihres Thuns, als eines ebenso äusserhehen sich bewußt sein, als sie des Gegenstandes nur als eines unmittelbaren bewußt i s t . .. auf ihrer Spitze spricht sie ihre Bestimmung in dem unendlichen Urtheil aus, daß das Sein des Ich ein Ding ist. Und zwar ein sinnliches unmittelbares Ding; wenn Ich Seele genannt wird ist es zwar 35 auch als Ding vorgestellt, aber als ein unsichtbares, unfühlbares; in der That also nicht als unmittelbares Sein, was man mit einem Ding meint. Jenes geistlose Urtheil dagegen ist ||[2]| seinem Begriffe nach das Geistreichste. Nun zu sehn wie sein Innres ausgesprochen wird. Das Ding ist Ich; d. h. das Ding aufgehoben; es ist nichts an sich; es hat nur Bedeutung im Verhältnisse, 40 nur durch Ich und seine Beziehung auf dasselbe. — Dieß Moment hat sich 440 Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" für das Bewußtsein [in] der reinen Einsicht und Aufklärung ergeben. Die Dinge sind schlechthin nützlich und nur nach ihrer Nützlichkeit zu be trachten. . .. Das gebildete Selbstbewußtsein, das die Welt des sich ent fremdeten Geistes durchlaufen, hat durch seine Entäusserung das Ding als sich selbst erzeugt, behält daher in ihm noch sich selbst, und weiß die Unselbstständigkeit desselben oder daß das Ding wesentlich nur Sein für Andres ist; oder vollständig das Verhältniß d. h. das, was die Natur des Gegenstandes hier allein ausmacht, ausgedrückt, so gilt ihm das Ding als ein Fürsichseiendes, es spricht die sinnliche Gewißheit als absolute Wahrheit aus, aber dieß Fürsichsein selbst als Moment, das nur verschwindet, und in sein Gegentheü, in das preißgegebne Sein für andres, übergeht. — Hierin ist aber das Wissen des Dings noch nicht voUendet; es muß nicht nur nach der Unmittelbarkeit des Seins und nach der Bestimmtheit, sondern auch als Wesen oder Innres, als das Selbst gewußt werden. Dieß ist in dem morá lischen Selbstbewußtsein vorhanden. Dieß weiß sein Wissen als die absolute Wesenheit oder das Sein schlechthin als den reinen Wülen oder Wissen; es ist nichts, als nur dieser Wülen oder Wissen; andrem kommt nur unwesent liches Sem, d. h. nicht ansichseiendes, nur seme leere Hülse zu. Insofern das moraüsche Bewußtsein das Dasein in seiner Weltvorstellung aus dem Selbst entläßt, nimmt es dasselbe ebenso sehr wieder in sich zurück. Als Gewissen ist es nicht mehr dieß noch abwechselnde Stellen und Verstellen des Daseins und des Selbsts, sondern es weiß, daß sein Dasein als solches diese reme Gewißheit seiner selbst ist; das gegenständliche Element, in welches es sich als handelnd hinausstellt, ist nichts andres, als das reme Wissen des Selbsts von sich. 5 10 is 20 25 30 6) Dieß sind die Momente, aus denen sich die Versöhnung des Geistes mit seinem eigentüchen Bewußtsein zusammensezt; sie für sich sind einzeln und ihre geistige Einheit aUem ist es, welche die Kraft dieser Versöhnung aus macht. Das lezte dieser Momente ist diese Einheit selbst und verbindet sie in der That aUe in sich. Der semer selbst in seinem Dasein gewisse Geisrhat zum Elemente des Daseins nichts andres als dieß Wissen von sich; das Aussprechen, daß was er thut, er nach Ueberzeugung von der Pflicht thut, diese seine Sprache ist das Gelten (Geld) seines Handelns. — Das Handeln ist das erst ansichseiende Trennen der Einfachheit des Begriffs und die 35 Rückkehr aus dieser Trennung. Diese erste Bewegung schlägt in die 2te um, indem das Element des Anerkennens sich als einfaches Wissen von der Pflicht gegen den Unterschied und die Entzweiung sezt, die im Handeln als solchem liegt und auf diese Weise eine eiserne Wüklichkeit gegen das Handeln bildet. In der Verzeihung sahen wü, wie diese Härte von sich selbst 40 abläßt und sich entäussert. Die Wüklichkeit hat also hier für das Selbst bewußtsein sowohl als unmittelbares Dasein keine andre Bedeutung als das 441 Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" reine Wissen zu sein; — ebenso als bestimmtes Dasein oder als Verhältniß, ist das sich Gegenüberstehende ein Wissen Theils von diesem rein einzelnen Selbst, theils von dem Wissen, als Allgemeinem. Hierin ist zugleich dieß gesezt, daß das 3te Moment, die Allgemeinheit oder das Wesen jedem der beiden Gegenüberstehenden nur als Wissen gilt; und den leeren noch übrigen Gegensatz heben sie endlich ebenso auf und sind das Wissen des Ich = Ich, dieses einzelne Selbst, das unmittelbar reines Wissen oder Allgemeines ist. J 5 |[3]| Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein darum auf doppelte Weise zu Stande gekommen: 1) im religiösen Geist, 2) im Bewußt- 10 sein selbst als solchem. 1) Versöhnung in der Form des Ansichseins; 2) in der Form des Fürsichseins. Wie sie betrachtet worden, fallen sie aus ein ander. Die Vereinigung beider Seiten ist nun aufzuzeigen: 1) Geist an sich, absoluter Inhalt; 2) für sich, Inhaltslose Form oder nach der Seite des Selbstbewußtseins; 3) der Geist an und für sich. 15 7) Diese Vereinigung in der Religion, als d[ie] Rückkehr der Vorstellung in das Selbstbewußtsein vorhanden, aber nicht in der eigentlichen Form, denn die religiöse Seite ist die Seite des Ansich, welche der Bewegung des Selbstbewußtseins gegenübersteht. Die Vereinigung gehört der andern Seite an, die im Gegensatz die Seite der Reflexion in sich, also die, die sich selbst 20 und ihr Gegentheü für sich, entwickelt und unterschieden, enthält. Der Inhalt, so wie die andre Seite des Geistes als andere ist in ihrer Vollständig keit vorhanden und aufgezeigt worden; die Vereinigung, welche noch fehlt, ist die einfache Einheit des Begriffs. — Er ist als besondre Gestalt des Bewußtseins die schöne Seele, die Gestalt des seiner selbst gewissen Geistes, der bei seinem Begriff stehn bleibt. Als sich seiner Realisirung entgegen- gesezt festhaltend, ist er die einseitige Gestalt, Verschwinden in leeren Dunst; aber auch positive Entäusserung und Fortbewegung. Durch diese Realisirung hebt sich die Bestimmtheit des Begriffs gegen seine Erfüllung auf; sein Selbstbewußtsein gewinnt die Form der Allgemeinheit. Der 30 wahrhafte Begriff, das Wissen von dem reinen Wissen als Wesen, das dieses Wissen, dieses reine Selbstbewußtsein, das also zugleich wahrhafter Gegen stand ist, denn er ist das fürsichseiende Selbst. 25 Die Erfüllung dieses Begriffs theils im handelnden Geist, theils in der Religion. . .. In jener ersten Gestalt ist die Form das Selbst selber, denn sie 35 enthält den handelnden seiner selbst gewissen Geist, das Selbst führt das Leben des absoluten Geistes durch. Diese Gestalt ist jener einfache Begriff, der aber sein ewiges Wiesen auf giebt, daistoaex handelt. Das Entzweien oder Hervortreten hat er an der Reinheit des Begriffs, denn sie ist die absolute Abstraktion oder Negativität. Ebenso das Element des Seins oder seiner 40 Wirklichkeit an ihn selbst, denn es ist die einfache Unmittelbarkeit, die 442 Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" ebenso Sein und Dasein als Wesen ist, jenes das negative, dieß das positive Denken selbst. Hegel entwickelt nun weiter den langweiligen Prozeß der schönen Seele, deren Resultat reine Allgemeinheit des Wissens, welche Selbstbewußtsein ist. — Der Begriff verbindet es, daß der Inhalt eignes Thun des Selbst ist; denn dieser Begriff ist das Wissen des Thuns des Selbsts in sich als aller Wesenheit und alles Daseins, das Wissen von diesem Subjekte als der Substanz und von der Substanz als diesem Wissen seines Thuns. 5 15 10 8) Der sich in seiner Geistesgestalt wissende Geisr, das begreifende Wis sen. Die Wahrheit nicht nur an sich gleich der Gewißheit, sondern hat auch die Gestalt der Gewißheit seiner selbst oder sie ist in ihrem Dasein, d. h. für den wissenden Geist in der Form des Wissens seiner selbst. Die Wahrheit ist der Inhalt, der in der Religion seiner Gewißheit noch ungleich ist. Diese Gleichheit aber ist darin, daß der Inhalt die Gestalt des Selbsts erhalten. Dadurch ist dasjenige zum Elemente des Daseins oder zur Form der Gegen- ständlichkeit für das Bewußtsein geworden, was das Wesen selbst ist — der Begriff. Der Geist in diesem Element dem Bewußtsein erscheinend oder darin von ihm hervorgebracht, ist die Wissenschaft. Es ist das reine Für sichsein des Selbstbewußtseins; es ist Ich, das dieses und kein andres Ich und das ebenso unmittelbar vermittelt oder aufgehobnes allgemeines Ich ist. 20 Es hat einen Inhalt, den es von sich unterscheidet; denn es ist die reine Negativität oder das sich Entzweien; es ist Bewußtsein. Dieser Inhalt ist in seinem Unterschiede selbst das Ich, denn er ist die Bewegung des sich selbst Aufhebens oder dieselbe reine Negativität, die Ich ist. Ich ist in ihm als unterschiednem in sich ref lectirt; der Inhalt ist allein dadurch begriffen, daß Ich in seinem Anderssein bei sich selbst ist. | 25 |4| Dieser Inhalt, bestimmterangegeben, ist er nichts andres, als die so eben ausgesprochne Bewegung selbst; denn er ist der Geist, der sich selbst und zwar für sich als Geist durchläuft, dadurch, daß er die Gestalt des Begriffs in seiner Gegenständlichkeit hat. Was das Dasein dieses Begriffs betrifft, so erscheint in der Zeit und Wirklichkeit die Wissenschaft nicht eher, als bis der Geist zu diesem Bewußtsein über sich gekommen ist. Als der Geist, der weiß, was er ist, existirt er früher nicht und sonst nirgends als nach Voll endung der Arbeit, seine unvollkommne Gestalt zu bezwingen, sich für sein Bewußtsein die Gestalt seines Wesens zu verschaffen und auf diese Weise sein Selbstbewußtsein mit seinem Bewußtsein auszugleichen. Siehe die Fortsetzung p. 583 sqq. Selbstloses Sein verborgen, offenbar ist sich nur die Gewißheit seiner selbst. Das Verhältniß der Zeit zur Geschichte. Der be greifende Geist tilgt die Zeit. Erfahrung und Wissen, Verwandlung der Substanz in Subjekt, des Gegenstandes des Bewußtseins in den Gegenstand des Selbstbewußtseins, d.h. in ebenso sehr aufgehobnen Gegenstand oder Begriff. Erst als dieß sich in sich reflectirende Werden, ist er in Wahrheit 30 35 40 443 Konspekt zu Hegels „Phänomenologie des Geistes" der Geist. Insofern der Geist also nothwendig dieses Unterscheiden in sich ist, tritt sein Ganzes angeschaut seinem einfachen Selbstbewußtsein gegen über und da also jenes das Unterschiedene ist, so ist es unterschieden in seinen angeschauten reinen Begriff, in die Zeit, und in den Inhalt, das Ansien ; die Substanz hat als Subjekt, die erst innere Nothwendigkeit an ihr, sich an ihr selbst als das darzustellen, was sie an sich ist, als Geist. Die vollendete gegenständliche Darstellung ist erst zugleich die Reflexion derselben oder das Werden derselben zum Selbst. Ehe daher der Geist nicht an sich, nicht als Weltgeist sich vollendet, kann er nicht als selbstbewußter Geist seine Vollendung erreichen. Der Inhalt der Religion spricht darum früher in der Zeit als die Wissenschaft es aus, was der Geist ist, aber diese ist allein sein Die Bewegung, die Form seines Wissens wahres Wissen von ihm selbst von sich I 444 Kritische Randglossen zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen" Kritische Randglossen Vorwärts! Nr.63, 7. August 1844 zu dem Artikel: „Der König von Preußen und die Socialreform. Von einem Preußen." („Vorwärts" N. 60.) 5 Von Karl Marx*). Die N. 60 des „Vorwärts" enthält einen Artikel, überschrieben: „Der König von Preußen und die Socialreform", unterzeichnet: „Ein Preuße. " Zunächst ref erirt der angebliche Preuße den Inhalt der königlich preu- 10 ßischen Cabinetsordre über den schlesischen Arbeiteraufstand und die Meinung des französischen Journals: la Réforme über die preußische Ca binetsordre. Die „Reforme" halte den „Schrecken und das religiöse Gefühl" des Königs für die Quelle der Cabinetsordre. Sie finde in diesem Document sogar das Vorgefühl der großen Reformen, welche der bürgerlichen Ge S e i l s c h a ft bevorstehn. Der „Preuße" belehrt die „Reforme", wie folgt: is „Der König und die deutsche Gesellschaft ist noch nicht bei dem V o r gefühl ihrer Reform' angelangt**), selbst die schlesischen und böhmischen Aufstände haben dies Gefühl nicht erzeugt. Es ist unmöglich, die partielle Noth der Fabrikdistrikte einem unpolitischen Lande, wie Deutschland, als 20 eine allgemeine Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der *) Spezielle Gründe veranlassen mich zu der Erklärung, daß der vorstehende Artikel der erste ist, den ich dem „Vorwärts" habe zukommen lassen. **) Man bemerke den stylistischen und grammatikalischen Unsinn. „Der König von Preußen und die Gesellschaft ist noch nicht bei dem Vorgefühl ihrer (auf wen bezieht sich das : „ihrer'"}) Κ. M. 25 Reform angelangt." 445 Kritische Randglossen. ganzen civilisirten Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereigniß hat für die Deutschen denselben Charakter, wie irgend eine lokale Wassers- oder Hungersnoth. Deshalb nimmt es der König als einen Verwaltungs- oder Mildthätigkeitsmangel. Aus diesem Grunde und weil wenig Militär mit den schwachen Webern fertig wurde, flößt das Demoliren der Fabriken und Maschinen auch dem Könige und den Behörden keinen ,Schrecken'ein. Ja, sogar das religiöse Gefühl hat die Cabinetsordre nicht dictirt: sie ist ein sehr nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst und einer Doktrin, die vor ihrer einzigen Medizin, der ,guten Gesinnung christlicher Herzen' keine Schwierigkeiten bestehn läßt. Armuth und Verbrechen sind zwei große Übel ; 1 o wer kann sie heilen? Der Staat und die Behörden? nein, aber die Vereinigung aller christlichen Herzen." 5 Der angebliche Preuße läugnet den „Schrecken" des Königs, unter an deren aus dem Grunde, weil wenig Militär mit den schwachen Webern fertig wurde. 15 In einem Lande also, wo Festessen mit liberalen Toasten und liberalem Champagnerschaum — man erinnere sich des Düsseldorfer Festes — eine königliche Cabinetsordre provociren, wo es keines einzigen Soldaten be durfte, um die Gelüste der ganzen liberalen Bourgeoisie nach Preßfreiheit und Constitution niederzuschlagen; in einem Lande, wo der passive Ge- 20 horsam à l'ordre du jour ist; in einem solchen Lande wäre die erzwungene Anwendung der bewaffneten Macht gegen schwache Weber kein Ereigniß und kein erschreckendes Ereigniß? Und die schwachen Weber siegten bei dem ersten Zusammentreffen. Sie wurden unterdrückt durch eine nachträg lich verstärkte Truppenzahl. Ist der Aufstand eines Arbeiterhaufens minder 25 gefährlich, weil es keiner Armee bedarf, um ihn zu ersticken? Der kluge Preuße vergleiche den schlesischen Weberaufstand mit den englischen Arbeiteraufständen, und die schlesischen Weber werden ihm als starke Weber erscheinen. Aus dem allgemeinen Verhältniß der Politikzu socialen Gebrechen werden wir erklären, warum der Weberaufstand dem Könige keinen sonderlichen „Schrecken "einflößen konnte. Vorläufig nur so viel: der Aufstand war nicht unmittelbar gegen den König von Preußen, er war gegen die Bourgeoisie gerichtet. Als Aristokrat und absoluter Monarch kann der König von Preußen die Bourgeoisie nicht heben; er kann noch weniger darüber erschrecken, wenn ihre Unterwürfigkeit und ihre Ohnmacht durch ein gespanntes und schwieriges Verhältniß zum Proletariat gesteigert wird. Ferner: der ortho doxe Katholik steht dem orthodoxen Protestanten feindlicher gegenüber als dem Atheisten, wie der Legitimist dem Liberalen feindlicher gegenübersteht, als dem Communisten. Nicht weil Atheist und Communist dem Katholiken und Legitimisten verwandter, sondern weil sie ihm entfremdeter sind als der 30 35 40 446 Beginn d es Artikels „Kritische Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und die Sozialreform'". Vorwärts! Nr.63, 7.August 1844 Kritische Randglossen. Protestant und der Liberale, weil sie außerhalb seines Kreises stehn. Der König von Preußen, als Politiker, hat seinen unmittelbaren Gegensatz in der Politik, in dem Liberalismus. Für den König existirt der Gegensatz des Proletariats eben so wenig, wie der König für das Proletariat existirt. Das 5 Proletariat müßte schon eine entschiedene Macht erlangt haben, um die Antipathien, die politischen Gegensätze zu ersticken und um die ganze Feindschaft der Politik gegen sich zu lenken. Endlich: dem bekannten, nach Interessantem und Bedeutendem lüsternen Charakter des Königs mußte es sogar eine freudig aufregende Überraschung gewähren, jenen „interessan- ten" und „viel berufenen" Pauperismus auf eignem Grund und Boden, und damit eine Gelegenheit zu finden, auf's Neue von sich reden zu machen. Wie wohlig mag ihm gewesen sein bei der Nachricht, nunmehr einen „eignen" königlich preußischen Pauperismus zu besitzen! 10 Unser „Preuße" ist noch unglücklicher, wenn er das religiöse Gefühl" 15 als Quelle der königlichen Cabinetsordre läugnet. Warum ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle dieser Cabinetsordre? Weil sie ein „sehr nüchterner Ausdruck der christlichen Staatskunst" ist, ein „nüchterner" Ausdruck der Doktrin, die „vor ihrer einzigen Medicin, der guten Gesinnung christlicher Herzen keine Schwierigkeiten bestehen läßt". 20 Ist das religiöse Gefühl nicht die Quelle der christlichen Staatskunst? Basirt eine Doktrin, welche in der guten Gesinnung christlicher Herzen ihr Universalmittel besitzt, nicht auf dem religiösen Gefühl? Hört ein nüchterner Ausdruck des religiösen Gefühls auf, ein Ausdruck des religiösen Gefühls 25 zu sein? Noch mehr ! Ich behaupte daß es ein sehr von sich eingenommenes, ein sehr trunkenes religiöses Gefühl ist, welches die „Heilunggroßer Übel", die es dem „Staat und der Behörde" abspricht, in der „Vereinigung christ licher Herzen" sucht. Es ist ein sehr trunkenes religiöses Gefühl, welches — nach dem Zugeständniß des „Preußen" — das ganze Übel in dem Mangel an christlichem Sinn findet, und daher die Behörden auf das einzige Mittel, diesen Sinn zu stärken, auf die „Ermahnung" verweist. Die christliche Gesinnung ist nach dem „Preußen" der Zweck der Cabinetsordre. Das re ligiöse Gefühl, versteht sich wenn es betrunken, wenn es nicht nüchtern ist, hält sich für das einzige Gut. Wo es Übel sieht, schreibt es sie seiner Ab- 35 Wesenheit zu, denn wenn es das einzige Gut ist, so kann es auch einzig das Gute erzeugen. Die durch das religiöse Gefühl dictirte Cabinetsordre dictirt also consequenter Weise das religiöse Gefühl. Ein Politiker von nüchternem religiösem Gefühl würde in seiner „Rathlosigkeit" nicht an der „Ermahnung des frommen Predigers zur christlichen Gesinnung" seine „Hülfe" suchen. 30 40 Wie beweist also der angebliche Preuße der „Reforme", daß die Ca binetsordre kein Ausfluß des religiösen Gefühls ist? Dadurch, daß er überall 449 Kritische Randglossen. die Cabinetsordre als einen Ausfluß des religiösen Gefühls schildert. Ist von einem so unlogischen Kopfe eine Einsicht in sociale Bewegungen zu er warten? Hören wir, was er über das Verhältniß der deutschen Gesellschaft zu der Arbeiterbewegung und zur socialen Reform überhaupt plaudert. Unterscheiden wir, was der „Preuße" vernachlässigt, unterscheiden wir die verschiedenen Categorien, die unter dem Ausdrucke „deutsche Ge sellschaft" zusammengefaßt worden: Regierung, Bourgeoisie, Presse, end lich die Arbeiter selbst. Das sind die verschiedenen Massen, um die es sich hier handelt. Der „Preuße" faßt diese Massen zusammen und verurtheilt sie von seinem erhabenen Standpunkt aus in Masse. Die deutsche Gesellschaft ist nach ihm „noch nicht einmal bei dem Vorgefühl ihrer ,Reform' an gelangt". 5 10 Warum fehlt ihr dieser Instinkt? „In einem unpolitischen Lande wie Deutschland", antwortet der Preuße, „ist es unmöglich die partielle Noth der Fabrikdistrikte als eine allgemeine 15 Angelegenheit, geschweige denn als einen Schaden der ganzen civilisirten Welt zur Anschauung zu bringen. Das Ereigniß hat für die Deutschen denselben Charakter wie irgend eine lokale Wassers- und Hungersnoth. Der König nimmt es daher als einen Verwaltungs- und Mildthätigkeitsmangel." Der „Preuße" erklärt also diese verkehrte Auffassung der Arbeiternoth 20 aus der Eigenthümlichkeit eines unpolitischen Landes. Man wird zugeben: England ist ein politisches Land. Man wird ferner zugeben: England ist das Land des Pauperismus, sogar dies Wort ist eng lischen Ursprungs. Die Betrachtung Englands ist also das sicherste Ex periment um das Verhältniß eines politischen Landes zum Pauperismus 25 kennen zu lernen. In England ist die Arbeiternoth nicht partiell, sondern universell ; nicht auf die Fabrikdistrikte beschränkt, sondern auf die Land distrikte ausgedehnt. Die Bewegungen sind hier nicht im Entstehen, sie kehren seit beinahe einem Jahrhundert periodisch wieder. Wie begreift nun die englische Bourgeoisie und die mit ihr zusammen- 30 hängende Regierung und Presse den Pauperismus! So weit die englische Bourgeoisie den Pauperismus als Schuld der Politik eingesteht, betrachtet der Whig den Tory und der Tory den Whig als die Ursache des Pauperismus. Nach dem Whig ist das Monopol des großen Grundeigenthums und die Prohibitiv-Gesetzgebung gegen die Einführung 35 des Getreides, die Hauptquelle des Pauperismus. Nach dem Tory liegt das ganze Übel in dem Liberalismus, in der Concurrenz, in dem zu weit getriebe nen Fabriksystem. Keine der Partheien findet den Grund in der Politik überhaupt, sondern jede vielmehr nur in der Politik ihrer Parthei; von einer Reform der Gesellschaft lassen sich beide Partheien nicht träumen. 40 Der entschiedenste Ausdruck der englischen Einsicht in den Pauperismus 450 Kritische Randglossen. — wir sprechen immer von der Einsicht der englischen Bourgeoisie und Regierung — ist die englische National-Ökonomie, d. h. die wissenschaftliche Wiederspiegelung der englischen national-ökonomischen Zustände. 5 Einer der besten und berühmtesten englischen National-Ökonomen, der die gegenwärtigen Verhältnisse kenntundeine Gesammtanschauungvonder Bewegung der bürgerlichen Gesellschaft besitzen muß, ein Schüler des cynischen Ricardo, Mac-Culloch, wagt noch in einer öffentlichen Vorlesung und wagt es unter Beifallsbezeugungen, auf die National-Ökonomie an zuwenden, was Baco von tier Philosophie sagt: „Der Mensch, welcher mit 10 wahrer und unermüdlicher Weisheit sein Urtheil suspendirt, stufenweise vorwärts schreitet, eines der Hindernisse, welche wie Berge den Gang des Studiums aufhalten, nach dem andern überwindet, wird mit der Zeit den Gipfel der Wissenschaft erreichen, wo man der Ruhe und einer reinen Luft genießt, wo die Natur sich dem Auge in ihrer ganzen Schönheit darbietet, 15 und von wo man, vermittelst eines bequem gesenkten Pfades, zu den letzten Details der Praxis herabsteigen kann." Gute reine Luft die Pestatmosphäre der englischen Kellerwohnungen! Große Naturschönheit die phantastische Lumpenkleidung der englischen Armen und das welke, zusammen geschrumpfte Fleisch der Weiber, die von Arbeit und Elend verzehrt sind; 20 die Kinder, die auf dem Mist liegen; die Mißgeburten, welche die Über arbeitung in der einförmigen Mechanik der Fabriken erzeugt! Allerliebste letzte Details der Praxis: die Prostitution, der Mord und der Galgen! Selbst der Theil der englischen Bourgeoisie, der von der Gefahr des Pauperismus durchdrungen ist, faßt diese Gefahr, wie die Mittel zur Abhülfe, in einer nicht nur particulären, sondern, um es ohne Umschweife zu sagen, kindischen und albernen Weise auf. So reducirt z.B. der Dr. Kay in seiner Broschüre „Recent measures for the promotion of education in England" alles auf die vernachlässigte Erziehung. Man erratile, aus welchem Grunde! Aus Mangel an Erziehung sehe nämlich der Arbeiter die „natürlichen Gesetze des Handels" nicht ein, Gesetze, die ihn nothwendig auf den Pauperismus herabbringen. Darum lehne er sich auf. Das könne „die Prosperität der englischen Manufacturen und des englischen Handels geniren, das wechselseitige Vertrauen der Geschäftsleute erschüttern, die Stabüität der politischen und socialen In- stitutionen verringern". So groß ist die Gedankenlosigkeit der englischen Bourgeoisie und ihrer Presse über den Pauperismus, über diese National-Epidémie Englands. Gesetzt also, die Vorwürfe, die unser „Preuße" an die deutsche Gesell schaft richtet, seien begründet. Liegt der Grund in dem unpolitischen Zu- stand Deutschlands? Aber wenn die Bourgeoisie des unpolitischen Deutsch lands sich die allgemeine Bedeutung einer partiellen Noth nicht zur An- 25 30 35 40 451 Kritische Randglossen... schauung zu bringen weiß, so versteht es dagegen die Bourgeoisie des politischen Englands die allgemeine Bedeutung einer universellen Noth zu verkennen, einer Noth, die ihre allgemeine Bedeutung theils durch die pe riodische Wiederkehr in der Zeit, theils durch die Ausbreitung im Räume, und theils durch die Vereitlung aller Versuche zur Abhülfe zur Anschauung gebracht hat. Dem unpolitischen Zustand Deutschlands legt es der „Preuße" ferner zur Last, wenn der König von Preußen in einem Verwaltungs- und Wohlthätig- keits-Mangel den Grund des Pauperismus findet, und daher in Verwaltungs- und Wohlthätigkeits-Maaßregeln die Mittel gegen den Pauperismus sucht. Ist diese Anschauungsweise dem König von Preußen eigenthümlich? Man werfe einen raschen Blick auf England, das einzige Land, wo von einer großen politischen Aktion auf den Pauperismus gesprochen werden kann. 5 10 Die jetzige englische Armengesetzgebung datirt von dem Gesetz im 43. Akt der Regierung der Elisabeth*). Worin bestehen die Mittel dieser Gesetz- 15 gebung? In der Verpfüchtung der Pfarreien zur Unterstützung ihrer armen Arbeiter, in der Armentaxe, in der legalen Wohlthätigkeit. Zwei Jahrhunderte hat diese Gesetzgebung — die Wohlthätigkeit auf dem Wege der Verwaltung — gedauert. Nach langen und schmerzlichen Erfahrungen, auf welchem Standpunkte finden wir das Parlament in seiner Amendment-Bill von 20 1834? Zunächst erklärt es die fürchterliche Zunahme des Pauperismus aus einem „ Verwaltungs-Mangel". 25 Die Administration der Armentaxe, die aus Beamten der respektiven Pfarreien bestand, wird daher reformirt. Man bildet Unionen von ungefähr zwanzig Pfarreien, die in eine einzige Administration vereinigt sind. Ein Bureau von Beamten — Board of Guardians — von Beamten, welche durch die Steuerpflichtigen gewählt werden, versammelt sich an einem bestimmten Tage in der Residenz der Union und entscheidet über die Zulässigkeit der Unterstützung. Diese Bureau's werden gelenkt und überwacht von Ab- 30 geordneten der Regierung, der Central-Commission von Sommerset-House, dem Ministerium des Pauperismus, nach der treffenden Bezeichnung eines Franzosen. Das Kapital, welches diese Administration überwacht, kommt fast der Summe gleich, welche die Kriegs-Administration in Frankreich kostet. Die Zahl der Lokal-Administrationen, welche sie beschäftigt, beläuft 35 sich auf 500, und jede dieser Lokal-Administrationen setzt wenigstens wieder zwölf Beamte in Thätigkeit. Das englische Parlament blieb nicht bei der formellen Reform der Ad ministration stehen. *) Es ist für unsern Zweck nicht nöthig, bis zum Statut der Arbeiter unter Eduard ΠΙ. zurück- zugehen. 40 452 Kritische Randglossen. Die Hauptquelle des acuten Zustandes des englischen Pauperismus fand es in dem Armengesetz selbst. Das legale Mittel gegen das sociale Gebrechen, die Wohlthätigkeit, begünstige das sociale Gebrechen. Was den Pauperismus im Allgemeinen betreffe, so sei er ein ewiges Naturgesetz, nach der Theorie von Malthus: „Da die Bevölkerung unaufhörlich die Subsistenzmittel zu überschreiten strebt, so ist die Wohlthätigkeit eine Narrheit, eine öffentliche Aufmunterung für das Elend. Der Staat kann daher nichts thun, als das Elend seinem Schicksal überlassen, und höchstens den Tod der Elenden erleich tern." Mit dieser menschenfreundlichen Theorie verbindet das englische Parlament die Ansicht, daß der Pauperismus das selbstverschuldete Elend der Arbeiter sei, dem man daher nicht als einem Unglück zuvorzukommen, das man vielmehr als ein Verbrechen zu unterdrücken, zu bestrafen habe. 5 10 So entstand das Regime der Workhouses, d. h. der Armenhäuser, deren innere Einrichtung die Elenden abschreckt, eine Zuflucht vor dem Hun- 15 gertod zu suchen. In den Workhouses ist die Wohlthätigkeit sinnreich ver flochten mit der Rache der Bourgeoisie an dem Elenden der an ihre Wohl thätigkeit appellirt. England hat also zunächst die Vernichtung des Pauperismus durch Wohl thätigkeit und Administrations-Maaßregeln versucht. Es erbückte sodann in 20 dem progressiven Fortschritt des Pauperismus nicht die nothwendige Con sequenz der modernen Industrie, sondern vielmehr die Consequenz der englischen Armentaxe. Es begriff die universeUe Noth nur als eine Particu- larität der engüschen Gesetzgebung. Was früher aus einem Wohlthätigkeits- Mangel, wurde nun aus einem Wohlthätigkeits-ÜberflußheTgeleitet. Endlich 25 wurde das Elend als die Schuld der Elenden betrachtet und als solche an ihnen bestraft. 30 Die allgemeine Bedeutung, die das politische England dem Pauperismus abgewonnen hat, beschränkt sich darauf, daß im Laufe der Entwicklung, trotz der Verwaltungs-Maaßregeln, der Pauperismus zu einem National- Institut sich heraufgebildet hat, und daher unvermeidücher Weise zum Gegenstand einer verzweigten und weit ausgedehnten Administration ge worden ist, einer Administration, die aber nicht mehr die Aufgabe hat, ihn zu ersticken, sondern ihn zu discipliniren, zu verewigen. Diese Admini stration hat es aufgegeben, durch positive Mittel die Quelle des Pauperismus 35 zu verstopfen; sie begnügt sich damit, so oft er an der Oberfläche des of f iciellen Landes hervorsprudelt, mit poüzeiücher Milde ihm ein Todtenbett zu graben. Der englische Staat, weit entfernt über die Administrations- und Wohlthätigkeits-Maaßregeln hinauszugehen, ist weit unter sie herabgestie gen. Er administrirt nur noch den Pauperismus, der die Verzweiflung besitzt, sich einfangen und einsperren zu lassen. 40 Bisher also hat der „Preuße" nichts Eigenthümliches im Verfahren des 453 Kritische Randglossen. Königs von Preußen nachgewiesen. Warum aber, ruft der große Mann mit einer seltenen Naivetät aus: „Warum ordnet der König von Preußen nicht sogleich die Erziehung aller verwahrlosten Kinder an?" Warum wendet er sich erst an die Behörden und erwartet ihre Pläne und Vorschläge? Der überkluge „Preuße" wird sich beruhigen, wenn er erfährt, daß der König von Preußen hier eben so wenig Original ist, wie in seinen übrigen Handlungen; daß er sogar den einzigen Weg eingeschlagen hat, den der Chef eines Staats einschlagen kann. 5 10 Napoleon wollte die Bettelei mit einem Schlag vernichten. Er trug seinen Behörden auf, Pläne für die Austilgung der Bettelei in ganz' Frankreich vorzubereiten. Das Projekt ließ auf sich warten ; Napoleon verlor die Geduld, er schrieb an seinen Minister des Innern, Crétet; er befahl ihm, innerhalb eines Monats die Bettelei zu vernichten; er sagte : „Man darf über diese Erde nicht hinwegschreiten, ohne Spuren zu hinterlassen, die unser Andenken der Nachwelt empfehlen. Fordert mir nicht noch drei oder vier Monate, um 15 Nachweisungen zu erhalten: ihr habt junge Auditore, kluge Präfecten, wohlunterrichtete Ingenieure der Brücken und Chausseen, setzt diese alle in Bewegung, schlaft nicht ein in der gewöhnlichen Büreauarbeit." In we nigen Monaten war Alles geschehen. Den 5. Juli 1808 wurde das Gesetz erlassen, welches die Bettelei unterdrückt. Wodurch? Durch die Depots, 20 welche sich so rasch in Strafanstalten verwandelten, daß der Arme bald nur mehr durch den Weg des Zuchtpohzeigerìchts in diese Anstalten gelangte. Und dennoch rief damals M. Noailles du Gard, Mitglied des gesetzgebenden Corps, aus: „Ewige Erkenntlichkeit dem Heroen, welcher der Dürftigkeit eine Zufluchtstätte und der Armuth Lebensmittel sichert: die Kindheit wird 25 nicht mehr verlassen sein, die armen Familien werden nicht mehr der Res sourcen, noch die Arbeiter der Ermuthigung und Beschäftigung entbehren. Nos pas ne seront plus arrêtés par l'image dégoûtante des infirmités et de la honteuse misère." Der letzte cynische Passus ist die einzige Wahrheit dieser Lobrede. 30 Wenn Napoleon sich an die Einsicht seiner Auditore, Präf ecte, Ingenieure adressirt, warum nicht der König von Preußen an seine Behörden? Warum ordnete Napoleon nicht sogleich die Aufhebung der Bettelei an? Von demselben Werth ist die Frage des „Preußen": „Warum ordnet der König von Preußen nicht sogleich die Erziehung der verwahrlos'ten Kinder 35 an?" Weiß der „Preuße" was der König anordnen müßte? Nichts anders als die Vernichtung des Proletariats. Um Kinder zu erziehen, muß man sie ernähren und von der Erwerbsarbeit befreien. Die Ernährung und Erziehung der verwahrlos'ten Kinder, d. h. die Ernährung und Erziehung des ganzen aufwachsenden Proletariats, wäre die Vernichtung des Proletariats und des Pauperismus. 40 454 Kritische Randglossen. Der Convent hatte einen Augenblick den Muth, die Aufhebung des Pauperismus anzuordnen, zwar nicht „sogleich", wie es der „Preuße" von seinem König verlangt, sondern erst nachdem er das Comité du samt public mit der Bearbeitung der nöthigen Pläne und Vorschläge beauftragt, und 5 nachdem dieses die weitläufigen Untersuchungen der Assemblée consti tuante über den Zustand des französischen Elendes benützt, und durch Barreré die Stiftung des Livre de la bienfaisance nationale, etc., vorge schlagen. Welches war die Folge der Anordnung des Convents? Daß eine Anordnung mehr in der Welt war und ein Jahr nachher verhungerte Weiber 10 den Convent belagerten. Der Convent aber war das Maximum der politischen Energie, der poli tischen Macht, und des politischen Verstandes. is Sogleich, ohne Verständigung mit den Behörden, hat keine Regierung der Welt Anordnungen über den Pauperismus getroffen. Das englische Par lament schickte sogar Kommissäre nach allen Ländern Europas, um die verschiedenen administrativen Heilmittel gegen denselben kennen zu lernen. So weit sich die Staaten aber mit dem Pauperismus beschäftigt haben, sind sie bei Verwaltungs- und Wohlthätigkeits-Maaßregeln stehen geblieben oder unter die Verwaltung und unter die Wohlthätigkeit herabgestiegen. 20 Kann der Staat anders verfahren? Der Staat wird nie im „Staat und der Einrichtung der Gesellschaft', wie es der Preuße von seinem König verlangt, den Grund socialer Gebrechen finden. Wo es politische Partheien gibt, findet jede den Grund eines jeden Übels darin, daß statt ihrer ihr Widerpart sich am Staatsruder befindet. Selbst 25 die radikalen und revolutionären Politiker suchen den Grund des Übels nicht im Wesen des Staats, sondern in einer bestimmten Staatsform, an deren Stelle sie eine andere Staatsform setzen wollen. Der Staat und die Einrichtung der Gesellschaft sind von dem politischen Standpunkt aus nicht zwei verschiedene Dinge. Der Staat ist die Einrichtung 30 der Gesellschaft. So fern der Staat sociale Mißstände zugesteht, sucht er sie entweder in Naturgesetzen, denen keine menschliche Macht gebieten kann, oder in dem Privatleben, das von ihm unabhängig ist, oder in der Zweck widrigkeit der Administration, die von ihm abhängt. So findet England das Elend in dem Naturgesetz begründet, wonach die Bevölkerung stets das 35 Subsistenzmittel überschreiten muß. Nach einer andern Seite hin erklärt es den Pauperismus aus dem schlechten Willen der Armen, wie ihn der König von Preußen aus dem unchristlichen Gemüth der Reichen und wie ihn der Convent aus der contre-revolutionären, verdächtigen Gesinnung der Eigen thümer erklärt. England bestraft daher die Armen, der König von Preußen ermahnt die Reichen und der Convent köpft die Eigenthümer. 40 Endlich suchen alle Staaten in zufälligen oder absichtlichen Mängeln der 455 Kritische Randglossen. Administration die Ursache, und darum in Maaßregeln der Administration die Abhülfe seiner Gebrechen. Warum? Eben weil die Administration die organistende Thätigkeit des Staats ist. 5 10 Den Widerspruch zwischen der Bestimmung und dem guten Willen der Administration einerseits, und ihren Mitteln wie ihrem Vermögen andrer- seits, kann der Staat nicht aufheben, ohne sich selbst aufzuheben, denn er beruht auf diesem Widerspruch. Er beruht auf dem Widerspruch zwischen dem öffentlichen und dem Privatleben, auf dem Widerspruch zwischen den allgemeinen Interessen und den Sonder-Interessen. Die Administration muß sich daher auf eine formelle und negative Thätigkeit beschränken, denn wo das bürgerliche Leben und seine Arbeit beginnt, eben da hat ihre Macht aufgehört. Ja, gegenüber den Consequenzen, welche aus der unsocialen Natur dieses bürgerlichen Lebens, dieses Privateigenthums, dieses Handels, dieser Industrie, dieser wechselseitigen Plünderung der verschiedenen bürgerlichen Kreise entspringen, diesen Consequenzen gegenüber ist die 15 Ohnmacht das Naturgesetz der Administration. Denn diese Zerrissenheit, diese Niedertracht, dies Sklaventhum der bürgerlichen Gesellschaft ist das Naturfundament, worauf der moderne Staat ruht, wie die bürgerliche Ge sellschaft des Sklaventhums das Naturfundament war, worauf der antike Staat ruhte. Die Existenz des Staats und die Existenz der Sklaverei sind 20 unzertrennüch. Der antike Staat und die antike Sklaverei — offenherzige klassische Gegensätze — waren nicht inniger an einander geschmiedet als der moderne Staat und die moderne Schacherwelt, — scheinheilige christiiche Gegensätze. Wollte der moderne Staat die Ohnmacht seiner Administration aufheben, so müßte er das jetzige Privatleben aufheben. Wollte er das 25 Privatleben aufheben, so müßte er sich selbst aufheben, denn er existirt nur im Gegensatz zu demselben. Kein Lebendiger aber glaubt die Mängel seines Daseins im Prinzip seines Lebens, im Wesen seines Lebens begründet, sondern in Umständen außerhalb seines Lebens. Der Selbstmord ist wider natürlich. Also kann der Staat nicht an die inwendige Ohnmacht seiner Administration, das heißt seiner selbst glauben. Er kann nur formelle, zu fällige Mängel derselben einsehn und ihnen abzuhelfen suchen. Sind diese Modifikationen fruchtlos, nun so ist das sociale Gebrechen eine natürliche, vom Menschen unabhängige Unvollkommenheit, ein Gesetz Gottes, oder der Wille der Privatleute ist zu verdorben, um den guten Zwecken der Admini- stration entgegen zu kommen. Und welche verkehrte Privatleute? Sie murren gegen die Regierung, so oft sie die Freiheit beschränkt, und sie verlangen von der Regierung, die nothwendigen Folgen dieser Freiheit zu verhin dern! 35 30 Je mächtiger der Staat, je politischer daher ein Land ist, um so weniger ist es geneigt, im Prinzip des Staats, also in der jetzigen Einrichtung der 40 456 Kritische Randglossen. 5 Gesellschaft, deren thätiger, selbstbewußter und offizieller Ausdruck der Staat ist, den Grund der socialen Gebrechen zu suchen und ihr allgemeines Prinzip zu begreifen. Der politische Verstand ist eben politischer Verstand, weil er innerhalb der Schranken der Politik denkt. Je geschärfter, je leben- diger, desto unfähiger ist er zur Auffassung socialer Gebrechen. Die klas sische Periode des politischen Verstandes ist die französische Revolution. Weit entfernt im Prinzip des Staats die Quelle der socialen Mängel zu erbücken, erbücken die Heroen der französischen Revolution vielmehr in den socialen Mängeln die Quelle politischer Übelstände. So sieht Robes- 10 pierre in der großen Armuth und dem großen Reichthume nur ein Hin- derniß der reinen Demokratie. Er wünscht daher eine allgemeine spar tanische Frugalität zu etabliren. Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, das heißt also je vollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also die Quelle socialer Gebrechen zu entdecken. Es bedarf keiner weiteren Ausführung gegen die alberne Hoffnung des „Preußen", wonach der „po litische Verstand die Wurzel der geselligen Noth für Deutschland zu ent decken" berufen ist. 15 20 Es war thöricht, dem König von Preußen nicht nur eine Macht zu- zumuthen, wie sie der Convent und Napoleon vereint nicht besaßen; es war thöricht, ihm eine Anschauungsweise zuzumuthen, welche die Grenzen aller Politik überspringt, eine Anschauungsweise, deren Besitz der kluge „Preuße" selbst nicht näher steht als sein König. Diese ganze Declaration 25 war um so thörichter, als der „Preuße" uns gesteht: „Die guten Worte und die gute Gesinnung sind wohlfeil, die Einsicht und die erfolgreichen Thaten sind theuer; sie sind in diesem Fall mehr als theuer, sie sind noch gar nicht zu haben. " Wenn sie noch gar nicht zu haben sind, so erkenne man jeden an, der das 30 von seiner Stellung aus Mögliche versucht. Ich überlasse es übrigens dem Takt des Lesers, ob bei dieser Gelegenheit die merkantilische Zigeunerspra che von „wohlfeil", „theuer", „mehr als theuer", „noch gar nicht zu haben" zu der Categorie der „guten Worte" und der „guten Gesinnung" zu zählen ist. 35 40 Gesetzt also, die Bemerkungen des „Preußen" über die deutsche Regie rung und die deutsche Bourgeoisie — letztere ist doch wohl einbegriffen in der „deutschen Gesellschaft" — seien vollkommen begründet. Ist dieser Theil der Gesellschaft rathloser in Deutschland, als in England und Frankreich? Kann man rathloser sein, als z. B. in England, wo man die Rathlosigkeit in ein System gebracht hat? Wenn heute Arbeiteraufstände in ganz England ausbrechen, so ist die dortige Bourgeoisie und Regierung nicht besser be- 457 Kritische Randglossen. rathen als im letzten Drittheil des achtzehnten Jahrhunderts. Ihr einziger Rath ist die materielle Gewalt, und da die materielle Gewalt in demselben Grade abnimmt, als die Ausbreitung des Pauperismus und die Einsicht des Proletariats zunehmen, so wächst nothwendig die englische Rathlosigkeit in geometrischer Proportion. 5 Unwahr, faktisch unwahr ist es endlich, daß die deutsche Bourgeoisie die allgemeine Bedeutung des schlesischen Aufstandes gänzlich verkennt. In mehreren Städten versuchen die Meister sich mit den Gesellen zu associiren. Alle liberalen deutschen Zeitungen, die Organe der liberalen Bourgeoisie strömen über von Organisation der Arbeit, Reform der Gesellschaft, Kritik 10 der Monopole und der Concurrenz etc. Alles in Folge der Arbeiter-Be wegungen. Die Zeitungen von Trier, Aachen, Köln, Wesel, Mannheim, Breslau, selbst von Berlin bringen häufig ganz verständige sociale Artikel, aus denen der „Preuße" sich immerhin belehren kann. Ja, in Briefen aus Deutschland spricht sich fortwährend die Verwunderung über den geringen 15 Widerstand der Bourgeoisie gegen sociale Tendenzen und Ideen aus. Der „Preuße" — wäre er mit der Geschichte der socialen Bewegung ver trauter — hätte seine Frage umgekehrt gesteUt. Warum deutet selbst die deutsche Bourgeoisie die partielle Noth verhältnißmäßig so universell? Woher die Animosität und der Cynismus der politischen, woher die Wider- standslosigkeit und die Sympathien der unpolitischen Bourgeoisie in Bezug auf das Proletariat? 20 Vorwärts ! Nr. 64, 10. August 1844 Nun zu den Orakelsprüchen des „Preußen" über die deutschen Arbeiter. „Die deutschen Armen", witzelt er, „sind nicht klüger als die armen Deutschen, d. h. sie sehen nirgends über ihren Heerd, ihre Fabrik, ihren 25 Distrikt hinaus: die ganze Frage ist von der aües durchdringenden politischen Seele bis jetzt noch verlassen." Um den Zustand der deutschen Arbeiter mit dem Zustand der franzö sischen und engüschen Arbeiter vergleichen zu können, mußte der „Preuße" die erste Gestalt, den Beginn der englischen und französischen Arbeiter- Bewegung mit der eben beginnenden deutschen Bewegung vergleichen. Er versäumt dies. Sem Raisonnement läuft daher auf eine Trivialität hinaus, etwa darauf, daß die Industrie in Deutschland noch nicht so entwickelt ist wie in England, oder daß eine Bewegung in ihrem Beginn anders aussieht, als in ihrem Fortschritt. Er woüte über die Eigentümlichkeit der deutschen Arbeiter-Bewegung sprechen. Er sagt kern Wort über dies sein Thema. 30 35 Der „Preuße" stelle sich dagegen auf den richtigen Standpunkt. Er wüd 458 Kritische Randglossen. finden, daß kein einziger der französischen und englischen Arbeiter-Auf - stände einen so theoretischen und bewußten Charakter besaß, wie der schlesische Weberaufstand. Zunächst erinnere man sich an das Weberlied, an diese kühne Parole des 5 Kampfes, worin Herd, Fabrik, Distrikt nicht einmal erwähnt werden, son dern das Proletariat sogleich seinen Gegensatz gegen die Gesellschaft des Privateigenthums in schlagender, scharfer, rücksichtsloser, gewaltsamer Weise herausschreit. Der schlesische Aufstand beginnt grade damit, womit die französischen und englischen Arbeiter-Auf stände enden, mit dem Be- 10 wußtsein über das Wesen des Proletariats. Die Action selbst trägt diesen überlegenen Charakter. Nicht nur die Maschinen, diese Rivalen des Arbei ters, werden zerstört, sondern auch die Kaufmannsbücher, die Titel des Eigenthums, und während alle andern Bewegungen sich zunächst nur gegen den Industrieherrn, den sichtbaren Feind kehrten, kehrt sich diese Bewegung 15 zugleich gegen den Banquier, den versteckten Feind. Endlich ist kein einziger englischer Arbeiter-Aufstand mit gleicher Tapferkeit, Überlegung und Ausdauer geführt worden. 20 25 Was den Bildungsstand oder die Bildungsfähigkeit der deutschen Arbeiter im Allgemeinen betrifft, so erinnere ich an Weitlings geniale Schriften, die in theoretischer Hinsicht oft selbst über Proudhon binausgehn, so sehr sie in der Ausführung nachstehen. Wo hätte die Bourgeoisie — ihre Philosophen und Schriftgelehrten eingerechnet — ein ähnliches Werk, wie Weitlings: „Garantien der Harmonie und Freiheit" in Bezug auf die Emancipation der Bourgeoisie — die politische Emancipation — aufzuweisen? Vergleicht man die nüchterne kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Littera- tur mit diesem maaßlosen und brillanten literarischen Debüt der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der deutschen Bourgeoisie, so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt 30 prophezeihen. Man muß gestehen, daß das deutsche Proletariat der Theo retiker des europäischen Proletariats, wie das englische Proletariat sein Nationalökonom, und das französische Proletariat sein Politiker ist. Man muß gestehen, daß Deutschland einen eben so klassischen Beruf zur socialen Revolution besitzt, wie es zur politischen unfähig ist. Denn wie die Ohnmacht der deutschen Bourgeoisie die politische Ohnmacht Deutschlands, so ist die Anlage des deutschen Proletariats — selbst von der deutschen Theorie ab gesehen — die sociale Anlage Deutschlands. Das Mißverhältniß zwischen der philosophischen und der politischen Entwicklung in Deutschland ist keine Abnormität. Es ist ein notwendiges Mißverhältniß. Erst in dem Socialismus 40 kann ein philosophisches Volk seine entsprechende Praxis, also erst im Pro 35 letariat das thätige Element seiner Befreiung finden. 459 Kritische Randglossen. Doch ich habe in diesem Augenblick weder Zeit noch Lust dem „Preußen" das Verhältniß der „deutschen Gesellschaft" zur socialen Umwälzung und aus diesem Verhältniß einerseits die schwache Reaktion der deutschen Bourgeoisie gegen den Sociaüsmus, anderseits die ausgezeichneten Anlagen des deutschen Proletariats für den Sociaüsmus zu erklären. Die ersten Elemente zum Verständniß dieses Phänomens findet er in meiner Einleitung zur Kritik der Hegel'schen Rechtsphilosophie („Deutsch-französische Jahr bücher"). 5 Die Klugheit der deutschen Armen steht also in umgekehrtem Verhältniß 10 zur Klugheit der armen Deutschen. Aber Leute, welchen jeder Gegenstand zu öffentlichen Stylübungen dienen muß, gerathen durch diese formelle Thätigkeit auf einen verkehrten Inhalt, während der verkehrte Inhalt sei nerseits wieder der Form den Stempel der Gemeinheit aufdrückt. So hat der Versuch des „Preußen" sich bei Gelegenheit wie der schlesischen Arbeiter- Unruhen in der Form der Antithese zu bewegen, ihn zu der größten Antithese 15 gegen die Wahrheit verführt. Die einzige Aufgabe eines denkenden und wahrheitsliebenden Kopfes, Angesichts eines ersten Ausbruchs des schle sischen Arbeiter-Aufstandes, bestand nicht darin den Schulmeister dieses Ereignisses zu spielen, sondern vielmehr seinen eigenthümlichen Charakter zu studiren. Dazu gehört allerdings einige wissenschaftliche Einsicht und 20 einige Menschenliebe, während zu der andern Operation eine fertige Phraseologie, eingetunkt in eine hohle Selbstliebe, vollständig hin reicht. Warum beurtheilt der „Preuße" die deutschen Arbeiter so verächtlich? Weil er die „ganze Frage" — nämlich die Frage der Arbeiternoth — „bis 25 jetzt noch" von der „alles durchdringenden politischen Seele" verlassen findet. Er führt seine platonische Liebe zu der politischen Seele näher dahin aus: „Es werden alle Aufstände in Blut und Unverstand ersticken, die in dieser heillosen Isolirung der Menschen von dem Gemeinwesen und ihrer Ge- danken von den socialen Principien ausbrechen; erzeugt aber erst die Noth den Verstand und entdeckt der politische Verstand der Deutschen die Wurzel der geselligen Noth, alsdann werden auch in Deutschland diese Ereignisse als Symptome einer großen Umwälzung empfunden werden." 30 Zunächst erlaube uns der „Preuße" eine stylistische Bemerkung. Seine Antithese ist unvollkommen. In der ersten Hälfte heißt es: Erzeugt die Noth den Verstand, und in der zweiten Hälfte: entdeckt der politische Verstand die Wurzel der geselligen Noth. Der einfache Verstand in der ersten Hälfte der Antithese wird in der zweiten Hälfte zum politischen Verstand, wie die einfache Noth der ersten Hälfte der Antithese in der zweiten Hälfte zur geselligen Noth wird. Warum hat der Stylkünstler beide Hälften der Anti- 35 40 460 Kritische Randglossen... these so ungleich beschenkt? Ich glaube nicht, daß er sich darüber Rechen schaft abgelegt hat. Ich will ihm seinen richtigen Instinkt deuten. Hätte der „Preuße" geschrieben: „Erzeugt die gesellige Noth den politischen Verstand und entdeckt der politische Verstand die Wurzel der geselligen Noth", so konnte keinem unbefangnen Leser der Unsinn dieser Antithese entgehn. Zunächst hätte jeder sich gefragt, warum stellt der Anonyme nicht den geselligen Verstand zur geselligen Noth und den politischen Verstand zur politischen Noth, wie die einfachste Logik gebietet? Nun zur Sache! 5 10 Es ist so falsch, daß die gesellige Noth den politischen Verstand erzeugt, daß vielmehr umgekehrt das gesellige Wohlbefinden den politischen Ver stand erzeugt. Der politische Verstand ist ein Spiritualist und wird dem gegeben, der schon hat, der schon behaglich in seiner Wolle sitzt. Unser „Preuße" höre darüber einen französischen Nationalökonomen, Herrn Michel Chevalier: „Im Jahre 1789, als die Bourgeoisie sich erhob, fehlte ihr, 15 um frei zu sein, nur die Theilnahme an der Regierung des Landes. Die Befreiung bestand für sie darin, die Leitung der öffentlichen Angelegen heiten, die hohen bürgerlichen, militärischen und religiösen Funktionen den Händen der Privilegirten, welche das Monopol dieser Funktionen besaßen, zu entziehen. Reich und aufgeklärt, im Stande sich selbst genug zu sein und sich selbst zu lenken, wollte sie sich dem régime du bon plaisir entziehen." 20 Wie unfähig der politische Verstand ist, die Quelle der geselligen Noth zu entdecken, haben wir dem „Preußen" schon nachgewiesen. Über diese seine Ansicht noch ein Wort. Je ausgebildeter und allgemeiner der politische Verstand eines Volkes ist, um so mehr verschwendet das Prolétariat — 25 wenigstens im Beginn der Bewegung — seine Kräfte an unverständige, nutzlose und in Blut erstickte Erneuten. Weil es in der Form der Politik denkt, erblickt es den Grund aller Übelstände im Willen und alle Mittel zur Abhülfe in der Gewalt und dem Umsturz einer bestimmten Staatsform. Beweis: die ersten Ausbrüche des französischen Proletariats. Die Arbeiter zu Lyon glaubten nur politische Zwecke zu verfolgen, nur Soldaten der Republik zu sein, während sie in Wahrheit Soldaten des Socialismus waren. So ver dunkelte ihr politischer Verstand ihnen die Wurzel der geselligen Noth, so verfälschte er ihre Einsicht in ihren wirklichen Zweck, so belog ihr politi scher Verstand ihren socialen Instinkt. 30 35 40 Wenn aber der „Preuße" die Erzeugung des Verstandes durch die Noth erwartet, warum wirft er die „Erstickungen in Blut" und die „Erstickungen in Unverstand" zusammen? Ist die Noth überhaupt ein Mittel, so ist die blutige Noth sogar ein sehr acutes Mittel zur Erzeugung des Verstandes. Der „Preuße" mußte also sagen: Die Erstickung im Blut wird den Unverstand ersticken und dem Verstände einen gehörigen Luftzug verschaffen. Der „Preuße" prophezeit die Erstickung der Aufstände, die in der „heil- 461 Kritische Randglossen. losen Isoärung der Menschen vom Gemeinwesen und in der Trennung ihrer Gedanken von den socialen Principien" ausbrechen. Wir haben gezeigt, daß der schlesische Aufstand keineswegs in der Trennung der Gedanken von den socialen Principien statt fand. Wir haben es nur noch mit der „heillosen Isoltung der Menschen vom Gemeinwesen" zu thun. Unter Gemeinwesen ist hier das politische Gemeinwesen, das ist das alte Lied von dem unpolitischen Staatswesen zu verstehn. Es Deutschland. Brechen aber nicht alle Aufstände ohne Ausnahme in der heillosen Iso lirung des Menschen vom Gemeinwesen aus? Setzt nicht jeder Aufstand diese Isolirung nothwendig voraus? Hätte die Revolution von 1789 statt gefunden ohne die heillose Isolirung der französischen Bürger vom Ge meinwesen? Sie war eben dazu bestimmt, diese Isolirung aufzuheben. 5 10 Das Gemeinwesen aber, von welchem der Arbeiter isolirt ist, ist ein Gemeinwesen von ganz andrer Realität und ganz andrem Umfang als das 15 politische Gemeinwesen. Dies Gemeinwesen, von welchem ihn seine eigene Arbeit trennt, ist das Leben selbst, das physische und geistige Leben, die menschliche Sittlichkeit, die menschliche Thätigkeit, der menschüche Genuß, das menschliche Wesen. Das menschliche Wesen ist das wahre Gemeinwesen der Menschen. Wie die heülose Isolüung von diesem Wesen unverhältnißmäßig allseitiger, unerträgücher, fürchterücher, widerspruchs voller ist, als die Isolüung vom politischen Gemeinwesen, so ist auch die Aufhebung dieser Isolirung und selbst eine partieüe Reaction, ein Aufstand gegen dieselbe um so viel unendlicher, wie der Mensch unendlicher ist als der Staatsbürger, und das menschliche Leben als das politische Leben. Der industrielle Aufstand mag daher noch so partiell sein, er verschließt in sich eine universelle Seele: der politische Aufstand mag noch so universell sein, er verbügt unter der colossalsten Form einen engherzigen Geist. 20 25 Der „Preuße" schließt semen Aufsatz würdig mit folgender Phrase: „Eine Social-Revolution ohne politische Seele (d.h. ohne die or- 30 ganisüende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen aus) ist unmögüch." Man hat gesehn. Eme sociale Revolution befindet sich deßwegen auf dem Standpunkt des Ganzen, weü sie — fände sie auch nur in einem Fabrikdistrikt statt—weü sie eine Protestation des Menschen gegen das entmenschte Leben ist, weil sie vom Standpunkt des einzelnen wirklichen Individuums ausgeht, weü das Gemeinwesen, gegen dessen Trennung von sich das Individuum reagüt, das wahre Gemeinwesen des Menschen ist, das menschliche Wesen. Die politische Seele einer Revolution besteht dagegen in der Tendenz der poütisch einflußlosen Klassen ihre Isolirung vom Staatswesen und von der Herrschaft aufzuheben. Ihr Standpunkt ist der des Staats, eines abstrakten Ganzen, das nur durch die Trennung vom wüküchen Leben besteht, das 35 40 462 Kritische Randglossen. undenkbar ist ohne den organisirten Gegensatz zwischen der allgemeinen Idee und der individuellen Existenz des Menschen. Eine Revolution von politischer Seele organisirt daher auch, der beschränkten und zwiespältigen Natur dieser Seele gemäß, einen herrschenden Kreis in der Gesellschaft, auf 5 Kosten der Gesellschaft. Wir wollen dem „Preußen" anvertrauen, was eine „sociale Revolution mit einer politischen Seele" ist; wir vertrauen ihm damit zugleich das Geheimniß, daß er selbst nicht einmal in Redensarten sich über den bornirten politischen Standpunkt zu erheben weiß. Eine „sociale" Revolution mit einer politischen Seele ist entweder ein zusammengesetzter Unsinn, wenn der „Preuße" unter „socialer" Revolution eine „sociale" Revolution im Gegensatz zu einer politischen versteht, und nichts desto weniger der socialen Revolution statt einer socialen eine poli tische Seele verleiht. Oder eine „sociale Revolution mit einer politischen Seele" ist nichts als eine Paraphrase von dem, was man sonst eine „politische Revolution" oder eine „Revolution schechthin" nannte. Jede Revolution lös't die alte Gesellschaft auf; insofern ist sie social. Jede Revolution stürzt die alte Gewalt; insofern ist sie politisch. Der „Preuße" wähle zwischen der Paraphrase und dem Unsinn ! So para- phrastisch oder sinnlos aber eine sociale Revolution mit einer pohtischen Seele, eben so vernünftig ist eine politische Revolution mit einer socialen Seele. Die Revolution überhaupt—der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse — ist ein politischer Akt. Ohne Revo- lution kann sich aber der Socialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, so weit er der Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisirende Thätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Socialismus die politische Hülle weg. 10 15 20 25 So vieler Weitläufigkeiten bedurfte es, um das Gewebe von Irrthümern, die sich in eine einzige Zeitungsspalte verstecken, zu zerreißen. Nicht alle 30 Leser können die Bildung und die Zeit besitzen, sich Rechenschaft über solche literarische Charlatanerie abzulegen. Hat also der anonyme „Preuße" dem lesenden Publikum gegenüber nicht die Verpflichtung vorläufig aller Schrif tstellerei in politischer und socialer Hinsicht, wie den Deklamationen über die deutschen Zustände zu entsagen, und vielmehr mit einer gewis- 35 senhaf ten Selbstverständigung über seinen eigenen Zustand zu beginnen? Paris, den 31. Juli 1844. Karl Marx. 463 Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. Vorwärts! Nr.66, 17. August 1844 Illustrationen zu der neuesten Cabinetsstylübung Friedrich Wilhelm IV. 5 „Ich kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit, verlassen, ohne öffentlich den tiefgefühlten Dank in Meinem und der Kö- nigin Namen auszusprechen, von dem Unser Herz bewegt ist. Er ist durch die unzähligen mündlichen und schriftlichen Beweise der Liebe zu Uns erzeugt worden, die das Attentat vom 26. Juli hervorgerufen hat,—der Liebe, die Uns im Augenblicke des Verbrechens selbst entgegenjauchzte, als die Hand des Allmächtigen das tödtliche Geschoß von Meiner Brust zu Boden 10 geworfen hatte. Im Aufblick zu dem göttlichen Erretter gehe Ich mit frischem Muthe an Mein Tagewerk, Begonnenes zu vollenden, Vorbereitetes aus zuführen, das Böse mit neuer Sieges-Gewißheit zu bekämpfen, und Meinem Volke das zu sein, was Mein hoher Beruf Mir auflegt, und Meines Volkes Liebe verdient. 15 Erdmannsdorf, den 5. August 1844. (gez.) Friedrich Wilhelm." Der unmittelbare Affect ist ein schlechter Schriftsteller. Der Brief, den der Liebende in großer Aufregung der Geliebten schreibt, ist kein stylistisches Muster, aber eben diese Confusion des Ausdrucks ist der klarste, sinn- 20 fälligste, herzergreifendste Ausdruck von der Macht der Liebe über den Briefsteller. Die Macht der Liebe über den Briefsteller ist die Macht der Geliebten über ihn. Jene leidenschaftliche Unklarheit und haltlose Ver wirrung des Styls schmeichelt daher dem Herzen der Geliebten, indem das reflectirte, allgemeine und daher unzuverlässige Wesen der Sprache einen 25 unmittelbar individuellen, sinnlich-gewaltsamen und darum absolut-zuver- 464 Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. lässigen Charakter angenommen hat. Der verdachtslose Glauben an die Wahrheit der Liebe, welche der Geliebte für sie äußert, ist aber der höchste Selbstgenuß der Geliebten, ihr Glauben an sich selbst. 5 Aus diesen Vordersätzen folgt: Wir erweisen dem preußischen Volke einen unermeßlichen Dienst, wenn wir die innere Wahrheit des königüchen Dankes über allen Zweifel erheben. Wir erheben diese Wahrheit aber über allen Zweifel, indem wir die Gewalt der dankbaren Empfindung über den königlichen Schriftsteller beweisen, und wir beweisen die Gewalt dieser Empfindung über den königüchen SchriftsteUer, indem wir die stylistische 10 Confusion der danksagenden Cabinetsordre beweisen. Man wird also den Zweck unserer patriotischen Analyse nicht mißdeuten. „Ich kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit verlassen, ohne öffentüch den tiefgefühlten Dank in Meinem und der Kö nigin Namen auszusprechen, von dem Unser Herz bewegt ist." 15 25 20 Nach der Satzstellung glaubt man im ersten Augenblick, die königlichen Busen seien von ihrem eigenen Namen bewegt. Schärft die Verwunderung über diese sonderbare Bewegung das Nachdenken, so findet man, daß sich die relative Verbindung „von dem unser Herz bewegt ist", nicht auf den Namen, sondern auf den weiter abstehenden Dank bezieht: Der Singularis „unser Herz" für das Herz des Königs und das Herz der Königin kann als poetische Kühnheit, als herzlicher Ausdruck der herzlichen Einheit des herzüchen hohen Paars gerechtfertigt werden. Die lakonische Kürze: „in Meinem und der Königin Namen" statt: „in meinem Namen und im Namen der Königin" verführt leicht zu einer falschen Deutung. Unter „meinem und der Königin Namen" läßt sich der einfache Name des Königs verstehen, da der Name des Manns, des Mannes und der Frau Name ist. Nun ist es zwar ein Privilegium der großen Männer und der Kinder, statt ihres „Ich" ihren Namen zum Subjekt zu machen. So darf Cäsar statt: „Ich siegte" sagen: „Cäsar siegte." So sagen die Kinder nicht: „Ich wül in die Schule nach Wien 30 gehn", sondern: „Friedrich, Karl, Wühelm etc. wül in die Schule nach Wien gehn." Eine gefährliche Neuerung aber wäre, sein „Ich" zum Subjekt zu machen, und zugleich zu versichern, dies „Ich" spreche in seinem „eignen" Namen. Eine solche Versicherung könnte das Geständniß, daß man ge- wöhnüch nicht aus eigener Inspiration spreche, zu enthalten scheinen. „Ich 35 kann den vaterländischen Boden nicht, wenn auch nur auf kurze Zeit, ver lassen" ist eine nicht ganz geschickte und nicht eben das Verständniß er leichternde Umschreibung von: „Ich kann den vaterländischen Boden selbst auf kurze Zeit nicht verlassen, ohne etc." Diese Schwierigkeit entstand durch die Combination der drei Gedanken: 1) daß der König seinen Boden verläßt, 40 2) daß er ihn nur auf kurze Zeit verläßt, 3) daß er das Bedürfniß fühlt, dem Volke zu danken. Die zu gedrängte Veröffentlichung dieser drei Gedanken 465 Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. bringt den Schein hervor, als spreche der König seinen Dani: nur aus, weil er seinen Boden verläßt. War aber der Dank ein ernstgemeinter, strömte er aus dem Herzen, so konnte seine Äußerung unmöglich an einen sol chen Zufall geknüpft sein. Voll Herz macht sich unter allen Umständen Luft. „Er (der Dank) ist durch die unzähligen mündlichen und schriftlichen Beweise der Liebe zu Uns erzeugt worden, die das Attentat vom 26. Juli hervorgerufen hat — der Liebe, die Uns im Augenblick des Verbrechens selbst entgegenjauchzte, als die Hand des Allmächtigen das tödtliche Ge schoß von Meiner Brust zu Boden geworfen hatte." 5 10 Man weiß nicht, ob das Attentat die Liebe oder die Beweise der Liebe hervorgerufen hat, um so weniger als der Genitivus „der Liebe" nach der Parenthese wieder als der herrschende und accentuirte Redetheil des Satzes erscheint. Die stylistische Kühnheit in der Wiederholung dieses Genitivus springt in die Augen. Die Schwierigkeit wächst, wenn wir den Inhalt des 15 Satzes betrachten. Durfte die Liebe, welche sprach und schrieb, unmittelbar als das Subjekt bezeichnet werden, welches auf der Straße lärmte? Er heischte nicht die chronologische Wahrheit, mit der Liebe zu beginnen, die sich sogleich in Gegenwart des Ereignisses äußerte, und dann erst zu den späteren Äußerungen der Liebe in Schrift und Rede überzugehn? 20 War nicht der Verdacht zu vermeiden, als wolle der König zugleich der Aristokratie und dem Volke schmeicheln? der Aristokratie, indem ihre schriftlichen und mündlichen Liebesäußerungen, obgleich der Zeit nach später als die populären Liebesäußerungen, doch der Wirkung nach früher den Dank im königlichen Herzen zu erzeugen wußten; dem Volke, indem seine jauchzende Liebe für ein und dasselbe Wesen wie jene schreibende und redende Liebe erklärt, also der Geburtsadel der Liebe auf gehoben wird? Es scheint endlich nicht ganz geeignet, Gotteshand unmittelbar das „Ge schoß" pariren zu lassen, indem einigermaaßen conséquentes Denken auf diese Weise zu dem Trugschluß gelangen wird, Gott habe die Hand des 30 Frevlers zugleich auf den König geleitet und zugleich das Geschoß von dem König abgeleitet; denn wie kann man eine einseitige Aktion Gottes vor aussetzen? 25 „Im Aufblick zu dem göttlichen Erretter gehe ich mit frischem Muth an mein Tagewerk, Begonnenes zu vollenden, Vorbereitetes auszuführen, das Böse mit Sieges-Gewißheit zu bekämpfen und meinem Volke das zu sein, was mein hoher Beruf mir auflegte und meines Volkes Liebe verdient." 35 Man kann nicht wohl sagen: „Ich gehe, etwas zu sein." Allenfalls kann man gehen „etwas zu werden". Die Bewegung im Werden erscheint we nigstens als Resultat der Bewegung des Gehns, obgleich wir auch die letztere 40 Wendung nicht als korrekt empfehlen wollen. Daß Seine Majestät „im 466 Illustrationen zu der neuesten Kabinettsstilübung Friedrich Wilhelms IV. Aufblick zu Gott geht", das „Begonnene zu vollenden, das Vorbereitete auszuführen", scheint weder der Vollendung noch der Ausführung günstige Chancen zu versprechen. Um Begonnenes zu vollenden und Vorbereitetes auszuführen, dazu muß man den Bück fest auf das Begonnene und Vor bereitete richten, und nicht von diesen Gegenständen weg in die blaue Luft schauen. Wer wahrhaft „im Aufbück zu Gott geht", wird der „nicht im Anblick Gottes aufgehn"! Werden dem nicht alle weltlichen Pläne und Einfäüe vergehnl Der isoürte, durch ein Comma auf sich selbst verwiesene Schlußsatz: „und meines Volkes Liebe verdient", scheint auf einen un ausgesprochenen, versteckten Nachsatz zu deuten, wie etwa: „Verdient die Knute des Schwagers Nikolaus und die Politik des Gevatters Metternich"; oder auch: „verdient das Constitutionchen des Ritters Bunsen". 467 BRIEFE A US DEN „ D E U T S C H - F R A N Z Ö S I S C H EN J A H R B Ü C H E R N" Ein Briefwechsel von 1843 Briefe von Karl Marx, Arnold Ruge, Michail Alexandrowitsch Bakunin und Ludwig Feuerbach Zusammengestellt und redigiert von Arnold Ruge Deutsch-Französische Jahrbücher. Lfg.1/2. 1844 |17| Ein Briefwechsel von 1843. M. an R. Auf der Treckschuit nach D. im März 1843. Ich reise jetzt in Holland. So viel ich aus den hiesigen und französischen 5 Zeitungen sehe, ist Deutschland tief in den Dreck hineingeritten und wird es noch immer mehr. Ich versichere Sie, wenn man auch nichts weniger als Nationalstolz fühlt, so fühlt man doch Nationalscham, sogar in Holland. Der kleinste Holländer ist noch ein Staatsbürger gegen den größten Deut schen. Und die Urtheile der Ausländer über die preußische Regierung! Es 10 herrscht eine erschreckende Uebereinstimmung, niemand täuscht sich mehr über dies System und seine einfache Natur. Etwas hat also doch die neue Schule genützt. Der Prunkmantel des Liberalismus ist gefallen und der wider wärtigste Despotismus steht in seiner ganzen Nacktheit vor aller Welt Augen. 15 20 Das ist auch eine Offenbarung, wenn gleich eine umgekehrte. Es ist eine Wahrheit, die uns zum wenigsten die Hohlheit unsers Patriotismus, die Un natur unsers Staatswesens kennen und unser Angesicht verhüllen lehrt. Sie sehen mich lächelnd an und fragen, was ist damit gewonnen? Aus Scham macht man keine Revolution. Ich antworte: die Scham ist schon eine Revo- lution; sie ist wirklich der Sieg der französischen Revolution über den deut schen Patriotismus, durch den sie 1813 besiegt wurde. Scham ist eine Art Zorn, der in sich gekehrte. Und wenn eine ganze Nation sich wirklich schämte, so wäre sie der Löwe, der sich zum Sprunge in sich zurückzieht. Ich gebe zu, sogar die Scham ist in Deutschland noch nicht vorhanden; im 25 Gegentheil, diese Elenden sind noch Patrioten. Welches System sollte ihnen aber den Patriotismus austreiben, wenn nicht dieses lächerliche des neuen Ritters? Die Komödie des Despotismus, die mit uns aufgeführt wird, ist für 471 Ein Briefwechsel von 1843 ihn eben so gefährlich, als es einst den Stuarts und Bourbonen die ||l8| Tra gödie war. Und selbst, wenn man diese Komödie lange Zeit nicht für das halten sollte, was sie ist, so wäre sie doch schon eine Revolution. Der Staat ist ein zu ernstes Ding, um zu einer Harlekinade gemacht zu werden. Man könnte vielleicht ein Schiff voll Narren eine gute Weile vor dem Winde treiben lassen; aber seinem Schicksal trieb' es entgegen eben darum, weil die Narren dies nicht glaubten. Dieses Schicksal ist die Revolution, die uns bevorsteht. 5 R. an M. Berlin, im März 1843. 10 „Es ist ein hartes Wort und dennoch sag' ich's, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Herren und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen. — Ist das nicht ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt unter einander liegen, indeß das vergossene 15 Lebensblut im Sande zerrinnt?" Hölderlin im Hyperion. — Dies das Motto meiner Stimmung und leider ist sie nicht neu; derselbe Gegenstand wirkt von Zeit zu Zeit ähnlich auf die Menschen. Ihr Brief ist eine Illusion. Ihr Muth entmuthigt mich nur noch mehr. Wir werden eine politische Revolution erleben? wir, die Zeitgenossen dieser 20 Deutschen? Mein Freund, Sie glauben was Sie wünschen. O, ich kenne das ! Es ist sehr süß zu hoffen und sehr bitter, alle Täuschungen abzuthun. Es gehört mehr Muth zur Verzweiflung, als zur Hoffnung. Aber es ist der Muth der Vernunft, und wir sind auf dem Punkte angekommen, wo wir uns nicht mehr täuschen dürfen. Was erleben wir in diesem Augenblick? Eine zweite Auflage der Karlsbader Beschlüsse, eine durch 25 das Weglassen der versprochenen Preßfreiheit vermehrte und durch das Versprechen der Censur verbesserte, — ein zweites Mißlingen der politischen Freiheitsversuche, und diesmal ohne Leipzig und Bellealliance, ohne Anstrengungen, von denen aus- zuruhn wir Ursache hätten. Jetzt ruhen wir aus vom Ausruhn; und zur Ruhe bringt uns die einfache Wiederholung der alten despotischen Maxime, das Abschreiben ihrer 30 Urkunden. Wir fallen aus einer Schmach in die andere. Ich habe vollkommen dasselbe Gefühl des Drucks und der Entwürdigung, wie zur ||19| Zeit der Napoleonischen Eroberung, wenn Rußland der deutschen Presse eine strengere Censur verordnet; und wenn Sie darin einen Trost finden, daß wir jetzt dieselbe Offenherzigkeit, wie damals genießen, so tröstet mich das durchaus nicht. Als Napoleon in Erfurt zu den 35 deutschen Gratulanten, die ihn mit notre prince anredeten, sagte: je ne suis pas votre prince, je suis votre maître; wurde er mit rauschendem Beifall aufgenommen. Und hätte ihm der russische Schnee nicht darauf geantwortet, die deutsche Entrüstung schliefe noch. Sagen Sie mir nicht, dieses unverschämte Wort sei blutig gerächt worden, reden Sie mir nicht ein, die zufällige Rache wäre nothwendig erfolgt, alle 40 Völker seien abgefallen von dem nackten und bloßen Despotismus, sobald er sich 472 R. an M. Berlin, im März 1843 ganz enthüllt hätte. Ich will ein Volk sehen, das ohne alle andere Völker seine Schmach fühlt; ich nenne Revolution die Umkehr aller Herzen und die Erhebung aller Hände für die Ehre des freien Menschen, für den freien Staat, der keinem Herrn gehört, sondern das öffentliche Wesen selbst ist, das nur sich angehört. So weit 5 bringen es die Deutschen nie. Sie sind längst historisch zu Grunde gegangen. Daß sie überall mit zu Felde gelegen, beweist nichts. Es wird den eroberten und be herrschten Völkern nicht erspart, sich zu schlagen, aber sie sind nur Gladiatoren, die sich für einen fremden Zweck schlagen und, wenn ihre Herren den Daumen nieder drücken, sich erwürgen. „Seht, wie das Volk sich für uns schlägt!"' sagte 1813 der 10 König von Preußen. Deutschland ist nicht der überlebende Erbe, sondern die an zutretende Erbschaft. Die Deutschen zählen nie nach kämpfenden Partheien, sondern nach der Seelenzahl, die dort zu verkaufen ist. Sie sagen, die liberale Heuchelei ist entlarvt. Es ist wahr, es ist sogar noch mehr geschehn. Die Menschen fühlen sich verstimmt und beleidigt, man hört Freunde und 15 Bekannte unter einander räsonniren, überall redet man hier von dem Schicksal der Stuarts und wer sich fürchtet, unvorsichtige Worte zu sagen, der schüttelt wenigstens den Kopf, um anzuzeigen, daß eine gewisse Bewegung in ihm vorgeht. Aber alles redet und redet nur: ist auch nur Einer da, der seinem Unwillen zutraute, daß er allgemein sei? Ist ein Einziger so thörigt, unsre Spießbürger und ihre unvergängliche 20 Schaafsgeduld zu verkennen? — Fünfzig Jahre nach der französischen Revolution und die Erneuerung aller Unverschämtheiten des alten Despotismus, das haben wir erlebt. Sagen Sie nicht, das neunzehnte Jahrhundert erträgt ihn nicht. Die Deutschen haben dies Problem ||20| gelös't. Sie ertragen ihn nicht nur, sie ertragen ihn mit Patriotismus, und wir, die wir darüber erröthen, grade wir wissen, daß sie ihn ver- 25 dienen. Wer hätte nicht gedacht, dieser schneidende Rückfall vom Reden ins Schweigen, vom Hoffen in die Hoffnungslosigkeit, von einem menschenähnlichen in einen völlig sklavischen Zustand würde alle Lebensgeister aufregen, jedem das Blut zum Herzen treiben und einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervorrufen! Der Deutsche hatte nichts, als die Geisterfreiheit, die der Mensch, der einem andern leibeigen ist, immer noch haben kann, und auch diese ist ihm nun entrissen; die deutschen Philosophen waren schon früher Diener der Menschen, sie redeten und schwiegen auf Befehl, Kant hat uns die Dokumente mitgetheilt; aber man duldete die Kühnheit, daß sie in abstracto den Menschen für frei erklärten. Jetzt ist auch diese Freiheit, die sogenannte wissenschaftliche oder die principielle, die sich bescheidet, 35 nicht realisirt zu werden, aufgehoben und es haben sich natürlich Leute genug ge 30 funden, die Tasso's Glauben predigen: 40 Glaubt nicht, daß mir Der Freiheit wilder Trieb den Busen blähe. Der Mensch ist nicht geboren frei zu sein. Und für den Edlen ist kein schöner Glück, Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Wollten wir einwenden: und wenn er ihn nicht ehrt? so wiederholen sie: frei zu sein, ist er nicht geboren. Es handelt sich um seinen Begriff, nicht um sein Glück. Ja, Tasso hat recht, ein Mensch der einem Menschen dient, und den man einen 473 Ein Briefwechsel von 1843 Sklaven nennt, kann sich glücklich fühlen, er kann sich sogar adelig fühlen, die Geschichte und die Türkei beweisen es. Zugegeben also, daß nicht Mensch und freies Wesen, sondern Mensch und Diener ein Begriff ist, so ist die alte Welt gerecht fertigt. Gegen das Factum, daß die Menschen zum Dienen geboren und ein Besitzthum ihrer angebornen Herren seien, hatten die Deutschen 25 Jahre nach der Revolution nichts einzuwenden. Im deutschen Bunde sind die deutschen Fürsten zusammen getreten, um ihren Privatbesitz von Land und Leuten wieder herzustellen und die „Menschenrechte" wieder abzuschaffen. Das war antifranzösisch, man jauchzte ihnen zu. Nun kommt die Theorie dieses Factum s hinterher und warum sollte 10 Deutschland sie nicht ohne Unwillen anhören! Warum sich nicht über sein Schicksal mit dem Gedanken ||2l| trösten, es muß so sein, der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein? 5 Und so ist es, dies Geschlecht ist wirklich nicht geboren frei zu sein. Dreißig Jahre, politisch verödet und unter einem so entwürdigenden Druck, daß selbst die Gedanken 15 und die Gefühle der Menschen von der geheimen Polizei der Censur beaufsichtigt und geregelt wurden, haben Deutschland politisch nichtiger hinterlassen, als es je gewesen. Sie sagen, das Narrenschiff, welches ein Spiel von Wind und Wellen ist, wird seinem Schicksal nicht entgehn und dieses Schicksal ist die Revolution. Aber Sie setzen nicht hinzu, diese Revolution ist die Genesung der Narren, im Gegentheü, 20 ihr Bild führt nur auf den Gedanken des Unterganges. Aber ich gebe Ihnen auch den Untergang nicht zu, der noch erst zu erwarten wäre. Physisch geht dies brauchbare Volk nicht unter, und geistig oder mit seiner Existenz als freies Volk ist es längst am Ende. Wenn ich Deutschland nach seiner bisherigen und nach seiner gegenwärtigen 25 Geschichte beurtheüe; so werden Sie mü nicht einwerfen seine ganze Geschichte sei verfälscht und seine ganze jetzige Oeffentlichkeit stelle nicht den eigentlichen Zu stand des Volkes dar. Lesen Sie die Zeitungen, welche Sie wollen, überzeugen Sie sich, daß man nicht aufhört — und Sie werden zugeben, daß die Censur niemanden hindert aufzuhören, — die Freiheit und das Nationalglück zu loben, welches wü 30 besitzen; und dann sagen Sie einem Engländer, einem Franzosen oder auch nur einem Holländer, daß dies nicht unsre Sache und unser Character wäre. Der deutsche Geist, so weit er zum Vorschein kommt, ist niederträchtig, und ich trage kein Bedenken zu behaupten, wenn er nicht anders zum Vorschein kommt, so ist dies lediglich die Schuld seiner niederträchtigen Natur. Oder wollen Sie seine 35 Privatexistenz, seine stillen Verdienste, seine ungedruckten Tischgespräche, seine Faust in der Tasche so hoch anschlagen, daß ihm die Schmach seiner gegenwärtigen Erscheinung durch die Ehre seiner Zukunft noch einmal abgewaschen werden könnte? O, diese deutsche Zukunft! Wo ist ihr Same gesät? Etwa in der schmach vollen Geschichte, die wü bisher durchlebt? Oder in der Verzweiflung derer, die von 40 Freiheit und geschichüichen Ehren einen Begriff haben? Oder gar in dem Hohn, den fremde Völker über uns ausschütten und grade dann aufs empfindlichste uns zu fühlen geben, wenn sie es am besten mit uns meinen? Denn den Grad politischer Fühllosigkeit und Verkommenheit, zu dem wir wirklich herabgesunken sind, können jene ||22| sich gar nicht vorstellen. Lesen Sie nur die Times über die Unterdrückung 45 474 M. an R. Köln, im Mai 1843 der Presse in Preußen. Lesen Sie, wie freie Männer reden, lesen Sie, wie viel Selbst gefühl sie uns noch zutrauen, uns, die wir gar keins besitzen, und bedauern Sie Preußen, bedauern Sie Deutschland. Ich weiß, daß ich dazu gehöre; glauben Sie nicht, daß ich mich der allgemeinen Schmach entziehn will. Werfen Sie mir vor, daß ich es nicht besser mache, als die andern, fordern Sie mich auf, mit dem neuen Princip eine neue Zeit heraufzuführen und ein Schriftsteller zu sein, dem ein freies Jahr hundert folgt, sagen Sie mir jede Bitterkeit, ich bin darauf gefaßt. Unser Volk hat keine Zukunft, was liegt an unserm Ruf? M. an R. Köln, im Mai 1843. 5 10 Ihr Brief, mein theurer Freund, ist eine gute Elegie, ein athemversetzender Grabgesang; aber politisch ist er ganz und gar nicht. Kein Volk verzweifelt, und sollt' es auch lange Zeit nur aus Dummheit hoffen, so erfüllt es sich doch nach vielen Jahren einmal aus plötzlicher Klugheit alle seine frommen 15 Wünsche. 20 25 Doch, Sie haben mich angesteckt, Ihr Thema ist noch nicht erschöpft, ich will das Finale hinzufügen, und wenn Alles zu Ende ist, dann reichen Sie mir die Hand, damit wir von vorne wieder anfangen. Laßt die Todten ihre Todten begraben und beklagen. Dagegen ist es beneidenswerth, die ersten zu sein, die lebendig ins neue Leben eingehen; dies soll unser Loos sein. Es ist wahr, die alte Welt gehört dem Philister. Aber wir dürfen ihn nicht wie einen Popanz behandeln, von dem man sich ängstlich wegwendet. Wir müssen ihn vielmehr genau ins Auge fassen. Es lohnt sich, diesen Herrn der Welt zu studiren. Herr der Welt ist er freilich nur, indem er sie, wie die Würmer einen Leichnam, mit seiner Gesellschaft ausfüllt. Die Gesellschaft dieser Herren braucht darum nichts weiter als eine Anzahl Sklaven und die Eigenthümer der Sklaven brauchen nicht frei zu sein. Wenn sie wegen ihres Eigenthums an Land und Leuten Herren im eminenten Sinne genannt werden, sind sie 30 darum nicht weniger Philister, als ihre Leute. | |23| Menschen, das wären geistige Wesen, freie Männer Republikaner. Beides wollen die Spießbürger nicht sein. Was bleibt ihnen übrig, zu sein und zu wollen? Was sie wollen, leben und sich fortpflanzen (und weiter, sagt Göthe, 35 bringt es doch keiner), das will auch das Thier, höchstens würde ein deut scher Politiker noch hinzuzusetzen haben, der Mensch wisse aber, daß er es wolle, und der Deutsche sei so besonnen, nichts weiter zu wollen. Das Selbstgefühl des Menschen, die Freiheit, wäre in der Brust dieser Menschen erst wieder zu erwecken. Nur dies Gefühl, welches mit den 475 Ein Briefwechsel von 1843 Griechen aus der Welt und mit dem Christenthum in den blauen Dunst des Himmels verschwindet, kann aus der Gesellschaft wieder eine Gemeinschaft der Menschen für ihre höchsten Zwecke, einen demokratischen Staat machen. Die Menschen dagegen, welche sich nicht als Menschen fühlen, wachsen ihren Herren zu, wie eine Zucht von Sklaven oder Herden. Die angestamm ten Herren sind der Zweck dieser ganzen Gesellschaft. Diese Welt gehört ihnen. Sie nehmen sie, wie sie ist und sich fühlt. Sie nehmen sich selbst, wie sie sich vorfinden; und stellen sich hin, wo ihre Füße gewachsen sind, auf die Nacken dieser politischen Thiere, die keine andere Bestimmung kennen, 10 als ihnen „unterthan, hold und gewärtig" zu sein. 5 Die Philisterwelt ist die politische Thierwelt, und wenn wir ihre Existenz anerkennen müssen, so bleibt uns nichts übrig, als dem status quo einfacher Weise recht zu geben. Barbarische Jahrhunderte haben ihn erzeugt und aus gebildet, und nun steht er da als ein conséquentes System, dessen Princip 15 die entmenschte Welt ist. Die vollkommenste Philisterwelt, unser Deutsch land, mußte also natürlich weit hinter der französischen Revolution, die den Menschen wieder herstellte, zurückbleiben; und der deutsche Aristoteles, der seine Politik aus unsern Zuständen abnehmen wollte, würde an ihre Spitze schreiben: „der Mensch ist ein geselliges, jedoch völlig unpolitisches 20 Thier", den Staat aber könnte er nicht richtiger erklären, als dies Herr Zöpfl, der Verfasser des „konstitutionellen Staatsrechts in Deutschland", bereits gethan hat. Er ist nach ihm ein „Verein von Familien", welcher, fahren wir fort, einer allerhöchsten Familie, die man Dynastie nennt, erb- und eigenthümüch zugehört. Je fruchtbarer die Familien sich zeigen, desto 25 glücklicher die Leute, desto größer der Staat, desto mächtiger die Dynastie, weßwegen denn auch in dem normaldespo||24|tischen Preußen auf den siebenten Jungen eine Prämie von 50 Rthlrn gesetzt ist. 30 Die Deutschen sind so besonnene Realisten, daß alle ihre Wünsche und ihre hochfliegendsten Gedanken nicht über das kahle Leben hinausreichen. Und diese Wirkhchkeit, nichts weiter, acceptiren die, welche sie beherr schen. Auch diese Leute sind Realisten, sie sind sehr weit von allem Denken und von aller menschlichen Größe entfernt, gewöhnliche Offiziere und Landjunker, aber sie irren sich nicht, sie haben Recht, sie, so wie sie sind, reichen vollkommen aus, dieses Thierreich zu benutzen und zu beherrschen, 35 denn Herrschaft und Benutzung ist Ein Begriff, hier wie überall. Und wenn sie sich huldigen lassen und über die wimmelnden Köpfe dieser hirnlosen Wesen hinsehen, was liegt ihnen näher, als der Gedanke Napoleons an der Beresina? Man sagt ihm nach, er habe hinuntergewiesen auf das Gewimmel der Ertrinkenden und seinem Begleiter zugerufen: Voyez ces crapauds! 40 Diese Nachrede ist wahrscheinlich eine Lüge, aber wahr ist sie nichts desto 476 M. an R. Köln, im Mai 1843 weniger. Der einzige Gedanke des Despotismus ist die Menschenverach tung, der entmenschte Mensch, und dieser Gedanke hat vor vielen andern den Vorzug, zugleich Thatsache zu sein. Der Despot sieht die Menschen immer entwürdigt. Sie ersaufen vor seinen Augen und für ihn im Schlamm des gemeinen Lebens, aus dem sie auch, gleich den Fröschen, immer wieder hervorgehen. Drängt sich nun selbst Menschen, die großer Zwecke fähig waren, wie Napoleon vor seiner Dynastietollheit, diese Ansicht auf, wie sollte ein ganz gewöhnlicher König in einer solchen Realität Idealist sein? 5 1 o Das Prinzip der Monarchie überhaupt ist der verachtete, der verächtliche, der entmenschte Mensch; und Montesquieu hat sehr unrecht, die Ehre dafür auszugeben. Er hilft sich mit der Unterscheidung von Monarchie, Despotie und Tyrannei. Aber das sind Namen Eines Begriffs, höchstens eine Sitten verschiedenheit bei demselben Prinzip. Wo das monarchische Prinzip in der Majorität ist, da sind die Menschen in der Minorität, wo es nicht bezweifelt 15 wird, da gibt es keine Menschen. Warum soll nun ein Mann, wie der König von Preußen, der keine Proben davon hat, daß er problematisch wäre, nicht lediglich seiner Laune folgen? Und nun er es thut, was kommt dabei heraus? Widersprechende Absichten? Gut, so wird nichts daraus. Ohnmächtige Tendenzen? Sie sind immer noch die einzige politische Wirklichkeit. Bla- 20 magen und Verlegenheiten? Es gibt nur Eine Blamage und nur Eine Ver legenheit, das Heruntersteigen |¡25| vom Thron. So lange die Laune an ihrem Platze bleibt, hat sie Recht. Sie mag dort so unbeständig, so kopflos, so verächtlich sein, wie sie will; sie ist immer noch gut genug, ein Volk zu regieren, welches nie ein anderes Gesetz gekannt hat, als die Willkür seiner 25 Könige. Ich sage nicht, ein kopfloses System und der Verlust der Achtung im Innern und nach Außen werde ohne Folgen bleiben, ich nehme die Assecurranz des Narrenschiffes nicht auf mich; aber ich behaupte, der König von Preußen wird so lange ein Mann seiner Zeit sein, als die verkehrte Welt die wirkliche ist. 30 35 40 Sie wissen, ich beschäftige mich viel mit diesem Manne. Schon damals, als er nur noch das Berliner politische Wochenblatt zu seinem Organe hatte, erkannte ich seinen Werth und seine Bestimmung. Er rechtfertigte schon bei der Huldigung in Königsberg meine Vermuthung, daß nun die Frage rein persönlich werden würde. Er erklärte sein Herz und sein Gemüth für das künftige Staatsgrundgesetz der Domäne Preußen, seines Staates; und in der That, der König ist in Preußen das System. Er ist die einzige politische Per son. Seine Persönlichkeit bestimmt das System so oder so. Was er thut, oder was man ihn thun läßt, was er denkt, oder was man ihm in den Mund legt, das ist es, was in Preußen der Staat denkt oder thut. Es ist also wirk- lieh ein Verdienst, daß der jetzige König dies so unumwunden erklärt hat. Nur darin irrte man sich eine Zeit lang, daß man es für erheblich hielt, 477 Ein Briefwechsel von 1843 welche Wünsche und Gedanken der König nun zum Vorschein brächte. Dies konnte in der Sache nichts ändern, der Philister ist das Material der Monarchie und der Monarch immer nur der König der Philister; er kann weder sich noch seine Leute zu freien wirklichen Menschen machen, wenn beide Theile bleiben was sie sind. 5 Der König von Preußen hat es versucht, mit einer Theorie, die wirklich sein Vater so nicht hatte, das System zu ändern. Das Schicksal dieses Ver suches ist bekannt. Er ist vollkommen gescheitert. Ganz natürlich. Ist man einmal bei der poütischen Thierwelt angelangt, so gibt es keine weitere Reaktion, als bis zu ihr, und kern anderes Vordringen, als das Verlassen ihrer ι o Basis und den Uebergang zur Menschenwelt der Demokratie. Der alte König wollte nichts Extravagantes, er war ein Phüister und machte keinen Anspruch auf Geist. Er wußte, daß der Dienerstaat und sein Besitz nur der prosaischen, ruhigen Existenz bedurfte. Der junge König war mun terer und aufgeweckter, von der AUmacht des Monarchen, der nur durch 15 sem Herz und semen Verstand ||26| beschränkt ist, dachte er viel größer. Der alte verknöcherte Diener- und Sklavenstaat widerte ihn an. Er wollte ihn lebendig machen und ganz und gar mit semen Wünschen, Gefühlen und Gedanken durchdringen; und er konnte das verlangen, er in seinem Staate, wenn es nur gelingen wollte. Daher seine liberalen Reden und Herzens- 20 ergießungen. Nicht das todte Gesetz, das voüe lebendige Herz des Königs soüte aüe seme Unterthanen regieren. Er wollte aüe Herzen und Geister für seine Herzenswünsche und langgenährten Pläne in Bewegung setzen. Eme Bewegung ist erfolgt; aber die übrigen Herzen schlugen nicht wie das seinige, und die Beherrschten konnten den Mund nicht aufthun, ohne von 25 der Aufhebung der alten Herrschaft zu reden. Die Idealisten, welche die Unverschämtheit haben, den Menschen zum Menschen machen zu woüen, ergriffen das Wort, und während der König altdeutsch phantasüte, meinten sie, neudeutsch philosophüen zu dürfen. AUerdings war dies unerhört in Preußen. Einen Augenblick schien die alte Ordnung der Dinge auf den Kopf 30 gesteüt zu sein, ja, die Dinge fingen an, sich in Menschen zu verwandeln, es gab sogar namhafte Menschen, obgleich die Namensnennung auf den Landtagen nicht erlaubt ist; aber die Diener des alten Despotismus machten diesem undeutschen Treiben bald ein Ende. Es war nicht schwer, die Wünsche des Königs, der für eine große Vergangenheit voll Pfaffen, Ritter 35 und Hörige schwärmt, mit den Absichten der Idealisten, welche lediglich die Folgen der französischen Revolution, also zuletzt doch immer Republik und eine Ordnung der freien Menschheit statt der Ordnung der todten Dinge woüen in fühlbaren Conflikt zu bringen. Als dieser Confükt schneidend und unbequem genug geworden und der jähzornige König hinlänglich aufgeregt 40 war, da traten die Diener zu ihm, die früher den Gang der Dinge so leicht 478 M. an R. Köln, im Mai 1843 5 geleitet hatten und erklärten: der König thäte nicht wohl, seine Unterthanen zu unnützen Reden zu verleiten, sie würden das Geschlecht der redenden Menschen nicht regieren können. Auch der Herr aller Hinterrussen war über die Bewegung in den Köpfen der Vorderrussen unruhig geworden und verlangte Wiederherstellung des alten ruhigen Zustandes. Und es erfolgte eine neue Auflage der alten Aechtung aller Wünsche und Gedanken der Menschen über menschliche Rechte und Pflichten d.h. die Rückkehr zu dem alten verknöcherten Dienerstaat, in welchem der Sklave schweigend dient und der Besitzer des Landes und der Leute lediglich durch eine wohl- 10 gezogene, stillfolgsame Dienerschaft mög||27[üchst schweigsam herrscht. Beide können, was sie wollen, nicht sagen, weder die einen daß sie Menschen werden wollen, noch der andere, daß er keine Menschen in seinem Lande brauchen könne. Schweigen ist daher das einzige Auskunftsmittel. Muta pecora, prona et ventri obedientia. 15 25 Dies ist der verunglückte Versuch, den Philisterstaat auf seiner eigenen Basis aufzuheben: er ist dazu ausgeschlagen, daß er die Nothwendigkeit der Brutalität und die Unmöglichkeit der Humanität für den Despotismus aller Welt anschauüch gemacht hat. Ein brutales Verhältniß kann nur mit Brutalität aufrecht erhalten werden. Und hier bin ich nun mit unserer ge- 20 meinsamen Aufgabe, den Philister und seinen Staat ins Auge zu fassen, fertig. Sie werden nicht sagen, ich hielte die Gegenwart zu hoch, und wenn ich dennoch nicht an ihr verzweifle, so ist es nur ihre eigene verzweifelte Lage, die mich mit Hoffnung erfüllt. Ich rede gar nicht von der Unfähigkeit der Herren und von der Indolenz der Diener und Unterthanen, die alles gehn lassen, wie es Gott gefällt; und doch reichte beides zusammen schon hin, um eine Katastrophe herbeizuführen. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, daß die Feinde des Philisterthums, mit einem Wort alle denkenden und alle leidenden Menschen zu einer Verständigung gelangt sind, wozu ihnen früher durchaus die Mittel fehlten, und daß selbst das passive Fortpflanzungs- system der alten Unterthanen jeden Tag Rekruten für den Dienst der neuen Menschheit wirbt. Das System des Erwerbs und Handels, des Besitzes und der Ausbeutung der Menschen führt aber noch viel schneller, als die Ver mehrung der Bevölkerung zu einem Bruch innerhalb der jetzigen Gesell schaft, den das alte System nicht zu heilen vermag, weil es überhaupt nicht heilt und schafft, sondern nur existirt und genießt. Die Existenz der leidenden Menschheit, die denkt, und der denkenden Menschheit, die unterdrückt wird, muß aber nothwendig für die passive und gedankenlos genießende Thierwelt der Philisterei ungenießbar und unverdaulich werden. 30 35 Von unserer Seite muß die alte Welt vollkommen ans Tageslicht gezogen 40 und die neue positiv ausgebildet werden. Je länger die Ereignisse der den kenden Menschheit Zeit lassen, sich zu besinnen und der leidenden, sich 479 Ein Briefwechsel von 1843 zu sammeln, um so vollendeter wird das Produkt in die Welt treten, welches die Gegenwart in ihrem Schooße trägt. | |28|A anR. Petersinsel im Bielersee, Mai 1843. 5 Ihren Brief aus Berlin hat mir unser Freund M. mitgetheilt. Sie scheinen über Deutschland unmuthig geworden zu sein. Sie sehen nur die Familie und den Philister, der in ihre engen vier Pfähle mit all seinen Gedanken und Wünschen eingepfercht ist, und wollen an den Frühling nicht glauben, der ihn hervorlocken wird. Lieber Freund, verlieren Sie nur den Glauben nicht, nur Sie nicht. Bedenken Sie, ich, der Russe, der Barbar geb' ihn nicht auf, ich gebe Deutschland nicht auf und Sie, der Sie 10 mitten in seiner Bewegung stehn, Sie, der Sie die Anfänge derselben erlebt haben, und von ihrem Aufschwung überrascht wurden, Sie wollen jetzt dieselben Gedanken zur Ohnmacht verurtheilen, denen Sie früher, als ihre Macht noch nicht erprobt war, alles zutrauten? O, ich geb' es zu, es ist noch weit hin bis das deutsche 1789 tagt! wann wären die Deutschen nicht um Jahrhunderte zurück gewesen? Aber es ist darum 15 jetzt nicht die Zeit die Hände in den Schooß zu legen und feig zu verzweifeln. Wenn Männer, wie Sie, nicht mehr an Deutschlands Zukunft glauben, nicht mehr an ihr arbeiten wollen, wer wird denn glauben, wer handeln? Ich schreibe diesen Brief auf der Rousseau-Insel im Bielersee. Sie wissen, ich lebe nicht von Phantasieen und Phrasen; aber es zuckt mir durch Mark und Bein bei dem Gedanken, daß ich grade 20 heute, wó ich Ihnen und über einen solchen Gegenstand schreibe, an diesen Ort geführt bin. O, es ist gewiß, mein Glaube an den Sieg der Menschheit über Pfaffen und Tyrannen ist derselbe Glaube, den der große Verbannte in so viel Millionen Herzen goß, den er auch hieher mit sich genommen. Rousseau und Voltaire, diese Unsterblichen, werden wieder jung; in den begabtesten Köpfen der deutschen Nation 25 feiern sie ihre Auferstehung; eine große Begeisterung für den Humanismus und für den Staat, dessen Prinzip nun endlich wirklich der Mensch ist, ein glühender Haß gegen die Priester und ihre freche Beschmutzung alles Menschlichgroßen und Wahren durchdringt wieder die Welt. Die Philosophie wird noch einmal die Rolle spielen, die sie in Frankreich so glorreich durchgeführt; und es beweist nichts gegen sie, daß ihre Macht und Furchtbarkeit den Gegnern früher klar geworden, als ihr selber. Sie ist naiv und erwartet zuerst keinen Kampf und keine Verfolgung, denn sie nimmt alle Menschen als vernünftige Wesen und wendet ||29| sich an ihre Ver nunft, als wäre diese ihr unumschränkter Gebieter. Es ist ganz in der Ordnung, daß unsere Gegner, welche die Stirn haben zu erklären, wir sind unvernünftig und wollen 35 es bleiben, den praktischen Kampf, den Widerstand gegen die Vernunft durch un vernünftige Maßregeln eröffnen. Dieser Zustand beweist nur die Uebermacht der Philosophie, dies Geschrei gegen sie ist schon der Sieg. Voltaire sagt einmal: Vous, petits hommes, revêtus d'un petit emploi, qui vous donne une petite autorité dans un petit pays, vous criez contre la philosophie? Wir leben für Deutschland in dem Zeitalter Rousseau's und Voltaire's und „diejenigen unter uns, welche jung genug 30 40 480 Β. an R. Petersinsel im Bielersee, Mai 1843 sind, um die Früchte unserer Arbeit zu erleben, werden eine große Revolution und eine Zeit sehen, in der es der Mühe lohnt geboren zu sein". Wir dürfen auch diese Worte Voltaire's wiederholen ohne zu befürchten, daß sie das zweite Mal weniger, als das erste durch die Geschichte bestätigt würden. 5 Jetzt sind die Franzosen noch unsere Lehrer. Sie haben in politischer Hinsicht einen Vorsprung von Jahrhunderten. Und was folgt alles daraus! Diese gewaltige Litteratur, diese lebendige Poesie und bildende Kunst, diese Durchbildung und Vergeistigung des ganzen Volkes, lauter Verhältnisse, die wir nur von ferne verstehn! „ Wir müssen nachholen, wir müssen unserm metaphysischen Hochmuthe, der die Welt 10 nicht warm macht, die Ruthe geben, wir müssen lernen, wir müssen Tag und Nacht arbeiten, um es dahin zu bringen, wie Menschen mit Menschen zu leben, frei zu sein und frei zu machen — wir müssen — ich komme immer darauf zurück, unsere Zeit mit unseren Gedanken in Besitz nehmen. Dem Denker und Dichter ist es vergönnt, die Zukunft vorweg zu nehmen und eine neue Welt der Freiheit und Schönheit mitten in den Wust des Untergangs und des Moders, der uns umgiebt, hineinzubauen. 15 Und Angesichts alles dessen, eingeweiht in das Geheimniß der ewigen Mächte, welche die Zeit aus ihrem Schoose neu gebären, wollen Sie verzweifeln? Verzweifeln Sie an Deutschland, so verzweifeln Sie nicht nur an sich selbst, Sie geben die Macht der Wahrheit auf, der Sie sich gewidmet. Wenig Menschen sind edel genug, sich ganz 20 und ohne Rückhalt dem Weben und Wirken der befreienden Wahrheit hinzugeben, wenige vermögen diese Bewegung des Herzens und des Kopfes ihren Zeitgenossen mitzutheilen; wem es aber einmal gelang der Mund der Freiheit zu werden und die Welt mit den Silbertönen ihrer Stimme zu fesseln, ||30| der hat eine Bürgschaft für den Sieg seiner Sache, die ein anderer nur durch eine gleiche Arbeit und ein gleiches 25 Gelingen erreichen kann. Nun geb' ich es zu, wir müssen mit unsrer eignen Vergangenheit brechen. Wir sind geschlagen worden und wenn es auch nur die rohe Gewalt war, die der Bewegung des Denkens und Dichtens ein Hinderniß in den Weg warf, so wäre diese Rohheit selbst unmöglich gewesen, wenn wir nicht ein abgesondertes Leben im Himmel der 30 gelehrten Theorie geführt, wenn wir das Volk auf unserer Seite gehabt hätten. Wir haben seine Sache nicht vor ihm selbst geführt. Anders die Franzosen. Man würde ja auch ihre Befreier unterdrückt haben, wenn man es vermocht hätte. — 35 Ich weiß, Sie lieben die Franzosen, Sie fühlen ihre Ueberlegenheit. Das ist genug für einen starken Willen in einer so großen Sache, um ihnen nachzueifern und sie zu erreichen. Welch ein Gefühl! Welch' eine namenlose Seligkeit, dieses Streben und diese Macht! O, wie beneid' ich Sie um Ihre Arbeit, ja selbst um Ihren Zorn, denn auch dieser ist das Gefühl aller Edlen in Ihrem Volk. Vermocht' ich es nur mit zuwirken! Mein Blut und Leben für seine Befreiung! Glauben Sie mir, es wird sich erheben und das Tageslicht der Menschengeschichte erreichen. Es wird nicht immer 40 die Schmach der Germanen, die besten Diener aller Tyrannei zu sein, für seinen Stolz rechnen. Sie werfen ihm vor, es sei nicht frei, es sei nur ein Privatvolk. Sie sagen nur was es ist; wie wollen Sie damit beweisen, was es sein wird? War es in Frankreich nicht ganz derselbe Fall, und wie bald ist ganz Frankreich ein öffentliches Wesen und seine Söhne politische Menschen geworden. Wir dürfen 45 die Sache des Volks, auch wenn es selbst sie verließe, nicht aufgeben. Sie fallen 481 Ein Briefwechsel von 1843 von uns ab, diese Philister, sie verfolgen uns ; desto treuer werden ihre Kinder unserer Sache sich hingeben. Ihre Väter suchen die Freiheit zu morden, sie Werden für die Freiheit in den Tod gehn. Und welch' einen Vorzug haben wir vor den Männern des 18ten Jahrhunderts? Sie sprachen aus einer öden Zeit heraus. Wir haben die ungeheuren Resultate ihrer Ideen lebendig vor Augen, wir können practisch mit ihnen in Berührung kommen. Gehn wir nach Frankreich, setzen wir den Fuß über den Rhein, und wir stehn mit Einem Schlage mitten in den neuen Elementen, die in Deutschland noch gar nicht geboren sind. Die Ausbreitung des ||3l| politischen Denkens in alle Kreise der Gesellschaft, die Energie des Denkens und Redens, die in den hervorstechenden Köpfen nur darum 10 zum Ausbruch kommt, weil die Wucht eines ganzen Volks in jedem schlagenden Worte empfunden wird — alles das können wir jetzt aus lebendiger Anschauung kennen lernen. Eine Reise nach Frankreich und selbst ein längerer Aufenthalt in Paris würde uns von dem größten Nutzen sein. 5 Die deutsche Theorie hat diesen Sturz aus allen ihren Himmeln, der ihr jetzt 15 widerfahrt, indem rohe Theologen und dumme Landjunker sie wie einen Jagdhund an den Ohren schütteln und ihrem Lauf die Wege weisen, reichlich verdient. Gut für sie, wenn dieser Sturz sie von ihrem Hochmuthe heilt. Es wird ganz auf sie an kommen, ob sie sich nun aus ihrem Schicksale die Lehre ziehen will, daß sie in einsamer dunkler Höhe verlassen und nur im Herzen des Volks gesichert ist. Wer 20 gewinnt das Volk, wir oder ihr? das rufen diese obscuren Castraten den Philosophen zu. O Schande über diese Thatsache! aber auch Heil und Ehre den Männern, die nun die Sache der Menschheit siegreich hinausführen. Hier, erst hier beginnt der Kampf, und so stark ist unsere Sache, daß wir wenige zerstreute Männer mit gebundenen Händen durch unsern bloßen Schlachtruf ihre Myriaden in Furcht und Schrecken setzen. Wohlan, es gilt! und eure Banden will ich lösen, ihr Germanen, die ihr Griechen werden wollt, ich der Scythe. Sendet mir eure Werke ! Auf Rousseaus Insel will ich sie drucken und mit feurigen Lettern noch einmal an den Himmel der Geschichte schreiben: Untergang den Persern! R. an B. Dresden, im Juni 1843. 25 30 Erst jetzt erhalt ich Ihren Brief; aber sein Inhalt veraltet nicht so schnell. Sie haben Recht. Wir Deutsche sind wirklich noch so weit zurück, daß wir nur erst wieder eine menschliche Litteratur hervorbringen müssen, um die Welt theoretisch zu gewinnen, damit sie nachher Gedanken hat, nach denen sie handelt. Vielleicht können wir in 35 Frankreich, vielleicht sogar mit den Franzosen eine gemeinsame Publication unter nehmen. Ich will mit unsern Freunden darüber correspondiren. Uebrigens haben Sie sichs mit Unrecht so ||32| sehr zu Herzen genommen, daß ich in Berlin verstimmt war. Alle andern sind desto selbstzufriedener; und ein einziger Wunsch, den sich der erste Berliner, der König, erfüllt, wiegt eine Welt voll Verstimmung auf. Glauben Sie nicht, daß ich diese umfangreichen Wünsche verkenne. Das Christenthum z. E. ist doch so zu sagen Alles. Nun ist es wiederhergestellt, der Staat ist christlich, ein wahres 40 482 R. an Β. Dresden, im Juni 1843 Kloster, der König ist sehr christlich und die königlichen Beamten sind am allerchrist- lichsten. Ich geb' es zu, diese Leute sind nur fromm, weil sie an Einer Knechtschaft nicht genug haben. Sie müssen zu dem irdischen Hof dienst noch einen himmlischen hinzufügen; die Knechtschaft soll nicht nur ihr Amt, sie soll auch ihr Gewissen sein. 5 Und wenn die nordamerikanischen Wilden sich selbst ihre Sünden ausprügeln, so hoff' ich werden auch wohl die Völker noch einmal dieselbe Pròcedur an diesen Hunden des Himmels exekutiren. Aber für den Augenblick, wer sollte nicht finden, daß es gut steht im Reiche Gottes? und ich hätte gewiß an der aligemeinen Herrlichkeit den heitersten Antheil genommen, wenn ich nicht bedacht hätte, daß eine enttäuschte 15 10 Verstimmung allemal besser ist, als eine enttäuschte Selbstzufriedenheit. Sie werden sagen, ich hätte den Eulenspiegel, der schon über den kommenden Berg verstimmt war, mit Nutzen gelesen; die Berliner haben ihn auch gelesen, sie lesen ihn immer, wenn sie ihre Geschichte lesen, aber ohne Nutzen: und so bleiben sie denn dabei daß ihre Eulenspiegeleien gute Witze wären. Selbst ihr Christenthum interessirt sie nur als ein guter Witz, als eine geniale Wendung. Es ist pikant, sich zu allen Verrückt heiten des Aberglaubens zu bekennen und dabei einen heilen Rock zu tragen; es ist pikant jetzt sich reden zu hören im Stil des heiligen römischen Reichs mit „Gruß und Handschlag zuvor", oder in dieser unheiligen Zeit mit dem Datum von irgend einem heiligen Tage zu unterzeichnen, und da es nicht möglich ist, auch aus den heiligen 20 Oettern, etwa von St. Johann im Lateran und vom Vatikan zu datiren, so ist es wenigstens pikant, die Bulle zur Wiederherstellung der barmherzigen Schwestern oder zur Stiftung der Kapelle des heiligen Adelbert aus dem Schloß des unheiligen Friedrich zu erlassen. Doch ich wül nicht noch einmal die Gefahr laufen, unter Palmen zu wohnen, auch 25 in der Phantasie nicht. Lebewohl, Berlin. Ich lobe mir Dresden. Hier ist Alles erreicht, hier wird Alles genossen, was Preußen mit der ganzen Anstrengung seines of f ieieüen Witzes nicht wiedergewinnen kann. Die Stände, die Innungen, die alten ||33| Gesetze, die Geistlichkeit neben der Weltlichkeit, der katholische Prälat in der Kammer der Reichsräthe, die kurzen Hosen und schwarzen Strümpfe auch der lutherischen 30 Geistlichen, die Ehescheidungen mit geistlichem Zuspruch und die Macht des Con- sistoriums bei solchen Gelegenheiten, die Sonntagsfeier und 16 Groschen bis 5 Reichsthaler Strafe für jeden Sabbathschänder, der grobe Arbeit verrichtet, ein Verein gegen die Thierquälerei aber keiner gegen die Schornsteinfegerei, keiner gegen die Verwahrlosung der Menschen — doch nein, um nicht ungerecht zu sein, so muß man sich erinnern, daß ein ehrlicher Christ, der Ernst mit dem Humanismus machte und die Kinderquälerei der Armen durch ein sehr ingeniöses Mittel theilweise abschaffte, nicht an seiner Unfähigkeit, sondern an der Vortrefflichkeit des bereits Bestehenden gescheitert ist. Sachsen trägt alle Herrlichkeit der Vorzeit verjüngt in seinem Schöße; man studirt es lange nicht genug, dieses Eldorado der alten Juristerei 40 und Theologie, dieses heilige römische Reich en miniature, dessen verschiedene Kreisdirektionen und Amtshauptmannschaften sich bald unabhängig von einander erklären werden und dessen Universität Leipzig längst unabhängig war von dem eitlen Lauf der geistigen Bildung in dem wüsten, weiten Deutschland, geschweige denn in Europa. Aber ich sage ja nicht, daß die sächsische Nation keine Fortschritte 45 macht. Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen. Die Juden sind schlechte Christen, 35 483 Ein Briefwechsel von 1843 10 sie nehmen daher keinen Theil an den Freiheiten des übrigen sächsischen Volkes, sie haben keine Ehrenrechte und dürfen dies und das nicht thun, was getaufte Menschen dürfen. Nun war vor diesem die Brühische Terrasse der Brühische Garten. Er hatte bei der Brücke, wo jetzt die Treppe ist, eine schroffe Mauerwand, und war von der andern Seite geschlossen. Eine Schüdwache ließ an vielen Tagen Niemanden 5 hinein, an allen aber keine Juden und keine Hunde. Eines Tages kam eine Generals frau mit einem Hunde auf dem Arm und wurde von der Schildwache wegen des Hundes zurückgewiesen. Entrüstet beschwerte sich die Frau bei ihrem Manne, dem General, und es erschien ein Parolebefehl, welcher die Instruction der Schüdwachen gegen die Hunde aufhob. Die Hunde gingen nun von Zeit zu Zeit in den Brühischen Garten ; aber die Juden?—nein, die Juden noch nicht. Nun beschwerten sich die Juden und verlangten den Hunden gleichgestellt zu sein. Der General war in der größten Verlegenheit. Sollte er seinen Befehl zurückziehn, dessen revolutionäre Consequenz er nicht geahndet hatte? Seine Frau bestand auf dem Rechte ||34| ihres Hundes und auch der Hunde ihrer Freundinnen. Die Sache war schon zur Sitte geworden und die Juden, das sah der General vor Augen, würden furchtbar schreien, wenn man ihnen das Privilegium der Hunde, welches sie doch im ganzen Mittelalter genossen, jetzt im 19ten Jahrhundert nicht zugestände. Der General entschloß sich also, auf seine Verantwortung auch die Juden in den Brühlschen Garten zu lassen, wenn er nicht wegen Anwesenheit des Hofes geschlossen war. Die Indignation war groß, aber der alte Krieger bot ihr Trotz. Nun kamen die Russen. Der Generalgouverneur Repnin fand 1813 gar keinen Hof vor. Er dachte auch wohl, es käme vielleicht keiner wieder, und machte aus dem Brühlsehen Garten die Brühische Terrasse mit der großen Treppe und dem freien Zugange, den sie jetzt hat. Dies empörte das Herz aller Normalsachsen; und wären die Russen nicht so viel populärer gewesen, als die Preußen, es wäre eine Empörung ausgebrochen. So aber ließ das Volk sich hinreißen, ja es schoß sogar die herrschaftlichen Fasanen im großen Garten todt und ließ sichs gefallen, daß die Russen auch diesen Spaziergang, der früher den Fasanen reservirt war, den Menschen eröffneten. Einer aber, der normalste von allen Sachsen, ein churfürstlicher Geheimer Rath, der noch lebt, hat den Russen ihre unpassende, alles zerstörende Neuerungssucht nie vergessen. Er erkennt weder die Brühische Terrasse noch den großen Garten an. Er geht nie „die russische Treppe" hinauf oder hinab, er kommt immer durch das legitime Pfortchen des ehemaligen „Brühlschen Gartens", bringt nie einen Hund oder einen Juden mit und geht in der „Fasanerie" nie anders als auf dem Mittelwege, der auch in der alten guten Zeit dem Publikum zu Fuß, außer 35 der Brutzeit der Fasanen, offen stand. 25 20 15 30 Gewiß ist der conservative Christ vernünftig, und wären alle Deutsche Nor malsachsen Oder gab' es keine Russen, die von Zeit zu Zeit kommen, um ihnen ihre Spaziergänge zu eröffnen öder gab' es keine Franzosen, die ihnen bei Jena die Zöpfe abschnitten, oder endlich gab' es keine Preußen und keine Neuerungssucht in den 40 Köpfen ihrer christlichen und heidnischen Könige; — man lebte nirgends ruhiger als in Dresden. So aber sind für unser sächsisches Vaterland bei aller Herrlichkeit von Innen immer noch große Erschütterungen von Außen zu fürchten. — Die Welt ist vollkommen überall, ι Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual. | 45 484 F. an R. Bruckberg, im Juni 1843 · R. an M. Paris, im August 1843 |35|F. an R. Bruckberg, im Juni 1843. 5 Die Briefe und litterarischen Pläne, die sie mir mittheilen, haben mir viel zu Denken gegeben. Meine Einsamkeit bedarf dergleichen, versäumen Sie nicht,Ihre Sendungen zu wiederholen. Der Untergang der deutschen Jahrbücher erinnert mich an den Untergang Polens. Die Anstrengungen weniger Menschen waren umsonst in dem allgemeinen Sumpf eines verfaulten Volkslebens. Wir kommen in Deutschland so bald auf keinen grünen Zweig. Es ist Alles in Grund und Boden hinein verdorben, das eine auf diese, das andre auf jene Weise. Neue 10 Menschen brauchten wir. Aber sie kommen diesmal nicht, wie bei der Völker wanderung aus den Sümpfen und Wäldern, aus unsern Lenden müssen wir sie er zeugen. Und dem neuen Geschlecht muß die neue Welt zugeführt werden in Ge danken und im Gedicht. Alles ist von Grund aus zu erschöpfen. Eine Riesenarbeit vieler vereinten Kräfte. Kein Faden soll am alten Regimenté ganz bleiben. Neue 15 Liebe, neues Leben, sagt Göthe; neue Lehre, neues Leben heißt es bei uns. Der Kopf ist nicht immer voraus; er ist das mobilste und schwerfälligste Ding zugleich. Im Kopfe entspringt das Neue, aber im Kopf haftet auch am längsten das Alte. Dem Kopf ergeben sich mit Freuden Hände und Füße. Also vor allen Dingen den Kopf gesäubert und purgirt. Der Kopf ist Theoretiker, ist Philosoph. Er muß nur 20 das herbe Joch der Praxis, in das wir ihn herunterziehn, tragen und menschlich in dieser Welt auf den Schultern thätiger Menschen hausen lernen. Dies ist nur ein Unterschied der Lebensart. Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unter schied? Theoretisch ist, was nur noch in meinem Kopfe steckt, practisch was in vielen Köpfen spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit Platz in der Welt. Läßt sich ein neues Organ für das neue Princip schaffen, so ist das eine Praxis, die nicht versäumt werden darf. 25 R. anM. Paris, im August 1843. Der neue Anacharsis und der neue Philosoph haben mich überzeugt. Es ist wahr; 30 Polen ist untergegangen, aber noch ist Polen nicht ||36| verloren, so klingt es fort dauernd aus den Ruinen hervor und wollte Polen sein Schicksal sich zur Lehre dienen lassen und sich der Vernunft und der Demokratie in die Arme werfen, das hieße freilich aufhören Polen zu sein, es wäre wohl zu retten. „Neue Lehre, neues Leben", ja! wie Polen der katholische Glaube und die adelige Freiheit nicht rettet, so konnte 35 uns die theologische Philosophie und die vornehme Wissenschaft nicht befreien. Wir können unsere Vergangenheit nicht anders fortführen, als durch entschiedensten Bruch mit ihr. Die Jahrbücher sind untergegangen, die hegelsche Philosophie hört der Vergangenheit an. Wir wollen hier in Paris ein Organ gründen, in dem wir uns selbst und ganz Deutschland völlig frei und mit unerbittlicher Aufrichtigkeit be- 40 urtheilen. Nur das ist eine wirkliche Verjüngung, es ist ein neues Princip, eine neue 485 Ein Briefwechsel von 1843 Stellung, eine Befreiung von dem engherzigen Wesen des Nationalismus und ein scharfer Gegenstoß gegen die brutale Reaction der wüsten Volksungethüme, welche mit dem Tyrannen Napoleon auch den Humanismus der Revolution verschlangen. Philosophie und nationale Beschränktheit, wie war es möglich auch nur im Namen und im Titel eines Journals beide zusammenzubringen? Noch einmal, der deutsche Bund hat die Wiederherstellung der deutschen Jahrbücher mit Recht verboten, er ruft uns zu: keine Restauration! Wie vernünftig! Wir müssen etwas Neues unternehmen, wenn wir überhaupt etwas thun wollen. Ich bemühe mich um das Merkantilische bei der Sache. Wir zählen auf Sie. Schreiben Sie mir über den Plan der neuen Zeitschrift, den ich Ihnen beilege. 5 10 M. an R. Kreuznach, im September 1843. Es freut mich, daß Sie entschlossen sind, und von den Rückblicken auf das Vergangene Ihre Gedanken zu einem neuen Unternehmen vorwärts wenden. Also in Paris, der alten Hochschule der Philosophie, absit omen! und der neuen Hauptstadt der neuen Welt. Was nothwendig ist, das fügt sich. Ich zweifle daher nicht, daß sich alle Hindernisse, deren Gewicht ich nicht ver kenne, beseitigen lassen. | 15 |37| Das Unternehmen mag aber zu Stande kommen oder nicht; jedenfalls werde ich Ende dieses Monats in Paris sein, da die hiesige Luft leibeigen 20 macht und ich in Deutschland durchaus keinen Spielraum für eine freie Thätigkeit sehe. In Deutschland wird Alles gewaltsam unterdrückt, eine wahre Anarchie des Geistes, das Regiment der Dummheit selbst ist hereingebrochen und Zürich gehorcht den Befehlen aus Berlin; es wird daher immer klarer, daß 25 ein neuer Sammelpunkt für die wirklich denkenden und unabhängigen Köpfe gesucht werden muß. Ich bin überzeugt, durch unsern Plan würde einem wirküchen Bedürfnisse entsprochen werden und die wüküchen Be dürfnisse müssen sich doch auch wüküch erf M en lassen. Ich zweifle also nicht an dem Unternehmen, sobald Ernst damit gemacht wüd. 30 Größer noch als die äußern Hindernisse, scheuten beinahe die inneren Schwierigkeiten zu sein. Denn wenn auch kern Zweifel über das „Woher", so herrscht desto mehr Confusion über das „Wohin". Nicht nur, daß eine allgemeine Anarchie unter den Reformern ausgebrochen ist, so wüd jeder sich selbst gestehen müssen, daß er keine exacte Anschauung von dem hat, 35 was werden soll. Indessen ist das gerade wieder der Vorzug der neuen Rich tung, daß wü nicht dogmatisch die Welt anticipüen, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden woüen. Bisher hatten die Phüosophen die Auflösung aüer Räthsel in ihrem Pulte liegen und die dumme exoterische 486 M. an R. Kreuznach, im September 1843 5 Welt hatte nur das Maul aufzusperren, damit ihr die gebratenen Tauben der absoluten Wissenschaft in den Mund flogen. Die Philosophie hat sich ver weltlicht und der schlagendste Beweis dafür ist, daß das phüosophische Bewußtsein selbst in die Qual des Kampfes nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich hineingezogen ist. Ist die Construction der Zukunft und das fertig werden für alle Zeiten nicht unsere Sache; so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtiose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und eben so wenig vor dem Conflikte 10 mit den vorhandenen Mächten. Ich bin daher nicht dafür, daß wir eine dogmatische Fahne aufpflanzen, im Gegentheil. Wir müssen den Dogmatikern nachzuhelfen suchen, daß sie ihre Sätze sich klar machen. So ist namentlich der Communismus eine dog matische Abstraction, wobei ich aber nicht irgend einen eingebildeten und 15 möglichen, sondern den ||38| wirklich existirenden Communismus, wie ihn Cabet, Dézamy, Weitung etc., lehren, im Sinn habe. Dieser Communismus ist selbst nur eine aparte von seinem Gegensatz, dem Privatwesen, inficirte Erscheinung des humanistischen Princips. Aufhebung des Privateigenthums und Communismus sind daher keineswegs identisch und der Communismus 20 hat andre socialistische Lehren, wie die von Fourier, Proudhon, etc., nicht zufällig sondern nothwendig sich gegenüber entstehn sehn, weil er selbst nur eine besondre, einseitige Verwirklichung des socialistischen Princips ist. 25 Und das ganze socialistische Princip ist wieder nur die eine Seite, welche die Realität des wahren menschlichen Wesens betrifft. Wir haben uns eben so wohl um die andre Seite, um die theoretische Existenz des Menschen zu kümmern, also Religion, Wissenschaft etc., zum Gegenstande unserer Kritik zu machen. Außerdem wollen wir auf unsere Zeitgenossen wirken, und zwar auf unsre deutschen Zeitgenossen. Es fragt sich, wie ist das anzu stellen? Zweierlei Facta lassen sich nicht abläugnen. Einmal die Religion, 30 dann die Politik sind Gegenstände, welche das Hauptinteresse des jetzigen Deutschlands bilden. An diese, wie sie auch sind, ist anzuknüpfen, nicht irgend ein System wie etwa die Voyage en Icarìe ihnen fertig entgegenzu setzen. Die Vernunft hat immer existirt, nur nicht immer in der vernünftigen Form. 35 Der Kritiker kann also an jede Form des theoretischen und praktischen Bewußtseins anknüpfen und aus den eigenen Formen der existirenden Wirk lichkeit die wahre Wirküchkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck ent wickeln. Was nun das wirkliche Leben betrifft, so enthält grade der poli tische Staat, auch wo er von den socialistischen Forderungen noch nicht bewußter Weise erfüllt ist, in allen seinen modernen Formen die Forderun gen der Vernunft. Und er bleibt dabei nicht stehn. Er unterstellt überall die 40 487 Ein Briefwechsel von 1843 Vernunft als realisirt. Er geräth aber eben so überall in den Widerspruch seiner ideellen Bestimmung mit seinen realen Voraussetzungen. 5 Aus diesem Conflikt des politischen Staates mit sich selbst läßt sich daher überall die sociale Wahrheit entwickeln. Wie die Religion das Inhaltsver- zeichniß von den theoretischen Kämpfen der Menschheit, so ist es der politische Staat von ihren practischen. Der politische Staat drückt also inner halb seiner Form sub specie reipublicx alle socialen Kämpfe, Bedürfnisse, Wahrheiten aus. Es ist also durchaus nicht unter der hauteur des principes die spezieüste politische Frage — etwa den Unterschied von ständischem und repräsen||39|tativem System — zum Gegenstand der Kritik zu machen. 10 Denn diese Frage drückt nur auf politische Weise den Unterschied von der Herrschaft des Menschen und der Herrschaft des Privateigenthums aus. Der Kritiker kann also nicht nur, er muß in diese politischen Fragen (die nach der Ansicht der krassen Sociaüsten unter aüer Würde sind) eingehn. Indem er den Vorzug des repräsentativen Systems vor dem ständischen entwickelt, 15 interessiti er praktisch eine große Parthei. Indem er das repräsentative System aus semer politischen Form zu der aUgemeinen Form erhebt und die wahre Bedeutung, die ihm zu Grunde üegt, geltend macht, zwingt er zugleich diese Parthei über sich selbst hinauszugehn, denn ihr Sieg ist zugleich ihr Verlust. 20 Es hüidert uns also nichts, unsre Kritik an die Kritik der Politik, an die Partheinahme in der Poütik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit ümen zu identificüen. Wü treten dann nicht der Welt doctrinar mit einem neuen Princip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wü ent wickeln der Welt aus den Principien der Welt neue Principien. Wü sagen 25 ihr nicht: laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wü woüen dü die wahre Parole des Kampfes zuschrem. Wü zeigen ihr nur, warum sie eigentüch kämpft, und das Bewußtsem ist eine Sache, die sie sich aneignen muß, wenn sie auch nicht wül. Die Reform des Bewußtsems besteht nur darin, daß man die Welt ihr 30 Bewußtsein inne werden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß man ihre eignen Actionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck kann in nichts anderem bestehn, wie dies auch bei Feuerbachs Kritik der Reügion der FaU ist, als daß die reügiösen und poütischen Fragen in die selbstbewußte menschliche Form gebracht werden. 35 Unser Wahlspruch muß also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysirung des mystischen sich selbst unklaren Bewußtseins, trete es nun reügiös oder poütisch auf. Es wüd sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wüküch zu besitzen. Es wüd sich 40 zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Ver- 488 M. an R. Kreuznach, im September 1843 gangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zu Stande bringt. I 5 |40| Wir können also die Tendenz unsers Blattes in Ein Wort fassen: Selbst verständigung (kritische Philosophie) der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche. Dies ist eine Arbeit für die Welt und für uns. Sie kann nur das Werk vereinter Kräfte sein. Es handelt sich um eine Beichte, um weiter nichts. Um sich ihre Sünden vergeben zu lassen, braucht die Menschheit sie nur für das zu erklären was sie sind. | 10 489 A N H A NG Von Marx unterzeichnete oder veranlaßte Erklärungen Zur Nachricht I Zur Nachricht. Die deutsch-französische Buchhandlung in Paris ist eine Gründung deutscher Pa trioten, welche es für nothwendig hielten, der neusten Philosophie und Poesie die Möglichkeit zu sichern, frei und unverkümmert zu erscheinen. 5 Die Leitung der Geschäfte haben wir dem Chef des litherarischen Comptoirs in Zürich und Winterthur, Prof. Jul. Fröbel anvertraut und die an uns bereits gezahlten Beiträge und respective Darlehen zu seiner Disposition gestellt. Der Verlag beginnt mit den deutsch-französischen Jahrbüchern; und eine nicht unwichtige, wir wagen vorherzusagen, die klassische Litheratur der neuen Aufklärung wird diesem Vor- 10 gange sich anschließen. Weder die vollendete Poesie, noch die entschiedenen Ge danken können fremde Censur und Correctur ertragen, sind daher jetzt auf diese Zuflucht angewiesen, sobald sie wirklich unsre Zeit ausdrücken wollen. Für die Richtung des neuen Institutes mögen die Präcedenzien des Verlegers und unsre eignen Bürgschaft leisten. 15 Unsre Freunde in Deutschland und Frankreich, welche diese Richtung zu der ihrigen machen und zur Befestigung und Ausdehnung ihrer Gründung, welche nur durch ein weitverbreitetes thätiges Interesse zu einer reellen Macht erhoben werden kann, noch weitere Zuschüsse bestimmt haben oder bestimmen wollen, ersuchen wir, diese Summen entweder durch Leipziger Häuser an das Litherarische Comptoir in 20 Winterthur oder durch Pariser Banquiers an uns zahlen zu lassen. Paris den November 1843 Dr. Arnold Ruge rue Vanneau No Dr. Karl Marx rue Vanneau No 23. | 495 Déclaration La Démocratie Pacifique. Nr133, 11. Dezember 1843 Le numéro 28 du Bien public contient les lignes suivantes : «La Gazette de Cologne publie une lettre de Leipzig où il est dit qu'une Revue, en langue française et allemande, doit paraître sous peu à Paris, sous la direction de M. le docteur Ruge, auquel M. de Lamartine et M. de Lamennais auraient promis leur concours.» 5 Il est faux que M. de Lamartine se soit engagé à écrire dans aucune Revue, et notamment dans celle dont il est question, avec M. de Lamennais. «M. de Lamartine, entièrement absorbé par ses travaux parlementaires, réserve à son Histoire des Girondins le peu de loisir que la politique lui laisse.» Il est vrai que M. de Lamartine ne s'est pas engagé à écrire dans la Revue en 10 question avec M. de Lamennais, mais nous affirmons qu'il nous à fait espérer son concours pour la Revue que nous nous proposons de fonder. En nous adressant séparément à ces deux célébrités, nous avons cru que pour une œuvre telle que celle d'une alliance intellectuelle entre la France et l'Allemagne, on doit rechercher l'appui de tous les représentants éminents du progrès en France. 15 Nous déclarons, au reste, que la lettre de Leipzig, publiée par la Gazette de Cologne, qui a donné sujet à l'article du Bien public, n'émane ni de nous ni de quelqu'un de nos amis. A r n o ld R u g e, ancien rédacteur des Annales allemandes; C h a r l es M a r x, ancien rédacteur de la Gazette rhénane. 20 Paris, le 10 décembre 1843. 496 Motive des Untergangs der „Deutsch-Französischen Jahrbücher" Mannheimer Abendzeitung. Nr. 83, 7. April 1844 t t* Vom Rhein, 4. April. Wie uns eben aus sicherer Quelle mitgetheilt wird, hören die deutschfranzösischen Jahrbücher von Dr. Ruge und Marx zu erscheinen auf. Die Ungeheuern Kosten einer solchen Publikation in Paris, und eine Menge äußerer Schwierigkeiten haben das Haus, das zu den zwei ersten Lieferungen die Fonds vorgeschossen hatte, bestimmt, sich zurückzuziehen. Die Auflage der beiden ersten Lieferungen w ar 3000, die wohl demnächst vergriffen sein wird. 300 Exemplare ungefähr wurden von der baierischen Mauth in Schweigen beim Verzollen auf gehalten, und man verzweifelt daran, sie je zurückzuerhalten. In Paris selber wurden über 300 Exemplare verkauft, und fast jeder Deutsche, der dort ankömmt, nimmt sich ein Exemplar mit. 5 10 497 Von Marx redigierte oder mit seiner Hilfe verfaßte Veröffentlichungen Aus dem Briefe einer deutschen Dame Brief von Jenny Marx Redigiert von Karl Marx Vorwärts! Nr.64, 10. August 1844 Aus dem Briefe einer deutschen Dame. Mein Theurer! Ich erhielt Deinen Brief grade in dem Moment, als alle Glocken läuteten, Geschütze feuerten und die fromme Schaar in die Tempel wallte, dem himmlischen Herrn ein Halleluja zu bringen, daß er den irdischen Herrn so wun- 5 dersam gerettet. Du kannst Dir denken, mit welch eigener Empfindung ich während der Feier die Heine'schen Lieder las, und auch mein Hosannah mit anstimmte. Hat denn auch Dein Preußenherz vor Entsetzen gebebt bei der Kunde jenes Frevels, jenes unerhörten, undenkbaren Frevels? O! über die verlorne Jungfrauschaft, die verlorne Ehre! Das sind so die preußischen Stichwörter. Als ich das kleine grüne Heupferd, 10 den Cavalleriehauptmann X., von verlorner Jungfrauschaft declamiren hörte, glaubte ich nicht anders, als er meine die heilige unbefleckte Jungfrauschaft der Mutter Maria, denn das ist doch einmal die einzige off iciell constatirte—aber von der Jungfrauschaft des preußischen Staats! Nein, davon hatte ich das Bewußtsein längst verloren. Ein Trost bleibt noch beim Entsetzlichen dem reinen Preußenvolke, nämlich: daß kein 15 politischer Fanatismus der Beweggrund der That war, sondern rein persönliche Rachlust. Sie trösten sich damit — wohl ihnen — grade hierin liegt von Neuem der Beweis, daß in Deutschland eine politische Revolution unmöglich ist, zu einer so cialen aber alle Keime vorhanden sind. Hat es dort niemals einen politischen Schwärmer gegeben, der das Äußerste gewagt, so ist dagegen der erste, der einen 20 Mordversuch gewagt, aus Noth, aus materieller Noth dazu getrieben worden. Der Mann hat unter beständiger Gefahr des Hungertodes drei Tage in Berlin vergebens gebettelt — also ein socialer Mordversuch! Geht es einmal los, so bricht es aus von dieser Seite — das ist der empfindlichste Fleck und an dem ist auch ein deutsches Herz verwundbar! 501 Georg Weber Negersklaven und freie Sklaven Negersclaven und freie Sclaven. Vorwärts! Nr.58, 20. Juli 1844 Wir haben neulich das Schauspiel gehabt, daß der Proletarier Frankreichs seine Stimme erhob zur Verbesserung des Looses einer zahlreichen Negersclavenbevöl- kerung in den französischen Kolonien. Man konnte dem lebendigen Mitgefühl dieser leidenden Klasse für ihre farbigen Mitmenschen Achtung und Lob nicht versagen. Auch ich bin weit entfernt da tadeln zu wollen, wo das Herz so rührend gesprochen. Doch halte ich es an der Zeit nun auch den Kopf sich die Sache betrachten zu lassen. 5 Was war der philanthropische Wunsch der französischen Ouvriers? Sie wollten und konnten vor der Hand nichts anders wünschen, als daß der Neger in der Ge sellschaft auf eine Stufe mit ihnen gestellt würde. Die französischen Arbeiter fühlen 10 alle sehr wohl das ganze Elend welches auf ihnen lastet; und nicht nur die Arbeiter, sondern auch andere menschenfreundliche Männer verlangen dringend Abhülfe vom Staat. Die Zukunft, die sie von zweckmäßigen Maaßregeln für sich hoffen, wünschen sie auch für die Neger. Stellen wir uns also die Frage: Was kann die Gesellschaft, bei der Basis, auf der 15 sie ruht, zur Änderung des Looses der Proletarier thun? Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, können wir uns an keine Wis senschaft wenden, als an diejenige, welche den Nationen Reichthum und Glückselig keit verheißt, an die Nationalökonomie. Es treten uns hier zwei Richtungen entgegen, die alte und die neue, das System 20 der Merkantilisten oder das Monopolsystem, und die liberale Nationalökonomie. Das alte System hat die Zeit gerichtet und in allen einigermaaßen vorgeschrittenen Ländern findet man es nur noch in der historischen Rumpelkammer. Man hat dies System der offenen Gewaltthat verlassen, da die rohe Gewalt der Humanität, oder richtiger der humanthuenden Scheinheiligkeit unserer Tage nicht mehr entspricht. Die neuere Lehre verspricht, alle Wunden die das Monopolsystem geschlagen, gründlich zu heilen. Wir kennen die Maueraffichen in Paris: Guérison radicale, Consultations gratuites. — Jeder weiß, daß die guérison radicale nichts heilt, und daß die consultations gratuites verdammt theuer sind. Werden sich die Versprechungen der Nationalökonomen besser bewähren? Wir wollen sehen! Zuvörderst erklärt sie ihre Heilmethode für wesentlich allopathisch und sich im Besitz einer unfehlbaren Morisonpille. Da sie für alle Leiden eine Ursache annimmt, 25 30 502 Negersklaven und freie Sklaven das Monopol, so kann sie auch ein Universalmittel geben, und das ist die Con currenz. Ehe wir die Concurrenz in ihren Wirkungen verfolgen, müssen wir aber die Basis bezeichnen, auf der die Stellung des Capitalisten in der Gesellschaft beruht, denn das 5 Capitalistwerden ist das Ziel alles nationalökonomischen Strebens. Lassen wir die Nationalökonomen sich selbst darüber aussprechen. Say erklärt das Kapital sei ein gemeiner, im besten Fall ein vom Gesetz sanctionirter Diebstahl. Nach Ad. Smith erhält der Besitzer eines Capitals, eben durch diesen Besitz, die Herrschaft über die Arbeit und ihre Produkte, eine wahre Regierungsgewalt. Arbeiter aber ist jeder der 10 kein Kapital besitzt. Die Aufgabe ist, dies zu erlangen. — Nehmen wir darum vor der Hand das Kapital als etwas sehr wünschenswerthes an, und sehen ganz von der oben gegebenen Definition ab, so handelt es sich um die Möglichkeit sich dasselbe zu verschaffen. Dazu muß die Concurrenz verhelfen. Der Arbeiter nun hat nach der Nationalökonomie keine andere Hülf squellen und 15 Mittel als die Arbeit und ihren Lohn. Hiemit muß folglich das Kapital erworben werden. In welchem Verhältnisse aber steht der Arbeitslohn zu dem, was damit erreicht werden soll? Wie wird zuerst der Arbeitslohn fixirt? Die Nationalökonomie lebt noch in den barbarischen Zeiten, wo der Krieg das Normalmittel zur Erreichung gesellschaftlicher Zwecke, oder zur Ausgleichung aller 20 Differenzen ist. Der Kapitalist und der, der capital nichts ist, der Arbeiter, müssen in Streit mit einander gerathen, um den Arbeitslohn zu fixiren. Der Arbeiter fordert möglicherweise alles, und der Kapitalist bietet möglicherweise nichts. Das Resultat dieses Kampfes zwischen dem Etwas und Nichts ist das quantum welches als Ar beitslohn gezahlt wird. Ohne hier weiter untersuchen zu wollen, ob dieser Kampf 25 auch ein anderes Resultat hätte haben können, wollen wir uns damit begnügen das anzuführen, was nach dem Zeugniß der Nationalökonomie wirklich als Resultat sich herausgestellt hat. Wie groß also ist der Lohn des Arbeiters? Nach Say beschränkt sich der Lohn des Arbeiters auf das Allernothwendigste zum Leben, auf so viel als nöthig ist um die Arbeit fortsetzen zu können. Wenn er hinzufügt, daß noch ein kleines 30 Mehr hinzukäme, um die Kinder bis zum vierzehnten Jahre zu füttern, so sagt dies eines Theils nicht viel, andern Theils ist es gar nicht wahr. Adam Smith führt selbst eine Berechnung auf, wonach im günstigsten Falle der Arbeitslohn nur so hoch steigt, daß von vier Kindern stets zwei aus Mangel des allernothwendigsten zu Grunde gehen, und die Statistik weist sogar nach, wie schon vom achten Jahre an die Kinder 35 mitarbeiten müssen um die Eltern ernähren zu helfen. In den von Dampf und Wasser getriebenen Spinnereien Englands arbeiteten im Jahr 1835: 20858 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, 35867 zwischen 12 und 13 Jahren und 108208 zwischen 14 und 18 Jahren, und zwar eine Arbeitszeit von täglich 8 bis 14 Stunden, also völlig die Tagewerkzeit eines erwachsenen Mannes. Das Einkommen eines Arbeiters ist also 40 im günstigsten Fall, nach der Nationalökonomie, so groß, daß in gewöhnlichen Jahren eben das nackte Leben gefristet werden kann. Tritt aber die geringste Theuerung ein, so geht ein großer Theü der Bevölkerung zu Grunde (Say). Und von diesem Ein kommen verlangt die Nationalökonomie, soll sich der Arbeiter ein Kapitalerwerben! Die Unmöglichkeit liegt auf der Hand. 45 Aber wir sind noch lange nicht an der Grenze des Elends angekommen. Unseren 503 Georg Weber Tagen ist es aufbehalten worden, zu zeigen, wie tief der Mensch ins Elend sinken kann; nachzuweisen, wie die gänzliche Beraubung aller Existenzmittel und Hun germord des heranwachsenden Geschlechts dennoch nicht im Stande sind, ein Grab aus der Erde zu machen; nachzuweisen, wie weit es möglich ist die bedürfnißlosen Gespenster der Fantasie in die brutale Wirklichkeit zu versetzen. 5 Das einzige Mittel in der heutigen Gesellschaft sich eine menschliche Existenz zu verschaffen, ist die Erwerbung eines Kapitals. Das einzige Mittel, welches der Arbeiter dazu besitzt, ist die Arbeit. Ich zeigte wie der Arbeiter auf diesem Wege unmöglich zum Ziel kommt. Aber auch der letzte Traum muß fallen, und ich werde darthun, daß diese Waffe, mit welcher er gegen den Druck der Gesellschaft kämpft, 10 eine verfehmte ist, die sich stets gegen ihn selbst wendet. Die Arbeit bringt den Arbeiter nicht nur dem Ziele nicht näher, sondern rückt es ihm immer ferner und stürzt ihn fort und fort tiefer ins Elend. Es wird durch die Concurrenz nicht nur der Arbeiter der Todfeind des andern, sondern sogar die eigne Arbeit ist das Gift an dem der Arbeiter untergeht. Der Arbeiter kann sich nur das Grab erarbeiten. 15 Da er einmal zur bloßen Waare herabgesunken ist, so folgt er allen Gesetzen die für diese gelten. Übersteigt die Zufuhr die Nachfrage, so sinkt der Preis. Je mehr Arbeiter sich anbieten, desto mehr wird freilich geschafft, aber alles was geschafft wird, ist für den Arbeiter die schwellende Frucht am Baume über Tantalus Haupte, stets nahe, nie erreichbar; denn ein zweiter, ein dritter Arbeiter, der sich anbietet, 20 drückt den Arbeitslohn des ersten hinab; und die letzte Grenze bis zu der sie sich wechselweise hinabstoßen, ist allein das Grab. Ein Arbeiter ist der Todfeind des andern. In den Norddistrikten Englands ist der Arbeitslohn längst unter den Preis des allernothwendigsten zum nackten Leben herabgesunken. Der Arbeiter ist schon neben seinen Lohn auf Bettel oder Diebstahl angewiesen. 25 Aber nicht bloß durch den Nebenarbeiter, nicht bloß trotz der Arbeit, sondern durch seine eigne Arbeit geht der unglückliche Industriesclave zu Grunde. Man hat gesagt: durch vermehrten Reiß, wie Say sehr naiv sagt: „durch Ver doppelung seines Fleißes", ist es dem Arbeiter möglich, seine Lage zu verbessern. Wer sechzehn Stunden täglich arbeitet, müßte aber erst die Kunst entdecken die 30 Stunden des Tags zu verdoppeln, um dem bestialischen Rathe der Ökonomen folgen zu können. So lange ihm dieses nicht gelungen, wollen wir uns begnügen die Folgen der einfachen Vermehrung des Fleißes zu betrachten. Nehmen wir also eine Arbeiterclasse von 10 Arbeitern an, welche, wie gewöhnlich, arbeiten und gewöhnlichen Lohn bekommen. — 5 von diesen Arbeitern verlängern 35 ihre Arbeitszeit von 14 auf 17 Stunden. Freilich erhalten sie nun etwas mehr Lohn. Was aber ist die nächste Folge? Dieselben 10 Arbeiter produciren jetzt etwas mehr, als früher 11 Arbeiter thaten. Es entsteht mehr Zufuhr an Produkt, und dieses sinkt im Preise. Von nun an kann der Fabrikherr nicht mehr den früheren Lohn zahlen, mit dem Producte sinkt auch die Arbeit im Preise. Nehmen wir an, daß dieser dahin 40 fiele, daß etwa die 5 fleißigem Arbeiter nun für ihr 17stündiges Tagewerk nicht mehr erhielten, als früher für ihr 14stündiges, so sind die übrigen Arbeiter, da dies eben nur zum nothdürftigen Leben ausreichte, gezwungen, ebenfalls jetzt 17 Stunden zu arbeiten. Neue Über-Production, neues Sinkendes Arbeitspreises, neue Vermehrung der Arbeitszeit, stets sich wiederholender Zirkel, der nur mit dem Nichts, d. h. mit 45 504 Negersklaven und freie Sklaven dem Tode endet. Was wir für eine Arbeitsciasse von 10 Arbeitern angenommen haben, hat in England sich schon im Großen herausgestellt. 5 Ich glaube daß diese Betrachtungen hinreichen um zu zeigen, daß die Verspre chungen der neuen Heilmethode das Übel an dem unsere Gesellschaft krankt, zu vernichten, sich keiner bessern Erfolge rühmen können als die Versprechungen der Maueraffichen. Und dennoch sind in der Nationalökonomie alle Mittel erschöpft, welche die heutige Gesellschaft besitzt, um das Glück ihrer Mitglieder zu machen, ohne sich selbst aufzuheben. Ich nahm zu diesen Bemerkungen Anlaß von der Arbeiterpetition. Die Petitioniren- 10 den wünschen, freilich ohne es zu wollen, den armen Negern nur ein noch viel schlimmeres Loos, und die Arbeiter selbst haben von der heutigen Gesellschaft mx auf eine Weise Änderung ihres Looses und Verbesserung zu erwarten, nämlich indem sie sich in den Zustand der alten Sclaven zurückbegeben. 20 Wohl war es ein hartes, ein unwürdiges Loos, welches die alten Sclaven zu tragen 15 hatten. Oft waren sie als freie Menschen geboren und kannten den Werth der Freiheit. Ein unglückliches Ungefähr, eine Laune des Krieges raubte ihnen dieses höchste menschliche Gut. Indessen es war die äußere Gewalt die sie zu Sclaven erniedrigt hatte, glückliche Umstände konnten ihr Loos ändern. Wie ganz anders ist dies heute! Nicht mit den Waffen in der Hand werden Sclaven erworben, nein, sie müssen sich selbst anbieten; sie müssen sich abarbeiten, schinden und quälen um es nur sein zu dürfen; der frei geborne Mensch muß sich seiner Menschheit entäußern, um nichts als sein elendes thierisches Dasein zu fristen! Er arbeitet, und je mehr er arbeitet, desto mehr sieht er die Möglichkeit verschwinden auch nur sein nacktes Leben davon zu tragen. Der Neger arbeitet, aber er erhält seinen nothdürftigen Lebensunterhalt, 25 er verhungert nicht. Der Industrie-Sclave arbeitet, aber seine Arbeit schützt ihn nicht vor dem Hungertode. Unter den sechs Millionen Irländern sind stets, nach authen tischen Berichten, drei Millionen am Verhungern. Deshalb wünschen die Fabrikherrn auch keineswegs die Sclaverei, weil sie mit sogenannten freien Menschen wohlfeiler producieren können, weü sie die Sclaven füttern müssen, aber die freien Arbeiter verhungern lassen können! Spätere Zeiten werden Mühe haben unsere Zustände zu begreifen, nachdem einmal das Grundübel gehoben sein wird. Wo dies liegt, das hat Proudhon zuerst ausgesprochen, und die deutsche Philosophie der neuesten Zeit in größter Allgemeinheit nachgewiesen. Vor der Hand aber, Arbeiter, zwingt die Reichen euch zu Sclaven zu machen, damit ihr nicht vor Elend umkommt! 30 35 G. Weber. 505 Georg Weber Offizielle preußische Wohltätigkeit Officielle preußische Wohlthätigkeit. Vorwärts! Nr.62, 3. August 1844 Der König von Preußen hat es sich in den Kopf gesetzt, seinem Schwager den li terarischen Kranz zu entreißen; während dieser Participial-Hexameter aus der Klasse der millepedes œristruirt, schafft auch jener sich ein ganz originelles Genre: das der wohlmeinenden Kabinetsordres. Auf diese seine geistigen Kinder verschwendet er alle Sorgfalt, die er an leibliche nicht verschwenden kann. Es ist ein merkwürdiges physiologisches Factum, daß man mitunter alle Fötustheile im männlichen Körper findet, indeß war doch noch kein Mann wirklich niedergekommen. Das einzige Beispiel ist bis jetzt der große Preußenkönig. Schade, daß er stets abortirt; das müßte sonst ein Minervengeschlecht werden. Bei seiner letzten Niederkunft hat man alle 10 mögliche Sorgfalt angewendet, und deutsche Ärzte glauben, daß dießmal das Kind zwar noch etwas frühzeitig" aber doch lebensfähig sei. Ich bin darüber anderer Meinung. Es wird diesem Kinde nicht besser gehen wie jenem vorletzten, welches sogar singend auf die Welt kam, — aber es war sein Schwanengesang: Friede den Schwänen! 5 15 Emsthaft. Friedrich Wilhelm hat eine Kabinetsordre erlassen, worin er der erstaunten Welt verkündet, daß der Pauperismus wirklich ein übel Ding sei, daß dieser aber nunmehr definitiv durch seinen königlichen Willen aufhören solle. Das Mittel ist jedoch nicht allein die Macht seines gesalbten Willens, sondern auch die Er richtung von Wohlthätigkeitsgesellschaften. Verzeihen Ew. Majestät: Sie wissen, daß Xerxes den Hellespont peitschen ließ, aber er kam doch nicht hinüber. Auch Sie, Majestät, werden nie auf einer christlichen Brücke den Abgrund überschreiten. Die Sache will andere Mittel. Officielle Wohlthätigkeit hat 1) bis jetzt noch nie den Fortschritt der Armuth aufgehalten, noch ist sie überhaupt 2) im Stande dies zu thun. 20 25 Der Raum gestattet nicht historische Thatsachen zu häufen, es mögen deßhalb einige der sprechendsten genügen. Die legale Wohlthätigkeit hat nie zur Erleichterung der Arbeitslosen, immer vielmehr zu größerem Drucke geführt. Das Beispiel Eng lands liegt uns am nächsten. Hier ist das Elend auf den höchsten Gipfel in Europa gestiegen. Ein Zug mag es, statt aller, charakterisiren: 1830 mußten fünfzig Familien 30 in der City von London alle Habe, Betten eingerechnet, verkaufen — um die Armentaxe zu bezahlen. Unter dieser Form der Taxe bestand die Unterstützung von 506 Offizielle preußische Wohltätigkeit jeher in England. Das Elend stieg aber stets, wie man aus dem Steigen der Taxe nachweisen kann: 5 1776 war die Armentaxe 1801 1812" 1830,, » » « « 1720316Pf. St. 4780891 11978875-, » *) überlOMül. auf eine Bevölkerung von 14 Mill. Menschen. — England erschrak vor sich selbst; die Taxe wurde am Ende unerschwinglich, aber das Elend taglich grausenhafter. Man glaubte, wenn man das Mittel in einer andern Form reichte, ein anderes Mittel zu 10 geben, und so wurde 1834 im Parlament die Amendement-Bill angenommen. Dem zufolge errichtete man Workhouses. Ich will keine Beschreibung dieser Anstalten geben, sondern nur ihr Resultat. 1837 hatte man die Armentaxe um 3 809498 Pf. St. reduciren können. Man jubelte über die herrliche Idee, denn die Abnahme der Taxe, die Ersparniß der Reichen bewies den bornirten Krämerseelen, daß das Elend ab- 15 genommen habe. Das war aber nicht der Fall. Einige der Bedingungen zur Aufnahme ins Werkhaus lauten: Trennung von Weib und Kind, in den Häusern Scheidung der Geschlechter; verläßt der Aufgenommene das Haus, so darf er nicht wieder eintreten; die Arbeit, in einigen: Hand- und Tretmühle (Straf arbeit der alten Sclaven); Kost: Gerstensuppe, Gemüse und Wasser, zweimal wöchentlich Schweinefleisch (wir sind in England und nicht in Italien!). Man sieht also im Ganzen, daß diese mildthätigen Anstalten den travaux forcés sich würdig an die Seite stellen. Nun, diesem lebendigen Tode zogen die hungernden Arbeiter den todten Tod vor; sie flohen diese Häuser wie die Pest. Was aus ihnen würde, darum kümmerte sich das Parlament nicht, nahm die Armentaxe doch ab! Die Geldbeiträge nahmen nicht ab, sondern dauerten unter 25 anderer Form fort. Die Workhouses wurden zuerst in Süd-England eingeführt. Augenblicklich entflohen 500041 Arbeiter in die Nord-Distrikte. Ihre Übersiedelung kostete den Pfarreien 28140 Pf. St. Im Norden nahm man sie mit offenen Armen auf, weil sie den Arbeitslohn drückten. 20 Aber bald wurde nun hier das Elend so schauderhaft, daß selbst die Kapitalisten 30 diesen Zuwachs wieder los sein wollten. Diese 500041 Arbeiter, vermehrt um ihre gezeugten Kinder, wurden nun mit vermehrten Kosten nach ihrer Heimath zurück geschickt. Wie sieht es jetzt hier aus? Müssen die Armen denn nicht endlich das Werkhaus dem Hungertode vorziehen? 1836 war ein harter Winter und ungeheure Noth. In einer 35 Sitzung des Comités in einer Stadt der Grafschaft Lerny meldeten sich auf einmal 149 Arme um Unterstützung. 118 von ihnen bietet man die Aufnahme ins Werkhaus an. Aber nur 6 von dieser Zahl nehmen diese an, die übrigen kehren sämmtlich auf den Schnee, in die Verzweiflung zurück. In der folgenden Sitzung melden sich 60. Dasselbe Anerbieten. 8 nehmen es an, aber schon nach 2 Tagen kehren 3 von diesen zurück. Lieber vor Hunger als vor Kummer sterben! Setzt doch dem Sperling ein herrliches Bauer mit schönem Futter auf den Schnee, wo er vor Hunger umkommt. Er geht nicht hinein. Und Ihr wollt daß der Mensch in einen elenden Käfig mit eklem Futter gehen soll? Und weil er das nicht thut, glaubt Ihr er sei nicht hungrig? Geht! 40 *) In diesem Jahr besonders hoch wegen des Kriegs; deßhalb konnte sie später wieder fallen; 45 doch ist die stets steigende Progression nicht zu verkennen. 507 Georg Weber 5 Doch auch einiges aus Frankreich. Ich will hier nur Thatsachen aus der Revolution anführen. Sie wendete zu allem was sie sich vorgesetzt hatte, die gewaltsamsten Mittel an — wenn es ihr nicht gelang von Staatswegen das Elend aufzuheben oder zu lindern, so darf man annehmen, daß es der Staat überhaupt nicht kann und daß am allerwenigsten ein bloßer königlicher Wille ohne einen Staat hier etwas zu ändern vermag. Die Revolution also beginnt, die Assemblée constituante versammelt sich und will das Elend aufheben. 1789 erklärt sie daß die Unglücklichen Recht auf ist etwas, und zwar etwas was die liberale Unterstützung und Arbeit hätten (das National-Ökonomie noch heute in Zweifel zieht). Sie machte einen Zusatz, der sich später und früher stets bei allen Gesetzen findet, welche der Armuth abhelfen sollen, nämlich daß von nun an auch die Armuth als Verbrechen zu betrachten sei. Sie konnte wohl Recht auf Arbeit, aber keine Arbeit geben. — Die Constitution von 1791 enthält ein Gesetz zur Bildung von Unterstützungs-Etablissements. Alle politische Freiheit, welche die droits de l'homme verkündeten, retteten den Armen nicht vor dem Hungertode, und der Pauperismus griff reißend um sich. Wie viel Arbeit das Recht 15 auf die Arbeit verschafft hatte, ergab sich daraus, daß alsbald mehrere Arbeiter- Erneuten ausbrachen. Diese wurden immer augenblicklich beschwichtigt durch augenblickliche Sättigung. Aber der Hunger kehrte stets mächtiger wieder, die Eigen thümer fingen schon jetzt an sich zu fürchten, und am 14. Juni 1791 wurde, im Wider spruch mit der Constitution, ein Décret gegen die Arbeiterverbindungen erlassen. — 20 Wir kommen zum Convent. Dieser will alles Elend mit einem Schlage ausrotten. Er konnte viel, aber dies vermochte er nicht. Zum größten Erstaunen zeigte sich der Todtgeglaubte am 17. März 1795 sehr handgreiflich. Eine große Masse von Arbeitern belagert den Convent und verlangt Brod. 10 Auch Napoleon, der wohl den König von Preußen und noch etwas mehr vernichten 25 konnte, vermochte das Elend nicht zu tilgen. Am 5. Juli 1808 erließ er ein Décret, worin er den Bettel als Verbrechen bestraft. Um es zum Verbrechen zu stempeln, errichtete er Wohlthätigkeitshäuser. Wie in England, will hier Niemand hinein, ganz dasselbe Resultat. — Wir brechen die Reihe der Thatsachen ab. Was in Frankreich und England erreicht ist, Ihr sehts täglich. Das Zeugniß der Geschichte könnte wohl 30 genügen einen Zweifel an die Macht der Wohlthätigkeitsanstalten gegen das Elend zu begründen. Indeß dies scheint noch nicht geschehen zu sein; — deshalb noch eine kurze Betrachtung, die vielleicht hinter diesen historischen Thatsachen hinreicht, die nothwendige Machtlosigkeit derselben begreiflich zu machen. Wir haben also hauptsächlich zwei Arten von Unterstützung. Einmal muß der Arme 35 für die Unterstützung arbeiten, das andere mal nicht. Man hält im Allgemeinen die erste Art für die vorzuziehende. Sehen wir ihre nothwendige Folge. Die Arbeit der Unterstützten hat nur den Zweck die Armen ihren Unterhalt selbst verdienen zu lassen. Die Arbeit der Fabrikarbeiter soll aber nebenbei den Gewinn des Fabrikherrn herbeischaffen. Folglich kann die Arbeit der Unterstützten ihre Produkte billiger 40 liefern. Die Produkte sinken im Preis, die Fabrikarbeiter bekommen weniger Lohn. Der Lohn aber ist schon auf das Minimum reducirt, also fallt er unter das Minimum, und die bisher noch nicht Unterstützten sinken jetzt zu der allertief sten Stufe, zu den Unterstützung-Bedürfenden herab. Auf diese Weise also erhalten wir, statt Abhülfe der Armuth, stets mehr Armuth. Das günstigste Resultat wäre eine stets wachsende 45 508 Offizielle preußische Wohltätigkeit 5 Masse Armer, welche der Staat unterstützt. Aber auch dies Resultat ist noch nicht einmal erreichbar, denn die zunehmende Menge Hungriger zwingt die Rationen zu theilen, und da dieser Prozeß ins Unendliche geht, so kommen wir zuletzt am un endlich kleinen an, was die Mathematik, wie bekannt, gleich 0 setzt. Also Vernich- tung des Menschen. Lassen wir deshalb die Armen nicht produciren. Zuerst, welche Ungerechtigkeit, daß ein Mensch sein Leben gefristet bekommt und nichts dafür leistet, während ein anderer, der alles was er kann thun muß, doch nicht besser daran ist. Die Erfahrung hat hier übrigens laut genug gesprochen. Alle so eingerichteten Armenanstalten klagen über den stets wachsenden Zudrang, also über das stets 10 wachsende Übel. Natürlich. Wer Arbeit bekommen kann, wird sie nicht nehmen, weil er sich besser ohne Arbeit steht. Die Industrie, welche doch nur die Kapitalisten zur Unterstützung liefern kann, verfällt dann auf den Standpunkt wo wir heut zu Tage angekommen sind; der Arbeitslohn ist schon unter das Niveau des zum Leben Nothwendigsten herabgesunken; die Unterstützung aber bietet das zum Leben 15 Nothwendige. Sie macht also der Industrie eine Concurrenz, die diese nicht aushalten kann, denn sie zahlt was sie zahlen kann. Sie wird also ruinirt, darum kann sie auch kein Kapital mehr zur Unterstützung liefern, und diese hört auf, — der Arbeiter hört auf. So führen beide Wege nothwendig zu einem, aber dem gewünschten entgegen- 20 gesetzten Resultate. Verlasse man sie also endlich, nachdem man Jahrhunderte auf ihnen fortgestolpert ist, und beachte einmal die Wegweiser die der Menschheit Genius schon so wohlwollend am Wege aufsteckt. Doch ich vergesse, Seine Majestät lieben den Witz, und ich schreibe ernsthaft. Diesmal aber haben Höchstdieselben einen sehr alten Witz gemacht, und es ist nicht 25 mehr möglich darüber zu lachen. G. Weber. 509 Georg Weber Die Kolonie Ostwald im Elsaß Die Colonie Ostwald im Elsaß. Vorwärts! Nr.64, 10. August 1844 Die Nr. 61 dieses Blattes enthält eine Beschreibung der Colonie Ostwald im Elsaß, welche mit den Worten schließt: „Liegt nun nach diesem Allen nicht die Frage nahe, ob dergleichen Unternehmungen nicht in jedem Lande in vergrößertem Maaßstabe gegründet werden und gedeihen könnten?" 5 Mit sichtlicher Freude beschreibt der Correspondent die Einrichtung dieser An stalt, und wenn meine Antwort auf seine Frage auch verneinend ausfallen muß, so möge er sich seine Freude nicht verkümmern lassen, die er bei dem Besuch in Ostwald empfand. Ist eine solche Einrichtung auch nicht im Stande, das Elend, welches dem falschen Prinzipe unserer Gesellschaft entsprossen ist, zu vernichten, so hat sie einen 10 andern Werth, der uns unwillkürlich mit ihr befreundet. Unsere brutale Gesellschaft hat, indem sie einerseits in ihren Gesetzen die Armuth zum Verbrechen stempelte, auf der andern Seite nicht ermangelt den Satz zu ver breiten, daß nur der Taugenichts, der Faullenzer, der Lasterhafte, kurz der Ver brecher, wirklich arm sei. 15 Die Colonie Ostwald bei Straßburg hat das Erfreuliche, daß sie den Gegenbeweis dieser schändlichen Annahme und eine Apologie der armen, verunglimpften, zu Verbrechern gestempelten Unglücklichen liefert. Es hat sich dort der verfolgte la sterhafte Vagabunde in menschlichere Verhältnisse gesetzt, in einen Menschen verwandelt. Aber aus diesem Erfolge darf man nicht schließen, daß nun das Mittel 20 gefunden sei, dem Elend abzuhelfen. Was wir so oft sehen, daß grade die Pflanze, die am üppigsten zu wachsen scheint, keine Früchte trägt, das ist auch hier der Fall. Gründen lassen sich dergleichen Anstalten wohl, aber gedeihen können sie nicht, sobald wir unter Gedeihen mit Louis Napoleon das verstehen, daß sie die kranke Gesellschaft heilen, das Elend vernichten solle. 25 Die Basis unserer bürgerlichen und rechtlichen Verhältnisse ist das Eigenthum. Eine Gesellschaft, die auf dieser Grundlage sich aufbaute, konnte nothwendiger und unabänderlicher Weise in ihrer Fortentwicklung nur bei ihrem heutigen Ausdruck ankommen. Fassen wir diesen zusammen in den beiden Erscheinungsweisen des Leidens und des Handelns, so ist unsere Gesellschaft mit den beiden Worten: Geld- 30 herrschaft und Concurrenz charakterisirt. Keines dieser Prinzipe hat man bei der Einrichtung jener Colonie angetastet; alle 510 Die Kolonie Ostwald im Elsaß 5 io durch dieselbe gegebenen Consequenzen bleiben deßhalb auch für dieselbe in Kraft. Die Colonie ist nichts Anderes, als wieder eine offizielle Unterstützungs-Anstalt, welche den Armen für die ihm gereichte Unterstützung arbeiten läßt. Daß dieser Weg nicht zum Ziele führt, habe ich in einer frühern Nummer dieses Blatts im Umrisse ausgeführt. Das besondere folgt dem allgemeinen Gesetz. Da indeß diese Colonie wesentlich eine ackerbauende ist, und von vielen Seiten die Ackerbau-Industrie für eine von der Fabrik-Industrie specifisch verschiedene gehalten wird, so füge ich noch eine kurze Betrachtung dieses speciellen Falls bei. Auch der Ackerbau, wie jede andere Industrie, unterliegt den Gesetzen der Con currenz, auch der kleine Besitz wird vom großen verschlungen, und alles Grund eigenthum, man mag, wie in Frankreich, die Erbschaften ins Unendliche theilen, oder, wie in England, Majorate errichten, sammelt sich, ohne Unterschied, allmälig, aber sicher, in wenigen Händen, so daß auch die Ackerbau-Industrie, wie jede andere, zur endlichen Bildung der beiden Gegensätze, des Überflusses und des Elendes, führt. 15 Halten wir uns nur an den gegebenen Fall. Es soll also in einem Lande dem hauptsächlich den Fortschritten der Fabrik-In dustrie zu dankenden Pauperismus abgeholfen werden. Es bieten sich wüstliegende, doch urbar zu machende Strecken Landes dar, welche man dazu benutzt, um die Armen zu versammeln und diesem unbenutzten Boden Werth abzugewinnen. Die 20 Armen haben stets Lust zu dergleichen Unternehmungen, können sie aber nicht ausführen, weil ihnen das nöthige Capital fehlt. Kapital kann nur vom Kapital ge liefert werden. 25 Wenn dieses auch zu einem vereinzelten Unternehmen sich gefunden hat, so kann vernünftiger Weise gar nicht vorausgesetzt werden, daß dies je im Allgemeinen statt finden könne. Das hieße an das Capital keine andere Forderung stellen als sich selbst aufzugeben. Denn wenn wir wirklich unsern Zustand vermenschlichen wollen, so müssen wir wenigstens das bezwecken, daß die größte Mehrzahl der in den Fabriken schmachtenden Menschen diesen Mördergruben entzogen und in die Colonie auf genommen werde. Wo bleibt da die ganze Fabrik-Industrie, eine Hauptquelle des 30 Reichthums? Gut wenn sie zu Grunde geht, antwortet ihr. Sie geht aber nicht zu Grunde, denn sie ist stärker als bloße fromme Wünsche, sie bleibt, und ihr gründet keine Colonien. Und sie hat Recht. Nur wenn wirklich eine Radical-Cur der Krank heit, an der die ganze Gesellschaft leidet, vorgenommen wird, nur dann unterwirft sich derjenige, dem seine Krankheit noch nicht fühlbar, lästig wurde, einem ihm 35 momentan unangenehmen Heilverfahren, und sollte die Unannehmlichkeit auch nur eine eingebildete sein. Übrigens ist diese Colonisationsidee, welche neuerdings Louis Napoleon aus gebeutet hat, keineswegs neu. Auch ist es nicht bei der bloßen Idee geblieben; wohl so ziemlich in allen Ländern findet man einzelne dergleichen Colonien. In größerm 40 Umfange hat man in Holland auf diesem Wege dem Pauperismus zu begegnen ge sucht. Was hat man erreicht? daß das Elend von Holland sich dem von England als ebenbürtiger Bruder an die Seite stellen darf. Alle theilweisen Reformationen haben nur den Nutzen der Nutzlosigkeit derselben nachzuweisen und auf die endlich radicale Änderung hinzudrängen. Sparen wir uns 45 aber lieber bittere Erfahrungen! G. Weber. 511 Georg Weber Das Geld Vorwärts! Nr.69, 28. August 1844 Das Geld. Furto laetamur in ipso. Die Nationalökonomen möchten uns gerne überreden, daß das Geld eine ganz un wesentliche Sache sei, daß Alles auch ohne das Geld dasselbe Aussehen haben würde. Wollen sie dem Gelde das Lob nicht gönnen, zur Gestaltung unserer GeseEschaft beigetragen zu haben, so wollen wir nicht anstehen es dessen anzuklagen. 5 Immer mehr lastet der Mammon, wie ein drückender Alp auf den Bewegungen der civilisirten Staaten. Die Politik, welche als Herrscherin der Welt proclamili ist, hat nicht mehr Recht auf diesen Titel als Kaiser Ferdinand auf den seinigen; die Politik ist zur Magd geworden; die diplomatischen Kabinette erhalten ihre Befehle aus den 10 Comptoirs eines Rothschild und Consorten; Anfang und Ende von Krieg oder Frieden hängen von einem Rechenexempel ab, in welchem das X der Zinsfuß der Staats papiere ist*). So sehen wir im Großen die Menschen gerade da, wo sie sich am freiesten dünken, zu Sklaven des schnöden Metalls herabgewürdigt. Der Politiker aber, der heute selbst nicht mehr daran zweifelt, daß die Börse die Triebfeder ist, 15 welche den politischen Mechanismus bewegt, ist dennoch so naiv sich nicht für geknechtet zu halten. Das alltägliche Leben hat hier weit richtiger erkannt als die sogenannte Wissen schaft. Wie oft hört man das Geld verfluchen als Hinderniß guter Vorsätze, als Ursache so vieler Leiden ! Ich bin indeß weit entfernt das Geld als die Ursache unserer 20 gegenwärtigen Misere anzusehen; vielmehr betrachte ich es als einen Theil derselben, welcher dem gemeinsamen Grunde entsprungen ist. Es ist aber ein so integrirender Theil, daß er einer Wiedererzeugung des Ganzen fähig ist, wenn man auch alles andere weggeräumt hat, wie der kleinste Rest des Krebses, den die Operation stehen ließ, dieselbe vereitelt und das alte Übel in scheußlicherer Gestalt wieder hervorruft. 25 Diese Bösartigkeit im Wesen des Geldes ist bisher noch wenig erkannt worden, so daß selbst von den socialen Schriftstellern ihm nur wenige den Krieg erklären. Sogar Proudhon, während er schonungslos dem Eigenthum die Maske des Rechts herunterreißt, läßt das Geldsystem gänzlich unangetastet. Und wenn auch Weitling's Scharfblick die Wichtigkeit dieses Punktes nicht entgangen ist, so greift er doch mehr 30 *) Man sehe in den letzten Zeitungen den Einfluß des Bombardements von Tanger. In London und Paris spiegelt sich dasselbe nur in Börsenschwankungen. 512 Das Geld unser gegenwärtiges Geldsystem als das Wesen des Geldes an. Erst Marx (in den „deutsch-französischen Jahrbüchern") erklärt das Geld für „den allgemeinen, für sich selbst constituirten Werth aller Dinge". Und in diesem Ausspruch ist der Kern dieses räthselhaften Pudels gegeben, den wir jetzt aus seiner Hülle herausschälen 5 wollen. Wenn wir nach dem Werthe eines Gegenstandes fragen, so handelt es sich nicht mehr um den absoluten Werth desselben, sondern lediglich um den Tauschwerth. Es bleibt nur zu bestimmen, wie viel andere Sachen ich für eine gegebene eintauschen kann, um die Bedeutung dieser zu bezeichnen: „Die immer gesteigerten Bedürfnisse 10 des Menschen und die dadurch vermehrte Produktion der Arbeiter hatten den Tauschhandel bedeutend vervielfältigt und erweitert. Durch die Vermehrung und Vervielfältigung der Produkte entstanden vielfache Verwirrungen und Irrthümer im Austausch derselben. Der Eine hatte Leder zu Markte gebracht um Werkzeuge dafür einzutauschen, der aber die Werkzeuge austauschen wollte brauchte oft kein Leder, sondern Holz und Eisen; der das Eisen vertauschen wollte, weder Werkzeuge noch Leder, sondern Stoffe, oder Früchte oder sonst dergleichen Waaren. Dadurch wurden der Bequemlichkeit des freien Austausches bedeutende Hindernisse in den Weg gelegt. Um diese nun zu heben kam man auf eine neue Erfindung, die des Geldes. . .. Diese Stücke Metall, denen man einen eingebildeten Werth gegeben hatte, dienten 15 20 nun als Werthbestimmung der umzutauschenden Waaren." (Weitling, Garantien.) Es gibt uns in der That die Verwandlung des Werthes in den Tauschwerth noch keine vollkommne Anschauung unseres gegenwärtigen Zustandes. Man vergleicht zwei Waaren nicht unmittelbar mit einander und bestimmt blos aus dieser Ver- gleichung den Tauschwerth, sondern man stellt beide in Verhältniß zu einem dritten, 25 dem Gelde, so daß aufs neue endlich der Tauschwerth sich in den Preis auflöst. Der Kaufmann giebt nur Waaren für Waaren in Bezahlung, wenn er über den Preis beider Waaren im Reinen ist, und Weitling hat vollkommen Recht, daß die Werthbestim mung der Sachen nur vom Gelde abhänge. Darin tritt das Wesen des Geldes als Werth schlechthin, als der abstrakte Werth 30 heraus, und diese Abstraktion ist der Schein den es für seine göttliche Natur beibringt. Wie der Gott die Abstraktion des Menschen, so ist das Geld die Abstraktion des Werthes ; wie in der Religion ein Wesen nur Bedeutung hat in so fern es nicht concret, nicht wirklich, sondern abstrakt, unwirklich, in das göttliche Wesen aufgelöst er scheint, so erhält in der bürgerlichen Gesellschaft ein Ding erst Werth, wenn es sich entäußern, wenn es aufhören kann dies Ding zu sein und sich in Geld verwandelt. 35 Wo sich aber einmal ein Gott eingenistet hat, da ruft er augenblicklich: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir! Und die sklavische Welt betet an. Der Gott der Religion ist längst vom Schauplatz abgetreten und hat seinen Thron dem mo dernen Gott überlassen müssen. Unsere Mönche kreuzigen ihr Heisch in der Zelle 40 des Comptoirs; unser Evangelium ist die letzte Spalte der Zeitungen, und willst Du im Tempel die andächtige Gemeine dem Herrn ihr Loblied singen hören, so gehe in die Börse. Wirst Du da nicht ergriffen und erbaut, so mußt Du eine gottlose Seele sein. Anathema esto! Diese Abstraction, welche das Wesen des Geldes ausmacht, ist der Keim alles 45 Übels, welches er mit sich bringt, und von dem uns Weitling eine treffliche Schil- 513 Georg Weber derung gegeben hat. Deshalb aber ist es auch nicht genug, diese Form des Geldes aufzuheben, sondern man muß den Kern desselben vernichten; und hier hat Weitling sich geirrt, indem er einen neuen abstracten Werth an die Stelle des alten setzt. Denn seine Commerzstunden sind nichts anderes. Eine Arbeitsstunde hat eben nur den Werth einer Arbeitsstunde, aber nie den Werth von etwas anderem, ja eine Arbeits- stunde von A kann eben nur den Werth einer Arbeitsstunde von A, nicht aber von Β haben. Weitling ist in diesen Irrthum verfallen, weil ihn die Frage der Werthbestim­ mung beschäftigte. Diese national-ökonomische Frage aber wird gänzlich wegfallen, sobald das Eigenthum weggefallen ist. Ich verlange etwas nicht seines Werthes halber, sondern weil ich es bedarf. Schon Morelly macht die Forderung, daß der 10 Einzelne nicht erhalten dürfe nach seinen Leistungen, sondern nach seinem Be dürfniß: Puiser selon ses besoins. 5 Um unsern Zustand zu vermenschlichen, ist vor allem nöthig, daß wir den wirk lichen, ganzen Menschen als berechtigt anerkennen. Sein Bedürfniß gibt den Werth. Sobald wir einen Werth außer dem Menschen zugeben, so wird die Befriedigung des 15 Bedürfnisses von etwas anderem abhängig gemacht als von dem Dasein des Be dürfnisses, so genügt das Dasein des Menschen nicht mehr zur Berechtigung seiner Existenz, mit einem Worte, so kommen wir wieder auf den alten Standpunkt zurück, wo wir mit Weitling sagen können: „In welchen Winkel des alten, morschen Bau's der gesellschaftlichen Ordnung unsere Blicke (Iringen, überall stoßen wir auf Ver- 20 brechen und Mängel, deren Ursache die Ungleichheit ist, und das Mittel diese Ungleichheit zu erhalten, das ist das Geld!" Lassen wir eine Sache bestehen, die den Werth an sich darstellt, so ist mit ihr jede andere zu erlangen. Dieser abstráete Werth ist dann die Brücke, welche wieder zur Brutalität des Eigenthums hinunterführt. Eigenthum und Geld stehen in dem Verhältniß zu einander, daß das Eigenthum nach 25 Abschaffung des Geldes wieder das Geld, das Geld nach Vernichtung des Eigenthums wieder das Eigenthum gebiert. Wir haben es mit einer vielköpfigen Hyder zu thun, wo es nicht genügt einen Kopf abgehauen zu haben. Deshalb nannte ich das Geld einen integrirenden Theil unserer allgemeinen Misere, aber nicht die Ursache der selben. Die Ursache liegt tiefer. Wenn Marx in einer der vorigen Nummern dieses 30 Journals aussprach: Das menschliche Wesen ist das wahre Gemeinwesen der Menschen, so ist darin der Grundgedanke einer Reorganisation der Gesellschaft gegeben, und wir haben die jetzige Unmenschlichkeit der Gesellschaft nur in der bisherigen Ungesellschaftlichkeit des Menschen zu suchen. Nach Feuerbach geht dem Erkennen das Leiden vorher. Jetzt stehen wir an der 35 Grenze dieser Entwicklungsstufe. Gelitten hat die Menschheit genug, jetzt wird sie erkennen. Da wir den vergangenen Zustand nicht als einen zufälligen sondern nothwendigen begreifen, so können wir mit Begeisterung der Zukunft entgegengehen und doch ohne Haß von der Vergangenheit scheiden. Und die Gegenwart? Freilich der verunreinigte 40 Most muß gähren, damit ein reiner Wein erscheine. Und gerade darin, daß in unseren Tagen die Wahrheit heftigen Widerspruch erleidet, beurkundet es sich daß sie Macht über die Gemüther gewinnt. Sie erscheint neu weil sie anfängt wahr zu erscheinen. Das merkwürdige achtzehnte Jahrhundert hat schon manches verkündet was aber damals überhört wurde. „Wenn aber, sagt George Sand, unser Jahrhundert erst dahin 45 514 Das Geld kommt sich selbst zu erfassen, dann wird es auch das Leben des achtzehnten Jahr hunderts, seines Vaters, erfassen." Ich kann mich nicht enthalten bei dieser Ge legenheit einiges anzuführen was schon 1755 Morelly in seinem Code de la nature über das Eigenthum sagt: „Das einzige Laster der Welt, welches ich kenne, ist der 5 Geiz; alle anderen, wie sie heißen, sind nur Grade von diesem einen, dem Proteus, dem Mercur, der Basis, dem Vehikel aller Laster alles löst sich auf in die Sucht zu haben; ihr findet es selbst wieder im Busen der Uneigennützigkeit. Hätte aber eine so allgemeine Pest, ein solches schleichendes Fieber der ganzen GeseUschaft, wie das Einzel-Interesse, je den Platz greifen können, wo es nicht nur keine Nahrung, sondern nicht den geringsten Gährungsstoff gefunden? Ich glaube niemand wird die Wahrheit dieses Satzes bestreiten: daß da, wo kein Eigenthum besteht, auch keine seiner verderblichen Folgen auftreten kann;" oder später: „Jede gleiche oder un gleiche Theilung der Güter, jedes Eigenthum des Einzelnen in der Gesellschaft an diese Theile, ist was Horaz summi materia mali, die Quelle alles Übels, nennt." 10 15 Wohl erhoben in den Stürmen der Revolution sich einzelne Stimmen zu Gunsten dieser Wahrheit, sie wurde aber vom politischen Strudel verschlungen, und so tritt sie heute noch als eine neue der Welt gegenüber. Nicht alles was gesagt ist, ist deshalb bekannt. Man erinnere sich der Antwort des Aristoteles an Alexander. Deshalb wiederhole ich hier gerne die Worte die schon vor Jahrhunderten Shakespeare seinem 20 „Timon von Athen" in den Mund legt: . .. Was find ich hier? Gold? kostbar, flimmernd, rothes Gold? . .. So viel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön; Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel. Ihr Götter! warum dies? warum dies, Götter? Ha! dies lockt euch den Priester vom Altar; Reißt Halbgenes'nen weg das Schlummerkissen: Ja dieser rothe Sclave lös't und bindet Geweihte Bande; segnet den Verfluchten; Er macht den Aussatz lieblich; ehrt den Dieb Und gibt ihm Rang, gebeugtes Knie, und Einfluß Im Rath der Senatoren: dieser führt Der überjähr'gen Wittwe Freier zu; Sie, von Spital und Wunden giftig eiternd Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch Zu Maienjugend dies. Verdammt Metall, Gemeine Hure du der Menschen; die Die Völker thört Du süß'ster Königsmörder, edle Scheidung Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars! Du ewig blüh'nder, zartgeliebter Freier, Deß rother Schein den heil'gen Schnee zerschmelzt 25 30 35 45 515 Georg Weber Auf Diana's reinem Schoos! Sichtbare Gottheit, Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst, Zum Kuß sie zwingst! Du sprichst in jeder Sprache, Zu jedem Zweck! Du der Herzen Prüfstein! Denk, es empört dein Sclave sich, der Mensch; Vernichte deine Kraft sie all verwirrend, Daß Thieren wird die Herrschaft dieser Welt! G. Weber. 516